1 4 9

#ST#

B

e r i

c h t

der

.kommission der Bundesversammlung betreffend den Kompetenzkonflikt zwischen Bern und Aargau über Souveränetätsrechte am Rothbach bei Murgenthal.

(Vom 21. Dezember 1870.)

Lit.!

Ueber den Anstand zwischen den Kantonen Bern und Aargau betreffend Konflikt über S.ouveränetätsreehte am Rothbaeh bei Murgenthal,.

gibt sieh die von Jhnen niedergesezte Kommission die Ehre, in Folgendem Bericht zu erstatten.

Bei dieser Berichterstattung werden wir indessen nur jene thatsäehlichen Verhältnisse berühren , welche ans die anhängige formelle Frage Bezug haben, und jene, welche die materielle Seite des Geschästes berühren, übergehen.

Das Wasser des sogenannten Rotbbaches, welcher von St. Urban herkommend, bei Murgenthal in die Aare fliesst, wird benuzt, einerseits.

zum Betriebe einer Mühle, Oele, Säge und Stampfe, und anderseits für eine Anzahl Wiesen zur Bewässerung. Die leztere Berechtigung wnrde durch eine Urkunde des Abtes von St. Urban , welches Kloster obige

Gebäulichkeiten t.ls Lehen" besass , vom ..). August 1640 konstituirt.

Die Ableitung des Wassers geschah oberhalb der Wasserwerke, dureh Anbringung eines Wuhres im Rothbache, und Anbringung einer Schleusse, .oder einer sogenannten Britsche."

^50 Als im Anfange dieses Jahrhunderts der Aargau vom Kanton Bern abgeschieden wurde , gaben theils die Grenzen bei Mnrgenthal, theils die Wasserberechtigungen an dem Rothbaeh ^u langen VerhandJungen Anlass , bis endlich im Jahre 1823 ein Staatsvertrag zu Stande .^am, welcher folgende zwei Bestimmungen enthielt.

Art. H.

.,Soll das jeweilige rechte User des Rothbaches von dem obver.^,melten dreiseitigen Grenzstein bei St. Urban hinweg,. bis zu dem^jenigen bei der Morgeuthal-Brüke , welcher mit der Jahrzahl 1741 ^bezeichnet ist, unb von diesem hinweg bis ^u der Aare, ohne Rüksi.ht.^.

....ob genannter Bach seinen Runs hin und wieder verändere oder nicht, .,die Grenze ^wischen beiden Kantonen Bern und Aargau ausmachen, .,doch unter ^em ansdrükliehen Bedingniss , dass von dem erstgedachteu ^Grenzstein hinweg bis an den Wuhr, wo die W^ler-Wässeruug aus ^dem Rotl^bach fresst, keinerlei neue Damm- oder Schwellenarbeiten, .,wie Wuhrnugen , Wehren , ^leehtwerke und dergleichen an der Roth, ^anders als uach vorgenommenem .^lugensehein un^ u.it Genehmigung ,,der beiden Hochgeehrten ^erren ^bera^ut^.uanneru von ^larwangen und ^ofingen vorgenommen .verden.^

.^lrt. lll.

.,Alle bisherigen W.iss...rungs- und W...sser^rkrechte a^. der Roth ^werden hergebraehler^sse.. zu Gunsten der Berechtigten bestens .^al.,iu ^vorbehalten, dass Jhnen die gegenwärtige Marehung ganz unnachtheiti^ ,,sein soll. Was hingegen die neue Errichtung zukunftiger Wasserwerke ,,aus dem reehten ^othuser anbetrifft, so soll jede diessällige Bitte an ..,,die hoh.^ Regierung von Bern gelangen und somit aueh von derselben ^^..geftanden oder abgeschlagen werden konnen, so^vie daherige Streitig^l^eiten oder Uebertretungen der Fisehezen - oder Schnellen ^^olizei ,,.^on der richterlichen Behorde des Kantons Bern gesertigt werden.

..^Die hol.^e Regierung .^obl. Kantons ^largau ihrerseits vertraut aus .,,die Bereitwilligkeit der hohen Regierung .^obl. Standes Bern , dass ,,den Ansuchen obiger ^rt von .^eite der ^largauis^en Augehorigen, ..,,da wo es ol^ne Schaden geschehen kann, u.er^e entsprochen .oer^en, so ,,^oie es auch verstanden ist , dass ^u Verhütung ^er Beschädigungen ^aargauischer Bürger, welche a^n rechten User .^igentl^um besizen, künftige .,^nsuehen um Bewilligung von Wasserwerken aus dem linken User dieses ^ Bachs vorher bekannt gemacht und aus gegründete Einwendungen Rük^ ^sieht genommen werde.^ Ueber die Anwendung dieses ....^taatsvertrages entstanden nnn in neuerer ^eit verschiedene Anstände.

l. Der ....^üh le n l.. esiger in Murgenthal beabsichtigte die Anbringung .eines vierten Wasserrades. Die .Regierung von. Bern gab hiezu die

151 Konzession , wogegen die Regierung des .Kantons Aargau ein Mitkon^essionirungsrecht beanspruchte.

Il. Der Befizex der Oele verengte Errichtung eines veränderten Triebrechtes, und wendete sich diessalls an die aargauische Regierung um eine Baubewilligung.

Diese leztere wurde zwar erteilt, enthielt ^ber einige Bedingungen zu Gunsten der bestehenden Wasserrechte, weshalb sie nur bedingungsweise angenommen wnrde. Darauf zog die Aarganer^ Regierung den 24. September 1866 die Konzession zurük.

Daraufhin ertheilte nach Auswechslung mehrerer Korrespondenzen di^ Regierung von Bern, welche um ihre Jntervention anaeaanaen wurde, .^en 7. Oktober 1867 die verlangte Baukonzession.

lll. Endlich iiessen, znr Ze.t als obige Konflikte bereits beim Bunde anhängig waren, die Wasserrechtsbesizer ...n ihrem S.hleussenwerk derartige Vorkehrungen machen, dass der Wasserlaus nur vermittelst eine^ Schlüssels regulirt werden konnte. Der Bestzer der Mühle liess nun ebenfalls einen Schlüssel zu dieser Schlensse anfertigen. Hierauf erhoben die Ersteren gegen Leitern beim Gericht Zofingen eine Klage wegen Entführen des Wassers ans dem Rothbaehe vermittelst unbesugten .^...essnens der Schlensse. Die bernischen Behorden verweigerten die Anlegung der ^.lage , woraus der Mühlebesizer oder Bachter ediktaliter vor das Bezirksgericht ^osingen geladen ^vnrde.

Alle diese Anstand^ wurden von den betreffenden Regierungen an den Bundesrath gebracht.

Die erste Beschwerde , wegen Erstellung eines vierten Rades bei.

der Mühle in Murgenthal . .ourde indessen von der aarganischen Re^ierung, welche sie erhoben hatte, znrükg^ogen, und fällt somit auss^ Betracht.

Bezüglich der zweiten Beschwerde, wegen Veränderung des Triebreehles au der ...^...le, erledigte de... Bundesrath dieselbe mittelst seines Entscheides vom 2.^. September 1869 zu Gunsten des Kantons Bern.

Die dritte ^rage . betreffend Zuständigkeit der aargauis.hen Gerichte

bezüglich der Klage der Wass^rrechtsbesizer gegen den Müller in Mnrgenthal, wegen unberechtigtem Entführen von Wasser ans dem Rothbach, erledigte ....r dahin, sie sei vom Bundesgeriehte zu entscheiden.

B^üglich de.^ Entscheides des Bundesrathes . soweit er die aarpanische Beschwerde und deren Abweisung bezüglich des ^veit..n .^unl^tes, ^lnbriugnng von Triebwerken bei der Oele betrisst, scheinen sieh die Parteien ^u beruhigen, wenigstens liegt eine Besehwerde uicht vor.

Gegen den Entscheid über den dritten und legten Bunl.t , welcher die Sache dem Bun.^esgerichte znr Beurtheilung zuwies , protestirt da^.^gen die Regierung von B..rn mit Eingabe vom 22. Jnni 1870 nnd stellt das Gesuch :

152 ...I. ^..i.e .^unde^rsammtung moge den m ^....hen .^...n^enen ^ntschetd

des Bundesrathes vom 12. Oktober 1..^ ^ Bet..^ der dr.tt.^

.^.....t^age dahin abändern, dass fie dieselbe ..l.s ..... den Geschäftskreis der Bundesversammlung fallend anerkenne. und daher.

"a. entweder an den Bundesrath zur Beurtheiln.^ ^i^kw^, ,,b. oder den Ents.^id selbst an die Hand n.ehme., ,.II. Moge anerkennt werden, es stehe den Behörden des Kantons Bern die ausschliessliehe Besugniss zu , Streitigkeiten in Betreff de....

fraglichen Schleussenwerkes beim sogenannten .^othwuhr zu ent.^ scheiden.^ .

^.

Mit Eingabe ...om 19. September schließt steh Aar.^au dem ^steren Beehren : Aburtheilung durch den Bundesrath, beziehungsweise die B.^ndesversammlung an , und verlangt gegenüber dem zweiten Besuche ^o..

Bern , dass die .Kompetenz zum Erkennen ü^ex obige Streitsragen den organischen Behoxden eingeräumt .werde.

Das sind die faktischen Verhältnisse des vorliegenden Anstandes.

formell waltet Streit darüber, ob der B u n d e s r a t h ...nd die B u n d e s v e r s a m m l u n g --- o d e r d a s B u n d e s g e x i c h t d.^n ^ o m p e t e n z a n s t a n d z w i s c h e n d e n K a n t o n e n A a r g a u un^ .Bern z n e n t s eh e i d e n h .. b e ^ Die Entscheidung dieser. Frage steht nun unzweifelhaft der vereinig^ ten Bundesversammlung zu. Der ^ 74, Ziffer 17 der Bundesverfassung ^ählt unter den Attributen ^er Bundesversammlung unter litt. ^ ausdrüklich aus. die E n t s c h e i d u n g der F r a g e , ob ein G e g e n stand in die .^omp e t e n z ^ d e s . B u n d e s r a t h e s o d e r de.^

B u n d e s g e r i e h t e s falle.

Was nun den ..^ompeten^konflikt selbst anbetrifft, so muss vor Allem aus konftatirt werden, w o r i n derselbe f a k t i s c h bestehe, .weil erst dann die .^rage, ob er s t a a t s r e c h t l i c h e . . . oder .....rivatreehtliche^ .^atur sei, richtig erledigt werden kann.

^...l.tiseh nun darin :

besteht

der Anstand zwischen Aargau .und Be.en

Ob die a a r g a u i s c h e n oder die bernischen Gerichte die .^lage ^egen Entführung von Wasser aus dem Rothbaeh vermittelst unbefugten ^ ....^ffnens des Versehlufses an der Rothbachpritsehe in ^^ken und B.e-

Schädigung der Vritsehe, ^u entscheiden haben. Es .handelt .sieh deshalb tn der That um die Frage der Gerichtszuständigkeit. Ein streit über

die Zuständigkeit .eines oder mehrerer Gerichte inn.^t einem .^.ton.sTerritorium ist nun allerdings aus gerichtlichem Wege , d. h. durch d^ ^ern Gerate, ^ü erledi^n^. Allein wo der ..Streit ^wischen Geriehten

^53 verschiedener Kantone entsteht , kann natürlich dieses Hülfsmttte.l nicht ^la^ greifen, und es entsteht ein Streit über Ausübung der den .^nt.onen zustehenden und innewohnenden Souv...ränet..t, als deren Au^slu^ die Gerichtsbarkeit anzusehen ist, und dadurch erhält die Frage einen rein staatsrechtlichen Charakter.

Es kommt dabei nicht darauf an , ob später bei der materiellen Erledigung der Frage durch die Berichte, auf Grundlage von privat...

rechtlichen Titeln abzuurtheilen ist , denn das Recht zur Kognition der Gerichte ist offenbar nieht abhängig von den ..Beweismitteln, welche dem Gerichte unterbreitet werden konnen.

^ Ebenso wenig ändert an dem rechtlichen Eharakter der Jurisdiktion.^frage der Umstand , dass diese nicht aus der Territorialhoheit , sondern aus einem Staatsvertrage abgeleitet wird. Der Anstand besteht dennoch zwischen zwei ^onveränetäten, welche beide beabsichtigen, bestimmte Rechtsverhältnisse zu normten , und so lange ein Streit über ^die Zu^.

ständigkeit zweier an und sür sich nicht beschränkter Souveränetäten besteht, kann er unmoglieh einen privatreehtliehen Eharakter haben, sondern mnss als ein staatsrechtlicher Konflikt angesehen werden.

Aus diesen Gesichtspunkten kommt demnach Jhre Kommission einstimmig zu der Ansieht: der vorliegende Streit sei nicht durch da^ .Bundesgericht , sondern dureh den Bundesrath, und im Falle eine.^).ekurses durch die eidgenossischen Räthe zu erledigen.

Diese Anschauung rechtfertigt sich im Uebrigen auch noch durch den Umstand. dass beide Streitpar.eien die Kompetenz des Bundesrathe.^ anerkennen und gegen eine gerichtliche Abwandlung protestiren. Unter solchen Umständen ist nicht einzusehen , welche Unzukommliehkeit sür di^ Behor^n entstehen konnten , wenn der Bundesrath die Sache zur Entscheidung an die Hand nimmt.

Wenn demnach Jl..re Kommission glaubt , es solle dem ersten Be^ehren ^Berns nnd Aargaus über den Jurisdiktionsentseheid entsprochen werden, so kann nicht davon die Rede sein, dass aueh dem zweiten Begehren der streitenden Kantone, materiell jezt schon die Frage zn Gunsten des einen oder andern Kantons zn losen, entsprochen werden konne.

Der Bundesrath hat die ^rage materiell noch nieht geprüft und noch nicht entschieden , und der erstin^tau^liehe Entscheid über solche staatsrechtliehe Fragen steht nach ..lrt. ..)0 der
Bundesverfassung ihm zu.

Sodann konnte nicht die vereinigte Bundesversammlung, sondern es konnten nnr die eidgenössischen Räthe in den getrennten Kammern die staatsrechtliche Frage erledigen.

Die Kommission schlägt Jhnen deshalb vor ^) .

..^ Oblger ^ommisstona^Antrag wurde von der Bundesversammlung am 21.

^e^ember 1870 zum Besehlufse erhoben.

154 ,,Mit dem Entscheide über den vorliegenden Konflikt, betreffend ..Souveränetätsrechte an dem Fluss Roth, zwischen den Kantonen Bern ,,nnd Aargau, den Bundesrath zu beauftragen ; es sodann den Barteien anheimstellend , ob sie bei diesem Entscheide sieh beruhigen , oder den ,,Rekurs an die Bundesversammlung ergreisen wollen."

Schliesslich ist zu bemerken, dass Hr. Ständerath Jae.uet es übernommen, diesen Antrag in franzosischer Sprache zu begründen, und dass die Herren Nationalräthe Eberle und Rambert verhindert waren, an der Kommissiionalberathung Theil zu nehmen.

B e r n , den 21. Dezember 1870.

^

Jm Rameu der Kommission der Bundesversammlung, Der deutsche

Berichterstatter:

Jost Weber, Ständerath.

#ST#

Bericht der

nationalräthlichen .Commission über den Staatsv ertrag

be-

treffend die Konzession der Bodenseegürtelbahn.

(Vom 23. Dezember 1870.)

Tit..

Jndem ich mir die Ehre gebe, Jhuen den Kommissionalberieht in deutscher Sprache vorzulegen, glaube ich, nicht uothig zu haben, Jhnen des Rähern auseinanderzusetzen , dass es sieh hier, gleichwie bei andern Staatsverträgen, nur um einfache Annahme oder Verwerfung des ganzen Vertrages handeln kann.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission der Bundesversammlung betreffend den Kompetenzkonflikt zwischen Bern und Aargau über Souveränetätsrechte am Rothbach bei Murgenthal. (Vom 21. Dezember 1870.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1871

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

05

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.02.1871

Date Data Seite

149-154

Page Pagina Ref. No

10 006 786

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.