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23.085 Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Besitzesschutz bei verbotener Eigenmacht an Grundstücken) vom 15. Dezember 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Besitzesschutz bei verbotener Eigenmacht an Grundstücken).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2017

M 15.3531

Bedingungen für die Anwendbarkeit von Artikel 926 ZGB lockern, um besser gegen Hausbesetzer vorgehen zu können (N 03.05.2017, Feller; S 11.09.2017)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Dezember 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-3763

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Übersicht Die von einer Besitzesverletzung (insbesondere durch eine Hausbesetzung) Betroffenen können sich über das im Besitzesschutz statuierte Selbsthilferecht unter bestimmten Voraussetzungen ihres Eigentums oder Besitzes wieder bemächtigen.

In der Praxis stossen sie dabei regelmässig auf Hindernisse. Diese Vorlage zielt darauf ab, die Bedingungen zu verbessern, unter welchen sich die von einer Hausbesetzung oder anderen Besitzesverletzungen Betroffenen ihres Eigentums oder Besitzes wieder bemächtigen dürfen.

Ausgangslage Die Besitzeswehr und die Besitzeskehr nach Artikel 926 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches ermächtigen die Besitzerin oder den Besitzer zur Ausübung von Selbsthilfe gegenüber Hausbesetzerinnen und Hausbesetzern, die den Besitz stören oder diesen entzogen haben. Die Voraussetzungen der polizeilichen amtlichen Hilfe richten sich dagegen nach dem kantonalen Recht, das in der Regel keine besonderen Bestimmungen zum Besitzesschutz enthält. Die Polizeibehörden der grösseren Städte, welche am häufigsten von Hausbesetzungen betroffen sind, haben standardmässig praktizierte Vorgehensweisen entwickelt, um den bei Hausbesetzungen komplexen Abwägungsfragen zu begegnen. Will die selbsthilfeberechtigte Person von ihrem Selbsthilferecht Gebrauch machen, lässt sich aber die Hausbesetzung nicht beenden, erhält sie für die Räumung vielfach nur dann Hilfe von der Polizei, wenn sichergestellt ist, dass die Räumung dauerhaft erfolgreich sein wird, beispielsweise weil die Liegenschaft unmittelbar nach der Räumung genutzt oder abgebrochen werden wird.

Mit der Motion 15.3531 Feller Olivier «Bedingungen für die Anwendbarkeit von Artikel 926 ZGB lockern, um besser gegen Hausbesetzer vorgehen zu können» wurde der Bundesrat damit beauftragt, die Bedingungen zu lockern, unter denen sich Eigentümerinnen und Eigentümer von unrechtmässig besetzten Liegenschaften gestützt auf das Selbsthilferecht im Besitzesschutz ihres Eigentums wieder bemächtigen dürfen.

Der Motionär fordert einerseits, dass die Frist für die Ausübung der Selbsthilfe verlängert wird. Diese sei im Unterschied zur heutigen Regelung, welche eine «sofortige» Reaktion verlange, auf 48 oder 72 Stunden festzulegen. Andererseits kritisiert die Motion, dass die Verfahren bei Besitzesschutzklagen viel Zeit in Anspruch nehmen würden und relativ
kompliziert seien, was letztendlich ein rasches Ergebnis für die von einer Hausbesetzung Betroffenen verunmögliche.

Die Zivilprozessordnung weist den materiellen Rechtsanspruch auf possessorischen Besitzesschutz keinem besonderen Verfahren zu. Dadurch eröffnen sich den klagenden Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern zwar einerseits eine Vielzahl von Verfahrensmöglichkeiten, um gegen eine Besetzung vorzugehen. Andererseits können damit verfahrensrechtliche Schwierigkeiten sowie Prozessrisiken einhergehen.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage zielt darauf ab, die Bedingungen zu lockern, unter denen sich Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Besitzerinnen und Besitzer von unrechtmässig besetzten Grundstücken ihres Besitzes wieder bemächtigen dürfen. Zur Erreichung die2 / 46

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ses Ziels sieht die Vorlage sowohl Anpassungen des Zivilgesetzbuches als auch der Zivilprozessordnung vor.

Mit den vorgeschlagenen Anpassungen des Zivilgesetzbuches soll der Zeitpunkt des Beginns der Reaktionszeit, innert welcher sich die Besitzerin oder der Besitzer durch Vertreibung wieder des Grundstückes bemächtigen darf, gesetzlich festgelegt werden.

Dieser Zeitpunkt ist nach geltendem Recht umstritten. Massgebend soll neu jener Zeitpunkt sein, in welchem die Besitzerin oder der Besitzer von der Besitzesentziehung Kenntnis erlangt hat. Allerdings kann sich die Besitzerin oder der Besitzer nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme berufen, wenn sie oder er in Anwendung der zumutbaren Sorgfalt früher hätte Kenntnis erlangen können. Im Gegenzug wird der unbestimmte Rechtsbegriff «sofort», welcher die Dauer der Reaktionszeit seit Kenntnisnahme festlegt, beibehalten. Damit verbleibt den Gerichten der notwendige Ermessenspielraum, um die konkreten Umstände des Einzelfalls angemessen berücksichtigen zu können. Der Entwurf präzisiert zudem, dass analog zur allgemeinen Selbsthilfe nach Artikel 52 Absatz 3 OR und gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung das nicht rechtzeitige Erhalten amtlicher Hilfe eine Voraussetzung für die rechtmässige Ausübung der Selbsthilfe beim Besitzesschutz darstellt. Im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sieht der Entwurf zur Stärkung des Schutzes des Grundeigentums ferner vor, dass grundsätzlich eine ­ wenn auch nicht absolute ­ Interventionspflicht der Behörden besteht, sollten es die Umstände erfordern. Mit Blick auf die kantonalen Gesetzgebungskompetenzen beim Polizeirecht kommt für den Besitzesschutz allerdings nur eine (bundes-)gesetzgeberische Präzisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips in Frage.

Der Entwurf schlägt überdies eine effektivere Ausgestaltung des zivilprozessualen Besitzesschutzes vor. Zur Vermeidung von Problemen bei der Feststellung der passivlegitimierten Personen sollen die bereits in Gestalt des gerichtlichen Verbots bestehenden Massnahmen des Besitzesschutzes um einen weiteren, neu zu schaffenden Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der sogenannten gerichtlichen Verfügung, erweitert werden. Die Beseitigung einer Besitzesstörung sowie die Rückgabe des Besitzes sollen mittels gerichtlicher Verfügung neu gegenüber
einem unbestimmten Personenkreis angeordnet werden können. Dabei soll den Verfahrensrechten der Betroffenen durch analoge Anwendung der Regelungen zum gerichtlichen Verbot gebührend Rechnung getragen werden. Damit sollen den von einer Hausbesetzung Betroffenen künftig insbesondere keine prozessualen Nachteile mehr entstehen, wenn Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer häufig wechseln und nicht namentlich bestimmbar sind.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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2

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

10 10

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Entstehung des Vorentwurfs 2.2 Vernehmlassungsverfahren 2.2.1 Vernehmlassungsvorlage 2.2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.2.3 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

10 10 11 11

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Deutschland 3.2 Frankreich 3.3 Spanien 3.4 Österreich

18 18 19 20 22

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Festlegung des Beginns der Selbsthilfefrist 4.1.2 Konkretisierung der amtlichen Hilfe 4.1.3 Effektivere Gestaltung des zivilprozessualen Besitzesschutzes 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.3 Umsetzungsfragen

23 23 23 25

5

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

30

6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und Gesellschaft 6.4 Auswirkungen auf die Umwelt

38 38

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit

40 40

7

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11 12

28 29 29

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7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz Erlassform Unterstellung unter die Ausgabenbremse Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Datenschutz

Literaturverzeichnis Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Besitzesschutz bei verbotener Eigenmacht an Grundstücken) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Anlass für die Vorlage bildet die Motion 15.3531 Feller Olivier «Bedingungen für die Anwendbarkeit von Artikel 926 ZGB lockern, um besser gegen Hausbesetzer vorgehen zu können». Die Motion macht geltend, dass den Eigentümerinnen und Eigentümern von besetzten Liegenschaften nur ungenügende Mittel zur Abwehr zur Verfügung stünden. Einerseits, weil die Klage aus Besitzesentziehung gemäss Artikel 927 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB)1, welche die Rückgabe der Sache und Schadensersatz zum Ziel habe, eine gewisse Zeit in Anspruch nehme, relativ kompliziert sei und ein rasches Ergebnis verunmögliche. Andererseits, weil das aus Artikel 926 ZGB fliessende Recht der Besitzerin oder des Besitzers, sich der unrechtmässig besetzten Liegenschaft direkt oder mit Hilfe der Polizei wieder zu bemächtigen, durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts praktisch jede Wirksamkeit verloren habe.

Das Bundesgericht begrenze die Reaktionszeit der Besitzerin oder des Besitzers gestützt auf den unbestimmten Rechtsbegriff «sofort» in Artikel 926 Absatz 2 ZGB auf wenige Stunden, womit es der zur Selbsthilfe berechtigten Person, welche nicht innert weniger Stunden nach Ankunft der Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer reagiere, verunmöglicht werde, die Abwehrrechte aus Artikel 926 ZGB auszuüben. Als denkbare Lösung wird mit der Motion vorgeschlagen, die Reaktionszeit in Artikel 926 Absatz 2 ZGB auf 48 oder 72 Stunden festzulegen. Mit Stellungnahme vom 19. August 2015 hat der Bundesrat die Ablehnung der Motion beantragt. Der Bundesrat verneinte damals den Handlungsbedarf, weil Artikel 926 ZGB nach herrschender Auslegung bereits die nötige Flexibilität für das Abwehrrecht der beeinträchtigten Personen bietet und starre gesetzliche Fristen dem Einzelfall oft nicht gerecht werden. Der Nationalrat hat die Motion am 3. Mai 20172 angenommen; der Ständerat am 11. September 20173.

Das geltende Recht ­ insbesondere das Sachenrecht sowie die Zivilprozessordnung (ZPO)4 ­ enthält Regelungen, gestützt auf welche sich die von einer Hausbesetzung betroffenen Personen ihres Eigentums oder Besitzes wieder bemächtigen können. Ferner haben die Polizeibehörden der (primär städtischen) Gebiete, welche regelmässig mit Hausbesetzungen konfrontiert sind, standardisierte Vorgehensweisen entwickelt, mit welchen den komplexen Abwägungsfragen, die
sich bei Hausbesetzungen ergeben, begegnet werden kann. Damit sind für Eigentümerinnen und Eigentümer oder Besitzerinnen und Besitzer von unrechtmässig besetzten Liegenschaften grundsätzlich Grundlagen zur Besitzeswehr und Besitzeskehr geschaffen. Ein Überblick zum geltenden Besitzesschutzrecht sowie zur Praxis kantonaler Behörden bei Hausbesetzungen findet sich im erläuternden Bericht zum Vorentwurf vom 2. September 20205.

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SR 210 AB 2017 N 667 AB 2017 S 550 SR 272 Der erläuternde Bericht vom 2. September 2020 ist abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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Für diesbezüglich weiterführende Informationen wird auf die Ausführungen in Ziffer 1.2 dieses Berichts verwiesen. In der Praxis gehen Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer ­ zuweilen mit nicht unerheblichem Aufwand ­ dazu über, das Leerstehen von Liegenschaften möglichst zu verhindern, sei dies mittels Zwischennutzungen oder indem sie leer stehende Liegenschaften von einem Sicherheitsdienstleistungsunternehmen bewachen lassen, das Gebäude verschalen oder die sich darin befindende Infrastruktur entfernen.6 Die vorerwähnten Entwicklungen zeigen, dass das geltende Recht nach verbreiteter Wahrnehmung offenbar als nicht ausreichend erscheint, um eine rasche Ausweisung von Hausbesetzerinnen und Hausbesetzern zu erwirken. Kommt hinzu, dass die polizeiliche Räumung einer besetzten Liegenschaft regelmässig erst erwartet werden kann, sobald bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind oder ein vollstreckbares Ausweisungsurteil vorliegt. Auf dem Weg zur Erlangung eines gerichtlichen Ausweisungstitels können unter anderem folgende Schwierigkeiten auftreten:


Die Zivilprozessordnung weist den materiellen Rechtsanspruch auf possessorischen Besitzesschutz keinem besonderen Verfahren zu. Zwar eröffnen sich dadurch verschiedene Möglichkeiten, die entsprechenden Rechte durchzusetzen. Keines der Verfahren ist aber auf den possessorischen Besitzesschutz zugeschnitten und für die von einer Hausbesetzung betroffenen Personen kann der Prozess mit verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten und einem erheblichen Prozessrisiko verbunden sein.7



Infolge der unbekannten Identität und der während einer Besetzung häufig wechselnden Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer (unbestimmter Personenkreis) erweist sich die Bestimmung der passivlegitimierten Personen als schwierig bis unmöglich. Damit gehen auch Schwierigkeiten bei der Zustellung von Gerichtsurkunden einher.



Bei Anwendung des summarischen Verfahrens können sich für die Eigentümerinnen und Eigentümer ­ infolge der Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden ­ Beweisschwierigkeiten ergeben.



Bei vorsorglichen Massnahmen stellt sich die Frage der Zweckmässigkeit der Obliegenheit zur Prosekution aufgrund der durch die vollstreckten Massnahmen (z. B. Ausweisung) bereits geschaffenen Faktenlage.

Auch die Motion 15.3531 kritisiert die mangelnde Effektivität des geltenden Rechtsschutzes, weil die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer auf den Zivilweg verwiesen würden, der eine gewisse Zeit dauere, darüber hinaus relativ kompliziert sei und ein rasches Ergebnis verunmögliche.

Ausgehend von einer gesamtheitlichen Betrachtung der Problematik der Hausbesetzungen will die vorliegende Revision des ZGB und der ZPO die Situation der von einer Hausbesetzung betroffenen Personen verbessern. Dabei soll an die bereits in der ZPO bestehenden Massnahmen zum Besitzesschutz (Art. 258 ff. ZPO) angeknüpft 6 7

Büchi/Gehring 2014: Rz. 1 ff.; Baumann 2013: Rz. 30 ff.

Vgl. bereits Ziff. 1.2.5 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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werden. Die bei Durchsetzung des Besitzesschutzes vorgesehenen Erleichterungen sollen ­ zwecks Minimierung privater Gewalt ­ der Ausübung von Eigenmacht präventiv entgegenwirken: Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer sollen damit rechnen müssen, dass griffige rechtliche Mittel bestehen, um eine rasche Räumung zu erwirken. Der Entwurf schlägt eine Anpassung des Besitzesschutzes im Allgemeinen vor und sieht davon ab, im Zivilgesetzbuch eine ausschliesslich auf Hausbesetzungen zugeschnittene Sonderregelung zu schaffen. Sofern nachfolgend bei den Erläuterungen zu den einzelnen Gesetzesanpassungen von Besitzerinnen und Besitzern die Rede sein wird, werden darunter immer auch ­ aber eben nicht nur ­ die Eigentümerinnen und Eigentümer zu fassen sein.

Die praktische Umsetzung des Besitzesschutzes in Form der Räumung von besetzten Grundstücken wird auch in Zukunft vom kantonalen (Polizei-)Recht mitbestimmt.

Wie der Bundesgesetzgeber ist auch der kantonale Gesetzgeber gleichermassen primärer Adressat der grundrechtlichen Schutzpflichten8 und gehalten, sein jeweiliges kantonales Polizeirecht unter diesem Aspekt auf dessen Eignung als generelle Schutzgrundlage hin zu untersuchen.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Die vorliegend gewählte Lösung zur Stärkung des Besitzesschutzes sieht folgende Anpassungen des Zivilgesetzbuches und der Zivilprozessordnung vor:

8



Der Zeitpunkt des Beginns der Reaktionszeit, innert welcher sich die Besitzerin oder der Besitzer durch Vertreibung der Täterschaft des Grundstückes wieder bemächtigen darf, soll gesetzlich festgelegt werden. Massgebend ist derjenige Zeitpunkt, in welchem die Besitzerin oder der Besitzer von der Besitzesentziehung Kenntnis erlangt hat. Allerdings kann sich die Besitzerin oder der Besitzer nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme berufen, wenn sie oder er in Anwendung der zumutbaren Sorgfalt früher hätte Kenntnis erlangen können. Wird von der Besitzesentziehung nicht unmittelbar nach deren Vollendung Kenntnis genommen, ist die fristauslösende Kenntnisnahme durch die Besitzerin oder den Besitzer also in einem objektivierten Sinne zu verstehen. Der unbestimmte Rechtsbegriff «sofort», welcher die Dauer der zulässigen Reaktionszeit festlegt, wird demgegenüber beibehalten (vgl. dazu Ziff. 2.2.3 unten). Damit verbleibt den Gerichten der notwendige Ermessenspielraum, um die konkreten Umstände des Einzelfalls angemessen berücksichtigen zu können. Aus redaktionellen Gründen wird die Besitzeskehr von Grundstücken und beweglichen Sachen neu in zwei separaten Absätzen geregelt (Art. 926 Abs. 2 und 3 E-ZGB).



Im Sinne einer Konkretisierung der amtlichen Hilfe präzisiert der Entwurf, dass das nicht rechtzeitige Erhalten amtlicher Hilfe eine Voraussetzung für die rechtmässige Ausübung der Selbsthilfe beim Besitzesschutz darstellt. Im Vgl. bereits Ziff. 1.2.2 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die bei Hausbesetzungen seitens der Besitzerin oder des Besitzers einen ­ wenn auch nicht absoluten ­ Interventionsanspruch ausmacht, sieht der Entwurf zur Stärkung des Schutzes des Grundeigentums ferner vor, dass die zuständigen Behörden rechtzeitig die nach den Umständen erforderliche amtliche Hilfe gewähren (Art. 926 Abs. 4 E-ZGB). Mit Blick auf die kantonalen Gesetzgebungskompetenzen beim Polizeirecht kommt für den Besitzesschutz allerdings nur eine (bundes-)gesetzgeberische Präzisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips in Frage.


Insbesondere zur künftigen Vermeidung von Problemen bei der Feststellung der passivlegitimierten Personen sollen die bereits in Gestalt des gerichtlichen Verbots bestehenden Massnahmen des Besitzesschutzes um einen weiteren neu zu schaffenden Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die sogenannte gerichtliche Verfügung, erweitert werden. Die Beseitigung einer Besitzesstörung sowie die Rückgabe des Besitzes sollen mittels gerichtlicher Verfügung neu gegenüber einem unbestimmten Personenkreis angeordnet werden können, wobei den Verfahrensrechten der Betroffenen durch weitgehend analoge Anwendung der Regelungen zum gerichtlichen Verbot gebührend Rechnung getragen wird. Allerdings soll bei der gerichtlichen Verfügung das Gericht unverzüglich entscheiden und auf Antrag die erforderlichen Vollstreckungsmassnahmen direkt anordnen können. Ferner ordnet das Gericht die erforderlichen Massnahmen für die Anbringung der Verfügung auf dem Grundstück an, sofern ein entsprechender Antrag vorliegt. Anders als beim gerichtlichen Verbot gilt bei der gerichtlichen Verfügung eine auf zehn Tage verkürzte Einsprachefrist und ist die Einsprache zu begründen (Art. 248 Bst. c, Art. 259, Art. 260a und Art. 260b E-ZPO).

Damit entspricht der Entwurf im Wesentlichen dem in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf. Im Lichte der Ergebnisse der Vernehmlassung hat der Entwurf zwecks Ausräumung von Unklarheiten und zugunsten einer praxistauglicheren Ausgestaltung der gerichtlichen Verfügung dennoch einige Anpassungen erfahren (vgl.

Ziff. 2.2.3 unten).

Zu den geprüften, jedoch verworfenen Anpassungsanträgen der Vernehmlassungsteilnehmenden folgen in Ziffer 2.2.3 weitere Ausführungen. Bereits bei der Ausarbeitung des Vorentwurfs wurden im erläuternden Bericht vom 2. September 2020 weitere alternative Ansätze geprüft - so unter anderem die Einführung einer Stundenfrist sowie die Schaffung von Partikularprozessrecht im ZGB.9

9

Vgl. weiterführend Ziff. 1.4.4 des erläuternden Berichts vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202010 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202011 explizit angekündigt. Mit der Vorlage erfüllt der Bundesrat eine Motion (vgl. Ziff. 1.4 unten).

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der beantragten Neuregelung wird der Auftrag des eingangs zur Abschreibung beantragten parlamentarischen Vorstosses erfüllt: 2017

M 15.3531

Bedingungen für die Anwendbarkeit von Artikel 926 ZGB lockern, um besser gegen Hausbesetzer vorgehen zu können (N 03.05.2017, Feller; S 11.09.2017)

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Entstehung des Vorentwurfs

Im November 2017 beauftragte das Bundesamt für Justiz (BJ) Prof. Dr. iur. Ramon Mabillard LL. M., Rechtsanwalt und Notar, ordentlicher Professor an der Universität Freiburg, in einem Gutachten den Reformbedarf des Besitzesschutzes mit Bezug auf Hausbesetzungen abzuklären und exemplarisch (anhand der Kantone Bern, BaselStadt, Genf, Waadt und Zürich) aufzuzeigen, wie bei Hausbesetzungen nach geltendem Recht praktisch vorgegangen wird und welche Probleme sich dabei stellen.12 Nach einer ersten Auswertung des Gutachtens führte das BJ Ende Januar 2019 eine Expertenkonsultation mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Judikatur, Advokatur, rechtswissenschaftlichen Lehre und Forschung, der Polizeibehörden sowie des Bundesamts für Bauten und Logistik (BBL) durch. Gegenstand dieser Expertenkonsultation bildete ein Meinungsaustausch zum Reformbedarf beim Besitzesschutz zwecks Umsetzung der Motion 15.3531. Im Anschluss daran führte das BJ weitere Fachgespräche mit dem Gutachter und einzelnen Teilnehmenden der Expertenkonsultation.

10 11 12

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 Mabillard, Ramon, Besitzesschutz bei Hausbesetzungen, Gutachten zur Motion Feller (15.3531), August 2018. Kann abgerufen werden unter: www.bj.admin.ch Publikationen & Service > Berichte, Gutachten und Verfügungen > Externe Berichte und Gutachten.

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2.2

Vernehmlassungsverfahren

2.2.1

Vernehmlassungsvorlage

Mit dem Vorentwurf schickte der Bundesrat am 2. September 2020 folgende Vorschläge zur Anpassung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches sowie der Zivilprozessordnung in die bis am 23. Dezember 2020 dauernde Vernehmlassung13:


Der Beginn der Reaktionsfrist zur Ausübung der Selbsthilfe nach Artikel 926 Absatz 2 ZGB sollte auf denjenigen Zeitpunkt festgelegt werden, in welchem die Besitzerin oder der Besitzer in Anwendung der nach den Umständen zumutbaren Sorgfalt von der Besitzesentziehung Kenntnis erlangt hat beziehungsweise erlangen konnte. Der unbestimmte Rechtsbegriff «sofort» sollte zur Aufrechterhaltung des richterlichen Ermessenspielraums beibehalten und auf die Festsetzung einer starren Stundenfrist sollte verzichtet werden (Art. 926 Abs. 2 VE-ZGB).



Die amtliche Hilfe im Besitzesschutzrecht sollte durch eine Ergänzung von Artikel 926 Absatz 3 ZGB konkretisiert werden. Im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die bei Hausbesetzungen seitens der Besitzerin oder des Besitzers einen ­ wenn auch nicht absoluten ­ Interventionsanspruch ausmacht, sah der Vorentwurf zur Stärkung des Schutzes des Grundeigentums vor, dass die zuständigen Behörden rechtzeitig die nach den Umständen erforderliche amtliche Hilfe gewähren (Art. 926 Abs. 3 VE-ZGB). Ausserdem wurde geklärt, dass auch die Selbsthilfe beim Besitzesschutz nur zulässig ist, wenn amtliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann.



Die mit dem gerichtlichen Verbot bestehenden Massnahmen des Besitzesschutzes in der Zivilprozessordnung sollten erweitert werden. Neu sollte die Beseitigung einer Besitzesstörung sowie die Rückgabe des eigenmächtig entzogenen Besitzes mittels gerichtlicher Verfügung gegenüber einem unbestimmten Personenkreis angeordnet werden können. Damit sollten insbesondere prozessuale Nachteile aufgrund unbekannter oder stets wechselnder Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer ausgeräumt werden. Den Verfahrensrechten der von der gerichtlichen Verfügung Betroffenen wurde durch eine sinngemässe Anwendung der für das gerichtliche Verbot geltenden Grundsätze Rechnung getragen. Allerdings sollte bei der gerichtlichen Verfügung nur eine zehntägige Einsprachefrist gelten und das Gericht sollte unverzüglich entscheiden sowie die erforderlichen Vollstreckungsmassnahmen direkt anordnen können (Art. 248 Bst. c, Art. 259, Art. 260a und Art. 260b VE-ZPO).

2.2.2

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Stellung genommen haben 25 Kantone, 3 politische Parteien, 16 Organisationen und weitere Teilnehmende. Von den insgesamt 44 eingegangenen Stellungnahmen unter13

Die Vernehmlassungsunterlagen sind abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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stützen den vom Bundesrat unterbreiteten Vorentwurf in seiner konkreten Ausgestaltung 15 Stellungnahmen (14 Kantone und eine Organisation). 24 Stellungnahmen stimmen der Stossrichtung der Vorlage grundsätzlich zu, fordern aber Anpassungen des Vorentwurfs, ohne welche der Mehrwert und Nutzen der Vorlage infrage gestellt werden müsse (10 Kantone, 2 politische Parteien und 12 Organisationen sowie weitere Teilnehmende). 5 Stellungnahmen lehnen die Vorlage ab (1 Kanton, 1 politische Partei und 3 weitere Teilnehmende).14 Zusammengefasst werden die Vorschläge des Bundesrats zur Stärkung der Rechte der von einer Haus- oder Grundstücksbesetzung Betroffenen in den Grundzügen von einer grossen Mehrheit begrüsst. Die vorgeschlagenen Anpassungen führen nach Ansicht mehrerer Vernehmlassungsteilnehmenden zu spürbaren Verbesserungen und Klärungen im Besitzesschutz bei Grundstücken sowie generell zu einer Stärkung des Selbsthilferechts. Auch der ausgemachte Handlungsbedarf wird bejaht, indem kritisiert wird, dass das geltende Besitzesschutzrecht in der Praxis Schwächen aufweise und regelmässig keinen effektiven und raschen Schutz des Grundstückbesitzes zu bewirken vermöge. Vereinzelt beanstandet wird in diesem Zusammenhang auch die in den letzten Jahren in einigen Städten etablierte polizeiliche Praxis, welche den Schutz des Eigentums aushöhle, indem nebst einem Strafantrag Zusatzbedingungen gefordert würden.

Die Vernehmlassungsteilnehmenden sind sich aber uneins, ob die vorgeschlagenen Neuerungen das Vorgehen gegen Hausbesetzungen tatsächlich wesentlich werden erleichtern können. Es wird befürchtet, dass die Vorlage eventuell keine Auswirkungen auf die bestehende Polizeipraxis bei Hausbesetzungen haben könnte. Kritische Stimmen erachten ferner die neu vorgeschlagene gerichtliche Verfügung als zu missbrauchsanfällig. Nicht zuletzt deshalb, weil die gerichtliche Verfügung mittels unbegründeter Einsprache «zu einfach» ausser Kraft gesetzt werden könne. Dennoch wird die gerichtliche Verfügung grundsätzlich positiv gewürdigt, insbesondere was das Beiseiteschaffen von verfahrenstechnischen Unannehmlichkeiten infolge unbekannter Identität oder fortlaufenden Wechsels der Hausbesetzenden betrifft.

Vereinzelt wird die Vorlage in der Vernehmlassung auch vollumfänglich abgelehnt, weil das bestehende rechtliche Instrumentarium
bei Hausbesetzungen ausreichend sei und es in der Schweiz lediglich eine geringe Anzahl von Hausbesetzungen gebe. Ausserdem stelle die Identitätsfeststellung der Hausbesetzenden in der Praxis häufig kein Problem dar. Anstatt einer Verschärfung des Besitzesschutzes sollten eher die rechtlichen Hürden für die Zwischennutzung leer stehender Grundstücke geprüft werden.

2.2.3

Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Die Vernehmlassung zeigt, dass die Vorlage den einen beim Besitzesschutz noch immer zu wenige Hindernisse aus dem Weg räumt, während andere davor warnen, die Selbsthilfe als Möglichkeit einer faktischen Selbstjustiz (weiter) auszuweiten. Trotz 14

Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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aller Kritik zeigen die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung aber auch, dass die Vorschläge des Bundesrats einen Beitrag zur Stärkung des Rechtsfriedens leisten können. Deshalb ist an der Vorlage festzuhalten. Der Vorentwurf ist im Lichte der in der Vernehmlassung geäusserten Anträge und Kritik aus den folgenden Gründen insbesondere wie folgt anzupassen bzw. unverändert zu belassen: Beginn und Dauer der Selbsthilfefrist


Zur Beibehaltung des Begriffs «sofort» Die von rund einem Viertel aller Vernehmlassungsteilnehmenden (2 Kantone, 2 politische Parteien, 8 Organisationen) geforderte Löschung oder Ersetzung des Begriffs «sofort» in Artikel 926 Absatz 2 VE-ZGB durch «innert angemessener Frist» bzw. durch eine andere grosszügigere Lösung zugunsten der Besitzes- und Eigentumsgarantie wurde geprüft, jedoch verworfen. Die Festlegung des Beginns der Selbsthilfefrist stellt - da der Zeitpunkt heute umstritten ist - bereits eine Lockerung der Bedingungen zur Selbsthilfe dar (vgl.

Ziff. 4.1.1 unten). Eine ersatzlose Löschung des Begriffs «sofort» würde zu einer problematischen Aufweichung des (rechts-)staatlichen Gewaltmonopols führen, weil allein die Besitzerin oder der Besitzer entscheiden könnte, innert welcher Zeitspanne sie oder er nach Kenntnisnahme der Besitzesstörung Selbsthilfe anwenden darf. Mangels Mehrwertes wird von der Ersetzung durch den Begriff «innert angemessener Frist» ebenfalls abgesehen: Zum einen handelt es sich hierbei auch um einen unbestimmten Rechtsbegriff, zum andern soll die bereits zum Begriff «sofort» vom Bundesgericht entwickelte Praxis beibehalten werden können. Auf Letztere ist auch für die Frage, ob die Selbsthilfe rechtzeitig ausgeübt wurde, zu verweisen. Ob die Kenntnisnahme der Besitzesstörung in Anwendung der zumutbaren Sorgfalt geschehen ist und die Selbsthilfehandlung rechtzeitig vorgenommen wurde, wird sich jeweils nach den konkreten Umständen im Einzelfall bestimmen. Hierfür - wie teils in der Vernehmlassung gefordert - Anwendungsbeispiele aufzuführen, wäre daher wenig hilfreich. In den Erläuterungen zu Artikel 926 Absatz 2 E-ZGB (vgl. Ziff. 5 unten) werden aber Verhaltensweisen ergänzt, deren Vornahme der Besitzerin oder dem Besitzer mit Bezug auf die Kenntnisnahme der Besitzesverletzung (insbesondere mit Bezug auf eine Hausbesetzung) gegebenenfalls wird zugemutet werden dürfen.

Konkretisierung der amtlichen Hilfe


Zu den Auswirkungen der Vorlage auf die bestehende Polizeipraxis Bei der amtlichen Hilfe wird die Frage aufgeworfen, ob die Anpassungen auf die bestehende Polizeipraxis im Zusammenhang mit der Räumung von Hausbesetzungen Auswirkungen haben könnten und welche. Sollte keine klarere Gesetzesformulierung gewählt werden, werde sich wohl erst durch die Gerichtspraxis erweisen, wie weit der Spielraum insbesondere der Polizei bei der zu gewährenden Hilfe reiche. Die vorgeschlagene Anpassung von Absatz 3 könne dahingehend missverstanden werden, dass den von einer Hausbesetzung Betroffenen ein absolutes Recht auf polizeiliche Intervention zustehe.

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Dies werde dem aus taktischer Sicht im Einzelfall notwendigen, grossen Ermessensspielraum der Polizeibehörden nicht gerecht.

Diese Kritik aufgreifend werden Ziffer 4.1.2 nachfolgend und die Erläuterungen zu Artikel 926 Absatz 4 E-ZGB (vormals Art. 926 Abs. 3 VE-ZGB) ergänzt. Dabei wird auch dargelegt, was von den kantonalen Gesetzgebern und Polizeibehörden im Lichte der vorliegenden Vorlage im Hinblick auf die im Entwurf abgebildete bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Interventionspflicht der Polizei erwartet wird. Da sich Absatz 4 an sämtliche Behörden - und nicht nur an die Polizei - richtet, wurde aber davon abgesehen, den vom Bundesgericht für die Interventionspflicht der Polizei erarbeiteten Kriterienkatalog (vgl. Ziff. 4.1.2) ins Gesetz aufzunehmen.


Zur Selbsthilfe bei nicht rechtzeitig erfolgter amtlicher Hilfe Artikel 926 Absatz 3 VE-ZGB wurde in der Vernehmlassung teilweise als sehr offen und zu unklar wahrgenommen - insbesondere was die Subsidiarität der Selbsthilfe gegenüber der amtlichen Hilfe betrifft oder was für den Fall gelten soll, wenn die amtliche Hilfe ausbleiben sollte. Die mit dem Vorentwurf vorgeschlagene Anpassung möchte vereinzelt dahingehend verstanden werden, dass bei einer vorherrschenden restriktiven Polizeipraxis bei Hausbesetzungen (wie beispielsweise im Kanton Waadt, wo ein besetztes Gebäude nur dann polizeilich geräumt wird, wenn ein entsprechender Gerichtsentscheid vorliegt) die Anwendung von Gewalt als rechtmässig angesehen werden darf. Teilweise werden auch Ergänzungen in Artikel 926 Absatz 3 VEZGB gewünscht (1 Kanton, 1 politische Partei und 3 Organisationen), um Beschränkungen der Handlungsfähigkeit der Besitzerinnen und Besitzer bei Hausbesetzungen zu verhindern. Gefordert wird, dass sich die Besitzerin oder der Besitzer des Grundstücks wieder selbst bemächtigen dürfen soll, falls die amtliche Hilfe nicht rechtzeitig erfolgt oder nicht innert nützlicher Frist absehbar ist. Wo eine strenge Polizeipraxis vorherrsche, müsse Selbsthilfe zulässig sein, ansonsten die Vorlage wirkungslos bleibe.

Um die Subsidiarität der Selbsthilfe gegenüber der amtlichen Hilfe zu verdeutlichen, wird Artikel 926 Absatz 4 E-ZGB sprachlich angepasst, ohne eine inhaltliche Anpassung zum Vorentwurf (Art. 926 Abs. 3 VE-ZGB) vorzunehmen. Die Auffassung, wonach die Ausübung von Selbsthilfe stets zulässig sein soll, falls (regional) eine restriktive Polizeipraxis bei Hausbesetzungen vorherrscht, wird nicht geteilt. Es wird für jeden Einzelfall zu beurteilen sein, ob die Ausübung von Selbsthilfe zulässig war (vgl. Erläuterungen zu Art. 926 Abs. 4 E-ZGB in Ziff. 5).



Zur Einflussnahme des Bundes auf die amtliche Hilfe der Kantone Einzelne Vernehmlassungsteilnehmende (1 Kanton, 1 Verband) wünschen sich eine Beschränkung des Gestaltungsspielraums der Kantone bei der Gewährung amtlicher Hilfe oder ein Hinwirken auf einheitlichere und effizientere kantonale Interventionsregeln. Eine Organisation fordert, dass der kantonale und städtische Vollzug durch die Polizei gewährleistet werden müsse und

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allfällige polizeiliche Aufwendungen und Kosten15 zulasten der Besetzenden verrechnet werden müssten. Diesen Anliegen kann mangels entsprechender Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht nachgekommen werden (vgl.

dazu die Erläuterungen unter Ziff. 4.1.2 unten).

Gerichtliche Verfügung


Zum Anwendungsbereich Der vereinzelt geäusserten Forderung, den Anwendungsbereich der gerichtlichen Verfügung ausschliesslich auf Häuser- und Grundstücksbesetzungen sowie auf den Schutz des Grundeigentums (und nicht auch des Besitzes) zu beschränken, wird nicht gefolgt. Nach dem Vorbild des geltenden Besitzesschutzrechts soll mit der Vorlage der Schutz des Besitzes in seiner Gesamtheit gestärkt werden und nicht «nur» der Schutz vor Hausbesetzungen. Ausserdem begrüssen andere Vernehmlassungsteilnehmende (3 Kantone und eine Organisation) explizit, dass die gerichtliche Verfügung keine dingliche Berechtigung voraussetzt und deshalb zum Beispiel auch Mieterinnen und Mietern offensteht.



Zur Verfahrensart Vereinzelt wird einerseits gefordert (2 Kantone, 1 politische Partei), den Besitzesschutz generell dem summarischen Verfahren zu unterstellen. Das an die gerichtliche Verfügung anschliessende Verfahren solle in jedem Fall ebenfalls summarischer Natur sein. Andererseits wird auch explizit begrüsst (1 Kanton), dass die Betroffenen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Besitzesschutz weiterhin eine andere nach geltendem Recht anwendbare Verfahrensart wählen können. An Letzterem soll die vorliegende Vorlage nichts ändern. Je nach Komplexität der Umstände ist ein summarisches Verfahren nicht immer vorteilhaft.



Zur Frist für die Einreichung des Gesuchs Nachgefragt wird, ob das Gesuch auf gerichtliche Verfügung «sofort» im Sinne von Artikel 926 Absätze 2 und 3 VE-ZGB i. V. m. Artikel 260a VEZPO eingereicht werden müsse; zu bedenken sei hier, dass eine Überprüfung des rechtzeitigen sofortigen Handelns «in Anwendung der zumutbaren Sorgfalt» im Einparteienverfahren kaum möglich wäre. Diese Kritik aufgreifend werden - ohne aber inhaltliche Änderungen vorzunehmen - die Erläuterungen zu Artikel 260a Absatz 1 E-ZPO ergänzt.

15

Der zürcherische Kantonsrat hatte es 2021 abgelehnt, die Polizei zu verpflichten, für gewaltsame Räumungen besetzter Liegenschaften bei den Verursachern stets und zwingend Kostenersatz zu verlangen. Vgl. Kantonsrat Zürich, Parlamentarische Initiative «Chaoten statt Steuerzahler belasten», KR-Nr. 248/2016. Zum Kostenersatz bei unbewilligten Kundgebungen, die bewusst Verkehrsblockaden bewirken (Regierungsrat Zürich, RRB 2022/1485 zur Anfrage 424/2022 «Unfallopfer oder Aktivisten ­ wer hat Priorität?»).

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Zur Bekanntmachung Dem in der Vernehmlassung (1 Kanton, 1 politische Partei, 5 Organisationen) geäusserten Anliegen, die Anbringung der gerichtlichen Verfügung auf dem Grundstück durch eine Behörde vornehmen zu lassen, wird durch Anpassung von Artikel 260a Absatz 1 E-ZPO entsprochen. Neu wird explizit festgehalten, dass das Gericht auf Antrag die erforderlichen Massnahmen für die Anbringung der Verfügung auf dem Grundstück anordnet.



Zur Einsprache Obschon grundsätzlich anerkannt wird, dass die Einsprachemöglichkeit der Wahrung der Verfahrensrechte dient, ist sie der Grund dafür, weshalb viele Vernehmlassungsteilnehmende die Wirksamkeit der gerichtlichen Verfügung infrage stellen. Dies beispielsweise für den Fall, dass von einer Gruppe nur eine Person Einsprache erheben sollte. Folglich müsste die Besitzerin oder der Besitzer die Anwesenheit der einsprechenden Person und gegebenenfalls anderer als «Gäste» bezeichneten Personen weiterhin dulden. Daher erachten einige Vernehmlassungsteilnehmende (3 Kantone und 1 politische Partei) die gerichtliche Verfügung als eher stumpfe Waffe. Ferner wird zwar begrüsst, dass die einsprechende Person immerhin ihre Personalien offenlegen muss, was ermögliche, auf dem üblichen Weg gerichtlich gegen sie vorzugehen. Allerdings wird zugleich vertreten, dass dieser Problematik mit anderen Mitteln (Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs, Identifizierung durch die Polizei, anschliessend zivilprozessuales Ausweisungsverfahren) begegnet werden könne. Kritisiert wird weiter (1 Kanton, 1 politische Partei, 5 Organisationen), dass die Einsprache nicht begründet werden müsse und damit die Bekanntgabe der Personalien die einzige Hürde sei, die Verfügung ausser Kraft zu setzen. Auch andere Vorkehrungen (Hinterlegung einer Schutzschrift gemäss Art. 270 ZPO, Klage auf Feststellung der Unrechtmässigkeit der Verfügung) könnten die gerichtliche Verfügung aushebeln oder deren Vollstreckbarkeit infrage stellen. Gefordert wird ferner, dass der Besitzerin oder dem Besitzer im Falle einer Einsprache ein vereinfachtes und schnelles Verfahren an die Hand gegeben wird.

In Würdigung dieser Kritik wird neu vorgesehen, dass die Einsprache zu begründen ist (vgl. Art. 206b E-ZPO). Von einer umfassenden Überarbeitung der gerichtlichen Verfügung und der Schaffung eines weiteren neuen (Anschluss-)Verfahrens für den Fall einer Einsprache wird indes abgesehen. Dies würde darauf hinauslaufen, dass nebst den bereits verfügbaren Rechtsbehelfen ein weiterer geschaffen würde. Ein echter Mehrwert wäre nicht erkennbar. Es darf ausserdem nicht vergessen werden, dass der Entwurf die gerichtliche Verfügung der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuordnet und es infolgedessen möglich ist, in einem Einparteienverfahren die Zwangsräumung eines Grundstücks
und damit die Ausübung von konkretem staatlichem Zwang zu erwirken; unter Umständen ohne jegliche Äusserung der von der staatlichen Zwangshandlung betroffenen Personen. Unter Berücksichtigung allfälliger nicht wiedergutzumachender Nachteile seitens der von der gerichtlichen Verfügung betroffenen Personen liesse sich eine noch weitergehende Lockerung zugunsten der in ihrem Besitz gestörten Person aus rechtstaatlicher Sicht nicht

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rechtfertigen. Sofern also nur eine von mehreren Personen, die den Besitz stören oder entzogen haben, Einsprache erheben sollte, sind allfällige damit zusammenhängende Unzulänglichkeiten der gerichtlichen Verfügung hinzunehmen. Immerhin wird die gerichtliche Verfügung in Fällen, bei welchen sich die Personen, die den Besitz stören oder entzogen haben, nicht namentlich zu erkennen geben (wollen), zu einer vergleichsweise raschen Räumung des Grundstücks beitragen können.

In der Vernehmlassung wurde vorgeschlagen, die Einsprache durch eine Anfechtungsklage zu ersetzen (nach dem Vorbild der Aberkennungsklage nach Art. 83 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 188916). Ein Kanton forderte demgegenüber, vorzusehen, dass die Verfügung grundsätzlich trotz Einsprache vollstreckbar ist bzw. die einsprechende Partei für die Erteilung der aufschiebenden Wirkung nicht leicht wiedergutzumachende Nachteile glaubhaft machen muss (analog zu Art. 325 ZPO). Abhängig vom Entscheid über die Wirkung der Einsprache auf die Verfügung sollten dann die Parteirollen für den weiteren Prozess verteilt werden. Beide Ansätze würden zur Schaffung einer weiteren prozessualen Möglichkeit zur Durchsetzung der Besitzesschutzrechte führen. Davon ist abzusehen, weil bereits heute eine Vielzahl von prozessualen Möglichkeiten für die (Weiter)Verfolgung der Besitzesschutzansprüche bestehen, sollte die gerichtliche Verfügung nicht zu einer raschen Beseitigung der Störung oder der Rückgabe des entzogenen Grundstücks führen. Ausserdem ist fraglich, ob die vorgeschlagenen Alternativen tatsächlich zu einer rascheren Lösung führen.


Zur Vollstreckung Der Forderung, bei der gerichtlichen Verfügung für den Widerhandlungsfall wie beim gerichtlichen Verbot eine Busse vorzusehen, wird nicht nachgekommen. Beim gerichtlichen Verbot ist die Busse in der angegebenen Maximalhöhe von 2000 Franken die einzige Sanktion, welche für den Fall des Verstosses angedroht werden darf.17 Bei der gerichtlichen Verfügung soll das Gericht auf entsprechenden Antrag auch gleichzeitig entscheiden, welche Vollstreckungsmassnahmen für den Widerhandlungsfall (d. h. für die Weigerung der fristgerechten Beseitigung der Störung oder der Rückgabe) geeignet, erforderlich und zumutbar und daher anzuordnen sind (Art. 260a Absatz 1 E-ZPO).



Zur Befürchtung einer seriellen Abfolge von Räumung und Wiederbesetzung durch Anordnungen mittels gerichtlicher Verfügung Ein Verband steht der angestrebten Räumung von besetzten Liegenschaften durch die Polizei ablehnend gegenüber, sofern nicht alle Voraussetzungen für eine Räumung gemäss Polizeipraxis in der jeweiligen Stadt erfüllt sind. In Anwendung von Artikel 260a VE-ZPO dürfe es nicht zu einer mehrfachen oder gar seriellen Abfolge von (polizeilicher) Räumung und Wiederbesetzung kommen. Bereits heute kann bei gerichtlich angeordneten Zwangsräumungen eine anschliessende Wiederbesetzung nicht ausgeschlossen werden. Dieses

16 17

SR 281.1 Tenchio/Tenchio 2017a: N 21.

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Risiko kann auch bei Räumungen, welche bei der Vollstreckung einer gerichtlichen Verfügung stattfinden, nicht gänzlich ausgeräumt werden. Dem Anliegen der Verhinderung einer seriellen Abfolge von Räumung und Wiederbesetzung wird das die Verfügung erlassende Gericht im Rahmen der Anordnung der Vollstreckungsmassnahmen soweit möglich Rechnung tragen können (vgl. Erläuterungen zu Art. 260a Abs. 1 E-ZPO).

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1

Deutschland

Aufgrund des (rechts-)staatlichen Gewaltmonopols kann in Deutschland die von einer Hausbesetzung betroffene Person ihren Herausgabeanspruch grundsätzlich nur in ganz seltenen Fällen mit rechtmässiger Selbsthilfe («sofort» nach dem Besitzverlust) mittels Gewalt durchsetzen (§ 859 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch18). Bestehende materiell-rechtliche Ansprüche sind in der Regel prozessual mit den Mitteln der Zivilprozessordnung durchzusetzen.19 Die Zwangsräumung basierend auf einem zivilrechtlichen Vollstreckungstitel setzt voraus, dass die Räumungsschuldnerinnen und schuldner im Vollstreckungstitel namentlich oder sicher identifizierbar benannt werden. Ein «Titel gegen Unbekannt» oder ein grundstücksbezogener Titel sind gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nach geltendem Recht nicht möglich.

Gleichzeitig sieht der BGH Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer nicht vollständig rechtlos gestellt, weil Haus- und Grundstücksbesetzungen den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs von § 123 des deutschen Strafgesetzbuches erfüllen und damit nach deutschem Recht eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der allgemeinen polizeilichen Eingriffsermächtigung der Bundesländer darstellen. Nach Auffassung des BGH ist die Polizei auch dann zum Eingreifen verpflichtet, wenn ihr der Schutz privater Rechte nach dem Polizei- und Ordnungsrecht der Bundesländer nur dann obliegt, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.20 Dieser Ansicht sind Teile der rechtswissenschaftlichen Lehre entgegengetreten, weil bestimmte Konstellationen von Grundstücksbesetzungen den Tatbestand eines Hausfriedensbruchs nicht erfüllen würden und die Polizei - im Gegensatz zu Gerichtsvollziehenden - nicht weisungsgebunden «im Auftrag der Gläubigerin oder des Gläubigers», sondern nach pflichtgemässem Ermessen handle. Erinnert wird auch daran, dass ein Polizeieinsatz zu erheblichen Kosten seitens der Gläubigerinnen und Gläubiger führen könne.21

18 19 20 21

Kann abgerufen werden unter: https://www.gesetze-im-internet.de Gesetze / Verordnungen (Stand: 20.9.2023).

Wissenschaftlicher Dienst Deutscher Bundestag 2022: Ziff. 2.2.

Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 2017, I ZB 103/16.

Wissenschaftlicher Dienst Deutscher Bundestag 2022: Ziff. 3.2.3.

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3.2

Frankreich

In Frankreich gilt als Hausbesetzerin oder Hausbesetzer («squatteur»), wer eine Wohnung ohne Recht oder Titel bewohnt. Der Begriff «squat» wird in Artikel 226-4 des Strafgesetzbuches definiert als «une introduction dans le domicile d'autrui à l'aide de manoeuvres, menaces, voies de fait ou contrainte». Nicht als Hausbesetzende gelten Mieterinnen und Mieter, welche ihre Miete nicht bezahlen oder sich nach Beendigung des Mietverhältnisses weigern, auszuziehen, oder Personen, die unrechtmässig ein Grundstück besetzen, welches nicht zu Wohnzwecken dient. Sofern es gelingt, die illegale Besetzung einer Wohnung innert 48 Stunden («délai de flagrance») durch die Polizei feststellen zu lassen und Strafanzeige zu erstatten, kann die Polizei unmittelbar eingreifen und die besetzenden Personen unverzüglich vertreiben. Nach Ablauf von 48 Stunden seit der Besetzung ist die unmittelbare Räumung nicht mehr möglich. Zur Wiedererlangung des Eigentums bzw. Besitzes (Erst- oder Zweitwohnsitz) ist einer der folgenden zwei Wege zu beschreiten: -

22

23 24

Verwaltungsverfahren zur Zwangsräumung: Dieses Verfahren wurde mit dem «loi ASAP»22, welches Artikel 38 des «loi DALO»23 angepasst hat, gestärkt.

Es umfasst folgende Schritte: (1) Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs bei der Polizei, (2) Nachweis der illegalen Besetzung (z. B. mittels polizeilichen Feststellungsprotokolls) und des rechtmässigen Besitzes bzw. Eigentums an der besetzten Haupt- oder Zweitwohnung, (3) Antrag auf Anordnung des Verlassens der Wohnung an die zuständige «préfecture». Innerhalb von 48 Stunden nach Erhalt des Antrags muss der «préfet» das Verlassen der Wohnung anordnen oder eine allfällige Ablehnung des Antrags begründen. Der Antrag kann bei unzureichenden Beweisen oder aus zwingenden Gründen von allgemeinem Interesse abgelehnt werden. Bei Gutheissung des Antrags wird eine Frist von mindestens 24 Stunden zum Verlassen der Wohnung eingeräumt.

Es kann auch vorkommen, dass die Räumung aufgeschoben wird, weil sich in der besetzten Wohnung schutzbedürftige Personen (z. B. Schwangere, Kleinkinder, ältere oder schwerkranke Menschen) befinden. Die Aufforderung wird den Hausbesetzenden zugestellt und in Form eines Aushangs im Rathaus und am Ort der Hausbesetzung veröffentlicht. Wird der Aufforderung zum Verlassen der Wohnung nicht fristgerecht nachgekommen, muss der «préfet» unverzüglich die Zwangsräumung anordnen. Die «trêve hivernale»24 findet keine Anwendung. Auf Initiative der «huissier de justice» sowie des «ministère du Logement» können die von einer Hausbesetzung betroffenen Loi no 2020-1525 du 7 décembre 2020 d'accélération et de simplification de l'action publique. Präzisiert durch das Circulaire du 22 janvier 2021 relative à la réforme de la procédure administrative d'évacuation forcée en cas de «squat». Letzteres kann abgerufen werden unter: https://www.legifrance.gouv.fr droit national en vigeur circulaires et instructions (Stand: 20.9.2023).

Loi no 2007-290 du 5 mars 2007 instituant le droit au logement opposable et portant diverses mesures en faveur de la cohésion sociale.

Während dieser Zeitspanne ist es nicht möglich, eine Mieterin oder einen Mieter zu vertreiben, wenn sie oder er keine andere Unterkunft hat, selbst wenn ein rechtskräftiges Räumungsurteil ergangen ist. Die Zwangsräumung muss bis nach Ablauf der Winterpause aufgeschoben werden. In der Regel dauert die Winterpause vom 1. November bis zum 31. März des Folgejahres.

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Personen seit Februar 2022 neuerdings und auf eigene Kosten einen «huissier de justice» hinzuziehen. Der Beizug garantiert eine fach- und rechtskundige Überwachung des Verfahrens und erleichtert den Austausch mit den öffentlichen Stellen.

-

Verfahren vor dem Zivilgericht. Mit der Inkraftsetzung des «loi ELAN» wurden die Vorschriften zulasten der Hausbesetzenden verschärft, insbesondere indem der Ausweisungsaufschub infolge der sogenannten «trêve hivernale» bei Hausbesetzungen abgeschafft wurde. Mit Urteil vom 4. Juli 201925 hat der französische Kassationsgerichtshof die Position der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer zusätzlich gestärkt, indem er feststellte, dass das Recht zur Ausweisung von Hausbesetzerinnen und Hausbesetzern, welches sich auf das von der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Verfassung geschützte Eigentumsrecht stützt, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie dem Recht auf angemessene Unterkunft stets vorgeht. Im Gegensatz zum Verwaltungsverfahren dauert es über den Zivilgerichtsweg in der Regel aber dennoch sehr lange, bis ein Räumungsbefehl nach Artikel L 411-1 des «Code des procédures civiles d'exécution» erwirkt werden kann.

Verboten ist in Frankreich die Ausübung von Selbsthilfe «sans avoir obtenu le concours de l'Etat» zur Vertreibung von Hausbesetzenden. Als Sanktion drohen bis zu drei Jahre Gefängnis und 30 000 Euro Geldstrafe.26 Einer Hausbesetzerin oder einem Hausbesetzer drohen demgegenüber bis zu einem Jahr Haft und 15 000 Euro Geldstrafe für das unberechtigte Betreten der Wohnung oder bis zu einem Jahr Haft und eine Geldstrafe von 15 000 Euro27 für das Besetzen der Wohnung.28

3.3

Spanien

Nach Schätzungen des Instituts Cerdà gab es 2017 in Spanien rund 87 500 Familien (entspricht rund 260 000 Personen), die illegal Wohnungen besetzten.29 Die Besetzerszene setzt sich zusammen aus verarmten Einheimischen, illegal eingewanderten Personen aus Nord- und Schwarzafrika und Mitgliedern krimineller Clans, die aus der Besetzung ein Geschäft gemacht haben. Nicht selten werden Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer von organisierten Banden zur Zahlung von Lösegeld in fünf- bis sechsstelliger Höhe genötigt. Obschon die illegale Hausbesetzung («Usurpación», Artikel 245.2 des spanischen Strafgesetzbuchs) in Spanien strafbar ist, ist es der Eigen25 26 27

28 29

Urteil des Kassationsgerichtshofes der Republik Frankreich vom 4. Juli 2019 (Cass. Civ 3, 4.7.2019, pourvoi no 18-17119).

Loi no 2014-366 du 24 mars 2014 pour l'accès au logement et un urbanisme rénové (loi «ALUR»), durch das Artikel 226-4-2 des Code pénal angepasst wurde.

Ein neuer Gesetzentwurf sieht allerdings unter anderem vor, die Strafen für Hausfriedensbruch (Hausbesetzung) zu erhöhen. Ausserdem soll der Rechtsbegriff der Besetzung («squat») präzisiert bzw. ausgedehnt werden. Vgl. dazu Delmas 2022. Weitere Informationen zum Gesetzgebungsprozess sind abrufbar unter https://www.assemblee-nationale.fr
Liste des dossiers législatifs Protéger les logements contre l'occupation illicite
(Stand: 20.9.2023).

Ingesamt zum Verfahren in Frankreich: Commissaires de Justice 2022; Sénécal 2022; Service-Public.fr 2022; Tachot 2022.

Institut Cerdà 2017.

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tümerschaft aber grundsätzlich verwehrt, in das besetzte Objekt einzudringen und physische Massnahmen gegen die Besetzenden zu ergreifen. Die Polizei darf ohne richterliche Anordnung nur dann gegen die Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer tätig werden, wenn die Besetzung in den ersten 48 Stunden zur Anzeige gebracht wird.

Danach entsteht ein vorübergehendes Bleiberecht zugunsten der Besetzenden. Gestützt auf die spanische Verfassung hat nämlich jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht auf eine würdige Wohnung. Bis ein richterlicher Beschluss zur Räumung vorliegt, können aber selbst im Schnellverfahren mehrere Monate vergehen. Betritt die Eigentümerin oder der Eigentümer die eigene Wohnung davor, macht sie oder er sich selbst strafbar. Die Eigentümerinnen und Eigentümer versuchen mit Hilfe von Alarmanlagen mit Videoüberwachung und direktem Anschluss an die Polizei rasch bzw.

rascher von den Hausbesetzungen zu erfahren, um sich zu schützen und eine Räumung ohne Gerichtsbeschluss zu erwirken.30 Zur Verhinderung der missbräuchlichen Ausnutzung des verfassungsrechtlich geschützten Rechts auf eine würdige Wohnung hat der spanische Gesetzgeber im Sommer 2018 das Gesetz 5/201831 der Expressräumung (desahucio express) zum Schutz vor Besetzungen durch sogenannte «Okupas» erlassen, welches eine rasche polizeiliche Zwangsräumung von bestimmten Arten von Liegenschaften (Privatimmobilien, Gebäude von wohltätigen Organisationen oder öffentlichen Einrichtungen) innerhalb von etwa 20 Tagen ermöglichen soll. Banken, Gesellschaften oder Fonds als Eigentümer können von der neuen Regelung zum Schutz von Familien, welche ihre Hypothek nicht mehr amortisieren können, keinen Gebrauch machen. Das Verfahren ist in Artikel 250 Absatz 1 Ziffer 4 der spanischen Zivilprozessordnung (sog. Ley de Enjuiciamiento Civil, LEC) geregelt. Der Antrag der Klage lautet auf Rückgabe des Besitzes und Ansetzung eines Räumungstermins. Kann die Klage durch die Gerichtsbeamtin oder den Gerichtsbeamten nicht zugestellt werden, erfolgt ein Aushang beim Gericht während fünf Werktagen. Danach gilt die Klage als zugestellt. Erbringen die mutmasslich Besetzenden innerhalb von fünf Werktagen nach Zulassung der Klage keinen genügenden Nachweis für ihren rechtmässigen Aufenthalt in der besetzten Liegenschaft, beispielsweise in Form eines Mietvertrages,
ordnet das Gericht die Zwangsräumung an. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar. Auch die üblicherweise abzuwartende Frist von 20 Tagen, bis die Vollstreckung eines gerichtlichen Entscheids angeordnet werden kann, fällt im Verfahren der Expressräumung weg. Die Klage und auch der Räumungsbefehl richten sich dabei gegen alle Personen, die sich zum Zeitpunkt der Zustellung im betroffenen Wohnraum aufhalten, d. h. die Beklagten müssen nicht namentlich bekannt sein. Wird ein Mietvertrag eingereicht, wird ein Termin für eine Verhandlung angesetzt. Ob die Expressräumung die Auflösung von Hausbesetzungen künftig tatsächlich beschleunigen wird, wird sich zeigen und hängt insbesondere von der Arbeitsbelastung der Gerichte ab.32 Trotz der Gesetzesänderung von 2018 steigt die Zahl der Besetzungen in Spanien weiter an. Aufgrund der neuen Expressräumung würden mafiöse Gruppierungen ver30 31

32

Kramer 2022; Lilge 2018; Louven 2018; Manger 2021; Minkner 2018.

Ley 5/2018, de 11 de junio, de modificación de la Ley 1/2000, de 7 de enero, de Enjuiciamiento Civil, en relación a la ocupación ilegal de viviendas (Inkrafttreten am 2. Juli 2018).

Kramer 2022; Louven 2018; Manger 2021; Minkner 2018.

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mehrt Liegenschaften besetzen, welche sich im Eigentum von Banken befinden, welchen der Weg über die Expressräumung verwehrt sei. Weiterhin wird aber bemängelt, dass die Gesetzgebung in Spanien immer noch ungenügend klar sei und die Behörden mit den Besetzenden in vielen Fällen zu nachsichtig vorgingen.33 Zur Verschärfung der Lage trugen offenbar auch die Corona-Pandemie und das Anfang 2020 in Kraft getretene Verbot der Zwangswegweisung von Personen, die sozial benachteiligt sind und über keine eigene Unterkunft verfügen, bei. Eine Gesetzesrevision soll hier nun Abhilfe schaffen. Das neue Gesetz soll Expressräumungen innert 48 Stunden ermöglichen, sofern die Bewohnerinnen und Bewohner keine Besitzurkunde oder keinen Mietvertrag vorweisen können. Können die Hausbesetzenden nachweisen, dass sie sich in einer sozialen Notlage befinden, dürfen sie allerdings weiterhin nicht vertrieben werden, sofern die Gemeinden keine alternative Unterbringung finden können. Mit der neuen Regelung sollen daher primär die bestehenden Bandenaktivitäten gestoppt werden. Wer mit der Räumung nicht auf den Gerichtsbeschluss warten will, engagiert mittlerweile aber einen privaten Räumungsdienst.34

3.4

Österreich

Aus strafrechtlicher Sicht sind in Österreich im Zusammenhang mit Hausbesetzungen vor allem die Bestimmungen über Hausfriedensbruch (§ 109 öStGB35), Sachbeschädigung (§ 125 öStGB) sowie die Entziehung von Energie (§ 132 öStGB) einschlägig.

Nach § 109 öStGB macht sich des Hausfriedensbruches strafbar, wer den Eintritt in die Wohnstätte eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung erzwingt. Die Bestimmungen des Hausfriedensbruchs finden aber nur Anwendung, wenn sich Personen im Gebäude befinden, nicht aber wenn es leer steht.36 Neben strafrechtlichen Aspekten können auch privatrechtliche Ansprüche hinsichtlich Schadenersatzforderungen (§§ 1293 ff. öABGB37) oder mittels Besitzstörungsklage (§§ 454­459 öZPO38) geltend gemacht werden. Die österreichische Zivilprozessordnung sieht in § 454 ff. öZPO besondere Bestimmungen für das Verfahren über Besitzstörungsklagen vor, welche auf ein beschleunigtes Verfahren abzielen. Die Klage nach § 454 öZPO richtet sich auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten Besitzstandes und ist innerhalb von dreissig Tagen anhängig zu machen, nachdem von der Störung und der Störerin oder dem Störer Kenntnis erlangt wurde. Nach unbenutztem Ablauf dieser Frist müssen die possessorischen Ansprüche im ordentlichen Verfahren geltend gemacht werden. Es ist umstritten, ob die Besitzerin oder den Be33 34 35 36 37

38

Mallorca Magazin 5.8.2020; Mallorca Magazin 13.6.2021; Mallorca Magazin 24.1.2022; Mallorca Magazin 22.4.2022; Mallorca Magazin 30.6.2022.

NZZ 13.10.2022: S. 5.

Österreichisches Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch ­ StGB).

Hense 2012: S. 357 f.

Österreichisches Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch ­ ABGB).

Österreichisches Gesetz vom 1. August 1895, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung ­ ZPO).

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sitzer eine allgemeine Obliegenheit zur regelmässigen Überwachung des eigenen Besitzes trifft, somit also verschuldete Unkenntnis der Kenntnis gleichzusetzen ist. Die Besitzerin oder den Besitzer trifft bezüglich der Besitzesstörung und der Identität der Störerin oder des Störers aber jedenfalls eine Erkundigungspflicht, sobald Hinweise auf eine bereits erfolgte oder eine künftige Störung eintreffen.39 In der Lehre werden die praktischen Vorteile des Besitzesstörungsverfahrens in Frage gestellt. Der besonderen Raschheit, welcher die Praxis offenbar nicht immer gerecht wird, stehen erhebliche Verfahrensrisiken gegenüber.40 Zum Schutz des Besitzes ist nach § 344 öABGB bei dringender Gefahr auch die Selbsthilfe zulässig; dies jedoch nur, wenn die staatliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist.41 Aus sicherheitspolitischer Sicht liefert § 37 des österreichischen Sicherheitspolizeigesetzes42 die Befugnis zur Auflösung von Besetzungen, sofern es sich dabei nicht um eine Ansammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes 1953 handelt (§ 37 Abs. 1 öSPG). Per Verordnung kann die Sicherheitsbehörde das Verlassen des Grundstücks anordnen und dessen Betreten untersagen.43 Zur Auflösung einer Besetzung kann es mittels einer solchen Verordnung nur dann kommen, wenn dies entweder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung notwendig ist oder die Besitzerinnen oder Besitzer dies verlangen, nachdem ein schwerwiegender, ungerechtfertigter Eingriff in ihre Rechte stattgefunden hat (§ 37 Abs. 1 SPG).44

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Festlegung des Beginns der Selbsthilfefrist

Im Rahmen der Besitzeswehr gemäss Artikel 926 Absatz 1 ZGB kann sich eine Besitzerin oder ein Besitzer wehren, solange der Angriff beziehungsweise der Entziehungsversuch andauert und sie oder er nicht in die Besitzesstörung eingewilligt hat.45 Ist die Besitzesentziehung vollzogen, so kann eine Besitzeskehr nach Artikel 926 Absatz 2 ZGB nur «sofort» erfolgen. Das Kernanliegen der Motion 15.3531 ist die Lockerung des Erfordernisses, «sofort» zu reagieren. Das Selbsthilferecht habe dadurch praktisch jede Wirksamkeit verloren, weil gemäss Praxis des Bundesgerichts innerhalb weniger Stunden nach Beginn der Hausbesetzung reagiert werden müsse.

39 40

41 42 43 44 45

Kodek 2017: N 244, 252 f.

So insbesondere die Gefahr der Fristversäumung bei wiederholten Störungen, die unter Umständen eine Einheit darstellen können. Vgl. Kodek 2017: N 10, 256; Entscheid des Landgerichts Eisenstadt vom 22.5.2007, Rechtssatznummer RES0000134, Geschäftszahl 37R66/07s.

Kodek 2017: N 134 ff.

Österreichisches Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz ­ SPG).

Landespolizeidirektion Wien 2018.

Hense 2012: S. 358 f.

Stark/Lindemann 2016b: N 10; Berger-Steiner/Schmid 2021a: N 13 m. w. H.; Ernst 2019b: N 5.

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Die Behauptung ­ die wohl letztlich auf eine Stellungnahme des Staatsrats des Kantons Waadt zurückgeht46 ­, die Selbsthilfe sei aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichts stets innerhalb von wenigen Stunden auszuüben, lässt sich nicht erhärten.

Der Begriff «sofort» ­ «aussitôt» beziehungsweise «immediatemente» ­ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nach dem Willen des Gesetzgebers von der Rechtsprechung im Einzelfall zu präzisieren ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat dazu bis heute folgende zwei generelle Kriterien entwickelt: So müssen (1) Anstalten für die Wiedererlangung der Liegenschaft unmittelbar nach der Hausbesetzung erfolgen und (2) dürfen diese Handlungen zur Wiedererlangung nicht eingestellt werden, also darf sich die Besitzerin oder der Besitzer nicht ­ auch nicht nur provisorisch ­ mit der Situation abfinden. Ansonsten erlischt das Besitzeskehrrecht.47 Im Zusammenhang mit der Frist zur Selbsthilfe ist aber nicht nur deren Dauer von Interesse, sondern namentlich auch die Frage, ab wann die Frist zu laufen beginnt (Zeitpunkt der Vollendung der Besitzesentziehung oder Zeitpunkt von deren Kenntnisnahme), und damit, wie lange die Eigentümerin oder der Eigentümer mit Massnahmen zur Wiedererlangung des entzogenen Besitzes zuwarten darf. Für die Bestimmung der angemessenen Reaktionszeit stellt die Rechtsprechung auf die Umstände des Einzelfalls ab. Sobald das Einstellen der Wiedererlangungshandlung beziehungsweise das Abfinden mit der Situation als ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung ausgelegt werden kann, geht das Selbsthilferecht aufgrund der vorausgesetzten verbotenen Eigenmacht verloren. Da die Einwilligung auch konkludent abgegeben werden kann, kann das Selbsthilferecht verhältnismässig schnell verwirkt sein.48 Das Unterlassen des körperlichen Widerstands und insbesondere des Anrufens von Polizeischutz soll indes ­ nach mehrheitlich vertretener Auffassung ­ nicht für eine stillschweigende Einwilligung genügen.49 Die eher restriktive Auslegung des Selbsthilferechts von Artikel 926 Absatz 2 ZGB durch die Gerichte kann zuweilen auf den ersten Blick etwas streng anmuten. Sie ist aber nach Ansicht des Bundesrates inhaltlich richtig. Denn als positiv-rechtliche Ausnahme vom staatlichen Gewaltmonopol steht die über einen gegenwärtigen Angriff hinausgehende
Besitzeskehr ohnehin bereits im Widerspruch zu den Grundsätzen des allgemeinen Notwehrrechts, wonach nur die Abwehr gegenwärtiger Angriffe gerechtfertigt ist (Art. 52 Abs. 1 des Obligationenrechts [OR]50).51 Daher ist stets eine gesetzliche Grundlage notwendig, welche den Gerichten einen gewissen Ermessenspielraum gibt, um die konkreten Umstände im Einzelfall mitberücksichtigen zu können.

46

47

48 49 50 51

Vgl. bereits Ziff. 1.2.7 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD; Staatsrat des Kantons Waadt, Antwort vom 6. Mai 2015 auf die Interpellation 14_lNT_262, 2 (Mabillard 2018: Anhang 4, 22).

Vgl. Ziff. 1.2.3 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD; Urteil des Bundesgerichts 1P.109/2006 vom 22. Juni 2006 E. 5; BGE 118 IV 292; Mabillard 2018: BT, I.C.5c. Urteil des Bundesgerichts vom 23. Oktober 1980 E. 6c, in: SJ 1981, S. 114 ff., 121; Urteil des Bundesgerichts 1P.624/1989 vom 8. Mai 1991 E. 3b, in: SJ 1991, S. 602 ff. (deutsche Übersetzung in: ZBl 1991, S. 552 ff.).

Stark/Lindemann 2016a: N 26 ff.; Ernst 2019a: N 13 ff.; Mabillard 2018: BT, I. C.5d.

Stark/Lindemann 2016a: N 27; Ernst 2019a: N 13.

SR 220 Mabillard 2018: BT, I.A.2. und BT, I. C.5c; Homberger 1938: N 24.

24 / 46

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In der Lehre wird für die Dauer der Selbsthilfefrist einerseits vertreten, dass die Besitzeskehr «sofort nach Vollendung des Besitzesentzugs» stattzufinden hat.52 Andererseits ist auch zu lesen, dass die Besitzerin oder der Besitzer sofort, nachdem ihr oder ihm der Besitzesentzug bekannt wurde oder bekannt werden konnte, zu reagieren hat.53 Zum Begriff «sofort» selbst wird dann in der Lehre ausgeführt, dass «ohne Verzug» zu reagieren ist54 oder eine Reaktion «innert kurzer Zeit» zu erfolgen hat.55 Teilweise wird auch die Meinung vertreten, dass die Berechtigten auf die Klage von Artikel 927 ZGB verwiesen bleiben, sofern sie die Besitzeskehr nicht «unmittelbar» nach dem Besitzesentzug vornehmen.56 In der älteren Lehre wird wiederum ausgeführt, dass der Begriff «sofort» nicht zu wörtlich zu verstehen ist. Vielmehr soll die Frist nach vernünftigem gerichtlichem Ermessen beurteilt werden und kann auch einige Tage betragen, beispielsweise wenn die Mieterin oder der Mieter die Wohnung nach einer Abwesenheit von einigen Tagen von der Vermieterschaft besetzt vorfindet.57 Erst, wenn so viel Zeit verstrichen ist, dass die Rücknahme als selbstständiger Angriff erscheint, soll diese nicht mehr vom Selbsthilferecht gedeckt sein.58 Der Bundesrat hält den Lösungsvorschlag der Motion 15.3531, für die Reaktionszeit in Artikel 926 Absatz 2 ZGB eine starre Frist von 48 oder 72 Stunden vorzusehen, nicht für tauglich. Die Definition von Fristen könnte den Umständen des Einzelfalls nicht immer gerecht werden. Stattdessen soll der Beginn der Selbsthilfefrist von Artikel 926 Absatz 2 ZGB neu auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Besitzesentziehung festgelegt werden. Allerdings soll sich die Besitzerin oder der Besitzer nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme berufen dürfen, wenn sie oder er in Anwendung der zumutbaren Sorgfalt früher davon hätte Kenntnis erlangen können.

Bereits damit wird das Selbsthilferecht, wie von der Motion 15.3531 gefordert, gestärkt. Im Gegenzug wird der unbestimmte Rechtsbegriff «sofort» beibehalten. Damit verbleibt den Gerichten der notwendige Ermessenspielraum, um die konkreten Umstände des Einzelfalls mitberücksichtigen zu können.

4.1.2

Konkretisierung der amtlichen Hilfe

Zum Schutz des Eigentums können die kantonalen Behörden den von einer Hausbesetzung Betroffenen im Zusammenhang mit ihrem Selbsthilferecht nach Artikel 926 ZGB beistehen. Unter welchen Voraussetzungen zum Schutz privater Rechte behördliche Hilfe geleistet wird, ist jedoch grundsätzlich Sache des kantonalen öffentlichen Rechts. Die bundesrechtlichen Grundsätze des rechtstaatlichen Handelns, der Subsi-

52 53 54 55 56 57 58

Arnet/Eitel 2016: N 4.

Stark/Lindemann 2016b: N 16; Ostertag 1917: N 36.

Berger-Steiner/Schmid 2021a: N 14; Berger-Steiner/Schmid 2021b: N 2; ebenso Stark/Lindemann 2016b: N 16; bereits Ostertag 1917: N 36.

Ernst 2019b: N 6; Homberger 1938: N 25; Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo 2015: § 91 N 5.

Arnet/Eitel 2016: N 4; Domej 2018: N 19; bereits Homberger 1938: N 25.

Wieland 1909: N 4a.

Homberger 1938: N 25.

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diarität und des Willkürverbots sowie die allgemeinen Verfahrensgarantien und die einschlägigen Grundrechte sind aber auch von den Kantonen einzuhalten.59 Unter geltendem Recht ist ­ auch bei Hausbesetzungen ­ Selbsthilfe ohne und solche mit behördlicher Unterstützung möglich, wobei es für die Zulässigkeit der Selbsthilfe keine Rolle spielt, ob Unterstützung der Polizei oder der Zivilgerichte verfügbar ist.

Dieses Nebeneinander mag in der Praxis verwirrend sein. Ausserdem liegt streng genommen eigentlich gar keine Selbsthilfe mehr vor, sobald behördliche Hilfe in Anspruch genommen wird. Letztlich führt die behördliche Unterstützung nämlich dazu, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr durchbrochen wird. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Selbsthilfe nach Artikel 926 ZGB, wo rechtzeitig amtliche Hilfe eingeholt werden kann, ebenfalls ausgeschlossen. Das Bundesgericht hat dazu festgehalten, dass nicht nur die Selbsthilfe nach Artikel 52 Absatz 3 OR voraussetzt, «dass nach den gegebenen Umständen amtliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt und nur durch Selbsthilfe eine Vereitelung des Anspruchs oder eine wesentliche Erschwerung seiner Geltendmachung verhindert werden konnte»60, sondern dies ebenfalls für die Selbsthilfe des Besitzesschutzes gilt, «weil Art. 926 Abs. 3 ZGB jede nach den Umständen nicht gerechtfertigte Gewalt verbietet»61. In der Literatur ist umstritten, inwieweit Selbsthilfe zulässig sein soll, wenn obrigkeitliche Hilfe zur Verfügung steht. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass, wo jede amtliche Hilfe zu spät kommen würde, eine verhältnismässige Selbsthilfe erlaubt ist.62 Fraglich ist dabei, ob die Polizei bei Hausbesetzungen ­ auch abgesehen vom Vorliegen eines vollstreckbaren Entscheids ­ eine Interventionspflicht trifft. Zur Interventionspflicht gestützt auf die Eigentumsgarantie hat das Bundesgericht festgestellt, dass ­ solange sich die Besitzerin oder der Besitzer nicht mit der Hausbesetzung abgefunden hat ­ eine krasse Beeinträchtigung des Besitzes vorliegt und nicht nur die privaten Rechte der von der Hausbesetzung betroffenen Personen, sondern auch die öffentliche Ordnung gestört sein können. Seitens der Besitzerin oder des Besitzers besteht daher grundsätzlich ein Interventionsanspruch gegenüber der Polizei, doch ist dieser Anspruch nicht absolut. Zum
Eingriff verpflichtet ist die Polizei nur gestützt auf (1) den allgemeinen Polizeiauftrag oder eine entsprechend ausgestaltete gesetzliche Grundlage (2) für Hausbesetzungen, von denen sie Kenntnis hat und gegen die (3) in Abwägung der gegebenen Interessen (4) verhältnismässige polizeiliche, nicht aber rechtzeitig zivilgerichtliche oder andere staatliche Massnahmen (5) faktisch möglich sind.63

59

60 61 62

63

Mabillard 2018: BT, I.C.6a; BGE 119 Ia 28 E. 2 S. 30 f.; Urteil des Bundesgerichts 1P.624/1989 vom 8. Mai 1991 E. 3a, in: SJ 1991, S. 602 ff. (deutsche Übersetzung in: ZBl 1991, S. 552 ff.); Waldmann/Borter 2015: N 5 ff., 16 ff.

Urteil des Bundesgerichts 4P.148/2001 vom 25. Oktober 2001 E. 3b.

Urteil des Bundesgerichts 4P.148/2001 vom 25. Oktober 2001 E. 3b.

Urteil des Bundesgerichts 4P.148/2001 vom 25. Oktober 2001 E. 3b; BGE 128 IV 250 E. 3.2 S. 253 f.; Urteil des Bundesgerichts 6S.5/2004 vom 21. Mai 2004 E. 2.2; Ostertag 1917: N 29; Arnet/Eitel 2016: N 4, 6; Stark/Lindemann 2016b: N 17, 23; Homberger 1938: N 26 Sutter-Somm 2014: Rz. 1331; Ernst 2019b: N 7; Mabillard 2018: BT, I.C.6b.

Mabillard 2018: BT, I. C.6d; Urteil des Bundesgerichts vom 23. Oktober 1980 E. 6c, in: SJ 1981, S. 114 ff., 121; Urteil des Bundesgerichts 1P.624/1989 vom 8. Mai 1991 E. 3b, in: SJ 1991, S. 602 ff. (deutsche Übersetzung in: ZBl 1991, S. 552 ff.); Urteile des Bundesgerichts 1P.465/1991 und 1P.183/1992 vom 11. Februar 1993 E. 2, in: ZBl 1993, S. 378 ff.

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Mit dem vorliegenden Entwurf soll mit einer Ergänzung des geltenden Artikels 926 Absatz 3 ZGB die Pflicht zur amtlichen Hilfe in zwei Punkten gesetzlich geklärt bzw.

präzisiert werden: Zum einen soll von Gesetzes wegen auch für die Selbsthilfe beim Besitzesschutz vorausgesetzt werden, dass amtliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Damit wird das in der Lehre umstrittene Nebeneinander von Selbsthilfe gemäss Artikel 926 ZGB und solcher gemäss Artikel 52 Absatz 3 OR geklärt. Zum anderen soll die vom Bundesgericht zur Interventionspflicht der Polizei entwickelte Rechtsprechung Eingang ins Gesetz finden (vgl. Art. 926 Abs. 4 E-ZGB).

Regelungen, welche auf die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie die Sicherstellung von Interessen Privater abzielen, beschlagen den Sachbereich der inneren Sicherheit. Die Wahrung der inneren Sicherheit ist eine Staatsaufgabe, die grundsätzlich in die originäre Kompetenz der Kantone fällt. Der Bund verfügt in diesem Bereich lediglich über einige sektorielle oder fragmentarische Kompetenzen, die ihn nur bedingt zum Erlass von Vorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung der Verletzung privater Eigentumsrechte ermächtigen. Die Gesetzgebung im Polizeibereich obliegt aber grundsätzlich den Kantonen. Gestützt auf die umfassende Rechtsetzungsbefugnis im Bereich des Strafrechts nach Artikel 123 der Bundesverfassung (BV)64 kann der Bund zwar Regelungen erlassen, um strafwürdige Handlungen, die bei Hausbesetzungen verübt werden, zu pönalisieren. Diese Strafrechtskompetenz ermächtigt den Bund dagegen nicht, Massnahmen vorzusehen, um die potenzielle Täterschaft an der Verübung von Straftaten zu hindern. Die Rechtsetzungskompetenz in Zusammenhang mit der in Artikel 57 Absatz 2 BV statuierten Koordinationspflicht ist indessen nur dann gegeben, wenn es sich um koordinationsbedürftige (gesamtschweizerische) Sicherheitsbelange handelt, die mindestens teilweise in die Zuständigkeit des Bundes fallen und die aus dessen Sicht eine Koordination unter Einbezug oder Leitung des Bundes erfordern. Die Zuständigkeit des Bundes darf dabei nicht bloss marginale Bedeutung haben. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, könnte Artikel 57 Absatz 2 BV ein kompetenzbegründender Charakter zukommen. Die Notwendigkeit einer Koordination unter Einbezug oder Leitung des Bundes ist bei
Hausbesetzungen bzw. Besitzesstörungen allerdings nicht ersichtlich. Ebensowenig kommen die beiden als Organkompetenzen ausgestalteten Verfassungsbestimmungen von Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe b BV (Massnahmen der Bundesversammlung zur Wahrung der inneren Sicherheit) und Artikel 185 Absatz 2 BV (Massnahmen des Bundesrates zur Wahrung der inneren Sicherheit) vorliegend zum Tragen. Diese Normen ermächtigen den Bund ausschliesslich bei ausserordentlichen Umständen tätig zu werden und fallen somit als Instrumente zur Bekämpfung der normalerweise auftretenden Ausprägungen von Besitzesstörungen oder Besitzesentziehungen ausser Betracht.65 Mit Blick auf die kantonalen Gesetzgebungskompetenzen beim Polizeirecht sowie aufgrund der Relativität

64 65

SR 101 Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Malama 10.3045 vom 3. März 2010, Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen, BBl 2012 4459, 4486; Botschaft zu einer Verfassungsbestimmung über die Bekämpfung von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen (Hooliganismus) sowie zu einer Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) vom 29. August 2007, BBl 2007 6465, 6477 ff.; Linsi 2008: 467 ff.

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der Schutzpflichten, die sich aus den Grundrechten ableiten lassen66, kommt daher vorliegend im Ergebnis für den Besitzesschutz nur eine (bundes-)gesetzgeberische Präzisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips in Frage. Das Opportunitätsprinzip sowie das Subsidiaritätsprinzip bleiben dabei weiterhin anwendbar und der den Polizeibehörden bei der Räumung von Hausbesetzungen heute zukommende Ermessensspielraum soll erhalten bleiben. Im Gegenzug soll mit den übrigen vorgeschlagenen Anpassungen des ZGB und der ZPO immerhin indirekt Einfluss auf die heutige Polizeipraxis genommen werden, indem den betroffenen Besitzerinnen und Besitzern geholfen wird, möglichst rasch einen vollstreckbaren gerichtlichen Räumungstitel zu erwirken.

Die praktische Umsetzung des Besitzesschutzes in Form der Zwangsräumung von besetzten Grundstücken wird also auch in Zukunft massgeblich vom kantonalen (Polizei-)Recht mitbestimmt werden. Die kantonalen Gesetzgeber sind als Adressaten der grundrechtlichen Schutzpflichten67 dazu angehalten, das eigene kantonale Polizeirecht unter diesem Aspekt auf dessen Eignung als generelle Schutzgrundlage hin zu untersuchen und gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Interventionspflicht ihre gesetzlichen Grundlagen und ihre Praxis im Zusammenhang mit der Räumung von Hausbesetzungen bzw. der Beseitigung von Besitzesstörungen im Allgemeinen zu überdenken und nötigenfalls anzupassen.

4.1.3

Effektivere Gestaltung des zivilprozessualen Besitzesschutzes

Wie bereits dargestellt, weist die Zivilprozessordnung den materiellen Rechtsanspruch auf possessorischen Besitzessschutz68 keiner besonderen Verfahrensart zu.

Dadurch eröffnet sich der klagenden Besitzerin oder dem klagenden Besitzer eine Vielzahl von zivilrechtlichen Verfahrensmöglichkeiten, mit denen sie oder er gegen eine eigenmächtige Besetzung ihres oder seines Grundstücks vorgehen kann. Da keines der verfügbaren Zivilverfahren auf den possessorischen Besitzesschutz zugeschnitten ist, können sich rechtsschutzsuchende Besitzerinnen und Besitzer allerdings mit prozessualen Schwierigkeiten konfrontiert sehen und sie tragen unter Umständen ein hohes Prozessrisiko.69 Regelmässig stellt die Räumung einer besetzten Liegenschaft über das Zivilverfahren für die Besitzerinnen und Besitzer eine grosse Herausforderung dar. Die Hauptprobleme wurden bei der Bestimmung der passivlegitimier66

67

68

69

Vgl. bereits Ziff. 1.2.2 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

Vgl. bereits Ziff. 1.2.2 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

Zum Unterschied zwischen possessorischem und petitorischen Besitzesschutz vgl. bereits Ziff. 1.2.5 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

Vgl. bereits Ziff. 1.2.5 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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ten Personen sowie bei den damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das Verfahren und die Vollstreckung lokalisiert.70 Der Entwurf schlägt daher vor, den zivilprozessualen Besitzesschutz durch punktuelle Anpassungen der ZPO im Interesse der Besitzerinnen und Besitzer zu ergänzen. Dazu sollen die bereits mit dem gerichtlichen Verbot (Art. 258 ff. ZPO) bestehenden Massnahmen des Besitzesschutzes erweitert werden. Mit der neuen gerichtlichen Verfügung als weiterem Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit sollen der Besitzesschutz und damit verbunden auch der Schutz des Grundeigentums weiter gestärkt werden. Die gerichtliche Verfügung soll entsprechend dem Grundgedanken des Entwurfs nicht nur bei Hausbesetzungen beantragt werden können, sondern bei jeglicher Art von Störung oder Entziehung des Besitzes an Grundstücken. Nach dem Vorbild des geltenden Besitzesschutzrechts gilt es, den Schutz des Besitzes sowie des Eigentums in seiner Gesamtheit zu stärken und nicht «nur» den Schutz vor Hausbesetzungen zu erhöhen. Die eigentliche Neuerung liegt darin begründet, dass die Beseitigung einer Besitzesstörung sowie die Rückgabe des Besitzes mittels gerichtlicher Verfügung neu gegenüber einem unbestimmten Personenkreis angeordnet werden kann. So werden den von einer Hausbesetzung Betroffenen keine prozessualen Nachteile aufgrund namentlich nicht bestimmbarer oder häufig wechselnder Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer mehr entstehen. Dabei ist den Verfahrensrechten der von der gerichtlichen Verfügung Betroffenen gebührend Rechnung zu tragen. Dies wird über eine möglichst sinngemässe Anwendung der für das gerichtliche Verbot geltenden Grundsätze erreicht.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die vorgeschlagenen Änderungen respektieren die Kompetenz der Kantone im Polizeirecht und haben grundsätzlich keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen für Bund und Kantone zur Folge.

4.3

Umsetzungsfragen

Grundsätzlich bedürfen die vorgeschlagenen Anpassungen keiner weiteren Umsetzung auf Verordnungsstufe. Die vorgeschlagenen Anpassungen der Zivilprozessordnung können jedoch zu Anpassungen im kantonalen Recht führen, namentlich in den kantonalen Gerichtsverfahrens- und -organisationsgesetzen (vgl. unten Ziff. 6.2).

70

Mabillard 2018: BT, I. G. 7.

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5

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) Art. 926 Abs. 2 Die bestehende Regelung von Artikel 926 Absatz 2 ZGB zur Besitzeskehr bei Grundstücken soll in einem wichtigen Punkt ergänzt werden, ohne dass sich an der bestehenden und bewährten Konzeption der Bestimmung etwas Grundlegendes ändert: Der Beginn der Reaktionsfrist zur Ausübung der Besitzeskehr soll neu festgelegt werden und zwar auf den Zeitpunkt, in welchem die Besitzerin oder der Besitzer von der Besitzesentziehung Kenntnis erlangt hat bzw. in Anwendung der nach den jeweiligen Umständen zumutbaren Sorgfalt hätte erlangen können. Damit wird gegenüber dem geltenden Recht der massgebende Anfangszeitpunkt für eine rechtmässige Selbsthilfe in der Form der Besitzeskehr gesetzlich geregelt und so die Situation zugunsten der Besitzerinnen und Besitzer präzisiert und damit verbessert.

Massgebend für den Beginn der Reaktionsfrist soll neu also grundsätzlich der Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Besitzesentziehung sein. Allerdings soll sich die Besitzerin oder der Besitzer nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme berufen dürfen, wenn sie oder er in Anwendung der zumutbaren Sorgfalt früher hätte Kenntnis erlangen können. Sofern die Besitzesentziehung nicht unmittelbar nach deren Vollendung zur Kenntnis genommen wird, ist die fristauslösende Kenntnisnahme durch die Besitzerin oder den Besitzer also in einem objektivierten Sinne zu verstehen.

Es obliegt in solchen Fällen den Gerichten, anhand der konkreten Umstände im Einzelfall zu beurteilen, ob die Besitzerin oder der Besitzer von der Besitzesstörung oder Besitzesentziehung in Anwendung der unter den gegebenen Umständen zumutbaren Sorgfalt und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge sowie der allgemeinen Lebenserfahrung, mithin nach Treu und Glauben, Kenntnis genommen hat beziehungsweise ob sie oder er früher Kenntnis davon hätte erlangen können. Die Art der Nutzung des Grundstücks, dessen Lage sowie die bestehenden und verfügbaren Überwachungs- und Verwaltungsvorkehrungen und -möglichkeiten werden dabei ebenso mitzuberücksichtigen sein wie subjektiv geprägte Aspekte, so beispielsweise die Distanz zwischen dem Grundstück und dem Wohnsitz beziehungsweise Aufenthaltsort der Besitzerin oder des Besitzers oder die Dauer einer allfälligen (Ferien-)Abwesenheit der Besitzerin oder des
Besitzers. Die von der Besitzerin oder vom Besitzer anzuwendende Sorgfalt wird sich proportional zur Nutzung des Grundstücks verhalten: Bei länger leer stehenden Gebäuden in grösseren städtischen Ballungszentren wird die Besitzerin oder der Besitzer eine entsprechend höhere Sorgfalt walten lassen müssen, als bei einem leerstehenden Gebäude in ländlicher Region. Je nach den konkreten Umständen können etwa gewisse Schutzvorrichtungen wie z. B. das automatisierte An- und Abschalten der Lichter, der Einbau einer Alarmanlage gegebenenfalls verbunden mit einer Videokamera und/oder direkten Alarmierung der Polizei, einer Sicherheitsfirma oder der Eigentümerin oder des Eigentümers oder der Einbruchsicherheit (z. B. durch Einbau eines Sicherheitsschlosses, verstärkter Türen und Fenster) angezeigt erscheinen.

Innert welchem Zeitraum die Besitzerin oder der Besitzer die Rückbeschaffung anhand nehmen muss, soll sich auch in Zukunft nach der heute geltenden Regelung bestimmen. Die Besitzerin oder der Besitzer hat demnach sofort, das heisst ohne Verzug 30 / 46

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zu reagieren. Ihre oder seine Reaktion hat innert kurzer Zeit zu erfolgen und es darf nicht so viel Zeit verstrichen sein, dass die Rückbeschaffung als selbstständiger Eingriff erscheint. Inwieweit auch Vorkehrungen zur Organisation und Vorbereitung der eigentlichen Selbsthilfehandlung unter die rechtzeitige Reaktion gefasst werden können, wird anhand der konkreten Umstände im Einzelfall zu beurteilen sein. Anwendbar bleiben die vom Bundesgericht diesbezüglich entwickelten Grundsätze, wonach die Wiedererlangungshandlungen unmittelbar erfolgen müssen und diese nicht ­ auch nicht provisorisch ­ eingestellt werden dürfen, wenn das Selbsthilferecht mangels verbotener Eigenmacht nicht verloren gehen soll (vgl. dazu auch vorne Ziff. 4.1.1).

Abwehrhandlungen im Sinne einer Besitzeswehr sind unverändert nach Artikel 926 Absatz 1 ZGB zu beurteilen. Sie sind grundsätzlich so lange zulässig, wie der Angriff beziehungsweise der Entziehungsversuch andauert und die Besitzerin oder der Besitzer nicht eingewilligt hat. Von der Revision inhaltlich ebenso unangetastet bleibt die geltende Regelung zur Besitzeskehr mit Bezug auf die beweglichen Sachen (Mobilien). Aus redaktionellen Gründen drängt es sich auf, die Besitzeskehr bei Grundstücken und bei beweglichen Sachen in zwei separaten Absätzen zu regeln (vgl. neuer Art. 926 Abs. 3 E-ZGB).

Art. 926 Abs. 3 Aus Gründen der Verständlichkeit drängt es sich mit der vorgeschlagenen Ergänzung zur Besitzeskehr bei Grundstücken auf, die Besitzeskehr bei beweglichen Sachen in einem eigenen Absatz zu regeln. Diese Umstellung ist ausschliesslich redaktionell begründet und hat abgesehen vom hier vorgeschlagenen Einschub hinsichtlich der Besitzeskehr bei Grundstücken keine inhaltlichen Auswirkungen. Zur Förderung der Einheitlichkeit und Kohärenz der schweizerischen Rechtsordnung wird überdies die veraltete Formulierung «auf frischer Tat betroffen» durch «auf frischer Tat ertappt» ersetzt. Auch diese rein redaktionelle Anpassung hat keine inhaltliche Änderung der Bestimmung zur Folge.

Art. 926 Abs. 4 Das geltende Verbot nicht gerechtfertigter Gewaltanwendung der Besitzerin oder des Besitzers in Artikel 926 Absatz 3 ZGB als Grenze der Selbsthilfe soll ergänzt beziehungsweise präzisiert werden, indem die vom Bundesgericht entwickelte Rechtsprechung zu den Grenzen der Selbsthilfe
und zur Interventionspflicht der Polizeibehörden zum Schutz privater Rechte kodifiziert wird. Mit Blick auf die kantonalen Gesetzgebungskompetenzen im Polizeirecht sowie aufgrund der Relativität der von den Grundrechten abgeleiteten Schutzpflichten ist hier im Ergebnis aber nur eine (bundes-)gesetzgeberische Präzisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips möglich (vgl. bereits Ziff. 4.1.2 oben).

Gemäss Artikel 926 Absatz 4 E-ZGB gewähren die zuständigen (Zivil-, Straf- oder Polizei-)Behörden der Besitzerin oder dem Besitzer rechtzeitig die nach den Umständen erforderliche amtliche Hilfe. Wo amtliche Hilfe rechtzeitig erlangt werden kann, ist Selbsthilfe fehl am Platz und unverhältnismässig. Mit der Ergänzung in Absatz 4 soll präzisiert werden, dass die Ausübung der Selbsthilfe trotz eigentlich rechtzeitig verfügbarer amtlicher Hilfe nicht gerechtfertigt ist. Wo also ­ aufgrund einer Ex-anteBetrachtung ­ rechtzeitig amtliche Hilfe verfügbar ist, muss diese in Übereinstim31 / 46

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mung mit der aktuellen bundesgerichtlichen Rechtsprechung beigezogen werden.71 Es kann dabei keine Rolle spielen, ob die staatliche Hilfe in Form eines Zivil-, Strafoder Polizeiverfahrens angerufen beziehungsweise gewährt wird. Wendet die Besitzerin oder der Besitzer trotz der verfügbaren amtlichen Hilfe Gewalt an, überschreitet sie oder er die Grenzen der erlaubten Selbsthilfe. Wo allerdings jede amtliche Hilfe zu spät gekommen wäre, ist verhältnismässige Selbsthilfe zulässig. Im Ergebnis verdrängt damit der Behördenschutz, wo er rechtzeitig erreicht werden kann, die Selbsthilfe im Besitzesschutz. Analog zur allgemeinen Selbsthilfe nach Artikel 52 Absatz 3 OR wird damit zudem geklärt, dass die Ausübung von Selbsthilfe nur subsidiär erfolgen darf und also voraussetzt, dass amtliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden konnte. Eine allfällige (regionale) restriktive Polizeipraxis mit Bezug auf die Räumung besetzter Liegenschaften rechtfertigt die Anwendung von Selbsthilfe nicht per se. Es wird auch hier im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen sein, ob die nach den Gesamtumständen erforderliche amtliche Hilfe nicht rechtzeitig erfolgte oder erfolgen konnte und daher die Ausübung von Selbsthilfe zulässig war.

Im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Interventionspflicht der Polizeibehörden bei Hausbesetzungen verlangt die vorgeschlagene Ergänzung in Absatz 4 von den Behörden (Polizei oder andere staatliche Behörden), zu intervenieren, wo sie aufgrund der Umstände des Einzelfalls rechtzeitig den Besitz schützen können.

Der Interventionsanspruch der Besitzerin oder des Besitzers gilt dabei aber nicht absolut. Eine Intervention der Polizei beispielsweise setzt zunächst stets eine gesetzliche Grundlage zum Schutz privater Rechte sowie die Kenntnisnahme der Besitzesstörung voraus. Sodann müssen gegen die Störung in Abwägung der gegebenen Interessen verhältnismässige polizeiliche Massnahmen möglich sein. Der Anspruch auf amtliche Hilfe der Polizei ist ausgeschlossen, sofern keinerlei «Gefahr im Verzug» ist und also zivilgerichtliche oder andere staatliche Massnahmen rechtzeitig verfügbar sind. Das Verhältnismässigkeitsprinzip und insbesondere auch das Opportunitäts- und Subsidiaritätsprinzip bleiben dabei anwendbar. Daher kommt den Polizeibehörden bei der Beseitigung von Besitzesstörungen,
wie beispielsweise der Räumung bei Hausbesetzungen, ein weiter Ermessensspielraum zu. Zur Bestimmung, ob eine Interventionspflicht besteht, sind nebst den bereits genannten Aspekten immer auch die tatsächlichen Begebenheiten sowie die begrenzten Kapazitäten und Mittel der Polizei zu berücksichtigen. Der Umgang der Polizei mit Hausbesetzungen stellt regelmässig einen Balanceakt dar, bei welchem rechtliche, sicherheitstechnische und politische Aspekte mitzuberücksichtigen sind.

Änderung der Zivilprozessordnung (ZPO) Art. 248 Bst. c Wie beim gerichtlichen Verbot soll auch für die gerichtliche Verfügung das summarische Verfahren anwendbar sein.

71

Urteil des Bundesgerichts 4P.148/2001 vom 25. Oktober 2001 E. 3b; BGE 128 IV 250 E. 3.2 S. 253 f.

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Gliederungstitel vor Art. 258 Mit dem neuen Instrument der gerichtlichen Verfügung soll die Besitzerin oder der Besitzer vom Gericht die Anordnung der Beseitigung einer Besitzesstörung oder die Rückgabe des entzogenen Besitzes gegenüber einem unbestimmten Personenkreis verlangen können. Die gerichtliche Verfügung ergänzt damit das gerichtliche Verbot nach Artikel 258­260 ZPO als bisherige Massnahme des Besitzesschutzes. Daher soll die Regelung im Anschluss daran in das 4. Kapitel des 5. Teils der ZPO eingefügt werden. Der Gliederungstitel vor Artikel 258 ZPO ist mit der gerichtlichen Verfügung entsprechend zu ergänzen. Dadurch regelt das 4. Kapitel des 5. Titels der ZPO neu sowohl das gerichtliche Verbot als auch die neue Form der gerichtlichen Verfügung.

Diese beiden Instrumente sollen je in einem separaten Abschnitt geregelt werden, wobei für die gerichtliche Verfügung die Bestimmungen zum gerichtlichen Verbot teilweise analoge Anwendung finden. Der Titel des Abschnitts zum gerichtlichen Verbot wird vor Artikel 258 eingefügt.

Gliederungstitel nach Art. 260 Der Titel des 2. Abschnitts des 4. Kapitels zur gerichtlichen Verfügung wird nach Artikel 260 ZPO eingefügt.

Art. 260a

Grundsatz

Der Entwurf schafft als Erweiterung der Massnahmen zum Besitzesschutz nach Artikel 258­260 ZPO mit der gerichtlichen Verfügung einen weiteren Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dieser richtet sich ­ analog dem gerichtlichen Verbot ­ ebenfalls gegen einen unbestimmten Personenkreis. Im Unterschied zum gerichtlichen Verbot, welches präventiv Besitzesschutz gewährt, hat die gerichtliche Verfügung jedoch zum Ziel, bereits bestehende Besitzesstörungen sowie versuchte oder vollzogene Besitzesentziehungen bei Grundstücken zu beseitigen oder rückgängig zu machen. Mit der gerichtlichen Verfügung wird ein zusätzliches Verfahren zur Durchsetzung der Ansprüche aus dem Besitzesschutz geschaffen. Die nach geltendem Recht bestehenden zivilprozessualen Verfahren bleiben jedoch bestehen. Den von einer Hausbesetzung Betroffenen steht es weiterhin frei, zur Durchsetzung ihrer Ansprüche ein anderes (oder gegebenenfalls zusätzliches) Verfahren72 nach geltendem Recht zu wählen.

Absatz 1 des neuen Artikels 260a hält die Grundsätze der gerichtlichen Verfügung fest: Zum Gesuch auf Erlass einer gerichtlichen Verfügung ist jede Besitzerin oder jeder Besitzer eines Grundstücks legitimiert, deren oder dessen Besitz an einem Grundstück durch verbotene Eigenmacht gestört wird oder entzogen wurde. Im Unterschied zum gerichtlichen Verbot ist nur Besitz an einem Grundstück, nicht jedoch eine dingliche Berechtigung vorausgesetzt, sodass auch unselbstständige Besitzerinnen und Besitzer, welche das Grundstück mieten oder pachten, anspruchsberechtigt sein können. Bei einer Hausbesetzung wird in der Regel die faktische Herrschaft über die Liegenschaft vollständig entzogen sein. Nur teilweise vollzogene beziehungsweise versuchte Besitzesentziehungen sind aber möglich, weshalb die neue Re72

Vgl. bereits Ziff. 1.2.5 des erläuternden Berichts zum Vorentwurf vom 2. September 2020, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EJPD.

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gelung ausdrücklich beide Konstellationen abdeckt. Die Hausbesetzung bildet wohl den hauptsächlichen, aber nicht den einzigen Anwendungsfall, für den die gerichtliche Verfügung geschaffen werden soll. Die gerichtliche Verfügung kann bei jeder Art von Störung oder Entziehung des Besitzes an einem Grundstück beantragt werden. Ziel des neu zu schaffenden Instruments ist die Beseitigung der Besitzesverletzung, weshalb im Verfügungsdispositiv jede Person, die den Besitz stört oder entzogen hat, zu einem bestimmten Unterlassen oder Tun (Zurückgeben, Verlassen, Räumen etc.) anzuweisen ist. Bei Hausbesetzungen können nebst dem Verlassen der Räumlichkeiten weitere Verhaltensweisen, wie beispielsweise die Mitnahme der eigenen Gegenstände, die Zurücklassung der Schlüssel oder das Offenstehenlassen der Türen, angeordnet werden. Die gerichtliche Verfügung ist mit einer Frist oder einem Termin (Datum, Uhrzeit) für die Erfüllung der angeordneten Verpflichtung zu versehen.

Analog zum gerichtlichen Verbot richtet sich auch die gerichtliche Verfügung nicht gegen eine bestimmte Person, sondern gegen einen unbestimmten Personenkreis ­ nämlich gegen die unbekannten Personen, welche den Besitz an einem Grundstück in verbotener Eigenmacht stören oder entzogen haben. Die gerichtliche Verfügung muss sich dabei immer an einen unbestimmten Adressatenkreis richten, wobei es nicht hinderlich ist, wenn von einer Gruppe von Personen, die den Besitz stören oder entzogen haben, Einzelne namentlich bekannt sein sollten. Sind der Besitzerin oder dem Besitzer eines Grundstücks allerdings ausnahmslos alle Personen bekannt, die den Grundbesitz stören oder entzogen haben, besteht kein Rechtsschutzinteresse an einer gerichtlichen Verfügung und das Verfahren der gerichtlichen Verfügung steht nicht offen; allfällige Ansprüche sind in einem kontradiktorischen Verfahren durchzusetzen.73 Daher ist eine gerichtliche Verfügung bei nachbarschaftlichen und insbesondere miet- oder pachtrechtlichen Streitigkeiten, bei welchen erwartet werden darf und muss, dass die Besitzerin oder der Besitzer die handelnden Personen kennt oder mit wenig Aufwand identifizieren kann, nicht anwendbar. Es gelten weiterhin die bestehenden Prozesswege und Verfahrensregelungen, namentlich in Bezug auf die Ausweisung.

Wie das gerichtliche Verbot wird eine gerichtliche
Verfügung lediglich auf Gesuch der Besitzerin oder des Besitzers ausgesprochen und zwar in einem einseitigen Verfahren, das heisst ohne vorgängige Anhörung der davon betroffenen Personen. Örtlich zwingend zuständig ist das Gericht am Ort, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist oder aufzunehmen wäre (Art. 29 Abs. 4 ZPO)74. Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem kantonalen Recht.

Bei Gutheissung erlässt das entscheidende Gericht auf Antrag der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers gleichzeitig auch die notwendig erscheinenden Massnahmen für die Anbringung der Verfügung auf dem Grundstück sowie die erforderlichen Vollstreckungsmassnahmen für den Widerhandlungsfall, d. h. falls den Anweisungen über die Beseitigung der Störung oder der Rückgabe nicht fristgerecht nachgekommen werden sollte.

73

74

Analog zum gerichtlichen Verbot, vgl. Lazopoulos/Leimgruber 2015: N 4 mit Verweis auf das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich ZR 112 Nr. 5, E. B; Güngerich 2012b: N 5; Tenchio/Tenchio 2017a: N 2 f.

Der Gerichtsstand der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Artikel 19 ZPO findet keine Anwendung, vgl. Güngerich 2012b: N 6.

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Die Anbringung der gerichtlichen Verfügung auf dem betroffenen Grundstück (z. B.

mittels Hinweistafeln und/oder Anschlägen) ist, sofern die gesuchstellende Person dies beantragt, von einer vom Gericht zu bestimmenden Behörde vorzunehmen. Aufgrund allfälliger Gewaltbereitschaft oder Barrikaden der Personen, die den Besitz stören oder entzogen haben, kann es schwierig bis unmöglich oder auch gefährlich sein, sich als Privatperson Zutritt zu einem besetzten Grundstück verschaffen zu wollen.

Der gesuchstellenden Person soll es deshalb offenstehen, zu beantragen, dass die Anbringung der gerichtlichen Verfügung auf dem Grundstück durch eine Behörde erfolgt. Weitere Vorteile einer behördlichen Anbringung können darin bestehen, dass der Beginn der Einsprachefrist durch die amtliche Dokumentierung der Anbringung auf dem Grundstück klar feststeht bzw. einfacher zu beweisen ist und das öffentliche Interesse an einer möglichst einheitlichen Umsetzung der Bekanntmachung gewahrt werden kann. Die gesuchstellende Person bleibt für die Bekanntmachung insofern verantwortlich, als sie insbesondere die mit der Bekanntmachung verbundenen Kosten grundsätzlich zu übernehmen hat. Im Sinne der Ratio Legis hat die Anbringung der gerichtlichen Verfügung möglichst rasch zu erfolgen. Bei einer Hausbesetzung sollte es in der Regel ausreichen, die gerichtliche Verfügung mit Anschlägen an den Eingangstüren anzubringen. Auf die Anbringung von frei stehenden Tafeln, welche unter Umständen erst noch einer baupolizeilichen Bewilligung bedürfen, ist im Sinne einer raschen Beseitigung der Störung bzw. Rückgabe soweit möglich zu verzichten.

Als Vollstreckungsmassnahmen kommen die im Gesetz vorgesehenen Instrumente in Frage (insbesondere Art. 343 ZPO), bei einer Hausbesetzung im Regelfall die Anordnung der Räumung des Grundstücks. Das Gericht hat bei der Anordnung der Vollstreckungsmassnahmen die verschiedenen möglichen Szenarien - abhängig davon, ob Einsprache nach Artikel 260b E-ZPO erhoben wird oder nicht - vorausschauend zu berücksichtigen: Für den Fall, dass keine Einsprache erhoben wird, ist bei einer Besetzung für den Widerhandlungsfall die Räumung anzuordnen. Erhebt nur eine Person Einsprache, kann der Nutzen einer (polizeilichen) Räumung des Grundstücks fraglich sein, weil die Anwesenheit dieser Person weiterhin geduldet
werden muss. Für dieses Szenario kann es zur Verhinderung serieller Räumungen und Wiederbesetzungen des Grundstücks zweckmässig sein, von einer sofortigen Räumung des Grundstücks einstweilen abzusehen. Währenddessen hat die oder der von der Hausbesetzung Betroffene die Möglichkeit, die Ausweisung der Einsprache erhebenden Person bzw. Personen im kontradiktorischen Verfahren zu erwirken. Gestützt auf die gerichtliche Verfügung (gegen alle sich unberechtigt auf dem Grundstück aufhaltenden Personen) und das Ausweisungsurteil (gegen die Person, die zuvor Einsprache erhoben hat) kann die gerichtliche Verfügung vollstreckt und das Grundstück schliesslich vollständig geräumt werden. Bis dahin kann unter Umständen über ein gerichtliches Verbot das unbefugte Betreten des Grundstücks durch weitere Dritte, welche keine Einsprache erhoben haben, sanktioniert werden.

Beim gerichtlichen Verbot ist nicht geregelt, innert welcher Frist das Gesuch eingereicht werden muss. Diese Frage stellt sich dort aufgrund der präventiven Natur des Verbots, welches künftige Verstösse verhindern will, nicht. Mit der gerichtlichen Verfügung soll aber eine bereits eingetretene Störung beseitigt bzw. soll zur Rückgabe eines entzogenen Grundstücks verpflichtet werden. In der Lehre wird davon ausgegangen, dass ein Anspruch aus Artikel 927 f. ZGB durch das Verbotsverfahren nach Artikel 258­260 ZPO nicht rechtshängig wird und der Antrag nach Artikel 258 ZPO 35 / 46

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nicht dazu führt, dass die Frist von Artikel 929 Absatz 2 ZGB gewahrt wird.75 Von der Festlegung einer Frist zur Einreichung der gerichtlichen Verfügung wird vorliegend abgesehen. Es wird im Einzelfall vom Gericht zu beurteilen sein, ob ein zu langes Zuwarten als (konkludente) Einwilligung zur Störung oder Entziehung des Besitzes verstanden werden muss, womit das Vorliegen verbotener Eigenmacht fraglich erschiene und ein Rechtsschutzinteresse wohl nicht mehr gegeben wäre.

Da es sich bei der gerichtlichen Verfügung um einen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, kommt gemäss Artikel 255 Buchstabe b ZPO der eingeschränkte Untersuchungsgrundsatz zur Anwendung:76 Das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Es hat sich vom Vorhandensein der von der gesuchstellenden Person behaupteten Tatsachen selbst zu überzeugen, ist aber nicht verpflichtet, den Sachverhalt zu erforschen. Wo nötig, fordert das Gericht von der gesuchstellenden Person weitere Beweise ein, wobei keine Beweismittelbeschränkungen bestehen (Art. 254 Abs. 2 Bst. c ZPO).77 Analog zum gerichtlichen Verbot wird dieser Grundsatz in Absatz 2 neben der allgemeinen Mitwirkungspflicht der gesuchstellenden Person in zwei Punkten eingeschränkt beziehungsweise präzisiert. So hat die gesuchstellende Person ihren Besitz am betroffenen Grundstück mit Urkunden (insbesondere mit einem Grundbuchauszug, Baurechtsvertrag, Miet- oder Pachtvertrag etc.) zu beweisen (strikter Beweis); gelingt dieser Beweis nicht, so ist das Gesuch mangels Aktivlegitimation abzuweisen. Daneben ist im Gesuch die rechtswidrige Störung oder Entziehung des Besitzes am Grundstück mit den nach Artikel 254 ZPO zulässigen Beweismitteln glaubhaft zu machen. Darüber hinaus hat die gesuchstellende Person nach den allgemeinen Grundsätzen auch ihr Rechtsschutzinteresse darzulegen (vgl. Art. 59 Abs. 2 Bst. a ZPO). Dazu gehört insbesondere, dass sich die gerichtliche Verfügung (auch) gegen einen unbestimmten Adressatenkreis richten soll. Zur Vermeidung einer rechtsmissbräuchlichen Anrufung der gerichtlichen Verfügung (beispielsweise gegen abwesende unliebsame Mieterinnen und Mieter, Dienstbarkeitsberechtigte, in Ehescheidung oder -trennung lebende Personen oder Personen aus der Nachbarschaft etc.)

werden die Gerichte in diesem Kontext unter anderem zu prüfen haben, ob es
sich bei den mutmasslich Unberechtigten tatsächlich auch um der Gesuchstellerin oder dem Gesuchsteller unbekannte Personen handelt. Im Zweifelsfall wird diese Überprüfung mit relativ geringem Aufwand, beispielsweise mittels Prüfung des Grundbuchauszugs (hinsichtlich potenzieller Dienstbarkeitsberechtigter) und von Telefonbucheinträgen oder der Nachfrage beim zuständigen Einwohnermeldeamt (hinsichtlich potenzieller Mieterinnen und Mieter), möglich sein. Solche Nachforschungen gehören zur Prüfung der Prozessvoraussetzungen und dürfen dem Gericht im Hinblick auf den hier geltenden eingeschränkten Untersuchungsgrundsatz zugemutet werden. Dort, wo Zweifel an den Darstellungen der gesuchstellenden Person bestehen, kann Letztere unter Umständen dazu aufgefordert werden, die der ausreichenden Glaubhaftmachung dienenden Belege nachzuliefern. Ein allfälliges Ausbleiben ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu würdigen.

Nach Absatz 3 entscheidet das Gericht unverzüglich. Diese Abweichung zum gerichtlichen Verbot rechtfertigt sich, weil die gerichtliche Verfügung primär die Beseiti75 76 77

Tenchio/Tenchio 2017a: N 2 m. w. H.

Jent-Sørensen 2021: N 6; Tenchio/Tenchio 2017a: N 8, 12.

Mazan 2017: N 7; Güngerich 2012a: N 2.

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gung einer bereits eingetretenen Besitzesverletzung (z. B. einer Hausbesetzung) bezweckt.

Art. 260b

Bekanntmachung und Einsprache

Nach Artikel 260b E-ZPO gelten für die Bekanntmachung (vor allem bezüglich der öffentlichen Bekanntmachung) und die Einsprache die Regelungen von Artikel 259 und 260 ZPO sinngemäss auch für die gerichtliche Verfügung.

Damit die grundlegenden Verfahrensrechte der von der gerichtlichen Verfügung betroffenen Personen gewahrt werden, muss auch gegen die gerichtliche Verfügung Einsprache erhoben werden können. Artikel 260 ZPO kommt dabei - abgesehen von einigen Sonderregelungen - sinngemäss zur Anwendung. Wer die gerichtliche Verfügung nicht anerkennen will, kann also beim anordnenden Gericht Einsprache erheben. Dies verlangt die Offenlegung der eigenen Identität. Die gerichtliche Verfügung wird gegenüber der einsprechenden Person unwirksam und die gesuchstellende Besitzerin oder der gesuchstellende Besitzer auf das streitige Verfahren verwiesen. Zur Durchsetzung der Ansprüche gegenüber der Einsprecherin oder dem Einsprecher muss sodann eine Klage oder ein Gesuch eingereicht werden.

Im Unterschied zu Artikel 260 ZPO soll die Einsprachefrist jedoch nicht 30, sondern nur 10 Tage seit der Bekanntmachung der gerichtlichen Verfügung nach Artikel 259 ZPO betragen. Weil bei der gerichtlichen Verfügung bereits erfolgte Besitzesstörungen in Frage stehen und erwartet werden darf, dass mutmasslich unberechtigte Personen umgehend bei der Bekanntmachung im Sinne von Artikel 259 ZPO von der gerichtlichen Verfügung erfahren, erscheint dies gerechtfertigt. Unabhängig von einer Einsprache erwachsen die Anordnungen der gerichtlichen Verfügung analog zum gerichtlichen Verbot nicht in materielle Rechtskraft. Nach verpasster Frist kann daher eine von der gerichtlichen Verfügung betroffene Person deren Rechtmässigkeit mittels Feststellungsklage überprüfen lassen. Gleichzeitig bedeutet dies, dass der Anspruch der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers nach Artikel 927 f. ZGB mit dem Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Verfügung - gleich wie beim gerichtlichen Verbot - nicht rechtshängig wird und die Verjährungsfrist nach Artikel 929 Absatz 2 ZGB nicht gewahrt wird. Es bleibt dabei, dass der Besitzesschutz gegen ausschliesslich bestimmte bzw. namentlich bekannte Personen in einem kontradiktorischen Verfahren durchgeführt werden soll. Der Besitzerin oder dem Besitzer steht es frei, parallel zu einem anderen Verfahren zur
Durchsetzung ihrer oder seiner Besitzesschutzansprüche auch ein gerichtliches Verbot oder eine gerichtliche Verfügung zu erwirken. Bei der gerichtlichen Verfügung wird nicht rechtskräftig über den materiell-rechtlichen (possessorischen) Anspruch der gesuchstellenden Person entschieden; ein solcher Anspruch wird gegebenenfalls faktisch befriedigt. Will sie eine rechtliche Klärung ihres Besitzesschutzanspruchs, muss sie ihre materiellen Besitzesansprüche durchsetzen.

Hierzu stehen ihr prozessual andere Verfahren (wie das summarische Verfahren zum Schutz klaren Rechts oder auch das ordentliche bzw. vereinfachte Verfahren) zur Verfügung.78

78

Botschaft ZPO, BBl 2006 7221 Ziff. 5.18; Ernst 2019a: N 48, 49a; Tenchio/Tenchio 2017a: N 2.

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Abweichend vom gerichtlichen Verbot (Art. 260 Abs. 1 ZPO) ist die Einsprache bei der gerichtlichen Verfügung zu begründen. Durch diese Begründungspflicht wird die Einsprache erhebende Person gezwungen, sich über ein allfällig besseres Recht am Grundstück zu äussern. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Begründung der Einsprache rein querulatorischen Inhalts sein wird. Immerhin aber kann eine offensichtlich ungenügende Begründung der Besitzerin oder dem Besitzer in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren zum Vorteil gereichen, beispielsweise indem sie den Weg mittels Rechtsschutz in klaren Fällen nach Artikel 257 ZPO erleichtert. Fehlt bei der Einsprache jegliche Begründung, erfolgt sie nicht fristgerecht oder kann die einsprechende Person anhand der persönlichen Angaben nicht ausreichend identifiziert werden, vermag die Einsprache keinerlei Wirkung zu entfalten.

Wie erwähnt, bewirkt eine frist- und formgerechte Einsprache - gleich wie beim gerichtlichen Verbot - lediglich gegenüber der Einsprache erhebenden Person die Unwirksamkeit der gerichtlichen Verfügung. Gegenüber allen anderen Unberechtigten entfaltet die gerichtliche Verfügung weiterhin ihre volle Wirkung. Sofern eine Hausbesetzerin oder ein Hausbesetzer Einsprache erhebt, führt dies aber immerhin dazu, dass er oder sie dem Gericht seine oder ihre Personalien bekanntgeben muss. Die Besitzerin oder der Besitzer kann sodann den kontradiktorischen Verfahrensweg beschreiten, um einen Ausweisungstitel gegen die nunmehr namentlich bekannte unberechtigte Person zu erwirken. Das auf die gerichtliche Verfügung folgende Verfahren muss nicht zwingend ordentlicher Natur sein; sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind, kann auch eine andere Verfahrensart (beispielsweise Summarverfahren) anwendbar sein.79

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat keine unmittelbaren Auswirkungen, insbesondere weder finanzieller noch personeller Natur, auf den Bund.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Vorlage hat in verschiedener Hinsicht Auswirkungen auf die Kantone:

79

­

Aufgrund der Anpassung der ZPO kann sich allenfalls im Einzelfall ein Anpassungsbedarf bei den kantonalen Gerichtsverfahrens- und -organisationsgesetzen ergeben. Im Rahmen der Inkraftsetzung wird dafür zu sorgen sein, dass den Kantonen die dafür notwendige Zeit zur Verfügung stehen wird.

­

Die von den Zivilgerichten mit gerichtlicher Verfügung angeordneten Massnahmen zum Besitzesschutz werden im Einzelfall von den kantonalen BehörTenchio/Tenchio 2017b: N 8.

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den, insbesondere den Polizeibehörden vollstreckt werden müssen. Es obliegt den Kantonen, die von ihnen entwickelten standardmässig praktizierten Vorgehensweisen bei Hausbesetzungen auf deren Anpassungsbedarf zu prüfen und nötigenfalls anzupassen sowie die dafür notwendigen Ressourcen zu gewährleisten.

Die Vorlage überträgt den Kantonen und Gemeinden keine neuen Vollzugsaufgaben.

Bereits heute beschreiten von Hausbesetzungen oder allgemein Besitzesverletzungen Betroffene den Gerichtsweg. Ein signifikanter administrativer oder finanzieller Mehraufwand bei den Gerichtsbehörden ist allein aufgrund der neu vorgesehenen Möglichkeit, auch gegen namentlich nicht bekannte Personen vorzugehen, grundsätzlich nicht zu erwarten. Im Übrigen bleibt die kantonale Kompetenz im Polizeibereich gewahrt und bleibt es den Kantonen vorbehalten, die aus ihrer Sicht sinnvolle Rolle der Polizei im Kontext des Besitzesschutzes zu bestimmen.

Mit den vorgeschlagenen Anpassungen soll vorab zugunsten der Besitzerinnen und Besitzer ein optimierter Besitzesschutz für eine möglichst rasche Räumung besetzter Liegenschaften bereitgestellt werden. Von raschen Räumungen profitieren letztlich insbesondere auch diejenigen urbanen Zentren und Agglomerationen, welche von Hausbesetzungen und damit regelmässig einhergehenden Begleiterscheinungen und allenfalls sogar Ausschreitungen betroffen sind. Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf Berggebiete.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und Gesellschaft

Aufgrund der überschaubaren Anzahl von Hausbesetzungen80 sind im Bereich der Volkswirtschaft und Gesellschaft keine unmittelbar spürbaren Auswirkungen zu erwarten; die entsprechende Frage wurde daher nicht detailliert untersucht. Überdies lassen sich volkswirtschaftliche Auswirkungen von Anpassungen des Zivilprozessrechts naturgemäss, wenn überhaupt, nur schwer erfassen. Wie der Bundesrat bereits bei der Schaffung der Schweizerischen Zivilprozessordnung ausgeführt hat, trägt aber eine effiziente Rechtspflege zur wirtschaftlichen Prosperität und damit letztlich auch zu verbesserter Lebensqualität bei.81 So zielen die vorgeschlagenen Anpassungen der Zivilprozessordnung insbesondere darauf ab, die zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung und Rechtspflege weiter zu verbessern sowie effizienter zu machen und den zivilrechtlichen Rechtsschutz zugunsten der 80

81

Vgl. dazu Mabillard 2018, wonach die untersuchten Kantone im Jahresdurchschnitt folgende Anzahl besetzter Liegenschaften verzeichnen: Kanton bzw. Stadt Genf: 1­2 (Mabillard 2018: BT I G. 2. c. bb.)

Kanton Waadt: vermutungsweise 2 (Mabillard 2018: BT I. G. 3. c. bb.)

Kanton bzw. Stadt Bern: keine Angabe, jedoch 10­16 Polizeieinsätze verschiedener Art im Zusammenhang mit Hausbesetzungen in den Jahren 2013­2017 (Mabillard 2018: BT I. G. 4. c. bb.)

Kanton bzw. Stadt Zürich: 15­25 (Mabillard 2018: BT I. G. 5. c. bb.)

Kanton Basel-Stadt: keine Angabe (Mabillard 2018: BT I. G. 6. c. bb.).

Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7221 Ziff. 6.3.

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von einer Hausbesetzung Betroffenen zu verbessern. Heute bestehende Hürden zur Erlangung eines vollstreckbaren Ausweisungstitels gegen unbekannte Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer sollen abgebaut werden.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen letztendlich die Besitzes- und Eigentumsrechte und insbesondere auch der Zweck des Besitzesschutzes, nämlich die Verhinderung von Eigenmacht und damit die Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens, geschützt und gestärkt werden. Dies trägt zur gesellschaftlichen Stabilität bei und stärkt das Vertrauen der Bevölkerung und der Wirtschaft in den Rechtsstaat und seine Institutionen. Nur durchsetzbares und im Streitfall auch durchgesetztes und damit verwirklichtes Privatrecht erfüllt letztlich seine Aufgabe als gesellschaftliches Ordnungsinstrument.

6.4

Auswirkungen auf die Umwelt

Es sind keine spezifischen Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 BV, der dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivil- und Zivilprozessrechts gibt. Zur Abgrenzung gegenüber den Kompetenzen der Kantone im Bereich des Polizeirechts siehe Ziffer 4.1.2.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Für die Schweiz bestehen im Bereich des Besitzesschutzes zurzeit keine verbindlichen internationalen Verpflichtungen. Im Bereich des Zivilprozessrechts bestehen diverse bilaterale und multinationale Vereinbarungen, insbesondere das Lugano-Übereinkommen vom 30. Oktober 200782 sowie das Übereinkommen vom 15. November 196583 über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen, das Übereinkommen vom 18. März 197084 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und das Übereinkommen vom 1. März 195485 betreffend den Zivilprozess. Die Vorlage ist mit diesen Übereinkommen vereinbar.

82 83 84 85

SR 0.275.12 SR 0.274.131 SR 0.274.132 SR 0.274.12

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7.3

Erlassform

Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Der Erlass untersteht dem fakultativen Referendum.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen geschaffen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die vorgeschlagenen Änderungen zielen auf eine Verbesserung der praktischen Umsetzung des geltenden Besitzesschutzrechts ab. Dies gilt auch für die vorgeschlagene Konkretisierung der amtlichen Hilfe bei Besitzesstörungen, bei welchen den Kantonen aber im Ergebnis betrachtet nicht mehr Aufgaben zugewiesen werden als ihnen heute bereits obliegen. Die Kompetenzen der Kantone im Bereich des Polizeirechts bleiben unangetastet. Die vorgeschlagenen Anpassungen sind daher mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz vereinbar und durch die Notwendigkeit einer schweizweit einheitlich funktionierenden Durchsetzung des Besitzesschutzes, insbesondere auch aus zivilverfahrensrechtlicher Sicht, gerechtfertigt.

7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Vorlage sieht keine Finanzhilfen oder Abgeltungen vor.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Mit der Vorlage werden keine Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert.

7.8

Datenschutz

Unter dem Gesichtspunkt der Bearbeitung von Personendaten hat die vorliegende Anpassung des Zivilgesetzbuches und der Zivilprozessordnung keine Auswirkungen auf den Datenschutz.

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