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Kurzarbeit in der Coronakrise Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 20. Oktober 2023

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Das Wichtigste in Kürze Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte haben an ihrer Sitzung vom 25./26. Januar 2021 eine Inspektion zur Kurzarbeit in der Coronakrise beschlossen und die Parlamentarische Verwaltungskontrolle mit einer entsprechenden Evaluation beauftragt. Sie untersuchte, ob die mehrmaligen Anpassungen der Rechtsgrundlagen zweckmässig waren, der Bund die Vollzugsstellen in den Kantonen angemessen unterstützt hat und die Aufsicht des Bundes zweckmässig ist. Die GPK-N kommt gestützt auf die Evaluationsergebnisse der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zu den folgenden Erkenntnissen: Während der Coronakrise wurde mit Hilfe der Kurzarbeitsentschädigung das für derartige Situationen vorgesehene Instrument eingesetzt. Die raschen Anpassungen der rechtlichen Grundlagen zu Beginn der Coronakrise sorgten dafür, dass die vom Bund übernommenen Entschädigungen, von insgesamt 16,2 Milliarden Schweizer Franken, schnell und an einen erweiterten Adressatenkreis ausbezahlt werden konnten. Die Kommission gelangt zum Schluss, dass die Vollzugsstellen angemessen vom SECO unterstützt wurden, auch wenn die Krisensituation dazu führte, dass viele Informationen erst sehr kurzfristig zur Verfügung standen.

Gleichzeitig erkennt die GPK-N auf der Grundlage der Evaluation Handlungsbedarf in den folgenden Punkten: Anpassungen der Rechtsgrundlagen und Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlagen Das Gesetz sieht die Anwendung der Kurzarbeit bei von Behörden angeordneten Einschränkungen vor, weshalb deren Anwendung während der Coronakrise zweckmässig war. Jedoch musste das Instrument mehrmals angepasst werden und die PVK stellte in ihrer Evaluation fest, dass diese Anpassungen oft kurzfristig und rückwirkend geschahen und lange beibehalten wurden, was zu neuen Problemen führte. Beispielsweise die Ungleichbehandlung bei Angestellten im Stunden- und Monatslohn bezüglich Ferien- und Feiertagsentschädigung. Die GPK-N empfiehlt daher, in zukünftigen Krisensituationen bereits bei der Ausarbeitung von Notrechtmassnahmen oder so bald als möglich nach deren Inkraftsetzung möglichst konkrete Voraussetzungen zu definieren, unter welchen diese Massnahmen wieder aufgehoben werden sowie deren Kontrollen durchgeführt werden. Zudem muss die Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlagen auch bezüglich der von den
involvierten Ämtern identifizierten Risiken zuhanden des Bundesrates beachtet werden.

Kontrollen zur Rechtmässigkeit des Bezugs von Kurzarbeitsentschädigung Die Verfahren für den Antrag und Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung wurden während der Krise vereinfacht, damit den Betrieben so schnell wie möglich finanzielle Sicherheit gewährleistet werden konnte. Die PVK evaluierte in ihrer Untersuchung das Prüfkonzept des SECO vom Sommer 2020, welches die Strategie zur Missbrauchsbekämpfung aufzeigte. Die Situation veränderte sich nach der ersten Welle im Sommer 2020 jedoch wieder rasant und das aktualisierte Prüfkonzept wurde erst zwei Jahre später veröffentlicht. Aus Sicht der GPK-N ist es wichtig, die Kontrollen über den unrechtmässigen Bezug von Kurzarbeitsentschädigung oder Missbrauch zu prio2 / 20

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risieren. Nur so ist sichergestellt, dass die vielen Meldungen innert der fünfjährigen Verwirkungsfrist geprüft werden können. Weiter fordert die GPK-N den Bundesrat auf, eine risikoorientierte Prüfung zu den Missbräuchen und unrechtmässigen Bezüge zu gewährleisten, damit das Vertrauen in das Instrument für zukünftige Krisensituationen gestärkt wird.

Zwischenstand der Kontrollen über ausbezahlte KAE (August 2023) Von insgesamt 2'241 Missbrauchsmeldungen wurden 994 Meldungen nach einer analytischen Prüfung ohne Prüfung vor Ort als unbegründet erachtet. Bei den 747 vertieft geprüften Meldungen wurden 81 Fälle wegen mutmasslichen Missbrauchs vom SECO zur Anzeige gebracht. In zwei von drei Prüfungen stellte das SECO Fehler in der Abrechnung der Betriebe fest. Mehr als 200 Prüfungen vor Ort laufen und weitere 300 Meldungen müssen noch überprüft werden.

Weitere Aspekte Die GPK-N formuliert zudem drei weitere Empfehlungen: Sie fordert den Bundesrat auf, die Datenerhebung der Anzahl Kontrollen zur Rechtmässigkeit des Kurzarbeitsbezugs in den Betrieben während der Coronakrise sicherzustellen und deren Publikation zu prüfen. Weiter bittet sie den Bundesrat, ihr aufzeigen, inwiefern die Kontrollen und Sanktionen bei Missbräuchen für eine abschreckende Wirkung sorgen.

Und die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die aktuelle Zusammensetzung der Aufsichtskommission für den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung (AK ALV) geeignet ist, um eine unabhängige Aufsichtsfunktion über die Kurzarbeitsentschädigung zu gewährleisten.

Der Bundesrat ist eingeladen, zu den insgesamt sieben Empfehlungen der GPK-N bis am 1. März 2024 Stellung zu nehmen

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Ausgangslage

Während der Coronakrise1 zwischen 2020 und 2022 wurden auf behördliche Anordnung Restaurationsbetriebe, Freizeiteinrichtungen und viele weitere nicht essentielle Geschäfte zeitweise geschlossen oder in ihrer Tätigkeit eingeschränkt. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen für die betroffenen Betriebe abzufedern, ergriffen Bund und Kantone Massnahmen wie die Covid-19-Kredite, den Erwerbsersatz für Selbstständige oder die Härtefallregelung. Auch für das bereits bestehende Instrument der Kurzarbeitsentschädigung (KAE) wurden situationsbedingte Anpassungen beschlossen. Diese Anpassungen betrafen die Verfahren für die Beantragung und Auszahlung der KAE, deren Dauer und Höhe sowie die Ausweitung der Anspruchsberechtigten.

Diese oft sehr kurzfristigen Anpassungen während der Corona-Pandemie führten zu Kritik gegenüber dem Bundesrat, der Verwaltung, dem Parlament und auch der Kantonen, welche für die Umsetzung zuständig sind.

Als Kurzarbeitsentschädigung bezeichnet man ein vom Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG)2 vorgesehenes Instrument, das einen Teil der Lohnkosten der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmenden deckt und eine Alternative zu drohenden Entlassungen bietet3. Ziel der KAE ist somit die Vermeidung von Arbeitslosigkeit (Art. 1a Abs. 2 AVIG). Konkret bedeutet das, dass bei einem voraussichtlich vorübergehenden, unvermeidbaren und unverschuldeten Arbeitsausfall (Art. 31 Abs. 1 Bst. d AVIG), etwa durch behördlich angeordnete Massnahmen (Art. 32 Abs. 3 AVIG), die Arbeitslosenversicherung (ALV) unter gewissen Voraussetzungen einen Teil der Lohnkosten der Angestellten übernimmt. Die KAE werden im «Normalfall» über Lohnbeiträge von den Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden finanziert.4 Eine bisher nie dagewesene Anzahl von Betrieben beantragte während der Coronakrise KAE für ihre Angestellten. Im April 2020 waren mehr als eine Million Arbeitnehmende in Kurzarbeit (KA), was einem neuen Höchststand entsprach. Dies führte dazu, dass die KAE nicht mehr über die ALV finanziert wurde5, sondern der Bund zwischen 2020 und 2022 die Finanzierung der KAE über einen ausserordentlichen Beitrag übernahm. Die Ausgaben für KAE der Jahre 2020 bis 2022 betragen rund 16,2 Milliarden Franken.6

1 2 3 4

5 6

Im Folgenden «Corona-Pandemie», «Covid-19-Krise».

Bundesgesetz vom 25.6.1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0).

Mehr dazu unter: www.kmu.admin.ch > KMU-Portal des SECO > Praktisches Wissen > Personal > Arbeitsrecht > Vertragliches > Kurzarbeit (Stand 7.9.2023).

Kurzarbeit in der Coronakrise, Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 13.1.2023, Kap. 2.1, S. 12, (hiernach: Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 2.1, S. 12.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 6.6, S. 55.

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1.2

Gegenstand der Untersuchung und Verfahren der GPK-N

Im Rahmen der Inspektion über den Umgang der Schweizer Behörden mit der Coronakrise7 beschlossen die Geschäftsprüfungskommissionen am 26. Januar 2021, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit der Evaluation der Kurzarbeitsentschädigung in der Coronakrise zu beauftragen. Die Zuständigkeit wurde der Subkommission EFD/WBF der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) zugewiesen. Sie beauftragte die PVK an der Sitzung vom 9. September 2021 mit der Beantwortung folgender Fragestellungen: 1.

Wurden die mehrmaligen Anpassungen der Rechtsgrundlagen für die Kurzarbeit in der Coronakrise zweckmässig vorgenommen?

2.

Hat der Bund die Vollzugsstellen in den Kantonen angemessen unterstützt?

3.

Ist die Aufsicht des Bundes zweckmässig und stellt sie die Rechtmässigkeit des Leistungsbezugs sicher?

Die PVK hat den Untersuchungszeitraum zwischen März 2020, dem Beginn der Coronakrise, bis und mit Juni 2022 für ihre Evaluation eingegrenzt. Bei ihren Abklärungen hat sie die Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates und weitere Dokumente analysiert sowie Interviews mit Personen in der Verwaltung geführt.8 Zudem hat eine externe Firma im Auftrag der PVK eine Befragung und weitere Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Vollzugsstellen in den Kantonen durchgeführt.9 Die meisten Anpassungen zur Kurzarbeitsentschädigung waren im Juni 2022 bereits wieder aufgehoben.10 Die PVK hielt ihre Ergebnisse in ihrem Schlussbericht zuhanden der GPK-N vom 13. Januar 2023 fest.

Der vorliegende Bericht wurde mitsamt seinen Empfehlungen von der GPK-N an ihrer Sitzung vom 20. Oktober 2023 beraten und zuhanden des Bundesrates verabschiedet. Zudem hat die GPK-N beschlossen, vorliegenden Bericht zusammen mit dem Bericht der PVK und der entsprechenden Beilage zu veröffentlichen.

Im Folgenden beurteilt die GPK-N die wichtigsten Resultate der PVK-Evaluation und formuliert gestützt darauf insgesamt sieben Empfehlungen an den Bundesrat. Der vorliegende Bericht ist somit komplementär zum Bericht der PVK und führt die Evaluationsergebnisse nur soweit aus, wie es zum Verständnis der Schlussfolgerungen und Empfehlungen der GPK-N notwendig ist.

7

8 9

10

Mehr zu den entsprechenden Arbeiten unter: www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Aufsichtskommissionen > GPK > Inspektion Covid-19-Pandemie (Stand: 19.8.2022).

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 1.2, S. 9.

Ecoplan (2022). Kurzarbeit in der Coronakrise. Befragung der Vollzugsstellen und Dokumentenanalyse. Bericht im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 20.10.2022.

Bericht der PVK vom 13.1.2023, Anhang 3 «Wichtigste Anpassungen der Reglungen zur Kurzarbeit», S. 67­69.

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Feststellungen und Empfehlungen

Das vorliegende Kapitel enthält die verschiedenen Feststellungen und Empfehlungen der GPK-N, welche sich auf die Erkenntnisse der PVK stützen. Nach Feststellungen zu den vereinfachten Verfahren (Kap. 2.1) befasst sich das Kapitel 2.2 mit der Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates. Kapitel 2.3 geht auf die Priorisierung und Verantwortlichkeiten in der Aufsicht des Bundes über die Kurzarbeit ein und abgeschlossen wird das Kapitel mit einigen Ausführungen bezüglich der Möglichkeiten zur Verbesserung der Kontrollen zur Rechtmässigkeit der ausbezahlten KAE und deren Wirkung (Kap. 2.4).

2.1

Anpassungen und Verlängerungen der Regelungen zur Kurzarbeitsentschädigung

Im März 2020 rief der Bundesrat die ausserordentliche Lage aus und beschloss, viele Geschäftstätigkeiten vorübergehend einzuschränken. Zeitgleich verabschiedete er eine notrechtliche Verordnung, in der die Regelungen zur KAE an die Pandemie-Situation angepasst wurden.11 Für die Kurzarbeitsentschädigung gibt es das das Bewilligungsverfahren und das Abrechnungsverfahren zur Auszahlung der Entschädigung.

Im ordentlichen Verfahren müssen die Betriebe jeweils Angaben zu den einzelnen Angestellten machen, wenn sie die KAE beziehen wollen. Dieses Verfahren wurde vereinfacht und im Rahmen des summarischen Verfahrens mussten die Angaben zu Lohn und Ausfallstunden der ganzen anspruchsberechtigten Belegschaft angegeben werden, anstatt sie für jeden einzelnen Arbeitnehmenden aufzuschlüsseln, um KAE zu beantragen.12 Dies hatte zum Ziel, die Vollzugsstellen in den Kantonen zu entlasten und trotz des hohen Volumens an Anträgen auf KAE eine schnelle Auszahlung der Entschädigungen zu ermöglichen.13

2.1.1

Ergebnisse der PVK-Evaluation

Die PVK kommt in ihrer Evaluation zum Schluss, dass die Vereinfachung der Verfahren der KAE in der ersten Phase der Coronakrise (während der ersten Infektionswelle bis zum Sommer 2020) zweckmässig war. Dadurch hätten die Anträge schnell bearbeitet und die Entschädigungen rechtzeitig ausbezahlt werden können. Kritisch beurteilt die PVK jedoch die grosse Anzahl an kurzfristigen Anpassungen und Verlängerungen, welche nach der ersten Phase der Coronakrise folgten und zu Unklarheiten und einem hohen Aufwand für die Vollzugsstellen führten. Für Unklarheiten bei den Vollzugstellen in den Kantonen sorgten die vielen rückwirkenden Anpassungen, welche zu Unsicherheiten führten.14 11

12 13 14

Verordnung über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19) vom 20.3.2020 (Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, SR 837.033), Stand 17.3.2020. Hier: AS 2020 877.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, S.2.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 2.2 sowie Kap. 2.3.1.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Abb. 3, S. 26.

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Als illustratives Beispiel dient die Einführung des summarischen Abrechnungsverfahrens im April 2020, welches rückwirkend ab dem 1. März galt. Das summarische Abrechnungsverfahren wurde immer wieder, oft kurzfristig, verlängert und galt schliesslich ohne Unterbruch bis am 31. März 2022.15 Im Rahmen ihrer Evaluation stellte die PVK fest, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) ursprünglich davon ausgegangen war, dass im Herbst 2020 mit dem Auslaufen der Covid-19-Verordnung zur Arbeitslosenversicherung wieder zum ordentlichen Verfahren übergegangen würde.

Jedoch wurde die Möglichkeit zur Vereinfachung der Verfahren in Artikel 17 Buchstabe d des Covid-19-Gesetzes vom 25. September 2020, (AS 2020 3835) übergeführt, womit der Bundesrat die Kompetenz erhielt, das summarische Verfahren schliesslich bis am 31. März 2022 immer wieder zu verlängern.16 Die Kantone sprachen sich Ende 2020 für eine Verlängerung des summarischen Abrechnungsverfahrens aus, auf Seiten des Parlaments sprach sich die Finanzdelegation (FinDel) hingegen bereits früh gegen eine Verlängerung aus, während die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) in Phasen mit hohen Infektionszahlen die Verlängerung eher unterstützte. Das Bundesgericht entschied im November 2021, dass Angestellte im Stundenlohn im Vergleich zu Angestellten im Monatslohn im summarischen Abrechnungsverfahren ungleich behandelt würden.

Erstere erhielten eine Ferien- und Feiertagsentschädigung, Letztere hingegen nicht.

Diese Problematik der Ungleichbehandlung bestand von Anfang an, auch in der Notverordnung, und war dem SECO bekannt. Die Überführung des summarischen Verfahrens von der Verordnung ins Covid-19-Gesetz sei für das SECO überraschend gekommen, weshalb keine Zeit geblieben sei, im Hinblick auf die Botschaft zum Covid19-Gesetz die Folgen des Entscheids abzuklären und aufzuzeigen.17 Ein Bericht der Internen Revision (DBIR) des SECO kritisiert zudem, dass entsprechende rechtliche Abklärungen auch nach der Überführung der Möglichkeit zur Vereinfachung der Verfahren ins Covid-19-Gesetz nicht nachgeholt wurden.18 Durch die lange Geltungsdauer des summarischen Verfahrens nahm die Problematik eine grössere Dimension an, da sehr viele Betriebe betroffen waren. Der Bundesrat beschloss nach dem Urteil des Bundesgerichts, dass die betroffenen
Betriebe einen Antrag auf Nachzahlung für die Jahre 2020 und 2021 stellen können. Im Parlament sorgte der entsprechende Nachtragskredit von rund 2 Milliarden Franken für Kritik, doch wurde er schliesslich genehmigt.19

15 16 17 18

19

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Tab. 2, S. 28.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.3.2.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.3.2.

Kurzbericht über den Prozess zur Entstehung des summarischen Verfahrens der Kurzarbeitsentschädigung (KAE) des SECO vom 1.3.2022, 4. Die Überführung der Regelungen vom Notrecht in die Botschaft Covid-19 ALV, S. 6.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.3.2, S.29.

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2.1.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die GPK-N begrüsst, dass die zuständigen Stellen zu Beginn der Coronakrise schnell handelten und so dazu beitrugen, dass die im Gesetz vorgesehene Unterstützung der Unternehmen zur Vermeidung einer Welle von Entlassungen aufgrund der angeordneten Schliessungen rechtzeitig ausbezahlt werden konnte.

Die Wirksamkeit der Kurzarbeit auf den Arbeitsmarkt Die PVK-Evaluation wie auch die Empfehlungen der GPK-N beziehen sich auf die Zweckmässigkeit der Anwendung von KAE während der Coronakrise im Untersuchungszeitraum von März 2020 bis Juni 2022. Die Berichte gehen jedoch nicht auf die Wirksamkeit der KA auf den Arbeitsmarkt ein, da sich diese erst mittel-und längerfristig verlässlich beurteilen lässt.

Die AK ALV hat im April 2023 eine Studie veröffentlicht, welche die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt und die Rolle der Arbeitslosenversicherung untersucht. Zur Wirkung der Kurzarbeit wird beschrieben, dass diese direkt zu Beginn der Pandemie nicht alle Entlassungen verhindern konnte.

Auch weil die Kurzarbeit in den am stärksten betroffenen Branchen (Gastronomie und Hotellerie) in früheren Krisen kaum eingesetzt worden sei und die Erfahrung fehlte. Zudem liefen viele befristete Saisonverträge im Frühjahr 2020 aus. Jedoch konnte nachgewiesen werden, dass in der Winterwelle 2020/21 in Betrieben, die KAE bezogen, weniger Personen entlassen wurden. Für die zweite Pandemiephase von Juli 2020 bis März 2021 konnte die Studie keine Effekte auf die Entlassungen von Beschäftigten aufzeigen, jedoch Anzeichen für eine schnellere Erholung der Betriebe mit KAE-Bezug feststellen.20 Aus Sicht der Kommission wird es wichtig sein, dass der Bundesrat zum gegebenen Zeitpunkt die Wirksamkeit der Kurzarbeitsentschädigung während der Corona-Pandemie bezüglich der Frage untersuchen lässt, ob die KAE zu einer nachhaltigen Vermeidung der Arbeitslosigkeit oder nur zu einem kurzfristigen Strukturerhalt geführt hat.

Laut dem Bericht der PVK war die Problematik der Ungleichbehandlung bei der Ferien- und Feiertagsentschädigung dem SECO seit Beginn des summarischen Abrechnungsverfahrens bekannt. Die GPK-N anerkennt die ausserordentliche Situation, in welcher Entscheidungen kurzfristig und teilweise rückwirkend getroffen werden mussten. Das Vorgehen der mehrmaligen Anpassung und Verlängerung birgt 20

Brülhart, Marius / Lalive, Rafael / Lehmann, Tobias / Siegenthaler, Michael (2020): Covid-19 financial support to small businesses in Switzerland: evaluation and outlook.

In: Swiss Journal of Economics and Statistics, 165 (15); Götz, Alexander / Kopp, Daniel / Siegenthaler, Michael (2021): Kurzarbeit in der Schweiz während der Covid-19-Krise.

In: KOF Analysen, 2021(4); OECD (2020): Job Retention Schemes during the Covid-19 lockdown and beyond. OECD Publishing, Paris; OECD (2021): Employment Outlook 2021: Navigating the Covid-19 Crisis and Recovery. OECD Publishing, Paris; OECD (2022): OECD Economic Surveys: Switzerland 2022. OECD Publishing, Paris; OECD (2022): Riding the waves: Adjusting job retention schemes through the Covid-19 crisis.

OECD Publishing, Paris.

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jedoch Risiken und Rechtsunsicherheit, wie am Beispiel der Ferien- und Feiertagsentschädigung aufgezeigt wurde. Für die GPK-N ist es nicht nachvollziehbar, weshalb vor der Überführung des summarischen Verfahrens ins Covid-19-Gesetz die notwendigen Abklärungen zu den Konsequenzen der Ungleichbehandlung von den oben genannten Betroffenen, beispielsweise in Form eines unabhängigen Rechtsgutachtens, ausgeblieben sind. 21 Der GPK-N ist es ein Anliegen, dass in zukünftigen Krisensituationen bei der Ausarbeitung von Notrechtmassnahmen so vorausschauend wie möglich definiert wird, unter welchen Bedingungen diese auslaufen respektive weiter verlängert werden.

Empfehlung 1

Kriterien zur Aufhebung von Notrechtmassnahmen definieren

Der Bundesrat wird ersucht, bereits bei der Ausarbeitung von Notrechtmassnahmen oder so bald als möglich nach deren Inkraftsetzung die konkreten Voraussetzungen zu definieren, unter welchen diese Massnahmen wieder aufgehoben werden.

Das Parlament hat sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob das summarische Abrechnungsverfahren grundsätzlich eingeführt werden sollte. Es ist dem Antrag des Bundesrates gefolgt und hat die entsprechende Motion abgelehnt.22 Die GPK-N nimmt im Weiteren zur Kenntnis, dass der gewährte Nachtragskredit von 2 Milliarden Franken voraussichtlich nicht ausgeschöpft wird und deutlich weniger Betriebe als ursprünglich erwartet einen Antrag auf Nachzahlungen gestellt haben.23

2.2

Unvollständige Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates

In der Coronakrise wurden in kurzer Zeit viele Anpassungen beschlossen, die meisten davon auf Verordnungsebene durch den Bundesrat. Die PVK analysierte im Rahmen der Evaluation die Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates auf deren Vollständigkeit hin.

21 22 23

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.3.2 «Problematik 2: Nachzahlungen von Ferien-/Feiertagsentschädigungen», S. 29.

Mo. Bauer «Kurzarbeitsentschädigung. Weitere administrative Hürden abbauen» vom 24.9.2020 (20.4169).

Bericht der Finanzdelegation an die Finanzkommissionen des Nationalrates und des Ständerates betreffend die Oberaufsicht über die Bundesfinanzen im Jahre 2022 vom 13.3.2023, Kapitel 4.6.1.

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2.2.1

Ergebnisse der PVK-Evaluation

Die PVK kam in ihrem Bericht zum Schluss, dass die Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates für die Anpassungen der KAE-Regelungen Mängel aufwiesen.24 Bei dem im vorherigen Kapitel beschriebenen summarischen Abrechnungsverfahren habe sich das SECO früh dafür eingesetzt, dieses wieder aufzuheben. Das Verfahren wurde gegenüber der PVK sogar als «Flickwerk» bezeichnet.25 Die Position des SECO ist in den Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates jedoch nicht abgebildet. Vielmehr seien in den Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates wiederholt praktische Überlegungen in den Vordergrund gerückt worden.

Beispielsweise waren die Anpassungen bezüglich der Höhe der KAE eine Folge der im Kapitel 2.1 erwähnten Verfahrensvereinfachungen und wurden auch so begründet.

Mit dem summarischen Abrechnungsverfahren verfügten die Vollzugstellen nicht mehr über die nötigen Informationen, um für die Angestellten Abzüge bei der KAE für in den Vormonaten geleistete Mehrstunden oder einem Einkommen aus Zwischenbeschäftigungen vorzunehmen. Im «Normalfall» werden diese von der KAE abgezogen und alle Angestellten erhalten maximal 80 Prozent ihres versicherten Lohns. Bei Angestellten mit niedrigen Einkommen wurde die Entschädigung durch einen Entscheid des Parlaments ab Dezember 2020 auf 100 Prozent des Lohns erhöht, obwohl sich das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und auch der Gesamtbundesrat dagegen ausgesprochen hatten. Die Exekutive und die Verwaltung verwiesen auf die Sozialhilfe, welche in Fällen, in denen das Einkommen nicht ausreiche, Unterstützung biete und stützte sich somit auf das gesetzliche Ziel der KAE, die Vermeidung von Arbeitslosigkeit aufgrund vorübergehender Arbeitsausfälle.26 Auch bei weiteren Anpassungen der KAE wurde deren Hauptziel, die Vermeidung von Arbeitslosigkeit aufgrund vorübergehender Arbeitsausfälle, mit zunehmender Dauer immer weniger in den Entscheidungsgrundlagen erwähnt.27 So seien bei den Anpassungen zur Dauer und Höhe der KAE die wirtschaftlichen Risiken nicht genügend berücksichtigt worden.28 Das grösste Risiko der KAE besteht darin, dass Arbeitsplätze oder ganze Betriebe erhalten bleiben, welche durch den strukturellen Wirtschaftswandel keine Zukunft haben. Es können ebenfalls sogenannte Mitnahmeeffekte entstehen, wenn Betriebe KAE für Arbeitnehmende beziehen, deren
Arbeitsplatz gar nicht gefährdet ist.29 Aus Sicht der PVK fanden die wirtschaftlichen Risiken, welche mit den Anpassungen verbunden waren, insgesamt wenig Eingang in die Entscheidungsgrundlagen für den Bundesrat.30

24 25 26 27 28 29 30

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.4, S.30.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.3.1, S.25.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.3.1, S.20.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.1.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.4.2.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.4.2.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.4, S. 30.

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2.2.2

Beurteilung durch die GPK-N

Auf Grundlage dieser Ergebnisse kommt die GPK-N zum Schluss, dass die Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates teilweise unvollständig waren und gewisse Risiken mit dem Fortschreiten der Krise nicht mehr erwähnt wurden. Der GPK-N erscheint es wichtig, dass auch in einer Krise das Ziel des Instruments nicht in den Hintergrund rückt.31 Für die Kommission stellt sich die Frage, ob das zuständige Departement seiner Informationspflicht gegenüber dem Bundesrat vollständig nachgekommen ist (Art. 12a des Regierungs- und Verwaltungsverordnungsgesetz [RVOG]32). Der GPK-N erscheint es wichtig, dass die Informationen, die die Departemente dem Bundesrat vorlegen, so vollständig wie möglich sind, insbesondere in Krisenphasen. In Artikel 30 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV)33 vom 25. November 1998 wird präzisiert, dass sowohl der Bundesrat als auch die Generalsekretärenkonferenz, die Departemente oder die Bundeskanzlei mit ihren Weisungen und Arbeitshilfen für den «guten Gang der Verwaltung» sorgen sollen. Die GPK-N formuliert daher folgende Empfehlung an den Bundesrat: Empfehlung 2

Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die möglichen Risiken einer (Notrecht-)Massnahme in den von den Departementen vorbereiteten Entscheidungsgrundlagen möglichst von Beginn an transparent und umfassend dargestellt werden.

Diese Empfehlung soll dafür sorgen, dass die Informationen aus den Departementen im Rahmen der «Richtlinien für Bundesratsgeschäfte34»35, auch in Krisenzeiten transparent an den Bundesrat gelangen.

2.3

Priorisierung und Verantwortlichkeiten in der Aufsicht des Bundes über die Kurzarbeit

Der Bund ist neben der einheitlichen Rechtsanwendung der KA auch für die Aufsicht (Art.76 Abs. 2 AVIG) zuständig. Die Arbeitslosenversicherung folgt bei der Aufsicht einem sogenannten «Drei-Linien-Modell36». Die erste Linie bilden die Vollzugstellen in den Kantonen, konkret die Kantonalen Amtsstellen (KAST), welche für die Voranmeldungen verantwortlich sind und die Arbeitslosenkassen (ALK), welche die Auszahlung der KAE vollziehen. In der zweiten Linie findet sich die Ausgleichsstelle der ALV. Deren Aufsichtsaufgaben nimmt der Revisionsdienst des Leistungsbereichs Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung der Direktion für Arbeit (TCRD) wahr.

31 32 33 34 35 36

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.1.

Regierungs- und Verwaltungsverordnungsgesetz vom 21.3.1997 (RVOG; SR 172.010).

Regierungs- und Verwaltungsverordnung vom 25.11.1998 (RVOV; SR 172.010.1).

Auch bekannt als «Roter Ordner».

Mehr dazu unter: www.intranet.bk.admin.ch > Koordination Bund > Richtlinien für Bundesratsgeschäfte (Stand: 9.6.2023).

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 2.3.1, Abb.2.

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Dieser überprüft die Tätigkeiten der Vollzugstellen und kann auch Dritte mit dieser Aufgabe betrauen (Art. 83 AVIG). In der dritten Linie werden die Tätigkeiten der Ausgleichsstelle der ALV durch die Interne Revision des SECO (DBIR) kontrolliert.

Die DBIR ist direkt dem Staatssekretär oder der Staatssekretärin unterstellt. Weiter führt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) als Finanzaufsichtsorgan Prüfungen durch.37 In Zeiten ausserhalb der Krise wird die KAE durch den Fonds der Arbeitslosenversicherung finanziert, welcher sich je zur Hälfte aus Beiträgen von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden zusammensetzt. Die Überwachung des Fonds der ALV erfolgt durch die AK ALV. Bei der AK ALV handelt es sich um eine ausserparlamentarische Kommission mit Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner, des Bundes, der Kantone und der Wissenschaft. Sie ist dem WBF angegliedert (Art. 89 AVIG). Traditionellerweise wird als deren Präsident oder Präsidentin der Leiter bzw. die Leiterin der Direktion für Arbeit des SECO vom Bundesrat gewählt. Unter anderem legt die AK ALV die Verwaltungskosten fest, welche die Vollzugsstellen dem Fonds verrechnen dürfen. Die Ausgleichsstelle und die Interne Revision des SECO erstatten ihr Bericht.38

2.3.1

Ergebnisse der PVK-Evaluation

In der Corona-Pandemie musste aufgrund der hohen Anzahl an Gesuchen eine Priorisierung bei den Rechtmässigkeitsprüfungen vorgenommen werden. Beispielsweise prüfte die Ausgleichsstelle der Arbeitslosenversicherung, im Unterschied zu den normalen Abläufen, die von den Vollzugsstellen bewilligten Voranmeldungen für KA nur noch vereinzelt. Diese Priorisierung war auch eine Folge der vereinfachten Voranmeldung, da dadurch notwendige Angaben fehlten, um die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Durch das summarische Abrechnungsverfahren musste für die Abrechnung der KAE zudem «nur» noch die Gesamtlohnsumme der Mitarbeitenden mitgeteilt werden statt detaillierter Abrechnungen. Die Arbeitgebenden waren jedoch nach wie vor verpflichtet, über die einzelnen Arbeitsstunden und Lohnsummen Buch zu führen um sie, im Falle einer Kontrolle vor Ort, belegen zu können. Damit möglichst viele dieser Kontrollen bei den Arbeitgebern durchgeführt werden konnten, wurden externe Prüfungsfirmen beigezogen und die Kontrollen der Arbeitslosenkassen weitgehend ausgesetzt. Diese Prüfungsfirmen wurden vom SECO beauftragt.39 Die PVK beurteilte in ihrem Bericht die Priorisierung der Aufsichtstätigkeiten als zweckmässig, unter der Voraussetzung, dass die Kontrollen der ALK innerhalb nützlicher Frist nachgeholt würden.40 Die Aufsichtstätigkeit der AK ALV als oberstes Aufsichtsorgan über den Fonds der ALV beurteilte die PVK kritisch. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik des unrechtmässigen Bezugs von KAE war bei den Gesprächen der PVK mit Mitgliedern der AK ALV nicht erkennbar.

37 38 39 40

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 2.3.2.

Art. 26 Abs. 1 Bst. e. sowie Art. 26 Abs. 2 Bst. d des Reglements der AK ALV vom 16.12.2015, Stand 14.06.2021.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 5.1.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 5.1.

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Bereits frühere Studien der PVK41 und der EFK42 hatten festgestellt, dass dieses Gremium zwar den direkten Informationsfluss zwischen den Sozialpartnern, den Vollzugstellen und der Bundesverwaltung sicherstellt, jedoch fraglich sei, inwiefern die Kommission eine unabhängige Aufsicht wahrnimmt resp. wahrnehmen könne.

2.3.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die GPK-N beurteilt die Tatsache, dass alle Organe, welche von der AK ALV beaufsichtigt werden, selbst Mitglied dieser ausserparlamentarischen Kommission sind, unter dem Aspekt der Gouvernanz als kritisch. Das SECO ist für viele der Massnahmen zur KAE verantwortlich und hat selbst das Präsidium des obersten Aufsichtsorgans inne. Der Kommission erscheint es deshalb wichtig, dass der Bundesrat aufzeigt, aufgrund welcher Kriterien die Priorisierung bei den Kontrollen der Ausführungsorgane der KAE wie auch der Arbeitgebenden über unrechtmässigen Bezug vorgenommen wird.

Zudem stellt die GPK-N fest, dass der Informationsfluss zwischen den Mitgliedern der AK ALV während der Krise gut funktioniert hat. Sie stellt sich jedoch die Frage, inwiefern dieser Informationsfluss unabhängige Kritik gegenüber den getroffenen Massnahmen zulässt, wenn die dafür Verantwortlichen selbst Einsitz im Aufsichtsgremium haben43. Deshalb formuliert die GPK-N nachfolgende Empfehlung: Empfehlung 3

Zusammensetzung der Aufsichtskommission für den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die Zusammensetzung der Aufsichtskommission für den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung geeignet ist, um eine unabhängige Aufsicht über die Kurzarbeitsentschädigung gewährleisten zu können; dies auch vor dem Hintergrund, dass der Bund die Kurzarbeitsentschädigung während der Coronakrise vollständig finanziert hat.

In Weiterführung der oben formulierten Empfehlung erachtet es die GPK-N als wichtig, dass die vom Bundesrat ausgeübte Aufsichtstätigkeit und die daraus resultierenden Kontrollverfahren in solchen Situationen wie bei der Anwendung vom Notrecht in der Coronakrise durch ihn ausreichend antizipiert werden. Die Umsetzung von Instrumenten wie das der KAE erfordert eine konsequente Begleitung durch Kontrollen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese so früh wie möglich im Krisenmanagementprozess berücksichtigt werden. Die Kommission spricht daher die folgende Empfehlung aus:

41 42 43

Evaluation der Führung und Beaufsichtigung der Arbeitslosenversicherung durch den Bund, Bericht der PVK vom 27.3.2008 zuhanden der GPK-S (BBI 2009 3225).

EFK (2018): Governanceprüfung bei der Arbeitslosenversicherung, 22.5.2018.

Die Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft der AK ALV haben keinen direkten Interessenskonflikt.

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Empfehlung 4

Vorausschauende Aufsichtstätigkeit

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, bereits bei der Ergreifung von NotrechtsMassnahmen die notwendigen Kontrollen angemessen einzuschätzen und die Voraussetzungen für ihre zeitgerechte Umsetzung sicherzustellen.

2.4

Kontrollen zur Rechtmässigkeit der ausbezahlten KAE und deren Wirkung

In Zusammenhang mit den Priorisierungen der Kontrollen erstellte die Ausgleichsstelle ALV im Sommer 2020 ein Prüfkonzept für die Missbrauchsbekämpfung im Bereich KAE. Das Konzept beschrieb unter anderem den Prozess vom Antrag bis zur Auszahlung der KAE und auch die Verantwortlichkeiten der Unternehmen, Vollzugsstellen, der Ausgleichsstelle und der EFK. Die Risiken für unrechtmässige Bezüge von KAE wurden gewichtet und aufgrund dieser Schätzung die Anzahl geplanter Arbeitgeberkontrollen geplant.44 Die Kontrollen über die rechtmässigen Bezüge der KAE sind noch nicht abgeschlossen. Die Möglichkeit einer Rückforderung erlischt fünf Jahre nach deren Auszahlung und damit für die ersten pandemiebedingten KAE ab dem Frühsommer 2025. Vor der Coronakrise prüfte die Ausgleichsstelle praktisch alle Entscheide und Auszahlungen für KAE, was aufgrund des grossen Anstiegs während der Pandemie nicht mehr möglich war. Das SECO beantragte deshalb bereits im August 2020 bei der AK ALV 25 Millionen Franken des Fonds der ALV für die Einsetzung von externen Prüferinnen und Prüfer.45 Bei den Kontrollen in den Betrieben wird unterschieden zwischen Fehlern bei der Beantragung von KAE und einem Missbrauch, welcher einen absichtlichen unrechtmässigen Bezug von KAE voraussetzt. Bei Fehlern kann die Ausgleichsstelle die unrechtmässig bezogene KAE zurückverlangen. Bei Missbrauch kann sie auf der Grundlage zweier Gesetzesartikel, die durch den versuchten oder vollendeten Missbrauch entstandenen Kosten für die Kontrollen auf den Betrieb abwälzen (Art. 88 Abs. 2bis AVIG, Art. 45 Abs. 4 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)) oder die von den Betrieben missbräuchlich bezogene KAE bis zum Doppelten des Betrags zurückfordern (Art. 88 Abs. 2ter AVIG, in Abweichung von Art. 25 Abs. 1 ATSG).46

44 45 46

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap.5.2.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap.5.3.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap.5.4.

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2.4.1

Ergebnisse der PVK-Evaluation

Das Prüfkonzept für die Missbrauchsbekämpfung der Ausgleichsstelle der ALV, welches innerhalb nützlicher Frist im Herbst 2020 erstellt wurde, beurteilte die PVK grundsätzlich als klar und die Darstellung der Risiken als zweckmässig. Nach dem Sommer 2020 hat sich die Ausgangslage jedoch stark verändert. Die PVK stellte fest, dass die Ausgleichsstelle des SECO das Prüfkonzept über eine lange Zeit nicht aktualisiert und vervollständigt hat. Beispielsweise ging das Prüfkonzept von insgesamt 300 bis 400 Missbrauchsmeldungen von den Ausführungsstellen oder anderer Einheiten aus, doch waren im April 2022 schliesslich mehr als 2000 solcher Meldungen eingetroffen. Manche Meldungen wurden nach einer Vorprüfung abgeschrieben, da sie einen gewissen Schwellenwert bezüglich der ausbezahlten KAE eines Betriebs nicht überschritten hatten. Diese Praxis war im Prüfkonzept nicht vorgesehen. Es mussten deutlich mehr Ressourcen für die Kontrolle der Missbrauchsmeldungen eingesetzt werden als erwartet.47 Ein aktualisiertes Prüfkonzept lag der PVK bis zum Abschluss ihrer Datenerhebung nicht vor. Erst am 4.1.2023 hat das SECO ein auf den 9. September 2022 zurück datiertes Prüfkonzept auf der Webseite zur KAE veröffentlicht.48 Der Bedarf an externer Unterstützung für die Kontrollen beurteilte die PVK, auch aufgrund der Einschätzung der EFK49, als zweckmässig. Es wurden knapp 40 Personen zweier Wirtschaftsprüfungsfirmen eingestellt und geschult. Laut diesen Firmen benötigte das Personal trotz der Schulung mehrere Monate, um sich in die komplexe Thematik einzuarbeiten. Die PVK stellte in ihrem Bericht in Frage ob, ­ aufgrund der Herausforderungen über die komplexe Thematik und nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit einer der beiden externen Prüfungsfirmen ­ eine angemessene Anzahl Arbeitgeberkontrollen mit den vorhandenen Ressourcen möglich ist. Die Verwirkungsfrist bei den Missbrauchsmeldungen liegt bei fünf Jahren. Laut SECO sei das Auftragsmanagement für die Kontrollen jedoch nach wie vor gewährleistet.50 Die PVK stellte fest, dass die Ausgleichsstelle der ALV aufgrund ihrer Kontrollen vor Ort bis Juni 2022 in knapp 10 Prozent der Fälle Strafanzeige wegen absichtlichen unrechtmässigen Bezugs von KAE eingereicht hat. Jedoch forderte die Ausgleichsstelle lediglich den unrechtmässigen Betrag der bezogenen KAE zurück und
nutzte keine weiteren Sanktionsmöglichkeiten. Mit der Gesetzesrevision des AVIG 2002 besteht jedoch die Möglichkeit, die durch den versuchten oder vollendeten Missbrauch entstandenen Kosten für Arbeitgeberkontrollen auf den Betrieb abzuwälzen (Art. 88 Abs. 2bis AVIG, Art. 45 Abs. 4 ATSG) oder die missbräuchlich bezogenen Beträge, bis zum Doppelten der ausbezahlten Leistung zurückgefordert werden dürfen (Art. 88 Abs. 2ter AVIG, in Abweisung von Art. 25 Abs. 1 ATSG). Die PVK stellte

47 48

49 50

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap.5.1.

Mehr dazu unter: www.arbeit.swiss > Arbeitgeber > Versicherungsleistungen > Kurzarbeitsentschädigung > Unrechtmässiger Leistungsbezug (Stand: 15.6.2023). Zu diesem Zeitpunkt war es für die PVK zu spät, das neue Konzept fundiert im Bericht zu bewerten.

Prüfung des Beizugs Dritter in der Umsetzung der Covid-19 Massnahmen, Bericht der EFK vom 13.5.2022.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap.5.3.

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fest, dass von diesen gesetzlichen Sanktionsmöglichkeiten noch kein Gebrauch gemacht worden ist.51

2.4.2

Beurteilung durch die GPK-N

Die GPK-N begrüsst, dass in einer ersten Phase der Coronakrise rasch ein zweckmässiges Prüfkonzept zur Missbrauchsbekämpfung erstellt wurde. Es ist für sie jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb dieses Konzept trotz der stark veränderten Ausgangslage über zwei Jahre hinweg nicht aktualisiert wurde. Im neuen Konzept ist von derzeit 1200 Missbrauchsmeldungen beim SECO die Rede und zusätzlich sollen mit dem risikoorientierten Prüfansatz mittels zufälliger Stichproben weitere 2500 Fälle geprüft werden, um Sicherheit über die Rechtskonformität zu erlangen. Weiter wird im aktualisierten Prüfkonzept ausgeführt, dass rund 900 risikoorientierte Meldungen der AVIG-Vollzugstellen als Bestandteil der zufälligen Stichproben gelten.52 Das SECO publiziert auf seiner Webseite Zahlen zu den Kontrollen bei der Kurzarbeitsentschädigung während der Coronakrise. Die PVK hat diese Zahlen im Untersuchungszeitraum der Evaluation von März 2020 bis im Juni 2022 analysiert. Die aktuell vorliegenden Zahlen wurden gestützt auf die Analyse der PVK durch die GPK-N interpretiert: Insgesamt wurden seit September 2020 gemäss SECO 2241 Fälle geprüft oder sind für eine Prüfung vorgesehen (Stand August 2023). Die Gesamtzahl der mutmasslichen Missbrauchsfälle belief sich im selben Zeitraum auf 81.53 Gestützt auf diese Angaben ergibt sich aktuell eine Rückforderungssumme von 114 150 562 Schweizer Franken.54 Im aktualisierten Prüfkonzept sind 2500 Zufallsstichproben vorgesehen. Aus den publizierten Kennzahlen des SECO ist nicht ersichtlich, wie viele dieser Prüfungen mittels zufälliger Stichprobe ausgewählt wurden und bei wie vielen es sich um Meldungen von Auffälligkeiten durch die ALK oder andere Stellen handelt55. Vor diesem Hintergrund ist es für die GPK-N nicht möglich festzustellen, ob das Prüfkonzept umgesetzt wird. Auch gilt es die absolute Verwirkungsfrist von fünf Jahren56 zu beach-

51 52

53

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56

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap.5.4.

Strategisches Prüfkonzept. Missbrauchsbekämpfung im Bereich der Kurzarbeitsentschädigung (KAE) während und nach Covid-19. Prüfkonzept des Revisionsdiensts des SECO vom 9.9.2022.

Diese Missbräuche bleiben «mutmasslich», da ihre gerichtliche Behandlung vorbehalten bleibt. Wenn die Revisionsstelle bei einer Prüfung einen Missbrauch feststellt, wird automatisch eine Strafanzeige eingereicht.

Mehr dazu unter: www.arbeit.swiss > Arbeitgeber > Versicherungsleistungen > Kurzarbeitsentschädigung > Unrechtmässiger Leistungsbezug (Stand: 7.9.2023).

Strategisches Prüfkonzept. Missbrauchsbekämpfung im Bereich der Kurzarbeitsentschädigung (KAE) während und nach Covid-19. Prüfkonzept des Revisionsdiensts des SECO vom 9.9.2022, Tab.3.

Diese Frist entspricht dem Zeitraum, in dem ein Rückerstattungsanspruch der zu Unrecht gezahlten KAE realisiert werden kann, d. h. spätestens fünf Jahre nach der Auszahlung der Leistung. Es muss auch eine relative Verwirkungsfrist von drei Jahren einhalten werden, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat (Art. 25 Abs. 2 ATSG).

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ten.57 Der GPK-N ist es wichtig, dass allen Meldungen innerhalb der geltenden Verwirkungsfristen nachgegangen wird, aber auch die im Prüfkonzept vorgesehenen Kontrollen im Sinne von risikoorientierten Stichproben rechtzeitig durchgeführt werden.

Die rund 114 Millionen Franken Rückforderungsgelder entsprechen weniger als einem Prozent der insgesamt ausbezahlten Kurzarbeitsentschädigung.58 Der Schlussbericht der PVK hat aufgezeigt, dass bis zum Juni 2022, auch bei verlässlichen Hinweisen auf Missbrauch der KAE und erfolgter Strafanzeige von Seiten der Ausgleichstelle, lediglich die unrechtmässig bezogenen KAE-Beträge zurückverlangt und die rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten (Kap. 5.4) nicht angewendet wurden.59 Die GPK-N bezweifelt, dass ohne die Anwendung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten eine angemessene abschreckende Wirkung für absichtlichen unrechtmässigen KAE-Bezug besteht.

Aufgrund der Resultate im Evaluationsbericht und der Auswertung der neusten zur Verfügung stehenden Daten des SECO formuliert die GPK-N folgende drei Empfehlungen zu den Kontrollen zur Rechtmässigkeit der ausbezahlten KAE während der Coronakrise: Empfehlung 5

Auswertung der verfügbaren Daten zur KAE

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die verfügbaren Daten zur ausbezahlten KAE während der Coronakrise sowie zu deren Kontrollen systematisch ausgewertet werden, um eine umfassendere Aufsicht über dieses Instrument zu gewährleisten.

Sie fordert den Bundesrat zudem auf, die relevanten Resultate dieser Auswertung zu veröffentlichen.

Empfehlung 6

Umsetzung des risikoorientierten Prüfungsansatzes

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass alle Kontrollen, die im Prüfkonzept vorgesehen sind, innerhalb der geltenden Verwirkungsfristen so durchgeführt werden, dass ein Gesamtüberblick über den Anteil des unrechtmässigen Bezugs / Missbrauchs in der Coronakrise möglich ist, um das Vertrauen in das Instrument der Kurzarbeit zu stärken.

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58 59

Revisionsbericht der internen Revision des SECO vom 21.8.2023 über die Prüfungen im Bereich der Kurzarbeitsentschädigung (KAE), Kap. 3.2., Empfehlung 3a.

Bericht der EFK vom 13.5.2022. Prüfung des Beizugs Dritter in der Umsetzung der Covid-19-Massnahmen, S.30.

Mehr dazu unter: www.arbeit.swiss > Arbeitgeber > Versicherungsleistungen > Kurzarbeitsentschädigung > Unrechtmässiger Leistungsbezug (Stand: 7.9.2023).

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap.5.4.

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Empfehlung 7

abschreckende Wirkung gegen Missbräuche

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die zur Verfügung stehenden und von der Ausgleichsstelle angewendeten Sanktionen bei missbräuchlichen Bezügen der KAE im Sinne des Gesetzgebers angemessen angewendet werden, um für allfällige zukünftige und ähnlich gelagerten Anwendungsfälle eine abschreckende Wirkung gegen Missbräuche zu erzielen.

3

Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

Die Beurteilung der PVK-Resultate durch die GPK-N zeigt auf, dass das für derartige Situationen vorgesehene Instrument der KAE während der Coronakrise rege eingesetzt wurde.60 Die raschen Anpassungen der rechtlichen Grundlagen sorgten dafür, dass die Entschädigungen schnell ausbezahlt werden konnten, was in dieser Pandemiesituation wichtig war.61 Die Kommission kommt zum Schluss, dass die Vollzugsstellen angemessen vom SECO unterstützt wurden, auch wenn die Krisensituation dazu führte, dass viele Informationen erst sehr kurzfristig zur Verfügung standen.62 Gleichzeitig erkennt die GPK-N auf der Grundlage der Evaluation Handlungsbedarf in verschiedenen Bereichen und formuliert im vorliegenden Bericht insgesamt sieben Empfehlungen an den Bundesrat. Die Empfehlungen betreffen die zahlreichen Anpassungen der Rechtsgrundlagen nach der ersten Welle der Corona-Pandemie (ab Sommer 2020) und deren Dauer (Empfehlung 1), sowie die Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates für diese Anpassungen (Empfehlung 2).

Die GPK-N erachtet es zudem als wichtig, bereits bei der Ergreifung von Notrechtsmassnahmen die notwendigen Kontrollen angemessen einzuschätzen (Empfehlung 4).

Weiter empfiehlt die GPK-N in Bezug auf die Aufsicht und Kontrollen zur Kurzarbeitsentschädigung während der Coronakrise, in der diese durch den Bund finanziert wurde, die Zusammensetzung der AK ALV zu hinterfragen (Empfehlung 3). Zudem wünscht sich die Kommission eine zweckmässige Aufarbeitung und Auswertung der Daten zu den KAE-Bezügen (Empfehlung 5). Die GPK-N ist überzeugt davon, dass das Vertrauen in das Instrument der KAE gestärkt wird, wenn eine risikoorientierte Prüfung mit Hilfe von Stichproben zur Überprüfung des Anteils der fehlerhaften Bezüge und potentiellen Missbräuche durchgeführt wird. Diese würde einen Gesamtüberblick über die Anwendung des Instruments in der Krisensituation erlauben und auf allfällige Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen (Empfehlung 6). Zudem fordert die GPK-N den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die gesetzlich vorgesehenen Sanktionierungen für Missbräuche beim KAE-Bezug zweckmässig sind, respektive in ihrer jetzigen Anwendung eine genügende abschreckende Wirkung für andere Firmen erzielen (Empfehlung 7).

Besondere Bedeutung kommt aus Sicht der GPK-N den Kontrollen zur bezogenen KAE in den Betrieben und der damit verbundenen Aufarbeitung und Auswertung der 60 61 62

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.1.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 3.3.1.

Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 4.

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Daten zu (Empfehlung 5 und 6). Aus Sicht der Kommission ist es wichtig, dass die geplanten Kontrollen innerhalb der geltenden Verwirkungsfristen durchgeführt werden können.

Der GPK-N ist bewusst, dass die Coronakrise für die Bevölkerung, wie auch für die Wirtschaft und die Bundesverwaltung, eine ausserordentliche Situation darstellte. Das SECO, die restliche Bundesverwaltung und die Kantone sowie die Vollzugstellen leisteten einen herausragenden Einsatz, damit die KAE möglichst rasch an die Betriebe ausbezahlt werden konnte.63 Die Kommission erachtet es jedoch als zentral, dass die nötigen Lehren aus diesen Erfahrungen gezogen werden; sei dies für die heutigen Tätigkeiten der Verwaltung, wie auch für zukünftige Krisensituationen.

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, bis spätestens am 1. März 2024 zu den obigen Ausführungen und Empfehlungen der GPK-N sowie zu den ihnen zugrundeliegenden Feststellungen der PVK Stellung zu nehmen und darzulegen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

20. Oktober 2023

Für die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Die Präsidentin: Prisca Birrer-Heimo Die Sekretärin: Ursina Jud Huwiler Die Präsidentin der Subkommission EFD/WBF: Yvonne Feri Wissenschaftliche Mitarbeitende der GPK: Selina Stoller, Dorian Gollut

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Bericht der PVK vom 13.1.2023 zuhanden der GPK-N, Kap. 6.4.

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Akürzungsverzeichnis Abs.

AK ALV ALK ALV Art.

AS ATSG

Absatz Aufsichtskommission über den Fonds der Arbeitslosenversicherung Arbeitslosenkasse Arbeitslosenversicherung Artikel Amtliche Sammlung des Bundesrechts Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts AVIG Arbeitslosenversicherungsgesetz BBl Bundesblatt Bst.

Buchstabe DBIR Interne Revision des SECO EFD Eidgenössisches Finanzdepartement EFK Eidgenössische Finanzkontrolle FinDel Finanzdelegation GPK Geschäftsprüfungskommissionen GPK-N Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates KA Kurzarbeit KAE Kurzarbeitsentschädigung Kap.

Kapitel KAST Kantonale Amtsstelle PVK Parlamentarische Verwaltungskontrolle RVOG Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz RVOV Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung SECO Staatssekretariat für Wirtschaft SECO TRCD Revisionsdienst des Leistungsbereichs Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung SGK Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit WBF Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

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