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Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 10. Oktober 2023 Stellungnahme des Bundesrates vom 14. Februar 2024

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 10. Oktober 20231 betreffend die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Februar 2024

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi

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2024-0421

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) beschlossen in ihrer Funktion als parlamentarisches Oberaufsichtsorgan Ende Mai 2020, eine Inspektion des Umgangs des Bundesrates und der Bundesverwaltung mit der Coronakrise (Covid-19-Krise) einzuleiten. Seither sind die GPK und ihre Subkommissionen daran, verschiedene zentrale Aspekte des Krisenmanagements zu analysieren. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) hat sich dabei insbesondere auch mit der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen bei der Pandemiebewältigung befasst. Gemäss Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe b der Bundesverfassung2 (BV) ist der Bund für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständig; die Kantone bleiben nach Artikel 3 Absatz 42 ff. BV ­ vorbehältlich einschlägiger Bundeskompetenzen ­ für die Gesundheitsversorgung einschliesslich des Spitalwesens zuständig. Das Epidemiengesetz vom 28. September 20123 (EpG) widerspiegelt diese Aufgabenverteilung. Die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten wie Covid-19 ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen. Aus diesem Grund ist eine gute Zusammenarbeit der Bundes- und Kantonsbehörden für den angemessenen Umgang mit einer Pandemie wie derjenigen, die Anfang 2020 auftrat, von zentraler Bedeutung.

Die neuen Herausforderungen, die sich infolge der globalen Energiekrise seit 2021 stellen, bestätigen, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen föderalen Akteure entscheidend ist, um die Krisen zu bewältigen, mit denen die Schweiz, in welchem Bereich auch immer, künftig konfrontiert sein wird.

Die Covid-19-Pandemie erforderte aufgrund ihrer Dauer und Komplexität eine besonders intensive Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Nachdem der Bundesrat und die Kantone eine Beurteilung vorgenommen haben, analysiert nun die GPK-S diese Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Pandemie und ermittelt, welche Lehren im Hinblick auf künftige Krisen gezogen werden können.

Die GPK-S kommt in ihrem Bericht vom 10. Oktober 20234 zum Schluss, dass die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen bei der Pandemiebewältigung sowohl positive als auch negative Aspekte aufwies. Auch dank Zusammenarbeit der Bundesund Kantonsbehörden verlief die Bewältigung der Krise für die Schweiz insgesamt zufriedenstellend. Gemäss der Einschätzung der GPK-S erfüllten die Massnahmen der Bundesbehörden
in diesem Bereich die Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit weitgehend. Dennoch hat die Kommission mehrere Mängel erkannt, die aufzeigen, dass Optimierungsbedarf besteht, insbesondere beim Einbezug der Kantone in die Krisenorganisation und bei der Aufgabenverteilung in der «besonderen Lage». Gestützt auf ihre Erkenntnisse hat die GPK-S dreizehn Empfehlungen formuliert und zwei Postulate beschlossen.

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SR 101 SR 818.101 BBl 2023 2852

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Mit Schreiben vom 11. Oktober 2023 hat die GPK-S ihren Bericht an den Bundesrat überwiesen. Sie ersucht ihn darin, ihre Feststellungen und Empfehlungen zu berücksichtigen und bis am 15. Februar 2024 dazu Stellung zu nehmen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat dankt der GPK-S für den Bericht, der sich kritisch mit der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie auseinandersetzt. Er misst den Lehren, die aus der Covid-19-Pandemie zu ziehen sind, grosse Bedeutung bei und teilt die Auffassung der GPK-S, dass einige Aspekte der Verbesserung oder Klärung bedürfen, insbesondere, was die Strukturen für die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen, die Kompetenzverteilung im Pandemiefall sowie die Einbindung der Kantone in die schweizweiten Gesundheitsmassnahmen zur Krisenbewältigung betrifft.

Der Bundesrat nimmt die Empfehlungen der GPK-S aus dem Bericht entgegen und ist bereit, sie in die bereits laufenden Arbeiten aufzunehmen. Er prüft die Empfehlungen insbesondere im Rahmen der Revision des EpG. Davon ausgenommen sind die Empfehlungen 3 (In Krisenzeiten regelmässige institutionalisierte Treffen zwischen Bund und Kantonen einführen) und 11 (Die Kantone in Krisenzeiten besser über schweizweite Massnahmen informieren), die der Bundesrat als umgesetzt erachtet.

Ebenfalls ist die Empfehlung 9 (Die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten von Bund und Kantonen in der normalen Lage nach einer Pandemie klären) ausgenommen, da der Bundesrat der Ansicht ist, dass am Grundsatz des dreistufigen Lagemodells festgehalten werden soll, und deshalb eine zusätzliche, auf die besondere Lage folgende Lage zu schaffen, ablehnt.

Die Stellungnahme des Bundesrates ist nach den Empfehlungen des Berichts der GPK-S vom 10. Oktober 2023 gegliedert.

Empfehlung 1

Einbezug der Kantone in die Krisenorganisation des Bundes klären

Der Bundesrat wird ersucht, die in seinem Bericht vom März 2023 angekündigten Grundsätze zum Einbezug der Kantone in die Krisenorganisation des Bundes zu konkretisieren. Insbesondere wird er gebeten, in Absprache mit den Kantonen zu klären, wie die Kantone in die eidgenössischen Stäbe einzubeziehen sind, und die entsprechenden Regeln auf Verordnungs- oder Weisungsstufe festzulegen.

Der Bundesrat wird zudem eingeladen, zu klären, wie die Kantone in die von den Ämtern eingerichteten «Fachkrisenstäbe» einzubeziehen sind, und die Leitlinien für einen solchen Einbezug festzulegen.

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Der Bericht des Bundesrates zur verbesserten Krisenorganisation der Bundesverwaltung vom 29. März 20235 hält Mindestanforderungen an das Krisenmanagement im Sinne von verbindlichen Vorgaben fest. Eine dieser Anforderungen bezieht sich auf den «Einbezug relevanter Akteure». Darunter wird verstanden, dass der permanente Kernstab das federführende Departement bei der systematischen Prüfung des Einbezugs unterstützt. Letztendlich liegt der Entscheid über das Ob und das Wie des Einbezugs aber beim federführenden Departement.

Die Anforderung des Einbezugs der relevanten Akteure wird im Rahmen der Umsetzungsarbeiten zum Bericht des Bundesrates vom 29. März 2023 zur verbesserten Krisenorganisation der Bundesverwaltung konkretisiert. Wenn in einer Krise ein Politisch-Strategischer Krisenstab (PSK) oder ein Operativer Krisenstab (OPK) einberufen wird, so berät der Permanente Kernstab oder die Bundeskanzlei in Zusammenarbeit mit anderen Stellen das federführende Departement oder Amt in der Frage, ob und welche kantonalen Stellen einbezogen werden sollen. Für einen Einsitz in den Krisenstäben des Bundes kommen insbesondere die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), die kantonalen Fachdirektorenkonferenzen oder Vertretungen einzelner Kantone in Frage. Den Verwaltungseinheiten der Bundesverwaltung sind die entsprechenden Kontaktstellen in den Kantonen in der Regel bekannt. Sind diese nicht bekannt oder würden interne Abklärungen zu lange dauern, um die zuständige kantonale Stelle zu ermitteln, kann das Generalsekretariat der KdK als «Single Point of Contact» (SPOC) der Kantone Auskunft geben. Dieses Vorgehen wird in der neuen Verordnung über das Krisenmanagement des Bundes, die zurzeit erarbeitet wird, in den entsprechenden Erläuterungen sowie in einem «Handbuch Krisenmanagement Bundesverwaltung» (Arbeitstitel) seinen Niederschlag finden.

Der Einbezug der Kantone in die sogenannten Fachkrisenstäbe ­ hier sei auf die Motionen 22.3506 GPK-N und 22.3507 GPK-S verwiesen, die beide am 20. September 2022 an den Bundesrat überwiesen wurden ­ wird voraussichtlich direkt in den Verordnungen oder Weisungen zu den jeweiligen Fachkrisenstäben geregelt. Es ist vorgesehen, dass der Permanente Kernstab nicht nur die überdepartementalen Krisenstäbe, sondern auch die Krisenstäbe der Departemente und Ämter unterstützen und beraten wird. Gleichzeitig liegt die Festlegung der Zusammensetzung dieser Krisenstäbe in der Kompetenz der Departemente.

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Verbesserte Krisenorganisation der Bundesverwaltung. Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Postulate 21.3205 FDP-Liberale Fraktion «Rolle des Bundesstabes für Bevölkerungsschutz im Rahmen der Covid-19 Pandemie» vom 17. März 2021; 21.3449 Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates «Strategisches Krisenmanagement» vom 25. März 2021; 22.3343 Grünliberale Fraktion «Endlich die institutionelle Krisenresistenz des Bundesrates sicherstellen» vom 18. März 2022; abrufbar unter www.bk.admin.ch > Dokumentation > Führungsunterstützung > Krisenmanagement > Verbesserte Krisenorganisation der Bundesverwaltung.

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Empfehlung 2

Bestimmung und Bekanntgabe der Kontaktstellen bzw. Ansprechpersonen im Krisenfall sicherstellen

Der Bundesrat wird ersucht, sicherzustellen, dass beim Auftreten einer Krise die relevanten Kontaktstellen bzw. Ansprechpersonen für jeden Themenbereich bestimmt werden und die entsprechenden Informationen allen Beteiligten zugänglich gemacht werden. Digitale Lösungen sind zu prüfen.

Um den Informationsfluss und die Koordination mit den Kantonen und anderen relevanten externen Akteuren des nationalen Krisenmanagements zu verbessern, bedarf es einer klar definierten, im Voraus bekannten Anlauf- und Kontaktstelle. Diese soll nach Möglichkeit für jede Art von Krisen dieselbe sein und nicht abhängig vom federführenden Departement wechseln. Die Kontaktstelle wird ein fester Bestandteil des Permanenten Kernstabs sein, wird von der Nationalen Alarmzentrale betrieben, ist während des ganzen Jahres rund um die Uhr erreichbar und sorgt bei Bedarf für die Vermittlung von Kontakten an die zuständigen Stellen oder Personen.

Mit der KdK wurde eine Lösung im Rahmen eines «Single Point of Contact» gefunden. Bei Unklarheiten, an wen sich die Bundesverwaltung seitens der Kantone wenden kann, dient das Generalsekretariat der KdK als erste Anlaufstelle. Auch mit der Wissenschaft wird es eine solche Lösung geben. Dies vereinfacht die Prozesse, da keine langen Kontaktlisten geführt und mit hohem Aufwand aktuell gehalten werden müssen.

Der Permanente Kernstab wird dennoch eine Übersicht der wichtigsten Akteure, speziell für den Bereich kritische Infrastrukturen. Die Departemente und Ämter stehen aufgrund ihrer täglichen Arbeit mit externen Partnern und aufgrund von Vorsorgeplanungen mit den wichtigsten Akteuren bereits in Kontakt.

Was die Digitalisierung betrifft, so ist auf das Projekt «e-Consultations» im Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) zu verweisen und auf die Elektronische Lagedarstellung, die im Ereignisfall und auch bereits vor einer Krise einen Informationsaustausch zwischen den Einsatzorganisationen des Bevölkerungsschutzes möglich macht. Die Bundeskanzlei ist bereits im zweiten Auswertungsbericht über das Krisenmanagement der Bundesverwaltung in der Covid-19 Pandemie6 darauf eingegangen, dass diese zentralisierte Plattform während der Covid-19-Pandemie von vielen Akteuren zu wenig konsequent genutzt wurde.

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Bericht zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (2. Phase / August 2020 bis Oktober 2021); abrufbar unter www.bk.admin.ch > Führungsunterstützung > Krisenmanagement > Zweite Auswertung des Krisenmanagements der Bundesverwaltung in der Covid-19-Pandemie.

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Empfehlung 3

In Krisenzeiten regelmässige institutionalisierte Treffen zwischen Bund und Kantonen einführen

Der Bundesrat wird ersucht, zu prüfen, ob in Krisenzeiten regelmässige institutionalisierte Treffen zwischen dem Bundesratskollegium und den Kantonen eingeführt werden sollten, und zwar in Form einer transversalen Plattform für den Austausch auf der politischen Ebene. In diesem Zusammenhang ersucht sie den Bundesrat, insbesondere über die Rolle und die Tätigkeit des Föderalistischen Dialogs in Krisenzeiten nachzudenken.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 18. Oktober 2023 den Antrag der KdK zur Weiterentwicklung des Föderalistischen Dialogs zur Kenntnis genommen. Am Föderalistischen Dialog vom 10. November 2023 hat die Delegation des Bundesrates gemeinsam mit der Delegation der Kantone entschieden, dass der Föderalistische Dialog oder ein Präsidialtreffen neu mindestens einmal im Jahr in informellem Rahmen stattfinden wird. In einer Krise wird ein Krisenaustausch nach Bedarf stattfinden. Der Bundesrat erachtet die Empfehlung als umgesetzt, da er ­ zusammen mit der KdK ­ über die Rolle und die Tätigkeit des Föderalistischen Dialogs in Krisenzeiten nachgedacht und das Gremium entsprechend weiterentwickelt hat.

Empfehlung 4

Die Zusammenarbeit zwischen den Departementen und den interkantonalen Konferenzen im Krisenfall regeln

Der Bundesrat wird ersucht, dafür zu sorgen, dass das EDI mit der GDK eine Vereinbarung ausarbeitet, welche die Einzelheiten ihrer Zusammenarbeit während einer Pandemie auf der Grundlage des Strategiepapiers vom Oktober 2020 regelt.

Der Bundesrat wird zudem aufgefordert, zu prüfen, in welchen anderen Bereichen die eidgenössischen Departemente mit den entsprechenden kantonalen Konferenzen ähnliche Vereinbarungen zu ihrer Zusammenarbeit in Krisenzeiten abschliessen sollten. Solche Vereinbarungen sollten insbesondere in Bereichen abgeschlossen werden, die potenziell anfällig für schwere Krisen sind.

Das Strategiepapier der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zur Bewältigung von Covid-19 vom 22. Oktober 2020 definierte das Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz zu schützen und die Auswirkungen des Ausbruchs und der Verbreitung von SarsCoV-2 so weit als möglich zu minimieren. Die gemeinsame Strategie beruhte auf drei Stufen entlang des zu erwartenden epidemischen Verlaufs. Sie basierte auf der bundesrätlichen Verhütungs- und Bekämpfungsstrategie vom Juni 2020 und auf dem «Rebound Papier» (Abfederung eines Wiederanstiegs von Covid-19) der GDK und der Vereinigung der Kantonsärzte und Kantonsärztinnen der Schweiz und berücksichtigte die epidemiologische Lage, die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Erfahrungen aus dem bisherigen Pandemieverlauf.

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Das Strategiepapier hielt ausserdem das gemeinsame Grundverständnis der GDK und des BAG fest, wonach die Bewältigung der Krise eine enge und vertrauensvolle Abstimmung von Bund und Kantonen erfordert. Dabei sind die Kantone am besten geeignet, zielgerichtete und auf die jeweilige Situation abgestimmte Massnahmen zu ergreifen. Aus Sicht des Bundesrates kann dieses Dokument weiterhin als Grundlage für die zukünftige Gestaltung der Zusammenarbeit von EDI und GDK beigezogen werden. In der verbesserten Krisenorganisation wird der Permanente Kernstab systematisch überprüfen, ob relevante Akteure wie die Kantone in die Arbeiten der Krisenstäbe einbezogen werden. Die Fachdirektorenkonferenzen sind mögliche Vertreter der Kantone (siehe Stellungnahme zu Empfehlung 1). Künftig wird folglich bei allen Arten von Krisen geprüft werden, ob eine Vertretung der Kantone (der KdK, der Fachdirektorenkonferenzen oder einzelner Kantone) an den Arbeiten des OPK oder des PSK teilnehmen soll. Bei einzelnen Fach- oder Sonderkrisenstäben ist der Einbezug der Kantone klar geregelt (vgl. Verordnung über den Bundesstab Bevölkerungsschutz vom 2. März 20187). Da der Einbezug der Kantonsvertretungen durch die neue Verordnung oder sektorielle Rechtsgrundlagen künftig für alle Fälle geregelt sein wird, sieht der Bundesrat keinen weiteren Handlungsbedarf. Weiter existiert bereits eine etablierte Zusammenarbeit mit der Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr. In der angegliederten Fachgruppe der Stabschefs der kantonalen Führungsstäbe hat ein Vertreter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz im Ausschuss Einsitz und vertritt die Interessen des Bundes. Die Fachgruppe führt jährlich zwei Tagungen durch.

Empfehlung 5

Rolle und Aufgaben des Kor EpG klären

Der Bundesrat wird ersucht, bei der Revision des EpG zu prüfen, wie die Rolle und die Aufgaben des in Artikel 54 vorgesehenen Koordinationsorgans während einer Pandemie künftig aussehen sollen.

Der Bundesrat teilt die Einschätzung der GPK-S, dass das Koordinationsorgan EpG (Kor EpG) nach Artikel 54 EpG seine im Zusammenhang mit der Krisenbewältigung gesetzlich vorgesehenen Aufgaben in der Covid-19-Epidemie nicht ausreichend wahrnehmen konnte. Es hat sich gezeigt, dass dieses Organ aufgrund seiner Zusammensetzung und Konzeption nicht geeignet ist, in der besonderen oder ausserordentlichen Lage eine unterstützende Rolle für einen Krisenstab zu übernehmen. Im Rahmen der laufenden Revision des EpG soll deshalb diese Funktion während einer Krise aus dem Aufgabenkatalog des Koordinationsorgans gestrichen werden. Hingegen soll das Organ weiterhin Unterstützung leisten bei der Koordination der Massnahmen zwischen den Kantonen und zwischen Bund und Kantonen, welche zur Vorbereitung auf eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit getroffen werden müssen.

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SR 520.17

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Empfehlung 6

Den Prozess für den Einbezug der Kantone beim Wechsel zwischen den verschiedenen Lagen näher regeln

Der Bundesrat wird ersucht, zu prüfen, ob der Prozess für den Einbezug der Kantone beim Übergang zur besonderen Lage im Sinne von Artikel 6 EpG sowie zur ausserordentlichen Lage im Sinne von Artikel 7 EpG im Hinblick auf eine bessere Krisenbewältigung näher geregelt werden sollte.

In Bezug auf den Übergang zur besonderen Lage sind insbesondere die folgenden Fälle zu berücksichtigen: ­

Ausrufung der besonderen Lage zu Beginn der Pandemie;

­

Rückkehr zur besonderen Lage nach einer ausserordentlichen Lage;

­

erneute Ausrufung der besonderen Lage nach einem Wiederaufflammen der Pandemie.

Der Bundesrat teilt die Ansicht, dass sich das im EpG vorgesehene dreistufige Lagemodell in der Covid-19-Epidemie im Grundsatz bewährt hat. Die Wechsel der Lagen waren aber insbesondere in den vorstehend von der GPK-S identifizierten Zeitabschnitten der Covid-19-Epidemie problematisch und für die Kantone mit vielen Unsicherheiten verbunden.

Handlungsbedarf hat sich beim Übergang in die besondere Lage und aus dieser zurück in die Normallage gezeigt. Zwar ist es einer Krise immanent, dass sie nicht vorhergesehen werden kann und Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit dringend ergriffen werden müssen. Mit verschiedenen Massnahmen kann aber der Einbezug der Kantone verbessert und damit eine bessere Krisenbewältigung ermöglicht werden.

Im geltenden EpG ist vorgesehen, dass der Bundesrat die Kantone vor der Anordnung von Massnahmen in einer besonderen Lage anhören muss (Art. 6 EpG). Die Vernehmlassungsvorlage zur Teilrevision des EpG8 sieht vor, dass der Bundesrat die besondere Lage förmlich feststellt (ebenso deren Aufhebung; Art. 6b Abs. 1 VE-EpG).

Dabei muss er gleichzeitig die Ziele und Grundsätze der Strategie zur Bekämpfung der Gesundheitsgefährdung sowie die Form der Zusammenarbeit mit den Kantonen festlegen. Ebenfalls soll er zu diesem Zeitpunkt über den Einsatz der Krisenorganisation entscheiden. Die Kantone sowie die zuständigen parlamentarischen Kommissionen sollen vorgängig zu diesem Entscheid angehört werden. Mit diesem Vorgehen wird der Wechsel der Lagen besser geregelt, und der Einbezug der Kantone erfolgt bereits zu einem früheren Zeitpunkt.

Zudem soll neben der Verbesserung der längerfristigen Vorbereitungsmassnahmen (Art. 8 VE-EpG) auch die konkrete, kurzfristig erforderliche Vorbereitung von Bund und Kantonen auf eine sich abzeichnende besondere Lage detaillierter und verbindlicher geregelt werden (Art. 6a VE-EpG). Bereits in dieser Phase müssen Bund und 8

www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Laufende Vernehmlassungen > EDI > 2023 Teilrevision des Epidemiengesetzes.

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Kantone zum Beispiel klären, wie ihre Zusammenarbeit bezogen auf die spezifischen Eigenschaften einer sich abzeichnenden Gefährdung der öffentlichen Gesundheit organisiert werden soll (Art. 6a Abs. 1 Bst. e VE-EpG).

Der Bundesrat ist überzeugt, dass diese gesetzlichen Präzisierungen erheblich zu einer besseren Krisenbewältigung durch Bund und Kantone beitragen werden und dass damit die Empfehlung der GPK-S umgesetzt werden kann.

Empfehlung 7

Die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen in der ausserordentlichen Lage abgrenzen und die «Ausnahmeklausel» institutionalisieren

Der Bundesrat wird ersucht, ausgehend vom Beispiel von Artikel 7e der Covid19-Verordnung 2, der am 27. März 2020 verabschiedet wurde, zu prüfen, ob Artikel 7 EpG («Ausserordentliche Lage») dahingehend präzisiert werden sollte, dass: ­

eine generell-abstrakte Abgrenzung zwischen kantonaler und Bundeszuständigkeit in der ausserordentlichen Lage in das Gesetz aufgenommen wird;

­

die Option einer «Klausel für kantonale Ausnahmen» in das Gesetz aufgenommen wird.

Der Bundesrat begrüsst die Schlussfolgerung der GPK-S bezüglich des Anliegens, die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen in der ausserordentlichen Lage abzugrenzen und die «Ausnahmeklausel» zu institutionalisieren. Der Bundesrat ist aber der Meinung, dass das Anliegen im Zusammenhang mit der besonderen Lage zu regeln ist.

Die ausserordentliche Lage ist per se nicht voraussehbar, weshalb in Artikel 7 EpG wie bis anhin nur eine deklaratorische Wiederholung der Notrechtskompetenzen des Bundesrates gemäss BV wiederholt werden soll.

In der Vernehmlassungsvorlage zur Revision des EpG ist in Artikel 6d Abs. 1 VE-EpG eine entsprechende Bestimmung vorgesehen. Der Fokus liegt dabei auf der Abgrenzung der Kompetenzen in einer besonderen Lage und soll damit insbesondere in der Covid-19-Epidemie aufgetretene Unklarheiten in Bezug auf die bei den Kantonen verbleibenden Kompetenzen zur Anordnung von Massnahmen beseitigen. Damit soll klargestellt werden, wo die Kantone ihre Zuständigkeit behalten. Weiter soll die gleichzeitige Anordnung von sich allenfalls widersprechenden konkreten Massnahmen verhindert werden.

Grundsätzlich sollen die Kantone ihre Zuständigkeiten nach dem EpG auch in der besonderen Lage behalten. Dies soll allerdings nur gelten, wenn der Bundesrat bei seinem Beschluss zur Feststellung der besonderen Lage nicht andere Grundsätze der Zusammenarbeit mit den Kantonen festgelegt hat. Weiter sollen die Kantone grundsätzlich in der besonderen Lage auch weiterhin angezeigte Massahmen nach den Artikeln 30­40 EpG anordnen, zu deren Anordnung auch der Bundesrat in der besonderen Lage (in Bezug auf den jeweiligen Krankheitserreger) berechtigt ist. Die Kantone bleiben nur zur Anordnung der genannten Massnahmen berechtigt, wenn der Bundesrat eine Materie nicht selbst bereits abschliessend geregelt hat. Schliesslich ist 9 / 16

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gemäss der Vernehmlassungsvorlage vorgesehen, dass die Kantone weitergehende Massnahmen anordnen dürfen, auch wenn der Bund bereits eine konkrete Massnahme angeordnet hat, wenn die epidemiologische Lage im Kanton oder in einer Region des Kantons dies erfordert. Die Regelung entspricht sinngemäss derjenigen, die in Artikel 23 der Covid-19-Verordnung besondere Lage vom 23. Juni 20219 vorgesehen war.

Empfehlung 8

Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der besonderen Lage klären

1. Der Bundesrat wird ersucht, in Zusammenarbeit mit den Kantonen zu klären, wie in der besonderen Lage im Sinne des EpG die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten von Bund und Kantonen für das Ergreifen von Massnahmen zur Pandemiebekämpfung verteilt sein sollen. In diesem Zusammenhang wird der Bundesrat insbesondere eingeladen, ­

die Massnahmen festzulegen, die ­ je nach Szenario der Pandemieentwicklung ­ vorwiegend in die Zuständigkeit der Kantone fallen;

­

die Möglichkeiten für punktuelle Interventionen des Bundes bei den Kantonen, insbesondere für den Erlass von Weisungen und Empfehlungen, zu klären;

­

die Kriterien für das Ergreifen von Massnahmen auf nationaler Ebene durch den Bundesrat zu klären.

2. Der Bundesrat wird ersucht, zu prüfen, welche Massnahmen erforderlich sind, um eine koordinierte strategische Führung von Bund und Kantonen in der besonderen Lage zu gewährleisten.

3. Der Bundesrat wird aufgefordert, das Resultat seiner Abklärungen zu Punkt 1 und 2 im EpG, im Pandemieplan und/oder in Vereinbarungen mit den Kantonen soweit sinnvoll zu verankern und für die Etablierung der entsprechenden Prozesse zu sorgen. Er wird zudem ersucht, im EpG festzulegen, welche Organe oder Plattformen für die Koordination der strategischen Führung in der besonderen Lage zuständig sind Der Bundesrat teilt die Einschätzung der GPK-S, dass die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen in der besonderen Lage zu Unklarheiten geführt hat. Er ist aber der Meinung, ebenfalls in Übereinstimmung mit der GPK-S, dass die grundsätzliche Zuständigkeitsordnung zweckmässig war; die Hauptverantwortung für das Krisenmanagement liegt bei den Kantonen, und der Bundesrat kann Massnahmen anordnen, wenn es erforderlich ist.

Verschiedene im Rahmen der Revision des EpG vorgesehene Anpassungen sollen in Bezug auf die Zuständigkeiten in der besonderen Lage Klarheit schaffen: ­

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Durch die höhere Gewichtung der Vorbereitung auf eine konkret drohende besondere Lage werden Bund und Kantone verpflichtet, in gegenseitiger AS 2021 379

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Absprache die notwendigen strategischen Entscheide rechtzeitig zu treffen (Art. 6a VE-EpG).

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Die Feststellung (wie auch die Aufhebung) der besonderen Lage muss vom Bundesrat formell festgehalten werden (Art. 6b VE-EpG). In diesem Zusammenhang hat er beispielsweise Entscheidungen zur Zusammenarbeit mit den Kantonen zu treffen.

­

Die Kompetenzen von Bund und Kantonen in einer besonderen Lage werden besser abgegrenzt, womit Unklarheiten beseitigt werden (vgl. Stellungnahme zu Empfehlung 7).

­

Neu werden im Vernehmlassungsentwurf die Kriterien genannt, nach denen das Vorliegen einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Gesundheit beurteilt wird (Art. 5a VE-EpG). Eine solche Gefährdung liegt beispielsweise vor, wenn die Häufigkeit oder die Schwere von Krankheitsfällen massiv zunimmt. Ein zusätzliches Kriterium ist die Gefahr der Überlastung des Gesundheitswesens in der Schweiz. Mit den Kriterien wird transparenter, ob Massnahmen notwendig sind oder nicht.

­

Weiter werden die Kompetenzen des Bundes zur Anordnung von gewissen Massnahmen in der Normallage in jenen Fällen gestärkt, wo eine schweizweite Koordination zum Schutz der öffentlichen Gesundheit in spezifischen Situationen erforderlich ist, z. B. bei Massnahmen im öffentlichen Verkehr wie der Maskenpflicht (Art. 40a VE-EpG) und im Bereich des Arbeitnehmerschutzes (Art. 40b VE-EpG).

­

Die bereits im geltenden Recht vorgesehene Kompetenz des Bundes zur Koordination und Aufsicht im Bereich des Vollzugs (Art. 77 EpG) soll beibehalten werden. Der Bund kann Massnahmen koordinieren, wenn dies für einen einheitlichen Vollzug notwendig ist. Er hat auch die Möglichkeit, die Kantone zu Massnahmen zu verpflichten. Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass von dieser Möglichkeit nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden soll.

Mit den laufenden Arbeiten zur Verbesserung des Krisenmanagements der Bundesverwaltung soll unter anderem sichergestellt werden, dass die strategische Führung von Bund und Kantonen, (nicht nur in Gesundheitskrisen) möglichst optimal koordiniert wird. Allerdings erachtet der Bundesrat eine abschliessende Aufteilung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten als nicht möglich, weil die Beurteilung, welche Massnahmen ergriffen werden sollen, immer auch von der aktuellen Situation abhängig ist.

Das Kor EpG ist hingegen aufgrund der gesetzlichen Konzeption nicht dafür geeignet, in der Krise eine Rolle im Bereich der strategischen Führung wahrzunehmen. Entsprechend soll sein Aufgabenkatalog im Rahmen der laufenden Revision des EpG angepasst werden (vgl. Stellungnahme zu Empfehlung 5).

Im neu konzipierten Pandemieplan werden die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Akteure auf nationaler und kantonaler Ebene speziell in der Vorbereitungsphase beschrieben. Die Zuständigkeiten der Partner und Stakeholder während der Krisenbewältigung werden im Teil «Führung im Pandemieplan» zusammen 11 / 16

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mit den Partnern erarbeitet. Die Ergebnisse aus den Arbeiten zum verbesserten Krisenmanagement der Bundesverwaltung und der Pandemievorbereitung werden aufeinander abgestimmt.

Empfehlung 9

Die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten von Bund und Kantonen in der normalen Lage nach einer Pandemie klären

Der Bundesrat wird ersucht, in Zusammenarbeit mit den Kantonen zu klären, wie die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in der normalen Lage verteilt sein sollen, wenn diese auf eine besondere Lage folgt.

Ferner wird der Bundesrat aufgefordert, die Kriterien genauer festzulegen, die nach einem Wiederanstieg der Fallzahlen eine Rückkehr zur besonderen Lage rechtfertigen.

Zu guter Letzt wird der Bundesrat eingeladen, zu prüfen, ob es sinnvoll wäre, im EpG eine zusätzliche Lage zu definieren, um die auf die besondere Lage folgende Zeit des Übergangs zur Normalität gesondert zu regeln.

Der Bundesrat befürwortet das Beibehalten des dreistufigen Lagemodells und lehnt die Schaffung einer zusätzlichen Phase nach einer besonderen Lage ab. Er ist der Ansicht, dass den von der GPK-S beschriebenen Problemen mit den vorgeschlagenen Konkretisierungen bereits genügend begegnet werden kann (vgl. Stellungnahme zu Empfehlung 8). Die Festlegung allgemeingültiger Kriterien für eine zusätzliche Phase nach einer besonderen Lage wird als wenig zielführend erachtet. Im Vordergrund steht vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz, bei dem verschiedene Kriterien zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen sind. Zudem will der Bundesrat mit der Optimierung des Lageübergangs, mit dem revidierten EpG und der Neuausrichtung des nationalen Pandemieplans die Krisenorganisation der Bundesverwaltung verbessern. Dies wird als entscheidende Voraussetzung für eine wirksame Prävention und Bewältigung neuer pandemischer Krisen angesehen.

Empfehlung 10

Konsultation der Kantone in Krisenzeiten verbessern

1. Der Bundesrat wird ersucht, abzuklären, welche Optionen bestehen, um die Kantone in der ausserordentlichen Lage im Sinne des EpG besser an der Ausarbeitung von schweizweiten Massnahmen zur Bekämpfung von Pandemien zu beteiligen.

2. Der Bundesrat wird zudem eingeladen, gemeinsam mit den Kantonen allgemeine Kriterien festzulegen, anhand deren bestimmt werden kann, welche Fristen in der besonderen Lage im Sinne des EpG für die Konsultation zu schweizweiten Massnahmen zur Bekämpfung von Pandemien gelten. Der Ablauf des Konsultationsverfahrens ist unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Vertraulichkeit klar zu regeln.

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3. Der Bundesrat wird ausserdem eingeladen, gemeinsam mit den Kantonen zu prüfen, in welchen Fällen die Kantone in einer Krise über die interkantonalen Konferenzen konsultiert werden können.

4. Ausgehend von diesen Überlegungen wird der Bundesrat aufgefordert, zu prüfen, ob das VlG und die VlV (in Sachen Konsultation in Krisenzeiten im Allgemeinen) oder das EpG und die EpV (in Sachen Konsultation in einer Pandemie) der Präzisierung bedürfen.

Das EDI hat gemeinsam mit anderen Departementen und der Bundeskanzlei die Vernehmlassungslösung «e-Consultations» entwickelt. Damit können Vernehmlassungen und Konsultationen zukünftig einheitlich und effizient, falls notwendig, auch rasch durchgeführt werden.

Zwar bezieht sich die Empfehlung nur auf den Fall einer Pandemie, sie scheint aber auch für andere Krisen relevant. Die Einbindung der Kantone bei der Ausarbeitung von Massnahmen wird künftig durch den OPK/PSK sichergestellt, wenn diese einberufen werden. Die Fristen für Konsultationen ergeben sich in der Regel aus dem Handlungsbedarf in einer Krise, d. h. aus der Frage, wie schnell entschieden werden muss.

Kriterien im Voraus zu definieren, würde wenig Mehrwert bringen und könnte die Handlungsfähigkeit der Behörden einschränken. Wie lange eine Konsultationsfrist dauern soll, wurde bereits an Workshops mit den Kantonen diskutiert. Das Vernehmlassungsgesetz vom 18. März 200510 (VlG)und die Vernehmlassungsverordnung vom 17. August 200511 (VlV) müssen nicht präzisiert werden; sie wurden erst kürzlich revidiert. Der Bundesrat zeigte sich einverstanden damit, dass die Kantone, wenn immer möglich, auch in einer Krise gemäss VIG einbezogen werden. Damit zukünftig die Konsultation der Kantone auch in Krisen sichergestellt ist, hat das Parlament eine Änderung des VIG12 verabschiedet, die am 4. Dezember 2023 in Kraft getreten ist (Art. 3a Abs. 1 Bst. c und Art. 10 VlG); es kann auf das Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn Parlament oder Bundesrat sogenannte «Notverordnungen» erlassen oder ein dringliches Bundesgesetz erlassen werden soll. Bei einem Verzicht auf eine Vernehmlassung sind, wenn immer möglich, die Kantonsregierungen und die vom Vorhaben in erheblichem Mass betroffenen Kreise zu konsultieren. Für diese Konsultationen wurde keine minimale Frist vorgeschrieben. Eine weitere Präzisierung des Konsultationsverfahrens im VlG ist nach Ansicht des Bundesrates nicht notwendig (Postulatsbericht Cottier 20.4522)13.

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SR 172.061 SR 172.061.1 AS 2023 483 Föderalismus im Krisentest: Die Lehren aus der Covid-19-Krise ziehen. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 20.4522 Cottier vom 16. Dezember 2020, Seite 21: abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Geschäfte > 20.4522 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

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Empfehlung 11

Die Kantone in Krisenzeiten besser über schweizweite Massnahmen informieren

Der Bundesrat wird ersucht, zu prüfen, welche Massnahmen in Anwendung der Maxime 4 aus dem Bericht der BK vom Dezember 2020 ergriffen werden können, um die Kantone und andere Akteure in Krisenzeiten besser über schweizweite Massnahmen zu informieren. Er wird ersucht, die entsprechenden Prozesse auf Gesetzes- oder Weisungsebene zu formalisieren.

Die Maxime 4 lautet: «Bundesstellen, Kantone und Verbände sind, wenn immer möglich, vor den Medien zu informieren. Entsprechende Vorläufe zur Information der Vollzugsakteure müssen eingeplant werden.»14 Sie wurde, neben den anderen Maximen, im Rahmen eines Workshops der Bundeskanzlei und der KdK im November 2021 diskutiert. Die Bundeskanzlei hat in diesem Rahmen die Kommunikationsprozesse der Bundesverwaltung erläutert und dargelegt, dass in einem Krisenfall zwischen den Entscheiden des Bundesrates und der Kommunikation derselben nur wenig Zeit bleibt. Die Kantone wurden trotzdem, soweit möglich, mit Vorlaufzeit oder gleichzeitig wie die Medien mit Informationen bedient. Diese Erklärungen stiessen auf Verständnis.

Die erwähnte Empfehlung bezieht sich somit auf einen Auftrag, der aus Sicht des Bundesrates bereits umgesetzt ist. Der erwähnte Workshop hat gezeigt, dass die Informationsprozesse zwischen Bund und Kantonen im Verlauf der Covid-19 Krise geklärt wurden. Neue rechtliche Grundlagen hierzu sind aus Sicht des Bundesrates nicht nötig.

Empfehlung 12

Bilanz ziehen über die Weisungen und Empfehlungen des BAG zuhanden der Kantone

Der Bundesrat wird ersucht, sicherzustellen, dass das BAG eine allgemeine Bilanz über die Gesundheitsweisungen und -empfehlungen zieht, die es in der Covid-19Pandemie an die Kantone gerichtet hat, namentlich über deren Kohärenz und die angemessene Umsetzung durch die Kantone. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Bilanz sind Prozesse und Vorlagen für allfällige künftige Pandemien auszuarbeiten.

Der Bundesrat nimmt diese Empfehlung der GPK-S entgegen. Die Weisungen und Empfehlungen des BAG an die Kantone im Gesundheitsbereich werden auch im Normalfall laufend evaluiert. Eine Analyse der Gesundheitsweisungen und -empfehlungen bezüglich Covid-19 erfolgt zudem im Rahmen des Postulats 23.3675 Noser «Unabhängige Aufarbeitung der Coronakrise nach Public-Health-Grundsätzen». Dabei ist zu unterscheiden zwischen Empfehlungen, die sich primär an die Bevölkerung richten 14

Bericht zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Februar bis August 2020), Seite 23; abrufbar unter www.bk.admin.ch > Führungsunterstützung > Krisenmanagement > Erste Auswertung des Krisenmanagements der Bundesverwaltung in der Covid-19-Pandemie.

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(Art. 9 EpG), und Weisungen im Rahmen der Aufsicht über den kantonalen Vollzug (Art. 77 EpG). Letztere sollen eine einheitliche Handhabung des vom Gesetzgeber eingeräumten Verwaltungsermessens sicherstellen. Die Erfahrungen mit Covid-19 haben gezeigt, dass insbesondere die an die Kantone gerichteten Weisungen, die einen einheitlichen Vollzug der Bundesmassnahmen zum Ziel hatten, nicht immer die gewünschte Wirkung erzielten.

Empfehlung 13

Das Verbot nicht dringender Eingriffe klarer regeln und die Aufrechterhaltung der Regelversorgung in einer Pandemie gewährleisten

Der Bundesrat wird ersucht, im EpG die Modalitäten eines Verbots nicht dringender medizinischer Eingriffe zu regeln. Zudem ist zu prüfen, ob es nicht verbindlichere Kriterien für die Auslegung des Begriffs «nicht dringender Eingriff» braucht.

Der Bundesrat wird zudem ersucht, dafür zu sorgen, dass das BAG die bewährten kantonalen Praktiken beim Management der Regelversorgung in der Pandemie sammelt und auf deren Grundlage die Rechtsgrundlagen und der einschlägigen Vorgaben anpasst.

Der Bundesrat begrüsst die Schlussfolgerung der GPK-S bezüglich der Regelung des Verbots nicht dringender medizinischer Eingriffe. Er geht mit der GPK-S einig, dass die Modalitäten eines solchen Verbots im EpG geregelt werden sollten. Im Rahmen der Vernehmlassungsvorlage zur Revision des EpG wurde in Artikel 44d Absatz 1 VE-EpG eine entsprechende Bestimmung vorgeschlagen.

Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung in der Kompetenz der Kantone; sie müssen sicherstellen, dass in Spitälern und Kliniken nicht nur für die Behandlung von spezifischen übertragbaren Krankheiten, sondern auch für andere medizinisch dringende Untersuchungen und Behandlungen ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen. Gemeint sind hauptsächlich das erforderliche Bettenangebot und das notwendige Fachpersonal, aber auch alle anderen Aspekte, die für eine gute Betreuung der Patientinnen und Patienten relevant sind (z. B. Arzneimittel). Die Anzahl der Patientinnen und Patienten, die einer ärztlichen Betreuung bedürfen, kann die Kapazitäten und Ressourcen der öffentlichen oder mit einem öffentlichen Leistungsauftrag ausgestatteten Spitäler und Kliniken je nach epidemiologischer Situation übersteigen. Mit der in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagenen Bestimmung werden die Kantone ermächtigt, jene Massnahmen anzuordnen, die zur Sicherstellung der erforderlichen Kapazitäten in der Gesundheitsversorgung bei einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Gesundheit notwendig sind. Damit ist gewährleistet, dass schweizweit die rechtlichen Grundlagen bestehen, im Bedarfsfall entsprechende kantonale Massnahmen zu treffen. Auf dieser Grundlage können die Kantone medizinische Tätigkeiten verbieten oder einschränken. Auch können sie, mit Blick auf die Sicherstellung der notwendigen Kapazitäten in der Gesundheitsversorgung, Massnahmen
zur Behandlung von Erkrankungen und weiterer medizinisch dringender Fälle treffen. Mit der Zuweisung dieser Kompetenz an die Kantone wird sichergestellt, dass nicht in deren grundsätzliche Zuständigkeit für die Steuerung der Gesundheitsversor15 / 16

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gung eingegriffen wird und die Massnahmen optimal auf die konkrete Auslastung in den einzelnen Spitälern ausgerichtet werden können.

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