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Bundesgesetz betreffend

die Hülfskassen der Eisenbahn- und Dampfschiffgesellschaften.

(Vom 28. Juni 1889.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Vollziehung des Art. 34, Alinea 2, der Bundesverfassung; nach Einsicht der Botschaft des Bundesrathes vom 24. November 1888, beschließt: Art. 1. Die Statuten oder Vorschriften der Hülfskassen, der Bisenbahn- und Dampfschiffgesellschaften für ihre Beamten, Angestellten oder Arbeiter sind dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 2. Die Statuten oder Vorschriften derjenigen Kassen, welche die Invaliditäts- oder Alters- und Todesversicherung zum Zwecke haben, müssen den folgenden Bestimmungen entsprechen :

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1) Die Leistungen dei' Hülfskasse müssen bei mäßigen Ansprüchen an die Versicherten dem Versicherungszweck entsprechen.

2) Die vorgesehenen Einnahmen sollen nach den Gesetzen der Versicherungstechnik genügen, um die in Aussicht gestellten Leistungen der Kasse zu bestreiten.

3) Es dürfen den Versicherten, in welchem Alter sie auch der Kasse beitreten mögen, keine Leistungen vorgeschrieben werden, welche den wahrscheinlichen Baarwerth der von der Hülfskasse versprochenen Gegenleistung übersteigen.

4) Die vor dem Erlasse dieses Gesetzes einer Kasse beigetretenen Mitglieder sind bezüglich ihrer noch zu bezahlenden periodischen Beiträge und ihrer Rechte an die Kasse den Neueintretenden von gleichem Eintrittsalter gleichzustellen.

5) Die Abgangsentschädigung der aus der Gesellschaft Austretenden ist in billigem Verhältnis zu den geleisteten Einlagen und dem von der Kasse getrageneu Risiko zu bestimmen.

Art. 3. Mit den Statuten der in Art. 2 genannten Kassen ist eine nach versicherungsteclinischen Grundsätzen erstellte Bilanz dem Bundesrathe zur Prüfung vorzulegen.

Ergibt sich aus derselben, daß die Aktiven der Hülfskasse und der Baarwerth der statutenmäßigen ordentlichen Einiagen zusammengenommen hinter dem Baarwerthe der den Versicherten noch auszurichtenden Leistungen der Kasse zurückbleiben, so ist das Defizit von der Gesellschaft der Hülfskasse zu ersetzen. Der Bundesrath bestimmt nach Einholung eines 'Amortisationsplans der Gesellschaft, unter Berücksichtigung der Größe des Defizits, in welcher Frist und in welchen Beträsren der Ersatz zu Ogeschehen hat.

O Außerdem ist regelmäßig alle fünf Jahre, und außerordentlicherweise wenn es der Bundesrath als nöthig erachten wird, eine solche Bilanz einzureichen und durch den

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Bundesrath die Größe des allfälligen von der Gesellschaft zu ·deckenden Defizits zu bestimmen.

Art. 4. Sowohl die Gesellschaft, als auch eine Gruppe von wenigstens einem Zehntel der Mitglieder der betreffenden Hülfskasse ist berechtigt, innert einer Frist von dreißig Tagen, von deren Eröffnung a n , gegen Entscheide des Bundesrathes bei Anwendung von Art. 2, Ziff. l--5, und Art. 3 dieses Gesetzes Einspruch zu erheben.

Im Falle eines solchen Einspruches hat der Bundesrath das Gutachten einer Kommission von Sachverständigen einzuholen. Die Wahl eines Mitgliedes derselben steht der einsprechenden Gesellschaft und eventuell der einsprechenden Gruppe von Versicherten zu. Die Ergänzung der Kommission auf drei Mitglieder ist Sache des ßundesgerichts.

Der Bundesrath entscheidet auf Grundlage des Gutachtens der Kommission endgültig.

Art. 5. Die Jahresrechnungen der Hülfskassen nebst dem Nachweis über den Bestand des Vermögens sind mit der Gesellschaftsrechnung dem Bundesrathe vorzulegen, welcher dieselben auf Grund des Gesetzes und der Statuten zu prüfen hat.

Ergibt die Rechnung einen Einnahmen Überschuß, so ist derselbe zunächst zur Bildung oder Vermehrung der Reserve ·und einer Speziaireserve für Unvorhergesehenes im Interesse der Versicherten zu verwenden.

Art. 6. Die Gesellschaften sind verpflichtet, für möglichst sichere Anlage des Vermögens der Hülfskassen zu sorgen, und haften für allfällige Verluste.

Art. 7. Der Bundesrath wird darüber wachen, daß bei einem Betriebs- oder Besitzeswechsel oder einem Konkurse der Unternehmung die Interessen der Versicherten gewahrt bleiben.

Die Liquidation einer Hülfskasse darf nur mit Bewilligung und unter der Aufsicht des Bundesrathes stattfinden.

Bandesblatt. 41. Jahrg. Bd. III.

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896 Ihr Vermögen, welches nach Art. 3 und 6 von der Gesellschaft zu ergänzen ist, wird nach 'dem Verhältnisse zur rechnungsmäßigen Reserve der einzelnen Versicherten unter dieselben vertheilt.

Art. 8. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vorn 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und dea Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 28. Juni 1889.

Der Präsident: C. Hoffmann.

Der Protokollführer: Schatzmann» Also beschlossen vom Nationalrathe, B e r n , den 28. Juni 1889.

Der Präsident: H. Häberlin.

Der Protokollführer: Ringier.

Der schweizerische Bundesrath beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesgesetzes in das Bundesblatt.

B e r n , den 12. Juli 1889.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hammer.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers i Schatzmann.

N o t e . Datum der Publikation: 13. Juli 1889.

Ablauf der Einspruchsfrist: 11. Oktober 1889.

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Beschluß des

Bundesrathes über die ihm von industriellen Vereinen zugekommenen Petitionen in Betreff der Arbeitszeit.

(Vom 5. Juli 1889.)

Der schweizerische Bundesrath, nach Einsicht der Akten, aus welchen sich ergibt: Mit Begleitschreiben vom 8. und 24. Dezember 1888 ist dem Bundesrathe von Seite des schweizerischen Spinner-, Zwirner- und Weber-Vereins durch dessen Präsidenten, Herrn C. Widmer-Heußer in Goßau, eine vom 26. Oktober 1888 datirte gedruckte Petition zugekommen, welche 154 Unterschriften trägt, von denen indeß zwei wegfallen, die eine (J. K. Wer, Hinweil), weil sie nicht zu identifiziren ist, die andere (Weberei Oberkempten), weil sie zweimal erscheint. Die Petition verlangt, der Bundesrath wolle: 1. ,,den Anträgen der Herren Fabrikinspektoren, beziehungsweise den Rekursen an ihn in Bezug auf Vereinheitlichung der Esspausen, eventuell der Einrechnung der Eßpausen in die elfstündige Normalarbeitszeit, keine Folge geben" ; 2. ,,das Putzen und Oelen der Maschinen, das Reinigen der Lokale nach Beendigung der 11-stündigen Arbeitszeit als Hülfsarbeit auch für die mechanische Baumwollweberei und -Zwirnerei gestatten, so wie es bis anhin der Spinnerei gestattet war«.

Mit Schreiben vom 15. Dezember hat das Schweiz. Industrieund Landwirthschafts-Departement, in dessen Geschäftskreis die

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Bundesgesetz betreffend die Hülfskassen der Eisenbahn- und Dampfschiffgesellschaften.

(Vom 28. Juni 1889.)

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1889

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30

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13.07.1889

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