05.053 Botschaft zur IV-Zusatzfinanzierung vom 22. Juni 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen einen Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer (MWST) zugunsten der IV mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. Juni 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-0921

4623

Übersicht Die finanzielle Situation der Invalidenversicherung (IV) hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Ende 2004 belief sich die Verschuldung der IV auf 6 Milliarden Franken. Im Rahmen der 5. IV-Revision schlägt der Bundesrat deshalb gezielte Entlastungs- und Sparmassnahmen vor. Diese Massnahmen allein reichen aber nicht aus, um die IV zu sanieren. Andererseits wären weitere Spar- und Entlastungsmassnahmen politisch nicht realisierbar und sozial nicht vertretbar.

Angesichts dieser Situation erachtet der Bundesrat die Erschliessung zusätzlicher Einnahmequellen für die IV als unerlässlich. Er schickte deshalb im Herbst 2004 gleichzeitig mit der Vorlage zur 5. IV-Revision einen Entwurf zur Zusatzfinanzierung der IV in die Vernehmlassung. Der Bundesrat sah darin zwei mögliche Finanzierungsvarianten vor: die Erhöhung der MWST oder die Erhöhung der Lohnbeiträge. Gestützt auf die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens schlägt der Bundesrat in der vorliegenden Botschaft eine lineare Erhöhung der MWST um 0,8 Prozentpunkte ohne Anteil für den Bund vor. Die Erhöhung tritt ein Jahr nach der 5. IV-Revision in Kraft, d.h. voraussichtlich am 1.Januar 2008.

4624

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Die finanzielle Lage der Invalidenversicherung (IV) hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. 2004 schloss sie mit einem Defizit von über 1,5 Milliarden Franken ab und die Verschuldung der IV belief sich auf 6 Milliarden Franken. Werden keine Massnahmen ergriffen, so wird der Ausgleichsfonds der AHV/IV zu Beginn des nächsten Jahrzehnts rote Zahlen schreiben, denn ein Grossteil seiner Guthaben wird künftig aus Forderungen gegenüber der IV bestehen (vgl. Ziff. 1.2.1). Angesichts dieser Entwicklung und nach der Ablehnung der MWST-Erhöhung zugunsten der AHV und IV durch Volk und Stände am 16. Mai 2004 müssen neue Massnahmen für die Finanzierung der IV vorgeschlagen werden.

1.1.1

Gegenwärtige Finanzlage der IV

1.1.1.1

Finanzielle Entwicklung der IV

Um die finanzielle Lage der IV zu bewerten, werden die Rechnung dieses Versicherungszweigs und die Wachstumsfaktoren während der letzten sieben Geschäftsjahre aufgeführt.

Die nachstehende Tabelle zeigt die Einnahmen und Ausgaben sowie den Stand des Kapitalkontos per Ende Jahr in der Zeit von 1996­2004:

4625

Einnahmen und Ausgaben der IV sowie Stand des Kapitalkontos 1996­2004 Beträge in Mio. Franken

zu laufenden Preisen 1996

2000

2004

Einnahmen total Beiträge der Versicherten und der Arbeitgebenden Beiträge der öffentlichen Hand ­ Bund (37,5 % der Ausgaben) ­ Kantone (12,5 % der Ausgaben) Regress

6 886 3 148

7 897 3 437

9 511 3 826

3 657 2 742 914 82

4 359 3 269 1 090 102

5 548 4 161 1 387 137

Ausgaben total Geldleistungen ­ Renten Individuelle Massnahmen Kollektive Massnahmen Durchführungs- und Verwaltungskosten Kapitalzinsen

7 313 4 462 4 008 1 181 1 367 229 74

8 718 5 451 5 004 1 319 1 623 234 90

11 096 7 075 6 386 1 550 1 961 409 101

Betriebsergebnis

­427

­820

­1 586

­1 575

­2 306

­6 036

Kapitalkonto1

Es zeigt sich, dass der jährliche Fehlbetrag ständig wächst: Betrug er 1996 noch rund 6 Prozent der gesamten Einnahmen, so steht er 2004 schon bei 17 Prozent derselben. Ausgedrückt in Prozenten der Beiträge von Versicherten und Arbeitgebenden ist er in der betrachteten Zeitspanne von 14 Prozent auf 41 Prozent gestiegen.

In der folgenden Tabelle sind die jährlich durchschnittlichen Veränderungen der einzelnen Posten der Jahresrechnung sowie der Minimalrente für verschiedene Zeiträume zusammengestellt:

1

Per 1. Januar 1998 wurden 2,2 Milliarden und per 1. Februar 2003 1,5 Milliarden von der EO in die IV verlagert.

4626

Durchschnittlich jährliche Wachstumsraten von Einnahmen und Ausgaben der IV sowie der Minimalrente (in Prozenten) 1996­2000

2000­2004

1996­2004

Einnahmen total Beiträge der Versicherten und der Arbeitgebenden Beiträge der öff. Hand ­ Bund (37,5 % der Ausgaben) ­ Kantone (12,5 % der Ausgaben) Regress

3,5 2,2

4,8 2,7

4,1 2,5

4,5 4,5 4,5 5,6

6,2 6,2 6,2 7,6

5,4 5,4 5,4 6,6

Ausgaben total Geldleistungen ­ Renten Individuelle Massnahmen Kollektive Massnahmen Durchführungs- und Verwaltungskosten

4,5 5,1 5,7 2,8 4,4 0,5

6,2 6,7 6,3 4,1 4,8 15,0

5,4 5,9 6,0 3,5 4,6 7,5

Minimalrente

0,9

1,2

1,1

Diese Werte zeigen eine deutlich unterschiedliche Dynamik zwischen den Einnahmen und den Ausgaben: Während 1996­2004 die Beiträge der Versicherten und der Arbeitgebenden durchschnittlich um 2,5 Prozent pro Jahr zugenommen haben, sind die Ausgaben jährlich um 5,4 Prozent, die Renten um 6,0 Prozent gewachsen. Die Ausgaben sind jährlich um 2,9 Prozentpunkte stärker als die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber gewachsen, die Renten um 3,5 Prozentpunkte. Die Anpassung der Renten spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, da die Minimalrente im gleichen Zeitraum jährlich um nur 1,1 Prozent zugenommen hat. Da der Beitrag der öffentlichen Hand von den Ausgaben abhängig ist, folgt dieser Einnahmenposten der Dynamik der Ausgaben. Somit übersteigt das jährliche Wachstum der Ausgaben die Gesamteinnahmen um 1,3 Prozentpunkte.

Weiter ist festzustellen, dass die Ausgaben ­ dabei vor allem die Renten ­ ab 2000 noch stärker gewachsen sind.

1.1.1.2

Verlagerung von Mitteln des Ausgleichsfonds der EO in die IV

Angesichts der finanziellen Lage der IV schlug der Bundesrat bereits in der Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision2 zwei rasch umsetzbare Massnahmen zur Zusatzfinanzierung der IV vor: Einerseits die befristete Verlagerung von Beiträgen (1 Lohnpromille) der Erwerbsersatzordnung zugunsten der IV und andererseits die Überweisung von Geldern aus dem Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung in die Invalidenversicherung.

2

Botschaft vom 25. Juni 1997 über den ersten Teil der 4. IV-Revision, BBl 1997 IV 149.

4627

Gegen den Willen des Bundesrates lehnten die Eidgenössischen Räte die Verlagerung der Beiträge ab (AB 1997 S 1024). Die zweite Massnahme wurde hingegen gutgeheissen. Am 1. Januar 1998 wurden 2,2 Milliarden Franken aus dem Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung auf das IV-Konto beim AHV-Ausgleichsfonds überwiesen (AS 1998 685). Durch diese Kapitalverlagerung konnte der bis Ende 1997 angehäufte Schuldenberg der IV abgebaut werden. Ende 1998 beliefen sich die Schulden der IV jedoch bereits wieder auf 690 Millionen Franken und Ende 1999 auf rund 1,5 Milliarden Franken.

Da sich die finanzielle Lage der IV zunehmend verschlechterte, schlug der Bundesrat in der Botschaft zur 11. AHV-Revision3 eine zweite Kapitalverlagerung in Höhe von 1,5 Milliarden Franken vor. Dies wurde von den Räten am 4. Oktober 2002 gutgeheissen und die Verlagerung wurde am 1. Februar 2003 vorgenommen (AS 2003 256).

Das Ziel einer mittel- und langfristig ausgeglichenen Finanzierung der IV wurde damit allerdings nicht erreicht. Auch wenn die Schulden der IV mit den Kapitalverlagerungen zum Teil getilgt und damit ihre Zinsbelastung ein wenig verringert werden konnte, beliefen sich die Schulden Ende 2004 auf rund 6 Milliarden Franken.

1.1.1.3

Massnahmen der 4. IV-Revision zur finanziellen Konsolidierung der IV

Die 4. IV-Revision4 wurde von den Eidgenössischen Räten am 21. März 2003 gutgeheissen und trat am 1. Januar 2004 in Kraft. Eines der Ziele dieser Revision war die finanzielle Konsolidierung der IV. Zu den Massnahmen, die sich auf der Ausgabenseite entlastend auswirken sollten, gehörten insbesondere die Aufhebung der Zusatzrenten, die Aufhebung der Härtefallrenten und die Ausweitung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen (EL) für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten sowie Massnahmen zur vermehrten Kostensteuerung (Bedarfsplanung bei Behinderteninstitutionen, gesetzliche Grundlage für die Finanzierung wissenschaftlicher Auswertungen). Die 4. IV-Revision sah auch eine gezielte Anpassung im Leistungsbereich vor, und zwar durch die Einführung einer einheitlichen Hilflosenentschädigung sowie eines neuen Taggeldsystems, ähnlich demjenigen in der Unfallversicherung (UVG; SR 823.20). Zudem wurde die Aufsicht des Bundes mit der Einführung von regionalen ärztlichen Diensten und mit der jährlichen (statt nur periodischen) Geschäftsprüfung der IV-Stellen verstärkt. Obwohl die Massnahmen zur gezielten Anpassung im Leistungsbereich und zur Verstärkung der Aufsicht zusätzliche Ausgaben mit sich brachten, hat die 4. Revision für die IV längerfristig (ohne Übergangseffekte) Einsparungen von rund 227 Millionen Franken pro Jahr zur Folge gehabt.

3

4

Botschaft vom 2. Februar 2000 über die 11. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung und die mittelfristige Finanzierung der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, BBl 2000 1865, Ziff. 3.2.4.

Botschaft vom 21. Februar 2001 über die 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, BBl 2001 3205.

4628

1.1.1.4

Monitoring

Im März 2003 hat das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) ein Monitoring für die neuen IV-Renten eingeführt. Mit Hilfe dieses Monitorings kann die Entwicklung der Rentenzusprachen pro Quartal und pro kantonale IV-Stelle verfolgt und dort eingegriffen werden, wo deutliche Abweichungen vom gesetzten Ziel beobachtet werden. Seit der Einführung konnte man feststellen, dass die prozentuale Ablehnung von Rentengesuchen von 23 Prozent (2002) auf 28 Prozent (2003) gestiegen ist.

Dennoch ist der gewichtete Anteil5 der IV-Rentenbezüger an der Wohnbevölkerung zwischen 18 und 62/64 Jahren6 von 4,7 Prozent (Januar 2003) auf 4,8 Prozent (Januar 2004) gestiegen. Allerdings ist die Zunahme im Vergleich zu den vergangenen Jahren weniger hoch.

1.1.1.5

Entlastungsprogramm 2003

Im Rahmen des Entlastungsprogramms 20037 wurden Massnahmen im Bereich der kollektiven Leistungen der IV getroffen, um die finanziellen Mittel gezielt einzusetzen und das Ausgabenwachstum einzudämmen. Der Bundesrat hat daher am 2. Juli 2003 eine Änderung der Verordnung der Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201), mit der die durchschnittliche jährliche Ausgabenerhöhung für Betriebsbeiträge an Institutionen für Invalide auf 4,3 Prozent (2003­2006) begrenzt werden soll, genehmigt. Diese Änderung trat am 1. August 2003 in Kraft (AS 2003 2181). Es wird mit Einsparungen von 109 Millionen Franken im Jahr 2005 (41 Millionen für den Bund, 54 Millionen für die IV, 14 Millionen für die Kantone) und mit 218 Millionen Franken im Jahr 2006 (81 Millionen für den Bund, 109 Millionen für die IV, 28 Millionen für die Kantone) gerechnet. Infolge des nachschüssigen Berechnungssystems wird die damit verbundene Entlastung der IV, der Bundesfinanzen und der Kantone erst ab 2006 in vollem Ausmass Wirkung zeigen.

1.1.1.6

Ablehnung der MWST-Erhöhung vom 16. Mai 2004

Im Rahmen der Botschaft zur 11. AHV-Revision8 beantragte der Bundesrat die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um einen Prozentpunkt zugunsten der IV, um mit den zusätzlichen Einnahmen einerseits die voraussichtlichen Ausgabenüberschüsse decken zu können und andererseits die Defizite der vergangenen Jahre auszugleichen. Während der parlamentarischen Beratungen über den Bundesbeschluss zur Finanzierung der AHV/IV drehte sich die Diskussion in erster Linie um die Frage, ob der Bund einen Anteil am zu erhebenden Mehrwertsteuerzuschlag erhalten und wie hoch dieser Zuschlag sein solle. Nach der Einigungskonferenz 5

6 7 8

Die Gesamtzahl der ausgerichteten Renten wird nach dem massgeblichen Invaliditätsgrad der verschiedenen Renten in Vollrenten umgewandelt. Diese Umrechnung erlaubt die direkte Abschätzung der finanziellen Auswirkungen der Anzahl IV-Renten.

Bevölkerung gemäss der eidgenössischen Volkszählung 2000 des Bundesamtes für Statistik.

Botschaft vom 2. Juli 2003 zum Entlastungsprogramm 2003 für den Bundeshaushalt, BBl 2003 5615.

Botschaft vom 2. Februar 2000 über die 11. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung und die mittelfristige Finanzierung der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, BBl 2000 1865.

4629

sprachen sich die Eidgenössischen Räte für eine lineare Erhöhung des MWSTSatzes um 0,8 Prozentpunkte zugunsten der IV ab 2005 und für die Beibehaltung des Bundesanteils von 15 Prozent aus. Diese Massnahme hätte zwar für die Finanzierung der laufenden Ausgaben ausgereicht, die Schulden der IV hätte sie jedoch nicht verringern können.

Die Ablehnung der Erhöhung der MWST zugunsten der AHV und der IV durch Volk und Stände am 16. Mai 2004 hat den Finanzhaushalt der IV erheblich aus dem Gleichgewicht gebracht. Selbst mit der Durchführung der 5. IV-Revision werden der IV ab 2005 bis ins Jahr 2025 im Durchschnitt jährlich rund 2,1 Milliarden Franken fehlen und ihre Schuld gegenüber dem Ausgleichsfonds der AHV wird um dieselbe Summe steigen.

1.1.2

Programm des Bundesrates im Bereich der sozialen Sicherheit

Der Bundesrat hat in seinem Bericht vom 25. Februar 20049 die Ziele der Legislaturplanung 2003­2007 präsentiert. Im Bereich der sozialen Sicherheit und des Gesundheitswesens geht es gemäss Ziel 5 um die zukunftsfähige Ausgestaltung der Sozialwerke. Für die IV bedeutet dies konkret eine 5. Revision, die voraussichtlich im Jahr 2007 in Kraft treten wird. Die vorliegende Botschaft wird parallel dazu im Parlament behandelt. Die Erhöhung der MWST soll ein Jahr nach der 5. IV-Revision in Kraft treten, d.h. voraussichtlich am 1.1.2008.

1.1.2.1

5. IV-Revision

1.1.2.1.1

Grundzüge

Die stetig anwachsende Zahl der Bezüger und Bezügerinnen von IV-Renten bringt zum einen soziale Schwierigkeiten mit sich, da immer mehr und immer jüngere Personen vom Erwerbsleben ausgeschlossen werden. Zum anderen hat die steigende Anzahl der Invalidenrenten eine ernsthafte Verschlechterung der finanziellen Lage der IV zur Folge, da die Einnahmen aus den Beiträgen seit langem nicht mehr mit den wachsenden Ausgaben Schritt halten. Es müssen daher neue Massnahmen getroffen werden, um diesen Trend aufzuhalten und die IV zu konsolidieren. Ziel der 5. IV-Revision ist es, die Ausgaben über die Senkung der Anzahl Neurenten zu reduzieren, negative Anreize bezüglich der Eingliederung zu beseitigen und Sparmassnahmen einzuführen. Um zu verhindern, dass die Zahl der Renten weiter zunimmt, werden ein System zur Früherfassung und Frühintervention sowie Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung eingeführt und die beruflichen Eingliederungsmassnahmen erweitert. Diese Instrumente sollen sicher stellen, dass Betroffene möglichst frühzeitig begleitet werden, und ihnen ermöglichen, ihre Arbeitsstelle zu behalten, so dass nach Möglichkeit keine Renten zugesprochen werden müssen. Die versicherten Personen werden verstärkt zur Mitwirkung bei der Eingliederung verpflichtet. Ausserdem wird der Invaliditätsbegriff im Zusammenhang mit der Rentenzusprache enger gefasst. Mit diesen Massnahmen soll die Zahl der Neurenten um 20 Prozent (bezogen auf das Jahr 2003) 9

Bericht des Bundesrates über die Legislaturplanung 2003­2007, BBl 2004 1149.

4630

gesenkt werden. Auf der Einnahmenseite wird vorgeschlagen, die Lohnbeiträge für die IV von 1,4 auf 1,5 Prozent zu erhöhen, womit die Entlastung der 2. Säule infolge Einsparungen von Renten teilweise ausgeglichen würde (vgl. Ziff. 1.2.4). Schliesslich umfasst die 5. IV-Revision Sparmassnahmen (Verzicht auf Karrierezuschlag; Finanzierung der medizinischen Massnahmen zur beruflichen Eingliederung durch die Krankenversicherung, ausgenommen die medizinischen Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen, die weiterhin durch die IV finanziert werden; Aufhebung der laufenden Zusatzrenten) und Massnahmen zur Korrektur von finanziellen Anreizen für die Erwirkung einer Rente oder deren Beibehaltung (z.B.

Anpassung des IV-Taggeldsystems, Vermeidung von Einkommenseinbussen bei erhöhter Erwerbstätigkeit). Ebenfalls Bestandteil der 5. IV-Revision bildet die befristete Senkung des Beitrags des Bundes an die IV von 37,5 auf 36,9 Prozent der IV-Ausgaben.

1.1.2.1.2

Finanzielle Auswirkungen

Die in der 5. IV-Revision vorgeschlagenen Massnahmen werden den Finanzhaushalt der IV bis ins Jahr 2025 durchschnittlich um rund 596 Millionen Franken pro Jahr entlasten, wobei zu beachten ist, dass jede Ausgabe zur Hälfte von der öffentlichen Hand getragen wird, so dass die tatsächliche Ausgabenreduktion der Hälfte der totalen Ausgabenreduktion entspricht (vgl. Ziff. 1.2.2).

Reduktion der Ausgaben (jährlicher Durchschnitt bis 2025)

Beträge in Millionen Franken, zu Preisen von 2005

Früherfassung und Frühintervention Integrationsmassnahmen Mindestbeitragsdauer 3 Jahre Anpassung IV-Taggelder Verzicht auf Karrierezuschlag Finanzierung der medizinischen Massnahmen (Art. 12 IVG) durch die Krankenversicherung Aufhebung der laufenden Zusatzrenten

220 94 1 28 102

Total Reduktion der Ausgaben = Einsparungen

624

63 116

Veränderung der Einnahmen (jährlicher Durchschnitt bis 2025)

Erhöhung des Beitragssatzes um 0,1 % Herabsetzung Bundesbeitrag auf 36,9 % bis Ende 201210 Herabsetzung des Beitrags der öffentlichen Hand (50 % von 624) Total Veränderung der Einnahmen Durchschnittliche Verbesserung der Betriebsrechnung 10

303 ­19 ­312 ­28 596

Zwischen 2008 bis 2012 beträgt die jährliche Entlastung durchschnittlich 74 Millionen Franken.

4631

Die Tabelle 1 im Anhang illustriert die finanzielle Entwicklung der IV mit den Massnahmen der 5. IV-Revision. Bis 2010 belaufen sich die durchschnittlichen Einsparungen auf 134 Millionen Franken und zwischen 2007 und 2025 auf 624 Millionen Franken (vgl. Tabelle oben). Zudem ist klar ersichtlich, dass zwischen 2005 und 2010 jährlich durchschnittlich rund 1,9 Milliarden Franken fehlen.

Der vorliegende Entwurf zur Zusatzfinanzierung der IV ist ein unerlässlicher Meilenstein auf dem Weg zu einer langfristigen Sanierung dieser Sozialversicherung.

1.2

Notwendigkeit einer Zusatzfinanzierung der IV und mögliche Massnahmen

1.2.1

Ausgleichsfonds der AHV und verfügbare Mittel für AHV und IV

Die IV ist auch mit der 5. IV-Revision unterfinanziert. Zur Deckung der laufenden Ausgaben fehlen für die Jahre 2005­2025 durchschnittlich rund 2,1 Milliarden Franken pro Jahr.

Seit 1993 ist das Betriebsergebnis der IV negativ. Diese Defizite werden dem AHVFonds belastet. Mit anderen Worten gewährt der AHV-Fonds der IV ein Darlehen, das verzinst wird. Dieses Vorgehen ist zum Auffangen von Schwankungen gedacht, nicht aber, um eine fehlende Finanzierung zu ersetzen. Heute reduziert die wachsende IV-Schuld das verfügbare Kapital für die AHV in hohem Ausmass..

Um die Liquidität des Ausgleichsfonds abzuschätzen, wird in der folgenden Tabelle die Entwicklung des Fondsstands in Prozenten der Ausgaben von AHV und IV dargestellt.

AHV-Fonds und verfügbare Mittel für AHV und IV (zu Preisen 2005) Jahr

AHV-Fonds

Verfügbare Mittel für AHV und IV Mit 5. IV-Revision

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

4632

Mit 5. IV-Revision und MWST

In Mio. FrankenIn Prozent der AHVAusgaben

In Mio.

Franken-.

In Prozent der In Mio.

Ausgaben Franken-.

AHV+IV

27 008 27 601 28 071 27 842 27 613 26 282 25 159 22 861 20 695 17 234

20 973 19 698 18 329 16 566 14 713 11 639 8 873 4 844 1 025 ­4 186

50,6 45,6 42,2 37,1 32,5 24,6 18,8 9,8 2,1 ­8,1

88,8 87,2 88,5 84,6 83,2 75,4 72,2 62,5 56,4 44,7

16 566 16 397 15 632 15 188 13 493 12 021 9 246

In Prozent der Ausgaben AHV+IV

37,1 36,2 33,1 32,2 27,4 24,4 18,0

Bis Ende 2010 erfüllt der AHV-Fonds die gesetzlich vorgeschriebene Deckung von 70 Prozent der Jahresausgaben, wie sie im Rahmen der 11. AHV-Revision in einem Gutachten11 vorgeschlagen wurde. Gemäss geltendem Recht sollte die Deckung 100 Prozent betragen.

Wird zusätzlich berücksichtigt, dass ein Teil des AHV-Guthabens heute die Funktion hat, die Schuld der IV zu decken, so verringert sich das effektiv verfügbare AHV-Kapital. Bis Ende 2006 sinkt der Stand unter 45 Prozent der Jahresausgaben von AHV und IV zusammen. Bei einem solchen Stand bleibt nur noch wenig Zeit für Korrekturen, welche die Liquidität sicher stellen. Selbst mit der Einführung der 5. IV-Revision auf Anfang 2007 fällt die Höhe der verfügbaren Mittel bis zum Jahr 2011 unter 15 Prozent der Jahresausgaben. In diesem Zustand ist die Liquidität des Systems gefährdet, werden die Renten doch jeweils Anfang Monat ausbezahlt, während die Beitragszahlungen erst später erfolgen.

Mit der 5. IV-Revision und der Anhebung der MWST für die IV sind die Finanzen dieses Versicherungszweigs stabilisiert. Die aus der Tabelle ersichtliche weitere Verringerung der gemeinsamen Mittel wird durch die AHV verursacht, weshalb auch bei der AHV entsprechende Massnahmen erforderlich sind.

1.2.2

Reduktion der Ausgaben der IV

Angesichts des misslichen Zustandes der IV-Finanzen ist die Reduktion der Ausgaben zweifelsohne eine der ersten Massnahmen, die sich aufdrängt. Erforderlich wäre eine Einsparung von rund zwei Milliarden Franken (vgl. Tabelle im Anhang 1), was einem Drittel der Gesamtsumme der heute ausbezahlten Renten und einem Fünftel der Ausgaben der IV entspricht. Muss die IV die Einnahmen und Ausgaben in den nächsten Jahren ohne zusätzliche Einnahmequellen ins Gleichgewicht bringen, so sind ab sofort 1.

entweder die laufenden Renten linear um 25 Prozent zu kürzen (Einsparungen: 1,6 Milliarden Franken); oder

2.

andere drastische Sparmassnahmen vorzuschlagen.

Solche Sparmassnahmen könnten zum Beispiel sein:

11

­

die Aufhebung sämtlicher Kinderrenten (Einsparung von 720 Millionen Franken) und/oder

­

der Verzicht auf die Kostenübernahme medizinischer Massnahmen zugunsten von Kindern mit Geburtsgebrechen (Art. 13 IVG, Einsparung von 450 Millionen Franken) und/oder

­

der Verzicht auf Rentenanpassung im Jahr 2007 (Einsparung von 195 Millionen Franken) bzw. der Verzicht im Jahr 2007 und 2009 (Einsparung von 485 Millionen Franken) und/oder

­

der Verzicht auf die Übernahme von Transportkosten im Zusammenhang mit Eingliederungsmassnahmen (Einsparung von rund 110 Millionen Franken) und/oder «Bestimmung Ausgleichsfonds AHV/IV» von Prof. Dr. Heinz Schmid; BSV Projekt-Nr. A98/001 vom 26.4.1998.

4633

­

der Verzicht auf Zusprache einer IV-Rente wegen Unfall (Einsparung von rund 110 Millionen Franken) und/oder

­

die Kürzung der Beiträge an Wohnheime, Werkstätten und Tagesstätten um 10 Prozent (kollektive Leistungen gemäss Art. 73 IVG; Einsparung von 185 Millionen Franken bis Inkrafttreten des neuen Finanzausgleichs).

Der Preis, den die Gesellschaft für die Sanierung der IV ohne zusätzliche Finanzierungsquellen zu bezahlen hätte, ist eindeutig viel zu hoch. Im Vordergrund steht nicht ein Leistungsabbau in dieser Sozialversicherung, sondern ihre Konsolidierung (vgl. Ziff. 1.1.2).

Zudem beteiligt sich die öffentliche Hand zu 50 Prozent an den Ausgaben der IV (Art. 78 Abs. 1 IVG). Bei einer Kürzung der Ausgaben der IV reduzieren sich auch die Beiträge der öffentlichen Hand entsprechend. Damit die oben erwähnten drastischen Sparmassnahmen uneingeschränkt der Versicherung zu Gute kämen, dürften die Beiträge der öffentlichen Hand nicht automatisch gekürzt werden. Der Beitrag der öffentlichen Hand müsste also erhöht werden, da sich sonst die Einsparungen nur zur Hälfte auswirken würden.

Diese Massnahmen würden zwar das jährliche Defizit der IV reduzieren, vermöchten deren Schulden jedoch nicht zu tilgen. Dazu braucht es neben der gezielten und wirksamen Ausgabenreduktion im Rahmen der 5. IV-Revision (vgl. Ziff. 1.1.2.1) zusätzliche Finanzierungsquellen.

1.2.3

Erhöhung des Bundesbeitrages an die Ausgaben der IV

Die finanziellen Perspektiven des Bundeshaushalts und die Vorgaben der Schuldenbremse erlauben es nicht, eine Erhöhung des Bundesbeitrages an die IV in Betracht zu ziehen.

1.2.4

Erhöhung der Lohnabzüge

Im Rahmen der 5. IV-Revision soll der Beitragssatz um ein Promille von heute 1,4 auf 1,5 Lohnprozente angehoben werden. Daraus ergeben sich bis ins Jahr 2025 Mehreinnahmen von durchschnittlich 303 Millionen Franken pro Jahr. Diese Erhöhung stellt teilweise eine Kompensation der Entlastung der 2. Säule um ungefähr 435 Millionen Franken pro Jahr in der gleichen Zeitspanne dar. Diese Entlastung resultiert aus den Einsparungen, die dank der erwarteten Reduktion der Anzahl Neurenten um 20 Prozent (bezogen auf das Jahr 2003) entstehen. Die berufliche Vorsorge profitiert so von den Auswirkungen der Massnahmen zur Dämpfung der Zunahme der IV-Neuberentungen. Die Einsparungen dürften sich positiv auf die Lohnbeiträge in der 2. Säule auswirken: Diese müssten in den nächsten Jahren weniger stark oder überhaupt nicht erhöht werden. Mit der Erhöhung des Lohnbeitragssatzes kann ausserdem eine Annäherung an das ursprünglich festgelegte Ziel erreicht werden, nämlich den anteilsmässig vergleichbaren Finanzierungsbeitrag von Sozialpartnern und öffentlicher Hand.

4634

Neben der Anhebung der MWST wurde als weitere Möglichkeit für die IV-Zusatzfinanzierung eine Erhöhung der Lohnabzüge um 0,8 Prozentpunkte in Erwägung gezogen und dieser Vorschlag ebenfalls in die Vernehmlassung geschickt. Die obligatorischen Lohnabzüge entsprechen dem für die 1. Säule charakteristischen Solidaritätsprinzip, da die Beiträge auf den Einkommen ohne Obergrenze erhoben werden, während die Höhe der Renten auf einen Maximalbetrag begrenzt ist. Die Erhöhung der Lohnabzüge belastet vor allem die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, da sie eine Erhöhung der Produktionskosten zur Folge hat. Die Möglichkeiten der Arbeitgeber, die Erhöhung dieser Kosten auf die Löhne oder die Preise abzuwälzen, variieren von Branche zu Branche oder sogar von Unternehmen zu Unternehmen. Am stärksten betroffen von der Überwälzung auf die Nettolöhne, der Aufhebung von Arbeitsplätzen oder der Produktionsverlagerung ins Ausland sind im Allgemeinen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Niedriglohnstellen, die mit geringen Qualifikationsanforderungen verbunden sind. Die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer haben sich denn auch gegen eine Erhöhung der Lohnabzüge ausgesprochen (vgl. Ziff. 1.4).

1.2.5

Mehrwertsteuer

1.2.5.1

Grundsätzliches

Eine weitere Möglichkeit, der IV zusätzliche finanzielle Mittel zu beschaffen, ist die Anhebung der MWST um 0,8 Prozentpunkte. Die IV wird heute vor allem durch Lohnbeiträge und Mittel der öffentlichen Hand finanziert (vgl. Art. 77 Abs. 1 IVG).

Eine Erhöhung der MWST zugunsten der IV hätte den Vorteil, dass eine neue Finanzierungsquelle erschlossen wird und damit die Finanzierung künftig breiter abgestützt werden kann. Eine Anhebung um 0,8 Prozentpunkte scheint vertretbar, da die gegenwärtige Belastung in der Schweiz mit höchstens 7,6 Prozent im Vergleich zu anderen Staaten tief ist.

Die Besteuerungsgrundlage der MWST ist der Konsum. Durch diese Steuer werden somit sämtliche Einkommen belastet. Eine Erhöhung führt deshalb dazu, dass zur Deckung des zusätzlichen Finanzierungsbedarfes der IV nicht einseitig die Mittel beitragspflichtiger Personen herangezogen werden, sondern auch jene der nicht beitragspflichtigen, insbesondere der Altersrentnerinnen und -rentner. Der Konsum stellt eine stabile, wenig bewegliche Besteuerungsgrundlage dar. Daher enthält die MWST im Vergleich zu anderen Formen der Besteuerung ein bedeutendes Einnahmepotenzial.

Die MWST hat zudem den Vorteil, dass sie weder die Löhne noch die Investitionen oder Exporte direkt belastet. Allerdings ist mit einer Überwälzung auf die Preise der Waren und Dienstleistungen zu rechnen. Bei vollständiger Überwälzung der zusätzlichen MWST auf die Konsumentinnen und Konsumenten würde der Landesindex der Konsumentenpreise im Einführungsjahr um rund 0,55 Prozent ansteigen. Wie sich bei der Einführung der MWST und der Steuersatzerhöhung im Jahr 1999 gezeigt hat, ist jedoch nicht mit einer vollständigen Überwälzung zu rechnen. Der Landesindex der Konsumentenpreise würde im Einführungsjahr daher nur um rund 0,3­0,35 Prozent zunehmen.

4635

Obwohl diese teilweise Überwälzung der MWST auf die Preise zu einer Mehrbelastung der Privathaushalte führt, sind die sozialen Auswirkungen einer Anhebung dieser Steuer tragbar. Gemäss Schätzungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung verläuft die durch die MWST verursachte Belastung für Haushalte, die über ein Einkommen zwischen etwa 50 000 und 100 000 Franken verfügen, leicht degressiv zum Einkommen. Die Belastung wird bei hohen Einkommen geringer, bei tiefen Einkommen höher. Da für die Güter des täglichen Bedarfes der tiefste MWST-Satz gilt, wird dieser degressive Effekt zwar nicht beseitigt, aber doch verringert. Die potenzielle Mehrbelastung durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuersätze um 0,8 Prozentpunkte beläuft sich für Haushalte, die ein Jahreseinkommen von 40 000 Franken erzielen, auf etwa 240 Franken pro Jahr.

1.2.5.2

Lineare Erhöhung der Mehrwertsteuer

Eine Anhebung der MWST basiert immer auf dem Normalsatz. Bei einer Erhöhung des aktuellen Normalsatzes (7,6 Prozent) um 0,8 Prozentpunkte macht dieser Satz neu 8,4 Prozent aus. Die reduzierten Sätze (privilegierter Satz von 2,4 Prozent für Güter des täglichen Bedarfs und Sondersatz von 3,6 Prozent für Beherbergungsleistungen) können an sich entweder im gleichen Ausmass angehoben werden (lineare Erhöhung) oder so, dass das Verhältnis zwischen dem normalen Steuersatz und den reduzierten Sätzen erhalten bleibt (proportionale Erhöhung). Bei einer linearen Erhöhung würde der privilegierte Satz somit 3,2 Prozentund der Sondersatz 4,4 Prozent betragen, bei einer proportionalen Erhöhung stiegen diese Sätze auf 2,7 Prozent bzw. 4,0 Prozent.

Für eine lineare Erhöhung der MWST spricht, dass damit rund 17 Prozent mehr Einnahmen erzielt werden als bei einer proportionalen Erhöhung (d.h. ungefähr 314 Millionen Franken im Jahr 2004 bei einer Anhebung des normalen Satzes um 0,8 Prozentpunkte). Bei einer proportionalen Anhebung müsste der Normalsatz somit stärker oder früher erhöht werden, um gleich viele Einnahmen zu erzielen wie bei einer linearen Anhebung. Weiter werden bei einer proportionalen Anhebung die Unterschiede zwischen den MWST-Sätzen in absoluten Werten immer grösser, was in gewissen Branchen längerfristig zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Wirtschaftlich schwache Haushalte werden durch eine lineare Erhöhung der MWST stärker belastet, weil sie im Vergleich zu wirtschaftlich besser gestellten Haushalten effektiv mehr von ihrem Einkommen für die Güter des täglichen Bedarfs verwenden. Für sie wäre eine proportionale Anhebung somit vorteilhafter. Es ist aber zu bedenken, dass die Haushalte mit hohen Einkommen auch von dieser Steuererleichterung profitieren würden und die fehlenden Steuereinnahmen durch eine zusätzliche Abgabe kompensiert werden müsste, welche die Kaufkraft aller Haushalte belasten würde.

In administrativer Hinsicht würde die lineare Anhebung der MWST-Sätze eine Neuberechnung des pauschalierten Vorsteuerabzuges nach Artikel 38 Absatz 6 des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG; SR 641.20) verlangen. Der Satz des pauschalierten Vorsteuerabzuges (beim Bezug von Waren bei einem nicht steuerpflichtigen einheimischen Produzenten als Vorsteuer abziehbar) ist heute identisch mit dem reduzierten
Steuersatz. Bei einer linearen Anhebung der MWST-Sätze wäre dies nicht mehr der Fall; es müssten statt heute drei dann vier Sätze in Betracht gezogen werden. Für die Bestimmung der auf die Sozialversicherungen entfallenden Mehr4636

einnahmen aus einer Anhebung der MWST-Sätze wäre schliesslich ein neuer Schlüssel zu ermitteln. Diese technischen Probleme können allerdings gelöst werden.

Bei der Finanzierungsvorlage im Rahmen der 11. AHV-Revision, welche von Volk und Ständen am 16. Mai 2004 verworfen worden ist, hatte sich der Gesetzgeber für eine lineare Anhebung der MWST zu Gunsten der AHV und der IV entschieden.

Der Entscheid zugunsten einer linearen Anhebung war politisch unbestritten.

Auf Grund dieser Überlegungen schlägt der Bundesrat eine lineare Anhebung des privilegierten Satzes für Güter des täglichen Bedarfs und des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen vor.

Im Gegensatz zu der am 16. Mai 2004 abgelehnten Finanzierungsvorlage, verzichtet der Bundesrat in dieser Vorlage auf einen Anteil an der MWST zu Gunsten des Bundeshaushaltes. Dies geschieht nicht zuletzt im Interesse der finanziellen Konsolidierung der IV und im Hinblick auf die geplante Entflechtung der Finanzhaushalte der AHV/IV und des Bundes (vgl. Ziff. 1.2.5.3).

1.2.5.3

Entflechtung der Finanzhaushalte des Bundes und der AHV/IV und eigener IV-Fonds

Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Entflechtung der Finanzhaushalte des Bundes und der AHV/IV erst später, d.h. konkret im Rahmen einer Revision zur langfristigen finanziellen Konsolidierung der AHV, geprüft werden soll, sofern die IV in der Lage ist, ihre Schulden abzubauen. Sie ist daher kein Thema dieser Vorlage.

In seiner Antwort zur Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (03.3570) vom 21. Oktober 2003, die in ein Postulat umgewandelt wurde, hat der Bundesrat sich bereit erklärt, die Idee eines separaten IV-Fonds zu prüfen. Vorrang hat für ihn allerdings, das Anwachsen des Schuldenbergs der IV mit zusätzlichen Massnahmen der 5. IV-Revision zu bremsen (vgl. Ziff. 1.1.2.1) und mittelfristig eine finanzielle Stabilisierung zu erreichen. Erst wenn dies gelingt und die IV kein Defizit mehr ausweist, ist ein eigener IV-Fonds auch wirklich sinnvoll. Das finanzielle Gleichgewicht der IV kann nur über die in der vorliegenden Botschaft vorgeschlagene Anhebung der MWST wieder hergestellt werden.

1.2.6

Antrag des Bundesrates

Nach der Prüfung der oben erörterten Finanzierungsquellen hat der Bundesrat zwei Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt: Die lineare Anhebung der MWST um 0,8 Prozentpunkte ohne Bundesanteil und eine Erhöhung der Lohnabzüge um 0,8 Prozentpunkte.

Die MWST weist für die Deckung des finanziellen Mehrbedarfs der IV offenkundige Vorteile auf. Kurzfristig belastet diese Finanzierungsquelle weder die Arbeitskosten noch die Investitionen oder Exporte direkt. Aufgrund ihres grossen und stabilen Steuersubstrats kann mit einem hohen Einnahmepotenzial gerechnet werden.

4637

Die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und ­teilnehmer gaben der Anhebung der MWST den Vorzug (vgl. Ziff. 1.4). Deshalb schlägt der Bundesrat in der vorliegenden Botschaft die Anhebung der MWST vor. Vorgesehen ist, dass diese Anhebung ein Jahr nach der 5. IV-Revision, d.h. voraussichtlich am 1. Januar 2008, in Kraft tritt. Für die Jahre 2008­2025 wird mit Einnahmen von durchschnittlich rund 2,5 Milliarden Franken pro Jahr gerechnet.

Bezüglich der überschüssigen Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat der Bundesrat am 2. Februar 2005 beschlossen, dass der Erlös aus dem Verkauf der von der SNB für die Geldpolitik nicht mehr benötigten 1 300 Tonnen Gold gemäss Bundesverfassung und Nationalbankgesetz zu zwei Dritteln an die Kantone und zu einem Drittel an den Bund geht. Am 9. März 2005 hat der Ständerat einen Antrag verabschiedet, wonach der Bundesanteil von rund 7 Milliarden Franken für eine Reduktion des IV-Verlustvortrags verwendet werden soll. Dieser Vorschlag ist als indirekter Gegenvorschlag zur KOSA-Initiative (03.049) präsentiert worden. Sollte der Bundesanteil an den überschüssigen Goldreserven der SNB ­ anlog zum Vorschlag des Ständerates ­ dazu verwendet werden, die Schulden der IV zu tilgen (zinslose Verlagerung per Ende 2009), könnte die Anhebung der Mehrwertsteuersätze im Jahr 2008 geringer ausfallen; 0,7 Prozentpunkte würden genügen.

Die IV wäre ab 2009 nicht mehr defizitär (erwartetes Rechnungsergebnis: + 100 Millionen Franken) und das Kapitalkonto der IV würde ab 2022 einen positiven Stand ausweisen.

1.3

Stellungnahme der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission

Am 12. August 2004 hat die Eidgenössische AHV/IV-Kommission den Entwurf und die Botschaft im Hinblick auf das Vernehmlassungsverfahren zur Kenntnis genommen und den Vorschlag, beide Varianten in die Vernehmlassung zu schicken, gutgeheissen.

Nach Beendigung des Vernehmlassungsverfahrens hat die Kommission am 2. Juni 2005 davon Kenntnis genommen, dass die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer die zusätzlichen Einnahmen für die IV über eine MWSTErhöhung finanzieren wollen.

1.4

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Angesichts der Verschuldung der IV von 6 Milliarden Franken im letzten Jahr waren sich fast alle Vernehmlassungsteilnehmerinnen und ­teilnehmer einig, dass zusätzliche Finanzierungsquellen für die IV gefunden werden müssen. Für einen grossen Teil ist es aber klar, dass die Diskussion über die erforderlichen zusätzlichen Finanzierungsquellen jedoch erst im Anschluss an die parlamentarischen Debatten zur 5. IV-Revision stattfinden kann12.

12

Vgl. Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (5. IV-Revision), 05.052 (BBl 2005 4459).

4638

Ablehnung der Erhöhung der Lohnbeiträge Im Bewusstsein, dass diese Massnahme Wirtschaft und Arbeitsmarkt belastet, ist die Erhöhung der Lohnbeiträge im Rahmen der Vorlage zur IV-Zusatzfinanzierung von einer knappen Mehrheit abgelehnt worden.

Befürwortung der MWST-Erhöhung Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und ­teilnehmer gibt der Variante MWST-Erhöhung den Vorzug. Die Gegnerinnen und Gegner wenden ein, dass dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz eingeschränkt und das Wirtschaftswachstum gebremst werde. Einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und ­ teilnehmer fordern im Übrigen eine proportionale anstelle einer linearen Anhebung.

2

Erläuterungen

Die Anhebung der MWST zugunsten der IV setzt eine in der Bundesverfassung (BV; SR 101) verankerte Kompetenz des Bundes zur Anhebung der Steuersätze voraus. Die vorliegende Änderung stützt sich auf den Bundesbeschluss vom 19. März 2004 über eine neue Finanzordnung (BBl 2004 1363), der in der Volksabstimmung vom 28. November 2004 angenommen wurde. Allerdings sieht der vorliegende Entwurf im Gegensatz zu dem vom erwähnten Bundesbeschluss eingeführten Artikel 130 Absatz 3 BV vor, die Kompetenz zur Änderung der Steuersätze aus den in Ziffer 5.4 erwähnten Gründen dem Bundesrat und nicht dem Gesetzgeber zu erteilen.

Art. 112 Abs. 3 Bst. c (neu) Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Artikel 112 Absatz 3 wird nach der Änderung von Artikel 130, der mit einem Absatz 3bis ergänzt wird, angepasst; der neue Buchstabe c hält fest, dass die Versicherung künftig auch über eine Anhebung der MWST finanziert wird. Zudem wird der heute fehlende Verweis auf Artikel 130 Absatz 3bis angefügt. Mit dem Begriff «Ertragsanteile der Versicherung» wird auf Verfassungsstufe klargestellt, dass nur die der Versicherung zustehenden Ertragsanteile für die Versicherung bestimmt sind. Während die Einnahmen aus der Anhebung der MWST für die IV (Art. 130 Abs. 3bis BV) gemäss Antrag des Bundesrats vollumfänglich der Invalidenversicherung zugute kommen, soll der auf Gesetzesstufe festgelegte Bundesanteil von 17 Prozent an den Erträgen aus dem bestehenden Demographieprozent für die AHV (Art. 130 Abs. 3 BV) weiter bestehen. Dies wird mit den Formulierungen auf Verfassungsstufe ausdrücklich präzisiert.

Art. 130 Abs. 3bis (neu)

Mehrwertsteuer

Die Anhebung der MWST zugunsten der IV wird im neu geschaffenen Absatz 3bis von Artikel 130 geregelt. Um das Ziel der finanziellen Konsolidierung der IV zu erreichen, müssen die laufenden Ausgaben gedeckt und die aufgelaufenen Defizite abgetragen werden. «Finanzierung der IV» heisst deshalb, dass die Anhebung es ermöglichen soll, die laufenden Ausgaben mit den laufenden Einnahmen zu decken und zusätzlich die Schulden der IV abzubauen. Die Erhöhung bezieht sich auf die Sätze der MWST, die zur Zeit des Inkrafttretens der Bestimmung gelten und die aufgrund der Kompetenzen in den Artikeln 130 Absätze 1-3 und 196 Ziffer 3 Absatz 4639

2 Buchstabe e festgesetzt worden sind (7,6 % für den Normalsatz, 2,4 % für den reduzierten Satz und 3,6 % für den Sondersatz für Beherbergungsleistungen). Der Ertrag aus dieser Anhebung geht vollumfänglich an die IV. Der Bund ist am Ertrag nicht beteiligt. Sind die Schulden der Invalidenversicherung getilgt, so senkt der Bundesrat die Sätze der MWST auf das für die Deckung der laufenden Ausgaben der IV und für die Bereitstellung einer angemessenen Liquiditätsreserve notwendige Ausmass.

Art. 196 Ziff. 3 Abs. 2 Bst. e Formelle Anpassung infolge Einführung von Artikel 130 Absatz 3bis.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf die IV

3.1.1

Die Finanzhaushalte der IV

Ende 2004 hatte die IV aufgelaufene Schulden von 6 Milliarden Franken. Hinzu kommt ein mehrheitlich strukturell bedingtes jährliches Defizit und eine Zunahme der Ausgaben von 5­6 Prozent pro Jahr.

Mit den Massnahmen der 5. IV-Revision (vgl. Ziff. 1.1.2.1) wird die Zahl der Neurenten reduziert, was die hohe Zunahme der Ausgaben für die Renten bremsen wird.

Zusammen mit den Sparmassnahmen werden sich die gesamten Ausgaben der IV so entwickeln, dass sie im Gleichgewicht mit den Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgebenden sind. Seit 1993 ist die IV unterfinanziert, d.h. die Einnahmen und die Ausgaben halten sich nicht mehr die Waage. Diese Finanzierungslücke wird bald auf rund 1,9 Milliarden Franken pro Jahr angewachsen sein. Der entsprechende Finanzierungsbedarf wird mit der Zusatzfinanzierung von 0,8 Prozentpunkten der MWST und ­ im Rahmen der 5. IV-Revision ­ der Erhöhung des Beitragssatzes um 0,1 Lohnprozent abgedeckt. Diese Mehreinnahmen reichen zudem auch aus, um die aufgelaufenen Schulden von rund 11 Milliarden Franken bis im Jahre 2024 zurückzuzahlen.

Die Tabellen in den Anhängen 1 und 2 zeigen den Finanzhaushalt der IV einerseits ohne Zusatzfinanzierung und andererseits mit der Anhebung der MWST um 0,8 Prozentpunkte Die Reduktion des Bundesbeitrags von 37,5 Prozent auf 36,9 Prozent ist in der Tabelle im Anhang 2 berücksichtigt, da diese ja nur unter der Voraussetzung der Zusatzfinanzierung gemäss vorliegender Botschaft in Kraft tritt.

Bezüglich der Lohn- und Preisentwicklung entsprechen dabei die Annahmen bis ins Jahr 2009 den Vorgaben des Bundesrates für den Voranschlag 2006 und die Finanzplanung 2007­2009. Ab dem Jahr 2010 wird mit einer Lohnentwicklung von jährlich 3 Prozent und einer Preisentwicklung von jährlich 2 Prozent gerechnet.

Bis zum Inkrafttreten der 5. IV-Revision im Jahr 2007 und der vorgeschlagenen Anhebung der MWST zugunsten der IV im Jahr 2008 wird die Schuld der IV voraussichtlich auf 11 Milliarden Franken anwachsen. Aus der Tabelle im Anhang 2 ist ersichtlich, dass mit den getroffenen Massnahmen ab dem Jahr 2008 ein langsamer Abbau des Schuldenbergs stattfindet; im Jahr 2024 werden die Schulden abbezahlt sein. Dieser Abbau ergibt sich aus den jährlichen Überschüssen. Sie betragen im

4640

Durchschnitt der Jahre 2007­2025 rund 465 Millionen Franken und stellen das finanzielle Gleichgewicht der IV wieder her.

3.2

Auswirkungen auf Bund und Kantone

Gemäss Artikel 78 IVG beteiligt sich die öffentliche Hand zu 50 Prozent an den Ausgaben der IV. Die in der vorliegenden Botschaft beantragte Zusatzfinanzierung ändert die Ausgaben der IV bezüglich der reduzierten Zinsaufwendungen.

Die vorgeschlagene Zusatzfinanzierung stabilisiert die Beteiligung von Bund und Kantonen an den Zinsaufwendungen auf dem Niveau von 2006.

3.3

Auswirkungen auf die öffentliche Hand im Allgemeinen

Die öffentliche Hand als Konsumentin von Gütern und Dienstleistungen trägt einen nicht zu vernachlässigenden Teil der von der MWST verursachten finanziellen Belastung, indem sie die Kosten ihrer Leistungserbringerinnen und -erbringer bezahlt (Strassen, Schulen, Spitäler, Datenverarbeitung usw.). Die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes um 0,8 Prozentpunkte wird eine Erhöhung dieser Belastung für Bund und für Kantone und Gemeinden zur Folge haben.

Nach Schätzungen der Eidg. Steuerverwaltung13 beträgt die MWST-Belastung der öffentlichen Hand für das Jahr 2001 rund 12 Prozent der Nettosteuerforderung gemäss Mehrwertsteuerstatistik 200114 oder rund 2 Milliarden Franken (gut 400 Millionen Franken beim Bund und rund 1,6 Milliarden Franken bei den Kantonen und Gemeinden). Die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes um 0,8 Prozentpunkte wird eine Erhöhung dieser Belastung für Bund, Kantone und Gemeinden zur Folge haben, und zwar ­ in Bezug auf die oben genannten Zahlen für das Jahr 2001 ­ im Umfang von rund 1,5 Prozent der Nettosteuerforderung oder rund 250 Millionen Franken (ca. 50 Millionen Franken beim Bund und ca. 200 Millionen Franken bei den Kantonen und Gemeinden).

3.4

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Die Auswirkungen der Anhebung der MWST auf die verschiedenen Kategorien Akteuren von Wirtschaft und Gesellschaft wurden in der vorliegenden Botschaft bereits dargelegt (vgl. Ziff. 1.2.5).

13

14

Siehe dazu den Bericht «Schätzung zur Mehrwertsteuerbelastung im Bereich der Gemeinwesen» der Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Sektion Wirtschaftsfragen, vom Februar 2005.

Die Mehrwertsteuer in der Schweiz 2001, Resultate und Kommentare, herausgeben von der Eidgenössischen Steuerverwaltung, Bern 2003, publiziert in der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Reihe «Statistik der Schweiz», Fachbereich 18 «Öffentliche Verwaltung und Finanzen», Neuchâtel 2003.

4641

Volkswirtschaftlich gesehen dürfte sich die durch die IV-Zusatzfinanzierung verursachte Erhöhung der indirekten Besteuerung auf die Produktionskosten und auf das Arbeitsangebot für die Haushalte auswirken15. Dies dürfte einen leichten Rückgang der Wirtschaftstätigkeit, tiefere Erwerbseinkommen, eine geringere Sparquote und eine Verminderung des Steuersubstrates und des Haushaltsausgleichs nach sich ziehen. All diese Elemente tragen längerfristig zu einer Verringerung des Wachstumspotenzials der Schweizer Wirtschaft bei. Derzeit fehlen jedoch empirische Daten für eine genaue Messung dieser Auswirkungen16. Mit Hilfe verschiedener Indizien lässt sich jedoch ihr Ausmass relativieren: ­

Trotz der Anhebung der MWST um einen Prozentpunkt im Jahr 1999 betrug das tatsächliche Wirtschaftswachstum in jenem Jahr 1,3 Prozent und die Zunahme der Ausgaben für den Endkonsum 2,0 Prozent.

­

Die treibenden Kräfte für das Wirtschaftswachstum wie Investitionen und Exporte werden von der MWST ausgenommen.

­

Die Verringerung der Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten (infolge des erwarteten Preisanstiegs von ungefähr 0,3 %) dürfte teilweise durch eine Verminderung der Sparquote, die in den Schweizer Haushalten relativ hoch ist, ausgeglichen werden.

­

Eine Wirtschaftsstudie hat gezeigt, dass die Schweizer Wirtschaft im Zeitraum 2002­2023 im Durchschnitt um 0,9 Prozent wachsen könnte, selbst wenn man davon ausgeht, dass die MWST in dieser Zeit um mehr als 4 Prozentpunkte angehoben wird, um die Auswirkungen der demografischen Alterung auf den Finanzhaushalt der AHV auszugleichen17.

Die wichtigste noch offene Frage dreht sich um die Verzerrungen, welche die MWST im Produktionsprozess verursacht. Da die MWST nicht sämtliche wirtschaftlichen Leistungen in gleichem Masse belastet (es existieren drei Mehrwertsteuersätze, die Exporte sind von der Steuer befreit und ein grosser Sektor ist nicht direkt der MWST unterstellt), kann sie eine optimale Mittelzuteilung beeinträchtigen. Im Allgemeinen kommen die ökonometrischen Modelle zur Messung der durch die verschiedenen Finanzierungsquellen verursachten Verzerrungen zum Schluss, dass die MWST die wirtschaftliche Effizienz weniger beeinträchtigt als andere Steuern.

15

16

17

Aufgrund ihres Einflusses auf die Preise und auf die Löhne (tatsächliche steuerliche Belastung) hat die MWST langfristig die gleiche negative Wirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft wie Lohnabzüge.

In der Schweiz beschränkt sich die Erfahrung hinsichtlich der Auswirkungen einer Erhöhung der MWST auf deren Einführung im Jahr 1995 und auf die Erhöhung um 1 Prozentpunkt im Jahr 1999. Dies reicht nicht aus, um mittels ökonometrischen Berechnungen die Auswirkungen einer Erhöhung der MWST auf das Wirtschaftswachstum vorherzusagen.

Müller, André; van Nieuwkoop, Renger; Lieb, Christoph (2003), Analyse der Finanzierungsquellen für die AHV. SWISSOLG ­ ein Overlapping Generations Model für die Schweiz (IDA ForAlt), Beiträge zur sozialen Sicherheit 11/03, BSV, Bern (nur in deutscher Sprache, mit französischer Zusammenfassung).

4642

3.5

Auswirkungen auf die Haushaltsbudgets

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat die Mehrbelastung der Haushalte bei einer linearen Anhebung der MWST um 0,8 Prozentpunkte untersucht (vgl.

Tabelle unten). Die Ergebnisse geben eine Grössenordnung an. Sie dürfen nicht absolut genommen werden, da die durch die Besteuerung verursachten Verhaltensänderungen nicht berücksichtigt werden. Zudem setzt sich jede Einkommensklasse aus ganz verschiedenen Haushaltstypen zusammen (Grösse des Haushaltes, Situation auf dem Arbeitsmarkt).

Die Mehrbelastung sämtlicher Haushalte beläuft sich auf rund 0,5 Prozent des Einkommens. Aus der Tabelle geht hervor, dass die Belastung nach Einkommensklasse ganz leicht degressiv ist. Sie beläuft sich zwischen 0,7 Prozent des Einkommens für das tiefste Einkommenssegment und 0,4 Prozent des Einkommens für das höchste Einkommenssegment.

Mehrbelastung der Haushalte bei einer linearen Anhebung der MWST um 0,8 Prozentpunkte (Steuerbemessungsgrundlage 2001) Haushalte

Sämtliche Haushalte Bis 2 999 Franken 3 000­3 999 4 000­4 999 5 000­5 999 6 000­6 999 7 000­7 999 8 000­8 999 9 000­9 999 10 000 und mehr

Zusatzbelastung Franken

% des Einkommens

40 16 21 25 28 32 37 40 44 60

0,46 0,71 0,62 0,55 0,51 0,49 0,49 0,47 0,46 0,42

Quelle: BFS (Einkommens- und Verbrauchserhebung 2001 ­ EVE 01), ESTV.

3.6

Praktische Aspekte des Vollzugs

Eine Anhebung der MWST wird langfristig keine administrativen Mehrkosten verursachen, da das Abzugsverfahren bereits existiert. Mit einer Anhebung entstehen nur einmalige, durch Änderungen verschiedener Informatiksysteme (Rechnungsstellung) verursachte Kosten. Das Risiko, dass vermehrt «heimliche» Transaktionen getätigt werden, bleibt sehr klein und es ist nicht erforderlich, die Kontrollverfahren zu verstärken oder das Personal für die Betrugsbekämpfung zu erhöhen.

Die lineare Anhebung der verschiedenen Sätze der MWST (im Gegensatz zu einer proportionalen Anhebung) macht mehrere technische Anpassungen bei der Steuerverwaltung erforderlich (Neuberechnung des pauschalierten Vorsteuerabzugs, Neuzuteilung der Branchen auf die Saldosteuersätze). Dies verursacht jedoch keine besonderen praktischen Probleme.

4643

3.7

Auswirkungen auf die Aussenpolitik

Die Schweiz hat bis heute mit 34 Staaten bilaterale Verträge im Bereich der sozialen Sicherheit abgeschlossen. Diese Verträge koordinieren unter anderem die schweizerische Invalidenversicherung mit den Invalidenversicherungen anderer Staaten.

Jeder Staat bleibt frei, diese Versicherung nach seinem Bedarf zu gestalten, namentlich auch, was die Finanzierung der Versicherungsleistungen betrifft. Gleiches gilt auch für die bestehende Koordination bezüglich Sozialversicherungen mit den EG/EFTA-Staaten (vgl. Ziff. 5.1.2). Es ergeben sich daher keine aussenpolitischen Auswirkungen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage zur Zusatzfinanzierung der IV als solche wird in der Legislaturplanung 2003­2007 nicht aufgeführt. Die Konsolidierung der Sozialversicherungen und damit verbunden der IV ist jedoch ein ausdrücklich im Bericht zur Legislaturplanung 2003­2007 erwähntes Ziel18 (vgl. Ziff. 1.1.2).

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verhältnis zum europäischen Recht

5.1.1

Recht der Europäischen Gemeinschaft

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist in Artikel 39 des EG-Vertrags geregelt. Das Freizügigkeitsprinzip erfordert eine Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit, wie dies in Artikel 42 des EG-Vertrages festgelegt ist. Die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit wird durch die Verordnung Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie durch die entsprechende Durchführungsverordnung Nr. 574/72 geregelt19. Seit dem Inkrafttreten des Abkommens über die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der Europäischen Union am 1. Juni 2002 beteiligt sich die Schweiz am multilateralen Koordinationssystem.

Das Gemeinschaftsrecht regelt die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit, sieht hingegen deren Harmonisierung nicht vor. Die Mitgliedsstaaten entscheiden frei über die Ausgestaltung, den persönlichen Anwendungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und über die Organisation ihres Systems der sozialen Sicherheit.

18 19

BBl 2004 1149 Kodifiziert durch die Verordnung des Rates Nr. 118/97, ABl. L 28 vom 30.1.1997, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung des Rates Nr. 631/2004, ABl. L 100 vom 6.4.2004, S. 1.

4644

5.1.2

Instrumente des Europarates

Im geltenden Recht des Europarats sehen einzig die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 und die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit (revidiert) vom 6. November 1990 eine sehr allgemein gehaltene Bestimmung zur Finanzierung der Leistungen der sozialen Sicherheit vor. Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit sieht vor, dass «die Aufwendungen für die Leistungen nach dieser Ordnung und die damit zusammenhängenden Verwaltungskosten durch Beiträge oder Steuern oder aus beiden zusammen so zu bestreiten sind, dass Minderbemittelte nicht über Gebühr belastet werden und die wirtschaftliche Lage der Vertragspartei und der geschützten Personengruppen berücksichtigt wird» (Art. 70 Abs. 1). Die revidierte Ordnung beinhaltet eine ähnliche Bestimmung (Art. 76 Abs. 1). Die Schweiz hat die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit am 16. September 1977 ratifiziert20; die revidierte Ordnung ist hingegen noch von keinem Staat ratifiziert worden und deshalb noch nicht in Kraft getreten.

5.1.3

Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

Die Anhebung der MWST ist mit dem europäischen Recht vereinbar.

5.2

Rechtsform des Erlasses

Der Änderungserlass der BV wird gemäss Artikel 163 Absatz 2 BV in Form eines Bundesbeschlusses erlassen und dem Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet.

5.3

Vereinbarkeit mit dem neuen Finanzausgleich

Für die Finanzierung und die Umsetzung der individuellen IV-Leistungen ist gemäss der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA)21, die am 28. November 2004 dem Volk zur Abstimmung unterbreitet worden ist, der Bund zuständig. Der in der vorliegenden Botschaft enthaltene Vorschlag zur Zusatzfinanzierung ist mit der neuen Aufgabenteilung vereinbar.

5.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die IV ist angesichts ihrer wachsenden Defizite dringend auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. Aus diesem Grund wird dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt, die MWST zu Gunsten der IV um 0,8 Prozentpunkte anzuheben und die notwendigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Er sorgt im Übrigen für die Anpassung von Artikel 38 Absatz 6 des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer (MWSTG; 20 21

AS 1978 1491; SR 0.831.104 Botschaft vom 14. November 2001 zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA), BBl 2002 2291.

4645

SR 641.20) an die neuen Mehrwertsteuersätze. Damit wird sichergestellt, dass die von Volk und Ständen beschlossene Anhebung der MWST rasch umgesetzt werden kann. Der Bundesrat wird zudem beauftragt, die MWST-Sätze auf das für die Deckung der laufenden Ausgaben der IV und für eine Bereitstellung einer angemessenen Liquiditätsreserve notwendige Ausmass herabzusetzen, sobald die Schulden der IV getilgt sind.

4646

10 995 11 559 11 723 12 030 12 123 12 466 12 483

- 237 - 73 - 83 - 141

101 164 195 275 314 356 477

4647

Rentenanpassungen: 2005, 2007, 2009

ab 2010 3,0 2,0

11 096 11 723 11 918 12 068 12 364 12 739 12 819

3 963 3 994 4 034 4 356 4 392 4 436 4 480

Beiträge und Regress

Total

Geltende Ordnung

Zinsen

Einnahmen

Ausgaben

Annahmen über die wirtschafliche Entwicklung in Prozenten: Jahr 2005 2006 2007-2009 Nominallohn 1,4 1,8 2,3 Preis 1,2 1,1 1,5

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Jahr

Beträge in Millionen Franken

5. IVRevision

5 548 5 861 5 959 6 034 6 181 6 369 6 409

Öffentliche Hand

IV-Finanzhaushalt mit 5. IV-Revision ohne Zusatzfinanzierung

Abrechnung 2004

0 0 0 0 0 0 0

9 511 9 855 9 993 10 390 10 573 10 805 10 889

Ertrag Total Anlagen

-1 585 -1 868 -1 925 -1 678 -1 791 -1 934 -1 930

Jährliche Veränderung

-6 035 -7 903 -9 742 -11 276 -12 900 -14 643 -16 286

Stand Ende Jahr

Kapitalkonto der IV

BSV / 10.6.2005

-54,4 -67,4 -81,7 -93,4 -104,3 -114,9 -127,0

in Prozenten der Ausgaben

zu Preisen von 2005

Anhang 1

10 995 11 559 11 723 12 030 12 123 12 466 12 483 12 856 12 860 13 256 13 250 13 658 13 640 14 048 14 005 14 375 14 291 14 668 14 555 14 882 14 733 15 031

- 237 - 73 - 83 - 141 - 224 - 282 - 374 - 431 - 530 - 585 - 689 - 741 - 846 - 894 -1 009 -1 051 -1 161 -1 195 -1 305

101 164 195 275 293 286 323 305 285 266 244 224 201 180 158 137 114 92 69 46 21 0

11 096 11 723 11 918 12 068 12 343 12 669 12 665 12 937 12 863 13 148 13 063 13 352 13 256 13 539 13 422 13 666 13 511 13 751 13 573 13 767 13 559 13 726

4648

Rentenanpassungen: alle zwei Jahre

3 963 3 994 4 034 4 356 4 392 4 436 4 480 4 530 4 572 4 620 4 659 4 706 4 743 4 786 4 818 4 859 4 886 4 920 4 941 4 970 4 987 5 011

Beiträge und Regress 1)

Total

Geltende Ordnung

Zinsen

Einnahmen

Ausgaben

Annahmen über die wirtschafliche Entwicklung in Prozenten: Jahr 2005 2006 2007-2009 ab 2010 1,8 2,3 3,0 Nominallohn 1,4 Preis 1,2 1,1 1,5 2,0

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025

Jahr

Beträge in Millionen Franken

5. IVRevision

0 1 748 2 375 2 399 2 424 2 447 2 470 2 492 2 514 2 535 2 554 2 574 2 593 2 610 2 624 2 638 2 651 2 662 2 672

Mehrwertsteuer 2)

IV-Finanzhaushalt mit 5. IV-Revision und Mehrwertsteuer

Abrechnung 2004 - ohne NFA

5 548 5 861 5 959 6 034 6 096 6 258 6 256 6 390 6 354 6 574 6 531 6 675 6 628 6 769 6 711 6 832 6 755 6 875 6 786 6 883 6 779 6 863

Öffentliche Hand 3)

9 511 9 855 9 993 10 390 12 236 13 069 13 135 13 344 13 373 13 664 13 682 13 895 13 906 14 109 14 103 14 284 14 251 14 419 14 365 14 504 14 428 14 551

-1 585 -1 868 -1 925 -1 678 - 107 400 470 407 510 516 619 543 650 570 681 618 740 668 792 737 869 825

Jährliche Veränderung

-6 035 -7 903 -9 742 -11 276 -11 216 -10 650 -9 971 -9 368 -8 674 -7 988 -7 212 -6 528 -5 750 -5 067 -4 287 -3 585 -2 775 -2 053 -1 221 - 460 418 1 235

Stand Ende Jahr

-54,4 -67,4 -81,7 -93,4 -90,9 -84,1 -78,7 -72,4 -67,4 -60,8 -55,2 -48,9 -43,4 -37,4 -31,9 -26,2 -20,5 -14,9 -9,0 -3,3 3,1 9,0

in Prozenten der Ausgaben

zu Preisen von 2005

1) 1.1.2007: Beitragssatzerhöhung von 1,4 auf 1,5 Prozent 2) Erhöhung der Mehrwertsteuer (linear), ohne Anteil Bund 1.1.2008: 0,8 Prozentpunkte 3) 1.1.2008: Herabsetzung Beitragssatz Bund von 37,5 auf 36,9 Prozent BSV / 10.6.2005 bis und mit Jahr 2012

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5

Ertrag Total Anlagen

Kapitalkonto der IV

Anhang 2