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Ausnahmebewilligung des ESTI Abweichung von der Bestimmung über die periodischen Nachweise nach Art. 36 NIV vom 15. Dezember 2023

Das Eidgenössische Starkstrominspektorat ESTI gestützt auf: ­

Artikel 21 Ziffer 2 des Elektrizitätsgesetzes vom 24. Juni 1902 (EleG, SR 734.0)

­

Artikel 1 Absatz 4 der Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen vom 7. November 2001 (NIV, SR 734.27);

erwägt:

1. Ausgangslage Die aktuell geltende NIV wurde per 1. Januar 2002 in Kraft gesetzt. Mit ihr wurde die Pflicht der Netzbetreiberinnen zur Durchführung der periodischen Kontrollen an elektrischen Installationen, die sie mit Energie versorgen, auf unabhängige Kontrollunternehmen übertragen. Diese Kontrollunternehmen müssen von Eigentümern beauftragt werden, um Abnahmekontrollen wie auch die periodischen Kontrollen an elektrischen Installationen durchzuführen.

Seit dem Inkrafttreten der NIV sind etwas mehr als 20 Jahre vergangen. Aus diesem Grund werden in den nächsten Jahren zahlreiche periodische Kontrollen für Objekte mit 20-jährigen Kontrollperioden, welche anfangs 2000er-Jahre gebaut worden sind, fällig. Gleichzeitig werden auch zahlreiche Installationen fällig, welche aufgrund der altrechtlichen Übergangsfrist erstmals eine periodische Kontrolle bestehen müssen.

Dazu kommen fällige periodische Kontrollen, welche während den Pandemiejahren zurückgestellt werden mussten. Insgesamt ist deshalb mit einer starken Zunahme der periodischen Kontrollen über die nächsten fünf Jahre zu rechnen, was die Netzbetreiberinnen dem ESTI mitgeteilt haben.

Ausserdem sind die Kontrollorgane, aber auch die Installateure, unter anderem wegen des Zubaus von Energieerzeugungsanlagen stark gefordert. Der Fachkräftemangel erlaubt es aber der Branche zurzeit nicht, rechtzeitig zusätzliches, qualifiziertes Personal anzustellen. Aus diesen Gründen werden die Fristen zur Durchführung der periodischen Kontrolle samt Mängelbehebung nicht in allen Fällen eingehalten werden können.

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2. Formelles Nach Artikel 1 Absatz 4 NIV kann die Abweichung von einzelnen Vorschriften der Verordnung bewilligt werden, wenn eine Bestimmung nur unter ausserordentlichen Schwierigkeiten befolgt werden kann oder sie sich für die technische Entwicklung als hinderlich erweist. Zuständig für die Erteilung solcher Bewilligungen ist das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, oder in weniger bedeutenden Fällen das Eidgenössische Starkstrominspektorat ESTI.

Zu beurteilen ist die Abweichung von den Modalitäten der Pflicht zur Aufforderung zur periodischen Kontrolle nach Artikel 36 NIV. Diese Pflicht berührt nicht direkt sicherheitstechnische Aspekte, sondern dient der Durchsetzung der Pflicht der Eigentümer, periodisch den Nachweis zu erbringen, dass ihre Installationen sicher sind (vgl.

Art. 5 Abs. 1 NIV). Betroffen sind primär administrative Vorgänge. Der sicherheitstechnische Aspekt, nämlich die Pflicht zur Durchführung der periodischen Kontrolle der elektrischen Installationen wie auch die Dauer der einzelnen Kontrollperioden, werden nicht berührt. Zudem ist die Tragweite der Bestimmung gemessen am Regelungsgegenstand der NIV (Sicherheit und Störungsfreiheit der elektrischen Installationen; vgl. Art. 3 und 4 NIV) gering. Dazu kommt, dass das ESTI gestützt auf Artikel 36 Absatz 4 NIV schon heute in Ausnahmefällen Abweichungen von Kontrollperioden nach Anhang NIV bewilligen kann. Aus diesen Gründen ist die Abweichung als weniger bedeutender Fall im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 NIV zu qualifizieren, weshalb das ESTI für den Erlass der Ausnahmebewilligung zuständig ist.

3. Materielles Gemäss Artikel 36 Absatz 1 NIV fordern die Netzbetreiberinnen die Eigentümer, deren elektrische Installationen aus ihrem Niederspannungsverteilnetz versorgt werden, mindestens sechs Monate vor Ablauf der Kontrollperiode schriftlich auf, den Sicherheitsnachweis nach Artikel 37 NIV bis zum Ende der Kontrollperiode einzureichen.

Diese Frist kann bis längstens ein Jahr nach Ablauf der festgelegten Kontrollperiode verlängert werden. Wird der Sicherheitsnachweis trotz zweimaliger Mahnung nicht innerhalb der festgesetzten Frist eingereicht, so übergibt die Netzbetreiberin dem Inspektorat die Durchsetzung der periodischen Kontrolle (Art. 36 Abs. 3 NIV).

Sodann sorgt gestützt auf Artikel 5 Absatz 1 NIV der Eigentümer oder der von ihm bezeichnete Vertreter dafür, dass die elektrischen Installationen ständig den Anforderungen der Artikel 3 und 4 NIV entsprechen. Er muss auf Verlangen den entsprechenden Sicherheitsnachweis erbringen. Weiter muss er Mängel unverzüglich beheben lassen (Art. 5 Abs. 3 NIV).

Aus den eingangs erwähnten Gründen und den sich daraus ergebenden Verzögerungen ist die in Artikel 36 Absatz 3 NIV vorgesehene Möglichkeit der Fristerstreckung von maximal einem Jahr zu kurz bemessen. Wird die Dauer der möglichen Fristerstreckung auf zwei Jahre verdoppelt, können die Netzbetreiberinnen voraussichtlich viele Fälle unkompliziert ohne Einbezug des ESTI abschliessen.

So ermöglicht die Verdoppelung der Dauer von Fristerstreckungen eine zeitliche Staffelung der grossen Anzahl der fälligen Kontrollen. Gleichzeitig wird damit verhindert, dass Fälle an das ESTI zur Durchsetzung überwiesen werden, in welchen eine ausge2/4

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dehntere Fristerstreckung zum Ziel führen würde. Grundsätzlich soll das ESTI nur dann mit der Durchsetzung der periodischen Kontrolle befasst werden, wenn ein Eigentümer diese Kontrolle verweigert.

Andererseits sollen die Netzbetreiberinnen aber von Fällen entlastet werden, bei welchen absehbar ist, dass eine Fristerstreckung einem administrativen Leerlauf gleichkäme. So können Fälle betreffend gewisse Kategorien von Eigentümern nach zweimaliger Mahnung ohne Fristerstreckung direkt an das ESTI überwiesen werden. Die Netzbetreiberinnen gewähren also die Fristerstreckungen nach wie vor im Einzelfall auf ausreichend begründetes Gesuch hin. Ausreichend begründet heisst z. B., dass der Eigentümer trotz nachgewiesenen Bemühungen (Absagen per E-Mail oder ähnlich) innert Frist keinen Kontrolleur finden konnte oder keinen Installateur, welcher die festgestellten Mängel rechtzeitig beheben kann. In jedem Fall muss bei einer Fristerstreckung kurz dargelegt werden, warum die Frist nicht eingehalten werden kann; Belege sollen wo möglich die Anfrage zum Fristerstreckungsgesuch stützen.

Mit der Möglichkeit, Fristerstreckungen von bis zu zwei Jahren zu gewähren, wird an die bewährte Praxis des ESTI während der Pandemie angeknüpft, welche vorsah, dass die Netzbetreiberinnen die Fristen für die periodische Kontrolle um bis zu 18 Monate erstrecken konnten.

Am Grundsatz, dass der Eigentümer für den guten Zustand und insbesondere die sofortige Mängelbehebung (Art. 5 Abs. 3 NIV; vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_909/2021, E. 5.5 und 6.1) alleine verantwortlich ist, ändert diese Ausnahmebewilligung nichts.

Es wird zu prüfen sein, ob die hier vorgesehene Massnahme tatsächlich die erwünschte Wirkung erzielt. Die Ausnahmebewilligung ist damit zu befristen, wobei eine Verlängerung der Geltungsdauer geprüft werden kann. Eine Befristung auf vorerst sechs Jahre erscheint geeignet und angemessen, um die Entwicklung zu beobachten und die Wirkung zu beurteilen.

Schliesslich ist die nunmehr feste Praxis des ESTI festzuhalten, dass die Netzbetreiberinnen die Überweisungen von periodischen Kontrollen zur Durchsetzung an das ESTI grundsätzlich über die elektronische Plattform des ESTI zu erfolgen haben.

Überweisungen auf anderen Wegen sind damit nur ausnahmsweise zulässig.

verfügt: 1.

In Abweichung von Artikel 36 Absatz 3 der Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen (NIV; SR 734.27) kann die Frist für das Einreichen des Sicherheitsnachweises bis längstens zwei Jahre nach Ablauf der festgelegten Kontrollperiode verlängert werden.

2.

Die Übergabe zur Durchsetzung hat in jedem Fall elektronisch über die dafür vorgesehene Plattform des ESTI zu erfolgen.

3.

Diese Ausnahmebewilligung gilt für sechs Jahre. Ihre Geltungsdauer kann verlängert werden.

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4.

Diese Ausnahmebewilligung wird gestützt auf Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c des Publikationsgesetzes (SR 170.512) und Artikel 22 Buchstabe a der Publikationsverordnung (SR 170.512.1) im Bundesblatt publiziert.

5.

In Anwendung von Artikel 35 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (SR 172.021) können Betroffene eine Verfügung mit einer Rechtsmittelbelehrung verlangen.

6.

Mitteilung an: ­ Bundesamt für Energie BFE ­ Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE ­ Verband Schweizerischer Elektro-Installationsfirmen EIT.swiss ­ Verband Schweizerischer Elektrokontrollen VSEK ­ ODEC Schweizerischer Verband der diplomierten Absolventinnen und Absolventen höherer Fachschulen

6. Februar 2024

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Bundesamt für Energie