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Tätigkeiten der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle Kurzbericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 21. November 2023 Stellungnahme des Bundesrates vom 14. Februar 2024

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Kurzbericht der GPK-N vom 21. November 20231 betreffend Tätigkeiten der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Februar 2024

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi

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2024-0434

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Zwischen 2020 und 2022 befasste sich die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-N) mit den Tätigkeiten der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST). Diese ausserparlamentarische Kommission hat den Auftrag, Unfälle und Zwischenfälle in den Bereichen des öffentlichen Verkehrs, der Zivilluftfahrt sowie der Hochseeschifffahrt zu untersuchen. Die Untersuchungen der SUST sollen zur Vermeidung künftiger Unfälle die unmittelbaren Ursachen, die Gründe von Zwischenfällen und damit verbundene Risiken ermitteln.

Die GPK-N hat ihre Arbeiten aufgrund des Absturzes der «JU-52» der Fluggesellschaft Ju-Air im August 2018 und des Unfalls im Bahnhof Baden (AG), der im August 2019 einem Mitarbeiter der SBB das Leben kostete, aufgenommen. Die GPK-N erhielt 2022 auch mehrere Aufsichtseingaben von Akteuren aus dem Verkehrswesen, insbesondere aus dem Luftfahrtbereich, zu den Tätigkeiten der SUST. Zuständig für das Dossier ist die Subkommission EDI/UVEK der GPK-N.

Die GPK-N kommt zum Schluss, dass die Funktionsfähigkeit der SUST derzeit generell gewährleistet ist, dass die Untersuchungsstelle über ein hohes Mass an Fachwissen in ihrem Bereich verfügt und dass sie die Herausforderungen, die sich ihr stellen, in angemessener Weise erkennt. Die parlamentarische Oberaufsicht hat keine systemischen Mängel erkannt, die das ordnungsgemässe Funktionieren der SUST gefährden könnten. Sie hat aber festgestellt, dass in verschiedenen Bereichen ein gewisses Potenzial für Verbesserungen besteht, mit welchem die Wirksamkeit der SUST erhöht werden könnte. Dazu hat die GPK-N sechs Empfehlungen zuhanden des Bundesrates formuliert.

Die Kommission verabschiedete den Bericht und die darin gemachten Empfehlungen an ihrer Plenarsitzung vom 21. November 2023. Die GPK-N ersuchte den Bundesrat, die Feststellungen und Empfehlungen zu berücksichtigen und bis zum 21. Februar 2024 dazu Stellung zu nehmen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat dankt der GPK-N und ihrer Subkommission EDI/UVEK für das Verfassen des Kurzberichts vom 21. November 2023 und die Möglichkeit zur Stellungnahme. Mit den im Bericht gemachten Ausführungen und den sechs Empfehlungen ist der Bundesrat grundsätzlich einverstanden, er möchte aber nachfolgende Bemerkungen anbringen.

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Zu den Empfehlungen 1 (Ressourcen des Untersuchungsdienstes der SUST erhöhen) und 2 (Vergrösserung der Kommission der SUST) Gemäss der Verordnung vom 17. Dezember 20142 über die Sicherheitsuntersuchung von Zwischenfällen im Verkehrswesen (VSZV) setzt sich die SUST zusammen aus drei bis fünf unabhängigen Fachleuten aus den einschlägigen Bereichen des Verkehrswesens. Aktuell umfasst die SUST drei Mitglieder. Der Bundesrat kann sich den Ausführungen der GPK-N anschliessen, wonach eine Vergrösserung der Kommission das Fachwissen des Gremiums erhöht und zu einer Verbesserung der Akzeptanz der SUST bei den Branchenakteuren führen kann. Er nimmt auch die Ausführungen der GPK-N zur Kenntnis, wonach keine andere ausserparlamentarische Kommission mit Entscheidkompetenz weniger als fünf Mitglieder umfasst.

Der Bundesrat wird daher die Kommission der SUST auf fünf Mitglieder vergrössern.

Die Gesamterneuerungswahlen der ausserparlamentarischen Kommissionen für die Periode 2024­2027 haben im November 2023 stattgefunden. Der Bundesrat wird die Wahl von zwei zusätzlichen Mitgliedern in die SUST mit separatem Antrag im ersten Halbjahr 2024 vornehmen. Auch die in Empfehlung 1 erwähnten Massnahmen wird der Bundesrat ergreifen. Allerdings erscheint es in der Gesamtbetrachtung beider Empfehlungen zielführend, zuerst die Kommission zu vergrössern und gestützt auf deren Beurteilung in einem zweiten Schritt über den allfälligen Ausbau der Kapazitäten des Untersuchungsdienstes der SUST zu befinden.

Zur Empfehlung 3 (Verstärkung der Aufsicht über die SUST) Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die GPK-N verlangt, dass subsidiär das UVEK die SUST beaufsichtigt und diese Aufsicht aktiv wahrnimmt. Gleichwohl möchte der Bundesrat darauf hinweisen, dass bei der Umsetzung dieser Empfehlung Folgendes zu berücksichtigen ist: Die SUST ist eine von den Verwaltungsbehörden unabhängige ausserparlamentarische Kommission. Es wird dem UVEK auch künftig nicht zustehen, gegenüber der SUST eine Oberaufsicht auszuüben, Weisungen zu erteilen, Massnahmen zur Umsetzung von Empfehlungen zu fordern oder ihre Arbeit inhaltlich zu beurteilen. Die SUST ist dem UVEK weiterhin lediglich administrativ zugewiesen.

Innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens wird das UVEK die Empfehlung 3 umsetzen. Die SUST wird sich weiterhin regelmässig internationalen
Peer-Reviews unterziehen; solche sind für die Jahre 2024 und 2026 bereits vorgesehen. Damit ergibt sich die Gelegenheit, im Rahmen der Peer-Reviews auch die Auswirkungen der Ressourcenerhöhung zu überprüfen. Die Institutionalisierung eines regelmässigen Austauschs zwischen dem GS UVEK und der SUST-Kommission wurde bereits in die Wege geleitet. Es ist vorgesehen, dass sich der Vorsteher UVEK einmal pro Jahr mit der SUST-Kommission trifft und sich die aktuellen Themen und Herausforderungen präsentieren lässt. Die von der GPK-N gewünschte Nachverfolgung der SUSTAktivitäten wird durch das «Safety Office» im GS UVEK wahrgenommen.

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SR 742.161

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Zur Empfehlung 4 (Klärung der Modalitäten für die Weitergabe der SUST-Untersuchungsberichte an die Strafverfolgungsbehörden) Der Bundesrat erachtet es ebenfalls als wichtig, dass sich die SUST und die Bundesanwaltschaft regelmässig über die Handhabung ihrer Aufgaben austauschen. Er ermuntert die beiden Behörden, diesen Austausch ­ im Rahmen der rechtlichen Schranken ­ weiter zu pflegen. Die Ausdehnung eines solchen Austausches auf die kantonalen Staatsanwaltschaften ist jedoch vorerst nicht angezeigt. Im Rahmen der laufenden Teilrevision des Luftfahrtgesetzes (LFG)3 ist beabsichtigt, die Zuständigkeit zur Verfolgung von luftfahrtspezifischen Verbrechen und Vergehen bei der Bundesanwaltschaft zu konzentrieren (Motion Candinas 18.3700 vom 15. Juni 2018). Aus diesem Grund ist es derzeit nicht sinnvoll, den Abschluss von Koordinationsvereinbarungen mit den kantonalen Staatsanwaltschaften an die Hand zu nehmen.

Der Bundesrat hat das Thema Fehlerkultur mit seinem Bericht vom 9. Dezember 2022 «Fehlerkultur: Möglichkeiten und Grenzen ihrer rechtlichen Verankerung, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 20.3463 (RK-S) vom 25. Mai 2020» eingehend untersucht. Der Bericht zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, wie der Umgang mit Fehlern verbessert werden kann. Er zeigt aber auch, dass die grundlegenden Prinzipien des Rechtssystems respektiert werden müssen. Dazu gehört insbesondere, die Interessen von Opfern zu wahren und die Gleichbehandlung von beschuldigten Personen in der Strafverfolgung sicherzustellen. Diese Erkenntnisse fliessen in die Teilrevision des LFG ein. Insbesondere sollen verschiedene Grundsätze der Fehlerkultur aufgenommen werden. Die Vernehmlassung ist für das erste Halbjahr 2024 vorgesehen.

In Übereinstimmung mit der Empfehlung der GPK-N prüft der Bundesrat weiter die Verstärkung der Grundsätze der Fehlerkultur in der VSZV. Diese Änderungen der VSZV sollen am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Zur Empfehlung 5 (Regeln für die Nachverfolgung der Umsetzung der Sicherheitsempfehlungen durch die SUST klären) Im Rahmen der Revision der VSZV wird ebenfalls geprüft, ob Artikel 48 VSZV, welcher den Umgang mit Sicherheitsempfehlungen regelt, zu präzisieren ist. Insbesondere soll ausdrücklich festgehalten werden, dass die SUST zu den Umsetzungsberichten der Bundesämter Stellung nehmen
muss. Die SUST und das BAZL haben 2023 bereits verschiedene Kommunikationsmassnahmen vereinbart, um künftig Missverständnisse möglichst zu verhindern.

Zur Empfehlung 6 (Bilanz der neuen Praxis in Sachen Nachverfolgung der Umsetzung der Sicherheitsempfehlungen durch das «Safety Office» ziehen) Der Bundesrat stimmt auch dieser Empfehlung zu. Das zuständige UVEK wird innerhalb von drei Jahren den gewünschten Bericht vorlegen.

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SR 748.0