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Nachkontrolle zur Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 14. November 2023 Stellungnahme des Bundesrates vom 14. Februar 2024

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 14. November 20231 betreffend die Nachkontrolle zur Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Februar 2024

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi

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BBl 2023 2831

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 14. November 2023 hat die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) ihren Bericht zur Nachkontrolle über die Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen verabschiedet2. In dessen Rahmen hat sie sechs neue Empfehlungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Verordnung vom 4. März 20223 über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (nachfolgend: UkraineVerordnung) formuliert.

Der Bundesrat hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass die GPK-S in ihrem Bericht zum Schluss kommt, dass die Datengrundlagen für die Beteiligung an Wirtschaftssanktionen verbessert wurden und der Warenverkehr genauer kontrolliert wird, insbesondere im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland. Die GPK-S beurteilt ebenfalls die Umsetzung der spezifischen Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine und zeigt sich erfreut über die rasche Übernahme der EU-Sanktionen durch den Bundesrat. Weiter anerkennt sie die Arbeit des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), das hinsichtlich seiner Ressourcen mit grossen Herausforderungen konfrontiert ist.

Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die GPK-S Kritik daran übt, wie die Kantone in die Umsetzung der Sanktionen einbezogen wurden, namentlich im Hinblick auf die Meldepflicht. Mehrere Kantone seien in der Anfangsphase nicht im Bild gewesen über ihre Rolle, und gewisse Gesetzesbestimmungen seien für sie vor der Klärung durch den Bund unklar gewesen.

Der Bundesrat wurde ersucht, zu den sechs neuen Empfehlungen, bis zum 15. Februar 2024 Stellung zu nehmen und der GPK-S mitzuteilen, mit welchen Massnahmen und innerhalb welcher Frist er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Rolle der Anwältinnen und Anwälte bei der Umsetzung der Sanktionen

Empfehlung A

Präzisierung des Anwendungsbereiches der Meldepflicht für Anwältinnen und Anwälte

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, gegenüber der Kommission über das Verhältnis zwischen Artikel 321 Ziffer 3 StGB und Artikel 16 Ukraine-Verordnung rechtlich vertieft zu klären.

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BBl 2023 2831 SR 946.231.176.72

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Artikel 16 der Ukraine-Verordnung legt die Meldepflichten fest für Personen und Institutionen, die Gelder halten oder verwalten oder von wirtschaftlichen Ressourcen wissen, von denen anzunehmen ist, dass sie unter die Sperrung nach Artikel 15 Absatz 1 der Ukraine-Verordnung fallen. Anwältinnen und Anwälte, die als Vermögensverwalterinnen oder Vermögensverwalter tätig sind oder treuhänderische Tätigkeiten zugunsten ihrer Klientschaft ausüben, können von diesem Artikel unmittelbar betroffen sein.

Das SECO hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Justiz (BJ) und dem Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) Abklärungen zu dieser Frage vorgenommen und kommt zu folgenden Schlüssen: Artikel 321 des Strafgesetzbuchs (StGB)4 unterstellt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Verteidigerinnen und Verteidiger, Notarinnen und Notare und andere Berufsleute dem Berufsgeheimnis. Gemäss Ziffer 3 dieser Bestimmung bleiben jedoch «die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde» vorbehalten.

Der Bundesrat hat deshalb in seiner Antwort auf die Interpellation Mahaim 22.3492 «Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine und das anwaltliche Berufsgeheimnis. Notwendige Klärungen» darauf hingewiesen, dass gemäss dem Bundesgericht nur die spezifische Anwaltstätigkeit durch das Berufsgeheimnis geschützt ist, das heisst das Verfassen von Entwürfen von Rechtsschriften, der Beistand oder die Vertretung einer Person vor einer Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde sowie die Rechtsberatung.5 Der Bundesrat hält das Anwaltsgeheimnis hoch. Da eine Rechtsprechung zur Abgrenzung von Artikel 321 Ziffer 3 StGB im Zusammenhang mit dem Embargogesetz vom 22. März 20026 (EmbG) fehlt, geht er einstweilen davon aus, dass Artikel 321 Ziffer 3 StGB bei spezifischen Anwaltstätigkeiten im Sanktionsbereich nicht zum Tragen kommen soll.

Hingegen fällt, gemäss bundesgerichtlicher Praxis7, nicht jede Tätigkeit einer Anwältin oder eines Anwalts automatisch unter das Berufsgeheimnis. Für solche Tätigkeiten geht die Meldepflicht nach Ansicht des Bunderates aufgrund von Artikel 321 Ziffer 3 StGB dem Berufsgeheimnis vor.

Aus diesem Grund lautet die Beurteilung des Bundesrates wie folgt: 1.

Beihilfe zur Umgehung von Sanktionen Anwältinnen und Anwälte können sich strafbar machen, wenn sie bei der Verletzung von Sanktionsbestimmungen behilflich sind. In diesem Fall würde eine Anwältin oder ein Anwalt nicht nur die Berufspflichten verletzen, sondern müsste unter Umständen auch strafrechtliche Konsequenzen befürchten.

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SR 311.0 BGE 147 IV 385, E. 2.2 SR 946.231 Vgl. neben BGE 147 IV 385 z. B. auch BGE 132 II 103 oder bereits BGE 114 III 105.

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2.

Meldepflicht ­ Bei Tätigkeiten, ausserhalb kernanwaltschaftlicher Tätigkeiten, wie beispielsweise Vermögensverwaltung oder treuhänderische Tätigkeiten, sind Anwältinnen und Anwälte verpflichtet, die wirtschaftlichen Ressourcen, von denen sie Kenntnis haben, oder die Vermögenswerte, die sie verwalten oder in ihrem Besitz halten, zu melden, sofern die wirtschaftlich Berechtigten Sanktionen unterliegen.

­ Bei kernanwaltschaftlichen Tätigkeiten, die unter das Anwaltsgeheimnis (Art. 13 des Anwaltsgesetzes vom 23. Juni 20008) oder das Berufsgeheimnis der Anwältinnen und Anwälte (Art. 321 StGB) fallen, beispielsweise die Vertretung einer Person vor Gericht, geht das Anwaltsgeheimnis der Meldepflicht gemäss geltendem Recht vor und sind Anwältinnen und Anwälte nicht zur Meldung von gesperrten Vermögenswerten verpflichtet.

3.

Sperrung von Geldern Bei der Sperrung von Vermögenswerten und den entsprechenden Meldungen stehen Banken und Finanzinstitute im Vordergrund. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können eine solche Sperrung in der Regel nicht vornehmen.

Eine Meldung durch die Anwältinnen und Anwälte steht daher in der Praxis im Hintergrund und dürfte sich in vielen Fällen mit den von anderen Dritten erhaltenen Meldungen überschneiden.

2.2

Rolle der Kantone bei der Umsetzung der Sanktionen

Empfehlung B

Integration der Rolle der Kantone bei der Umsetzung der Sanktionen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, zu prüfen, ob die Rechtsgrundlagen für die Durchsetzung von internationalen Sanktionen im Hinblick auf eine klarere Definition der Rolle der Kantone überarbeitet werden müssen.

Die GPK-S stellt namentlich die Frage in den Raum, ob es nicht eine Aufsicht durch das SECO geben müsste. Da das SECO für die Steuerung im Bereich der Sanktionen zuständig sei, müsse es in dieser Eigenschaft sicherstellen, dass alle Beteiligten ihre Pflichten erfüllen.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass das SECO mit den Kantonen in regelmässigem Kontakt steht und diese bei Bedarf unterstützt. So wurde bereits 2014 auf Wunsch der Kantone und in Zusammenarbeit mit ihnen für die Handelsregisterämter ein Merkblatt zur Bedeutung von Sanktionen erstellt.

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SR 935.61

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Der Bundesrat anerkennt, dass die Sanktionsmassnahmen im Nachgang zur militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine in verschiedener Hinsicht über Bekanntes hinausgingen und deshalb bei Behörden und anderen Betroffenen zu Unsicherheit führen konnten. Er zeigt sich befriedigt, dass das am 1. April 2022 ­ und damit nur gut einen Monat nach der Übernahme des 1. Sanktionspakets ­ vom SECO publizierte Merkblatt «Rolle der Kantone»9 bei der GPK-S auf Zustimmung stösst.

Nach Ansicht des Bundesrates hat das SECO damit bewiesen, dass es in der Lage ist, rasch und adäquat auf Fragen oder Probleme in der Umsetzung von neuen Sanktionsmassnahmen zu reagieren.

Zu Beginn der Ergreifung von Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine war in den Kantonen noch wenig bekannt, dass auf der Internetseite des SECO Zugang zu einer laufend aktualisierten Datenbank besteht, in der sämtliche in der Schweiz sanktionierte Personen oder Institutionen aufgeführt sind. Die Datenbank kann von den Behörden und der Öffentlichkeit ohne Einschränkungen benutzt werden. Damit können in Transaktionen involvierte Verkäufer, Makler, Behörden oder weitere Interessierte sofort überprüfen, ob eine Person Sanktionen unterliegt.

Angesichts der Tatsache, dass den Kantonen bei der Umsetzung der Sanktionen keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, sondern nur Unsicherheiten bestanden, ist der Bundesrat der Meinung, dass die von der GPK-S erwogene Aufsicht des Bundes eine sehr weitgehende, wenn nicht sogar unverhältnismässige Massnahme darstellen würde. Ausserdem hätte sie eine nicht zu vernachlässigende staatspolitische Dimension, würde sie doch die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen tangieren.

Nicht zuletzt würde eine Aufsichtspflicht auf Seiten des SECO einen Aufbau zusätzlicher Ressourcen bedingen, die im Sinne der Sanktionsdurchsetzung gewinnbringender eingesetzt werden könnten. Aus diesem Grund sieht der Bundesrat von einer vertieften Prüfung einer Pflicht des SECO zur Aufsicht über die Kantone im Sanktionsbereich ab. Er wird jedoch im Fall künftiger Sanktionen, welche die Kantone bei der Umsetzung betreffen, auf eine gute Begleitung der Kantone achten.

Empfehlung C

Klärung der Rolle der Grundbuchämter bei der Umsetzung der Sanktionen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, zu prüfen, ob Rolle und Zuständigkeiten der kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch bei der Umsetzung der Wirtschaftssanktionen in den einschlägigen Rechtsgrundlagen zweckmässig geregelt sind, um die Zuständigkeiten zu klären und Rechtssicherheit zu schaffen.

Weiter ersucht die GPK-S den Bundesrat, zu prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, in den Rechtsgrundlagen den Fall der Anmerkung der Sperrung im Grundbuch klar zu regeln.

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Das Merkblatt ist abrufbar unter www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Sanktionen/Embargos > Sanktionsmassnahmen > Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine > Weitere Informationen.

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Gemäss Artikel 16 Absatz 1 der Ukraine-Verordnung müssen Personen und Institutionen, die Gelder halten oder verwalten oder von wirtschaftlichen Ressourcen wissen, von denen anzunehmen ist, dass sie unter die Sperrung nach Artikel 15 Absatz 1 der Ukraine-Verordnung fallen, dies dem SECO unverzüglich melden. Personen und Institutionen, die von Immobilien wissen, von denen anzunehmen ist, dass sie unter die Verfügungssperre fallen, haben damit unverzüglich dem SECO Meldung zu erstatten.

Dieser Meldepflicht unterstehen auch die Grundbuchämter.

Das Eidgenössische Amt für Grundbuch- und Bodenrecht (EGBA) innerhalb des BJ hat die Grundbuchämter via die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch schriftlich darüber informiert, dass sie angewiesen sind, Verfügungssperren in Bezug auf Immobilien der natürlichen Personen, Unternehmen und Organisationen gemäss Artikel 15 Absatz 1 der Ukraine-Verordnung im Grundbuch anzumerken. Dass nicht alle Sanktionsverordnungen eine solche Pflicht vorsehen, sieht das BJ nicht als Hinderungsgrund an, sind die im Zusammenhang mit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine verhängten Sanktionsmassnahmen doch in mehrfacher Hinsicht nicht zu vergleichen mit früheren Sanktionsregimen.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zur Motion Bellaiche 23.3523 «Schluss mit Schlupflöchern für den Handel mit russischem Gold» bereits signalisiert, dass er dafür offen ist, das EmbG im Nachgang zu den im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine verhängten weitgehenden und teilweise bis zu diesem Zeitpunkt unerprobten Sanktionsmassnahmen einer Evaluation zu unterziehen. Im Zuge solcher Arbeiten könnte auch geprüft werden, ob die Rechtsgrundlagen für die Durchsetzung von internationalen Sanktionen im Hinblick auf eine klarere Definition der Rolle der Kantone überarbeitet werden sollten.

Das analoge Vorgehen drängt sich auch bezüglich Empfehlung C der GPK-S auf. Die Frage, ob es sinnvoll wäre, in den Rechtsgrundlagen den Fall der Anmerkung der Sperrung im Grundbuch klar zu regeln, könnte in eine allgemeine Überprüfung des EmbG einfliessen. Um kurzfristig Remedur zu schaffen, hat der Bundesrat gleichzeitig mit der Übernahme des 12. Sanktionspakets der EU mit der Änderung vom 31. Januar 202410 der Ukraine-Verordnung in Artikel 31 einen neuen Absatz 4 eingefügt.
Der Artikel findet sich mit dem gleichen Wortlaut bereits in anderen Sanktionsverordnungen und lautet wie folgt: «Die zuständigen Behörden ergreifen auf Anweisung des SECO die für die Sperrung wirtschaftlicher Ressourcen notwendigen Massnahmen wie die Anmerkung einer Verfügungssperre im Grundbuch oder die Pfändung oder Versiegelung von Luxusgütern.» Wie auch im Zusammenhang mit Empfehlung B ist der Bundesrat jedoch der Meinung, dass es sehr weit gehen würde, allein aufgrund von Unsicherheiten in einer besonderen Krisensituation die Rolle und die Zuständigkeiten der kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch in Frage zu stellen und in Zusammenhang mit einer spezialgesetzlichen Regelung wie dem EmbG anders zu definieren als in anderen Rechtsbereichen, die Auswirkungen auf das Grundbuch haben.

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Empfehlung D

Grundbuchänderungen im Zusammenhang mit sanktionierten Personen: Genehmigung von Erwerben und Veräusserungen durch das SECO

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zu prüfen, gemäss der jeder/jede grundbuchrelevante Erwerb oder Veräusserung vom SECO genehmigt werden muss, wenn die Schweiz Wirtschaftssanktionen übernimmt, welche die Staatsangehörigen eines ganzen Landes betreffen. Auf diese Weise hätte das SECO eine bessere Übersicht über alle Grundbuchänderungen und könnte bei Verstössen gegen Sanktionen einschreiten.

Ähnlich wie in Zusammenhang mit Empfehlung C gibt der Bundesrat zu bedenken, dass mit der Umsetzung von komplexen Sanktionen, wie denjenigen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine, eine ganze Reihe von Melde- und Genehmigungspflichten verbunden sind. Ein einseitiger Fokus auf die Frage der Immobilien würde der Komplexität der Aufgabe der Sanktionsdurchsetzung nur teilweise gerecht und scheint im Vergleich zur Höhe der geldwerten Vermögen, die dem SECO von den Finanzintermediären gemeldet wurden, auch kaum einem risikobasierten Ansatz zu entsprechen.

Ausserdem könnte eine Genehmigungspflicht im Immobilienbereich für die Staatsangehörigen eines bestimmten Landes erst nach der Ergreifung von Sanktionen zum Tragen kommen und würde damit die Transparenz im Bereich der Immobilien nur nachträglich verbessern. Sanktionierten Personen ist es nach ihrer Aufnahme in eine Sanktionsliste grundsätzlich nicht mehr möglich, Grundeigentum zu erwerben oder zu veräussern.

Als Hauptproblem bei der Identifizierung von Immobilien sanktionierter Personen hat sich die Tatsache erwiesen, dass sehr vermögende Personen ihre Immobilien oft über ausländische Trusts oder Gesellschaften halten, deren wirtschaftlich Berechtigte schwer zu ermitteln sind. Da diese Tatsache weitere Risiken birgt, schlägt der Bundesrat im Rahmen der Teilrevision des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 199711 (GwG) den Aufbau eines Transparenzregisters vor.

Der Bundesrat nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, dass die GPK-S seine Ansicht teilt, wonach den technischen Schwierigkeiten bei der Suche nach Grundstücken sanktionierter Eigentümerinnen und Eigentümer durch das im Rahmen der aktuellen Revision des GwG vorgeschlagene Transparenzregister wirkungsvoll begegnet werden kann. Er wird den Entwurf dem Parlament nächstens vorlegen. Sofern mittels des neuen Transparenzregisters zukünftig vermieden werden kann,
dass anonyme Trusts oder Gesellschaften Immobilien in der Schweiz halten, könnte auch aus diesem Grund auf eine Genehmigungspflicht durch das SECO verzichtet werden.

Der Bundesrat teilt die Meinung der GPK-S, wonach es wichtig ist, die Häufigkeit der Kontrollen zu erhöhen, um deren Wirksamkeit zu verbessern. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) sieht in der täglichen Praxis eine ganze Reihe von Ansätzen, mit denen mittels entsprechender Ressourcen eine 11

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höhere Gewissheit geschaffen werden könnte, dass die Sanktionsdurchsetzung in der Schweiz effektiv ist. Der Bundesrat schlägt deshalb eine gesamtheitliche Betrachtung vor, die den Fokus auch auf andere Fragen der Sanktionsdurchsetzung als alleine auf diejenigen des Immobilienerwerbs legt. Er ist wie erwähnt bereit, eine Evaluation des EmbG vorzunehmen, sobald absehbar ist, dass die EU keine weiteren neuartigen, tiefgreifenden Sanktionsmassnahmen gegen Russland mehr erlässt und von den Bundesgerichten Leiturteile zur Auslegung des EmbG vorliegen.

2.3 Empfehlung E

Rolle des SECO bei der Umsetzung der Sanktionen Krisenkonzept des SECO

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, die Angemessenheit des Krisenkonzepts des SECO überprüfen zu lassen und dadurch sicherzustellen, dass das SECO in Krisenzeiten flexibler und reaktionsfähiger ist.

Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass im Bereich der Sanktionen sehr spezifische Kenntnisse nötig sind, die nur in der betroffenen Organisationseinheit vorhanden sind.

Eine parallele Organisationsstruktur für das Krisenmanagement kann in diesem Fall vermutlich nur beschränkt Entlastung bringen. Zusätzliche Mitarbeitende müssen sorgfältig in die komplexe Materie eingearbeitet werden. Das SECO hat im vorliegenden Fall ausgewählte Mitarbeitende aus anderen Bereichen für die Krisenorganisation beigezogen, aber die Möglichkeiten dafür sind in der Praxis begrenzt.

Der Bundesrat stimmt aber mit der GPK-S überein, dass die Angemessenheit der Krisenkonzepts regelmässig geprüft und dieses anschliessend geübt und geschult werden soll. Er ist daher bereit, gemeinsam mit dem SECO zu prüfen, ob und wie das Krisenkonzept des SECO optimiert werden kann.

Um der politischen Sensibilität des Themas Sanktionen Rechnung zu tragen, hat das SECO per 1. September 2023 einen neuen Leistungsbereich «Exportkontrollen und Sanktionen» geschaffen. Damit wurden die Themen Exportkontrollen und Sanktionsdurchsetzung sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene gestärkt.

2.4 Empfehlung F

Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit

Die GPK-S ersucht den Bundesrat zu prüfen, wie die sachliche Begründetheit sowie die Rechtmässigkeit der von der EU übernommenen Liste von sanktionierten Personen sichergestellt bzw. verbessert werden kann. Darüber hinaus fordert sie den Bundesrat auf, zu prüfen, wie im Rahmen des Möglichen die richterliche Überprüfung der Rechtmässigkeit verbessert werden kann und wie die entsprechenden Überprüfungsverfahren rasch durchgeführt werden können.

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Der Bundesrat erinnert daran, dass die Motion der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates 22.3395 «Kohärente, umfassende und eigenständige Sanktionspolitik» von beiden Räten abgelehnt wurde. Er ist jedoch bereit, die aufgeworfenen Fragen im Nachgang zur gegenwärtigen Ukraine-Krise im Rahmen einer Evaluation des EmbG zu prüfen. Allerdings weist er darauf hin, dass Grundlage jeder eigenständigeren Verhängung und Umsetzung von Sanktionsmassnahmen ein Aufbau von Ressourcen ist, der nicht nur beim zuständigen SECO erfolgen müsste. Vielmehr wäre es notwendig, Ressourcen und Kompetenzen für all jene Dienste aufzubauen, die Hintergrundinformationen zu Netzwerken in Kleptokratien, zur mafiösen Unterwanderung von Staaten und zu organisierter Kriminalität liefern oder entsprechende Strafverfolgungen durchführen können. Zu nennen sind namentlich das Bundesamt für Polizei (Bundeskriminalpolizei), der Nachrichtendienst des Bundes, dessen Grundauftrag voraussichtlich angepasst werden müsste, oder die Bundesanwaltschaft. Andere Staaten, die eigenständig Sanktionen erlassen, verfügen alleine bei der Behörde, die mit der Durchführung von Finanzsanktionen betraut ist, über ein Mehrfaches der Ressourcen des entsprechenden Ressorts im SECO (z. B. im Vereinigten Königreich das «Office of Financial Sanctions Implementation» mit rund 100 Mitarbeitenden, ohne die Mitarbeitenden mit Support- und Querschnittsfunktionen) und stützen sich stark auf Informationen und Analysen von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Behörden.

Weiter hält der Bundesrat fest, dass sanktionierte Personen, Unternehmen und Organisationen bereits heute in der Schweiz selbstverständlich die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Genau wie in der EU können sie beim WBF ein Gesuch auf Streichung von der Sanktionsliste einreichen (sogenanntes Delisting-Gesuch). Das WBF prüft das Gesuch und erlässt eine beschwerdefähige Verfügung, die vor Bundesverwaltungsgericht und anschliessend vor Bundesgericht angefochten werden kann. Eine allfällige Streichung von der Sanktionsliste läge in der Kompetenz des Bundesrates. Auf diese Weise wird die Rechtsstaatlichkeit vollständig gewahrt. Diese Praxis wurde vom Bundesgericht mehrfach bestätigt und hat sich bewährt. Das Bundesgericht hat seit Inkrafttreten des EmbG keiner Klage gegen einen
negativen Bescheid zu einem Gesuch auf Delisting stattgegeben. Die bisher abgeschlossenen Verfahren betrafen allerdings nicht die Ukraine-Verordnung sondern Sanktionsregime, die bereits vor Februar 2022 in Kraft waren. Die künftigen Urteile im Zusammenhang mit der Ukraine-Verordnung werden als Gradmesser dafür dienen können, ob die Sanktionspraxis des Bundesrates weiterhin angemessen ist.

Aufgrund der sehr hohen Komplexität der Fälle, welche die Sichtung und Beurteilung umfangreicher Dokumentensammlungen sowie Stellungnahmen der Gegenseite durch die zuständigen Stellen in der Bundesverwaltung mit sich bringt, dauern die Verfahren zu Delisting-Gesuchen notwendigerweise eine gewisse Zeit. Das WBF und das SECO sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemüht, die Verfahren so speditiv wie möglich zu behandeln. Der Bundesrat bedauert, dass im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland die üblichen Fristen nicht immer eingehalten werden konnten. Dies ist insbesondere der hohen Zahl an Delisting-Gesuchen, deren aussergewöhnlich hoher Komplexität sowie der angespannten Ressourcensituation geschuldet.

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Abschliessend hält der Bundesrat fest, dass sich die Übernahme der Sanktionen unserer wichtigsten Handelspartner bewährt hat und dies auch vor dem Hintergrund der russischen Militäraggression in der Ukraine. Unilaterale Sanktionen wären von beschränkter Wirksamkeit, während zahlreiche Abweichungen von Seiten der Schweiz die Sanktionsumgehung begünstigen könnten und die Schweiz der Kritik, ihr Verhalten sei unsolidarisch oder gar unberechenbar, aussetzen dürfte. Sollten die von der GPK-S aufgeworfenen Fragen und Empfehlungen in der Beurteilung der Kommission vorliegend nicht zufriedenstellend beantwortet und aufgegriffen worden sein, wären sie im Rahmen einer zukünftigen Revision des EmbG vertiefter zu diskutieren. Angesichts der andauernden Weiterentwicklung von Sanktionsmassnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine, ist es nach Ansicht des Bundesrates zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings verfrüht, einen Zeitplan für eine Revision des EmbG aufzustellen.

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