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Schweizerisches Bundesblatt.

XXIII. Jahrgang.

III.

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Nr. 33.

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19. August 1871.

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der

Mehrheit der ständeräthlichen Rekurskommission

über den

Rekursfall Fuchs.

(Vom 10. Juli 187l.)

Tit..

Die thatsächliehen Verhältnisse des vorliegenden Rekursfalles sind folgende .

Bernhard Fuchs, Schuster, aus Genkingen im Oberamt Reut-

lingen, Königreichs Wurtemberg, ist schon seit dem Jahr 1846 im

Danton Thurgau niedergelassen. 1847 erwarb er sieh ein kleines Gut in Dägenhort, Gemeinde Mengen, und im daraus folgenden Jahre verehlichte er sich mit einer Thurgauerin. Aus dieser Ehe sind fünf Sohne und zwei Töchtern entsprossen, der älteste Sohn Johannes, um dessen Naturalisation es sich handelt, ist geboren 1849 und somit uaeh den Bestimmungen des würtembergisehen Gesezes über die Ver-

pflichtnng zum Kriegsdienste vom 12. März 1868 am 1. Januar 1870 militärpflichtig geworden. Wir müssen diese Thatsache nachdrücklieh hervorhebeu, weil die Regierung von Thurgau das Gegentheil behaupten zu wollen scheint, indem sie in ihrer Rekursschrist vom 24. Februar 1. J. sagt : ,,e- handle sich um eine Versonlichkeit, die zur Zeit ihrer Verbindung mit der sehweiz. Eidgenossenschaft in Würtemberg noch gar nicht militarpflichtig war."

Es war nun vielleicht kein ganz zusälliges Zusammeutresfen u..it dem Beginne der Dienstpflicht, dass, wie die Regierung von Thurgau in ihrem Sehreiben an den Bundesrath vom

Bundesblatt. Jahrg. XXIII. Bd. III.

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92 ^ ^ 16. April 1870 ausdrücklich sagt, Bernhard Fuchs zu A n s a n g des J a h r e s 1870 das Bürgerrecht der Gemeinde Ma^ingen erhielt und sich hierauf unterm 16. Februar sur sich und seine Familie um das thurgauische Kantonsbürgerrecht bewarb. Der Grosse Rath entsprach dem Betenten unter der Bedingung, dass er nach Massgabe des Art. 43 der Bundesverfassung über die Entlassung aus seinem bisherigen Staatsverbande sieh ausweise. Das Bezirksamt Frauenseld wandte sich nun im Jnteresse des Fuchs an das Oberamt Reutlingen und dieses antwortete hierauf unter'm 23. März. Bernhard Fuchs mit seiner Frau und seinen sechs jüngern Kindern se^ aus dem würtembergisehen Staalsverbande entlasse.., dagegen konne ,,der im Jahr 184..)

geborne Sohn Johannes naeh Art. 9.) und 100 des Gesezes vom

12. März 1868 vor Erfüllung seiner Militärpflicht nicht mehr ans-

wandern, da im lausenden Jahre 1870 seine Altersklasse zur Aushebung käme, bei welcher er ...u erseheinen hättet Das Wort ^ a u s w a n d e r n . ^ , welches in dieser Erklärung vorkommt, hätte keinen Sinn, wenn es buchstäblich und nach unseren. schweizerischen Sprachgebrau.^he zu verstehen wäre , denn Johannes Fuchs hat seit seiner Geburt in der Schweig gelebt und braucht also n i ..h t erst Wurtemberg zu verlassen, um zu uns zn kommen. Allein Jedermann, der mit dem amtlichen Sprachgebrauche in den deutschen Staaten einigermassen vertraut ist, weiss, dass das Wort "auswandern^ dort auch eine juristisch-technische Bedeutung hat, indem man darunter gerade den Anstritt aus den.

Staatsverbande versteht.

Die Regierung von ^hnrgau, welche die Verweigerung der Entlassung des Sohnes Johannes Fuchs ungerechtfertigt sand und sich der Hoffnung überliess, es dürsten die würtembergisehen Behorden, wenn ste von der Sachlage näher unterrichtet würden, dieselbe nachträglich doch noch ansspreehen, wandte sich hierauf unteren 16. April 1870 an den Bundesrath mit dem Ansuchen, er mochte seine diplomatische Verwendung beim königlichen ^taatsministerium eintreten lassen, um, wie es in dem Schreiben ausdrücklich heisst, ,,eine u n b e d i n g t e Entlassung der ganzen Familie ^uchs^ zu erwirken. Der Bundesrath entsprach bereitwillig diesem Begehren, allein mit Rote von.. 20. Juni antwortete das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, es ^onne eine Ausnahme von den Bestimmungen der Art. 99 und 100 des neueu Kriegsdienftgesel^es aus deni Dispensationswege um so weniger

gestattet werden, als die Angehörigen der Altersklasse 1849/70 ein Recht

daraus haben, dass sämmtliche am 1. Januar pfliehtig Gewordenen aueh wirklieh zur Aushebung gezogen werden, da sonst anstatt der von der Aushebung Entbundenen andere Bfliehtige dnrch das ..^oos zur Einreihung in das Heer bestimmt werden tonnten. Jn Folge dieses ablehnenden Bescheides sprach die Regiernng von ......hurgau unter'm

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7. Jnli 1870 die Naturalisation auch des Johannes ^nchs ans, von der Ansicht ausgehend, dass ihr nicht zustehe, ihm ein Recht zu verweigern, welches sein Vater für sich und alle seine .^..gehörigen bereits erworben habe. Jnzwischen wurde in Wurtemberg Johannes Fuchs in die Rekrutirnngsliste ausgenommen und das Oberamt Reutlingen wandte sieh an das Bezirksamt Frauenfeld mit dem Ersuchen, ihn zu der aus den ..). November angesehen Musterung der Militärpflichtigen vorzuladen. Hierauf erklärte das Bezirksamt, dem Gesuche nicht Folge geben zu können, weil dem Joh. Fuchs das Kantons- und Schweizerbürgerrecht ertheilt worden seh und Derselbe in der Schweiz bereits Militärdienste leiste. Jm Auftrage seiner Regierung wandte sich nun der würtembergische Gesandte in der Schweiz mit Rote vom 22. Dezember an den Bundesrath und machte le^tern darauf aufmerksam, dass das Verfahren der thargauisehen Behörden im Widerspreche stehe mit Art. 3 des zwischen ben beiden Staaten bestehenden Riederlassungsvertrages, wonach die beiderseitigen Angehörigen in Betreff der Militärpflicht den Gesezen ihre^ Heimatlandes unterworfen bleiben, in dem Staate der Niederlassung dagegen von allen hierauf bezüglichen Leistungen befreit find. Der würtembergische Gefandte führt in seiner Zuschrist weiter aus, dass der junge Fuchs auch iet^t noch als dortseitiger Staatsangehöriger zu betrachten, weil ihm die Entlassung perweigert worden seh . er habe daher nicht im Widerspruche mit den Militärgesezen seines Heimatstaates in's schweizerische Staatsbürgerreeht ausgenommen uud zu Leistung von Militärdiensten in der Schweiz her^ angezoge.n werden konnen.

Der Gesandte sehloss daher mit dem Ansuchen, dass ,,der Würtembergische Militärpflichtige Joh.

Fuchs aus dem schweizerischen Staatsverbande wieder entlassen werde. ^ Die Regierung von .....hurgau, hierüber zur Veruehmlassung^ ausgefordert, stellte sich nun wesentlich aus folgenden Standpunkt: Der Vater Bernhard ^uchs seh seines frühern Staatsverbandes unbedingt entlassen und daher befähigt geworden, das thurganische Bürgerrecht in seinem vollen Umfange zu erwerben. Raeh dem Geseze erwerbe nun Jeder, dem das Bürgerrecht ertheilt werde, dasselbe für sich, feine Ehefrau und alle zur Einkaufszeit mit ihm im gleichen Haushalte lebenden Kinder. Da der Sohn Joh. Fuchs noch in der väterlichen
Haushaltung lebe wie seine Geschwister, so habe die Anwendung des erfolgten Bürgerrechtserwerbes aus ihn in keiner Weise verweigert werden köunen. Es handle si^.h nicht ^ um eine selbständige Bürgerrechtserwerbung durch den .^ohn Johannes, sondern es seh ihm dieselbe gewissermassen mit seinem Vater zuerkannt worden. Eine Verletznng des Riederlassungsvertrages seh aus dem Grunde nicht vorha.^.den , weil Joh. Fuchs vor seiuer Raturalisation von seinen

heimatlichen Behörden nicht zu Erfüllung von militärischen Verpflich-

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^

tnngen angehalten worden se^. Die Regierung von Thnrgau drückte daher gegen den Bundesrath d.e Hoffnung aus, er werde ihr Verfahren als ein korrektes ansehen und schüfen.

Diese ^usehrift 'der Regierung von Thurgau beantwortete der Bundesrath nnter'm 18. Januar l. J. in dem Sinne. dass er be.^aure, ihren Standpunkt nicht theilen zu konnen, sondern sie vielmehr einladen müsse, die Einbürgerung des Joh. Fnchs, als mit Art. 43 der Bundesverfassung im ..Widerspruch.. stehend, aufzuheben. Es müsse vollkommen anerkannt werden, dass die Behorde.. des Kantons Thurgan berechtigt se...en,.bei den dort vorzunehmenden Naturalisationen naeh Massgabe der th..rganisehen Gesel^ebung ^u verfahren, aber umgekehrt seyen aneh die würtembergischen Behorden in ihrem Rechte, wenn ste verlangen, dass für die Entlassung ans dem Staatsverbande das würtembergisehe Gese^ beobachtet werden müsse. Es frage sich daher lediglich, ob uebeu den thurgauischen Gesezen noch eiu drittes bestehe, durch welches ie..e modisizirt werdeu. dieses bestehe nun wirklich in ..^l.. 43 der ..Bundesverfassung , wonach kein Kantor eiuem Ausländer das Bürgerrecht ertheilen dürfe, wenn dieser nicht ans dem frühern Staats^ verlade entlassen worden se.... Dieser Vorsehrist se... mit B.^ug aus den Sohn Joh. ^uehs uieht nachgelebt worden, weil sür ihn die Entlassung geradezu verweigert werde.

Die Ansicht der thnrgauischen Regierung, dass sie der Entlassung

des Joh. Fuchs nicht bedürfe, weil sie nicht ihn speseli in's Bürgerrecht ausnehme , sondern deu Vater ^nchs und dessen Familie , se..

unhaltbar, weil die Frage, wer der Entlassung bedürfe, wem sie zu ertheilen oder zn verweigern se..., nach würtembergisehem Geseze erledigt werdeu müffe, da es fich eben um d..e Losung des Staatsverbandes mit Würtemberg handle. R^.n konne aber von Würtemberg nicht verlangt werden, dass es von seiner Gese^gebung mit spezieller Rücksicht ans die Militärpflicht abgehe, da die Schweiz nach ^lrt. 3 des Rieder^ lassungsvertrages verpflichtet se.^, dieselbe zu respektiren. Würtemberg konne daher nicht angehalten werden, seine ^lngehorigen vor Erfüllung der Militärpflicht ans dem ^taatsverbande zu entlassen, sobald der Moment gekommen sev, wo es ein gese^liehes Anreeht auf den Militärdienst habe.

Gegen diesen Entscheid des Buudesrathes hat nun zunächst der Vater Veruhard ^nehs den Rekurs an die .Bundesversammlung ergriffen. Derselbe gründet sich wesentlich daraus, dass das thn..gauisehe

Bürgerrecht uicht direkt dem Sohn Joh. ^....hs, sonderu lediglich

dem Vater ertheilt worden uud dem Sohne nur durch seine Erwerbung angewachsen sei... Es habe daher nach Art. 43 der Bundesverfassung offenbar mehr uicht verlangt werden konueu, ..ls dass der Vater die

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Entlassung aus dem sruhern Staatsverbande auswirke und beibringe, und diesem postulate sey ein volles Genüge geschehen. Wollte man mehr verlangen, so würde dadurch die kantonale nicht bloss von der schweizerischen, sondern sogar von einer grossen Zahl fremder. Gesetz^ gebungen abhängig gemacht, dadurch einem fast unerträglichen Zustande gerufen, der Erwerb des Schweizerbürgerrechtes erschwert und damit auch die Gefahr der Heimatlosigkeit vermehrt. Der Niederlassung...vertrag mit Würtemberg enthalte keine Bestimmung, durch welche das Entlassungsrecht geregelt oder die Freiheit der Kantone oder des Bundes beschränkt würde. Es möge der würtembergisehen Regierung unbenommen bleiben , gegen den Sohn Joh. Fuchs das Strafversahren wegen Verweigerung de.^ Militärdienstes einzuleiten und ihm jede Verbindung mit den. ehemaligen staatliehen Verbande zu entziehen: mehr könne sie vertragsgemäss nicht thun, am allerwenigsten könne sie ihn an einer anderweitigen Einbürgerung hindern.

Die Rekursschrist schliesst mit dem Gesuche um unbedingte Anerkennung des Bürgerrechtserwerbes des Reknrrenten im Sinne der thurgauischen Gesetzgebung, als für ihn und alle seine Familiengenossen reehtsbeständig.

Diesen Rekurs unterstützt die Regierung von Thurgau, inde.n sie mit Znschrift vom 24. Februar verlangt: ,,es seien die sachbezüglichen Verfügungen des Bundesrathes aufzuheben und Joh. Fuchs gleich seinem Vater und den übrigen Familienangehörigen als hierorts wirklieh und gesetzmässig verbürgert anzuerkennen.^ Sie begründet dieses Gesuch solgendermassen . Eine selbständige Bürgerreehtsertheiluug an Joh. ..^uchs liege nicht vor, vielmehr sei eine solche lediglich an den Vater Bernhard ^uehs erfolgt und diese habe sich, in Anwendung eines bereits seit dem Jahr l 806 in Krast bestehenden positiven Gesetzes, auf seine Familienglieder ausgedehnt. Der Vater Bernhard ^uchs se^ des würtembergischen Staatsverbandes ohne weiteres entlassen worden, daher eine besondere Entlassung des Lohnes Johannes in l.einer Weise nöthig gewesen, wie sie denn auch in Betreff der übrigen sechs Kinder des Fuchs nicht beansprucht werde. Jede andere Anfsassnng und Anwendung des Art. 43 der Bundesverfassung würde nicht nur mit der bestehenden ..^rar^is, sondern auch mit der thnrgauischen Gesetzgebung in Widerspruch treten und eine unbefugte Einmischung
der Bnndesbehörden in die Kantonalsouveränetät enthalten, welche zugleich naehtheilige individuelle Folgen haben könnte, indem sie unter Umständen die Heimatlosigkeit befördern müsste. Wenn auch den würtembergischen Behörden das vertragsgemasse Recht zugestanden werden müsse, ihre Militärgesetzgebung auf ihre in der Schweiz niedergelassenen Angehörigen anzuwenden, so könne doch von einer Geltendmachung dieses Rechtes im Fragefalle keine Rede se.^n, zumal Joh. Fuchs nicht nur beharrlich sich Beigere , n..ürtembergische Militärdienste zu thun, sondern sreiwillig in den Dienst der

96 Eidgenossenschaft getreten sep. Eine gese^liche oder konventionelle Vorschrift, durch welche die eidgenossischen oder kantonalen Behorden in der freien Beurteilung von Entlasfnngsnrknnden beschränkt würden, bestehe nicht, vielmehr sei diese freie Stellung stets gehor.g gewahrt worden.

Nachdem wir nun den Jnhalt der von uns eingesehenen Akten etwas ausführlich mitgetheilt haben, gehen wir über zur rechtliehen Er....rterung der vorliegenden .^.ekurssrage. Hier schiken wir die Bemerkung porans, dass der Entscheid derselben jedenfalls von einer grossen Tragweite sein wird, indem eben sehr viele Angehörige deutscher Staaten die Strenge der dortigen Militatesele als eine schwere ^ast empfinden, der sie sich durch die Einbürgerung in der Schweiz, namentlich wenn sie hier schon niedergelassen sind, zu entgehen suchen. Würde man dem Gesuche der Regierung von Thurgau entsprechen, so müssten ohne Zweisel eine Menge von Konflikten mit ^em Auslande entstehen, während wir anderseits anch nicht verkennen, dass im umgekehrten Falle die Behorden leicht in die unangenehme Lage verseht werden konnen, trennen zu müssen, was von Ratur zusammengehort. Scheiden wir zuerst von der Frage, um die es sich handelt, alles dasjenige ans, was bei Beurtheilung derselben nicht in Betracht fallen kann . Vorerst ist ^u betonen, dass bloss die ^ulassigkeit der Naturalisation des Joh. ^uehs in Frage liegt, dagegen von einer Zwangsanwendu..g .^egen ihn zur Erfüllung seiuer Militärpflicht iu Wurtemberg überall nicht die Rede ist ; der Bundesrath erklärt vielmehr in seiner Botsehast ausdrücklieh, dass er die Auslieferung von Fahnenflüchtigen als mit den politischen Brinzipien der Schweiz im Widerspreche stehend betrachte. Ans eben dem Grunde^ weil es sich bloss um die Znlässigl.eit der Naturalisation handelt, konnen wir aber auch aus Art. 3 des Riederlassungsvertra^es mit Wurtemberg kein entsteigende... Gewi.ht legen ^ wir glauben viel^ mehr, dass, wenn dieser Vertrag nieht bestünde, die .^rage in ganz gleichem ...^inne wie je^t entschieden werden u^üsste. Roch viel weniger mochten wir die Regierung von Thurgau gleichsam dabei behasten, dass sie, indem sie die diplomatische Verwendung des Bundesrathes uaeh.^ suchte, damit selbst anerkannt habe, dass die Naturalisation des Joh.

Fuehs als Folge der Einbürgerung seines Vaters sieh
nicht von selbst verstehe^ wurde doch bei jenen. Gesuche vom 16. .^lpril t 870 aus..

drücklieh bemerkt, dasselbe geschehe zunächst nur um einen Konflikt zu vermeiden. Für uns bleibt daher als aussehliesslieh massgebend bloss der Art. 43, Lemma 2 der Bundesversassuug übrig, welcher ausdrücklich vorschreibt: ^ A u s l ä n d e r n d a r f kei.n K a n t o n d a s B ü r g e r r e c h t e ^ t h e i l e n , w e n n s i e nicht a u s d e m f r ü h e r n S t a a t s v er b a n d entlassen werden.^

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Mau kann über die Zweckmassigkeit dieser Bestimmung verschiedener Ansicht se^n und wir betrachten die Frage, ob sie für die Zukunst beiAnbehalten se^, jedenfalls als eine offene für die bevorstehende Bundesxevision. Aber so lange sie besteht, muss sie gehandhabt werden, und

es fragt steh also im Spezialsalle lediglieh, ob Joh. Fuchs aus dem

würtembergischen Staatsperbande entlassen se^, indem, soferne dieses nicht geschehen, seine Ausnahme in^s Bürgerrecht des Kantons Thurgau als nichtig dahinsallen muss. Run ist aber jene Entlassung nicht nur nicht erfolgt, sondern sie ist von den würtembergischen Behörden, gestuft .aus die dortige Militärgesetzgebuug, ausdrücklieh und wiederholt perweigert worden, es ist daher in der .^hat schwer einzusehen, wie die Naturalisation. gleichwohl als eine zulässige sollte aufrecht erhalten werden können. Die Regierung des Kantons Thurgau beruft sich nun sreilich auf ihr Bü.rgerreehtsgesetz, welches den so ziemlich allgemein anerkannten Grundsatz enthält, dass die Einbürgerung des Vaters auch diejenige semer in der Haushaltung lebenden Söhne involvire : allein es ist klar, dass, wenn dieses Gesetz in seiner Anwendung mit den Grundsätzen der Bundesverfassung in Konflikt geräth, es dieser ledern weichen muss. Es kann somit, wenn bei der Entlassung der Familie Fuehs aus dem würtembergischen Staatsverbande der älteste ^Sohn Johannes ausdrücklich ausgenommen wurde, das kantonale Gesetz nicht gegen den Art. 43 der Bundesverfassung angerusen werden. Man sagt nun freilieh, es habe für den ^ohn gar keiner besondern Entlassung bedurft, es genüge die Entlassung des Vaters als Familienhauptes, welche die Einbürgerung der ^ohne von selbst mit sich bringe. hieraus ist zu erwiedern, dass die Entlassung des Vaters eben auch k e i n e u n b e d i n g t e , sondern der ausdrückliche Vorbehalt daran geknüpft war, dass mit dem Vater Fuchs

^war seine ganze übrige .Familie, nicht aber der älteste, militärpflichtige Sohn aus dem würtembergischen Staatsverbande entlassen

se..,.

Die

Richtigkeit dieser Ausfassung hat die thurgauische Regierung selbst an.^ erkannt, indem sie, wie oben hervorgehoben wurde, in ihrem Schreiben

vom 16. April 1870 den Bundesrath anging, eine unbediugte Ent-

lassung der Familie ^uchs zu erwirken zu suehen. Die würtembergisehe Regierung aber konnte, gleichwie sie dem Vater Beruhard Fuehs die nachgesuchte Entlassung ganz hätte verweigern können, ebensowohl die-

selbe an Bedingungen kuüpsen, wie überhaupt die Schweiz hinsichtlich solcher Entlassungen auswärtigen Staaten nichts vorsehreiben kann.

Solange wir das Ersorderniss der Entlassung vom auswärtigen Staats^ verbande kennen, wird der Bürgerrechtspetent immer gegenüber seiner

heimathlichen Gesetzgebung und Regierung in einer gewissen Abhängigkeit sieh befinden. Uebrigens lässt sich die Verweigerung der Entlassung aus dem Gruude bestehender Militärpflicht leicht begreifen, weil, je

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grossere Anforderungen an die ..Dienstpflichtigen gestellt werden , dest.^ stärker auch namentlich an die Begüterten unter denselben die Versuchung herantritt, sich dieser schweren Last zu entziehen. Die Regierung von Thnrgau ihrerseits wäre nach unsrer Ansicht befngt gewesen,

die bedingte und bloss theilweise Entlassung der Familie Fuchs aus.

dem würtembergisehen Staatsverbande für ungenügend zu erklären und auch dem Vater Fuchs die Naturalisation sür einstweilen zu verweigern .

dagegen ist sie nicht berechtigt, jener Entlassung eine grossere Tragweite zu geben, als ste nach der Willen.^mei..u..g der die Urkunde ausstellenden Behörde haben sollte.

Was die bisherige bundesreehtliche Bra^is in der Auslegung und Anwendung des Art. 43 der Bundesversassuug betrisst, so hat sich zwar die Regierung von Thurgau mit Unrecht aus dieselbe berufen, aber ebensowenig haben wir in den vom Bundesrathe angerufenen Rummern der Ullmer'schen Sammlung entschiedene Bräzedenzsälle für den gegenwärtigen Entscheid gefunden. Dagegen mag ein anderer Fall hier angeführt werden, der in der gedachten Sammlung sich unter Rr. 171 findet.

Gestuft ans eine Bestimmung des französischen Eivilgesel^buehes, nach welcher die im Auslands gebornen Kinder eines Franzosen, weleher daselbst Bürger geworden ist, dem Vater nicht folgen, sondern Franzosen bleiben, hat der Bundesrath im Jahr 1854 die Regierung von Graubünden angewiesen, die minderjährigen Kinder eines von ihr natu^ ralisirten Franzosen bis zu ihrer Volljährigkeit als Angehörige F...ankxeiehs zu behandeln. Es ist also damit deutlich ausgesprochen worden, dass die Einbürgerung des Vaters nicht immer aneh diejenige der Kinder nothwendig mit sich bringt, sondern dass in dieser Hinsicht aus die heimatlichen Geseze des Staates, welchem der Eingebürgerte bis dahin angehorte, Rücksieht zu nehmen ist.

Sehliesslieh bemerken wir noch, dass, wenn aueh Johannes Fnehs als Schweizerbürger anerkannt werden wollte, er doch das ihm so nahe gelegene Gebiet des deutschen Reiches nicht betreten könnte, ohne als Resraktär verhastet zu werden. Wollte dann der Bundesrath dagegen reklamiren, so liesse sieh nur eine diplomatische Niederlage mit aller Sicherheit sür ihn voraussehen. Es können also jedenfalls. aus Einbürgerungen, welehe den Zweck haben, der Militärpflicht in einem fremden Staate zu entgehen, nur Konflikte entstehen, welche man gerade dureh die Annahme des Art. 43 Lemma 2 der Bundesversassung verhüten wollte. Es erscheint daher auch von. Standpunkte der ratio le^is aus die Auslegung, welche der Bundesrath jener Bestimmung giebt, als gereehtsertigt.

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9.^

Wir schließen daher mit dem ergebenen Antrage, e.^ se... der Rekurs des Bernhard Fuchs, unterstützt durch die Regierung von Thnrgan, abzuweisen.

Bern, den 10. Juli 1871.

Samens der Mehrheit der ständeräthlichen Rekurskommission :

I^. .^. ^. ^lumer.

^ote.

Die Bundesversammlung hat .den Rekurs ^uchs abgewiesen (Stände^

rath .I0., ^all^nalrath 19. Juli 1871).

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Bericht der Mehrheit der ständeräthlichen Rekurskommission über den Rekursfall Fuchs.

(Vom 10. Juli 187l.)

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19.08.1871

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