Weisungen über die Voraussetzungen für die Gründung von Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen vom 10. Juni 2005

Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 64 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 19821 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG), erlässt folgende Weisungen:

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Zweck Diese Weisungen sollen das einheitliche Vorgehen der Aufsichtsbehörden bei der Gründung von Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen nach Ziffer 2 sichern.

1

Sie sollen eine tragfähige Startphase ermöglichen, damit Einbussen für die Destinatäre und den Sicherheitsfonds vermieden werden können.

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2 21

Geltungsbereich Allgemeiner Geltungsbereich Diese Weisungen richten sich an die Aufsichtsbehörden der beruflichen Vorsorge nach Artikel 61 BVG.

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Sie gelten für die Gründung von Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen, welche dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 19932 (FZG) unterstellt sind (vgl. Art. 1 FZG, Art. 48 und 49 Abs. 2 Ziff. 14 BVG sowie Art. 89bis Abs. 6 Ziff. 12 des Zivilgesetzbuches3), unabhängig von ihrer Rechts- oder Verwaltungsform.

2

Sie gelten jedoch nicht für die Gründung von Verbandseinrichtungen und Vorsorgeeinrichtungen mit Arbeitgebern, die wirtschaftlich oder finanziell eng miteinander verbunden sind (Konzerneinrichtungen).

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SR 831.40 SR 831.42 SR 210

2005-1187

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Änderung der Geschäftstätigkeit bestehender Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen Ergeben sich bei bestehenden Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen wesentliche Änderungen ihrer Geschäftstätigkeit, verlangen die Aufsichtsbehörden den Nachweis, dass ein solider Fortbestand gewährleistet ist.

Wesentliche Änderungen sind insbesondere die Auflösung der engen wirtschaftlichen oder finanziellen Verbundenheit der angeschlossenen Arbeitgeber. Ist damit eine erhebliche Ausdehnung der Geschäftstätigkeit verbunden, sind die Weisungen sinngemäss anwendbar.

1

Die Aufsichtsbehörden weisen die Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen an, sie über wesentliche Änderungen der Geschäftstätigkeit zu informieren.

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Vorprüfung durch die Aufsichtsbehörde Die Aufsichtsbehörde fordert die notwendigen Unterlagen und Nachweise (vgl. Art. 6 und 7 BVV 14) für den Erlass der Verfügung zur Aufsichtsübernahme und allfälligen Registrierung vor dem Gründungsakt zur Vorprüfung an. Falls die Vorsorgeeinrichtung ohne Vorprüfung schon im Handelsregister eingetragen ist und die Unterlagen ungenügend oder die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, verfügt die Aufsichtsbehörde die Aufsichtsübernahme, um Massnahmen zur Behebung der Mängel anzuordnen oder allenfalls die Aufhebung oder die Liquidation der Vorsorgeeinrichtung zu verfügen.

1

Für die Vorprüfung und insbesondere für die Festlegung der Höhe des Anfangsvermögens und der Höhe der Garantie verlangt die Aufsichtsbehörde Unterlagen wie: a. Angaben über den/die Gründer; b. Angaben über die Organe; c. Business-Plan über 5 Jahre mit den wesentlichsten Aussagen über: ­ Geschäftsumfang und Wachstumserwartung (Anzahl Anschlüsse, Versicherte, Höhe Vorsorgekapital usw.), ­ Budget für die ersten zwei Jahre (inklusive Betriebskosten), ­ Vorsorgepläne, ­ Lagebeurteilung, Wettbewerbsvorteile und -nachteile, ­ Marketingkonzept (inklusive Werbe- und Vertriebskosten), ­ Organisation (inklusive internes Controlling und Informatik), ­ Finanzierungskonzept, ­ Anlagekonzept (inklusive Ziel- und Sollrenditen),

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SR 831.435.1 VO über die Beaufsichtigung und die Registrierung der Vorsorgeeinrichtungen (BVV 1).

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Analyse versicherungs- und finanztechnischer Risiken und Angaben über deren Deckung beziehungsweise Rückdeckung, ­ andere; Entwurf der Urkunde und der Statuten; Entwurf der Reglemente mit einem Organisations- und Anlagereglement; Entwurf der Anschlussvereinbarung; Art und Umfang einer allfälligen Rückdeckung (Versicherungsvertrag) beziehungsweise Höhe der technischen Rückstellungen; Entwurf der Garantieerklärung.

Bei der Prüfung der Reglemente achtet die Aufsichtsbehörde insbesondere darauf, dass die reglementarischen Leistungen und deren Finanzierung sich auf ein Gutachten des Experten für berufliche Vorsorge stützen, woraus hervorgeht, dass das finanzielle Gleichgewicht gewährleistet ist.

3

Die Aufsichtsbehörde achtet auch darauf, dass die Reglemente Bestimmungen über Rückstellungen und Schwankungsreserven gemäss Artikel 48e BVV 25 enthalten.

4

Sehen die Reglemente einen Satz zur Verzinsung des Sparguthabens vor, der über dem gesetzlichen Mindestzinssatz liegt, erteilt die Aufsicht die Genehmigung nur dann, wenn im Reglement der Vorbehalt besteht, dass das Vorsorgekapital nachweislich gedeckt und genügende Reserven und Rückstellungen vorhanden sind.

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4

Aufsichtsübernahme und Registrierung Die Aufsichtsbehörde trifft folgende Vorkehrungen, welche der Gewährleistung der finanziellen Sicherheit nach Artikel 6 Buchstabe a BVV 1 dienen sollen:

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Anfangsvermögen Die Aufsichtsbehörde prüft spätestens bei der Aufsichtsübernahme beziehungsweise Registrierung das Vorhandensein eines genügenden Anfangsvermögens. Sie stützt sich dabei auf die Ausführungen im Business-Plan.

Das Anfangsvermögen ist genügend, wenn mit ihm die in der Startphase zu erwartenden Verwaltungs-, Organisations- und andere Betriebskosten gedeckt sind.

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SR 831.441.1 VO über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2)

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Die Aufsichtsbehörde kann im Reglement eine Bestimmung zulassen, wonach bei einer Teilliquidation das noch vorhandene und weiterhin zweckgebundene Anfangsvermögen nicht anteilig mitgegeben werden muss.

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Garantie Die Aufsichtsbehörde prüft spätestens bei der Aufsichtsübernahme beziehungsweise Registrierung, ob bei der Errichtung zugunsten der Vorsorgeeinrichtung eine unwiderrufliche, nicht abtretbare Garantie einer der schweizerischen Aufsicht unterstehenden Bank oder eine Garantie einer der schweizerischen oder liechtensteinischen Aufsicht unterstehenden Versicherung vorliegt, welche auf mindestens 500 000 Franken lautet und mit einer Verpflichtungsdauer von fünf Jahren abgeschlossen wurde. Die Aufsichtsbehörde kann den Mindestbetrag höher ansetzen, jedoch nicht höher als 1 Million Franken. Für den Mindestbetrag sind Kriterien wie das zu erwartende Vorsorgekapital und die Anzahl der Anschlussverträge und deren Mindestvertragsdauer entscheidend.

1

Die Garantie wird in Anspruch genommen, wenn vor deren Verfall durch Zeitablauf ein Liquidationsverfahren über die Vorsorgeeinrichtung eröffnet wird und eine Schädigung der Destinatäre oder Dritter und/oder Leistungen des Sicherheitsfonds nicht ausgeschlossen sind. Andernfalls kann die Aufsichtsbehörde die Bank oder die Versicherung vor Ablauf der Verpflichtungsdauer aus der Garantieverpflichtung entlassen. Die Bank oder die Versicherung leistet gegenüber der Vorsorgeeinrichtung als Begünstigte auf erste schriftliche Zahlungsaufforderung hin. Zur Zahlungsaufforderung ist allein die zuständige Aufsichtsbehörde ermächtigt.

2

Bei Vorliegen einer vollen Rückdeckung (Vollversicherungsvertrag), die vertraglich auf mindestens 5 Jahre festgelegt ist, entfällt das Erfordernis einer Garantie.

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Rückdeckung Werden der Vorsorgeeinrichtung nachweislich weniger als 300 Versicherte angehören, prüft die Aufsichtsbehörde spätestens bei der Aufsichtsübernahme beziehungsweise Registrierung, ob ein Vertrag mit einer der schweizerischen oder liechtensteinischen Aufsicht unterstellten Versicherung vorliegt.

Art und Umfang der Rückdeckung stützt sich auf ein Gutachten des Experten für berufliche Vorsorge (vgl. Art. 43 Abs. 1 Bst. b BVV 2 in der Fassung vom 10. Juni 2005).

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Sind nachweislich ausreichende und gesondert ausgewiesene Reserven vorhanden, ist eine zusätzliche Rückdeckung durch einen Versicherungsvertrag nicht notwendig (vgl. Art. 43 Abs. 4 BVV 2).

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Besondere Anforderungen an die Organe und Organisation Oberstes paritätisches Organ der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtung Die Aufsichtsbehörde verlangt von der Vorsorgeeinrichtung den Nachweis, dass das Erfordernis der Parität erfüllt wird. Die angemessene Vertretung im Sinne von Artikel 51 BVG ist nicht gewährleistet, wenn das oberste paritätische Organ nur zwei Mitglieder aufweist.

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Geschäftsführung und Organisationsstruktur Die Aufsichtsbehörde verlangt von der Vorsorgeeinrichtung den Nachweis, dass die geschäftsführende Person im Besitz des eidgenössischen Diploms für Pensionskassenleiter/in oder eines gleichwertigen ausländischen Diploms ist oder auf andere Weise gründliche Kenntnisse in den Fachgebieten Recht, Versicherungstechnik, Rechnungswesen, Kapitalanlagen und Pensionskassenführung erworben hat.

1

Die Aufsichtsbehörde prüft insbesondere, ob das Organisationsreglement, Regeln über die Zuständigkeiten der verantwortlichen Stellen, über die internen Abläufe wie auch über die Schnittstellen mit externen Stellen enthält. Dazu gehören auch Angaben über den Bereich Informatik, welcher eine zeitgerechte, fehlerfreie und sichere Durchführung der beruflichen Vorsorge sicherstellt.

2

Sie verlangt ferner von der Vorsorgeeinrichtung den Nachweis, dass sie ausreichende Massnahmen zur Gewährleistung der Loyalität in der Vermögensverwaltung (Art. 49a Abs. 3 und 4 BVV 2) getroffen hat.

3

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Revisionsstelle Die Aufsichtsbehörde verlangt den Nachweis: a. dass die Revisionsstelle die gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. Art. 53 Abs. 1 und 4 BVG und Art. 33 BVV 2) erfüllt; b. dass die leitenden Revisoren über einen unbescholtenen Leumund, über eine den Anforderungen entsprechende Ausbildung (vorzugsweise Inhaber des eidgenössischen Diploms für Wirtschaftsprüfer/in oder eines gleichwertigen ausländischen Diploms) und über eine genügende Fachpraxis (insbesondere im Bereich Stiftungsrecht und berufliche Vorsorge) verfügen; c. dass die Revisionsstelle die gesetzlichen Voraussetzungen über die Unabhängigkeit (vgl. Art. 34 BVV 2) erfüllt. Die Revisionsstelle bestätigt ihre Unabhängigkeit gegenüber der Vorsorgeeinrichtung und legt allfällige Interessenkonflikte offen.

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Experte für berufliche Vorsorge Die Aufsichtsbehörde verlangt den Nachweis, dass der Experte für berufliche Vorsorge: a. über einen unbescholtenen Leumund verfügt; b. das eidgenössische Diplom als Pensionsversicherungsexperte besitzt (vgl. Art. 37 und 39 BVV 2) und über eine genügende Fachpraxis verfügt; eine praktische Erfahrung als Experte von fünf Jahren wird als genügend erachtet; c. die gesetzlichen Voraussetzungen über die Unabhängigkeit (vgl. Art. 40 BVV 2) erfüllt; der Experte bestätigt seine Unabhängigkeit gegenüber der Vorsorgeeinrichtung und legt allfällige Interessenkonflikte offen.

1

Sie verlangt vom Experten ausserdem eine Bestätigung, wonach er die Grundsätze und Richtlinien von der Aktuarvereinigung SAV und der Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten6 anerkennt. Vorbehalten bleiben Änderungen aufgrund Gesetzesrevisionen.

2

6

Berichterstattung nach der Gründung Die Aufsichtsbehörde kann der Vorsorgeeinrichtung in der Startphase den Umständen entsprechende, d.h. auch unterjährige Fristen zur Berichterstattung setzen.

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Sie verlangt insbesondere schriftlichen Bericht über die Einhaltung des Business-Plans. Wesentliche aktuelle und/oder absehbare Abweichungen sind darin zu begründen und die in der Folge ergriffenen oder geplanten Massnahmen darzulegen.

2

Führen die Abweichungen zu einer ungenügenden Rückdeckung (vgl.

Ziff. 43) sind entsprechende Massnahmen wie die Änderung der Art und des Umfangs der Rückdeckung beziehungsweise Anpassung der technischen Rückstellung durch ein Gutachten des Experten für berufliche Vorsorge zu belegen und die entsprechende Änderung des Versicherungsvertrages beziehungsweise die Anpassung der Rückstellung gegenüber der Aufsichtsbehörde zu bestätigen.

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Die Aufsichtsbehörde weist die Vorsorgeeinrichtungen an, über die Kündigung oder über wesentliche Änderungen des Versicherungsvertrages unaufgefordert zu informieren.

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Vom 28. August 2000 /www.kammer-pk-experten.ch/DE/Kammer/grundsaetzerichtlinen-pve_d.pdf.

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Inkrafttreten Diese Weisungen treten am 1. Juli 2005 in Kraft.

10. Juni 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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