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Kurzarbeit in der Coronakrise Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 20. Oktober 2023 Stellungnahme des Bundesrates vom 21. Februar 2024

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der GPK-N vom 20. Oktober 20231 betreffend die Kurzarbeit in der Coronakrise nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Februar 2024

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Während der Covid-19-Pandemie zwischen 2020 und 2022 wurden auf behördliche Anordnung zahlreiche Betriebe und Geschäfte zeitweise geschlossen oder in ihrer Tätigkeit eingeschränkt. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen für die betroffenen Betriebe und Personen abzufedern, ergriffen Bund und Kantone Massnahmen wie die Covid-19-Kredite, den Erwerbsersatz für Selbstständige oder die Härtefallregelung.

Für das bestehende Instrument der Kurzarbeitsentschädigung (KAE) wurden situationsbedingte Anpassungen beschlossen. Diese Anpassungen beinhalteten u. a. das Antrags- und Auszahlungsverfahren, die Höhe und die Bezugsdauer oder die Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten.

Im Rahmen der Inspektion über den Umgang der Schweizer Behörden mit der Coronakrise beschlossen die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) am 26. Januar 2021, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit der Evaluation der KAE in der Coronakrise zu beauftragen. Die Zuständigkeit wurde der Subkommission EFD/WBF der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-N) zugewiesen.

Sie beauftragte die PVK an ihrer Sitzung vom 9. September 2021 mit der Beantwortung folgender Fragestellungen: 1.

Wurden die mehrmaligen Anpassungen der Rechtsgrundlagen für die Kurzarbeit in der Coronakrise zweckmässig vorgenommen?

2.

Hat der Bund die Vollzugsstellen in den Kantonen angemessen unterstützt?

3.

Ist die Aufsicht des Bundes zweckmässig und stellt sie die Rechtmässigkeit des Leistungsbezugs sicher?

Die PVK hat dazu eine eigene Evaluation durchgeführt sowie eine externe Untersuchung (Befragung der Vollzugsstellen durch die Ecoplan AG) in Auftrag gegeben.

Am 20. Oktober 2023 hat die GPK-N ihren Inspektionsbericht beraten und zuhanden des Bundesrates verabschiedet. In ihrem Bericht beurteilt die GPK-N die wichtigsten Resultate der PVK-Evaluation und formuliert sieben Empfehlungen an den Bundesrat.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2023 hat die GPK-N ihren Bericht an den Bundesrat überwiesen. Sie ersucht den Bundesrat, bis spätestens am 1. März 2024 zu den Ausführungen und Empfehlungen der GPK-N sowie zu den ihnen zugrundeliegenden Feststellungen der PVK Stellung zu nehmen. Ebenfalls ersucht die GPK-N den Bundesrat, darzulegen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

Zusätzlich fordert die GPK-N in ihrem Schreiben vom 24. Oktober 2023 den Bundesrat dazu auf, im Rahmen seiner Stellungnahme und in Ergänzung zu den Empfehlungen aufzuzeigen, wie die Priorisierung der Kontrollen über die Ausführungsstellen und über den unrechtmässigen Bezug von KAE bei den Arbeitgebern vorgenommen wird.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat dankt der GPK-N für ihren Bericht, der sich kritisch mit der Anwendung der KAE während der Coronakrise auseinandersetzt. Der Bundesrat verdankt ebenfalls die vertieften Analysen, welche anlässlich der Inspektion der GPK-N durchgeführt wurden. Wie die GPK-N misst der Bundesrat den Lehren, die aus der Bewältigung der Covid-19-Pandemie zu ziehen sind, grosse Bedeutung bei.

Die folgende Stellungnahme ist nach den Empfehlungen des Berichts der GPK-N vom 20. Oktober 2023 gegliedert. Der Bundesrat ist bereit, sechs der sieben Empfehlungen entgegenzunehmen. Zu der von der GPK-N erwünschten Erläuterung der Priorisierung der Kontrollen sowie zu der im Bericht der GPK-N erwähnten Prüfung der Wirksamkeit der Kurzarbeit äussert sich der Bundesrat im allgemeinen Teil seiner Stellungnahme.

2.1

Allgemeines

Der Bundesrat begrüsst die Feststellung der GPK-N, dass die Bundesbehörden das Instrument der KAE bei der Bewältigung der Coronakrise grundsätzlich zweckmässig eingesetzt haben. Er nimmt zur Kenntnis, dass die raschen Anpassungen der rechtlichen Grundlagen zu Beginn der Krise gemäss der GPK-N dafür sorgten, dass die KAE schnell an den vorgesehenen Adressatenkreis ausbezahlt werden konnte und dass dies zur Vermeidung einer Welle von Entlassungen aufgrund der angeordneten Schliessungen beigetragen hat. Zudem nimmt der Bundesrat die Ergebnisse der externen Studie der Ecoplan AG wohlwollend auf und hält fest, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die Vollzugsstellen insgesamt angemessen unterstützt hat. Der Bundesrat bekräftigt die Einschätzung der PVK, dass viele Mitarbeitende der Bundesverwaltung und der Vollzugsstellen einen herausragenden Einsatz geleistet haben, damit die KAE zu dieser Zeit möglichst rasch geleistet werden konnte.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass es sich bei der Coronakrise um eine aussergewöhnliche Situation handelte und dass direkte Rückschlüsse aus dieser Zeit auf die Zeit nach der Pandemie nicht ohne Weiteres und nicht in allen Fällen möglich sind.

Dies gilt vorliegend auch für die Arbeitslosenversicherung (ALV), welche ihr bestehendes Instrumentarium mehrmals an eine sich laufend verändernde Problemlage anpassen musste, wobei sich die Herausforderungen der Pandemie auch für die ALV als historisch einzigartig darstellten. Der Bundesrat trägt diesem Umstand bei seiner Einschätzung der von der GPK-N formulierten Empfehlungen Rechnung.

Die dem Bericht der GPK-N zugrundeliegenden Evaluationen konzentrieren sich auf die Anwendung der KAE für den Zeitraum zwischen März 2020 und Juni 2022.

Infolgedessen beschränkt sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme auf Untersuchungsgegenstand und Zeitraum der Evaluationen. Weitergehende Rückschlüsse, z. B. auf die grundsätzliche Gestaltung von Massnahmen auf Basis des verfassungsmässigen Notrechts, sind nicht Kerngehalt der vorliegenden Stellungnahme. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf die vielfältigen Untersuchungen zur Covid-19-Pandemie, welche vom Parlament, vom Bund und weiteren Stellen durchgeführt wurden und weiterhin werden.

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Die Wirksamkeit der Kurzarbeit auf den Arbeitsmarkt In ihrem Bericht betont die GPK-N in Ziffer 2.1.2, dass es wichtig sein wird, dass der Bundesrat zum gegebenen Zeitpunkt die Wirksamkeit der KAE während der Corona-Pandemie hinsichtlich der Frage untersuchen lässt, ob die KAE zu einer nachhaltigen Vermeidung der Arbeitslosigkeit oder nur zu einem kurzfristigen Strukturerhalt geführt hat.

Die Frage der Wirksamkeit der KAE wird vom SECO evaluiert. Wie die GPK-N ausführt, wurden dazu bereits Untersuchungen im Auftrag der Aufsichtskommission für den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung (AK ALV) durchgeführt. Um zu klären, welche relevanten Fragen sich mit allen verfügbaren Daten analysieren lassen, hat das SECO im Auftrag der AK ALV bei der ETH-KOF eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Sollten weitere Studien durchgeführt werden können, wird das SECO bei der AK ALV die entsprechende Vergabe beantragen. Allfällige Studienergebnisse werden vom SECO publiziert.

Auch wenn zum aktuellen Zeitpunkt keine zusätzlichen Erkenntnisse vorliegen, ist der Bundesrat der Überzeugung, dass die KAE gesamtwirtschaftlich gesehen die gesetzlich festgehaltenen Ziele während der Coronakrise erfüllt hat und dass ihr rascher und historisch einmaliger Einsatz massgeblich dazu beigetragen hat, grössere Verwerfungen am Arbeitsmarkt zu vermeiden. Auch wurde durch die KAE die Erholung des Arbeitsmarkts unterstützt. Zu diesen Schlussfolgerungen gelangten auch die bisherigen Untersuchungen der OECD2 und der Universität Basel in Zusammenarbeit mit BSS3. Die OECD stützte sich bei ihrer Beurteilung auf eine vertiefte Analyse der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung bis und mit 2020 und konnte die gewonnenen Erkenntnisse für die Schweiz mit denjenigen anderer OECD-Staaten vergleichen. In einer zweiten Studie wurden verschiedene Arbeitsmarktdaten des SECO und des Bundesamts für Statistik analysiert, wobei neben der Kurzarbeit auch die Rolle der ALV in der Covid-19-Krise allgemein untersucht wurde. Eine Analyse der Zu- und Abgänge von registrierten Stellensuchenden zeigte, dass es während der Pandemie mehr Übergänge aus stark betroffenen Berufszweigen (z. B. Tourismus) in andere Bereiche (z. B. Detailhandel oder Gesundheitswesen) gab als üblich, was auf erwünschte Anpassungseffekte hindeutet. Allerdings waren diese Effekte
gemessen am wirtschaftlichen Einbruch relativ klein, was mit dem generell knappen Stellenangebot und der Schutzwirkung der KAE zusammenhängen könnte. Inwieweit mit dem Einsatz von KAE während der Covid-19-Krise ein optimales Niveau an vorübergehender Strukturerhaltung bzw. an mittelfristiger struktureller Anpassung erreicht wurde, bleibt

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OECD (2022): OECD Economic Surveys: Switzerland 2022. OECD Publishing, Paris; OECD (2022): The impact of the COVID-19 crisis across different socio-economic groups and the role of job retention schemes ­ The case of Switzerland; deutsche Übersetzung. Grundlagen der Wirtschaftspolitik Nr. 37. Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern, Schweiz.

R. Felder, B. Kaiser, T. Möhr, C. Wunsch (2023): Auswirkungen der Coronapandemie auf den Arbeitsmarkt und Rolle der Arbeitslosenversicherung. Grundlagen der Wirtschaftspolitik Nr. 38. Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern, Schweiz.

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schwierig zu beantworten. Wie die ersten vertieften Untersuchungen zeigen, sind solche Wirkungsevaluationen mit sehr grossen Herausforderungen konfrontiert.

Verschiedene arbeitsmarktliche Indikatoren deuten darauf hin, dass sich der Schweizer Arbeitsmarkt bis Mitte 2022 von der Covid-19-Krise weitgehend erholt hat. Das Stellenangebot liegt seit Anfang 2021 über dem Vorkrisenniveau, während die Arbeitslosigkeit seit Frühjahr 2022 tiefer ist als vor der Pandemie.

Auch die Beanspruchung von KAE lag ab Mitte 2022 tiefer als davor. Die ausgezeichnete Verfassung des Schweizer Arbeitsmarkts gibt keinen Anlass zur Vermutung, dass seine Funktionsweise durch die Coronakrise bzw. durch den pandemiebedingten Einsatz von KAE grundlegend beeinträchtigt worden wäre.

Die Priorisierung der Kontrollen über die Ausführungsstellen und über den unrechtmässigen Bezug von Kurzarbeitsentschädigung bei den Arbeitgebern In ihrem Schreiben vom 24. Oktober 2023 fordert die GPK-N den Bundesrat dazu auf, in Ergänzung zu den sieben Empfehlungen aufzuzeigen, wie die Priorisierung der Kontrollen über die Ausführungsstellen und über den unrechtmässigen Bezug von KAE bei den Arbeitgebern vorgenommen wird. Der unrechtmässige Leistungsbezug setzt sich aus zwei Elementen zusammen. Einerseits gibt es fehlerhafte Abrechnungen, bei denen fälschlicherweise zu viele Stunden oder nicht berechtigte versicherte Personen abgerechnet werden. Andererseits führen missbräuchliche Abrechnungen zu Fehlern. Im Falle des Missbrauchs kann die Absicht nachgewiesen werden, die Leistungen unrechtmässig beziehen zu wollen.

Die Aufsicht über die Vollzugsstellen (Kantonale Amtsstelle [KAST] und Arbeitslosenkasse [ALK]) richtet sich nach den finanziellen Risiken, die eine Vollzugsstelle zu tragen hat. Die Risikoeinschätzung bezieht sich auf die Anzahl der Leistungsbewilligungen (bei den KAST) oder die Höhe der Leistungsauszahlung (bei den ALK). Je höher das finanzielle Risiko ist, umso häufiger finden Prüfungen statt.

Die Priorisierung der Arbeitgeberkontrollen erfolgt entlang folgender Kriterien: Art und Quelle der Meldung; Umfang der ausbezahlten Leistung und Substanz der Meldung; absolute Verwirkungsfrist für Rückforderungen. Der konkrete Prüfplan wird unter Berücksichtigung und Abgleich der Kriterien erstellt und umgesetzt.

Die Ausgleichsstelle erhält von verschiedenen Seiten Meldungen über mögliche Missbräuche beim Bezug von KAE. Zu nennen sind insbesondere Meldungen über die Whistleblowing-Plattform der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) oder Verdachtsmeldungen der Vollzugsstellen. Den Whistleblowing-Meldungen wird in allen Fällen nachgegangen. Eine Meldung wird höher priorisiert, wenn sie einen klaren Hinweis auf einen Missbrauch enthält (sog. Missbrauchsmeldung).

Diese Meldungen werden von Amtes wegen und prioritär geprüft. Zeitlich daran anschliessend werden Meldungen überprüft, bei denen lediglich Hinweise auf einen möglichen Missbrauch bestehen (sog. risikoorientierte Meldungen).

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Bezüglich des Umfangs und der Substanz der geleisteten KAE wurde in Rücksprache mit der EFK und zur Stärkung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses eine Kategorisierung vorgenommen. Zu Kategorie 1 gehören KAE-Auszahlungen von über 10 000 Franken, bei denen eine qualifizierte Missbrauchsmeldung mit Belegen oder einem Hinweis auf vorhandene Belege im Betrieb bestehen. Diese Zahlungen werden in allen Fällen geprüft. Kategorie 2 umfasst einen Auszahlungsbetrag von über 50 000 Franken, begleitet von einer glaubhaften bzw. begründeten Missbrauchsmeldung ohne Belege. Auch diese Arbeitgeber werden in allen Fällen geprüft. Bei Kategorie 3 erfolgt eine Kontrolle periodisch während der Bezugsdauer. Dies betrifft Meldungen für Arbeitgeber ohne Auszahlung (Bewilligung der KAST zum Bezug von KAE ist vorhanden, aber es liegt noch keine Abrechnung durch den Arbeitgeber vor) und Meldungen für Arbeitgeber, bei denen der Auszahlungsbetrag weniger als 50 000 Franken beträgt, aber während der Bezugsdauer 50 000 Franken übersteigen könnte. Bei den KAE-Auszahlungen in Kategorie 4 bestehen Meldungen ohne greifbaren Hinweis auf einen Missbrauch.

Zudem ergab die Vorprüfung des ALK-Dossiers keine entsprechenden Anhaltspunkte. Hier erfolgt keine Arbeitgeberkontrolle.

Schliesslich wird bei der Prüfung des unrechtmässigen KAE-Bezugs die absolute Verwirkungsfrist für Rückforderungen nach dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 20004 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) berücksichtigt. Gemäss Artikel 25 ATSG gilt eine absolute Verwirkungsfrist von fünf Jahren. Sie beginnt ab dem Zeitpunkt, an dem eine Leistung effektiv erbracht wurde (Zahlungsdatum der KAE). Durch die Beachtung der Verwirkungsfrist werden frühere Auszahlungen der KAE (z. B. vom April 2020) vor späteren Auszahlungen (z. B. vom Oktober 2020) geprüft.

2.2

Empfehlungen der GPK-N

Zu den Empfehlungen der GPK-N nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung: Empfehlung 1

Kriterien zur Aufhebung von Notrechtmassnahmen definieren

Der Bundesrat wird ersucht, bereits bei der Ausarbeitung von Notrechtmassnahmen oder so bald als möglich nach deren Inkraftsetzung die konkreten Voraussetzungen zu definieren, unter welchen diese Massnahmen wieder aufgehoben werden.

Die PVK kommt in ihrer Evaluation zum Schluss, dass die Vereinfachung der Verfahren der KAE in der ersten Phase der Coronakrise zweckmässig war. Kritisch beurteilt sie die grosse Anzahl an kurzfristigen Anpassungen und Verlängerungen im wei4

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teren Verlauf der Pandemie. Gemäss der PVK führte dies zu Unklarheiten im Vollzug.

Die PVK erläutert dies am Beispiel der mehrmaligen Verlängerung der Geltungsdauer des summarischen Abrechnungsverfahrens.

Auch die GPK-N anerkennt die ausserordentliche Situation, in welcher Entscheidungen kurzfristig und teilweise rückwirkend getroffen werden mussten. Das Vorgehen der mehrmaligen Anpassung und Verlängerung berge jedoch Risiken und Rechtsunsicherheiten. Der GPK-N ist es ein Anliegen, dass in zukünftigen Krisensituationen bei der Ausarbeitung von Notrechtsmassnahmen so vorausschauend wie möglich definiert wird, unter welchen Bedingungen diese auslaufen resp. weiter verlängert werden.

Der Bundesrat nimmt die von der PVK und der GPK-N geäusserten Kritikpunkte zur Kenntnis. Diese beziehen sich aus Sicht des Bundesrates auf die Umsetzung des Covid-19-Gesetzes vom 25. September 20205 bzw. die Anwendung der in der Covid19-Verordnung Arbeitslosenversicherung vom 20. März 20206 geregelten Delegationsnormen. Der Bundesrat hat seine diesbezüglichen Kompetenzen zurückhaltend und jeweils an eine aktuelle Gesamteinschätzung angepasst wahrgenommen. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und das SECO haben die aktuelle Situation sowie die zukünftigen möglichen Entwicklungen regelmässig eingeschätzt. Bei dieser Würdigung wurden neben dem Missbrauchsrisiko auch die Entwicklung der Pandemie, die bestehenden behördlichen Verbote und Einschränkungen, die wirtschaftliche Lage und Prognose, die Anforderungen der Unternehmen und der anspruchsberechtigten Arbeitnehmenden sowie die Ressourcenlage der Vollzugsstellen miteinbezogen. Die ausserordentlichen Regelungen zur KAE wurden auf Grundlage dieser Einschätzung zeitlich begrenzt und soweit möglich auf wenige Monate befristet.

Grundsätzlich erachtet der Bundesrat bei der Definition wirtschaftlicher Abfederungsmassnahmen ein schrittweises Vorgehen mit befristeten Massnahmen als taugliche Methode, um auf eine Krisensituation mit sich rasch ändernder Intensität gezielt reagieren zu können. Die Festlegung weiterer Voraussetzung für eine Weiterführung oder Aufhebung getroffener Massnahmen wäre angesichts der Krisensituation während der Corona-Pandemie nicht zielführend gewesen. Es war immer Absicht des Bundesrates, Erforderlichkeit und
Zweckmässigkeit der ausserordentlichen Massnahmen der KAE regelmässig zu prüfen, um so rasch wie möglich auf die ordentlichen Regelungen zurückgehen zu können. So beschloss der Bundesrat bereits im Frühsommer 2020, mehrere Ausweitungen bei der KAE per Ende Mai 2020 aufzuheben. Aufgrund damaliger Einschätzungen wurden mehrere dieser Ausweitungen schliesslich in das Covid-19-Gesetz überführt. In der nachfolgenden Pandemiephase hat der Bundesrat punktuell einzelne Massnahmen (wieder) eingeführt, um den Folgen eines akuten Aufflammens der Pandemie und den damit einhergehenden weltwirtschaftlichen Schwächephasen und Unsicherheiten zu begegnen. Die zuständigen Kommissionen der eidgenössischen Räte wurden hierbei laufend konsultiert.

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Die KAE ist nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 19827 (AVIG) als Instrument zur Vermeidung drohender Arbeitslosigkeit bei unverschuldeten und vorübergehenden Arbeitsausfällen vorgesehen. Der Einsatz von KAE ist bei Arbeitsausfällen aufgrund behördlicher Massnahmen möglich und auch deshalb dazu geeignet, um unerwünschte wirtschaftliche und soziale Auswirkungen als Folge der Bewältigung einer Krise abzufedern. Die ALV hat im Bereich der KAE mehrere Digitalisierungsschritte realisiert. Daher ist der Bundesrat zuversichtlich, dass die Bewilligung und Auszahlung von KAE zukünftig auch bei einer stark erhöhten Nachfrage effizient erfolgen wird.

Der Bundesrat nimmt die Empfehlung 1 der GPK-N zur Kenntnis. Er weist daraufhin, dass die Definition möglicher Abfederungsmassnahmen auch bei zukünftigen Krisen, welche sich durch grosse Unsicherheit und erhebliche Folgen für die Wirtschaft kennzeichnen, ein gezieltes und möglichst zurückhaltendes Vorgehen bedingen. Die Anwendung befristeter Massnahmen ermöglicht ein adäquates Vorgehen. Der Bundesrat sieht bezüglich der Empfehlung 1 keine weitergehenden Massnahmen vor und verweist auf die Bestimmungen des AVIG zum Einsatz der KAE.

Empfehlung 2

Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die möglichen Risiken einer (Notrecht-)Massnahme in den von den Departementen vorbereiteten Entscheidungsgrundlagen möglichst von Beginn an transparent und umfassend dargestellt werden.

In ihrer Evaluation kommt die PVK zum Ergebnis, dass die Anpassungen der Rechtsgrundlagen zur KAE zu Beginn der Coronakrise weitgehend zweckmässig vorgenommen wurden und dass diese ausdrücklich auf die Vermeidung von Arbeitslosigkeit als Hauptziel der KAE ausgerichtet waren. Gemäss der PVK wurden die Risiken der Anpassungen bei der KAE im späteren Verlauf der Pandemie in den Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates immer weniger und aus ihrer Sicht nur ungenügend erwähnt. Die PVK nennt insbesondere die Risiken für einen unberechtigten Bezug von KAE sowie die wirtschaftlichen Risiken, die mit den Anpassungen verbunden waren.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kommt die GPK-N zum Schluss, dass die Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates teilweise unvollständig waren und gewisse Risiken mit dem Fortschreiten der Krise nicht mehr erwähnt wurden. Der GPK-N ist es wichtig, dass auch in einer Krise das Ziel des Instruments nicht in den Hintergrund rückt. Für die GPK-N stellt sich zudem die Frage, ob das zuständige WBF seiner Informationspflicht gegenüber dem Bundesrat vollständig nachgekommen sei.

Der Bundesrat bestätigt die zentrale Bedeutung einer vollständigen Dokumentation als Grundlage seiner Entscheidungsfindung. Er anerkennt, dass die Risiken, welche sich durch die mehrmalige Anpassung der ausserordentlichen Regelungen zur KAE 7

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ergaben, im Verlauf der Pandemie teilweise nicht mehr in ausführlicher Form erwähnt wurden. Dies betrifft in erster Linie die Folgen der konkreten Anwendung der Covid19-Verordnung Arbeitslosenversicherung.

Die gemäss GPK-N ungenügende Darstellung von Risiken ist aus Sicht des Bundesrates nicht auf fehlende Vorgaben oder deren unsorgfältigen Verwendung zurückzuführen, sondern auf die Tatsache, dass die Entscheidungsgrundlagen aufgrund der sich entwickelnden Problemlage teilweise in kurzer Frist überarbeitet werden mussten.

Durch die mehrfachen Verordnungsanpassungen ergab sich zudem ein gewisser Wiederholungs- und Gewöhnungseffekt. Die Verordnungsanpassungen wurden in allen Fällen gemäss den definierten Konsultationsverfahren durchgeführt, wenn auch teilweise mit kurzen Fristen. Grundsätzlich ist der Bundesrat der Ansicht, dass die allgemeinen Risiken eines breiten Einsatzes von KAE und die spezifischen Risiken der vom AVIG abweichenden Anwendung der KAE spätestens im Verlauf der Coronakrise allen Beteiligten bekannt waren.

Rückblickend betont der Bundesrat, dass es ihm immer möglich war, auf Basis der vorhandenen Entscheidungsgrundlagen und unter Berücksichtigung der aktuellen Problemlage eine übergreifende Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Er erachtet die Wahrnehmung der Informationspflicht des WBF im Zusammenhang mit der Anwendung der KAE während der Pandemiezeit als ausreichend und erfüllt.

Die Feststellungen der GPK-N und der PVK wurden durch das für die Umsetzung der KAE zuständige SECO sorgfältig analysiert. Das SECO ist dadurch ausreichend sensibilisiert, um die vorhandenen Risiken von ausserordentlichen Abweichungen zum AVIG in den Entscheidungsunterlagen zuhanden des Bundesrates gemäss den vorhandenen Vorgaben aufzuführen, sollte sich in Zukunft bezüglich der Ausgestaltung der KAE eine ähnliche Situation ergeben wie während der Pandemie. Das WBF wird die Einhaltung gegebenenfalls kontrollieren.

Weitergehende oder gar verpflichtende Massnahmen sind aus Sicht des Bundesrates bei Empfehlung 2 nicht notwendig.

Empfehlung 3

Zusammensetzung der Aufsichtskommission für den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die Zusammensetzung der Aufsichtskommission für den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung geeignet ist, um eine unabhängige Aufsicht über die Kurzarbeitsentschädigung gewährleisten zu können; dies auch vor dem Hintergrund, dass der Bund die Kurzarbeitsentschädigung während der Coronakrise vollständig finanziert hat.

Die PVK beschreibt in ihrer Evaluation die Aufsichtsstruktur und die Aufsichtsprozesse innerhalb der ALV und über die ALV. Sie beurteilt die definierten Verantwortlichkeiten grundsätzlich als klar, hält jedoch am Beispiel der Kontrolle der Rechtmässigkeit der KAE fest, dass verschiedene Akteure ihre Aufsichtstätigkeiten während der Coronakrise nicht wie zuvor wahrgenommen haben bzw. wahrnehmen konnten.

Als oberstes Aufsichtsorgan über den Fonds der ALV identifiziert die PVK die AK ALV. Die PVK stellt fest, dass die AK ALV als Aufsichtsorgan die Problematik 9 / 16

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des unrechtmässigen Bezugs von KAE diskutiert habe und regelmässig über den Stand der Prüfungen informiert wurde. Aus Sicht der PVK war eine kritische Auseinandersetzung damit aber nicht erkennbar. Die PVK führt dies auf die Zusammensetzung der Kommission zurück und stellt die Frage, inwiefern diese dadurch eine unabhängige Aufsicht wahrnehmen kann.

Auch die GPK-N sieht die Zusammensetzung der AK ALV unter dem Aspekt der Gouvernanz als kritisch und begründet dies mit der Tatsache, dass alle Organe, welche von der AK ALV beaufsichtigt werden, selbst Mitglied der Kommission sind. Diesbezüglich erachtet es die GPK-N auch als problematisch, dass das SECO, welches für viele der pandemiebedingten Massnahmen der KAE verantwortlich war, das Präsidium des obersten Aufsichtsorgans innehat. Auch die GPK-N bezweifelt, dass eine unabhängige Kritik gegenüber den getroffenen Massnahmen möglich sei, wenn die dafür Verantwortlichen selbst Einsitz im Aufsichtsgremium nähmen.

Die AK ALV nimmt gemäss Artikel 89 AVIG Aufsichts- und Beratungsaufgaben wahr. Ihre wesentliche Aufgabe besteht in der Überwachung von Stand und Entwicklung des Ausgleichsfonds. Die AK ALV prüft die Jahresrechnung und den Jahresbericht der ALV zuhanden des Bundesrates. Sie berät den Bundesrat in allen finanziellen Fragen der Versicherung sowie in Rechtsetzungsfragen. Damit die Kommission ihre Aufsicht über den rechtmässigen Bezug von Leistungen der ALV wahrnehmen kann, werden ihr regelmässig Berichte der Ausgleichsstelle der ALV, der internen Revision des SECO sowie der EFK unterbreitet. Die AK ALV prüft u. a. jährlich folgende Berichte: ­

Bericht der Ausgleichsstelle über Geschäftsführungsprüfungen und Revisionen der Auszahlungen bei den Kassen sowie über Entscheide der kantonalen Amtsstellen (Art. 83 Abs. 1 Bst. c, cbis, d, f, h, l und m AVIG)

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Tätigkeitsbericht der internen Revision des SECO zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit der internen Kontrollsysteme der ALV und der daraus abzuleitenden risikominimierenden Massnahmen

­

Revisionsergebnisse der EFK zur Jahresrechnung des Ausgleichsfonds.

Die Kommission gibt jährlich den Prüfplan der Ausgleichstelle (Prüfungen bei den Vollzugsstellen durch den Revisionsdienst der Ausgleichsstelle) sowie den Prüfplan der internen Revision des SECO (Prüfungen bei der Ausgleichsstelle der ALV) frei und legt so die Schwerpunkte der Aufsichtstätigkeiten fest. Der Bundesrat ist der Meinung, dass die bestehenden Verantwortlichkeiten, Strukturen und Abläufe eine unabhängige Aufsicht ermöglichen.

Anders als die GPK-N beurteilt der Bundesrat die Auseinandersetzung der AK ALV mit der Missbrauchsbekämpfung als aktiv und durchaus kritisch. Die von der PVK geprüften Sitzungsprotokolle der AK ALV zeigen, dass die Kommission sich von Anfang an sehr mit der Bekämpfung des missbräuchlichen Bezugs von KAE auseinandergesetzt hat. Die Kommission hat die Ausgleichsstelle frühzeitig dazu aufgefordert, Vorkehrungen zur verstärkten Missbrauchsbekämpfung zu treffen, was anschliessend auch geschah (verstärkte Kontrollen, Neuausrichtung des Prüfplans, kommunikative Massnahmen zur Abschreckung). Zudem hat die Kommission rasch adäquate Entscheide zur Stärkung der Aufsicht über die rechtmässige Leistungserbringung getroffen. So hat sie im August 2020 zusätzliche finanzielle Mittel in der 10 / 16

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Höhe von 25 Millionen Franken zur Missbrauchsbekämpfung im Bereich der KAE aus dem Ausgleichsfonds zur Verfügung gestellt und den Schwerpunkt der Revisionstätigkeiten auf die Missbrauchsbekämpfung im Bereich der KAE ausgerichtet.

Dieser Revisionsschwerpunkt wurde in den folgenden Jahren bestätigt und gilt bis Ende 2026.

Die ALV wird weitgehend durch Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden finanziert und zu einem kleineren Teil über Beteiligungen von Bund und Kantonen.

Der Einbezug der die Versicherung finanzierenden Kreise bei Entscheidungen zur Mittelverwendung ist aus Sicht des Bundesrates zweckmässig. Der Bundesrat ist davon überzeugt, dass alle Beitragszahlenden ein grosses Interesse daran haben, die Einnahmen und Ausgaben der ALV in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten und dass sie im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit in der AK ALV darauf achten. Er betont, dass die Kommission durch die heterogene Zusammensetzung und die Kompetenzen ihrer Mitglieder über die notwendigen Fähigkeiten verfügt, um die komplexen und diversen Themen des Vollzugs der ALV gemäss dem bestehenden gesetzlichen Auftrag korrekt zu beaufsichtigen. Deutlich wird dies am Beispiel der vom Gesetzgeber verabschiedeten ausserordentlichen Zusatzfinanzierung der ALV. Hierfür war es von Vorteil, dass die Eidgenössische Finanzverwaltung mit ihrer Stimme in der AK ALV wichtiges Fachwissen für eine adäquate Aufsicht der Leistungsgewährung einbringen konnte.

Wie in den Berichten der PVK und der GPK-N erwähnt, wurde die Frage der Zusammensetzung der AK ALV bereits mehrmals und vertieft geprüft. Dies führte zu organisatorischen Korrekturen, ohne dass dadurch die Auswahl der in der Kommission vertretenen Organe grundsätzlich geändert werden musste. Diese Prüfung nimmt der Bundesrat jeweils auch bei den regelmässigen Gesamterneuerungswahlen der ausserparlamentarischen Kommissionen vor. Der Bundesrat hat die heutige Zusammensetzung jeweils bestätigt. Zudem erachtet er die Unabhängigkeit der einzelnen Kommissionsmitglieder als gegeben. Das Reglement der AK ALV definiert in Artikel 14, dass Mitglieder der Kommission in den Ausstand treten, wenn sie an einem Geschäft ein unmittelbares geschäftliches oder persönliches Interesse haben. Ist der Ausstand streitig, so entscheidet die Kommission unter Ausschluss des betreffenden Mitglieds. Der
Bundesrat ist daher der Ansicht, dass die gewählten Kommissionsmitglieder in der Lage sind, ihre Rolle und ihre Aufgaben im übergreifenden Gesamtinteresse der ALV wahrzunehmen.

Aus den aufgeführten Gründen lehnt der Bundesrat die Empfehlung 3 der GPK-N zur (erneuten) Prüfung der Zusammensetzung der AK ALV ab.

Empfehlung 4

Vorausschauende Aufsichtstätigkeit

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, bereits bei der Ergreifung von NotrechtsMassnahmen die notwendigen Kontrollen angemessen einzuschätzen und die Voraussetzungen für ihre zeitgerechte Umsetzung sicherzustellen.

Die PVK beschreibt in ihrem Bericht die Entwicklung eines speziellen Prüfkonzepts durch die Ausgleichsstelle der ALV für die Missbrauchsbekämpfung im Bereich der KAE. Dieses Prüfkonzept sei im Sommer 2020 innerhalb nützlicher Frist erstellt wor11 / 16

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den und wird grundsätzlich als klar, die Darstellung und Gewichtung der Risiken als zweckmässig eingeschätzt. Problematisch ist gemäss der PVK, dass das Prüfkonzept danach trotz einer sich stark ändernden Ausgangslage nicht rechtzeitig aktualisiert wurde.

Die GPK-N erachtet es als wichtig, dass die vom Bundesrat ausgeübte Aufsichtstätigkeit und die daraus resultierenden Kontrollverfahren in Situationen wie bei der Anwendung von Notrecht in der Coronakrise ausreichend antizipiert werden. Gemäss der GPK-N erfordert die Umsetzung von Instrumenten wie das der KAE eine konsequente Begleitung durch Kontrollen und dass dies so früh wie möglich im Krisenmanagement zu berücksichtigen sei.

Der Bundesrat ist sich der Notwendigkeit von Kontrollen bei ausserordentlichen Massnahmen bewusst, speziell bei Massnahmen mit umfassenden finanziellen Kostenfolgen wie vorliegend bei der pandemiebedingten KAE. Auch die Aufsichtsstellen der ALV waren sich dessen bewusst, weshalb zeitnah zum damals absehbaren Verlauf der Pandemie im Juni 2020 erste konkrete Massnahmen ergriffen wurden (siehe dazu die Ausführungen zu Empfehlung 3). Aus Sicht des Bundesrates wäre die vorgesehene Kontrolltätigkeit zu diesem Zeitpunkt der Krise ausreichend gewesen. Im weiteren Verlauf der Pandemie hat sich gezeigt, dass die zum damaligen Zeitpunkt getroffenen Massnahmen ausgebaut werden mussten. Auch deshalb wurden die internen und externen Kapazitäten zur Missbrauchsbekämpfung aufgestockt.

Die GPK-N erwähnt, dass die EFK ihre Anstrengungen bei der Aufsicht über die Missbrauchsvermeidung in Absprache mit der Ausgleichsstelle laufend verstärkt hat.

Insbesondere deren Datenanalysen waren für das SECO nützlich. Zudem hat die EFK zusammen mit der Ausgleichsstelle spezifische Prüfungen in den Vollzugsstellen vorgenommen und die Ausgleichsstelle bei der Ausarbeitung der Kontrollstrategie massgeblich unterstützt. Angesichts des grossen finanziellen Engagements des Bundes war die stärkere Rolle der EFK in der Aufsicht auch aus Sicht des Bundesrates angemessen. Die EFK ist weiterhin in engem Kontakt mit dem SECO beziehungsweise der AK ALV.

Der Bundesrat nimmt die Empfehlung 4 der GPK-N entgegen und wird, sollte sich im Bereich der KAE eine ähnlich ausserordentliche Situation wie während der Pandemie ergeben, zusammen mit den Aufsichtsorganen der
ALV darauf achten, der Intensität und dem Ausmass der Kontrollen frühzeitig noch mehr Gewicht zu geben. Die zuständigen Aufsichtsstellen der ALV sind aus Sicht des Bundesrates aufgrund der Erfahrungen während der Pandemie, den bis Ende 2026 fortzuführenden Kontrollen und dem vorliegenden Inspektionsbericht entsprechend sensibilisiert. Der Bundesrat ist davon überzeugt, dass aufgrund der während der Pandemie erlangten Erfahrungen eine bessere Antizipation der Auswirkungen möglicher zukünftiger Krisen auf die Nutzung der KAE und auf den benötigten Kontrollumfang möglich ist.

Der Bundesrat ergreift zum aktuellen Zeitpunkt keine weiteren Massnahmen.

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Zu den Empfehlungen 5 und 6 äussert sich der Bundesrat in einer konsolidierten Stellungnahme.

Empfehlung 5

Auswertung der verfügbaren Daten zur KAE

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die verfügbaren Daten zur ausbezahlten KAE während der Coronakrise sowie zu deren Kontrollen systematisch ausgewertet werden, um eine umfassendere Aufsicht über dieses Instrument zu gewährleisten.

Sie fordert den Bundesrat zudem auf, die relevanten Resultate dieser Auswertung zu veröffentlichen.

Empfehlung 6

Umsetzung des risikoorientierten Prüfungsansatzes

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass alle Kontrollen, die im Prüfkonzept vorgesehen sind, innerhalb der geltenden Verwirkungsfristen so durchgeführt werden, dass ein Gesamtüberblick über den Anteil des unrechtmässigen Bezugs / Missbrauchs in der Coronakrise möglich ist, um das Vertrauen in das Instrument der Kurzarbeit zu stärken.

Die PVK stellt in ihrer Evaluation die Erarbeitung des zur Missbrauchsbekämpfung entwickelten Prüfkonzepts durch die Ausgleichsstelle dar. Obwohl sich die Ausgangslage durch den Anstieg der Missbrauchsmeldungen stark verändert hatte, wurde das Prüfkonzept über zwei Jahre lang nicht aktualisiert. Die PVK bezweifelt, dass das SECO noch ausreichend Kontrollen durchführen kann, um verlässlich abschätzen zu können, wie viel KAE insgesamt wegen Fehlern oder Missbräuchen unrechtmässig bezogen wurde.

Auch die GPK-N begrüsst, dass in der ersten Phase der Coronakrise rasch ein zweckmässiges Prüfkonzept zur Missbrauchsbekämpfung erstellt wurde. Es ist für die GPK-N jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb das Konzept trotz der stark veränderten Ausgangslage nicht rechtzeitig überarbeitet wurde. Zudem ist für die GPK-N aus den publizierten Kennzahlen des SECO nicht ersichtlich, wie viele der Prüfungen mittels zufälliger Stichprobe ausgewählt wurden und bei wie vielen es sich um Meldungen von Auffälligkeiten durch die ALK oder andere Stellen handelt. Vor diesem Hintergrund hält die GPK-N fest, dass es für sie nicht möglich ist, festzustellen, ob das aktualisierte Prüfkonzept umgesetzt wird. Der GPK-N ist es wichtig, dass allen Meldungen innerhalb der geltenden Verwirkungsfristen nachgegangen wird und dass auch die vorgesehenen Kontrollen im Sinne von risikoorientierten Stichproben rechtzeitig durchgeführt werden.

Der Bundesrat bestätigt, dass die Kontrollen über die rechtmässigen Bezüge der KAE noch nicht abgeschlossen sind. Er stimmt mit der GPK-N darin überein, dass alle notwendigen Kontrollen in den gesetzlich geregelten Fristen zu erfolgen haben, damit die Rechtmässigkeit der KAE gewährleistet bleibt. Dies wird unter Beachtung der Verwirkungsfristen gegen Ende 2026 der Fall sein.

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Das aktualisierte risikoorientierte Prüfkonzept fusst auf den Erkenntnissen aus den Kontrollen der bisherigen Missbrauchsmeldungen. Die Analyse der Missbrauchsfälle hat ergeben, dass sich mit Hilfe bestimmter Kriterien Abrechnungen identifizieren lassen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen möglichen Missbrauch aufweisen.

Auf dieser Basis kann das Risiko einer missbräuchlichen Abrechnung eingeschätzt werden und die Kontrollen können risikoorientiert ausgerichtet werden.

Die Ausgleichsstelle hat auf der Basis der risikoorientierten Kriterien den gesamten Datensatz der zwischen März 2020 und Dezember 2022 erfolgten Abrechnungen durchleuchtet. Damit ist die Ausgleichsstelle in der Lage, auch das Ausmass des Missbrauchs bei der Gewährung von KAE während der Coronakrise abzuschätzen. Das Ergebnis der Datenanalyse ist eine Stichprobe jener Abrechnungen, die ein hohes Risiko für einen Missbrauch aufweisen. In einer Verfeinerung dieser risikoorientierten Stichprobe wurden anschliessend jene Fälle definiert, die zwingend eine Arbeitgeberkontrolle am Betriebssitz erfordern. Die übrigen Fälle gelten nach der Datenanalyse als abgeschlossen. Die absolute Verwirkungsfrist tritt für jede Abrechnungsperiode (Monat) fünf Jahre nach deren Auszahlung (Valutadatum) ein. Die Prüfungen der Ausgleichsstelle richten sich an den jeweiligen Valutadaten der Abrechnungen jedes einzelnen Falls aus. So wird sichergestellt, dass die absolute Verwirkungsfrist berücksichtigt wird.

Um die erforderliche Prüfdichte sicherzustellen, werden die von der Ausgleichstelle ergriffenen Massnahmen regelmässig und in hoher zeitlicher Kadenz von der EFK und der internen Revision des SECO überprüft. Diese Verzahnung unterschiedlicher Prüfinstanzen stellt sicher, dass die Risiken von Prüfungslücken minimiert werden.

Der Bundesrat anerkennt die Einschätzung der GPK-N und unterstützt deren Empfehlungen. Für die konkrete Durchführung der Kontrollen im Bereich der KAE ist das SECO bzw. die Ausgleichsstelle der ALV verantwortlich. Der Bundesrat stimmt der GPK-N zu, dass die Ergebnisse der Arbeitgeberkontrollen zur Prüfung der Rechtmässigkeit des KAE-Bezugs während der Coronakrise publiziert werden sollen. Der Bundesrat beauftragt die zuständigen Stellen, ihn nach Abschluss der Kontrollen mit einem Schlussbericht über die Ergebnisse der Prüfungen zu informieren. Im Schlussbericht sollen das Ausmass der unrechtmässigen Bezüge sowie des nachgewiesenen Missbrauchs dargestellt werden.

Empfehlung 7

Abschreckende Wirkung gegen Missbräuche

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die zur Verfügung stehenden und von der Ausgleichsstelle angewendeten Sanktionen bei missbräuchlichen Bezügen der KAE im Sinne des Gesetzgebers angemessen angewendet werden, um für allfällige zukünftige und ähnlich gelagerten Anwendungsfälle eine abschreckende Wirkung gegen Missbräuche zu erzielen.

Die PVK kommt in ihrer Evaluation zum Schluss, dass das SECO die Möglichkeiten des AVIG zur Sanktionierung von Betrieben, die missbräuchlich KAE bezogen haben, nicht ausgeschöpft hat. Ihr Schlussbericht führt aus, dass auch bei verlässlichen Hinweisen auf Missbrauch der KAE und erfolgter Strafanzeige von Seiten der Ausgleichstelle lediglich die unrechtmässig bezogenen KAE-Beträge zurückgefordert 14 / 16

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worden sind. Deshalb bezweifelt die GPK-N, dass ohne die Anwendung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten eine angemessene abschreckende Wirkung für absichtlichen unrechtmässigen KAE-Bezug besteht.

Die Einschätzungen der PVK und der GPK-N beziehen sich auf die in Artikel 88 AVIG festgehaltenen Möglichkeiten zur Sanktionierung missbräuchlicher Leistungsbezüge der Arbeitgeber. Auf diese Möglichkeiten der Sanktionierung der betroffenen Unternehmen (Auferlegung der Mehrkosten, Erhöhung der verfügten Rückerstattung) wurde bisher bewusst verzichtet, da eine Umsetzung gemäss der Erfahrung des SECO problematisch ist und zu unerwünschten Folgen führen kann. Im Bericht der PVK werden die zugrundeliegenden Überlegungen dieser Praxis ausgeführt. In der Vergangenheit wie auch während der Coronakrise setzte die Ausgleichsstelle daher vornehmlich auf die strafrechtliche Verfolgung der mutmasslichen Täterkreise.

Der Bundesrat unterstützt die Empfehlung 7 der GPK-N vollumfänglich. Er erachtet die Strafverfolgung als wichtiges und geeignetes Instrument, um eine generalpräventive Wirkung zu erzielen. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass im Sinne der Empfehlung 7 eine detaillierte Überprüfung der im AVIG erwähnten Instrumente, gerade in Bezug auf ihre generalpräventive Wirkung, sinnvoll und angezeigt ist. In Folge beauftragt der Bundesrat das WBF (SECO), diese Prüfung vorzunehmen und ihm die Ergebnisse bis Ende März 2025 in einem Bericht vorzulegen.

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