BBl 2024 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

24.026 Botschaft zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Bundesgesetz über die Individualbesteuerung) vom 21. Februar 2024

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, als indirekten Gegenvorschlag das Bundesgesetz über die Individualbesteuerung.

2024-0501

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Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2005 M 04.3276

Übergang zur Individualbesteuerung (N 15.6.05, FDP-Liberale Fraktion; S 28.9.05; Abschreibung beantragt, BBl 2009 4729)

2009 M 05.3299

Übergang zur Individualbesteuerung. Dringliche Massnahmen (N 9.5.06 FDP-Liberale Fraktion; S 10.8.09)

2011 P

11.3545

Zivilstandsunabhängige Besteuerung und Renten (N 23.12.11, Fraktion BD)

2014 P

14.3005

Volkswirtschaftliche und fiskalpolitische Fragen von konkreten Modellen der Individualbesteuerung (N 4.6.14, Finanzkommission NR)

2015 M 10.4127

Beseitigung der Heiratsstrafe (N 17.6.11, Bischof; S 4.3.15)

2016 M 16.3044

Beseitigung der Heiratsstrafe (S 13.6.16, Bischof; N 14.12.16)

2021 P

Gemeinschaftsbesteuerung mit Vollsplitting versus Individualbesteuerung. Bewertung der beiden Modelle (S 2.6.21, Würth)

21.3284

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Februar 2024

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi

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Übersicht Die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» verlangt, dass natürliche Personen individuell besteuert werden. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab und stellt ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Damit kann das Anliegen der Initiative ­ die zivilstandsunabhängige Besteuerung ­ schneller erreicht werden.

Ziele der Initiative und des indirekten Gegenvorschlags Die Ziele der Steuergerechtigkeits-Initiative und des indirekten Gegenvorschlags (Bundesgesetz über die Individualbesteuerung) sind die zivilstandsunabhängige Besteuerung und damit auch die Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe, die Erhöhung der Erwerbsanreize für Zweitverdienende sowie die Verbesserung der Gleichstellung von Frau und Mann. Das Parlament hat den Bundesrat im Rahmen der Legislaturplanung 2019­2023 beauftragt, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten.

Indirekter Gegenvorschlag Die Eckwerte des indirekten Gegenvorschlags sind: ­

Ehepaare werden wie unverheiratete Paare individuell besteuert;

­

kinderrelevante Abzüge werden bei der direkten Bundessteuer grundsätzlich hälftig aufgeteilt;

­

der Kinderabzug wird bei der direkten Bundessteuer von heute 6700 auf 12 000 Franken erhöht;

­

der Tarif der direkten Bundessteuer wird angepasst;

­

die Individualbesteuerung wird für alle drei staatlichen Ebenen vorgesehen.

Finanzielle Auswirkungen und Belastungsrelationen Der Bundesrat geht bei der direkten Bundessteuer bezogen auf das Steuerjahr 2024 von schätzungsweise rund 1 Milliarde Franken Mindereinnahmen pro Jahr aus. Davon tragen der Bund rund 800 Mio. Franken und die Kantone rund 200 Mio. Franken.

Der Anteil der Steuerpflichtigen, die durch die Reform eine Minderbelastung bei der direkten Bundessteuer erfahren, ist deutlich grösser als der Anteil jener, die eine Mehrbelastung erfahren.

Entlastungen ergeben sich insbesondere für verheiratete Personen mit eher gleichmässiger Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten. Dies betrifft auch zahlreiche Rentnerehepaare.

Dank der Anpassung des Tarifs werden auch die meisten unverheirateten Personen ohne Kinder entlastet.

Unverheiratete Personen mit Kindern erhalten im geltenden Recht einen privilegierten Tarif. Insgesamt führt die Reform in dieser Personengruppe durch den Wegfall des privilegierten Tarifs grundsätzlich zu einer höheren Steuerbelastung, die aber

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durch die Erhöhung des Kinderabzugs und die Tarifanpassungen stark abgefedert und bei tiefen und mittleren Einkommen im Durchschnitt kompensiert wird.

Für Ehepaare mit nur einem Einkommen oder einem niedrigen Zweiteinkommen kann die Reform zu Mehrbelastungen führen. Dies betrifft insbesondere Ehepaare mit Kindern in den mittleren und höheren Einkommensklassen. Neben dem Wegfall des bisherigen Verheiratetentarifs ist der Grund dafür die hälftige Aufteilung des Kinderabzugs auf die beiden Elternteile. Dadurch kann der Kinderabzug bei jenem Elternteil, der ein niedriges oder kein Einkommen versteuert, nur eine geringe oder keine Entlastungswirkung entfalten. Die Erhöhung des Kinderabzugs wirkt diesem Effekt entgegen.

Die Entlastung in Höhe von insgesamt 1 Milliarde Franken verteilt sich auf alle Einkommensklassen, wobei die tiefsten Einkommen, aber auch Familien mit mittleren Einkommen, weiterhin keine direkte Bundessteuer bezahlen. In den anderen Einkommensklassen schafft die Reform im Durchschnitt eine Entlastung.

Beschäftigungseffekte und Beitrag zur Gleichstellung Die Einführung der Individualbesteuerung erhöht die Erwerbsanreize namentlich für Zweitverdienerinnen und Zweitverdiener, weil diese elastischer auf eine Veränderung der Steuerbelastung reagieren. Das grösste Potenzial für Beschäftigungseffekte besteht daher bei verheirateten Zweitverdienerinnen und Zweitverdienern. In dieser Konstellation fällt mit der Individualbesteuerung im Vergleich zur heutigen gemeinsamen Besteuerung bei einer Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder bei einer Erhöhung des Zweiteinkommens eine deutlich niedrigere Steuerbelastung an. Diese Beschäftigungseffekte würden zu einer besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeits- und Fachkräftepotenzials führen und dadurch einen volkswirtschaftlichen Impuls auslösen. Zudem wird die finanzielle Unabhängigkeit beider Eheleute gestärkt und ihre Vorsorge für das Alter sowie bei Scheidungen verbessert. Dies trägt zur Gleichstellung von Frau und Mann bei und steht auch im Einklang mit der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt, die das Prinzip der Eigenversorgung nach der Scheidung betont.

Administrativer Aufwand Die Einführung einer Individualbesteuerung hat für die kantonalen Steuerverwaltungen einen Umstellungsaufwand und einen erhöhten
wiederkehrenden Aufwand zur Folge. Gesamtschweizerisch ist mit zusätzlichen ca. 1,7 Millionen Steuererklärungen zu rechnen. Allerdings relativiert die zunehmend elektronische Verarbeitung von Steuerverfahren den Mehraufwand. Die Vorlage vermeidet ausserdem weitgehend inhaltliche und prozedurale Abhängigkeiten zwischen den Dossiers der beiden Eheleute und führt z. B. bei der Quellensteuer und beim Tod der Ehegattin oder des Ehegatten auch zu Vereinfachungen.

Umsetzung Da die Individualbesteuerung auf sämtlichen Staatsebenen umgesetzt werden soll, müssen auch die Kantone ihre Gesetze anpassen. Sie werden ihre Steuertarife und gewisse Abzüge überprüfen und gegebenenfalls neu festlegen müssen. Der Bundesrat

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wird das Inkrafttreten festlegen. Dabei nimmt er Rücksicht auf das Anliegen der Kantone nach einer angemessenen, mehrjährigen Umsetzungsfrist.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

3

1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative 1.1 Wortlaut der Initiative 1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen 1.3 Gültigkeit

9 9 9 10

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative 2.1 Geltendes Recht 2.2 Bisherige Reformdiskussionen 2.3 Weitere Volksinitiative zur Ehepaarbesteuerung

10 10 12 15

3

Ziele und Inhalt der Initiative 3.1 Ziele der Initiative 3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung 3.3 Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

15 15 16 16

4

Würdigung der Initiative 4.1 Ziele der Initiative 4.2 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme 4.3 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

17 17 18 20

5

Schlussfolgerungen

20

6

Indirekter Gegenvorschlag 20 6.1 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 20 6.1.1 Vernehmlassungsvorlage 20 6.1.2 Vernehmlassungsergebnisse 21 6.1.2.1 Grundsätzliche Haltung der Vernehmlassungsteilnehmenden 21 6.1.2.2 Korrekturmassnahme für Eineinkommenspaare 22 6.1.2.3 Weitere Aspekte 23 6.2 Grundzüge der Vorlage 24 6.2.1 Besteuerung von Ehepaaren gemäss den Regeln für unverheiratete Paare bzw. gemäss Zivilrecht 25 6.2.1.1 Grundsatz 25 6.2.1.2 Rechtsgeschäfte unter Partnerinnen und Partnern 29 6.2.1.3 Zivilstandsneutralität 30 6.2.2 Besteuerung der Personen mit Kindern 31 6.2.2.1 Berücksichtigung der Kinderkosten 31 6.2.2.2 Besteuerung der minderjährigen Kinder 31 6.2.2.3 Aufteilung der kinderrelevanten Abzüge auf die Eltern 32

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6.2.3 6.2.4

6.3

6.4

6.5 6.6 6.7

Tarifanpassung 34 Verfahren 37 6.2.4.1 Allgemeines 37 6.2.4.2 Akteneinsichtsrecht 37 6.2.4.3 Revision 38 6.2.4.4 Nachsteuerverfahren 39 6.2.5 Haftung 39 6.2.6 Steuerstrafrecht 39 6.2.7 Besteuerung nach dem Aufwand 40 6.2.8 Quellensteuer 41 6.2.9 Auswirkungen der Individualbesteuerung auf andere Rechtsbereiche 42 6.2.9.1 Allgemeines 42 6.2.9.2 Krankenkassenprämienverbilligungen 43 6.2.9.3 Tarife für Kindertagesstätten 44 6.2.10 Umsetzung 44 6.2.10.1 Administrativer Aufwand 44 6.2.10.2 Verankerung der Individualbesteuerung auf allen drei staatlichen Ebenen 46 Geprüfte, aber verworfene Ausgestaltung der Individualbesteuerung 46 6.3.1 Modell mit Doppeltarif (Ecoplan) 46 6.3.2 Korrekturmassnahme für Eineinkommensehepaare 49 6.3.3 Abzug für Haushalte mit nur einer erwachsenen Person (alleinstehend, alleinerziehend) 51 6.3.4 Kinderabzug 52 Exkurs: Modelle der gemeinsamen Besteuerung 53 6.4.1 Splittingmodelle 53 6.4.1.1 Grundsatz 53 6.4.1.2 Vollsplitting 54 6.4.1.3 Teilsplitting 56 6.4.1.4 Familienquotientensystem 58 6.4.2 Alternative Steuerberechnung 58 6.4.3 Flat-Rate-Tax 60 Ehepaarbesteuerung im Ausland 64 Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen 64 Auswirkungen 77 6.7.1 Datengrundlage 77 6.7.1.1 Statistik der direkten Bundessteuer 77 6.7.1.2 Normalfälle vs. Sonderfälle 78 6.7.2 Finanzielle Auswirkungen 79 6.7.2.1 Finanzielle Auswirkungen auf den Bund 79 6.7.2.2 Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone 79 6.7.3 Personelle Auswirkungen und Auswirkungen auf die IKT 80 7 / 108

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6.8

6.7.3.1 Bund 80 6.7.3.2 Kantone 80 6.7.4 Auswirkungen auf die Belastungsrelationen bei der direkten Bundessteuer 81 6.7.4.1 Allgemeines 81 6.7.4.2 Auswirkungen auf die Belastungsrelationen in ausgewählten Konstellationen 82 6.7.4.1 Verteilung der Entlastungswirkung auf unterschiedliche Personenkategorien 90 6.7.4.1 Verteilung der Entlastungswirkung auf die Einkommensklassen 92 6.7.1 Auswirkungen auf die Belastungsrelationen bei den kantonalen Einkommenssteuern 95 6.7.2 Beschäftigungseffekte 95 6.7.2.1 Ausgangslage 95 6.7.2.2 Annahmen zu den Schätzungen 97 6.7.2.3 Veränderung der Steuerbelastung auf dem Zweiteinkommen 97 6.7.2.4 Ergebnisse der Schätzungen der Beschäftigungseffekte der Reform bei der direkten Bundessteuer 100 6.7.2.5 Hochrechnung des Beschäftigungseffekts auf die kantonalen Steuern 102 6.7.3 Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann 103 Rechtliche Aspekte 104 6.8.1 Verfassungsmässigkeit 104 6.8.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 106 6.8.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 107

Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» (Steuergerechtigkeits-Initiative) (Entwurf)

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Bundesgesetz über die Individualbesteuerung (Entwurf)

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» hat den folgenden Wortlaut: Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 127 Abs. 2bis 2bis

Natürliche Personen werden unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert.

Art. 197 Ziff. 122 12. Übergangsbestimmung zu Art. 127 Abs. 2bis (Zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung) Die Bundesversammlung erlässt die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 127 Absatz 2bis spätestens drei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände.

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» wurde am 23. Februar 2021 von der Bundeskanzlei vorgeprüft3 und am 8. September 2022 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 4. Oktober 2022 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 112 218 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.4 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu einen indirekten Gegenvorschlag. Nach Artikel 97 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025 (ParlG) hat der Bundesrat dem Parlament somit spätestens bis zum 8. März 2024 die Beschlussentwürfe und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 8. März 2025 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen (unter Vorbehalt einer Verlängerung der Behandlungsfrist gestützt auf Art. 105 ParlG).

1 2 3 4 5

SR 101 Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

BBl 2021 459 BBl 2022 2386 SR 171.10

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1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV): a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Geltendes Recht

Der für die Ehepaarbesteuerung massgebende Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 19906 über die direkte Bundessteuer (DBG) sieht die Gemeinschaftsbesteuerung vor. Die Familie wird als wirtschaftliche Gemeinschaft betrachtet und bildet somit auch in steuerlicher Hinsicht eine Einheit. Die Einkommen der rechtlich und tatsächlich ungetrennten Eheleute werden unabhängig vom Güterstand zusammengerechnet (Faktorenaddition). Eingetragene Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare werden der Ehe gleichgestellt (Art. 9 Abs. 1bis DBG). Das DBG geht von einem Mehrfachtarif-System aus (Art. 36 DBG). D. h. es sind drei Tarife für die Besteuerung der natürlichen Personen vorgesehen: ein Grundtarif für Alleinstehende, ein Verheiratetentarif für Ehepaare sowie ein (zivilstandsunabhängiger) Elterntarif für Personen, die mit Kindern zusammenleben. Der Elterntarif besteht aus dem Verheiratetentarif (Basis) und einem jährlichen Abzug vom Steuerbetrag in der Höhe von 259 Franken pro Kind oder unterstützungsbedürftige Person. Der Abzug vom Steuerbetrag beim Elterntarif ist eine direkte Tarifmassnahme und kein Sozialabzug. Den Ehepaaren wird zudem ein Verheiratetenabzug (Art. 33 Abs. 2 DBG) gewährt, um die mit der Faktorenaddition (dem in der gemeinsamen Besteuerung vorgesehenen Zusammenzählen der Einkommen der Eheleute) verbundene Progressionswirkung etwas zu dämpfen, und ein Zweiverdienerabzug, der Ehepaare mit zwei Erwerbseinkommen entlastet.

Das Bundesgesetz vom 14. Dezember 19907 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) folgt im Bereich der Ehepaarbesteuerung (Art. 3 Abs. 3 StHG) grundsätzlich dem DBG und legt die Gemeinschaftsbesteuerung fest (Art. 3 Abs. 3 StHG). Eingetragene Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare werden der Ehe gleichgestellt (Art. 3 Abs. 4 StHG). Aufgrund der Tarifautonomie der Kantone obliegt es den Kantonen, die Steuertarife, Steuersätze und Steuerfreibeträge festzulegen (Art. 129 Abs. 2 BV).

6 7

SR 642.11 SR 642.14

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Alle kantonalen Steuergesetze enthalten Entlastungsmassnahmen für Ehepaare zur Korrektur der mit der Faktorenaddition verbundenen Progressionswirkung. Die Form und das Ausmass der Entlastung sind jedoch sehr unterschiedlich geregelt (Stand: Mai 2023): ­

In acht Kantonen gilt ein Doppeltarifsystem (ZH, BE, LU, ZG, BS, AR, TI und JU).

­

Sieben Kantone kennen ein Vollsplitting (FR, BL, AI, SG, AG, TG und GE) und sieben ein Teilsplitting (SZ, SO, SH und GR: Divisor 1,9; NW: Divisor 1,85; NE: Divisor 1,92; GL: Divisor 1,6).

­

Der Kanton Waadt kennt ein Familienquotientensystem (Besteuerung nach Konsumeinheiten): Um den Steuersatz zu bestimmen, wird das Gesamteinkommen durch einen ­ von der Anzahl Familienmitglieder abhängigen ­ variablen Divisor geteilt. Es handelt sich dabei um eine Sonderform des Splittings.

­

Der Kanton Wallis kennt einen Einheitstarif. Die Entlastung der Ehepaare erfolgt in der Form eines Abzugs vom Steuerbetrag.

­

Zwei Kantone (UR, OW) haben einen proportionalen Einheitstarif (Flat Rate Tax). Beide Kantone entlasten Ehepaare durch einen im Vergleich zu Alleinstehenden höheren Sozialabzug von der Bemessungsgrundlage.

Heute führt die gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren bei der direkten Bundessteuer in Verbindung mit dem progressiven Tarif dazu, dass Ehepaare im Vergleich zu individuell besteuerten unverheirateten Paaren in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen je nach Konstellation entweder eine Mehr- oder eine Minderbelastung haben.

Bei der direkten Bundessteuer werden heute insbesondere Ehepaare mit höheren Einkommen und relativ gleichmässiger Einkommensaufteilung steuerlich schlechter gestellt als unverheiratete Paare («Heiratsstrafe»). Ehepaare mit niedrigen oder ungleichmässig aufgeteilten Gesamteinkommen sind demgegenüber tendenziell steuerlich bevorteilt.

Zwecks Plausibilisierung hat die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) auf Basis der WiSiER-Daten (Analyse der wirtschaftlichen Situation von Personen im Erwerbsund im Rentenalter) aus dem Jahr 2015 und hochgerechnet auf die Daten der Statistik der direkten Bundessteuer 2018 Schätzungen vorgenommen. Gemäss diesen Schätzungen sind rund 610 000 verheiratete Paare steuerlich benachteiligt und rund 670 000 verheiratete Paare steuerlich privilegiert. Diese Schätzungen gelten für Benachteiligungen bzw. Privilegierungen, bei denen die Belastung des Ehepaars bei der direkten Bundessteuer mehr als 10 Prozent von derjenigen eines unverheirateten Paars in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen abweicht.

Diese Schätzungen sind mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Während die Daten der ESTV zur direkten Bundessteuer keine Informationen zur Aufteilung der Einkommen von Ehepaaren auf die Eheleute enthalten, sind solche Informationen in den WiSiER-Daten verfügbar. Allerdings beziehen sich die WiSiER-Daten auf die kantonalen Einkommenssteuern, sodass die Aufteilung der Einkommen auf die Eheleute auf Grund unterschiedlich hoher Abzüge für die direkte Bundessteuer geschätzt werden 11 / 108

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muss. Zudem ermöglichen auch die WiSiER-Daten keine eindeutige Zuordnung aller Einkommensteile auf die Eheleute, sodass hierfür Annahmen getroffen werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Vermögenserträge. Schliesslich enthalten die WiSiER-Daten Informationen von lediglich 10 Kantonen. Die Kernaussage der Medienmitteilung vom 8. November 2018 gilt weiterhin: «Die statistischen Grundlagen zur direkten Bundessteuer, auf welche die ESTV zurückgreifen kann, sind unzureichend.

Deshalb bleibt insbesondere die Schätzung der Zahl der von der Heiratsstrafe Betroffenen mit Unsicherheiten behaftet».

2.2

Bisherige Reformdiskussionen

Die Paarbesteuerung war in den vergangenen Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher Reformdiskussionen. 1984 hielt das Bundesgericht in einem wegweisenden Entscheid fest, dass die Steuergesetzgeber Ehepaare einerseits im Verhältnis zu alleinstehenden Personen entlasten müssen und andererseits im Verhältnis zu unverheirateten Paaren nicht stärker belasten dürfen. Die Steuerbelastung von Ehepaaren dürfe dabei grundsätzlich nicht davon abhängen, ob nur die Ehegattin oder der Ehegatte oder beide Einkommen erzielen und wie im zweiten Fall das Grössenverhältnis zwischen den Einkommen ist. Allfällige Steuervorteile seien grundsätzlich den Ehepaaren und nicht den unverheirateten Paaren zu gewähren.8 Im Rahmen einer Willkürüberprüfung relativierte das Bundesgericht diesen Entscheid im Jahr 1994 in Bezug auf Ehepaare mit Kindern. Im Vordergrund stehe für den Gesetzgeber nicht der Vergleich zwischen Ehepaaren und unverheirateten Paaren mit Kindern, sondern der Vergleich zwischen Ehepaaren und unverheirateten Paaren ohne Kinder, da unverheiratete Paare ohne Kinder die viel grössere Zahl ausmachen würden als unverheiratete Paare mit Kindern. Für die Steuerbemessung beim verheirateten Paar mit Kindern sei zum Vergleich nicht in erster Linie auf die Steuerbelastung des unverheirateten Paares mit Kindern abzustellen, sondern auf die Steuerbelastung der anderen Gruppen von Steuerpflichtigen, besonders der Alleinstehenden und der Konkubinatspartnerinnen und -partner ohne Kinder. Wenn daher der Steuergesetzgeber die Mehrbelastung von Verheirateten, verglichen mit den relativ viel weniger zahlreichen unverheirateten Paaren mit Kindern, in Kauf nehme, sei dagegen unter dem Gesichtswinkel des Rechtsgleichheitsgebots nichts einzuwenden.9 In der Folge wurden auf politischer Ebene mehrere Versuche zu einer neuen Ausgestaltung der Ehepaar- und Familienbesteuerung unternommen: Im Rahmen des Steuerpakets 2001 sprachen sich der Bundesrat und die eidgenössischen Räte bei der Ehepaarbesteuerung für die Einführung eines Teilsplittings (vgl.

auch Ziff. 6.4.1) mit Divisor 1,9 aus. Die Vorlage wurde indes in der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 abgelehnt.

Im Oktober 2006 verabschiedeten die eidgenössischen Räte Sofortmassnahmen im Bereich der direkten Bundessteuer. Neben einer Erhöhung des Zweiverdienerabzugs wurde zusätzlich ein Verheiratetenabzug für alle Ehepaare in der Form eines Sozial8 9

BGE 110 Ia 7 E. 4. c und d BGE 120 Ia 329 E. 6

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abzugs eingeführt. Trotz diesen am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Änderungen konnte die Schlechterstellung gegenüber unverheirateten Paaren nicht für alle Ehepaare vollständig beseitigt werden.

2007 führte der Bundesrat eine Vernehmlassung zum Grundsatzentscheid durch, ob Ehepaare gemeinsam oder getrennt besteuert werden sollen. Die Vorlage zu diesem Systementscheid enthielt vier Modelle (modifizierte Individualbesteuerung, gemeinsame Besteuerung mit Vollsplitting, Wahlrecht für Ehepaare mit einem Teilsplitting als Grundsatz, neuer Doppeltarif [vgl. Ziff. 6.4]). Die Auswertung der Vernehmlassung zeigte aber, dass eine breit abgestützte Lösung, die eine grundsätzliche Änderung des heutigen Systems beinhaltet hätte, zu diesem Zeitpunkt nicht mehrheitsfähig war.

Unter den Parteien bestand kein gesellschaftspolitischer Konsens darüber, wie die demografischen und sozioökonomischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte im Steuerrecht abzubilden seien.

Im August 2012 gab der Bundesrat erneut Vorschläge zu einer ausgewogenen Paarund Familienbesteuerung in die Vernehmlassung.10 Damit Ehepaare künftig nicht stärker als unverheiratete Paare belastet werden, schlug er das Gemeinschaftsbesteuerungsmodell «Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung» vor (vgl. Ziff. 6.4.2.

Die Ergebnisse der Vernehmlassung11 zeigten, dass nach wie vor unterschiedliche Vorstellungen über die ideale Form der Besteuerung von Ehepaaren bestanden. Insbesondere war weiterhin strittig, ob die Besteuerung individuell oder gemeinsam zu erfolgen habe.

Am 5. November 2012 wurde die Volksinitiative der damaligen CVP (heute die Mitte) «Für Ehe und Familie ­ gegen die Heiratsstrafe» (13.085) eingereicht. Diese sah vor, dass die Ehe eine Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ist und in steuerlicher Hinsicht eine Wirtschaftsgemeinschaft bildet. Gemäss Initiativtext durfte die Ehe gegenüber anderen Lebensformen nicht benachteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und den Sozialversicherungen. Am 28. Februar 2016 wurde die Volkinitiative trotz Ständemehr vom Volk mit 50,8 Prozent der Stimmen abgelehnt. Am 10. April 2019 annullierte das Bundesgericht die Volksabstimmung.12 Das Initiativkomitee zog die Volksinitiative am 4. Februar 2020 zurück.

Nach der Volksabstimmung über die Volksinitiative der damaligen CVP hat der Bundesrat
dem EFD im August 2016 den Auftrag erteilt, eine neue Botschaft zur Beseitigung der «Heiratsstrafe» bei der direkten Bundessteuer auszuarbeiten. Am 21. März 2018 verabschiedete der Bundesrat die «Botschaft zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung bei der direkten Bundessteuer. Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung».13

10

11

12 13

Vgl. dazu den erläuternden Bericht vom 29. August zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung), www.admin.ch > Bundesrecht >Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > EFD.

Vgl. dazu den Bericht vom 18. April 2013 «Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung», abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > EFD.

Urteil des Bundesgerichts 1C_315/2018 vom 10.04.2019.

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung), BBl 2018 2133.

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Am 14. August 2019 verabschiedete der Bundesrat eine Zusatzbotschaft zur alternativen Steuerberechnung mit neuen Schätzungen zur «Heiratsstrafe».14 Das Parlament wies die Botschaft zur alternativen Steuerberechnung am 18. Dezember 2019 an den Bundesrat zurück. Dieser wurde beauftragt, alternative Modelle vorzulegen, namentlich das im Kanton Waadt geltende Modell (Familienquotientensystem [vgl.

Ziff. 6.4.1.4]), die Individualbesteuerung oder allenfalls weitere Modelle, die er als geeignet erachtet.

In der Herbstsession 2020 beschloss schliesslich das Parlament, die Verabschiedung einer Botschaft zur Einführung der Individualbesteuerung in die Legislaturplanung 2019­2023 aufzunehmen.

Zum Thema der Ehepaar- und Familienbesteuerung wurden in den letzten 20 Jahren auch zahlreiche Vorstösse überwiesen, die entweder die Individualbesteuerung oder die Gemeinschaftsbesteuerung im Fokus hatten: ­

Motion der FDP-Liberalen Fraktion vom 3. Juni 2004 (04.3276 «Übergang zur Individualbesteuerung»).

­

Motion der FDP-Liberalen Fraktion vom 15. Juni 2005 (05.3299 «Übergang zur Individualbesteuerung. Dringliche Massnahmen»).

­

Motion Bischof vom 17. Dezember 2010 (10.4127 «Beseitigung der Heiratsstrafe»).

­

Postulat der BDP-Fraktion vom 15. Juni 2011 (11.3545 «Zivilstandsunabhängige Besteuerung und Renten»).

­

Postulat der Finanzkommission NR vom 30. Januar 2014 (14.3005 «Volkswirtschaftliche und fiskalpolitische Folgen von konkreten Modellen der Individualbesteuerung»).

­

Motion Bischof vom 3. März 2016 (16.3044 «Beseitigung der Heiratsstrafe»).

­

Postulat Würth vom 18. März 2021 (21.3284 «Gemeinschaftsbesteuerung mit Vollsplitting versus Individualbesteuerung. Bewertung der beiden Modelle»).

Der Bundesrat hat die verlangte Bewertung der beiden Modelle bereits in der Vernehmlassung zur Individualbesteuerung vorgenommen.

Ausserdem wurden auch vier Standesinitiativen eingereicht, deren Vorprüfung noch nicht beendet ist (Stand Januar 2024):

14

­

Standesinitiative des Kantons BS vom 6. Juli 2021 (21.317 «Baldige Einführung und Umsetzung der Individualbesteuerung»).

­

Standesinitiative des Kantons LU vom 23. Dezember 2022 (23.300 «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung»).

­

Standesinitiative des Kantons GR vom 15. März 2023 (23.305 «Einführung der Individualbesteuerung»).

Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung), BBl 2019 5787.

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­

2.3

Standesinitiative des Kantons BL vom 31. August 2023 (23.313 «Individualbesteuerung. Endlich Gleichstellung im Steuerrecht»).

Weitere Volksinitiative zur Ehepaarbesteuerung

Am 27. September 2022 wurde die Unterschriftensammlung zur Volksinitiative der Mitte mit dem Titel «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare ­ Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» gestartet. Die Initiative verlangt, dass das Einkommen eines Ehepaars bei der Berechnung der direkten Bundessteuer zusammengerechnet wird, ohne dass Ehepaare gegenüber anderen Steuerpflichtigen benachteiligt werden.

Erfolgt nach einer Annahme dieser Volksinitiative die Umsetzung in den Steuergesetzen nicht innert drei Jahren, soll der Bundesrat mittels Verordnung für Ehepaare neben der gemeinsamen Besteuerung eine alternative Steuerberechnung anhand des Tarifs und der Abzüge für unverheiratete Personen gemäss der Gesetzgebung über die direkte Bundessteuer festlegen. Der tiefere der beiden berechneten Steuerbeträge soll in Rechnung gestellt werden. Die Sammelfrist läuft noch bis zum 27. März 2024.

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Die Volksinitiative verlangt, dass natürliche Personen unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert werden.

Eine zivilstandsunabhängige Besteuerung heisst konkret, dass es für die Besteuerung unerheblich ist, ob eine natürliche Person verheiratet, geschieden, verwitwet oder ledig ist. Alle werden individuell besteuert.

Die bisherige gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren soll folglich zugunsten einer individuellen Besteuerung aufgehoben werden.

Die Initiantinnen und Initianten führen für den Wechsel zur Individualbesteuerung namentlich folgende Argumente an15: In der Verfassung sei der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verankert. Heute werde das individuelle finanzielle Leistungsvermögen von gemeinsam besteuerten Paaren (Ehe oder eingetragene Partnerschaft) steuerlich aber anders gewertet als dasjenige von Konkubinatspaaren oder Alleinstehenden.

Das individuelle finanzielle Leistungsvermögen könne steuerlich nur unabhängig vom Zivilstand bemessen werden.

Das heutige Steuersystem könne dazu fuhren, dass die gemeinsam besteuerten Paare schlechter gestellt seien und mehr Steuern bezahlen als ein vergleichbares individuell besteuertes Konkubinatspaar («Heiratsstrafe»). Dies insbesondere dann, wenn beide

15

Vgl. Steuergerechtigkeits-Initiative, abrufbar unter: www.individualbesteuerung.ch (Stand: November 2023).

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Ehegatten einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Die Individualbesteuerung wurde diese Heiratsstrafe beseitigen.

Die Individualbesteuerung werde allen Arten des Zusammenlebens gerecht, womit das Steuerrecht die Gleichstellung aller Lebensmodelle vorantreiben würde.

Das heutige Steuersystem begünstige Ehen, in denen nur ein Ehegatte seinem Beruf nachgehe und damit allein fur das Haushaltseinkommen sorge. Insbesondere gut ausgebildete Frauen würden so vom Arbeitsmarkt abgehalten. Wer aber dem Arbeitsmarkt lange fernbleibe, habe kaum mehr Karrierechancen. Mit der Individualbesteuerung könnten die richtigen steuerlichen Erwerbsanreize gesetzt werden, womit sie mithelfe, den Fachkräftemangel zu beheben, und insbesondere mehr Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt schaffe.

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Artikel 127 BV soll durch einen Absatz 2bis ergänzt werden, in welchem die zivilstandsneutrale Besteuerung der natürlichen Personen festgelegt wird.

Gemäss der vorgesehenen Übergangsbestimmung erlässt die Bundesversammlung spätestens drei Jahre nach Annahme von Artikel 127 Absatz 2bis BV durch Volk und Stände die entsprechenden Ausführungsbestimmungen.

3.3

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

Verfassungsbestimmung Die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung (Art. 127 Abs. 2bis BV) besagt, dass natürliche Personen unabhängig von ihrem Zivilstand zu besteuern sind. Die Individualbesteuerung wird nicht ausdrücklich vorgegeben. Die Übergangsbestimmung spricht jedoch von der «zivilstandsunabhängigen Individualbesteuerung». Damit ist hinreichend klar, dass die Initiative die Einführung einer Individualbesteuerung fordert. Implizit ergibt sich, dass die zivilstandsneutrale Individualbesteuerung für alle drei Staatsebenen gelten soll.

Im Falle einer Annahme der Volksinitiative wäre somit die heute beim Bund und in den Kantonen geltende gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren ohne erneute Verfassungsänderung ausgeschlossen.

Die Verfassungsbestimmung wäre nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfte der Umsetzung durch den Bundesgesetzgeber, indem das DBG und das StHG entsprechend geändert würden.

Basierend auf der Änderung des StHG müssten die Kantone ihre Gesetzgebung anpassen. Den Kantonen müsste dafür genügend Zeit eingeräumt werden, da sie die Tarife, Abzüge und Sozialabzüge überprüfen und allenfalls neu festlegen sowie die IT (elektronische Datenverarbeitung) anpassen müssen.

Die Neuerungen bei der direkten Bundessteuer und in den kantonalen Steuergesetzen sollten aufgrund des Harmonisierungsgebots von Artikel 129 BV zum gleichen Zeit16 / 108

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punkt in Kraft treten. Unterschiedliche Regelungen, z. B. indem der Bund ab Zeitpunkt x die Individualbesteuerung vorsieht und in allen oder einigen Kantonen noch die gemeinsame Besteuerung der Eheleute gilt, würden zu einem unverhältnismässig grossen Aufwand für die steuerpflichtigen Personen und den Steuerbehörden führen.

Übergangsbestimmung Die Volksinitiative verlangt, dass die Bundesversammlung die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 127 Absatz 2bis BV spätestens drei Jahre nach Annahme der Initiative durch Volk und Stände erlässt.

Der Wortlaut der Übergangsbestimmung spricht klar dafür, dass die Bundesversammlung innert dieser drei Jahre ein Gesetz zur Einführung der Individualbesteuerung verabschieden (erlassen) muss. Die Inkraftsetzung folgt dann ­ unter Vorbehalt eines Referendums ­ durch den Bundesrat, es sei denn, der Gesetzgeber hätte das Datum der Inkraftsetzung selbst festgelegt.

Für diese Auslegung spricht auch, dass der Initiativtext ausdrücklich von Ausführungsbestimmungen spricht und nicht vom Inkrafttreten, wie es in einigen anderen Übergangsbestimmungen zu Volksinitiativen der Fall ist.16

4

Würdigung der Initiative

4.1

Ziele der Initiative

Die Ziele der Initiative, das heisst die zivilstandsunabhängige Besteuerung und damit auch die Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe, die Erhöhung der Erwerbsanreize für Zweitverdienende sowie die Verbesserung der Gleichstellung von Frau und Mann können mit einem Wechsel zur Individualbesteuerung erreicht werden.

Der Bundesrat hat sich mit Entscheid vom 2. Dezember 2022 dafür ausgesprochen, die Initiative abzulehnen, ihr aber einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Dies unter anderem aus folgenden Gründen:

16

­

Die Beseitigung der Heiratsstrafe bei der direkten Bundessteuer ist seit rund 40 Jahren pendent. Mit einer Verankerung der zivilstandsunabhängigen Besteuerung auf Verfassungsstufe gäbe es zwar für den Gesetzgeber einen verbindlichen Richtungsentscheid. Es braucht aber immer noch Massnahmen zur Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung.

­

Die Einführung der Individualbesteuerung ist auch ohne Bestimmung auf Verfassungsstufe möglich. In zeitlicher Hinsicht führt der Weg über die Gesetzgebung schneller zum Ziel.

­

Die Verankerung der Besteuerungsmethode (gemeinsam für [Ehe-]Paare oder individuell) in der Verfassung schränkt den Gesetzgeber ein.

Vgl. Übergangsbestimmungen zu Art. 95 Abs. 3 BV, Art. 121a Abs. 2 BV.

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­

Eine entsprechende Gesetzesvorlage war bereits in Ausarbeitung, da das Parlament den Bundesrat in der Legislaturplanung 2019­2023 damit beauftragte, ihm eine Vorlage zur Einführung der Individualbesteuerung zu unterbreiten.

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

Mit Annahme der Volksinitiative wird der Gesetzgeber verpflichtet, Massnahmen zur Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung festzulegen.

Dies würde nicht nur für den Bund, sondern auch für die Kantone (und Gemeinden) gelten: Alle drei Staatsebenen sind von der Verfassungsbestimmung betroffen.

Die zivilstandsneutrale Besteuerung setzt zudem den Erlass entsprechender gesetzlicher Regelungen durch den Gesetzgeber und im Falle eines Referendums die Zustimmung des Volkes zu diesem Erlass voraus.

Besteuerung von Paaren Wird die Individualbesteuerung aufgrund der neuen Verfassungsbestimmung durch den Gesetzgeber eingeführt, würden durch die zivilstandsunabhängige Besteuerung sowohl der Heiratsvorteil als auch die Heiratsstrafe beseitigt.

Es besteht ein Zielkonflikt zwischen Zivilstandsneutralität (Individualbesteuerung) und Globaleinkommensbesteuerung (gemeinsame Besteuerung). In einem progressiven Steuersystem können nicht beide Steuergerechtigkeitspostulate gleichzeitig erfüllt werden.

Bei der gemeinsamen Besteuerung ist die Steuerbelastung bei Ehepaaren grundsätzlich unabhängig von der Einkommensaufteilung. Es erfolgt jedoch eine unterschiedliche Gesamtbelastung in Abhängigkeit vom Zivilstand.

Bei der Individualbesteuerung ergeben sich unterschiedliche Gesamtbelastungen für Ehepaare in Abhängigkeit von der Einkommensaufteilung. Die steuerliche Gesamtbelastung ist jedoch unabhängig vom Zivilstand.

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Weil die Individualbesteuerung das tiefere Zweiteinkommen im Vergleich zur heutigen Ehepaarbesteuerung steuerlich entlastet, würde sie Erwerbsanreize setzen und könnte damit auch zu einer besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeits- und Fachkräftepotenzials führen. In den meisten Fällen fällt das Zweiteinkommen bei den Frauen an. Deshalb dient der höhere Erwerbsanreiz auch der gleichmässigeren Aufteilung des Erwerbseinkommens bei Ehepaaren, was zur Gleichstellung und Chancengleichheit von Frau und Mann beitragen kann.

Einschränkung des Gesetzgebers Mit Annahme der Volksinitiative wäre die erneute Einführung der Gemeinschaftsbesteuerung ohne erneute Verfassungsänderung ausgeschlossen. Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers würde somit eingeschränkt.

Umsetzungsaufwand für die Kantone und die steuerpflichtigen Personen Die Individualbesteuerung müsste auch auf Stufe Kantone und Gemeinden eingeführt werden. Dies hätte einen relativ hohen Initialaufwand der Kantone bei der Gesetzgebung und auf administrativer Ebene zur Folge.

Der zusätzlich wiederkehrende administrative Aufwand der kantonalen Steuerverwaltungen hängt massgebend von der Ausgestaltung der Individualbesteuerung ab (zwei Steuererklärungen pro Ehepaar, Verknüpfung der Steuererklärungen z. B bezüglich der Kinderkosten).

Auch für Ehepaare, die bisher gemeinsam besteuert wurden, würde die Individualbesteuerung zu einem grösseren Aufwand führen, weil beide Eheleute je eine eigene Steuererklärung einreichen müssten mit anschliessendem Veranlagungs- und allenfalls Rechtsmittelverfahren. Insbesondere bei der erstmaligen separaten Besteuerung könnte es nicht nur um einen formellen Mehraufwand durch die getrennten Verfahren gehen, sondern auch um inhaltliche Fragen z. B. betreffend Zuweisung von Vermögenswerten.

Andere Rechtsgebiete Der Zivilstand hat heute unter anderem Einfluss auf die Leistungen aus den Sozialversicherungen, insbesondere in der AHV/IV, der beruflichen Vorsorge, der Unfallversicherung und der Militärversicherung, sowie auf Subventionen (z. B. Krankenkassenprämienverbilligungen). Diese anderen Rechtsgebiete knüpfen an der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft an. Bei einer Einführung der Individualbesteuerung käme es somit zu systemischen Unterschieden zwischen dem Steuersystem und anderen Rechtsgebieten.

Rechtlich ist es jedoch
möglich, das Steuersystem auf die Individualbesteuerung umzustellen und in anderen Rechtsgebieten das Ehepaar weiterhin als Wirtschaftsgemeinschaft zu betrachten. An dieser Stelle ist auf das vom Nationalrat am 18. März 2022 überwiesene Postulat 21.4430 «Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge?» der FDP-Liberale Fraktion hinzuweisen, mit welchem der Bundesrat beauftragt wird, einen Bericht vorzulegen, der die Folgen der Einführung einer individuellen, vom Zivilstand unabhängigen Altersvorsorge aufzeigt.

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4.3

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Initiative hat keinen Einfluss auf internationale Verpflichtungen der Schweiz.

5

Schlussfolgerungen

Die Steuergerechtigkeits-Initiative will die zivilstandsunabhängige Besteuerung in der Verfassung verankern. Mit Annahme der Initiative würden Volk und Stände einen Richtungsentscheid fällen. Es würde dann dem Gesetzgeber obliegen, die zivilstandsunabhängige, sprich individuelle Besteuerung auf Gesetzesstufe umzusetzen.

Mit der Individualbesteuerung würde für Zweitverdienende (in der Regel Frauen) ein Anreiz gesetzt, die Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erhöhen. Sie würde sich darum positiv auf die Chancengleichheit und die Gleichstellung von Frau und Mann auswirken (vgl. Ziff. 6.7.7).

Die Zivilstandsneutralität der Individualbesteuerung hätte auch die Beseitigung der Heiratsstrafe zur Folge.

Da es keine Verfassungsbestimmung braucht, um eine Individualbesteuerung einzuführen und mit der allfälligen Annahme der Initiative erst ein Richtungsentscheid gefällt würde, der noch der Umsetzung auf Gesetzesstufe bedürfte, lehnt der Bundesrat die Initiative ab und stellt ihr mit dem Bundesgesetz über die Individualbesteuerung einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Damit kann das Ziel der Initiative ­ die zivilstandsunabhängige Besteuerung ­ schneller erreicht werden.

6

Indirekter Gegenvorschlag

6.1

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

6.1.1

Vernehmlassungsvorlage

In der Herbstsession 2020 beschloss das Parlament, die Verabschiedung einer Botschaft zur Einführung der Individualbesteuerung in die Legislaturplanung 2019­2023 aufzunehmen. Am 2. Dezember 2022 beauftragte der Bundesrat das EFD, ein Vernehmlassungsverfahren zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung durchzuführen. Dieses dauerte bis zum 16. März 2023.

Der Bundesrat unterbreitete eine Vernehmlassungsvorlage mit den folgenden wesentlichen Punkten: ­

Die Einkünfte und Vermögenswerte der Ehegattinnen und Ehegatten sollen wie heute bei den unverheirateten Paaren nach den zivilrechtlichen Verhältnissen oder anderen gesetzlichen Anspruchsberechtigungen zugewiesen werden.

­

Der Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer soll von 6500 auf 9000 Franken erhöht werden.

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­

Für Haushalte mit nur einer erwachsenen Person soll bei der direkten Bundessteuer ein Haushaltsabzug von 6000 Franken vorgesehen werden.

­

Für Ehepaare ohne oder mit niedrigem Zweiteinkommen wurden bei der direkten Bundessteuer zwei Varianten unterbreitet, eine mit und eine ohne Korrektiv.

­

Die Individualbesteuerung soll auf allen Staatsebenen vorgesehen werden.

­

Der Bundesrat strebte für beide Varianten eine steuerliche Entlastung an und nimmt damit Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer von insgesamt 1 Milliarde Franken in Kauf. Davon entfallen 78,8 Prozent (rund 800 Millionen Franken) auf den Bund und 21,2 Prozent (rund 200 Millionen Franken) auf die Kantone. Die geschätzten finanziellen Auswirkungen bezogen sich auf das Steuerjahr 2022.

6.1.2

Vernehmlassungsergebnisse17

6.1.2.1

Grundsätzliche Haltung der Vernehmlassungsteilnehmenden

Die Einführung der Individualbesteuerung wurde kontrovers diskutiert und es herrschte kein Konsens unter den 103 Vernehmlassungsteilnehmenden (7 Parteien, 26 Kantone, 65 Organisationen, 5 Privatpersonen). Sie waren sich insofern einig, als die steuerliche Benachteiligung von gewissen Ehepaaren gegenüber unverheirateten Paaren bei der direkten Bundessteuer endlich aufgehoben werden sollte. Über das zu wählende Modell der Besteuerung herrschte indessen nach wie vor grosse Uneinigkeit.

Einen Wechsel zur Individualbesteuerung begrüssten 4 Parteien (FDP, GLP, GPS, SPS), 5 Kantone (BE, BS, FR, LU, ZH) und 50 Organisationen. Sie waren der Ansicht, dass die Individualbesteuerung hohe Arbeitsanreize für Zweitverdienende schaffe und damit die Chancengleichheit von Frauen und Männern fördere. Der Staat profitiere dadurch von zusätzlichen Steuereinnahmen, die Wirtschaft von einem höheren Angebot an Fachkräften und die Gesellschaft von einer besseren wirtschaftlichen Absicherung vieler Frauen. Zudem sei die Besteuerung zivilstandsunabhängig und die Heiratsstrafe werde abgeschafft. Die Individualbesteuerung weise im Vergleich zu anderen Steuermodellen das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis auf.

Die Einführung einer Individualbesteuerung lehnten 3 Parteien (die Mitte, EVP, SVP), 21 Kantone (AG, AI, AR, BL, GE, GL, GR, JU, NE, NW, OW, SG, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VD, VS, ZG), 14 Organisationen und 3 Privatpersonen ab. Von den Gegnern der Individualbesteuerung wurde insbesondere ins Feld geführt, dass die Individualbesteuerung neue Ungleichheiten und Fehlanreize schaffe, indem sie insbesondere Eineinkommenspaare und Paare mit ungleicher Einkommensaufteilung benachteilige. Diese liessen sich auch mit Korrektiven nur teilweise lindern. Die 17

Vgl. dazu den Ergebnisbericht vom 9. August 2023 betreffend Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > EFD.

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Leistungsfähigkeit der einzelnen Person innerhalb der wirtschaftlichen Einheit solle daher nicht losgelöst von derjenigen der Gemeinschaft betrachtet werden. Die Besteuerung dürfe nicht dazu führen, dass Steuerpflichtige sich für eine bestimmte Lebensweise entscheiden müssten. Der administrative Aufwand für die Steuerpflichtigen und die Steuerbehörden werde erhöht und das Steuerrecht für einen Grossteil der Bevölkerung verkompliziert. Die geschätzten Beschäftigungseffekte wurden angezweifelt.

Der Entscheid, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder das Pensum der Erwerbstätigkeit zu erhöhen, hänge insbesondere von zahlreichen nicht-steuerlichen Faktoren ab, wie etwa wirtschaftliche Unabhängigkeit, Stellenangebot oder Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Für zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmende, darunter die Mitte, die EVP und die SVP sowie die Mehrheit der Kantone, sollte die Ehepaarbesteuerung weiterhin auf Basis einer gemeinsamen Besteuerung erfolgen. Die Beseitigung der Heiratsstrafe bei der direkten Bundessteuer könne rascher umgesetzt werden, wenn sich die Vorlage nur auf die direkte Bundessteuer auswirke.

6.1.2.2

Korrekturmassnahme für Eineinkommenspaare

Diverse Vernehmlassungsteilnehmende gaben keine explizite Empfehlung zu den beiden in der Vernehmlassung zur Diskussion gestellten Varianten ab.

Variante 1 (ohne Korrektiv bzw. Entlastungsmassnahme für Eineinkommenspaare) befürworteten 4 Parteien (FDP, GLP, GPS, SPS), 3 Kantone (BS, FR, ZH) und 43 Organisationen. Nur ohne Entlastungsmassnahmen für Eineinkommenspaare könne die Individualbesteuerung ihre positiven Wirkungen voll entfalten und die zivilstandsunabhängige Besteuerung effektiv umgesetzt werden. Sie maximiere insbesondere den Anreiz zur Arbeitsmarktbeteiligung und scheine aufgrund des geringeren Koordinationsbedarfs bei den Steuerdossiers auch weniger Aufwand bei der Umsetzung zu erfordern, da die Steuerpflichtigen die Steuererklärung selbstständig ausfüllen und die Steuerverfahren weitgehend unabhängig voneinander durchgeführt werden könnten.

Der Variante 2 (mit Entlastungsmassnahme für Eineinkommenspaare) gaben vor allem Vernehmlassungsteilnehmende den Vorzug, welche die Individualbesteuerung an sich ablehnten: 3 Parteien (EVP, die Mitte, SVP), 12 Kantone (AI, AR, BE, GE, LU, NW, SG, SZ, TG, TI, UR, VS) und 8 Organisationen. Sie waren der Ansicht, dass diese Variante der Ehe als wirtschaftlicher Gemeinschaft und dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besser Rechnung trage. Im Vergleich zu Variante 1 würden Eineinkommensehepaare gegenüber Zweieinkommensehepaaren weniger benachteiligt. Die Individualbesteuerung dürfe nicht dazu führen, dass sich die Belastungsverhältnisse zwischen verschiedenen Haushaltstypen stark verändern. Deshalb sei Variante 2 vorzuziehen, auch wenn sie im Vollzug kompliziert und aufwändiger sei. Sie würde die verschiedenen Familienformen besser berücksichtigen und die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Ehepaarbesteuerung respektieren.

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6.1.2.3

Weitere Aspekte

Die Zuteilung der Einkünfte und Vermögenswerte nach den zivilrechtlichen Verhältnissen oder anderen gesetzlichen Anspruchsberechtigungen wurde grundsätzlich positiv bewertet. Insbesondere zahlreiche Kantone und die Finanzdirektorenkonferenz (FDK) begrüssten diese Zuteilung explizit. Eine andere Zuteilung würde ihrer Ansicht nach zu grossen rechtlichen und praktischen Problemen bei der Veranlagung der Steuerpflichtigen führen.

Die hälftige Aufteilung der kinderrelevanten Abzüge auf die Eltern wurde grossmehrheitlich begrüsst. Bei der Ausgestaltung des Kinderabzugs waren sich die Vernehmlassungsteilnehmenden hingegen nicht einig. Allgemein wurde die vorgeschlagene Erhöhung des Kinderabzugs auf 9000 Franken begrüsst, da mit Einführung der Individualbesteuerung die Entlastungswirkung des Abzugs im Vergleich zum geltenden Recht nicht mehr gleich sei. Einige forderten sogar eine noch deutlichere Erhöhung.

Viele waren der Ansicht, dass die vorgeschlagene Regelung bei volljährigen Kindern in Ausbildung zwingend eine Verfahrenskoordination zwischen den Steuerdossiers der Elternteile erfordere, damit der Kinderabzug korrekt zugeteilt werden könne. Bei volljährigen Kindern sollte ihres Erachtens der Abzug deshalb ­ wie bei den minderjährigen Kindern ­ hälftig aufgeteilt werden, sofern beide Elternteile zum Unterhalt des volljährigen Kindes beitrügen. Angesichts der hohen Ausbildungskosten für Volljährige könne der Abzug bei diesen noch erhöht werden.

Die FDP, die GLP und diverse Frauenorganisationen schlugen vor, Familien mit Kindern privilegiert zu besteuern, d. h. mit einem speziellen, milderen Tarif, um die besonderen Lasten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (sogenanntes EcoplanModell [vgl. Ziff. 6.3.1]). Zusätzlich sollten sie auch die kinderrelevanten Abzüge erhalten.

Der vorgeschlagene Haushaltsabzug wurde sehr unterschiedlich bewertet. Die FDP, Travail.Suisse, GE und VD unterstützten einen Haushaltsabzug für Alleinstehende und Alleinerziehende. Einige Vernehmlassungsteilnehmende, darunter etliche Kantone, beantragten, zumindest auf einen Haushaltsabzug für Alleinstehende zu verzichten. Im Vollzug führe der Haushaltsabzug zu einem Mehraufwand, da für viele Steuerpflichtige geprüft werden müsste, ob eine Wohnung allein bewohnt wird oder nicht.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende, darunter die
GLP und diverse Frauenorganisationen, sprachen sich gegen spezielle Entlastungen für einzelne Gruppierungen aus.

Stattdessen solle zur Abfederung der Steuerbelastung ein einheitlicher «Haushaltsabzug» vorgesehen werden. Dieser solle der Abfederung der Steuerbelastung von alleinstehenden und alleinerziehenden Personen (Haushaltskosten) sowie von Partnerinnen und Partnern mit einer ungleichen Aufteilung des Einkommens dienen.

Gemäss Vorschlag des Bundesrates sollte bei Ehepaaren gleich wie bei unverheirateten Paaren von zwei getrennten Steuererklärungen ausgegangen werden. Dies blieb weitgehend unbestritten. Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmende, darunter viele Kantone, wiesen aber darauf hin, dass dies zu einem erheblichen administrativen Mehraufwand führe. Die Abklärungs- und Koordinationsaufgaben der Kantone liessen sich nicht vollständig automatisieren. Aus diesem Grund wurde von vielen Vernehmlassungsteilnehmenden gefordert, dass die Einführung der Individualbesteue23 / 108

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rung möglichst unbürokratisch und einfach auf allen Ebenen vorzunehmen sei. Eine Koordination im Veranlagungsverfahren zwischen den beiden Eheleuten gelte es daher zu vermeiden.

Die Vernehmlassungsteilnehmenden waren sich weitgehend einig, dass die Einführung der Individualbesteuerung nur vollzogen werden könne, wenn diese gesamtschweizerisch für sämtliche Steuerhoheiten, d. h. für alle drei staatlichen Ebenen, umgesetzt würde. Die Kantone wiesen darauf hin, dass die Steuerpflichtigen bei unterschiedlichen Paarbesteuerungsmodellen beim Bund und in den Kantonen überfordert wären und dass der Vollzug für die Steuerbehörden noch aufwändiger und fehleranfälliger würde. Vor allem zahlreiche Kantone forderten, dass eine Umsetzungsfrist von mindestens zehn Jahren vorgesehen werde, weil insbesondere die politischen Prozesse in den Kantonen zur grundlegenden Neukonzeption ihrer Steuertarife, Abzüge und Freibeträge mit den damit verbundenen Gesetzgebungsarbeiten und Volksabstimmungen viel Zeit bedingen würden.

Aus der Sicht der meisten Vernehmlassungsteilnehmenden wäre es möglich, das Steuersystem auf die Individualbesteuerung umzustellen, ohne gleichzeitig für Ehepaare auch in anderen Rechtsgebieten eine zivilstandsneutrale Betrachtungsweise vorzunehmen.

Der finanzielle Rahmen der Individualbesteuerung wurde kontrovers diskutiert. Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende, darunter die FDP, die GLP und diverse Frauenorganisationen, waren mit den gemäss Vernehmlassungsvorlage in Kauf zu nehmenden Mindereinnahmen von 1 Milliarde Franken bei der direkten Bundessteuer einverstanden. Mit dieser Vorgabe würden fast alle Steuerpflichtigen bei der direkten Bundessteuer entlastet.

Andere Vernehmlassungsteilnehmende, darunter die GPS, der Schweizerische Gemeindeverband (SGV), der SGB, die FDK und diverse Kantone, beurteilten 1 Milliarde Franken Mindereinnahmen als zu hoch und als nicht verkraftbar. Um den finanzpolitischen Spielraum für wichtige Aufgaben zu erhalten und eine mehrheitsfähige Vorlage zu verabschieden, müssten geringere Mindereinnahmen resultieren. Dies könne gemäss der GPS etwa durch eine Erhöhung der als sehr tief angesehenen Grenzsteuersätze im höheren Einkommensbereich sichergestellt werden. Economiesuisse erachtet eine Gegenfinanzierung als notwendig.

Für einige Vernehmlassungsteilnehmende, darunter die SPS, waren Mindereinnahmen inakzeptabel. Die Individualbesteuerung müsse auf Bundesebene aufkommensneutral ausgestaltet werden.

6.2

Grundzüge der Vorlage

Gestützt auf die Vernehmlassungsergebnisse sollen folgende Eckwerte umgesetzt werden: ­

Ehepaare werden wie unverheiratete Paare individuell besteuert. Ihre Einkünfte und Vermögenswerte sind nach den zivilrechtlichen Verhältnissen aufzuteilen, wie das heute bereits bei unverheirateten Paaren der Fall ist. Ehepaare sollen zwei getrennte Steuererklärungen ausfüllen.

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­

Kinderrelevante Abzüge werden bei der direkten Bundessteuer grundsätzlich hälftig aufgeteilt.

­

Der Kinderabzug wird bei der direkten Bundessteuer von heute 6700 auf neu 12 000 Franken erhöht.

­

Der Tarif der direkten Bundessteuer wird angepasst (Absenkung der Steuersätze für tiefe und mittlere Einkommen; Erhöhung des Grundfreibetrags; Senkung des Betrags, bei dem der Maximalsatz erreicht wird).

­

Die Individualbesteuerung wird für alle drei staatlichen Ebenen vorgesehen.

­

Bei der direkten Bundessteuer ergeben sich geschätzte Mindereinnahmen von 1 Milliarde Franken (Stand Steuerjahr 2024). Davon entfallen rund 800 Millionen Franken auf den Bund und rund 200 Millionen Franken auf die Kantone.

6.2.1

Besteuerung von Ehepaaren gemäss den Regeln für unverheiratete Paare bzw. gemäss Zivilrecht

6.2.1.1

Grundsatz

Der Bundesrat will die Individualbesteuerung einführen und die Ehegattinnen und Ehegatten fortan wie unverheiratete Partnerinnen und Partner getrennt besteuern.

Letztere versteuern im geltenden Recht die eigenen Einkünfte und Vermögenswerte gemäss den zivilrechtlichen Verhältnissen. Dazu gibt es bereits heute auf der Rechtsprechung basierende Praxen (zum Beispiel bei gemeinschaftlichem Eigentum an einer Liegenschaft), auf welche bei der Besteuerung von (Ehe-)Paaren im Rahmen der Individualbesteuerung grundsätzlich abgestellt werden soll.

Der Bundesrat will die Einkünfte und Vermögenswerte der Ehegattinnen und Ehegatten wie auch der unverheirateten Partnerinnen und Partner künftig somit insbesondere nach den zivilrechtlichen Verhältnissen oder anderen gesetzlichen Anspruchsberechtigungen zuweisen.

Bei Konstellationen, bei welchen nach geltendem Recht bereits eine Zuordnung nach wirtschaftlichen Anknüpfungspunkten erfolgt, ergeben sich beim Wechsel zur Individualbesteuerung keine Änderungen. Dies gilt etwa bei Treuhand- oder Trustverhältnissen oder bei der Nutzniessung. Dies bedeutet, dass die Steuerfaktoren nach wie vor der Treugeberin oder dem Treugeber bzw. der Nutzniesserin oder dem Nutzniesser zugewiesen werden und nicht der zivilrechtlichen Eigentümerin oder dem zivilrechtlichen Eigentümer.

Die Zuweisung der Steuerfaktoren basiert dabei vor allem auf folgenden Leitlinien, die sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) ableiten lassen. Gewisse Abweichungen hiervon erfolgen aufgrund der Veranlagungsökonomie: ­

Einkünfte werden derjenigen Person zugerechnet, die sie erzielt. Beispielsweise ist bei Erwerbseinkommen auf die Ausübung der Erwerbstätigkeit

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abzustellen, bei Renteneinkommen auf die Anspruchsberechtigung, bei Vermögenserträgen auf die Eigentumsrechte am entsprechenden Wirtschaftsgut.

18

­

Gewinnungskosten, die der Erzielung eines Einkommens dienen (z. B. Berufskosten, Vermögensverwaltungskosten, Liegenschaftsunterhalt), kann jene Person geltend machen, der die entsprechenden Einkünfte zugewiesen werden, unabhängig davon, welche Partnerin bzw. welcher Partner die Kosten bezahlt. Mit einer solchen Regelung kann der Veranlagungsaufwand begrenzt werden. Andernfalls müsste die veranlagende Behörde mittels einzufordernder Belege überprüfen, welche Partnerin bzw. welcher Partner die Zahlungen tatsächlich vorgenommen hat und ob allenfalls Ausgleichszahlungen zwischen ihnen erfolgt sind.

­

Abziehbare freiwillige Leistungen an gemeinnützige Organisationen (Spenden), Mitgliederbeiträge und Zuwendungen an politische Parteien (Parteispenden) sowie freiwillige Leistungen an unterstützungsbedürftige Personen können von jener Person geltend gemacht werden, die diese bezahlt hat.

­

Gewisse Abzüge sind personengebunden, d. h. an eine bestimmte Person gekoppelt, wie beispielsweise bei den Krankheitskosten und den berufsorientierten Ausbildungs- und Weiterbildungskosten. Sie können daher nur von dieser Person geltend gemacht werden.

­

Die Zuteilung der kinderrelevanten Abzüge basiert weitgehend auf der heute bereits bestehenden Regelung für unverheiratete Paare mit gemeinsamer elterlicher Sorge.18

­

Vermögenswerte (bewegliches und unbewegliches Vermögen) werden aufgrund der Eigentumsverhältnisse zugewiesen.

­

Schulden und Schuldzinsen werden derjenigen Person zugerechnet, die Schuldnerin bzw. Schuldner gemäss Schuldvertrag ist.

Vgl. www.estv.admin.ch > Direkte Bundessteuer > Direkte Bundessteuer Fachinformationen > Kreisschreiben Nr. 30: Ehepaar- und Familienbesteuerung.

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Übersicht über die Zuteilung der Steuerfaktoren an die Partnerinnen und Partner Die Verweise auf die Gesetzesbestimmungen in der folgenden Tabelle beziehen sich auf das geltende Recht und den Gesetzesentwurf. Stimmen das geltende Recht und der Gesetzesentwurf bei der Artikelnummer nicht überein, wird auch der Entwurf (EDBG) speziell erwähnt.

Steuerfaktoren

Einkünfte Einkünfte aus ­ unselbstständiger Erwerbstätigkeit (Art. 16 und 17 DBG) ­ selbstständiger Erwerbstätigkeit (Art. 18 und 19 DBG) ­ beweglichem Vermögen (Art. 20 und 20a DBG) ­ unbeweglichem Vermögen (Art. 21 DBG) ­ Vorsorge (Art. 22 DBG) ­ Übrigem (Art. 23 DBG) Vermögen bewegliches Vermögen

Zuweisung bei Individualbesteuerung

Die Zuweisung erfolgt in der Regel nach den zivilrechtlichen Verhältnissen. Bei Erwerbseinkommen ist auf die Ausübung der Erwerbstätigkeit abzustellen, bei Vermögenserträgen auf die Eigentumsrechte am entsprechenden Wirtschaftsgut, bei Vorsorgeeinkünften und übrigen Einkünften auf die Anspruchsberechtigung.

Schulden

Sachenrecht (Eigentumsverhältnisse): Sind mehrere Personen Eigentümerinnen bzw. Eigentümer des beweglichen Vermögens, wird ihnen dieses hälftig zugewiesen.

Sachenrecht (Eigentumsverhältnisse, in der Regel gemäss Grundbuch). Sind mehrere Personen im Grundbuch eingetragen, so wird das unbewegliche Vermögen nach Massgabe des Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum zugewiesen.

gemäss Schuldvertrag

Abzüge Berufskosten bei unselbstständiger Erwerbstätigkeit (Art. 26 DBG)

Diejenige Person, der die entsprechenden Einkünfte zugewiesen werden, d. h. diejenige Person, welche die unselbstständige Erwerbstätigkeit ausübt

unbewegliches Vermögen

Geschäfts- oder berufsmässig begründete Kosten bei selbstständiger Erwerbstätigkeit (Art. 27 DBG)

Diejenige Person, der die entsprechenden Einkünfte zugewiesen werden, d. h. diejenige Person, welche die selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt

Kosten unbewegliches Privatvermögen (z. B. Unterhaltskosten, Art. 32 DBG)

Gemäss Eigentumsverhältnissen, in der Regel gemäss Grundbuch, d. h. jene Person, der die entsprechenden Einkünfte aus dem Vermögen zugewiesen werden

Kosten bewegliches Privatvermögen (Verwaltungskosten, Art. 32 DBG)

Gemäss Eigentumsverhältnissen, d. h. jene Person, der die entsprechenden Einkünfte aus dem Vermögen zugewiesen werden

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Steuerfaktoren

private Schuldzinsen (Art. 33 Abs. 1 Bst. a DBG) Abzug für dauernde Lasten und Leibrenten (Art. 33 Abs. 1 Bst. b DBG) Alimentenabzug (Art. 33 Abs. 1 Bst. c DBG)

Zuweisung bei Individualbesteuerung

Schuldnerin oder Schuldner gemäss Schuldvertrag Schuldnerin oder Schuldner Schuldnerin oder Schuldner

Beiträge an die erste und die zweite Säule versicherte Person (Art. 33 Abs. 1 Bst. d DBG) Beiträge an die Säule 3a (Art. 33 Abs. 1 Bst. e DBG)

versicherte Person

Versicherungsabzug (Art. 33 Abs. 1 Bst. g DBG)

Versicherungsnehmerin oder Versicherungsnehmer bzw. bei Sparzinsen gemäss Eigentumsverhältnissen betroffene Person für die ihr angefallenen Kosten

Krankheits-, Unfall- und Invaliditätskosten (Art. 33 Abs. 1 Bst. h und hbis DBG) Beiträge an Parteien (Art. 33 Abs. 1 Bst. i DBG) berufsorientierte Aus- und Weiterbildung (Art. 33 Abs. 1 Bst. j DBG) Versicherungsabzug Kind (Art. 33 Abs. 1bis Bst. b DBG) Kinderdrittbetreuungsabzug (Art. 33 Abs. 3 DBG)

Einsatzkosten von Geldspielen (Art. 33 Abs. 4 DBG) Freiwillige Leistungen (Art. 33a DBG) Kinderabzug (Art. 35 Abs. 1 Bst. a DBG bzw. Art. 35 Abs. 1 Bst. a und b E- DBG)

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Mitgliederbeitrag: die Person, die Mitglied der Partei ist Zuwendung: diejenige Person, die den Betrag zahlt betroffene Person für die ihr angefallenen Kosten gemäss Kinderabzug (vgl. dazu Art. 35 Abs. 1 Bst. a und b E-DBG) ­ Elternteil mit elterlicher Sorge, der mit Kind in gleichem Haushalt lebt: ganzer Abzug ­ Leben beide Eltern mit dem Kind in gleichem Haushalt mit gemeinsamer elterlicher Sorge: hälftige Aufteilung ­ Getrennt lebende Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge und alternierender Obhut: grundsätzlich hälftige Aufteilung Diejenige Person, welcher der Gewinn zugewiesen wird, kann die Einsatzkosten geltend machen.

Diejenige Person, die die freiwillige Leistung bezahlt, kann den Abzug geltend machen.

­ Hälftige Aufteilung, wenn das Kind unter gemeinsamer elterlicher Sorge steht, sofern keine steuerlich beachtlichen Unterhaltsbeiträge geltend gemacht werden. Andernfalls kann der Elternteil, der die Unterhaltszahlungen erhält, den Kinderabzug geltend machen bzw. der Elternteil, dem allein die elterliche Sorge zusteht.

­ Bei volljährigen Kindern in Ausbildung erfolgt die Zuweisung ebenfalls hälftig, wenn beide Elternteile zum Unterhalt des Kindes beitragen.

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Steuerfaktoren

Zuweisung bei Individualbesteuerung

Unterstützungsabzug (Art. 35 Abs. 1 Bst. b DBG bzw. Art. 35 Abs. 1 Bst. c E-DBG) Abzug vom Steuerbetrag für Eltern (Art. 36 Abs. 2bis DBG bzw. Art. 36 Abs. 2 E-DBG)

6.2.1.2

Die leistende Person kann den Abzug geltend machen, wenn die Unterstützung mindestens in der Höhe des Abzugs geleistet wurde.

Der Abzug kann geltend gemacht werden von: ­ Personen, die mit minderjährigen oder in der Ausbildung stehenden volljährigen Kindern im gleichen Haushalt zusammenleben und die für diese einen Kinderabzug geltend machen können. Die Aufteilung des Abzugs auf die Eltern richtet sich nach dem Kinderabzug.

­ Personen, die mit unterstützungsbedürftigen Personen zusammenleben, für die ihnen ein Unterstützungsabzug gewährt wird

Rechtsgeschäfte unter Partnerinnen und Partnern

Für die steuerliche Beurteilung von Rechtsgeschäften unter Partnerinnen und Partnern kann auf die bestehende Praxis bezüglich Konkubinatspaaren im geltenden Recht abgestellt werden. Allerdings wurde die ESTV bisher im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit nur selten mit solchen Fällen konfrontiert.

Rechtsgeschäfte können gestützt auf Artikel 168 des ZGB auch unter Eheleuten vereinbart werden. Das Steuerrecht knüpft dabei in der Regel an die zivilrechtliche Ausgestaltung des Rechtsgeschäftes an, sofern der Inhalt des Rechtsgeschäfts auch tatsächlich gelebt wird (Art. 18 OR, Vorbehalt der Simulation).

Die Steuerfolgen der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsgeschäfte stehen unter dem Vorbehalt, dass keine Steuerumgehung vorliegt.

Nachfolgend werden ausgewählte Aspekte betreffend Rechtsgeschäfte zwischen Partnerinnen und Partnern dargestellt. Dabei wird unterschieden zwischen Rechtsgeschäften im privaten Bereich sowie Rechtsgeschäften im geschäftlichen Bereich.

Im Privatbereich können unbeschränkt Verträge abgeschlossen werden. Wenn der Vertrag eine Gegenleistung vorsieht, dann darf diese nicht höher sein als eine marktkonforme Gegenleistung. Ist dies nicht der Fall, wird die Veranlagungsbehörde entsprechende Korrekturen vornehmen. Dabei wird die Gegenleistung auf eine marktkonforme Leistung gekürzt und der die marktkonforme Gegenleistung überschiessende Teil gilt als Schenkung. Das gilt insbesondere für Darlehen, Arbeits- oder Mietverträge.

Als Sonderfall ist die Kinderdrittbetreuung zu nennen. Wer die Drittbetreuung durch eine Person besorgen lässt, die selbst gemäss Zivilrecht zum Unterhalt des Kindes verpflichtet ist, kann keine Drittbetreuungskosten im Sinne von Artikel 33 Absatz 3 DBG geltend machen.

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Wird die Gegenleistung aus dem Geschäftsvermögen erbracht, ergeben sich analoge Steuerfolgen. Dabei stützt sich die Steuerbehörde auf Artikel 18 Absatz 3 i. V. mit Artikel 58 DBG ab.

Bei der steuerlichen Beurteilung von Sachverhalten betreffend Überlassung von Liegenschaften ist es ­ wie auch bereits im geltenden Recht ­ in besonderem Masse entscheidend, ob sich die Liegenschaften im Allein-, Mit- oder Gesamteigentum befinden und dem Privat- oder Geschäftsvermögen zugeordnet werden können.

Partnerinnen und Partner können der anderen Person vertraglich ganze Liegenschaften aus dem Privatvermögen oder Teile davon entgeltlich oder unentgeltlich in Form von Miet- und Leihverträgen, Nutzniessung oder Wohnrecht zum Gebrauch überlassen.

Die künftige Praxis für Eheleute wird sich an der heutigen Praxis orientieren: Bei unentgeltlicher Überlassung (insb. Nutzniessung und Wohnrecht) ist regelmässig nicht von Eigennutzung auszugehen und der Eigenmietwert von der nutzungsberechtigten Person zu versteuern. Wird die Liegenschaft unentgeltlich überlassen, ohne dass eine entsprechende Belastung des Grundstückes mit einem Wohn- oder Nutzungsrecht im Grundbuch erfolgt ist, liegt Eigennutzung vor, und der Eigenmietwert muss von der Eigentümerin bzw. dem Eigentümer versteuert werden. Dies gilt auch bei Vorzugsmieten gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung. Wird ein marktüblicher Mietzins bezahlt, ist das Entgelt zu versteuern.

Überlässt eine Privatperson ihrer Partnerin oder ihrem Partner, die oder der eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, eine Liegenschaft ganz oder teilweise zu einem angemessenen Miet- oder Pachtzins, so verbleibt die Liegenschaft im Privatvermögen. Die Miet- und Pachtzinsen müssen entsprechend versteuert werden bzw. sind beim Einzel- oder Personenunternehmen als geschäftsmässig begründeter Aufwand abzugsfähig. Wird die Liegenschaft dagegen unentgeltlich oder zu einem zu hohen oder zu tiefen Miet- oder Pachtzins überlassen, wird sie zum Geschäftsvermögen, sofern der Partnerin oder dem Partner eine tatsächliche oder faktische Stellung als Mitinhaberin bzw. Mitinhaber zukommt. In allen anderen Fällen ist von einer unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung auszugehen und die Liegenschaft verbleibt im Privatvermögen. In diesen Fällen würde bei der Eigentümerin bzw. dem Eigentümer weiterhin der
Eigenmietwert besteuert. Beim Einzel- oder Personenunternehmen kann bei einer unentgeltlichen Überlassung kein geschäftsmässig begründeter Aufwand geltend gemacht werden.

6.2.1.3

Zivilstandsneutralität

Die Besteuerung erfolgt zivilstandsneutral. Besondere Regelungen für verheiratete Paare sind in erster Linie bezüglich güterrechtlicher Bestimmungen zu finden (Steuernachfolge Art. 12 Abs. 2 DBG; Vermögensanfall Art. 24 Bst. a DBG).

Mit der zivilstandsneutralen Besteuerung kann die Höher- bzw. Minderbelastung der Ehepaare im Vergleich zu unverheirateten Paaren inklusive «Heiratsstrafe» beseitigt werden. Insbesondere mit dem Verzicht auf die Einführung eines Einkommensdiffe-

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renzabzugs zugunsten von Ehepaaren mit keinem oder niedrigem Zweiteinkommen kann die Besteuerung zivilstandsneutral ausgestaltet werden.

6.2.2

Besteuerung der Personen mit Kindern

6.2.2.1

Berücksichtigung der Kinderkosten

Der Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer von heute 6700 Franken soll erhöht werden. Die Erhöhung soll noch deutlicher ausfallen als in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagen wurde (12 000 anstatt 9000 Franken). Die anderen kinderrelevanten Abzüge bei der direkten Bundessteuer, d. h. der Versicherungsabzug für das Kind in der Höhe von max. 700 Franken pro Kind (Art. 33 Abs. 1bis Bst. b E-DBG), der Kinderdrittbetreuungsabzug von max. 25 500 Franken pro Kind (Art. 33 Abs. 3 E-DBG) und der Abzug vom Steuerbetrag in der Höhe von 259 Franken pro Kind (Art. 36 Abs. 2 E-DBG) sollen hingegen nicht erhöht werden.

Die deutliche Erhöhung des Kinderabzugs von 6700 auf 12 000 Franken wirkt der Mehrbelastung entgegen, die durch den Systemwechsel für Alleinerziehende und für Ehepaare mit Kindern und keinem oder geringem Zweiteinkommen entsteht. Der Übergang zur Individualbesteuerung reduziert insbesondere die Entlastungswirkung des Kinderabzugs bei Ehepaaren mit einem Einkommen oder einem sehr tiefen Zweiteinkommen. Mit der Individualbesteuerung hat die Person mit dem niedrigeren Einkommen in vielen Fällen einen tieferen Grenzsteuersatz und damit wird auch die Entlastungswirkung durch den Kinderabzug reduziert. Die Erhöhung des Kinderabzugs wirkt diesem Effekt entgegen. Die Wirkung hängt aber von den individuellen Verhältnissen ab. Bei Ehepaaren mit keinem oder einem niedrigen Zweiteinkommen kann der erhöhte Kinderabzug aufgrund der hälftigen Zuweisung des Abzugs insbesondere bei der Person mit dem Zweiteinkommen teilweise oder gänzlich ins Leere fallen. Im Interesse einer möglichst unkomplizierten Veranlagung, welche schematische Lösungen bedingt, soll dies in Kauf genommen werden. Ein Übertrag der ins Leere fallenden Abzüge auf den anderen Partner würde eine Abhängigkeit zwischen den beiden Steuerdossiers schaffen und damit den administrativen Aufwand wesentlich erhöhen (vgl. Ziff. 6.2.10.1).

Die Betragshöhe und die Aufteilung der kinderrelevanten Abzüge auf kantonaler Ebene fallen in die Autonomie der Kantone. Es ist deshalb weiterhin den Kantonen überlassen, wie und in welchem Umfang sie den Kinderkosten steuerlich Rechnung tragen wollen.

6.2.2.2

Besteuerung der minderjährigen Kinder

Minderjährige Kinder sollen weiterhin zusammen mit den Eltern besteuert werden, mit Ausnahme des Erwerbseinkommens, das wie heute von den Kindern selbstständig versteuert werden soll.

Die übrigen Einkünfte sowie die Vermögenswerte der Kinder sollen hingegen von den Eltern versteuert werden. Die Zuteilung soll sich dabei nach der elterlichen Sorge 31 / 108

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richten. Analog zur bestehenden Besteuerung von Kindern mit nicht gemeinsam veranlagten Eltern19 soll bei gemeinsamer elterlicher Sorge ­ unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht ­ stets eine hälftige Zuweisung vorgenommen werden. Bei Eineinkommenspaaren kann dabei die Hälfte des Kindereinkommens «ins Leere fallen» bzw. der Besteuerung entgehen. Kommt die elterliche Sorge nur einem Elternteil zu, soll dieser Elternteil die Einkünfte und Vermögenswerte allein versteuern.

Die Kinder sollen zudem wie heute solidarisch für den auf sie entfallenden Anteil an der Gesamtsteuer jedes Elternteils haften, bis zum Betrag dieses Anteils.

6.2.2.3

Aufteilung der kinderrelevanten Abzüge auf die Eltern

Minderjährige Kinder Die kinderrelevanten Abzüge sollen bei verheirateten oder unverheirateten Paaren mit gemeinsamer elterlicher Sorge bei der direkten Bundessteuer grundsätzlich hälftig zugewiesen werden. Die hälftige Aufteilung der Abzüge nach den Artikeln 33 Absatz 1bis Buchstabe b, 35 Absatz 1 Buchstabe a und 36 Absatz 2 Buchstabe a E-DBG für minderjährige Kinder steht unter der Voraussetzung, dass keine Unterhaltsleistungen geltend gemacht werden. Wer Unterhaltsleistungen für das Kind erhält, versteuert diese und kommt für den Unterhalt des Kindes auf. Es ist daher folgerichtig, dass diese Person die vollen kinderrelevanten Abzüge geltend machen kann.

Konkret geschieht dies folgendermassen:

19

­

Der Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer in der Höhe von neu 12 000 Franken soll hälftig auf die Eltern aufgeteilt werden. Diese Lösung führt dazu, dass bei Paaren ohne oder mit niedrigem Zweiteinkommen der halbe Kinderabzug oder ein Teil davon ins Leere fällt. Im Interesse einer möglichst unkomplizierten Veranlagung, welche schematische Lösungen bedingt, soll dies in Kauf genommen werden (vgl. Ziff. 6.3.4).

­

Der Versicherungsabzug für das Kind in der Höhe von 700 Franken soll ebenfalls hälftig aufgeteilt werden. Die Anspruchsberechtigung folgt wie im geltenden Recht der Zuweisung des Kinderabzugs. Dies soll für die direkte Bundessteuer im Gesetz neu explizit festgehalten werden. Auch hier soll in Kauf genommen werden, dass der Versicherungsabzug für das Kind allenfalls teilweise ins Leere fällt.

­

Der Kinderdrittbetreuungsabzug soll hälftig aufgeteilt werden analog der geltenden Regelung für unverheiratete Paare mit gemeinsamer elterlicher Sorge: Jeder Elternteil soll bei der direkten Bundessteuer maximal 12 750 Franken der nachgewiesenen Kosten für die Kinderdrittbetreuung in Abzug bringen können. Für die Kantone soll wie bereits heute im StHG keine explizite Zuteilungsregelung aufgenommen werden, um ihnen diesbezüglich einen gewisVgl. www.estv.admin.ch > Direkte Bundessteuer > Direkte Bundessteuer Fachinformationen > Kreisschreiben Nr. 30: Ehepaar- und Familienbesteuerung.

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sen Handlungsspielraum zu eröffnen. Dies führt ­ wie heute ­ zu einer gewissen Disharmonisierung. Der Kinderdrittbetreuungsabzug führt zu einem Koordinationsaufwand bei der Steuerbehörde, denn dieser wird nur gewährt, wenn die Eltern gleichzeitig erwerbstätig sind. Der Koordinationsaufwand entsteht auch, wenn die Kinderdrittbetreuungskosten hälftig aufgeteilt werden können.

­

Der Abzug vom Steuerbetrag für Steuerpflichtige mit Kindern (Art. 36 Abs. 2bis DBG) in der Höhe von 259 Franken ist im DBG heute mit dem Verheiratetentarif gekoppelt (Verheiratetentarif + Abzug vom Steuerbetrag = Elterntarif). Durch die Entkoppelung dieses Abzugs vom Tarif kann der Abzug neu auf die Eltern aufgeteilt werden, und zwar analog zum Kinderabzug. Es soll auch hier in Kauf genommen werden, dass der Abzug vom Steuerbetrag bei Paaren ohne oder mit geringem Zweiteinkommen teilweise ins Leere fallen kann.

Die Zuweisung der kinderrelevanten Abzüge für die direkte Bundessteuer soll bei den unverheirateten oder verheirateten Eltern, bei welchen nur ein Elternteil die elterliche Sorge innehat, weiterhin grundsätzlich nach den Regeln gemäss dem Kreisschreiben Nr. 30 der ESTV erfolgen: Der Elternteil, der die elterliche Sorge innehat, kann den Kinderabzug sowie den Versicherungs- und Sparzinsenabzug für das Kind geltend machen. Dieser Person steht auch der Kinderdrittbetreuungsabzug bis zum Maximalbetrag zu, sofern sie die Voraussetzungen des Abzugs erfüllt. Zu den Einzelheiten bei den verschiedenen Familienkonstellationen vergleiche das erwähnte Kreisschreiben.

Die geltende Alimentenbesteuerung gilt sowohl auf Bundes- wie auch auf Kantonsebene. Daran soll grundsätzlich festgehalten werden. Bei Eltern mit minderjährigen Kindern soll somit weiterhin Folgendes gelten: Unterhaltsbeiträge, die ein Elternteil für die unter seiner elterlichen Sorge stehenden Kinder erhält, sind von der empfangenden Person vollständig zu versteuern. Andererseits können diese Alimentenleistungen von der leistungspflichtigen Person vollumfänglich in Abzug gebracht werden.

Die Abzugsfähigkeit von Unterhaltsbeiträgen für minderjährige Kinder gilt indessen nur für familienrechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, jedoch nicht für freiwillig erbrachte Alimente.

Bei gemeinsamer elterlicher Sorge sollen die Unterhaltsbeiträge für Kinder neu jedoch nur noch dann abziehbar sein, wenn der andere Elternteil nicht im gleichen Haushalt wohnt. Entsprechend sollen die Unterhaltsbeiträge auch nur noch in diesem Fall beim empfangenden Elternteil besteuert werden. Wenn unverheiratete Partnerinnen bzw. Partner mit gemeinsamer elterlicher Sorge im gleichen Haushalt leben, so werden die Unterhaltsleistungen für das minderjährige Kind demnach bei der leistenden Person nicht mehr in Abzug gebracht und bei der empfangenden Person nicht mehr besteuert. Der Kinderabzug wird in diesem Fall hälftig aufgeteilt. Damit kann eine Gleichbehandlung mit Ehepaaren erreicht werden, da diese die Unterhaltsbeiträge für die minderjährigen Kinder ebenfalls nicht abziehen können. Dies steht im Einklang mit dem Grundsatz, dass Unterhaltsleistungen an Familienangehörige steuerlich an sich Einkommensverwendungen darstellen und daher grundsätzlich nicht zum Abzug zugelassen sind. Der Abzug der Unterhaltsleistungen für minderjährige Kinder an den geschiedenen oder getrennt lebenden Elternteil bildet die Ausnahme.

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Volljährige Kinder In der heutigen Praxis gilt für unverheiratete Eltern die Regelung, dass der Elternteil mit den höheren finanziellen Leistungen den Kinderabzug und der andere Elternteil den Unterstützungsabzug geltend machen kann, vorausgesetzt die Leistung des Letzteren erfolgt mindestens in der Höhe dieses Abzugs. Diese Regelung war in der Vernehmlassungsvorlage für alle Eltern vorgesehen, wurde aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse jedoch aus der Vorlage gestrichen.

Für volljährige Kinder in Ausbildung soll der Kinderabzug ebenfalls hälftig aufgeteilt werden, sofern beide Elternteile Unterhaltsbeiträge leisten. Andernfalls kann der Elternteil, der dem Kind Unterhalt bezahlt, den vollen Abzug machen. Diese Regelung führt zu einer inhaltlichen Abhängigkeit der Dossiers der Eltern.

Wann die Voraussetzungen als erfüllt gelten, dass der Elternteil oder beide Elternteile für den Unterhalt des Kindes sorgen, soll wie heute in einem Kreisschreiben geregelt werden.

Die Zuweisung des Versicherungsabzugs und des Abzugs vom Steuerbetrag soll auch bei den volljährigen Kindern in Ausbildung derjenigen des Kinderabzugs folgen.

Es stellt sich die Frage, ob die in Artikel 110 DBG und Artikel 39 Absatz 1 StHG geregelte Geheimhaltungspflicht der Steuerbehörden betreffend Auskünfte aus Steuerakten aufgrund dieser möglichen Berührungspunkte bei Eltern anzupassen ist.

Das Akteneinsichtsrecht berechtigt die Steuerbehörden an sich nicht ausdrücklich, einem Elternteil spontan Informationen aus den Steuerakten des anderen Elternteils bekanntzugeben. Aus dem geltenden Recht ergibt sich diesbezüglich jedoch genügend Handlungsspielraum, um bei gewissen Konstellationen von unverheirateten Eltern mit Berührungspunkten die beiden Dossiers zu koordinieren. Beim Wechsel zur Individualbesteuerung ändert sich daran qualitativ nichts. Eine Ergänzung des Gesetzestextes ist daher nicht nötig.

6.2.3

Tarifanpassung

Ausgangslage für den Tarif, der für die Individualbesteuerung bei der direkten Bundessteuer gelten soll, ist der geltende Grundtarif für unverheiratete Personen (Stand 1.1.2024). Für die Reformvorlage sind ausgehend davon aus zwei Gründen Anpassungen vorgesehen. Erstens würde die Anwendung des unveränderten Tarifs ­ kombiniert mit den anderen Reformparametern ­ zu einer Konzentration der Entlastungswirkung bei den höchsten Einkommen führen. Grund hierfür ist, dass der Wechsel zur Individualbesteuerung systembedingt eine Abschwächung der Progressionswirkung der direkten Bundessteuer mit sich bringt, weil sie namentlich für einkommensstarke Zweiverdienerehepaare zu Entlastungen führt.

Zweitens sollen sich bei der direkten Bundessteuer insgesamt eine steuerliche Entlastung und damit Mindereinnahmen von 1 Milliarde Franken ergeben, damit der Anteil der Steuerpflichtigen, die durch die Reform bei der direkten Bundessteuer eine Minderbelastung erfahren, deutlich grösser ist als der Anteil jener, die eine Mehrbelastung erfahren. Mit der vorgeschlagenen Anpassung des Tarifs lässt sich dieses Ziel erreichen.

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Ausgehend vom geltenden Grundtarif erfolgen Anpassungen in zwei Schritten.

In einem ersten Schritt werden die Steuersätze im tiefen und mittleren Einkommensbereich gesenkt und bei den hohen bis sehr hohen Einkommen leicht erhöht. Konkret sind folgende Anpassungen vorgesehen: ­

Erhöhung des Grundfreibetrags im Tarif von 15 000 auf 20 000 Franken.

­

Senkung des Betrags, bei dem der Tarif den verfassungsmässig maximal zulässigen Steuersatz von 11,5 Prozent (Art. 128 Abs. 1 Bst. a BV) erreicht, von heute 783 300 auf 751 100 Franken.

­

Absenkung der Grenzsteuersätze bei tiefen Einkommen und eine entsprechende Erhöhung der Grenzsteuersätze bei höheren Einkommen, damit der Tarif den Maximalsatz von 11,5 Prozent beim oben erwähnten steuerbaren Einkommen von 751 100 Franken erreicht.

Die Anpassungen im Rahmen dieses ersten Schritts erhöhen die Progressivität des Tarifs und wirken damit der systemwechselbedingten Abschwächung der Progressionswirkung entgegen. Sie ermöglichen eine gleichmässigere Verteilung der Entlastungswirkung der Reform über alle Einkommensklassen hinweg.

Der zweite Schritt besteht darin, den Tarif zu strecken (senken), damit sich durch die Reform geschätzte Mindereinnahmen von 1 Milliarde Franken bezogen auf das Steuerjahr 2024 ergeben. Das Vorgehen ist analog zu dem, das beim Ausgleich der Folgen der kalten Progression zur Anwendung kommt. Dabei werden alle Tarifstufen mit einem bestimmten Faktor erhöht. Der einzige Unterschied zum Ausgleich der Folgen der kalten Progression besteht darin, dass der Grundfreibetrag von der Streckung ausgenommen ist. Die Vorlage erreicht die vorgesehenen Mindereinnahmen von 1 Milliarde Franken bei einem Streckungsfaktor von rund 1,07. Beispiel: Im geltenden Tarif beginnt die dritte Tarifstufe bei einem steuerbaren Einkommen von 42 900 Franken.

Durch die Streckung mit dem Faktor von rund 1,07 erhöht sich diese auf 46 000 Franken (1,07×42 900). Diese Streckung kommt einer Senkung des Tarifs gleich, weil die nächst höhere Tarifstufe jeweils bei einem höheren steuerbaren Einkommen beginnt.

Die Abbildung 1 zeigt den geltenden Grundtarif und den neuen Tarif im Reformszenario. Die obere Grafik zeigt auf der horizontalen Achse das steuerbare Einkommen von 0 bis 800 000 Franken (oberhalb dieses Betrags ändert sich der Steuersatz nicht mehr); zur besseren Lesbarkeit der Veränderung bei den tiefen und mittleren Einkommen zeigt die untere Grafik steuerbare Einkommen von 0 bis 250 000 Franken.

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Abbildung 1

Steuertarif im Status quo (Grundtarif für Unverheiratete) und im Reformszenario der Individualbesteuerung. In der oberen Grafik bildet die horizontale Achse steuerbare Einkommen von 0 bis 800 000 Franken ab, in der unteren Einkommen von 0 bis 250 000 Franken.

In der unteren Grafik wird die Erhöhung des Grundfreibetrags deutlicher sichtbar; konkret setzt die Steuerbelastung im Reformszenario bei einem höheren steuerbaren Einkommen ein als im Status quo. Die Senkung des Betrags, bei dem der Tarif den 36 / 108

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Maximalsatz von 11,5 Prozent erreicht, wird auf der oberen Grafik sichtbar. Die obere Grafik zeigt gleichzeitig, dass die Steuersätze im Tarif bei den sehr hohen Einkommen im Status quo und im Reformszenario sehr nahe beieinander liegen und dass daher die Erhöhung der tariflichen Steuersätze in Prozentpunkten ausgedrückt in diesem Einkommensbereich gering ausfällt, während die Senkung der tariflichen Steuersätze im tieferen Einkommensbereich ausgeprägter ist.

6.2.4

Verfahren

6.2.4.1

Allgemeines

Bei einer konsequenten Umsetzung der Individualbesteuerung übt jede Person die ihr zukommenden Verfahrensrechte und die ihr obliegenden Verfahrenspflichten für sich allein aus. Die Mitteilungen der Steuerbehörden müssen daher folgerichtig auch getrennt erfolgen. Jede Person muss ihre Steuerfaktoren in ihrer eigenen Steuererklärung deklarieren.

Denkbar wäre zwar, dass die Ehegattinnen bzw. Ehegatten auch bei der Individualbesteuerung eine gemeinsame Steuererklärung ausfüllen. Dies würde den administrativen Aufwand für die kantonalen Steuerbehörden reduzieren und die Koordination der Dossiers im Veranlagungsverfahren erleichtern.

Im Sinne des Grundkonzepts der Individualbesteuerung soll jedoch von zwei getrennten Steuererklärungen bei Ehepaaren ausgegangen werden. Dies stärkt zudem die Finanzkompetenz und die Eigenständigkeit der einzelnen Person. Aus diesem Grund soll jede Ehegattin bzw. jeder Ehegatte die Verfahrensrechte und -pflichten selbstständig wahrnehmen und damit die Verantwortung für die korrekte Deklaration und die Entrichtung der Steuer übernehmen. Folglich soll auch das Einsprache- und Rechtsmittelverfahren einer Ehegattin bzw. eines Ehegatten die Rechtskraft der Veranlagung des anderen nicht beeinflussen. Es würde in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung, das rechtliche Gehör oder das Steuergeheimnis zu grossen verfahrensrechtlichen Problemen führen, wenn in einem Einschätzungs- oder Rechtsmittelverfahren die Faktoren der anderen Ehegattin bzw. des anderen Ehegattens in Frage gestellt werden könnten.

6.2.4.2

Akteneinsichtsrecht

Das heutige gegenseitige Akteneinsichtsrecht der Ehegattinnen bzw. Ehegatten beinhaltet, dass beide zur Einsicht in alle Steuerakten der Ehegemeinschaft berechtigt sind (Art. 114 Abs. 1 DBG). Dies entspricht der privatrechtlichen Regelung von Artikel 170 ZGB in Verbindung mit Artikel 159 ZGB: Damit die Eheleute das Wohl der Gemeinschaft in einträchtigem Zusammenwirken wahren können, müssen beide Eheleute über das Wesentliche der gegenseitigen finanziellen Situation orientiert sein. Jeder bzw. jede kann von der anderen Person Auskunft über deren Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen. Auf Begehren einer Person kann das Gericht den andern bzw. die andere oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.

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Nach herrschender Lehre bildet Artikel 170 ZGB eine ausreichende bundesgesetzliche Grundlage für die Durchbrechung des Steuergeheimnisses zugunsten von Zivilgerichten.20 Ab dem Zeitpunkt der Trennung kann gemäss geltendem Recht eine Ehegattin bzw.

ein Ehegatte die Steuerakten der anderen Person nicht mehr einsehen, da sie getrennt veranlagt werden und es sich somit nicht mehr um gemeinsame Steuerakten im Sinne von Artikel 9 DBG in Verbindung mit Artikel 114 Absatz 1 DBG handelt.21 Daraus ist zu schliessen, dass die Akten, die sich noch auf die Zeit der gemeinsamen Veranlagung beziehen, noch eingesehen werden können.

Da bei der Individualbesteuerung Ehegattinnen und Ehegatten getrennt veranlagt werden, soll ein gegenseitiges Akteneinsichtsrecht der in ungetrennter Ehe lebenden Personen entfallen.

6.2.4.3

Revision

Eine Revision einer rechtskräftigen Veranlagungsverfügung oder eines rechtskräftigen Entscheides ist nach geltendem Recht insbesondere dann möglich, wenn nach Eintritt der Rechtskraft der Veranlagungsverfügung erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel entdeckt werden (Art. 147 Abs. 1 Bst. a DBG; Art. 51 Abs. 1 Bst. a StHG). Eine erhebliche, neue Tatsache liegt dann vor, wenn die Tatsache nachträglich, d. h. erst nach Eintritt der Rechtskraft der Veranlagungsverfügung oder des Entscheids, entdeckt wird, aber nicht nachträglich eingetreten ist. Eine Revision ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller als Revisionsgrund vorbringt, was sie oder er bei der ihr oder ihm zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können (Art. 147 Abs. 2 DBG; Art. 51 Abs. 2 StHG).

Jede Ehegattin bzw. jeder Ehegatte kann von der anderen Person Auskunft über deren Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen (Art. 170 Abs. 1 ZGB). Daraus folgt, dass grundsätzlich beiden Eheleuten die finanziellen und steuerrechtlichen Verhältnisse der jeweils anderen Person bekannt sein sollten resp. es der einen Ehegattin bzw.

dem einen Ehegatten bereits beim Ausfüllen der Steuererklärung möglich sein sollte, die aus steuerrechtlicher Sicht relevanten Tatsachen abzuklären, um beurteilen zu können, ob ihr bzw. ihm ein gewisser Abzug (kinderrelevante Abzüge in bestimmten Konstellationen) zusteht oder nicht.

Eheleute sind aufgrund des Zivilrechts verpflichtet, sich bei der anderen Person diejenigen Informationen zu besorgen, welche für eine vollständige und korrekte Dekla20

21

Peter Locher (2019): Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 1. Teil, 2. Auflage, Art. 110 DBG N 50, mit Hinweisen: «Mit Urteil vom 12.5.2009 entschied das Bezirksgericht von Sitten, Art. 170 Abs. 2 ZGB bilde eine solche gesetzliche Grundlage für die Aufhebung des Steuergeheimnisses, weshalb die Steuerbehörden verpflichtet seien, dem Zivilrichter Auskunft zu erteilen, wenn Vermögensfragen zwischen den Ehegatten im Streite liegen» (Revue valaisanne de jurisprudence, 2009, 256, 258 ff.).

Abrufbar unter: www.estv.admin.ch > Direkte Bundessteuer > Direkte Bundessteuer Fachinformationen > Kreisschreiben Nr. 30: Ehepaar- und Familienbesteuerung, Ziff. 15.6.

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ration in der Steuererklärung erforderlich sind. Tun sie dies nicht, oder zumindest nicht in rechtsgenüglicher Weise, müssen sie auch die entsprechenden Folgen und ­ damit einhergehend ­ die Nachteile tragen.

Entsprechend wären bei mangelnden Kenntnissen der Faktoren der anderen Ehegattin bzw. des anderen Ehegatten die Voraussetzungen für eine Beantragung einer Revision nach Artikel 147 DBG bzw. Artikel 51 StHG nicht erfüllt.

Da die beiden Dossiers grundsätzlich voneinander unabhängig sind, sollte es nicht erforderlich sein, dass die Veranlagungsbehörde im Einschätzungsverfahren systematisch auch die Steuererklärung der anderen Ehegattin bzw. des anderen Ehegatten konsultieren muss. Quervergleiche von Steuerdossiers durch die Veranlagungsbehörden finden jedoch bereits heute statt (z. B. Abgleich Unterhaltsleistungen und Kinderabzug, Aufteilung Kinderabzug etc.) und bleiben auch bei einer Individualbesteuerung weiterhin möglich.

6.2.4.4

Nachsteuerverfahren

Da die Veranlagungen der Ehegattinnen und Ehegatten grundsätzlich nicht voneinander abhängen, sollten diese auch im Nachsteuerverfahren wie die übrigen Personen behandelt werden. Ein Nachsteuerverfahren sollte daher nur eingeleitet werden können, wenn die allgemeinen Voraussetzungen von Artikel 151 DBG bzw. Artikel 53 StHG erfüllt sind. Bei der Zuweisung des Kinderabzugs für volljährige Kinder in Ausbildung und des Kinderdrittbetreuungsabzugs kann es zu Berührungspunkten zwischen den beiden Dossiers der Eltern kommen (vgl. Ziff. 6.3.4). Ergibt sich in diesen Fällen im Nachhinein aufgrund der Steuererklärung oder Veranlagung des anderen Elternteils, dass eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist, liegt eine neue Tatsache im Sinne von Artikel 151 DBG bzw. Artikel 53 StHG vor, die einen Nachsteuergrund darstellt. Eine spezielle Norm für Eltern ist nicht notwendig.

6.2.5

Haftung

Die Ehegattinnen und Ehegatten sollen nur für die eigene Steuer haften. Eine Solidarhaftung ist nicht notwendig, da beide Eheleute ausschliesslich die eigenen Einkünfte und Vermögenswerte, ihre Quote am gemeinschaftlichen Eigentum sowie das daraus fliessende Einkommen versteuern.

Jede Ehegattin bzw. jeder Ehegatte versteuert die Hälfte des Kindereinkommens und haftet dafür. Hingegen sollen die unter elterlicher Sorge stehenden Kinder bis zum Betrag des auf sie entfallenden Anteils an der Steuer der Eltern weiterhin solidarisch mithaften (Art. 13 Abs. 1 DBG).

6.2.6

Steuerstrafrecht

Jede Person kann nur für die Hinterziehung der eigenen Steuerfaktoren gebüsst werden. Wie alle anderen steuerpflichtigen Personen kann eine Ehegattin bzw. ein Ehe39 / 108

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gatte als Teilnehmerin bzw. Teilnehmer an einer Steuerhinterziehung einer anderen Person bestraft werden. Gegenüber dem geltenden Recht sind keine Anpassungen notwendig.

6.2.7

Besteuerung nach dem Aufwand

Bei der Besteuerung nach dem Aufwand (Art. 14 DBG und Art. 6 StHG) handelt es sich um eine besondere Art der Steuerbemessung für ausländische Staatsangehörige, die erstmals oder nach mindestens zehnjähriger Unterbrechung in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig sind und in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.

Im geltenden Recht müssen bei Ehepaaren beide sämtliche Voraussetzungen zur Aufwandbesteuerung erfüllen. Andernfalls unterliegen sie der ordentlichen Einkommensbemessung.

Bei der Individualbesteuerung soll auch die Besteuerung nach dem Aufwand auf einer individuellen Betrachtung beruhen und nicht mehr von Eigenschaften der Ehegattin oder des Ehegatten abhängen. Neu sind daher Konstellationen möglich, bei denen eine Ehegattin bzw. ein Ehegatte ohne Schweizer Bürgerrecht nach dem Aufwand und die Ehegattin bzw. der Ehegatte mit Schweizer Bürgerrecht ordentlich besteuert wird.

Die Besteuerung nach dem Aufwand berechnet sich nach den jährlichen, in der Bemessungsperiode im In- und Ausland entstandenen Lebenshaltungskosten der steuerpflichtigen Person und der von ihr unterhaltenen Personen.

Bei einer Individualbesteuerung wird jede Ehegattin bzw. jeder Ehegatte für sich betrachtet. Als Untergrenze für den weltweiten Aufwand bei eigenem Haushalt gilt das Siebenfache des jährlichen Mietzinses bzw. des Mietwertes der eigenen Wohnung oder des eigenen Hauses bzw. das Dreifache des Pensionspreises für Unterkunft und Verpflegung in den anderen Fällen. Dabei gilt eine absolute minimale Bemessungsgrundlage von 421 700 Franken. Bei einer Individualbesteuerung gilt für jede Person diese absolute minimale Bemessungsgrundlage. Heute gilt dieser Betrag für beide Eheleute zusammen. Unter Umständen kann dies im Vergleich zu heute zu einer insgesamt höheren Steuerbelastung eines Paars führen.

Bei den gemeinsamen Kindern soll die Zuweisung der Lebenshaltungskosten für die Kinder analog der Zuweisung des Kinderabzugs erfolgen. Dies bedeutet Folgendes: Könnte die steuerpflichtige Person bei einer ordentlichen Besteuerung nur den halben Kinderabzug geltend machen, soll ihr auch nur die Hälfte der Lebenshaltungskosten des Kindes zugerechnet werden. Damit soll vermieden werden, dass der Kinderunterhalt bei beiden Elternteilen voll aufgerechnet wird.

Unterstützt die nach dem Aufwand besteuerte Person
andere Personen, wird die Unterhaltsleistung bei ihren Lebenshaltungskosten als Aufwand berücksichtigt.

In Bezug auf die Veränderung der Anzahl Personen, die nach Aufwand besteuert werden, ergeben sich zwei gegenläufige Effekte.

Durch die Individualbesteuerung steigt die Anzahl Personen, die bei Zuzug in die Schweiz die Voraussetzungen für die Aufwandbesteuerung erfüllen. Heute hat ein Ehepaar ausschliesslich dann das Recht auf die Besteuerung nach dem Aufwand, 40 / 108

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wenn beide Eheleute sämtliche Voraussetzungen erfüllen. Wenn eine Person die Voraussetzungen erfüllt, ihre Ehegattin oder ihr Ehegatte aber nicht (z. B. weil sie oder er das Schweizer Bürgerrecht hat), dann wird das Ehepaar heute ordentlich besteuert.

Nach Einführung der Individualbesteuerung hat eine Ehegattin oder ein Ehegatte unabhängig von der Situation der anderen Person das Recht auf die Besteuerung nach dem Aufwand, wenn sie oder er die Bedingungen erfüllt.

Demgegenüber steht der Effekt, dass die Attraktivität dieser Art der Besteuerung für Ehepaare abnimmt, weil zukünftig für beide Eheleute individuell die minimale Bemessungsgrundlage von 421 700 Franken zum Tragen kommt. Für das Ehepaar gemeinsam betrachtet verdoppelt sich dadurch die minimale Bemessungsgrundlage. Bei einigen heute nach dem Aufwand besteuerten Ehepaaren dürften zukünftig eine oder beide Personen auf die Aufwandbesteuerung verzichten. Weiter dürfte zukünftig eine geringere Anzahl verheirateter Personen den Anspruch auf die Besteuerung nach dem Aufwand geltend machen.

6.2.8

Quellensteuer

Die Quellensteuer für bestimmte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als spezielle (Bezugs-)Form der Einkommenssteuern von Bund, Kantonen und Gemeinden wird von den Schuldnerinnen und Schuldnern der steuerbaren Leistung (z. B. Arbeitgeber, Versicherungen) in Abzug gebracht. Grundsätzlich richten sich die Bestimmungen zur Ausgestaltung der Quellensteuer nach denjenigen für das ordentliche Veranlagungsverfahren, wobei für die Berechnung der Quellensteuertarife gewisse Pauschalierungen in Kauf genommen werden.

Die heute geltenden Bestimmungen zur Quellensteuer sehen im Grundsatz die Unterscheidung von vier Personenkategorien vor (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Quellensteuerverordnung vom 11. April 201822, QStV): ­

Alleinstehende Personen ohne Kinder (Tarifcode A);

­

verheiratete Einverdienerinnen bzw. Einverdiener mit und ohne Kinder (Tarifcode B);

­

verheiratete Zweiverdienerinnen bzw. Zweiverdiener mit und ohne Kinder (Tarifcode C);

­

Alleinstehende mit Kindern im gleichen Haushalt (Tarifcode H).

Bei der Individualbesteuerung sollen für den Bezug der Quellensteuer weiterhin schematische Regeln bzw. praxistaugliche Lösungen angewendet werden können. Vor allem ist zu vermeiden, dass die Arbeitgeber mehr Sachverhaltsabklärungen zur Durchführung des Quellensteuerabzugs vornehmen müssen als heute.

Nach geltendem Recht entfällt die Quellenbesteuerung einer an sich quellensteuerpflichtigen Person mit Wohnsitz in der Schweiz, solange sie mit einer Ehegattin bzw.

mit einem Ehegatten mit Schweizer Bürgerrecht oder Niederlassungsbewilligung in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebt. Die beiden Eheleute werden somit im 22

SR 642.118.2

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ordentlichen Verfahren gemeinschaftlich besteuert (Art. 83 Abs. 2 DBG). Auch bei der Individualbesteuerung soll eine Ehegattin bzw. ein Ehegatte ordentlich besteuert werden, wenn die andere Ehegattin bzw. der andere Ehegatte das Schweizer Bürgerrecht oder die Niederlassungsbewilligung besitzt. Die Veranlagung erfolgt jedoch individuell.

Aufgrund der vorgesehenen Massnahme (Erhöhung Kinderabzug) einerseits sowie der zum Teil aufzuhebenden Abzüge (Verheiratetenabzug, Zweiverdienerabzug) und der Tarifanpassung andererseits sind auch die Quellensteuertarife anzupassen.

Der anwendbare Tarif richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen der quellensteuerpflichtigen Person im Zeitpunkt der Auszahlung, Überweisung, Gutschrift oder Fälligkeit der steuerbaren Leistung (vgl. Art. 2 Abs. 1 QStV). Anders als bei der ordentlichen Veranlagung ist es jedoch nicht möglich, die Höhe der Abzüge individuell zu berücksichtigen. Abzüge sind bei der Quellensteuer pauschal in die Tarife eingerechnet.

Bei der Individualbesteuerung sollen zudem alle Bestimmungen der Quellensteuer entfallen, die sich auch auf die Ehegattin bzw. auf den Ehegatten beziehen, wie etwa bei der Durchführung der nachträglichen ordentlichen Veranlagung (NOV), oder Bestimmungen, die auch die Einkünfte des anderen miteinbeziehen.

Im Grossen und Ganzen dürfte die Quellensteuer bei der Individualbesteuerung im Vergleich zum geltenden Recht etwas einfacher anzuwenden sein (vgl. dazu Ziff. 6.2.10).

6.2.9

Auswirkungen der Individualbesteuerung auf andere Rechtsbereiche

6.2.9.1

Allgemeines

Der Zivilstand hat heute unter anderem Einfluss auf die Leistungen aus den Sozialversicherungen, insbesondere in der AHV/IV, der beruflichen Vorsorge, der Unfallversicherung und der Militärversicherung, sowie auf Transferleistungen (z. B.

Krankenkassenprämienverbilligungen, Stipendien) und die Kirchensteuer. Diese Rechtsgebiete knüpfen an der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft an. Bei einer Einführung der Individualbesteuerung würde das Steuersystem somit in einen systemischen Unterschied zu anderen Rechtsgebieten geraten. Es gibt allerdings bereits heute Rechtsgebiete bei den Sozialversicherungen, bei welchen unverheirateten Paaren Rechnung getragen wird. So zahlen viele Pensionskassen der hinterbliebenen Lebenspartnerin oder dem hinterbliebenen Lebenspartner eine Rente oder ein einmaliges Todesfallkapital aus, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (etwa gewisse Dauer der Partnerschaft, gemeinsame Kinder etc.).

Rechtlich ist es möglich, das Steuersystem auf die Individualbesteuerung umzustellen und in anderen Rechtsgebieten das Ehepaar weiterhin als Wirtschaftsgemeinschaft zu betrachten. An dieser Stelle ist auf das vom Nationalrat am 18. März 2022 überwiesene Postulat der FDP-Liberale Fraktion (21.4430 «Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge?») hinzuweisen, mit welchem der Bundesrat beauftragt

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wird, einen Bericht vorzulegen, in welchem die Folgen der Einführung einer individuellen, vom Zivilstand unabhängigen Altersvorsorge aufgezeigt werden.

6.2.9.2

Krankenkassenprämienverbilligungen

Das Bundesgesetz vom 18. März 199423 über die Krankenversicherung (KVG) sieht in den Artikeln 65­66a vor, dass die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen gewähren.

Den Kantonen kommt bei der Ausgestaltung der Prämienverbilligung ein weiter Gestaltungsspielraum zu.24 Wer Anspruch auf Prämienverbilligung hat, ist somit kantonal geregelt. Massgebende Kriterien sind das Einkommen, das Vermögen, der Zivilstand oder der Haushalt sowie die Anzahl Kinder. Ermittelt werden die Prämienverbilligungen über die Steuerveranlagung. Die kantonalen Systeme der Krankenkassenprämienverbilligung unterscheiden sich dabei stark.

Bei Ehepaaren basieren die Berechnungen für die Prämienverbilligungen heute auf dem Familieneinkommen und -vermögen. Diese können der gemeinsamen Veranlagung entnommen werden. Bei der Einführung der Individualbesteuerung stellt sich die Frage, auf welcher Basis die Prämienverbilligungen zu berechnen sind. Soll nur noch auf das Einkommen und Vermögen der Einzelperson abgestellt werden, unabhängig vom Zivilstand und von den Familienverhältnissen, oder soll bei Ehepaaren weiterhin auf das Familieneinkommen und -vermögen abgestellt werden? Im letzteren Fall müssten entweder die zuständigen Behörden oder die antragstellende Person auch über die Steuerfaktoren der Ehegattin bzw. des Ehegatten verfügen. Wird nur noch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Einzelperson abgestellt, könnte es zum Beispiel dazu kommen, dass die Person, die selber nur über ein bescheidenes Einkommen und Vermögen verfügt, aber mit einer einkommensstarken oder vermögenden Partnerin bzw. einem einkommensstarken oder vermögenden Partner verheiratet ist, Prämienverbilligungen erhält.

Da die von den Kantonen erlassenen Bestimmungen bezüglich der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung grundsätzlich autonomes kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht darstellen,25 ist bei Einführung der Individualbesteuerung keine Änderung der Bestimmungen des Bundesgesetzes (KVG) notwendig. Die Kantone werden jedoch ihre kantonalen Gesetzesvorschriften zu den Krankenkassenprä23 24

25

SR 832.10, vgl. auch die zugehörigen Verordnungen, SR 832.112.4 und SR 832.112.5.

Vgl. dazu Frick, Rolf (2019): N. 12 zu Art. 65 KVG. In: P. Blechta, Gabor / Colatrell, Philomena / Rüedi, Hubert / Staffelbach, Daniel (Hrsg.): Basler Kommentar zum Krankenversicherungsgesetz (KVG), 1. Auflage, Basel: «Sie können nicht nur bestimmen, wie sie den für die Prämienverbilligung zur Verfügung stehenden Gesamtbetrag verteilen.

[...] Sie legen auch den Kreis der Begunstigten, die Höhe der Prämienverbilligung, das Verfahren, den Auszahlungsmodus sowie die Einkommensgrenzen fest. Die Kantone bestimmen damit auch autonom, was unter dem unbestimmten Rechtsbegriff der zu verstehen ist. [...] Dementsprechend vielfältig sind die in den kantonalen Ausführungserlassen enthaltenen Systeme der Prämienverbilligung». Vgl. dazu auch BGE 136 I 220.

BGE 134 I 313 E. 3 S. 315 mit Hinweisen.

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mienverbilligungen dahingehend überprüfen müssen, ob allenfalls die Basis für die Bestimmung der bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden muss.

Das heisst, dass das Bundesrecht es den Kantonen überlässt, ob sie bei der Anspruchsberechtigung auch das Einkommen und Vermögen der (Ehe-)Partnerin oder des (Ehe-)Partners oder allenfalls der im Haushalt zusammenlebenden Personen berücksichtigen. Bereits heute wird zum Teil in den Kantonen bei unverheirateten Paaren bei der Beurteilung, ob eine Prämienverbilligung gewährt werden soll, das Einkommen der Partnerin bzw. des Partners berücksichtigt.26

6.2.9.3

Tarife für Kindertagesstätten

Die externe Kinderbetreuung wird von den Gemeinden unterschiedlich subventioniert. Die Tarife für Kindertagesstätten (Kita) hängen dabei stark von der Einkommenshöhe der Eltern und dem Umfang der staatlichen Subventionierung ab. Die Gebühren bemessen sich regelmässig nach der Familiengrösse, nach dem massgebenden jährlichen Einkommen und Vermögen der Familie und der Betreuungsdauer.

Anrechenbar ist das Einkommen der Eltern, die mit dem betreuten Kind im gleichen Haushalt wohnen. Wohnt das Kind nur bei einem Elternteil, ist neben dessen Einkommen und Vermögen in der Regel auch das Einkommen und Vermögen einer Partnerin oder eines Partners zu berücksichtigen, mit dem dieser Elternteil in einer Ehe, einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer nichtehelichen Partnerschaft zusammenlebt.

Einkommen und Vermögen einer unverheirateten Partnerin oder eines unverheirateten Partners werden dabei etwa berücksichtigt, wenn sie gemeinsame Kinder haben oder wenn die nichteheliche Partnerschaft länger als fünf Jahre dauert.

Bei Ehepaaren kann das Familieneinkommen und -vermögen heute der gemeinsamen Steuererklärung entnommen werden. Bei der Einführung der Individualbesteuerung stellt sich auch hier die Frage, auf welcher Basis die Kitatarife künftig zu berechnen sind.

6.2.10

Umsetzung

6.2.10.1

Administrativer Aufwand

Die direkte Bundessteuer wird von den Kantonen unter Aufsicht der Eidgenössischen Steuerverwaltung veranlagt und bezogen (Art. 2 DBG). Die Einführung einer Individualbesteuerung hat für die kantonalen Steuerverwaltungen Mehraufwendungen zur Folge, insbesondere wenn die Eheleute zwei getrennte Steuererklärungen einzureichen haben. Bei zwei getrennten Steuererklärungen bei Ehepaaren ist gesamtschweizerisch damit zu rechnen, dass die Zahl der zu verarbeitenden Steuererklärungen um ca. 1,7 Millionen steigt. Dies entspricht einer Erhöhung um rund ein Drittel.

26

Vgl. etwa § 9 Abs. 2 des Gesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVGG) des Kantons Aargau, SAR 837.200.

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Im Interesse eines möglichst einfachen Vollzugs soll sowohl auf inhaltliche wie auch prozedurale Abhängigkeiten zwischen den Dossiers der (Ehe-)Partnerinnen und (Ehe-)Partner verzichtet werden. Die Koordination im Veranlagungsprozess würde den Vollzug des Massenverfahrens für die Steuerbehörden schwerfällig machen.

Die zwei Steuererklärungen eines Ehepaares sollen somit grundsätzlich nicht koordiniert behandelt werden müssen. Sobald gemeinsame Kinder vorhanden sind, ergibt sich beim Abzug für volljährige Kinder in Ausbildung allerdings eine inhaltliche Abhängigkeit, da nur dann eine hälftige Aufteilung erfolgt, wenn beide Elternteile für den Unterhalt des volljährigen Kindes sorgen. Eine inhaltliche Abhängigkeit erfolgt auch beim Drittbetreuungsabzug, da dieser nur zugelassen wird, wenn beide Eltern gewisse Voraussetzungen erfüllen, z. B. gleichzeitig erwerbstätig sind (vgl. Art. 33 Abs. 3 E-DBG).

In gewissen Konstellationen ist die Aufteilung der Steuerfaktoren der Eheleute auf zwei Steuererklärungen nicht ohne Weiteres möglich (z. B. Fahrzeuge, Kunstwerke).

Keine Probleme bestehen namentlich bei Liegenschaften und Bankkonti. Neu sind auch Rechtsgeschäfte unter den Eheleuten wie z. B. Darlehen steuerlich relevant. Umgekehrt gibt es durch die Individualbesteuerung auch Vereinfachungen. So hat bspw.

der Tod einer Ehegattin bzw. eines Ehegatten keine Auswirkungen mehr auf die Besteuerung der überlebenden Ehegattin bzw. des überlebenden Ehegatten. Heute wird bei dieser oder diesem das steuerbare Einkommen für die Satzbestimmung umgerechnet.

Die Individualbesteuerung kann verheirateten Personen gewisse Möglichkeiten der Steueroptimierung eröffnen, die bereits heute bei unverheirateten Paaren bestehen.

Rechtliche Dispositionen (z. B. Übertragung von Vermögenswerten, Gewährung von Darlehen, Übertragung von Nutzniessung) sind aber in einer liberalen Rechtsordnung grundsätzlich hinzunehmen. Bei übersetzten Leistungen kann eine Korrektur erfolgen (vgl. Ziff. 6.2.1.2). Ungewiss ist, wieweit die Steuerbehörden solche Fälle mit überschaubarem Aufwand tatsächlich entdecken und aufgreifen können. Darüber hinaus gehende gesetzliche Regelungen zur Einschränkung von Steueroptimierungen sind jedoch nicht zielführend.

Die Individualbesteuerung hat auch Auswirkungen auf die Quellensteuer. Es müssen Tarifcodes
angepasst und bisherige Tarifcodes gestrichen werden (z. B. derjenige für Zweiverdienerinnen und Zweiverdiener). Dies ist insbesondere bei der Einführung für die kantonalen Steuerverwaltungen und die Arbeitgeber mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Die neuen Tarife müssen programmiert werden. Die Steuerverwaltungen berechnen die Tariftabellen in der Regel jedes Jahr neu. Die Arbeitgeber müssen weiterhin die Auswahl zwischen Tarifcodes treffen und dabei gewisse Informationen abklären. Sie müssen jedoch nicht mehr abklären, ob es sich bei den verheirateten Arbeitnehmenden um Ein- oder Zweiverdienerinnen bzw. -verdiener handelt und wer bei Letzteren das höhere Einkommen erzielt. Die Individualbesteuerung dürfte insgesamt zu einer Vereinfachung für die Arbeitgeber führen.

Es ist zudem zu berücksichtigen, dass für jeden neuen ordentlichen Quellensteuertarif (aktuell A, B, C und H) ein neuer Tarifcode für deutsche und für italienische Grenzgängerinnen und Grenzgänger geschaffen werden muss.

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6.2.10.2

Verankerung der Individualbesteuerung auf allen drei staatlichen Ebenen

Die Individualbesteuerung soll für sämtliche Steuerhoheiten umgesetzt werden. Eine unterschiedliche Regelung in Bund, Kantonen und Gemeinden käme einer Entharmonisierung gleich und würde die Komplexität des Steuersystems wesentlich erhöhen.

Die Verankerung der Individualbesteuerung auf allen drei Ebenen bedeutet, dass die Kantone ihre Gesetzgebung anpassen müssen. Sie werden ihre Steuertarife und gewisse Abzüge überprüfen und gegebenenfalls neu festlegen müssen. Der Gesetzgebungsprozess inklusive einer allfälligen Volksabstimmung muss durchlaufen werden.

Die kantonalen Steuerverwaltungen werden auch den Vollzug der neuen Bestimmungen, die Schulung des Personals sowie die IT-Anpassungen an die Hand nehmen müssen. Den Kantonen soll dafür ausreichend Zeit eingeräumt werden. Die Neuerungen bei der direkten Bundessteuer und in den kantonalen Steuergesetzen sollen zum gleichen Zeitpunkt in Kraft treten. Gemäss dem Gesetzesentwurf soll der Bundesrat den Zeitpunkt des Inkrafttretens bestimmen. Nach Artikel 72 StHG wird den Kantonen in der Regel eine Frist von mindestens zwei Jahren für die Anpassung ihrer Gesetzgebung gewährt. Beim fundamentalen Wechsel zur Individualbesteuerung wird diese Frist jedoch länger sein. Der Bundesrat wird wie üblich die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren zum möglichen Inkraftsetzungszeitpunkt anhören.

Hat ein Kanton innerhalb der gesetzten Frist die Individualbesteuerung im kantonalen Recht nicht umgesetzt, kommen die Bestimmungen des StHG direkt zur Anwendung (Art. 72 Abs. 2 StHG). Dies setzt aber voraus, dass das StHG direkt anwendbare Regelungen enthält. Dies trifft jedoch nicht für alle Bestimmungen zur Individualbesteuerung zu. Namentlich muss festgelegt werden, zu welchem Tarif die Steuerpflichtigen besteuert werden sollen. Dies kann dem StHG nicht entnommen werden. Für diese Fälle ermächtigt Artikel 72 Absatz 3 StHG die Kantonsregierung, die erforderlichen vorläufigen Vorschriften zu erlassen. Den Kantonsregierungen werden jedoch dahingehend Grenzen gesetzt, dass sie nur insoweit vom kantonalen Gesetzesrecht abweichen dürfen, als dies die Durchführung des StHG zwingend erfordert.27

6.3

Geprüfte, aber verworfene Ausgestaltung der Individualbesteuerung

6.3.1

Modell mit Doppeltarif (Ecoplan)

Bei einer Konsultation der beiden parlamentarischen Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N und WAK-S) zur Individualbesteuerung Anfang 2022 vertraten beide Kommissionen die Ansicht, dass bei der Individualbesteuerung ein privilegierter Tarif für steuerpflichtige Personen mit Kindern vorgesehen werden sollte. Ein

27

Hunziker, Silvia / Corinna Bigler (2022): Art. 72 N. 20. In: Zweifel, Martin / Beusch, Michael (Hrsg.): Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG), 4. Auflage.

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solches Modell hatte Ecoplan in einer Studie 2019 vorgeschlagen.28 In der Vernehmlassung unterstützten vor allem die FDP, die GLP und diverse Frauenorganisationen diesen Vorschlag.

In Abweichung von den anderen Modellen der Individualbesteuerung geht das Modell Ecoplan nicht von einem Einheitstarif, sondern von einem Doppeltarif mit einem Grundtarif für Steuerpflichtige ohne Kinder und dem privilegierten Tarif für Steuerpflichtige mit Kindern aus.

Diverse Gründe sprechen gegen einen Doppeltarif bei der Individualbesteuerung:

28

­

Der Verheiratetentarif des geltenden Rechts hat den Zweck, bei Ehepaaren der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Einkommen beider Eheleute zusammengezählt werden (dass es sich also um das Einkommen von zwei erwachsenen Personen handelt; sog. Faktorenaddition). Der Verheiratetentarif hat nicht nur einen höheren Grundfreibetrag, sondern darüber hinaus auch einen anderen Tarifverlauf. Da bei der Individualbesteuerung jede Person individuell besteuert wird, ist der Doppeltarif nicht mehr sachgerecht. Würde bei der Individualbesteuerung gemäss Ecoplan-Modell bei Steuerpflichtigen mit Kindern der heutige Verheiratetentarif angewendet, dann würde eine Faktorenaddition kompensiert, die gar nicht existiert.

­

Der Steuertarif bestimmt ausgehend vom steuerbaren Einkommen die Steuerbelastung. Das steuerbare Einkommen bzw. das satzbestimmende Einkommen bildet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ab. Eine Abweichung davon erfolgt ausschliesslich bei ausserfiskalischen Abzügen, die nicht durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit begründet sind und deshalb unter anderem eine spezielle Verfassungsgrundlage erfordern (z. B. der Abzug für Liegenschaftsinvestitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, der sich auf Art. 108 BV zur Wohnbau- und Wohneigentumsförderung stützt).

Nur wenn bei allen Steuerpflichtigen der gleiche Tarif zur Anwendung kommt, ist gewährleistet, dass Personen bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die gleiche Steuerbelastung haben. Bei der Individualbesteuerung ist deshalb ein einheitlicher Tarif für alle Steuerpflichtigen ein Gebot der Gleichbehandlung.

­

Das geltende Steuerrecht berücksichtigt Kinderkosten auf zwei Arten: ­ Der Abzug in Höhe von 6700 Franken pro Kind folgt der Logik, dass sich mit jedem Kind das steuerlich freigestellte Existenzminimum um den Betrag des Kinderabzugs erhöht. Dies wird erreicht durch den Abzug von der Bemessungsgrundlage, der unabhängig von der Höhe des Einkommens ist. Dazu kommen weitere kinderbezogene Abzüge von der Bemessungsgrundlage.

­ Der Abzug vom Steuerbetrag in Höhe von 259 Franken pro Kind folgt der Logik, dass für jedes Kind ein bestimmter Förderbetrag ausgerichtet wird. Dies geschieht, indem sich unabhängig von der Höhe des Einkommens der Steuerbetrag pro Kind im gleichen Ausmass reduziert. Weil im Ecoplan (2019): Auswirkungen einer Individualbesteuerung: Vergleich verschiedener Steuersysteme in der Schweiz. Forschungsbericht. Bern.

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geltenden Recht keine negativen Steuerbeträge möglich sind, wird der Förderbetrag allerdings nur bei Steuerpflichtigen voll ausgerichtet, die direkte Bundessteuern bezahlen.

Bei einem Doppeltarif hängt die Entlastung hingegen von der Ausgestaltung des privilegierten Tarifs im Vergleich zum Grundtarif ab. Im Allgemeinen folgt die Entlastung für Steuerpflichtige mit Kindern dabei allerdings keiner erkennbaren Logik. Das lässt sich namentlich an zwei Sachverhalten illustrieren: (1) Die Entlastungswirkung durch den privilegierten Tarif lässt sich in einen Kinderabzug umrechnen. Dabei berechnet man, wie hoch der Kinderabzug sein müsste, damit die gleiche Entlastung resultiert wie mit dem privilegierten Tarif. Das Ergebnis zeigt, dass ein privilegierter Tarif einem Kinderabzug gleichkommt, der allerdings mit der Höhe des Einkommens stark variiert.

Beispiel: Bei einem Einkommen (reines Einkommen gemäss Bundessteuerstatistik) von 70 000 Franken entspricht das Tarifprivileg einem Abzug von 11 300 Franken (zusätzlich zum regulären Kinderabzug von 6700 von der Bemessungsgrundlage und zum Abzug von 259 Franken vom Steuerbetrag); bei einem Einkommen von 100 000 Franken einem Abzug von 10 800 Franken; bei einem Einkommen von 150 000 Franken einem Abzug von 15 000 Franken. (2) Ein günstigerer Tarif führt zu einer Entlastung für das erste Kind, jedoch zu keiner zusätzlichen Entlastung für jedes weitere Kind. Der Tarif berücksichtigt also ausschliesslich die Tatsache, dass jemand Kinder hat, trägt aber ­ anders als der Kinderabzug ­ der Anzahl Kinder keine Rechnung.

­

Würde als privilegierter Tarif für Steuerpflichtige mit Kindern wie im Ecoplan-Modell vorgesehen der heutige Verheiratetentarif oder ein ähnlicher Tarif verwendet, dann ginge die Entlastung für Steuerpflichtige mit Kindern zu weit. Dies lässt sich namentlich an der Erhöhung des Grundfreibetrags durch das erste Kind erkennen. Bei einer erwachsenen Person sieht der Tarif im geltenden Recht (Stand 1.1.2024) einen Grundfreibetrag von 15 000 Franken vor.

Mit dem ersten Kind würde bei Anwendung des Verheiratetentarifs der Grundfreibetrag zusammen mit dem Kinderabzug auf rund 36 000 Franken springen. Dazu kommt der Abzug vom Steuerbetrag, womit sich der Grundfreibetrag faktisch nochmals um rund 24 700 Franken erhöht. Damit führt die Anwendung des geltenden Verheiratetentarifs zusammen mit dem Kinderabzug auf dem Steuerbetrag bei Steuerpflichtigen mit Kindern dazu, dass der steuerlich freigestellte Betrag für das erste Kind um ein Mehrfaches höher ist als für eine erwachsene Person.

­

Bei Paaren mit Kindern stellt sich bei einem solchen Modell die Frage, welcher Elternteil den privilegierten Tarif erhält oder ob ihn beide Elternteile erhalten. Wenn der privilegierte Tarif wie im Ecoplan-Modell vorgesehen dem Elternteil mit dem höheren Einkommen zugewiesen wird, dann führt dies in vielen Konstellationen dazu, dass die Person mit dem höheren Einkommen die niedrigere Steuerbelastung hat als der Elternteil mit dem niedrigeren Einkommen, was verfassungsrechtlich problematisch wäre. Weiter würde eine solche Regelung eine gewisse Koordination zwischen den Steuerdossiers der Elternteile bedingen.

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Die bei einem Doppeltarif-Modell resultierenden Belastungsrelationen sind tendenziell umso problematischer, je stärker der privilegierte Tarif vom Grundtarif abweicht.

Ein Sonderfall ist ein privilegierter Tarif, der im Vergleich zum Grundtarif ausschliesslich einen höheren Grundfreibetrag, aber sonst den gleichen Tarifverlauf hat.

Bildlich gesprochen entspricht dies einer blossen Verschiebung des Grundtarifs nach rechts. Eine blosse Rechtsverschiebung ist jedoch gleichbedeutend mit einem Abzug von der Bemessungsgrundlage. Ein privilegierter Tarif, der einer blossen Rechtsverschiebung entspricht, würde nicht zu den beschriebenen problematischen Belastungsrelationen führen wie ein solcher mit grundsätzlich anderem Tarifverlauf. Allerdings wäre in diesem Fall ein Abzug transparenter.

Die Anwendung eines privilegierten Tarifs für Steuerpflichtige mit Kindern und die problematischen Auswirkungen bei den Belastungsrelationen kennt auch das geltende Recht. Der Bundesrat hat diese Regelung denn auch als Verstoss gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit als verfassungswidrige Privilegierung gewertet.29 Er stützt sich dabei u. a. auf einen Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 2005, wonach es dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widerspricht, Einelternfamilien und Steuerpflichtigen mit unterstützungsbedürftigen Personen die gleiche tarifliche Ermässigung einzuräumen wie Ehepaaren.30

6.3.2

Korrekturmassnahme für Eineinkommensehepaare

Der Bundesrat unterbreitete in der Vernehmlassungsvorlage zwei Varianten, eine Variante ohne Korrektiv und eine Variante mit einem Korrektiv für Eineinkommensehepaare und Ehepaare mit geringem Zweiteinkommen.

Als Korrektiv schlug er bei der direkten Bundessteuer vor, der Person mit dem höheren Einkommen einen Abzug (Einkommensdifferenzabzug) zu gewähren. Dieser sollte 14 500 Franken betragen, sofern deren Ehegattin oder Ehegatte kein Einkommen hat. Um Schwelleneffekte zu verhindern, wäre der Abzug mit dem wachsenden Zweiteinkommen graduell ausgelaufen. Bei Personen mit Kindern sollte sich der maximale Abzugsbetrag pro Kind um die Hälfte des Kinderabzugs, d. h. um 4500 Franken, sowie um die Hälfte des Versicherungsabzugs für das Kind, d. h. um 350 Franken, erhöhen. Damit hätte verhindert werden können, dass bei Ehepaaren ohne oder mit niedrigem Zweiteinkommen der halbe Kinderabzug oder ein Teil davon ins Leere fällt. Der Abzug sollte nur Ehepaaren in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe gewährt werden.

Die Mehrheit der Befürworter der Individualbesteuerung sprach sich in der Vernehmlassung gegen eine spezielle Entlastungsmassnahme für Eineinkommenspaare aus.

Nur ohne eine solche Massnahme könne die Individualbesteuerung ihre positiven Wirkungen, insbesondere in Hinsicht auf die Erwerbsanreize, voll entfalten und eine zivilstandsunabhängige Besteuerung erreicht werden.

29 30

Vgl. Botschaft 18.034 zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung) vom 21. März 2018.

Vgl. dazu BGE 131 II 710 und 131 II 697 mit Hinweisen auf die Lehre.

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Das Bundesgericht hatte indessen im Entscheid Hegetschweiler31 von 1984 festgehalten, dass bei der Individualbesteuerung zur Wahrung der Verfassungsmässigkeit Korrektive zugunsten der Einverdienerehepaare vorzusehen seien: «Wenn nämlich in der Einverdiener-Ehe der erwerbstätige Partner seinen Erwerb zu einem Einheitstarif versteuern müsste, würde das Ehepaar für sein einziges Einkommen ­ trotz der Steuerfreiheit des nichterwerbstätigen Partners ­ genauso stark besteuert wie ein Alleinstehender mit demselben Einkommen»32.

Dieser Ansicht schlossen sich viele Gegner der Individualbesteuerung an. Eine Individualbesteuerung ohne Entlastungsmassnahme bedeute einen klaren Widerspruch zur Globaleinkommensbesteuerung. Sie höhle die zivilrechtliche Definition der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft aus und benachteilige Eineinkommensfamilien massiv und in ungerechtfertigter Weise. Dies sei mit dem verfassungsmässigen Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht vereinbar und daher verfassungswidrig. Mit einer Entlastungsmassnahme sei das Steuersystem hingegen ausgewogener.

Nach Abwägung der Vor- und Nachteile der beiden Varianten soll bei der direkten Bundessteuer dennoch keine Entlastungsmassnahme für Eineinkommensehepaare und Ehepaare mit geringem Zweiteinkommen vorgesehen werden (vgl. Ziff. 6.8.1).

Dies aus den folgenden Gründen:

31 32 33

­

Eine Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach dem Individuum und nicht mehr nach ehelicher Gemeinschaft erscheint in der heutigen Zeit, in welcher die Erwerbstätigkeit der Frauen selbstverständlich ist, angemessen. Diese Ausgestaltung ist auch im Einklang mit der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt, wonach die bisher nicht erwerbstätige Person in der Ehe nach der Scheidung wirtschaftlich unabhängig sein soll.33

­

Die Anreize für die Erwerbstätigkeit werden dadurch verbessert und die so ausgestaltete Individualbesteuerung dürfte daher einen höheren volkswirtschaftlichen Nutzen entfalten als mit einem Korrektiv.

­

Würde die Entlastungsmassnahme nur Ehepaaren gewährt, wäre die Besteuerung nicht zivilstandsunabhängig. Wenn die Entlastungsmassnahme auch unverheirateten Paaren gewährt werden sollte, müsste festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen die Beziehung bei nicht verheirateten Paaren als derart gefestigt gelten würde, dass die Gewährung der Entlastungsmassnahme gerechtfertigt wäre. Dies würde allenfalls zu neuen Ungerechtigkeiten führen.

­

Die Einführung eines degressiv verlaufenden Abzugs ­ wie in der Vernehmlassung zur Diskussion gestellt ­ würde bei den veranlagenden Behörden zu einem Mehraufwand führen. Die Dossiers der betroffenen Eheleute müssten miteinander verknüpft werden, d. h. eine Koordination der Einschätzungsver-

BGE 110 Ia 7 BGE 110 Ia 7 E. 3b Vgl. dazu etwa BGE 5A_907/2018 vom 3. November 2020, BGE 5A_104/2018 vom 2. Februar 2021, BGE 5A_311/2019 vom 11. November 2020, BGE 5A_891/2018 vom 2. Februar 2021und BGE 5A_800/2019 vom 9. Februar 2021.

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fahren der beiden Eheleute wäre unumgänglich. Die Kantone lehnen eine solch zwingende Koordination vehement ab.

Die Kantone sind frei in der Entscheidung, ob sie in ihrem Recht ein Korrektiv für Eineinkommenspaare, z. B. einen als Sozialabzug ausgestalteten Einkommensdifferenzabzug, einführen oder nicht.

6.3.3

Abzug für Haushalte mit nur einer erwachsenen Person (alleinstehend, alleinerziehend)

Die Vernehmlassungsvorlage sah vor, für Haushalte mit nur einer erwachsenen Person (alleinstehende und alleinerziehende Personen) bei der direkten Bundessteuer einen Haushaltsabzug in der Höhe von 6000 Franken einzuführen. Dies um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Haushalte, die aus mindestens zwei erwachsenen Personen bestehen, unabhängig vom Zivilstand und von einer Paarbeziehung gewisse Haushaltsersparnisse erzielen, insbesondere im Bereich der Wohnkosten.

Der Abzug wurde in der Vernehmlassung kontrovers beurteilt. Einige Vernehmlassungsteilnehmende, darunter die GLP und diverse Frauenorganisationen, sprachen sich gegen spezielle Entlastungen für einzelne Gruppierungen aus. Stattdessen sollte zur Abfederung der Steuerbelastung ein einheitlicher «Haushaltsabzug» vorgesehen werden. Dieser sollte der Abfederung der Steuerbelastung infolge einer ungleichen Einkommensaufteilung der Partnerinnen bzw. Partner sowie von alleinstehenden und alleinerziehenden Personen (Haushaltskosten) dienen.

Insbesondere die Kantone schlugen vor, dass höchstens für Steuerpflichtige, die allein mit Kindern oder mit unterstützungsbedürftigen Personen zusammenleben, ein Abzug vorgesehen werden sollte. Ein Haushaltsabzug führe aber grundsätzlich zu Schwierigkeiten im Vollzug und dadurch auch zu einem beträchtlichen Mehraufwand, da für viele Steuerpflichtige geprüft werden müsse, ob eine Wohnung allein bewohnt werde oder nicht. In vielen Kantonen sei zudem kein Einblick in die registerbasierte Haushaltsbildung (Eidg. Gebäudeidentifikator und Eidg. Wohnungsidentifikator) möglich. Aus ihrer Sicht wäre es daher besser, gänzlich auf einen Haushaltsabzug zu verzichten.

Nach Abwägung der Vor- und Nachteile soll aus den folgenden Gründen auf einen Haushaltsabzug bei der direkten Bundessteuer verzichtet werden: ­

Die Frage der Gewährung eines Haushaltsabzugs stellt sich nicht nur bei der Individualbesteuerung, sondern bei allen Modellen der Ehepaar- und Familienbesteuerung. Die Berücksichtigung der Wohnsituation mittels eines Haushaltsabzugs für alleinstehende und alleinerziehende Personen ist vor allem dann vertretbar, wenn auch für andere Kategorien von Steuerpflichtigen Entlastungsmassnahmen vorgesehen werden. Wird jedoch insbesondere auf eine Entlastungsmassnahme für Eineinkommensehepaare verzichtet, lässt sich der vorgeschlagene Haushaltsabzug mit Blick auf die Belastungsrelation von Eineinkommenshaushalten gegenüber Alleinstehendenhaushalten nicht mehr rechtfertigen. Andernfalls bezahlt eine alleinstehende Person weniger Steuern

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als ein Eineinkommensehepaar mit dem gleichen Einkommen, obwohl zwei Personen von diesem Einkommen leben müssen.

­

Die Überprüfung des Haushaltsabzugs ist für die Veranlagungsbehörde mit einem Zusatzaufwand verbunden.

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Ob der Haushaltsabzug allen Personen oder ausschliesslich denjenigen in Haushalten mit einer erwachsenen Person gewährt wird, ist in Bezug auf die Belastungsrelationen zwischen den verschiedenen Haushaltskonstellationen gleichwertig. In Bezug auf die Belastungsrelation von Eineinkommenspaaren und Zweieinkommenspaaren führt der einheitliche Abzug pro Haushalt kaum zu einer Verbesserung zugunsten der Eineinkommenspaare, da beide Kategorien denselben Abzug erhalten würden.

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Den Haushaltsabzug nur den alleinerziehenden Personen zu gewähren, ist vor dem Hintergrund der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit problematisch. Die Alleinstehenden können genauso wenig von Haushaltsersparnissen profitieren wie die Alleinerziehenden. Deren Kinderkosten werden durch die kinderrelevanten Abzüge berücksichtigt.

Die Kantone sind frei, ob sie in ihrem Recht einen als Sozialabzug ausgestalteten Haushaltsabzug einführen oder nicht.

6.3.4

Kinderabzug

Da die kinderrelevanten Abzüge bei gemeinsamer elterlicher Sorge grundsätzlich hälftig auf die beiden Elternteile aufgeteilt werden sollen, können diese Abzüge insbesondere bei Personen mit keinem oder einem niedrigen Einkommen ganz oder teilweise ins Leere fallen. Gleichzeitig kann die Person, die das Haupteinkommen erzielt, nur die Hälfte des Kinderabzugs geltend machen.

Als Alternative könnte der pauschale Kinderabzug auf der Annahme basieren, dass Eltern die Kinderkosten anteilig im Umfang ihres Einkommens tragen, und könnte ihnen in diesem Verhältnis zugeteilt werden. Eine solche Regelung dürfte in vielen Fällen zu sachgerechten Ergebnissen führen, aber sie würde eine sehr hohe inhaltliche Abhängigkeit der beiden Dossiers schaffen und damit den Vollzug erheblich verkomplizieren. Schon eine geringfügige Änderung der Steuerfaktoren des einen Elternteils hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Besteuerung des anderen Elternteils.

Als weitere Alternative könnte im Rahmen der hälftigen Aufteilung des Kinderabzugs (gemäss vorgeschlagener Neuregelung) jener Teil des Kinderabzugs, der ins Leere fällt, auf den anderen Elternteil übertragen werden. Auch dies würde jedoch eine hohe inhaltliche Abhängigkeit der beiden Dossiers schaffen.

Schliesslich könnte der Kinderabzug alternativ auch an den Elternteil mit dem höheren Einkommen zugewiesen werden; diese Regelung ist problematisch bei Zweiverdienern, da auch der Zweitverdienende einen Teil der Kinderkosten trägt, diese aber nicht geltend machen kann; zudem würde ebenfalls eine inhaltliche Abhängigkeit der Dossiers geschaffen.

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Eine praktikable Lösung, die allen Konstellationen gerecht wird, gibt es nicht. Im Interesse einer möglichst unkomplizierten Veranlagung, die schematische Lösungen bedingt, hat sich der Bundesrat für die Variante entschieden, die den geringsten administrativen Aufwand verursacht.

6.4

Exkurs: Modelle der gemeinsamen Besteuerung

6.4.1

Splittingmodelle

6.4.1.1

Grundsatz

Das Splitting ist eine Form der gemeinsamen Besteuerung. Es betrachtet Ehepaare als Wirtschaftsgemeinschaft und damit als Einheit der Besteuerung. Unverheiratete Personen werden individuell besteuert.

Das Splitting entlastet ein Ehepaar im Vergleich zu einer unverheirateten Person mit gleichem Einkommen, indem das steuerbare Einkommen des Ehepaars für die Bestimmung des anzuwendenden Steuersatzes durch den Splittingfaktor (Divisor) geteilt wird. Der so ermittelte Steuersatz wird auf das gesamte steuerbare Einkommen des Ehepaars angewendet. Beim Vollsplitting beträgt der Splittingfaktor zwei; beim Teilsplitting ist er niedriger als zwei.

Konzeptionell ist das Splitting eng verwandt mit dem bei der direkten Bundessteuer geltenden Doppeltarif. In beiden Fällen kommt bei Ehepaaren ein niedrigerer Steuersatz zur Anwendung als bei einer unverheirateten Person mit gleichem Einkommen.

Ein Splitting-Modell kann theoretisch in einen Doppeltarif überführt werden und dabei genau dieselben Belastungsrelationen erreichen.

Die Idee der Anwendung des Splittings besteht darin, bei der gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Einkommen von zwei Personen addiert werden (sog. Faktorenaddition). Gemäss dieser Logik sollte der Splitting-Vorteil ausschliesslich gemeinsam besteuerten Ehepaaren gewährt werden.

Die heute geltende Anwendung der tariflichen Ermässigung auch bei Unverheirateten mit Kindern, die schon heute individuell besteuert werden, müsste bei einer Einführung eines Splitting-Modells überdacht werden.

Als Modell der gemeinsamen Besteuerung erfüllt das Splitting den Grundsatz der Globaleinkommensbesteuerung. Das heisst, für die Steuerbelastung ist das gesamte Einkommen des Ehepaars massgebend. Wie sich das Einkommen auf die beiden Eheleute aufteilt, spielt für die Steuerbelastung des Ehepaars grundsätzlich keine Rolle. Bei gleichem Gesamteinkommen haben damit Ehepaare mit nur einem Einkommen dieselbe Steuerbelastung wie Ehepaare mit zwei Einkommen.

Weil das Splitting unverheiratete Personen individuell und Ehepaare gemeinsam besteuert, verletzt es die Zivilstandsneutralität. Die Steuerbelastung hängt damit im Splitting-Modell vom Zivilstand ab. Der Zielkonflikt zwischen den Grundsätzen der Globaleinkommensbesteuerung und der Zivilstandsneutralität gilt generell. Kein
progressives Steuersystem kann gleichzeitig beide Grundsätze erfüllen.

Theoretisch könnte die Anwendung des Splittings auf unverheiratete Paare ausgeweitet werden. Es würde sich aber die Frage stellen, welche Paare im steuerrechtlichen 53 / 108

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Sinne als Konkubinatspaare gelten. Für diejenigen Paare, die im steuerrechtlichen Sinne nicht als Konkubinatspaare gelten sowie für alle alleinstehenden Personen käme das Splitting nicht zur Anwendung. Damit kann durch die Ausweitung der Anwendung des Splittings bloss die Grenze der steuerlichen Ungleichbehandlung verschoben werden und es würden Abgrenzungsprobleme geschaffen.

Administrativer Umstellungsaufwand Ein Splittingmodell könnte bei der direkten Bundessteuer ohne grösseren Umstellungsaufwand für die kantonalen Veranlagungsbehörden umgesetzt werden. An der heutigen Deklaration der steuerlich relevanten Faktoren würde sich nichts ändern.

Ausgehend vom geltenden Recht bräuchten die veranlagenden Behörden keine zusätzlichen Informationen. Ehepaare würden ihre Steuerfaktoren unverändert gemeinsam deklarieren.

6.4.1.2

Vollsplitting

Der Splittingfaktor von zwei beim Vollsplitting bedeutet, dass bei Ehepaaren der Steuersatz zur Anwendung kommt, der im Steuertarif bei der Hälfte des gesamten steuerbaren Einkommens vorgesehen ist. Beispiel: Wenn ein Ehepaar gemeinsam ein steuerbares Gesamteinkommen von 150 000 Franken erzielt, dann wird auf dieses Gesamteinkommen der Steuersatz angewendet, den der Tarif bei einem steuerbaren Einkommen von 75 000 Franken vorsieht. Bei der direkten Bundessteuer entspräche ein Übergang zum Vollsplitting im Wesentlichen einer Senkung des Tarifs für Ehepaare über weite Teile des Einkommensspektrums.

Belastungsrelation zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen Aufgrund des Splittingfaktors von zwei ist die Steuerbelastung eines Ehepaars gleich hoch wie die Summe der Steuerbelastungen von zwei unverheirateten Personen mit je halbem Einkommen.

Wenn die Einkommen der beiden Eheleute genau gleich hoch sind, dann entspricht die Steuerbelastung im Vollsplitting derjenigen der individuellen Besteuerung. Wenn die Einkommen der beiden Eheleute nicht gleich hoch sind, dann haben Ehepaare in einem progressiven Einkommenssteuersystem eine niedrigere Steuerbelastung als zwei unverheiratete Personen mit den gleichen Einkommen wie die beiden Eheleute.

Der steuerliche Vorteil des Ehepaars gegenüber zwei unverheirateten Personen mit denselben Einkommen ist umso höher, je ungleicher die Einkommen zwischen den Eheleuten aufgeteilt sind.

Ausgehend von der steuerlichen Besserstellung von Ehepaaren durch das Vollsplitting in fast allen Konstellationen stellen sich verfassungsrechtliche Fragen mit Blick auf die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV). Das Bundesgericht hat 1994 in einem Entscheid Leitplanken in Bezug auf die Belastung verschiedener Haushaltskonstellationen diskutiert. Es hält darin fest, dass der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der verschiedenen Haushaltungen Rechnung getragen wird, wenn die Belastung eines Ehepaares niedriger ist als die Belastung

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einer alleinstehenden Person mit gleichem Einkommen, aber höher als die Belastung von zwei alleinstehenden Personen mit je der Hälfte des Einkommens des Ehepaars.34 Ausgehend von diesen bundesgerichtlichen Erwägungen stellt sich die Frage, ob ein Vollsplitting ohne begleitende Entlastungsmassnahme für alleinstehende und alleinerziehende Personen im Einklang mit der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Ohne eine solche Entlastungsmassnahme ist die Belastung des Ehepaars nicht höher als diejenige von zwei alleinstehenden Personen mit je der Hälfte des Einkommens des Ehepaares. Die zwei alleinstehenden Personen mit je der Hälfte des Einkommens werden gemäss diesen Erwägungen im Vergleich zum Ehepaar überbelastet. Diese Belastungsrelation liesse sich im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen in einem Vollsplitting-Modell korrigieren, indem für alleinstehende und alleinerziehende Personen ein Haushaltsabzug vorgesehen wird.

Gesetzlicher Anpassungsbedarf Bei einer Umsetzung des Vollsplittings bei der direkten Bundessteuer würden sich die zivilstandsabhängigen Abzüge für Ehepaare erübrigen. Hierbei handelt es sich um den Verheiratetenabzug (Art. 35 Abs. 1 Bst. c DBG) und um den Zweiverdienerabzug (Art. 33 Abs. 2 DBG). Kombiniert mit dem Vollsplitting würden diese Abzüge zu einer Überbelastung von unverheirateten Personen gegenüber Ehepaaren führen.

Im Weiteren würde sich mit Blick auf die Belastungsrelationen wie erwähnt die Frage stellen, ob zur Wahrung der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein Haushaltsabzug für alleinstehende und alleinerziehende Personen eingeführt werden müsste.

Technisch wäre ein Vollsplitting ausgehend vom geltenden Tarif für unverheiratete Personen (Art. 36 Abs. 1 DBG) möglich. Die geltenden Tarife mit der überschiessenden Progression passen jedoch nicht zur Idee des Splittings. Im geltenden Recht wird der gemäss Bundesverfassung maximal zulässige Durchschnittssteuersatz von 11,5 Prozent bei einem steuerbaren Einkommen von 783 300 Franken erreicht. Weil die Steuersätze im unteren Einkommensbereich deutlich niedriger sind, ist dafür ein vorübergehendes Überschiessen der Grenzsteuersätze auf über 11,5 Prozent notwendig.

Im geltenden Tarif mit der überschiessenden Progression bleibt der Durchschnittssteuersatz konstant, sobald
dieser den Wert von 11,5 Prozent erreicht hat. Dies hat zur Folge, dass die Anwendung des Splittingfaktors ab einer bestimmten Höhe des Einkommens den anzuwendenden Steuersatz nicht mehr reduziert. Es kann insbesondere in Konstellationen mit einem sehr hohen und einem tieferen Einkommen die Situation auftreten, dass das Vollsplitting im Vergleich zur individuellen Besteuerung zu einer Mehrbelastung führt. Dies widerspricht der Idee des Vollsplittings. Es würde sich also die Frage stellen, ob eine Einführung des Vollsplittings mit einer Tarifanpassung verbunden werden soll.

Mit Blick auf die vertikale formelle Steuerharmonisierung ergäbe sich bei den kantonalen Einkommenssteuern durch die Einführung des Vollsplittings bei der direkten

34

BGE 120 Ia 329 E. 4b

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Bundessteuer kein Anpassungsbedarf. Das Vollsplitting ist wie das geltende Recht bei Bund und Kantonen ein Modell der gemeinsamen Besteuerung.

Auswirkungen auf Erwerbsanreize Gleich wie das geltende Recht führt ein Vollsplitting im Vergleich zur individuellen Besteuerung bei gleichem Steueraufkommen zu einer niedrigen Besteuerung von Erstverdienerinnen bzw. Erstverdienern und zu einer höheren Steuerbelastung für Zweitverdienerinnen bzw. Zweitverdiener. Das Ersteinkommen wird dank der Entlastung in Form des Vollsplittings niedriger belastet als bei der individuellen Besteuerung. Das Zweiteinkommen wird stärker belastet, weil das Paar durch das Ersteinkommen in eine höhere Progressionsstufe gleitet (vgl. Ziff. 6.7.6).

Gemäss empirischen Untersuchungen reagieren Zweitverdienende stärker auf die Besteuerung als Erstverdienende (vgl. Literaturangaben in der Fussnote 50). Zudem ist in der Schweiz das Arbeitskräftepotenzial bei Erstverdienenden bereits gut ausgeschöpft. Bei Zweitverdienenden ist das Potenzial, durch Steuerreformen eine bessere Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials zu erreichen, deutlich grösser.

Ein Vollsplitting erweist sich in Bezug auf Erwerbsanreize vor diesem Hintergrund als ungünstig. Wie sich die Erwerbsanreize bei der Einführung des Vollsplittings verändern, würde namentlich von der Ausgestaltung des Tarifs abhängen. Eine aufkommensneutrale Ausgestaltung dürfte die Erwerbsanreize im Vergleich zum geltenden Recht eher verschlechtern. Eine Verschlechterung der Erwerbsanreize würde insbesondere resultieren, wenn mit Blick auf die Belastungsrelationen zwischen Ehepaaren und alleinstehenden Personen der Zweiverdienerabzug aufgehoben wird.

Eine Verbesserung der Erwerbsanreize würde deutlich höhere Mindereinnahmen voraussetzen, weil der systembedingte negative Effekt auf die Erwerbsanreize durch Tarifsenkungen kompensiert werden müsste.

6.4.1.3

Teilsplitting

Beim Teilsplitting ist der Splittingfaktor grösser als 1 aber kleiner als 2. Damit resultiert für ein Ehepaar eine steuerliche Entlastung im Vergleich zu einer unverheirateten Person mit gleichem Einkommen. Diese Entlastung ist jedoch geringer als beim Vollsplitting. Die Kantone mit Teilsplitting sehen Splittingfaktoren von 1,6 bis 1,9 vor.

Beispiel mit einem Splittingfaktor von 1,7: Wenn ein Ehepaar ein steuerbares Gesamteinkommen von 150 000 Franken erzielt, dann wird auf dieses Gesamteinkommen der Steuersatz angewendet, den der Tarif bei einem steuerbaren Einkommen von 88 200 Franken vorsieht. Die resultierende Steuerbelastung des Ehepaars ist damit in einem progressiven Steuersystem höher als beim Vollsplitting, wo der Steuersatz zur Anwendung kommt, den der Tarif bei 75 000 Franken vorsieht (vgl. weiter oben).

Bei der direkten Bundessteuer entspräche ein Übergang zum Teilsplitting konzeptionell einer Anpassung des Tarifs für Ehepaare, die vom gewählten Splittingfaktor abhängt. Bei tieferen Einkommen würde eine Tarifanpassung gemäss Teilsplitting zu einer Steuersatzerhöhung führen, bei höheren Einkommen zu einer Steuersatzsen-

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kung. Je näher der Splittingfaktor bei zwei liegt, desto höher ist der Anteil der Ehepaare, für die eine Steuersatzsenkung resultieren würde.

Belastungsrelation zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen Beim Teilsplitting hängt die Belastungsrelation zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen vom Splittingfaktor ab. Je höher der Splittingfaktor festgelegt wird, desto stärker ist die Entlastung des Ehepaars gegenüber unverheirateten Personen mit gleichem Einkommen. Weil der Splittingfaktor beim Teilsplitting niedriger ist als zwei, fällt die Entlastung von Ehepaaren weniger stark aus als beim Vollsplitting.

Dadurch ist die Steuerbelastung des Ehepaars höher als diejenige von zwei alleinstehenden Personen mit je der Hälfte des Einkommens des Ehepaars.

Im Vergleich zu einem unverheirateten Paar hat ein Ehepaar je nach Einkommensaufteilung und Splittingfaktor entweder eine Mehr- oder eine Minderbelastung. Je gleichmässiger die Einkommensaufteilung des Ehepaars und je niedriger der gewählte Splittingfaktor, desto eher resultiert für das Ehepaar im Vergleich zu einem unverheirateten Paar eine Mehrbelastung.

Gesetzlicher Anpassungsbedarf Bei einer Umsetzung bei der direkten Bundessteuer würde sich der Verheiratetenabzug (Art. 35 Abs. 1 Bst. c DBG) erübrigen. Dieser Abzug kommt einer tariflichen Massnahme gleich, die im Splittingfaktor abgebildet würde.

Die Ausgestaltung des Zweiverdienerabzugs (Art. 33 Abs. 2 DBG) müsste in Abhängigkeit vom Splittingfaktor geprüft und allenfalls angepasst werden. Je höher der gewählte Splittingfaktor, desto weniger Raum besteht für eine zusätzliche Entlastung von Ehepaaren durch den Zweiverdienerabzug.

Gleich wie beim Vollsplitting stellt sich die Frage nach der Ausgestaltung des Tarifs.

Wie in den Ausführungen zum Vollsplitting erwähnt, hat die Ausgestaltung des geltenden Tarifs mit der überschiessenden Progression zur Folge, dass die Anwendung des Splittingfaktors bei sehr hohen Einkommen den anzuwendenden Steuersatz nicht reduziert. Weil dies der Idee des Teilsplittings widerspricht, würde sich bei einer Einführung auch die Frage stellen, ob die Reform mit einer Anpassung des Tarifs verbunden werden soll.

Auch in Bezug auf die vertikale formelle Steuerharmonisierung ist die Situation beim Teilsplitting dieselbe wie beim Vollsplitting. Es ergäbe sich
bei den kantonalen Einkommenssteuern kein Anpassungsbedarf.

Auswirkungen auf Erwerbsanreize Das Teilsplitting ist in Bezug auf die Erwerbsanreize ähnlich zu beurteilen wie das Vollsplitting. Weil das Teilsplitting das Ersteinkommen weniger stark entlastet, kann bei gegebenen Steuereinnahmen ein niedrigerer Tarif gewählt werden als beim Vollsplitting. Dadurch resultieren beim Teilsplitting etwas niedrigere Steuerbelastungen auf dem Zweiteinkommen. Vor diesem Hintergrund ist ein Teilsplitting in Bezug auf die Erwerbseffekte etwas günstiger als das Vollsplitting. In Bezug auf die Erwerbsanreize noch günstiger schneidet das Teilsplitting ab, wenn es mit einem Zweiverdienerabzug kombiniert wird. Aber auch dann schneidet es in Bezug auf die Erwerbsanreize 57 / 108

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schlechter ab als ein Individualbesteuerungsmodell mit dem gleichen Steueraufkommen.

6.4.1.4

Familienquotientensystem

Das Familienquotientensystem als Sonderform der Besteuerung mit Splitting beruht auf einem Einheitstarif, der sowohl auf alleinstehende wie auch auf verheiratete Personen angewandt wird. In der Schweiz sieht einzig der Kanton Waadt dieses Modell nach französischem Vorbild vor.

Anders als bei den herkömmlichen Splittingsystemen wird das Gesamteinkommen der Familie nicht durch einen fixen, sondern durch einen je nach der Grösse des Haushaltes variablen Divisor geteilt, d. h. durch einen auf die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen abgestimmten Familienquotienten. Den Kinderkosten wird dabei nicht primär durch einen Kinderabzug, sondern durch das Splitting Rechnung getragen. Die Kinder werden in das Splitting einbezogen, indem der Divisor des Ehepaares für jedes Kind um einen gewissen Faktor erhöht wird. Das Familienquotientensystem kann hinsichtlich der Ehepaare als Vollsplitting oder als Teilsplitting konzipiert werden.

6.4.2

Alternative Steuerberechnung

Grundsatz und Vorlage des Bundesrates vom 21. März 2018 Der Bundesrat schlug am 21. März 2018 eine Vorlage zur «ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung» mit einer alternativen Steuerberechnung vor.35 Das Modell basierte auf der gemeinsamen Veranlagung und auf dem Mehrfachtarif des geltenden Rechts. Die veranlagende Behörde berechnet dabei in einem ersten Schritt die Steuerbelastung der Ehepaare im Rahmen der ordentlichen gemeinsamen Veranlagung, indem die Einkommen der Eheleute zusammengerechnet werden. In einem zweiten Schritt wird eine alternative Berechnung der Steuerbelastung vorgenommen, die sich an eine Besteuerung von unverheirateten Personen anlehnt. Dabei werden die Erwerbs- und Renteneinkommen und die mit diesen Einkommensarten verbundenen Abzüge den Eheleuten nach den tatsächlichen Verhältnissen zugeordnet, wie sie sich aus der Steuererklärung ergeben. Auf die so ermittelten Steuerfaktoren der Eheleute wird jeweils der Grundtarif angewendet. Der tiefere der beiden Steuerbeträge wird dem Ehepaar in Rechnung gestellt.

Der Bundesrat schlug in seiner Vorlage der Einfachheit halber vor, den Eheleuten die übrigen Einkommen (namentlich Vermögenserträge) und die übrigen Abzüge hälftig zuzuteilen.

35

BBl 2018 2133. Vgl. auch die Zusatzbotschaft vom 14. August 2019 zur «ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung», BBl 2019 5787.

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Weil die alternative Steuerberechnung in erster Linie Zweiverdienerehepaare entlastet hätte, sah die Vorlage die Einführung eines Einverdienerabzugs vor, um die Belastungsunterschiede zwischen Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren zu begrenzen.

Schliesslich beinhaltete die Vorlage eine Aufhebung der Anwendung des günstigeren Verheiratetentarifs bei unverheirateten Personen mit Kindern. Zur Abfederung der dadurch entstehenden Mehrbelastung sah die Vorlage einen Abzug für Alleinerziehende vor.

Bei den kantonalen Steuern wäre durch die Reform kein Anpassungsbedarf entstanden.

Belastungsrelation zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen Das mit der Vorlage vom 21. März 2018 vorgeschlagene Modell enthält sowohl Elemente der Individualbesteuerung wie auch Elemente der gemeinsamen Besteuerung.

Bei Einverdienerehepaaren würde die Vorlage im Ergebnis in der Regel nichts ändern, weil die geltende gemeinsame Besteuerung zu einer niedrigeren Steuerbelastung führt als die alternative Steuerberechnung. Bei zahlreichen Zweiverdiener- und Rentnerehepaaren käme vor allem bei den einkommensstärkeren und jenen mit gleichmässigerer Verteilung der Einkommen die alternative Steuerberechnung zum Tragen. Im Ergebnis würde sich die Belastung dieser Ehepaare mit der alternativen Steuerberechnung derjenigen von unverheirateten Paaren in gleichen Einkommensverhältnissen annähern.

Bei Zweiverdiener- und Rentnerehepaaren mit eher niedrigen Einkommen und bei Einverdienerehepaaren wäre die Steuerbelastung weiterhin niedriger als bei unverheirateten Paaren in gleichen Einkommensverhältnissen. In tiefen und teilweise in mittleren Einkommensbereichen kommt die Steuerbelastung des Ehepaars mit dem Verheiratetentarif in Verbindung mit den zivilstandsabhängigen Abzügen tiefer zu liegen als bei zwei alleinstehenden Personen mit je der Hälfte des Einkommens des Ehepaars. Die Steuerbelastung des Ehepaars liegt damit unterhalb derjenigen, die bei einem Vollsplitting resultieren würde. Wie in den Ausführungen zum Vollsplitting erwähnt, wirft dies Fragen mit Blick auf die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf.

Die Einführung des Einverdienerabzugs würde die Anzahl Ehepaare erhöhen, deren Steuerbelastung unterhalb derjenigen eines Vollsplittings liegt.

Bei unverheirateten Personen ohne Kinder würde sich
gemäss der Vorlage gegenüber dem geltenden Recht nichts ändern. Bei unverheirateten Personen mit Kindern würde der Wegfall des günstigeren Tarifs zu einer Steuererhöhung führen, wobei der vorgesehene Abzug für Alleinerziehende diese Mehrbelastung je nach Einkommenshöhe kompensiert.

Administrativer Umstellungsaufwand Die alternative Steuerberechnung könnte bei der direkten Bundessteuer ohne grösseren Umstellungsaufwand für die kantonalen Veranlagungsbehörden umgesetzt werden. An der Deklaration der steuerlich relevanten Faktoren würde sich nichts ändern.

Ausgehend vom geltenden Recht bräuchten die veranlagenden Behörden keine zusätzlichen Informationen. Ehepaare würden unverändert ihre Steuerfaktoren gemein-

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sam deklarieren. Die Steuerbehörden müssten einmalig die hälftige Aufteilung gewisser Einkommensbestandteile und Abzüge in den Veranlagungssystemen umsetzen.

Wenn gemäss Vorschlag des Bundesrates vom 21. März 2018 ein Abzug für Alleinerziehende vorgesehen wird, müssten die Steuerbehörden zusätzlich die Information erheben, welche unverheirateten Personen mit Kindern alleinerziehend sind und welche in Partnerschaft leben.

Auswirkungen auf Erwerbsanreize Das Modell hätte bei denjenigen Ehepaaren, bei denen die alternative Steuerberechnung zum Tragen käme, ähnliche Auswirkungen wie die Individualbesteuerung.

Durch die Senkung der Grenzsteuerbelastung auf dem Zweiteinkommen würden die Erwerbsanreize für die Zweitverdienerinnen und Zweitverdiener steigen.

Die Beschäftigungseffekte bei einer Umsetzung der alternativen Steuerberechnung bei der direkten Bundessteuer wären deutlich geringer als bei einer Umsetzung der Individualbesteuerung bei Bund und Kantonen. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens ist das Potenzial für Beschäftigungseffekte bei den kantonalen Einkommenssteuern aufgrund ihres grösseren Volumens im Vergleich zur direkten Bundessteuer deutlich höher. Zweitens kommt bei der alternativen Steuerberechnung bei vielen Ehepaaren weiterhin die gemeinsame Besteuerung zum Tragen, womit sich die Erwerbsanreize nicht verändern.

6.4.3

Flat-Rate-Tax

Das Konzept der Flat-Rate-Tax bezieht sich auf die Tarifgestaltung. Eine Flat-RateTax kann sowohl im Rahmen einer gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren als auch im Rahmen einer Individualbesteuerung vorgesehen werden.

Eine Flat-Rate-Tax ist typischerweise so ausgestaltet, dass ein bestimmter Betrag des Einkommens steuerbefreit ist und für jeden Franken steuerbares Einkommen oberhalb dieses Betrags ein einheitlicher Grenzsteuersatz gilt. Ein solcher Tarif ist indirekt progressiv. Die progressive Wirkung kommt zustande, weil der steuerbefreite Betrag mit zunehmendem Einkommen anteilsmässig immer kleiner wird. In Abgrenzung dazu sind die geltenden Tarife der direkten Bundessteuer direkt progressiv, indem auch die Grenzsteuersätze bis zu einem steuerbaren Einkommen von 182 600 Franken (Grundtarif) bzw. von 150 300 Franken (Tarif für Ehepaare; jeweils geltendes Recht per 1.1.2024) stufenweise ansteigen.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung legte zusammen mit der Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates vom 2. Dezember 2022 quantitative Schätzungen zur Einführung einer Flat-Rate-Tax bei der direkten Bundessteuer im Rahmen einer Individualbesteuerung vor.36 Die Mindereinnahmen des Modells betrugen gleich wie bei den in die Vernehmlassung geschickten Reformvarianten geschätzt 1 Milliarde Franken (Daten des Steuerjahrs 2019, hochgerechnet auf 2022). Den Schätzungen lagen ein 36

Abrufbar unter: www.estv.admin.ch > Die ESTV > Steuerpolitik > Steuerpolitische Themen > Ehepaar- und Familienbesteuerung > Individualbesteuerung.

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Grundfreibetrag von 14 500 Franken und ein einheitlicher Grenzsteuersatz von 3,44 Prozent zugrunde. Für alle Steuerpflichtigen bedeutete dies, unabhängig vom Zivilstand, dass die ersten 14 500 Franken des steuerbaren Einkommens steuerbefreit waren und jeder Franken oberhalb dieses Betrags mit 3,44 Prozent besteuert wurde.

Spezielle Abzüge für Personen in Paarkonstellationen mit nur einem Einkommen oder für Haushalte mit nur einer erwachsenen Person waren in der Vorlage nicht vorgesehen. Gemäss dem 2022 geltenden Recht lag der Kinderabzug bei 6500 Franken und der Kinderabzug auf dem Steuerbetrag bei 251 Franken.

Durch die Wahl des Grundfreibetrags und eine entsprechende Anpassung des einheitlichen Grenzsteuersatzes lassen sich die Auswirkungen einer Flat-Rate-Tax etwas steuern. Je höher der Grundfreibetrag ist, desto höher muss der Grenzsteuersatz sein, um ein gegebenes Niveau an Steuereinnahmen zu erzielen. Eine Flat-Rate-Tax hat in der Tendenz eine umso progressivere Wirkung, je höher der Grundfreibetrag festgelegt wird. Gleichzeitig steigt mit höher werdendem Grundfreibetrag der Anteil der Steuerpflichtigen, die keine direkte Bundessteuer bezahlen. Die verfassungsrechtliche Schranke bei der Erhöhung des Grundfreibetrags bildet der Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung (Art. 127 Abs. 2 BV), wonach sämtliche Personen, die über ein gewisses Mindestmass an Leistungsfähigkeit verfügen, Steuern bezahlen sollen.

Belastungsrelationen zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen Eine vollständig zivilstandsneutrale Besteuerung ist bei einer Flat-Rate-Tax nur möglich, wenn sie im Rahmen einer Individualbesteuerung umgesetzt wird. Bei einer gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren sind bei einer Flat-Rate-Tax die Belastungsunterschiede zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen zwar geringer als beim geltenden direkt progressiven Tarif, die Zivilstandsneutralität wird aber nicht vollständig erreicht. Hauptgrund für die fehlende Zivilstandsneutralität ist der Grundfreibetrag, der bei gemeinsamer Besteuerung für Unverheiratete und für Ehepaare separat festgelegt werden muss. Wenn an der hälftigen Aufteilung der kinderrelevanten Abzüge bei unverheirateten Paaren festgehalten wird, dann tragen auch diese zur Verletzung der Zivilstandsneutralität bei. Grund dafür ist, dass sie in Konstellationen
mit keinem oder niedrigem Zweiteinkommen anders als bei verheirateten Paaren ins Leere fallen können. Um dies auszuschliessen, wäre ein konsequenter Übertrag der nicht konsumierten kinderrelevanten Abzüge nötig.

Die Flat-Rate-Tax ist bei einer gemeinsamen Besteuerung dann belastungsmässig zivilstandsneutral, wenn beide Einkommen mindestens so hoch sind, dass sie den Grundfreibetrag übersteigen und darüber hinaus die kinderrelevanten Abzüge nicht ins Leere fallen. Das wäre bei Paaren mit mindestens mittleren und eher gleichmässig verteilten Einkommen der Fall. Wenn die Reform gemäss Vernehmlassungsvorlage vom 2. Dezember 2022 im Rahmen einer gemeinsamen Besteuerung umgesetzt wird, dann müssten bei einem Paar mit zwei Kindern beide steuerbaren Einkommen mindestens rund 28 300 (= 14 500 + 6500 + 251 / 0,0344) Franken betragen, damit die Besteuerung belastungsmässig zivilstandsneutral ist (Annahmen: doppelt so hoher Grundfreibetrag für Ehepaare im Vergleich zu Unverheirateten und hälftige Aufteilung der kinderrelevanten Abzüge bei unverheirateten Paaren). Wenn eines der beiden Einkommen unter diesem Betrag liegt, dann wäre die Steuerbelastung des Ehepaars

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niedriger als diejenige eines unverheirateten Paars in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen, womit die Zivilstandsneutralität verletzt wäre.

Administrativer Aufwand Weil sich das Konzept der Flat-Rate-Tax auf die Tarifgestaltung bezieht, hat diese aus administrativer Sicht wenig Einfluss auf die Rechtsanwendung bei den veranlagenden Behörden.

Eine Einführung der Flat-Rate-Tax bei der direkten Bundessteuer im Rahmen der geltenden gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren hätte kaum administrative Umstellungen zur Folge. Die Kantone könnten die Veranlagung mit den heute verfügbaren Informationen vornehmen. Bei einer Einführung im Rahmen einer Individualbesteuerung hätte die Flat-Rate-Tax, gleich wie bei der Vorlage des Bundesrates, insbesondere einen Umstellungsaufwand bei den Kantonen zur Folge.

Bei der Einführung im Rahmen einer Individualbesteuerung lässt die Flat-Rate-Tax weniger Spielraum für Steueroptimierung durch Rechtsgeschäfte zwischen Eheleuten (bspw. durch ein Arbeitsverhältnis) als mit einem direkt progressiven Tarif. Sobald die Einkommen den Grundfreibetrag übersteigen und die kinderrelevanten Abzüge nicht ins Leere fallen, haben beide Eheleute den gleichen Grenzsteuersatz. Rechtsgeschäfte zwischen Eheleuten, die das Einkommen der einen Person reduzieren und dasjenige der anderen Person entsprechend erhöhen, verändern die Summe der Steuerbelastungen beider Eheleute nicht.

Losgelöst von der Art der Paarbesteuerung bringt die Flat-Rate-Tax dank des einheitlichen Grenzsteuersatzes gewisse Vereinfachungen. Sobald das Einkommen den Grundfreibetrag übersteigt und die kinderrelevanten Abzüge nicht mehr ins Leere fallen, gibt es weniger Raum für Steuerplanung. So spielt es keine Rolle mehr, ob ein Einkauf in die Pensionskasse über mehrere Jahre verteilt oder in einem einzigen Jahr getätigt wird. Auch könnten die Sonderbestimmungen zur Korrektur der direkten Progressionswirkung einmalig bzw. unregelmässig anfallender Einkünfte (Liquidationsgewinne, Kapitalleistungen aus Vorsorge, evtl. auch Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen) abgeschafft werden.

Verteilungswirkung über die Einkommensklassen Die Flat-Rate-Tax erzielt durch die Beschränkung auf einen einheitlichen Grenzsteuersatz eine geringere Progressionswirkung als ein direkt progressiver Tarif. Die im Zusammenhang mit der
Vernehmlassungsvorlage vom 2. Dezember 2022 dargestellte Variante der Flat-Rate-Tax führt gemäss den Schätzungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung bei der direkten Bundessteuer beim obersten Einkommenszehntel zu einer steuerlichen Entlastung von geschätzt rund 4,67 Milliarden Franken. Dementsprechend resultiert bei den unteren neun Einkommenszehnteln eine Mehrbelastung von geschätzt insgesamt rund 3,67 Milliarden Franken, sodass insgesamt Mindereinnahmen von 1 Milliarde Franken resultieren. Insgesamt führt eine solche Reform gemäss Schätzung zu Mehrbelastungen bei rund 64 Prozent der Steuerpflichtigen und zu Minderbelastungen bei rund 9 Prozent.

Die im Zusammenhang mit der Vernehmlassung publizierten Darstellungen der Veränderung der Steuerbelastung in ausgewählten Konstellationen bestätigen dieses Bild.

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In sämtlichen dargestellten Konstellationen (unverheiratete Personen und Ehepaare, jeweils mit und ohne Kinder) führt die Flat-Rate-Tax im Vergleich zum Status quo zu Steuererhöhungen bei den tiefen, mittleren und teilweise höheren Einkommen und zu Steuersenkungen für hohe bis sehr hohe Einkommen.

Gesetzlicher Anpassungsbedarf Eine Flat-Rate-Tax im Rahmen einer Individualbesteuerung lässt sich mit den gleichen gesetzlichen Anpassungen einführen wie die Vorlage gemäss indirektem Gegenvorschlag des Bundesrates. Der Unterschied wäre die Tarifgestaltung (Art. 36 DBG).

Weiter würde sich in der technischen Ausgestaltung die Frage stellen, ob der Grundfreibetrag im Tarif abgebildet oder als Sozialabzug ausgestaltet werden soll.

Eine Flat-Rate-Tax im Rahmen der geltenden gemeinsamen Besteuerung erfordert eine Anpassung des Tarifs (Art. 36 DBG). Der Verheiratetenabzug (Art. 35 Abs. 1 Bst. c DBG) würde sich erübrigen, weil er im Grundfreibetrag für Ehepaare abgebildet wird. Gleich wie beim Vollsplitting gilt es zudem die vom Bundesgericht anvisierte Belastungsrelation im Auge zu behalten, wonach die Belastung eines Ehepaares höher sein muss als die Belastung von zwei alleinstehenden Personen mit je der Hälfte des Einkommens des Ehepaars. Wenn der Grundfreibetrag für Ehepaare doppelt so hoch ist wie für unverheiratete Personen, dann stellt sich die Frage, ob zur Wahrung des Prinzips der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein Haushaltsabzug für alleinstehende und alleinerziehende Personen eingeführt werden müsste. Der Zweiverdienerabzug (Art. 33 Abs. 2 DBG) würde sich in diesem Fall erübrigen, weil er zu einer Überbelastung von unverheirateten Personen gegenüber Ehepaaren führen würde.

Auswirkungen auf Erwerbsanreize Eine Individualbesteuerung mit Flat-Rate-Tax dürfte zu geringeren Beschäftigungseffekten führen als die vom Bundesrat vorgeschlagene Vorlage, die vom geltenden direkt progressiven Grundtarif ausgeht. Gemäss der Schätzung zur Flat-Rate-Tax im Rahmen der Vernehmlassungsvorlage vom 2. Dezember 2022 wären die Erwerbseffekte knapp halb so gross wie bei den vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickten Varianten zur Individualbesteuerung. Der Grund dafür ist, dass sich bei einer Flat-Rate-Tax die Grenzsteuerbelastung auf die Zweiteinkommen bei Ehepaaren durch die Individualbesteuerung in den
meisten Fällen weniger stark reduziert als mit dem direkt progressiven Tarif. Weil die Flat-Rate-Tax bei tiefen Einkommen die Steuersätze erhöht, bietet sie bei den meisten Zweitverdienerinnen und Zweitverdienern mit niedrigen Pensen ungünstigere Erwerbsanreize als eine Individualbesteuerung ausgehend vom geltenden Grundtarif. Die Flat-Rate-Tax führt umgekehrt zu einer deutlichen Reduktion der Grenzsteuerbelastung bei hohen bis sehr hohen Einkommen. Diese fallen jedoch anzahlmässig weniger ins Gewicht.

Eine Flat-Rate-Tax mit gemeinsamer Besteuerung von Ehepaaren hätte ungünstigere Erwerbseffekte als eine solche verbunden mit einer Individualbesteuerung. Der Hauptgrund dafür ist, dass wegen der Faktorenaddition bei Ehepaaren eine potenzielle Zweitverdienerin oder ein potenzieller Zweitverdiener wegen des existierenden Ersteinkommens in der Regel bereits auf den ersten verdienten Franken zum einheitlichen Grenzsteuersatz belastet wird. Dies gilt vor allem deshalb, weil mit Blick auf die Be-

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lastungsrelationen zwischen Ehepaaren und alleinstehenden Personen der Zweiverdienerabzug mindestens eingeschränkt werden müsste.

6.5

Ehepaarbesteuerung im Ausland

In den Steuersystemen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sowohl Gemeinschaftsbesteuerungsmodelle als auch Individualbesteuerungsmodelle in unterschiedlicher Ausgestaltung vorgesehen.

Viele europäische Länder sind in den letzten Jahrzehnten von der Gemeinschaftsbesteuerung zur Individualbesteuerung übergegangen.37 Die Steuersysteme der betreffenden Länder sind jedoch grösstenteils nicht mit dem in der Schweiz angewandten System vergleichbar. Die meisten europäischen Länder gehen von einem zentral organisierten und materiell einheitlichen Steuersystem aus. Einige Länder sehen eine Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens (teilweise ohne Notwendigkeit der Einreichung einer Steuererklärung) vor oder ein System, das Subventionen gegenüber der Gewährung von generellen und sozialen Abzügen bevorzugt. Zudem ist in der Regel keine Vermögenssteuer vorgesehen.

Durch den in der Schweiz vorherrschenden Steuerföderalismus sowie die Vermögenssteuer dürfte sich die Umsetzung der Individualbesteuerung in der Schweiz aufwändiger gestalten als in diesen Ländern.

Zu den Regelungen der Individualbesteuerung in einzelnen Ländern vergleiche den erläuternden Bericht zur Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung vom 2. Dezember 202238.

6.6

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen

Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer Einleitende Bemerkungen

37

38

­

Im DBG werden die Begriffe «Steuerpflichtiger» und»Mithaftender» durchgehend geschlechtsneutral formuliert.

­

Zum Ausgleich der Folgen der kalten Progression passte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) die Tarife und Abzüge bei der direkten Bundessteuer auf den 1. Januar 2024 an. Die Anpassung stellt sicher, dass steuerpflichtige Personen für den Teil der Einkommenserhöhung, der ausschliesslich den teuerungsbedingten Kaufkraftverlust kompensiert, keine höhere prozentuale Steuerbelastung haben. Die Vernehmlassungsvorlage beruhte noch auf den im Jahr 2022 geltenden Tarifen und Abzügen. Die vorliegende Vorlage enthält die auf den 1. Januar 2024 angepassten Beträge.

Vgl. dazu etwa die Übersicht in «Veranlagung von Ehepartnern zur Einkommensteuer in Deutschland und anderen europäischen Staaten», Deutscher Bundestag, 26. Oktober 2021.

Abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossen> 2022.

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Art. 3 Abs. 5 fünfter Satz In Absatz 5 fünfter Satz entfällt der Verweis auf Artikel 9 DBG.

Art. 8a Im geltenden Recht wird der Grundsatz der gemeinsamen Besteuerung der Ehepaare in Artikel 9 Absatz 1 festgehalten. Dieser Artikel ist steuersystematisch unter dem 3. Kapitel des Gesetzes aufgeführt, in welchem die besonderen Verhältnisse bei der Einkommenssteuer geregelt werden. Da bei der Individualbesteuerung alle natürlichen Personen einzeln besteuert werden, können die Grundsatzbestimmungen zur Individualbesteuerung nicht unter den besonderen Verhältnissen aufgeführt werden.

Aus diesem Grund sollen die Regeln für die Zuteilung der Steuerfaktoren an die Steuerpflichtigen unter einem neuen Kapitel, d. h. 2a. Kapitel, unter dem Titel «Zurechnung der Einkünfte und Abzüge» geregelt werden. Die Faktoren (Einkünfte und Abzüge) sollen auch für Ehepaare nach den zivilrechtlichen Verhältnissen oder anderen gesetzlichen Anspruchsberechtigungen zugewiesen werden. Dies wird explizit in einer Generalklausel in Absatz 1 festgehalten. Dies bedeutet beispielsweise, dass sich die Besteuerung bei Paaren mit einer gemeinsamen Liegenschaft nach den sachenrechtlichen Eigentumsverhältnissen richtet. Da die Zuweisung der Schuldzinsen bei Hypothekarschulden nach Sachenrecht (Quote im Grundbucheintrag des entsprechenden Grundstücks) oder nach Schuldrecht möglich wäre, wird zusätzlich in Absatz 2 festgehalten, dass die Schuldzinsen bei Schulden allgemein nach den entsprechenden Verträgen (z. B. Darlehensvertrag oder Hypothekarvertrag) zugewiesen werden. Zudem wird festgehalten, dass die Gewinnungskosten analog zu den entsprechenden Einkünften zugewiesen werden. Da sich nicht alle Steuerfaktoren nach den zivilrechtlichen Verhältnissen (z. B. nach Sachenrecht oder Obligationenrecht) zuordnen lassen, erfolgt die Zuweisung diesfalls nach anderen gesetzlichen Anspruchsberechtigungen wie beispielsweise nach Sozialversicherungsrecht bei AHV- oder IV-Renten etc. Vergleiche dazu auch die Ausführungen unter Ziffer 6.2.1.

Die Zuordnung nach den zivilrechtlichen Verhältnissen kann unter Umständen primär bei der ersten Steuererklärung unter dem neuen System aufwändig sein, insbesondere wenn die Vermögenswerte der beiden Eheleute stark miteinander verflochten sind.

Art. 9

Kinder unter elterlicher Sorge

In Artikel 9 wird neu nur noch die Besteuerung von Kindern unter elterlicher Sorge geregelt.

In Absatz 1 wird neu festgehalten, dass Eltern, welche die elterliche Sorge über ein Kind gemeinsam ausüben, dessen Einkommen je zur Hälfte versteuern. Bisher wurde gemäss Kreisschreiben Nr. 3039 der ESTV auf die Obhut abgestellt. Im Sinne einer Vereinfachung soll bei Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge ­ unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht ­ stets eine hälftige Zuweisung vorgenommen werden. Besteht keine gemeinsame elterliche Sorge, wird das Einkommen des Kindes der Person zugerechnet, unter deren alleiniger elterlicher Sorge es steht.

39

Abrufbar unter: www.estv.admin.ch > Direkte Bundessteuer > Direkte Bundessteuer Fachinformationen > Kreisschreiben Nr. 30: Ehepaar- und Familienbesteuerung.

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In Absatz 2 wird wie bisher vorgesehen, dass Kinder für Einkünfte aus Erwerbstätigkeit selbstständig besteuert werden.

Art. 9a

Personen in eingetragener Partnerschaft

Die Stellung von Personen in eingetragener Partnerschaft wird neu in Artikel 9a geregelt. Soweit für Ehepaare im DBG besondere Regeln aufgestellt werden, gelten diese auch für Personen in eingetragener Partnerschaft (bspw. Alimentenbesteuerung, Steuernachfolge, Vermögensanfall infolge güterrechtlicher Auseinandersetzung).

Diese Klarstellung ist weiterhin notwendig für diejenigen Personen, die ihre eingetragene Partnerschaft nicht in eine Ehe umgewandelt haben. Für sie bleibt der Zivilstand «in eingetragener Partnerschaft» bestehen.

Art. 13 Sachüberschrift, Abs. 1 und 2 Mit Einführung der Individualbesteuerung soll jede Person nur für die eigene Steuerschuld haften. Eine Solidarhaftung der Eheleute ist obsolet. Die Absätze 1 und 2 sollen daher aufgehoben werden.

Damit soll auch die Solidarhaftung der Eheleute für denjenigen Teil, der auf das Kindereinkommen entfällt, aufgehoben werden.

Minderjährige Kinder haften für die auf ihre Faktoren zurückgehende Steuerschuld jedoch weiterhin mit der Inhaberin bzw. mit dem Inhaber der elterlichen Sorge mit (Abs. 3 Bst. a).

Art. 14 Abs. 2 und 4 Nach geltendem Recht kann ein Ehepaar nur dann nach dem Aufwand besteuert werden, wenn beide die Voraussetzungen nach Artikel 14 Absatz 1 erfüllen.

Bei der Individualbesteuerung wird jede Person für sich besteuert. Dies bedeutet, dass zukünftig eine Ehegattin bzw. ein Ehegatte nach dem Aufwand besteuert werden kann und diejenige Ehegattin bzw. derjenige Ehegatte, welche bzw. welcher die Voraussetzungen nicht erfüllt, ordentlich besteuert wird. Absatz 2 kann daher aufgehoben werden In Absatz 4 erfolgt eine Anpassung an den Einheitstarif von Artikel 36 Absatz 1 E-DBG und den vom Verheiratetentarif entkoppelten Abzug vom Steuerbetrag von Artikel 36 Absatz 2 E-DBG. Das bedeutet, dass die Steuer nach dem neuen Einheitstarif berechnet wird und der Abzug vom Steuerbetrag für die minderjährigen oder in der beruflichen oder schulischen Ausbildung stehenden volljährigen Kinder sowie für die unterstützungsbedürftigen Personen, die mit der steuerpflichtigen Person im gleichen Haushalt leben, weiterhin nicht zur Anwendung kommt.

Art. 23 Bst. f Erhält bei unverheirateten Paaren eine Partnerin bzw. ein Partner für die minderjährigen Kinder Unterhaltsbeiträge, sollen diese neu nur noch dann steuerbar sein, wenn bei gemeinsamer elterlicher Sorge der andere Elternteil nicht im gleichen Haushalt wohnt. Verheiratete Paare müssen solche Unterhaltsleistungen für die Kinder zwi66 / 108

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schen den Partnerinnen und Partnern ebenfalls nicht versteuern. Konsequenterweise muss auch der Abzug der Unterhaltszahlung neu geregelt werden. Vergleiche dazu die Erläuterungen zu Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c E-DBG.

Art. 33 Abs. 1 Bst. c, g, h und hbis, Abs. 1bis Bst. b und c sowie Abs. 2 und 3 In Absatz 1 Buchstabe c wird der Abzug der Alimente für das minderjährige Kind neu geregelt. Korrespondierend mit Artikel 23 Buchstabe f E-DBG sollen bei unverheirateten Partnerinnen bzw. Partnern mit gemeinsamer elterlicher Sorge, die im gleichen Haushalt leben, die Alimente für das minderjährige Kind von der die Unterhaltsbeiträge leistenden Person nicht mehr in Abzug gebracht werden können. Die Situation dieser Paare ist vergleichbar mit derjenigen von Ehepaaren mit gemeinsamen Kindern, die die Unterhaltsbeiträge für das Kind ebenfalls nicht in Abzug bringen können.

Hat bei unverheirateten Partnerinnen und Partnern, die zusammen im gleichen Haushalt leben, nur einer der Elternteile die elterliche Sorge über das gemeinsame Kind, kommt die bereits heute geltende Alimentenbesteuerung weiterhin zum Tragen: Alimente, die ein Elternteil für die unter seiner elterlichen Sorge stehenden Kinder erhält, sind von der Empfängerin oder vom Empfänger zu versteuern. Gleichzeitig können diese Alimentenleistungen von der leistungspflichtigen Person vollumfänglich in Abzug gebracht werden.

In Absatz 1 Buchstabe g (Versicherungs- und Sparzinsenabzug) wird neu nicht mehr zwischen Ehepaaren, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, und den übrigen Personen unterschieden. Jede steuerpflichtige Person kann ihre Einlagen, Prämien und Beiträge für die Lebens-, die Kranken- und die nicht unter Buchstabe f fallende Unfallversicherung sowie die Zinsen von Sparkapitalien bis zum Gesamtbetrag von 1800 Franken in Abzug bringen. Die Versicherungsabzüge für die von der steuerpflichtigen Person unterhaltenen Personen werden neu nur noch in Absatz 1bis Buchstaben b und c geregelt.

Absatz 1 Buchstaben h und hbis: Gemäss geltendem Recht kann die steuerpflichtige Person ihre Krankheits- und Unfallkosten sowie ihre behinderungsbedingten Kosten und auch die Kosten der von ihr unterhaltenen Personen abziehen. Darunter fallen einerseits die Kinder, für die die steuerpflichtige Person einen Kinderabzug geltend machen
kann. Gemäss Kreisschreiben Nr. 11 der ESTV40 gilt andererseits als unterhaltene Person auch jede unterstützungsbedürftige Person, für deren Lebensunterhalt die steuerpflichtige Person aufkommt. Als unterstützungsbedürftig gelten die Personen, die die Voraussetzung des Unterstützungsabzugs nach Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe b DBG (neu Bst. c E-DBG) erfüllen, d. h. erwerbsunfähige oder beschränkt erwerbsfähige Personen. Die unterstützte Person ­ das kann auch die Ehegattin bzw. der Ehegatte oder die unverheiratete Partnerin bzw. der unverheiratete Partner sein ­ muss dabei aus objektiven Gründen ihren Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht selber bestreiten können. Dies ist erfüllt, wenn es einer Person unabhängig von ihrem Willen nicht oder nur beschränkt möglich ist, selber einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

40

Abrufbar unter: www.estv.admin.ch > Direkte Bundessteuer > Direkte Bundessteuer Fachinformationen > Kreisschreiben Nr. 11 betreffend Abzug von Krankheits- und Unfallkosten sowie von behinderungsbedingten Kosten.

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Diese geltende Praxis soll nun explizit in den Gesetzestext aufgenommen werden, indem klargestellt wird, dass es sich bei den von der steuerpflichtigen Person unterhaltenen Personen im Sinne der Buchstaben h und hbis um erwerbsunfähige oder beschränkt erwerbsfähige Personen handelt, für die die steuerpflichtige Person einen Unterstützungsabzug geltend machen kann.

In Buchstabe h wird zudem die bereits geltende Praxis aufgenommen, dass die Krankheits- und Unfallkosten abgezogen werden können, soweit sie 5 Prozent der um die Aufwendungen nach den Artikeln 26­32 sowie um die übrigen Abzüge nach Artikel 33 verminderten steuerbaren Einkünfte übersteigen. Mit dieser Formulierung werden die Kosten nach Buchstabe h hier ausgenommen, um einen Zirkelschluss zu vermeiden.

Gemäss Kreisschreiben Nr. 11 der ESTV sind behinderungsbedingte Kosten von unterhaltenen Personen nur in dem Umfang abzugsfähig, in dem sie den Unterstützungsabzug übersteigen. Dies soll nun ebenfalls neu im Gesetz festgehalten werden. Es können nur die effektiven Kosten zum Abzug gebracht werden.

Nicht als unterhaltene Personen gelten hingegen geschiedene oder getrennt lebende Ehegattinnen bzw. Ehegatten, für welche die steuerpflichtige Person Unterhaltsbeiträge gestützt auf Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c DBG zum Abzug bringt. Die Unterstützung wird in diesem Fall bereits durch die abzugsfähigen Alimentenleistungen abgedeckt. Dies soll auch bei der Individualbesteuerung gelten.

Zudem soll in beiden Buchstaben h und hbis der im geltenden Recht enthaltene Hinweis gestrichen werden, wonach nur die Kosten in Abzug gebracht werden können, welche die steuerpflichtige Person selber trägt. Dieser Zusatz, der in anderen allgemeinen Abzügen (z. B. Art. 33 Abs. 1 Bst. g und j) nicht enthalten ist, ist unnötig, da klarerweise nur die der steuerpflichtigen Person tatsächlich angefallenen Kosten geltend gemacht werden können. Als solche gelten in den Buchstaben h und hbis diejenigen Kosten, die der steuerpflichtigen Person nach Abzug aller Leistungen öffentlicher, beruflicher oder privater Versicherungen und Institutionen (AHV, IV, SUVA, Militärversicherung, Krankenkasse, Haftpflicht- und private Unfallversicherung, Hilfswerke und Stiftungen etc.) zur Zahlung verbleiben.

Bei Personen mit minderjährigen oder volljährigen Kindern in Ausbildung ist
der Versicherungs- und Sparzinsenabzug für das Kind gemäss Kreisschreiben Nr. 30 der ESTV bereits heute grundsätzlich an den Kinderabzug gekoppelt. In Absatz 1bis Buchstabe b soll diese Zuteilung des Versicherungsabzugs für das Kind neu explizit im Gesetz festgehalten werden. Das bedeutet, dass der Versicherungsabzug weiterhin in all jenen Fällen, in welchen der Kinderabzug hälftig auf die Eltern aufgeteilt wird, ebenfalls zur Hälfte zugewiesen werden soll. Der Versicherungsabzug für die von der steuerpflichtigen Person unterhaltenen unterstützungsbedürftigen Personen wird neu in Absatz 1bis Buchstabe c geregelt.

Der in Absatz 2 geregelte Zweiverdienerabzug ist eine Massnahme im Rahmen der Gemeinschaftsbesteuerung, die bei der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft anknüpft.41

41

Vgl. dazu die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung), BBl 2018 2143.

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Mit der Einführung der Individualbesteuerung und dem Einheitstarif kann auf den Zweiverdienerabzug verzichtet werden.

In Absatz 3 wird der Abzug für die Kosten der Kinderbetreuung durch Dritte geregelt.

Neu soll der Abzug auch an die elterliche Sorge gebunden sein. Steuerpflichtige, die keine elterliche Sorge innehaben, sollen keinen Abzug für die Kinderbetreuung durch Dritte geltend machen können. Damit soll eine gewisse Vereinheitlichung mit anderen kinderrelevanten Abzügen erreicht werden, die ebenfalls von der elterlichen Sorge abhängen. Die übrigen Voraussetzungen sollen gleich bleiben.

Wie bei allen kinderrelevanten Abzügen stellt sich auch hier die Frage der Aufteilung des Abzugs auf die Eltern. Dies soll neu in drei Buchstaben geregelt werden: In Buchstabe a soll der Grundsatz festgehalten werden: Den Abzug soll grundsätzlich in vollem Umfang die Person beanspruchen können, die mit dem drittbetreuten Kind, das unter alleiniger oder gemeinsamer elterlicher Sorge steht, im gleichen Haushalt lebt. Diese Regelung soll vor allem bei Eltern (getrennt, geschieden, unverheiratet) zur Anwendung kommen, die nicht zusammenleben. In diesen Fällen ist dies in der Regel der Elternteil, der die Unterhaltszahlungen für das Kind nach Artikel 23 Buchstabe f DBG erhält. Die Regelung kann aber auch bei verheirateten oder unverheirateten zusammenlebenden Eltern zum Tragen kommen, bei welchen nur ein Elternteil die elterliche Sorge innehat.

Für den Fall, dass beide Elternteile mit dem Kind im gleichen Haushalt leben und eine gemeinsame elterliche Sorge besteht, soll der Abzug aufgeteilt werden. In Buchstabe b soll daher vorgesehen werden, dass sowohl für verheiratete wie auch für unverheiratete Personen mit gemeinsamer elterlicher Sorge die gleiche Regelung wie heute gemäss Kreisschreiben Nr. 30 der ESTV bei unverheirateten Paaren gilt: Jeder Elternteil soll bis maximal die Hälfte des Abzuges (12 750 Franken) die nachgewiesenen Kosten für die Kinderdrittbetreuung in Abzug bringen können. Dabei spielt keine Rolle, auf wen die Rechnung für die Kinderdrittbetreuung lautet oder wer die Zahlung vorgenommen hat.

In Buchstabe c soll schliesslich vorgesehen werden, dass diese Regelung grundsätzlich auch für diejenigen getrennt lebenden Eltern zum Tragen kommt, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht und bei
denen das Kind abwechslungsweise lebt (alternierende Obhut). Für den Fall, das bei alternierender Obhut nur bei einem Elternteil Kinderbetreuungskosten anfallen, soll dieser wie jener Elternteil, der die alleinige elterliche Sorge innehält, den Abzug bis zum Maximalabzug geltend machen können. Dies kann beispielweise der Fall sein, wenn nur ein Elternteil während der Betreuungszeit des Kindes erwerbstätig ist und somit die Voraussetzungen des Abzugs erfüllt. Eine hälftige Aufteilung des Abzugs ist in solchen Fällen nicht sachgerecht.

Bei keiner Konstellation soll eine andere Aufteilung auf die Eltern beantragt werden können (gemäss Kreisschreiben Nr. 30 der ESTV können heute unverheiratete Eltern eine andere Aufteilung beantragen). Dies vor allem auch aus verfahrensökonomischen Gründen.

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Art. 35 Abs. 1 Der Kinderabzug wird neu in zwei separaten Buchstaben geregelt. Unter Buchstabe a der Abzug für die minderjährigen Kinder und unter Buchstabe b der Abzug für die in Ausbildung stehenden volljährigen Kinder.

Bst. a Der Abzug pro minderjähriges Kind und Jahr soll von 6700 Franken auf 12 000 Franken erhöht werden. Neu soll zudem die Geltendmachung des Abzugs bei minderjährigen Kindern an die elterliche Sorge geknüpft werden. Damit soll diesbezüglich eine Vereinheitlichung mit den anderen kinderrelevanten Abzügen (Versicherungsabzug für das Kind, Kinderdrittbetreuungsabzug, Abzug vom Steuerbetrag) erreicht werden, indem bei allen diesen Abzügen die Geltendmachung neben anderen Voraussetzungen auch von der elterlichen Sorge abhängt.

Bei der Individualbesteuerung muss zudem neu die Aufteilung des Abzugs auf die verheirateten Eltern, die bisher gemeinsam besteuert wurden, geregelt werden. Wie bei anderen kinderrelevanten Abzügen soll auch hier die folgende, heute für unverheiratete Paare geltende Regelung zur Anwendung kommen: Der Kinderabzug soll dann hälftig aufgeteilt werden, wenn das Kind unter gemeinsamer elterlicher Sorge steht und keine Unterhaltsbeiträge nach Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c für das Kind geltend gemacht werden (vgl. zum geltenden Recht das Kreisschreiben Nr. 30 der ESTV).

Bst. b Bei volljährigen Kindern in der beruflichen oder schulischen Ausbildung soll der Elternteil, der Unterhaltsbeiträge leistet, den Abzug von 12 000 Franken geltend machen können. Sorgen beide Elternteile für den Unterhalt des Kindes, soll der Abzug auf die Eltern hälftig aufgeteilt werden. Die vom Bundesrat in der Vernehmlassung vorgeschlagene Lösung, wonach der Elternteil mit den höheren finanziellen Leistungen den Kinderabzug und der andere Elternteil den Unterstützungsabzug geltend machen kann, sofern seine Leistung mindestens in der Höhe dieses Abzugs erfolgt, stiess in der Vernehmlassung teilweise auf Kritik. Eine solche Lösung würde eine Verfahrenskoordination zwischen den Steuerdossiers der Elternteile erfordern, was den Vollzug erschweren würde.

Wann die Voraussetzung erfüllt ist, dass ein Elternteil tatsächlich für den Unterhalt des Kindes sorgt, soll in einem Kreisschreiben zur Individualbesteuerung geregelt werden. Naturalleistungen werden in die Berechnung miteinbezogen werden.
In Buchstabe c wird der Unterstützungsabzug neu geregelt.

Bei der Terminologie wird eine redaktionelle Änderung vorgenommen: «jede erwerbsunfähige oder beschränkt erwerbsfähige Person» wird durch «jede unterstützungsbedürftige Person» ersetzt. Materiell ändert sich dabei nichts. Bereits nach der bisherigen Praxis ist die Unterstützungsbedürftigkeit die Voraussetzung für den Abzug. Für eine erwerbsunfähige Person, welche über genügend Einkommen oder Vermögen verfügt, wird der Unterstützungsabzug nicht gewährt.

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Im geltenden Recht ist der Unterstützungsabzug für die Ehegattin bzw. den Ehegatten nicht vorgesehen. In der Lehre wird dies damit begründet, dass die gegenseitige Unterstützung bereits im Rahmen des Verheiratetentarifs und des Verheiratetenabzugs berücksichtigt wird.42 Weil bei der Individualbesteuerung die Einkommen beider Eheleute individuell ermittelt werden, sollen Unterstützungsleistungen folgerichtig steuerlich berücksichtigt werden. Weil ein Unterstützungsabzug auch zwischen unabhängigen Personen möglich ist, ist die Zulässigkeit eines solchen Abzugs zwischen Eheleuten ein Gebot der Zivilstandsneutralität.

Die Gewährung des Unterstützungsabzugs soll jedoch an Bedingungen geknüpft werden, wie dies heute zwischen nicht verheirateten Personen ebenfalls der Fall ist. Das blosse Fehlen einer Erwerbstätigkeit soll wie in allen Fällen nicht ausreichend sein, um eine Unterstützungsbedürftigkeit zu begründen. Es müssen zusätzliche Gründe für die Unterstützungsbedürftigkeit bestehen. Für die Inanspruchnahme des Unterstützungsabzugs sollen somit auch hier die allgemeinen Voraussetzungen gelten: Die unterstützte Person kann aus objektiven Gründen ihren Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht selber bestreiten. Dies ist erfüllt, wenn es einer Person unabhängig von ihrem Willen nicht möglich oder nur beschränkt möglich ist, selber einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Keine Unterstützungsbedürftigkeit liegt hingegen vor, wenn die unterstützte Person freiwillig bzw. ohne zwingenden Grund darauf verzichtet, ein genügendes Einkommen zu erzielen. Die Unterhaltsleistungen müssen zudem unentgeltlich sein bzw. ohne Gegenleistung erfolgen. Stehen den Unterhaltsleistungen wirtschaftlich messbare Leistungen der Leistungsempfängerin oder des Leistungsempfängers gegenüber, wie etwa die Besorgung des Haushaltes, liegen keine Unterhaltsbeiträge im Sinne von Buchstabe c vor, d. h. der Abzug ist ausgeschlossen (Kreisschreiben Nr. 30 der ESTV).

Der Unterstützungsabzug soll hingegen weiterhin ausgeschlossen sein für Kinder, für die die steuerpflichtige Person den Kinderabzug nach Buchstabe a oder b vornehmen oder Unterhaltsbeiträge nach Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c DBG zum Abzug bringen kann.

Zudem soll der Unterstützungsabzug weiterhin auch nicht für geschiedene oder getrennt lebende Ehegattinnen bzw. Ehegatten
gewährt werden, für welche die steuerpflichtige Person Unterhaltsbeiträge (gestützt auf Art. 33 Abs. 1 Bst. c DBG) zum Abzug bringen kann. Eine allfällige Unterstützungsbedürftigkeit dürfte in diesen Fällen ausreichend durch die Alimente berücksichtigt sein.

In Absatz 1 Buchstabe c des geltenden Rechts wird der Verheiratetenabzug geregelt.

Dieser ist eine tarifliche Massnahme im Rahmen der Gemeinschaftsbesteuerung, mit der die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber unverheirateten Paaren gemildert werden soll. Mit der Einführung der Individualbesteuerung wird dieser Abzug obsolet.

42

Baumgartner, Ivo P. / Eichenberger, Olivier (2022): Art. 35 DBG N. 31. In: Zweifel, Martin/Beusch, Michael (Hrsg.): Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), 4. Auflage. Vgl. dazu Locher, Peter (2019): Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 1. Teil, 2. Auflage, N. 51 zu Art. 35 Abs. 1 Bst. b DBG.

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Art. 36 Neu soll an Stelle des Mehrfachtarifs des geltenden Rechts ein Einheitstarif treten, der für alle steuerpflichtigen Personen unabhängig vom Zivilstand zur Anwendung kommt. Dabei soll der Tarif in Absatz 1 neu ausgestaltet werden (vgl. dazu die Ziff. 6.2.3).

Der Verheiratetentarif in Absatz 2 soll mit der Einführung der Individualbesteuerung aufgehoben werden.

Mit dem Reformvorschlag des Bundesrates wird der geltende Elterntarif von Absatz 2bis zusammengesetzt aus dem Verheiratetentarif und dem Abzug vom Steuerbetrag für Kinder obsolet. Der heute im Elterntarif enthaltene Abzug vom Steuerbetrag in der Höhe von 259 Franken pro Kind und Jahr soll allerdings beibehalten werden.

Dieser wird neu in Absatz 2 geregelt. Durch die Entkoppelung dieses Abzugs vom Tarif entsteht die Möglichkeit, diesen Abzug auf die Eltern aufzuteilen. Im geltenden Recht wird der Elterntarif ­ und damit auch der Abzug vom Steuerbetrag ­ nur einem Elternteil zugewiesen.

Der Abzug vom Steuerbetrag soll weiterhin für Kinder und unterstützungsbedürftige Personen gewährt werden. Neu wird die Bestimmung in zwei Buchstaben aufgeteilt.

Gemäss Buchstabe a soll der Abzug einerseits Personen gewährt werden, die mit minderjährigen oder in der Ausbildung stehenden volljährigen Kindern im gleichen Haushalt zusammenleben und die für diese einen Kinderabzug nach Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe a oder b geltend machen können. Die Zuteilung des Abzugs auf die Eltern soll sich nach dem Kinderabzug richten (vgl. Art. 35 Abs. 1 Bst. a und b E-DBG). Das bedeutet, dass neu der Abzug vom Steuerbetrag hälftig auf die Eltern aufgeteilt wird, wenn der Kinderabzug zur Hälfte zugewiesen wird.

Anderseits soll der Abzug vom Steuerbetrag gemäss Buchstabe b auch jenen Personen zustehen, die mit unterstützungsbedürftigen Personen zusammenleben und einen Unterstützungsabzug nach Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe c geltend machen können.

Art. 37b Abs. 1 dritter Satz In Absatz 1 der Bestimmung zu den Liquidationsgewinnen soll eine Anpassung an den Einheitstarif vorgenommen werden, indem nur noch auf den «Tarif» und nicht mehr auf die «Tarife» von Artikel 36 Bezug genommen wird.

Art. 38 Abs. 2 In Absatz 2 der Bestimmung zu den Kapitalleistungen aus Vorsorge soll ebenfalls eine Anpassung an den Einheitstarif vorgenommen werden, indem nur noch auf den
«Tarif» und nicht mehr auf die «Tarife» von Artikel 36 Bezug genommen wird.

Art. 39 Abs. 1 Die Folgen der kalten Progression müssen gemäss geltendem Recht durch gleichmässige Anpassung der Tarifstufen und der in Frankenbeträgen festgesetzten Abzüge vom Einkommen voll ausgeglichen werden. Da bei der Individualbesteuerung der Abzug vom Steuerbetrag vom Tarif losgekoppelt ist, muss in Absatz 1 bei den Anpassungs72 / 108

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objekten der Abzug vom Steuerbetrag erwähnt werden. Andernfalls wäre nicht klar, ob dieser Abzug bei einer Teuerung ausgeglichen werden könnte. In der Regel bewegt sich der ausgeglichene Betrag beim Abzug vom Steuerbetrag im Gegensatz zu den Abzügen von der Bemessungsgrundlage im einstelligen Frankenbereich. Aus diesem Grund soll der Abzug vom Steuerbetrag von der Auf- oder Abrundung im 100-Franken-Bereich ausgenommen werden. Stattdessen soll die Rundung neu auf 10 Franken statt wie bisher auf 1 Franken erfolgen.

Art. 42 Die Bestimmung behandelt die Veranlagung bei Begründung und Auflösung einer Ehe im Rahmen der Gemeinschaftsbesteuerung. Die Bestimmung wird bei einer Individualbesteuerung gegenstandslos und soll daher aufgehoben werden.

Art. 85 Abs. 1­3 In Absatz 1 soll einzig eine Anpassung an den für die natürlichen Personen geltenden Einheitstarif vorgenommen werden, indem «Steuertarife» durch «Steuertarif» ersetzt wird.

In Absatz 2 wird vorgegeben, welche Abzüge in den Quellensteuertarifen zu berücksichtigen sind. Die Bestimmung wird sprachlich etwas angepasst und es wird explizit auf die bei den Familienlasten zu berücksichtigenden Abzüge verwiesen (Kinderabzug für minderjährige Kinder sowie für volljährige Kinder in Ausbildung). Gegenüber dem geltenden Recht ändert sich einzig, dass der Verheiratetenabzug auch bei der Quellensteuer nicht mehr vorgesehen ist (vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 35 Abs. 1 Bst. c E-DBG).

Hinsichtlich der Kinderabzüge dürften gewisse schematische Regeln erforderlich sein. Grund ist, dass es den Arbeitgebern bei der Erhebung der Quellensteuer nur beschränkt zugemutet werden kann, den Sachverhalt abzuklären. Namentlich dürfte es dem Arbeitgeber nicht möglich sein zu prüfen, ob Unterhaltszahlungen zwischen den Eltern fliessen. Detailliertere Regelungen und Präzisierungen sollen wie heute auf Stufe Verordnung bzw. Kreisschreiben erfolgen.

Absatz 3: Mit Einführung der Individualbesteuerung kann das geltende Recht für Verheiratete aufgehoben werden.

Art. 89 Abs. 3 Personen, die der Quellensteuer unterliegen, werden nachträglich im ordentlichen Verfahren veranlagt (NOV), wenn ihr Bruttoeinkommen in einem Steuerjahr einen bestimmten Betrag erreicht bzw. übersteigt oder sie über Einkünfte verfügen, die nicht der Quellensteuer unterliegen (Art. 89 Abs. 1 Bst. a und
b DBG). Gemäss geltendem Recht unterliegen auch Personen der NOV, die mit einer Person in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, bei welcher eine NOV durchgeführt wird. Mit der Einführung der Individualbesteuerung wird Artikel 89 Absatz 3 konsequenterweise aufgehoben.

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Art. 89a Abs. 2 und 3 Mit Einführung der Individualbesteuerung soll sich der Antrag auf eine nachträgliche ordentliche Veranlagung nicht mehr auf die Ehegattin bzw. den Ehegatten erstrecken.

Absatz 2 soll daher gestrichen werden.

Diese Streichung hat zur Folge, dass in Absatz 3 der Anfang der Bestimmung anders formuliert werden («Er» durch «Der Antrag» ersetzen) sollte, weil sonst der Bezug unklar ist.

Art. 99a Abs. 1 Bst. a Nichtansässige (insbesondere Grenzgängerinnen und Grenzgänger) können heute jährlich eine NOV verlangen, sofern unter anderem folgende Voraussetzung erfüllt ist: Der überwiegende Teil der weltweiten Einkünfte der steuerpflichtigen Person, einschliesslich der Einkünfte der Ehefrau oder des Ehemanns, ist in der Schweiz steuerbar.

Bei der Individualbesteuerung sollen die Einkünfte der Ehegattin bzw. des Ehegattens nicht mehr berücksichtigt werden. Jede Person soll die Voraussetzungen von Artikel 99a Absatz 1 DBG selber und nur für die eigenen Einkünfte erfüllen.

Art. 113 Mit Einführung der Individualbesteuerung können der Artikel über die verfahrensrechtliche Stellung der Ehepaare sowie die vorangehende Titelüberschrift «2. Kapitel: Verfahrensrechtliche Stellung der Ehegatten» gestrichen werden. Dies bedeutet, dass Ehepaare die Verfahrensrechte und -pflichten wie die übrigen steuerpflichtigen Personen individuell wahrzunehmen haben. Jede Person soll ihre eigene Steuererklärung unterschreiben. Jede Person soll selber entscheiden, ob sie für sich ein Rechtsmittel einreichen will. Dieses soll denn auch nur für sie Geltung haben. Die Mitteilungen der Steuerbehörden sollen sich an jede Person einzeln richten.

Art. 114 Abs. 1 Ehepaare sollen bei Einführung der Individualbesteuerung wie unverheiratete Partnerinnen oder Partner lediglich bezüglich der von ihnen selbst eingereichten oder von ihnen unterzeichneten Akten ein Einsichtsrecht erhalten. Das gegenseitige Akteneinsichtsrecht der Eheleute kann daher gestrichen werden.

Art. 117 Abs. 3 und 4 Mit Einführung der Individualbesteuerung können die Bestimmungen betreffend Zustellung von Verfügungen, Mitteilungen, Akten etc. an Ehepaare gestrichen werden.

Sämtliche Mitteilungen der Steuerbehörden an die Ehepaare sollen getrennt erfolgen, wie dies bereits heute bei getrennten oder geschiedenen steuerpflichtigen Personen sowie bei unverheirateten Paaren der Fall ist.

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Art. 180 Da die Ehegattinnen und Ehegatten bei der Individualbesteuerung grundsätzlich wie die übrigen Steuerpflichtigen behandelt werden, ist Artikel 180 nicht mehr notwendig und kann daher aufgehoben werden.

Art. 205g Abs. 1 und 2 In Absatz 1 soll als Übergangsbestimmung festgehalten werden, dass für Steuerperioden vor dem Inkrafttreten der Individualbesteuerung weiterhin das alte Recht der gemeinsamen Besteuerung zur Anwendung kommt. Dies bedeutet beispielsweise, dass für diese Steuerperioden weiterhin ein gegenseitiges Akteneinsichtsrecht der Ehepaare sowie die Solidarhaftung für Ehepaare zur Anwendung kommen.

Die parlamentarische Beratung der Vorlage zur Individualbesteuerung und die Frist zwischen der Schlussabstimmung und dem Inkrafttreten der Vorlage dürfte mehrere Jahre umfassen. Während dieser Periode läuft der Ausgleich der Folgen der kalten Progression im geltenden Recht weiter. Demgegenüber basieren die neuen Tarife und die Höhe der Abzüge der Individualbesteuerung auf der Botschaft des Bundesrates und allfälligen Anpassungen durch das Parlament. Zwischen der Schlussabstimmung und dem Inkrafttreten würde beim beschlossenen Gesetzestext ohne zusätzliche Regelung kein Ausgleich der Folgen der kalten Progression erfolgen. Dies kann dazu führen, dass die während der parlamentarischen Beratung austarierten Belastungsrelationen der Vorlage gegenüber dem Status quo bis zum Inkrafttreten bei hinreichend hoher Inflation überholt sind. Um eine solche versteckte Steuererhöhung zu vermeiden, soll in Absatz 2 eine Übergangsbestimmung zum Ausgleich der Folgen der kalten Progression auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens vorgesehen werden. Die Folgen der kalten Progression sollen gemäss Artikel 39 ausgeglichen werden. Massgebend sind dabei der letzte Indexstand am 30. Juni vor der Schlussabstimmung zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung und der Indexstand am 30. Juni des Jahres vor Inkrafttreten. Die dazwischen liegende Periode soll ausgeglichen werden.

Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990 Art. 3 Abs. 3­4 Vergleiche die Erläuterungen zu den Artikeln 8a, 9 und 9a E-DBG.

Art. 6 Abs. 2 Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 14 E-DBG.

Art. 7 Abs. 4 Bst. g Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 23 Buchstabe f E-DBG.

Art. 9 Absatz 2 Bst. c, g, h, hbis und k Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 33 Absatz 1 Buchstaben c, g, h und hbis sowie Artikel 33 Absatz 2 E-DBG.

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Art. 11 Abs. 1 Absatz 1 schreibt den Kantonen vor, dass sie für Ehepaare, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, die Steuer im Vergleich zu alleinstehenden Steuerpflichtigen angemessen ermässigen müssen.

Da bei der Individualbesteuerung jede Person für sich besteuert wird, ist eine solche Bestimmung unnötig und soll daher gestrichen werden. Die Kantone sollen selber entscheiden, wie sie die verschiedenen Kategorien von Steuerpflichtigen im Rahmen des verfassungsrechtlichen Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit behandeln wollen.

Art. 18 Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 42 E-DBG.

Art. 33 Abs. 1­3 In Absatz 1 soll einzig eine Anpassung an den für die natürlichen Personen geltenden Einheitstarif vorgenommen werden. «Steuertarife» soll durch «Steuertarif» ersetzt werden.

Zu den Absätzen 2 und 3 vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 85 Absätze 2 und 3 E-DBG.

Art. 33a Abs. 3 Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 89 Absatz 3 E-DBG.

Art. 33b Abs. 2 und 3 Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 89a Absätze 2 und 3 E-DBG.

Art. 35a Abs. 1 Bst. a Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 99a Absatz 1 Buchstabe a E-DBG.

Art. 36a Abs. 2 Die steuersatzbestimmende Korrektur bei Erwerbstätigkeit beider Eheleute bei der Quellensteuer ist bei einer Individualbesteuerung nicht mehr notwendig und soll daher aufgehoben werden.

Art. 40 Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 113 E-DBG.

Art. 57 Abs. 4 Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 180 E-DBG.

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Art. 78h Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 205g Absatz 1 E-DBG.

6.7

Auswirkungen

6.7.1

Datengrundlage

6.7.1.1

Statistik der direkten Bundessteuer

Sämtliche quantitativen Schätzungen zu den Auswirkungen stützen sich auf die Daten der Statistik der direkten Bundessteuer (Bundessteuerstatistik) des Jahres 2020. Ausgehend davon erfolgt eine Hochrechnung der geschätzten finanziellen Auswirkungen auf das Jahr 2024, gestützt auf die erwarteten Einnahmen der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen im Jahr 2024.

Der verwendete Datensatz enthält sämtliche Personen, die bei der direkten Bundessteuer steuerpflichtig sind. Er enthält jedoch nur punktuelle Informationen. Enthalten sind namentlich der Zivilstand, das steuerbare Einkommen, der Steuerbetrag, die Anzahl Kinderabzüge sowie der Versicherungsabzug und der Zweiverdienerabzug. Über die anderen Komponenten der Steuererklärung sind keine Informationen enthalten.

Der Datensatz ist damit unzureichend, um die Auswirkungen der Individualbesteuerung quantitativ verlässlich zu schätzen. Dafür wären namentlich Informationen über die Aufteilung der Einkommen auf die beiden Eheleute notwendig. Je gleichmässiger die Einkommensaufteilung bei Ehepaaren ist, desto höher sind die Mindereinnahmen bzw. desto stärker muss der Tarif angepasst werden, wenn die Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer (auf rund 1 Milliarde Franken) beschränkt werden sollen.

Für die quantitativen Schätzungen müssen deshalb die Einkommen von Ehepaaren auf die Eheleute aufgeteilt werden. Diese Aufteilung wird mit Hilfe der einmalig erhobenen WiSiER-Daten geschätzt, welche detailliertere Informationen zu den kantonalen Einkommenssteuern für das Jahr 2015 enthalten. Auch die WiSiER-Daten erlauben keine eindeutige Zuordnung aller Einkommensteile (vgl. Ziff. 2.1), weshalb die geschätzte Einkommensaufteilung bei Ehepaaren und damit sämtliche quantitativen Schätzungen mit erheblicher Unsicherheit behaftet sind. Die WiSiER-Daten werden vom Bundesamt für Sozialversicherungen nicht aktualisiert. Die WiSiER-Daten sind nicht die Hauptdatenquelle für die Schätzungen, sondern sie werden zur Ergänzung der Informationen über die Einkommensaufteilung bei Ehepaaren in der Bundessteuerstatistik verwendet. Dennoch wird sich im weiteren Verlauf des Projekts die Frage stellen, wie lange die Verwendung von Daten des Jahres 2015 noch zu vertreten ist.

Die Bundessteuerstatistik enthält weitere Lücken, die dazu führen, dass nicht jedes Reformelement
in den Schätzungen abgebildet werden kann. So lassen sich in den Statistiken die Abzüge nach Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe a DBG (für ein minderjähriges oder in der beruflichen oder schulischen Ausbildung stehendes Kind) nicht von denjenigen nach Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe b DBG (für eine erwerbsunfähige oder beschränkt erwerbsfähige Person) unterscheiden. Die Reformvorlage sieht vor, ersteren Abzug von 6 700 auf 12 000 Franken zu erhöhen und letzteren bei 6 700 zu 77 / 108

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belassen. In Ermangelung der notwendigen Information in den Daten werden für die quantitative Schätzung alle diese Abzüge auf 12 000 Franken erhöht. Dieses Element der Schätzunsicherheit führt zu einer leichten Überschätzung der Mindereinnahmen aus der Reform.

Gewisse Angaben im Datensatz sind unpräzise. So kennt die Variable mit der Anzahl Kinderabzüge bei einem Teil der Kantone ausschliesslich ganze Zahlen. Wenn Kinderabzüge aufgeteilt werden (bspw. bei unverheirateten Paaren mit Kindern), dann können halbe Kinderabzüge resultieren, die aber im Datensatz nicht abgebildet sind.

Daher ist insbesondere auch die Schätzung zu den Auswirkungen der Erhöhung des Kinderabzugs mit Unsicherheit behaftet. Ab 2024 sollen die Datenlieferungen für die Zwecke des Nationalen Finanzausgleichs, die auch für die Bundessteuerstatistik verwendet werden, bei sämtlichen Kantonen auch halbe Kinderabzüge abbilden.

Diese Anpassung bei den Datenlieferungen könnte bei Aktualisierungen im weiteren Verlauf des Projekts zu gewissen Verschiebungen der geschätzten Auswirkungen auf die Belastungsrelationen führen.

Weiter enthält die Bundessteuerstatistik keine Angaben zur Zusammensetzung der Haushalte. Aufgrund dieser Lücken im Datensatz kann die Darstellung der finanziellen Auswirkungen für die verschiedenen Typen von Steuerpflichtigen (vgl.

Ziff. 6.7.4.3) bspw. nicht zwischen unverheirateten Paaren und anderen unverheirateten Personen (z. B. Alleinstehende oder volljährige Kinder, die noch bei den Eltern wohnen) unterscheiden.

6.7.1.2

Normalfälle vs. Sonderfälle

Bei rund 90 Prozent der Steuerpflichtigen entspricht das steuerbare dem satzbestimmenden Einkommen (sog. Normalfälle). Bei rund 10 Prozent der Steuerpflichtigen weicht das satzbestimmende Einkommen vom steuerbaren Einkommen ab (sog. Sonderfälle). Diese Konstellation tritt bei unterjähriger Steuerpflicht (bei Zu-/Wegzug oder Tod) oder bei einem internationalen Steuerverhältnis (z. B. Ferienhaus im Ausland) auf. Bei einem Teil der Kantone ist in der Bundessteuerstatistik nur das steuerbare Einkommen, nicht aber das satzbestimmende sichtbar.

Die Schätzung der Auswirkungen der Reform erfolgt ausschliesslich mit den Normalfällen. Ausgehend davon erfolgt eine pauschale Hochrechnung auf die Grundgesamtheit (Normalfälle + Sonderfälle). Das Vorgehen ist in einem Bericht detailliert beschrieben, der auf der Webseite der Eidgenössischen Steuerverwaltung verfügbar ist.43

43

«Quantitative Schätzungen zu Reformen der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen» (03.02.2023), abrufbar unter: www.estv.admin.ch > Die ESTV > Steuerpolitik > Steuerpolitische Gutachten, Berichte, Arbeitspapiere > Steuerpolitische Notizen und Arbeitspapiere.

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6.7.2

Finanzielle Auswirkungen

6.7.2.1

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund

Der Bundesrat ist bereit, beim Wechsel zur Individualbesteuerung steuerliche Entlastungen bzw. Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer von insgesamt 1 Milliarde Franken in Kauf zu nehmen. Zurzeit würde der entsprechende finanzpolitische Handlungsspielraum fehlen. Die Mindereinnahmen werden aufgrund des voraussichtlich langen Umsetzungshorizonts des Systemwechsels aber erst in einigen Jahren anfallen.

Um die vorgesehenen finanziellen Auswirkungen zu erreichen, ist eine Anpassung des Tarifs notwendig (vgl. Ziff. 6.2.3). Die geschätzten Auswirkungen beziehen sich jeweils auf eine Hochrechnung auf das Steuerjahr 2024. Sie bilden also die finanziellen Auswirkungen einer theoretischen Einführung der Individualbesteuerung im Jahr 2024 ab. Die finanziellen Auswirkungen dürften sich relativ zu den gesamten Einnahmen der direkten Bundessteuer nicht gross verändern. Weil in den kommenden Jahren mit steigenden Einnahmen bei der direkten Bundessteuer zu rechnen ist, dürften aber auch die geschätzten finanziellen Auswirkungen der Reform entsprechend ansteigen.

Die geschätzten Mindereinnahmen in Höhe von 1 Milliarde Franken entsprechen rund 1,2 Prozent der ordentlichen Einnahmen des Bundes, rund 3,5 Prozent der Einnahmen der direkten Bundessteuer (natürliche und juristische Personen) und rund 7,3 Prozent der Einnahmen der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen (gemäss Voranschlag 2024).

Die Einnahmen der direkten Bundessteuer fliessen zu 78,8 Prozent zum Bund und zu 21,2 Prozent zu den Kantonen (Art. 196 DBG). Deshalb fallen von den geschätzten Mindereinnahmen rund 800 Millionen Franken beim Bund an.

Die Mindereinnahmen reduzieren sich, wenn der Wechsel zur Individualbesteuerung zu Verhaltensanpassungen in Form von zusätzlicher Beschäftigung führt, die wiederum zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen (vgl. Ziff. 6.7.6). Wie stark sich die Mindereinnahmen für den Bund durch Verhaltensanpassungen reduzieren, hängt auch von der konkreten Umsetzung der Individualbesteuerung in den Kantonen ab, namentlich von deren Tarifgestaltung (vgl. Ziff. 6.7.5).

6.7.2.2

Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone

Die geschätzten Mindereinnahmen von 1 Milliarde Franken bei der direkten Bundessteuer fallen im Ausmass des Kantonsanteils von 21,2 Prozent auf die Kantone. Die Mindereinnahmen bei den Kantonen betragen aufgrund der Reform bei der direkten Bundessteuer damit geschätzte rund 200 Millionen Franken (ebenfalls geschätzt mit Daten des Steuerjahres 2020, hochgerechnet auf 2024).

Die finanziellen Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden aufgrund der Umsetzung der Individualbesteuerung im kantonalen Recht hängen von der Ausgestaltung der Reformen ab und dabei insbesondere von der Gestaltung des Tarifs. Aufgrund der Tarifautonomie der Kantone kann der Bund den Kantonen keine Vorgaben zur Tarif79 / 108

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gestaltung machen (Art. 129 Abs. 2 BV). Der Bundesrat kann daher keine Aussagen dazu machen, welche finanziellen Auswirkungen sich bei den Kantonen und Gemeinden ergeben werden.

Der Wechsel zur Individualbesteuerung verändert die Belastungsrelationen zwischen den steuerpflichtigen Personen. Diese Verschiebungen sind tendenziell umso grösser, je progressiver der Tarif in einem Kanton ist. Eine vollständig proportionale Besteuerung gibt es in keinem Kanton, alle Kantone kennen eine mindestens indirekt progressive Besteuerung bezogen auf das Einkommen.

Die Individualbesteuerung führt deshalb in allen Kantonen zu gewissen Verschiebungen der Belastungsrelationen. Eine aufkommensneutrale Umsetzung führt damit sowohl zu Entlastungen als auch zu Mehrbelastungen bei gewissen steuerpflichtigen Personen. Will man mit der Reform der Individualbesteuerung Mehrbelastungen für alle Steuerpflichtigen ausschliessen, führt die Reform auch bei den kantonalen Steuern unausweichlich zu Mindereinnahmen. Je progressiver das Einkommenssteuersystem in einem Kanton, desto stärker sind tendenziell diese Effekte. Gleichzeitig fällt es in einem stärker progressiven Steuersystem leichter, allfällige Mindereinnahmen einer Reform durch die Auswirkungen der realen Progression zu finanzieren. Der Grund dafür ist, dass die Erhöhung der realen Einkommen über die Zeit zu umso höheren Mehreinnahmen führt, je progressiver das Steuersystem ist.

Die Ausgangslage verändert sich, wenn der Übergang zur Individualbesteuerung Verhaltensanpassungen in Form zusätzlicher Beschäftigung auslöst, die wiederum zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen. Unter Berücksichtigung dieser Beschäftigungseffekte werden die Mindereinnahmen einer Reform für die Kantone ohne Mehrbelastungen von Steuerpflichtigen kleiner bzw. die Mehrbelastungen von Steuerpflichtigen einer aufkommensneutralen Reform werden kleiner.

6.7.3

Personelle Auswirkungen und Auswirkungen auf die IKT

6.7.3.1

Bund

Da die direkte Bundessteuer von den Kantonen veranlagt und bezogen wird, haben die vorgeschlagenen Massnahmen im Bereich der direkten Bundessteuer für den Bund keine wesentlichen personellen Auswirkungen und keine Auswirkungen auf die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT).

6.7.3.2

Kantone

Die Einführung einer Individualbesteuerung hat für die kantonalen Steuerverwaltungen Mehraufwendungen zur Folge, insbesondere da die beiden Eheleute zwei getrennte Steuererklärungen einreichen sollen (vgl. Ziff. 6.2.10). Allerdings relativiert die zunehmend elektronische Verarbeitung von Steuerverfahren diesen Mehraufwand.

80 / 108

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Schätzungen der Kantone zu den personellen Auswirkungen und den Auswirkungen auf die IKT liegen nicht vor.

6.7.4

Auswirkungen auf die Belastungsrelationen bei der direkten Bundessteuer

6.7.4.1

Allgemeines

Im Folgenden wird die geschätzte Veränderung der Steuerbelastung durch die Vorlage grafisch und tabellarisch dargestellt. Die Auswirkungen auf die Steuerbelastungen werden auf zwei Arten dargestellt. Die Analyse in der Ziffer 6.7.4.2 stellt die Veränderung der Steuerbelastung durch die Reform in ausgewählten Konstellationen dar. Diese Analyse ist losgelöst von den Daten der Bundessteuerstatistik; sie stützt sich ausschliesslich auf das geltende und das zukünftige Recht nach der Reform und sie sagt daher nichts darüber aus, wie viele Personen sich in den jeweiligen Konstellationen befinden.

Die Ziffern 6.7.4.3 und 6.7.4.4 zeigen die geschätzten Auswirkungen gruppiert nach verschiedenen Personenkategorien und nach Einkommensklassen. Diese Analysen zeigen die durchschnittliche Mehr- oder Minderbelastung in den jeweiligen Gruppen.

Aus ihnen lässt sich aber nicht präzise ableiten, wie sich die Steuerbelastung im Einzelfall ändert.

Die Darstellung des Status quo bezieht sich auf das geltende Recht per 1. Januar 2024.

Das für die Darstellung der Auswirkungen auf die Steuerbelastung verwendete Einkommenskonzept entspricht dem steuerbaren Einkommen zuzüglich Versicherungsabzug, Versicherungsabzug für das Kind und Kinderabzug sowie im Status quo bei Ehepaaren zuzüglich Verheiratetenabzug und Zweiverdienerabzug. Bei der so definierten Einkommensgrösse handelt es sich um das reine Einkommen gemäss Definition in der Bundessteuerstatistik. Dieses weicht geringfügig ab vom Konzept des Reineinkommens gemäss dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer.

Auf der Webseite der Eidgenössischen Steuerverwaltung sind weitere Details zu den dargestellten Schätzungen sowie Ergebnisse zu Schätzungen mit anderen finanziellen Auswirkungen auf den Bund (aufkommensneutrale Reform sowie Reform mit Mindereinnahmen von 0,5 Milliarden, 0,75 Milliarden und 1,5 Milliarden Franken) aufgeschaltet.44 Die Ausgestaltungen der Reform mit alternativen finanziellen Auswirkungen haben ähnliche Belastungsrelationen zwischen den verschiedenen Typen von Steuerpflichtigen (Unverheiratete, Ein-/Zweiverdienerehepaare, Rentnerinnen und Rentner). Je höher die Mindereinnahmen sind, desto niedriger ist im Durchschnitt die Steuerbelastung im Reformszenario und desto höher ist der Anteil steuerpflichtiger Personen, die durch die Reform eine
Entlastung erfahren.

Die Erzielung der verschiedenen finanziellen Auswirkungen erfolgt durch eine Streckung (Senkung; zur Erhöhung der Mindereinnahmen) bzw. durch eine Stauchung 44

Vgl. www.estv.admin.ch > Die ESTV > Steuerpolitik > Steuerpolitische Themen > Ehepaar- und Familienbesteuerung > Individualbesteuerung.

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(Erhöhung; zur Reduktion der Mindereinnahmen) des Tarifs. Eine Streckung des Tarifs entspricht weitgehend dem Vorgehen zum Ausgleich der Folgen der kalten Progression. Eine Stauchung entspricht dem gegenteiligen Vorgehen (vgl. Ziff. 6.2.3).

Eine Stauchung würde die Progressionswirkung des Tarifs tendenziell verstärken, womit die reduzierten Mindereinnahmen gegenüber der vorgeschlagenen Ausgestaltung mit einer Milliarde Franken Mindereinnahmen einkommensstarke Personen stärker mehrbelasten als einkommensschwache. Umgekehrt würde eine Streckung zur Erreichung von höheren Mindereinnahmen einkommensstarke Personen stärker entlasten als einkommensschwache.

6.7.4.2

Auswirkungen auf die Belastungsrelationen in ausgewählten Konstellationen

Die Abbildung 2 und die Abbildung 3 zeigen die Steuerbelastungen eines Ehepaars ohne Kinder bzw. mit zwei Kindern im Status quo und die Steuerbelastungen beider Eheleute im Reformszenario. Die jeweils oberen Grafiken zeigen die Situation bei einer Aufteilung der Einkommen zwischen den Eheleuten von 60/40, die jeweils unteren mit einer Aufteilung von 90/10.

Die Abbildungen zeigen, dass die Veränderung der Steuerbelastung von der Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten abhängt. Ist die Einkommensaufteilung gleichmässig (60/40), ist die Summe der Steuerbelastungen im Reformszenario in vielen Fällen deutlich niedriger als im Status quo. Neben der gleichmässigen Einkommensaufteilung trägt auch die Tarifsenkung zur steuerlichen Entlastung bei. Bei einer ungleichen Einkommensaufteilung (90/10) resultieren in den meisten dargestellten Konstellationen Mehrbelastungen. Die Tarifanpassung mindert die Mehrbelastung insbesondere bei den tiefen und mittleren Einkommen. Insgesamt vermag die Tarifanpassung die durch den Systemwechsel verursachte Mehrbelastung in dieser Konstellation aber nicht zu kompensieren. Mehrbelastungen bei Ehepaaren mit einer 90/10-Einkommensaufteilung ohne Kinder entstehen ab einem Gesamteinkommen des Ehepaars von rund 30 000 Franken.

Beim Ehepaar mit Kindern kommt es aus dem gleichen Grund bei einer Einkommensaufteilung von 60/40 ebenfalls zu Entlastungen und bei einer solchen von 90/10 zu Mehrbelastungen. Zusätzlich spielt der Kinderabzug für die resultierenden Belastungsrelationen eine bedeutende Rolle. Die hälftige Aufteilung des Kinderabzugs ist mit ein Grund für die resultierenden Mehrbelastungen in der 90/10-Konstellation, weil der dem tiefen Einkommen zugeteilte Teil kaum eine Entlastungswirkung erzielt. Ohne die Erhöhung des Kinderabzugs von 6 700 auf 12 000 Franken würde diese Mehrbelastung höher ausfallen. In Konstellationen mit gleichmässiger Einkommensaufteilung überwiegt in der Regel die entlastende Wirkung des höheren Kinderabzugs gegenüber der reduzierten Entlastungswirkung aufgrund der hälftigen Aufteilung zwischen den Eheleuten. Bei einer ungleichmässigen Einkommensaufteilung vermag die Erhöhung des Kinderabzugs die reduzierte Entlastungswirkung der hälftigen Aufteilung in der Regel nicht zu kompensieren. Mehrbelastungen bei Ehepaaren mit einer 90/10-Einkommensaufteilung mit zwei Kindern entstehen ab einem Gesamteinkommen des Ehepaars von rund 70 000 Franken.

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Abbildung 2

Steuerbelastung eines Ehepaars ohne Kinder im Status quo und Steuerbelastung der beiden Eheleute im Reformszenario bei der direkten Bundessteuer in Abhängigkeit des Gesamteinkommens des Ehepaars. Die obere Grafik stellt eine Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten von 60/40 dar, die untere eine Aufteilung von 90/10. Das Gesamteinkommen bezieht sich auf das reine Einkommen gemäss Definition in der Bundessteuerstatistik.

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Abbildung 3

Steuerbelastung eines Ehepaars mit zwei Kindern im Status quo und Steuerbelastung der beiden Eheleute im Reformszenario bei der direkten Bundessteuer in Abhängigkeit des Gesamteinkommens des Ehepaars. Die obere Grafik stellt eine Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten von 60/40 dar, die untere eine Aufteilung von 90/10. Das Gesamteinkommen bezieht sich auf das reine Einkommen gemäss Definition in der Bundessteuerstatistik.

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Die Tabelle 1 und die Tabelle 2 zeigen zu ausgewählten Konstellationen von Ehepaaren die Steuerbelastung im Status quo und im Reformszenario anhand der Zahlen, die sich aus Abbildung 2 und Abbildung 3 ergeben: Tabelle 1 Gesamteinkommen

40 000

70 000

100 000

150 000

250 000

40 000

70 000

100 000

150 000

250 000

­ Ersteinkommen

24 000

42 000

60 000

90 000

150 000

36 000

63 000

90 000

135 000

225 000

­ Zweiteinkommen

16 000

28 000

40 000

60 000

100 000

4 000

7 000

10 000

15 000

25 000

60/40

60/40

60/40

60/40

60/40

90/10

90/10

90/10

90/10

90/10

Anzahl Kinder

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Steuerbelastung Status quo

0

204

982

3 684

15 931

0

312

1 198

4 116

16 113

Steuerbelastung Reform

0

195

581

2 139

9 478

99

508

1 692

5 562

16 167

Belastung Ersteinkommen

0

151

448

1 692

6 986

99

508

1 692

5 562

16 167

Belastung Zweiteinkommen

0

43

133

448

2 492

0

0

0

0

0

Einkommensaufteilung

Steuerbelastung eines Ehepaars ohne Kinder im Status quo und Steuerbelastung der beiden Eheleute im Reformszenario bei der direkten Bundessteuer in Abhängigkeit vom Gesamteinkommen des Ehepaars und von der Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten. Das Einkommen bezieht sich auf das reine Einkommen gemäss Definition in der Bundessteuerstatistik.

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Tabelle 2 Gesamteinkommen

40 000

70 000

100 000

150 000

250 000

40 000

70 000

100 000

150 000

250 000

­ Ersteinkommen

24 000

42 000

60 000

90 000

150 000

36 000

63 000

90 000

135 000

225 000

­ Zweiteinkommen

16 000

28 000

40 000

60 000

100 000

4 000

7 000

10 000

15 000

25 000

60/40

60/40

60/40

60/40

60/40

90/10

90/10

90/10

90/10

90/10

Anzahl Kinder

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

Steuerbelastung Status quo

0

0

0

2 162

13 489

0

0

166

2 499

13 671

Steuerbelastung Reform

0

0

0

719

6 752

0

0

719

4 096

14 219

Belastung Ersteinkommen

0

0

0

719

5 521

0

0

719

4 096

14 219

Belastung Zweiteinkommen

0

0

0

0

1 230

0

0

0

0

0

Einkommensaufteilung

Steuerbelastung eines Ehepaars mit zwei Kindern im Status quo und Steuerbelastung der beiden Eheleute im Reformszenario bei der direkten Bundessteuer in Abhängigkeit vom Gesamteinkommen des Ehepaars und von der Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten. Das Einkommen bezieht sich auf das reine Einkommen gemäss Definition in der Bundessteuerstatistik.

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Die Abbildung 4 zeigt die Veränderung der Steuerbelastung für eine alleinstehende Person ohne Kinder (obere Grafik) und mit zwei Kindern (untere Grafik). Für alleinstehende Personen ohne Kinder ändert sich die Steuerbelastung durch die Reform ausschliesslich als Folge der Tarifanpassung. Die Grafik zeigt die daraus resultierenden Entlastungen bei tiefen und mittleren Einkommen. Die Erhöhung des Grundfreibetrags führt dazu, dass die Steuerbelastung im Reformszenario erst bei einem Einkommen von rund 25 400 Franken einsetzt statt wie im Status quo bei einem solchen von 20 100 Franken. Bei höheren Einkommen führt die Tarifanpassung zu geringen Mehrbelastungen. Relativ zum Einkommen betrachtet fallen Entlastungen bei den tiefen und mittleren Einkommen deutlich stärker ins Gewicht. Die teilweise auftretenden Mehrbelastungen bei den höheren Einkommen sind relativ zum Einkommen sehr gering (vgl. die Darstellung des Tarifs mit der Veränderung der Steuersätze in Ziff. 6.2.3).

In der Situation mit Kindern lässt sich die relativ geringfügige Veränderung der Steuerbelastung durch die Anpassungen am Grundtarif und die Erhöhung des Kinderabzugs erklären, die dem Wegfall des Tarifprivilegs des geltenden Rechts gegenüberstehen (vgl. Ziff. 2.1).

Konkret soll bei Unverheirateten mit Kindern zukünftig gleich wie bei den anderen Steuerpflichtigen der einheitliche Tarif zur Anwendung kommen. Der Wegfall des heute auch für diese Personengruppe geltenden günstigeren Verheiratetentarifs erhöht die Steuerbelastung. Diese Mehrbelastung wird abgefedert durch die Senkung der Steuersätze im Tarif bei tiefen und mittleren Einkommen. Die Erhöhung des Kinderabzugs von 6 700 auf 12 000 Franken trägt ebenfalls zur Abfederung dieser Mehrbelastung bei. Im Ergebnis resultiert je nach Einkommenshöhe eine leichte Mehroder eine leichte Minderbelastung.

In der dargestellten Konstellation mit zwei Kindern führt die Erhöhung des Kinderabzugs dazu, dass die Steuerbelastung trotz des Wegfalls des heutigen Tarifprivilegs erst später einsetzt. Im geltenden Recht setzt die Steuerbelastung bei einem Einkommen von rund 82 200 Franken ein, im Reformszenario erst bei einem Einkommen von rund 89 600 Franken. Je mehr Kinder eine unverheiratete Person hat, desto stärker wiegt die entlastende Wirkung der Erhöhung des Kinderabzugs im Vergleich zur belastenden Wirkung des Wegfalls des Tarifprivilegs.

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Abbildung 4

Steuerbelastung einer alleinstehenden Person im Status quo und im Reformszenario bei der direkten Bundessteuer. Die obere Grafik stellt die Situation ohne Kinder dar, die untere die Situation mit zwei Kindern. Das Einkommen bezieht sich auf das reine Einkommen gemäss Definition in der Bundessteuerstatistik.

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Die Tabelle 3 zeigt zu ausgewählten Konstellationen von alleinstehenden Personen die Steuerbelastung im Status quo und im Reformszenario anhand der Zahlen, die sich aus der Abbildung 1 ergeben: Tabelle 3 Einkommen

40 000

70 000

100 000

150 000

250 000

40 000

70 000

100 000

150 000

250 000

0

0

0

0

0

2

2

2

2

2

Steuerbelastung Status quo

185

930

2 618

7 005

19 448

0

0

612

3 462

15 894

Steuerbelastung Reform

133

737

2 492

6 986

19 492

0

0

371

4 056

15 596

Anzahl Kinder

Steuerbelastung einer alleinstehenden Person im Status quo und im Reformszenario bei der direkten Bundessteuer in Abhängigkeit vom Einkommen und von der Anzahl Kinder. Das Einkommen bezieht sich auf das reine Einkommen gemäss Definition in der Bundessteuerstatistik.

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6.7.4.3

Verteilung der Entlastungswirkung auf unterschiedliche Personenkategorien

Die Tabelle 4 zeigt die Verteilung der durchschnittlichen Entlastungswirkung der Reform bei der direkten Bundessteuer auf die verschiedenen Kategorien von steuerpflichtigen Personen. Dargestellt ist die Mehr- (+) bzw. Minderbelastung (­) bei der direkten Bundessteuer in Franken, im Verhältnis zum Einkommen abzüglich direkter Bundessteuer und im Verhältnis zur Steuerbelastung vor der Reform. Bei der Ermittlung des Einkommens nach Steuern wird ausschliesslich die direkte Bundessteuer berücksichtigt, weil die Höhe der kantonalen Einkommenssteuern nicht bekannt ist.

Weiter zeigt die Tabelle für jede Personenkategorie den geschätzten Anteil von Personen, die durch die Reform eine Mehr- bzw. eine Minderbelastung erfahren. Die Anteile mit Mehr- und Minderbelastungen summieren sich nicht auf 100 Prozent, weil sich die Steuerbelastung für einen Teil der Personen durch die Reform nicht ändert (in den meisten dieser Fälle ist die Steuerbelastung vor und nach Reform gleich null).

Die Darstellung knüpft bei der individuellen Ebene an; ein Ehepaar fliesst also mit zwei Beobachtungen in die Darstellung ein. Sämtliche Zahlen beziehen sich auf den Durchschnitt in der jeweiligen Gruppe der dargestellten Personen. Bezogen auf die einzelnen Steuerpflichtigen können die Mehr- und Minderbelastungen innerhalb der dargestellten Gruppen je nach Konstellation variieren (vgl. Ziff. 6.7.4.2).

Im Durchschnitt resultiert in fast jeder Personengruppe eine Minderbelastung durch die Reform. Eine Ausnahme bilden Personen als Teil eines Einverdienerehepaars mit Kindern. Das hängt damit zusammen, dass von der geltenden gemeinsamen Besteuerung in erster Linie Ehepaare mit keinem oder geringem Zweiteinkommen profitieren.

In dieser Gruppe führt der Übergang zur Individualbesteuerung sowie die hälftige Aufteilung des Kinderabzugs in Verbindung mit der oft ungleichmässigen Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten zu einer durchschnittlichen Mehrbelastung von geschätzt 56 Franken bzw. 0,10 Prozent des Einkommens abzüglich direkter Bundessteuer oder 2,9 Prozent der Steuerbelastung vor Reform. Die stärkste Entlastung erfahren im Durchschnitt Personen als Teil eines Zweiverdienerehepaars ohne Kinder und verheiratete Rentnerinnen und Rentner (in Franken und relativ zum Einkommen abzüglich direkter Bundessteuer betrachtet). Die Entlastung
dieser Personengruppen hängt damit zusammen, dass Ehepaare mit gleichmässiger Einkommensaufteilung im geltenden System häufig von der «Heiratsstrafe» betroffen sind.

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Tabelle 4 Personenkategorie

Anzahl Steuerpflichtige

Pro steuerpflichtige Person, in Franken

­ 73

Mehrbelastung (+) Minderbelastung (­)

in % des verfügbaren in % der Steuerbelastung Einkommens vor Reform

3,9 %

64,7 %

­ 0,15 %

­ 8,0 %

ohne Kinder

2 133 593

2,6 %

69,0 %

­ 0,18 %

­

9,3 %

mit Kindern

313 598

­

9

13,1 %

36,0 %

­ 0,01 %

­

0,8 %

Personen in Einverdienerehepaaren

622 112

­ 61

26,4 %

18,4 %

­ 0,12 %

­ 3,2 %

ohne Kinder

331 076

­ 164

25,4 %

26,4 %

­ 0,35 %

­

mit Kindern

291 036

56

27,6 %

9,3 %

0,10 %

2,9 %

1 474 064

­ 165

21,4 %

36,2 %

­ 0,27 %

­ 10,0 %

ohne Kinder

545 802

­ 223

20,8 %

54,6 %

­ 0,38 %

­ 12,0 %

mit Kindern

928 262

­ 131

21,7 %

25,4 %

­ 0,21 %

­

1 627 997

­ 171

6,5 %

63,4 %

­ 0,40 %

­ 17,6 %

777 849

­ 71

2,2 %

75,5 %

­ 0,16 %

­

850 148

­ 263

10,5 %

52,3 %

­ 0,61 %

­ 23,8 %

6 171 364

­ 120

11,1 %

52,9 %

­ 0,24 %

­ 9,9 %

Personen in Zweiverdienerehepaaren

Rentnerinnen und Rentner unverheiratet verheiratet Alle Steuerpflichtigen

­ 82

Anteil mit ...

8,4 %

8,5 % 8,6 %

Veränderung der Belastung bei der direkten Bundessteuer, aggregiert pro Typ der steuerpflichtigen Personen (Personenkategorie). Die Gruppe «Unverheiratete» beinhaltet Alleinstehende, unverheiratete Paare, volljährige Kinder im Haushalt der Eltern oder Wohngemeinschaften; sie können in den Daten nicht unterschieden werden. Einverdiener- und Zweiverdienerehepaare können aufgrund des Zweiverdienerabzugs unterschieden werden. Die Angabe zur Anzahl steuerpflichtiger Personen bezieht sich auf Individuen; Ehepaare fliessen mit zwei Beobachtungen in die Analyse ein. Daten: WiSiER 2015, Bundessteuerstatistik 2020, Hochrechnung der finanziellen Auswirkungen auf 2024.

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6.7.4.4

Verteilung der Entlastungswirkung auf die Einkommensklassen

Die Tabelle 5 stellt die Verteilung der Entlastungswirkung auf die Einkommensklassen dar. Die Tabelle teilt die steuerpflichtigen Personen in zehn Einkommensklassen ein, sodass in jeder Einkommensklasse etwa 10 Prozent der steuerpflichtigen Personen sind. Gleich wie in der Tabelle 4 sind die geschätzten durchschnittlichen Mehrund Minderbelastungen bei der direkten Bundessteuer (in Franken, im Verhältnis zum Einkommen abzüglich direkter Bundessteuer und im Verhältnis zur Steuerbelastung vor Reform) sowie die geschätzten Anteile der Personen mit Mehr- oder Minderbelastung dargestellt. Auch in dieser Darstellung beziehen sich die Zahlen auf den Durchschnitt innerhalb der jeweiligen Einkommensklasse. Die Darstellung knüpft wiederum bei der individuellen Ebene an. Wenn bei einem Ehepaar eine Person ein Einkommen von 70 000 Franken und die andere Person ein solches von 30 000 Franken hat, dann befindet sich die erste Person in der achten Einkommensklasse ([70 %, 80 %)) und die zweite Person in der vierten Einkommensklasse ([30 %, 40 %)). Die Schätzung der Einkommensaufteilung mit Hilfe kantonaler Daten ist in Ziffer 6.7.1.1 beschrieben.

Die Tabelle zeigt, dass insgesamt betrachtet in keiner Einkommensklasse Mehrbelastungen resultieren. Personen in den untersten beiden Einkommensklassen bezahlen weder im Status quo noch im Reformszenario direkte Bundessteuern, weshalb keine Mehr- oder Minderbelastung resultiert. In der zweituntersten Einkommensklasse gibt es einige wenige Ausnahmen bei niedrigen Zweiteinkommen bei Ehepaaren, deren Steuerbeträge im Status quo sehr niedrig und im Reformszenario null sind. Auch die Steuerpflichtigen aller anderen acht Einkommensklassen erfahren insgesamt pro Gruppe betrachtet eine steuerliche Entlastung.

Eine Systemumstellung ohne Tarifanpassung würde zu einer Konzentration der Entlastungswirkung in den obersten Einkommensklassen führen. Die gleichmässigere Verteilung der Entlastungswirkung wird durch die Anpassung des Tarifs mit der Absenkung der Steuersätze bei den tiefen und mittleren Einkommen und damit einer stärkeren Progression des Tarifverlaufs erreicht.

In Franken betrachtet fällt die stärkste Entlastung im obersten Einkommenszehntel an.

Relativ zur Steuerbelastung vor der Reform fällt die stärkste Entlastung hingegen bei den unteren Einkommensklassen an
(abgesehen vom untersten Zehntel). Für den Einfluss der Reform auf die Einkommensverteilung nach Steuern sind die Entlastungen in den verschiedenen Einkommensklassen im Verhältnis zum Einkommen nach Steuern massgebend. Relativ zum Einkommen abzüglich direkter Bundessteuer reduziert sich die Steuerbelastung in den Einkommensklassen zwischen 61 300 und 98 100 Franken am stärksten. Die unteren Einkommensklassen bezahlen in vielen Fällen keine oder geringe Einkommenssteuern beim Bund, weshalb eine vergleichbare Entlastung relativ zum Einkommen kaum möglich ist.

In den meisten Einkommensklassen ist der Anteil der Personen, die eine Minderbelastung erfahren, höher als der Anteil jener, die eine Mehrbelastung erfahren. Eine Ausnahme ist das unterste Einkommenszehntel, das keine direkte Bundessteuer bezahlt. Das gleiche gilt weitestgehend auch für das zweitunterste Einkommenszehntel.

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Von der drittuntersten bis zur zweitobersten Einkommensklasse ist der Anteil der Personen mit Minderbelastung deutlich höher als der Anteil jener mit Mehrbelastung.

Beim obersten Einkommenszehntel ist der Anteil der Personen mit einer Mehr- und mit einer Minderbelastung etwa gleich hoch.

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Tabelle 5 Einkommens-klasse (Dezil)

Dezilgrenzen in Franken

Pro steuerpflichtige Person, in Franken

Anteil mit ...

in % des verfügbaren Einkommens

in % der Steuerbelastung vor Reform

Mehrbelastung (+)

Minderbelastung (­)

0

0,0 %

0,0 %

0,00 %

0,0 %

[0 %, 10 %)

[0, 3 700]

[10 %, 20 %)

(3 700, 13 900]

­ 0

0,0 %

0,0 %

­ 0,00 %

­100,0 %

[20 %, 30 %)

(13 900, 23 400]

­ 9

0,0 %

23,4 %

­ 0,05 %

­100,0 %

[30 %, 40 %)

(23 400, 32 900]

­ 32

3,2 %

70,9 %

­ 0,12 %

­ 51,3 %

[40 %, 50 %)

(32 900, 42 600]

­ 48

4,4 %

77,3 %

­ 0,13 %

­ 34,5 %

[50 %, 60 %)

(42 600, 51 600]

­ 88

6,1 %

78,9 %

­ 0,19 %

­ 34,8 %

[60 %, 70 %)

(51 600, 61 300]

­ 151

8,8 %

77,7 %

­ 0,27 %

­ 33,8 %

[70 %, 80 %)

(61 300, 74 300]

­ 201

14,4 %

77,4 %

­ 0,30 %

­ 28,4 %

[80 %, 90 %)

(74 300, 98 100]

­ 262

23,9 %

73,7 %

­ 0,31 %

­ 19,4 %

[90 %, 100 %]

> 98 100

­ 408

49,9 %

50,1 %

­ 0,26 %

­

4,5 %

­ 120

11,1 %

52,9 %

­ 0,24 %

­

9,9 %

Alle Steuerpflichtigen

Veränderung der Steuerbelastung bei der direkten Bundessteuer, aggregiert pro Einkommensklasse. Die Steuerpflichtigen werden aufgrund ihres individuellen Einkommens (reines Einkommen gemäss Definition in der Bundessteuerstatistik) in Einkommensklassen verteilt. Die Angabe zur Anzahl steuerpflichtiger Personen bezieht sich auf Individuen; Ehepaare fliessen mit zwei Beobachtungen in die Analyse ein. Daten: WiSiER 2015, Bundessteuerstatistik 2020, Hochrechnung der finanziellen Auswirkungen auf 2024.

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6.7.5

Auswirkungen auf die Belastungsrelationen bei den kantonalen Einkommenssteuern

Angesichts der unterschiedlichen Ausgangslage der Kantone und des Spielraums, über den die Kantone bei der Festlegung von Steuertarif und Abzügen verfügen, ist es offen, wie sich die Umsetzung der Individualbesteuerung bei den kantonalen Einkommenssteuern im Einzelfall auswirkt. Je nach Personenkategorie und Einkommensklasse können dabei Mehr- oder Minderbelastungen resultieren.

6.7.6

Beschäftigungseffekte

6.7.6.1

Ausgangslage

Eine Senkung der Steuerbelastung hat potenziell einen positiven Einfluss auf die Beschäftigung, weil sie den Lohn nach Steuern erhöht. Wie stark die Reaktion der Beschäftigung ist, lässt sich mit den sogenannten Arbeitsangebotselastizitäten abbilden.

Konkret bildet diese Verhaltenselastizität ab, um wie viel Prozent sich die Beschäftigung erhöht, wenn sich der Lohn nach Steuern um ein Prozent erhöht. Bei erwerbstätigen Personen kann eine Steuersenkung theoretisch auch zu einem Abbau der Beschäftigung führen. Grund dafür ist, dass dank der niedrigeren Steuerbelastung weniger lange gearbeitet werden muss, um ein gegebenes Einkommen zu erzielen (sog.

Einkommenseffekt). Gemäss den empirischen Schätzungen aus der Literatur überwiegt jedoch in aller Regel der Effekt, dass sich Arbeiten bei niedrigeren Steuern mehr lohnt (sog. Substitutionseffekt). Der Beschäftigungseffekt einer Reform ergibt sich im Grundsatz durch die Veränderung der Steuerbelastung und die Elastizität der Beschäftigung auf den Lohn nach Steuern. Zur Höhe der Arbeitsangebotselastizität gibt es eine Vielzahl empirischer Schätzungen aus der Literatur, die für die hier präsentierten Schätzungen der Beschäftigungseffekte herangezogen werden. Präziserweise müsste vom Einfluss der Steuerbelastung auf das «Arbeitsangebot» gesprochen werden. In diesem Bericht wird vereinfachend der Begriff «Beschäftigung» verwendet. Eine Erhöhung des Arbeitsangebots kann dann mit einer Erhöhung der Beschäftigung gleichgesetzt werden, wenn der Arbeitsmarkt das zusätzliche Arbeitsangebot (mindestens langfristig) absorbieren kann.

Veränderungen der Steuerbelastungen ergeben sich bei der vorliegenden Reform einerseits durch die Entlastung von insgesamt rund 1 Milliarde Franken bei der direkten Bundessteuer bezogen auf das Steuerjahr 2024 und andererseits durch Veränderungen der relativen Belastungen zwischen den verschiedenen Personengruppen.

Die steuerliche Entlastung ist verbunden mit einer Senkung der Durchschnittssteuersätze (Steuerbelastung im Verhältnis zum Einkommen) und der Grenzsteuersätze (Steuerbelastung auf den nächsten verdienten Franken). Diese Senkungen der Steuersätze machen Erwerbsarbeit lohnender.

Der Hauptteil des Beschäftigungseffekts kommt von der Systemumstellung von gemeinsamer Besteuerung von Ehepaaren zur individuellen Besteuerung. Bei
gleichem Steueraufkommen führt die Individualbesteuerung gegenüber dem geltenden System der gemeinsamen Besteuerung zu einem höheren Grenzsteuersatz für das (höhere) 95 / 108

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Ersteinkommen und zu einem deutlich niedrigeren Grenzsteuersatz für das (niedrigere) Zweiteinkommen. Der höhere Grenzsteuersatz für das Ersteinkommen entsteht, weil die Individualbesteuerung einen einheitlichen Tarif vorsieht, während Ehepaare bei der gemeinsamen Besteuerung von einer tariflichen Ermässigung profitieren. Der tiefere Grenzsteuersatz für das Zweiteinkommen entsteht durch den Wegfall der Addition der beiden Einkommen. Durch das Ersteinkommen gleitet das Paar im geltenden System in eine Progressionsstufe mit höherem Grenzsteuersatz, womit für das hinzukommende Zweiteinkommen der höhere Grenzsteuersatz ausgehend vom Ersteinkommen zur Anwendung kommt.

Dieser Effekt auf die Grenzsteuerbelastungen des Zweiteinkommens gilt unabhängig davon, ob für Ehepaare im Rahmen einer gemeinsamen Besteuerung ein SplittingModell oder ein separater Tarif zur Anwendung gelangt. Weiter resultieren bei der Individualbesteuerung niedrigere Grenzsteuerbelastungen auf dem Zweiteinkommen unabhängig davon, ob Ehepaare im Vergleichsszenario der gemeinsamen Besteuerung gegenüber unverheirateten Paaren eine Mehr- oder Minderbelastung haben.

Sämtliche Zusammenhänge gelten ausschliesslich in einem progressiven Einkommenssteuersystem. Wenn die Einkommenssteuer proportional wäre, spielte es belastungsmässig keine Rolle, ob Paare gemeinsam oder individuell besteuert werden.

Empirische Untersuchungen zeigen, dass das Ersteinkommen nur schwach auf Veränderungen der Steuerbelastung oder der Grenzsteuerbelastung reagiert (niedrige Elastizität). Veränderungen des Einkommens nach Steuern verändern also die Erwerbsentscheide von Erstverdienerinnen und Erstverdienern nur wenig. Für das Zweiteinkommen zeigen empirische Schätzungen eine höhere Steuerempfindlichkeit bzw. Elastizität. Bei den meisten Zweitverdienenden handelt es sich um Frauen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sich Steuerreformen insbesondere auf die Beschäftigung der Zweitverdienerinnen auswirken und dass der Übergang von der gemeinsamen zur individuellen Besteuerung von Ehepaaren die Beschäftigung erhöht.45 Die vorliegende Schätzung beschränkt sich auf den Beschäftigungseffekt durch die Reform bei der direkten Bundessteuer. Das deutlich grössere Potenzial für Beschäftigungseffekte besteht jedoch bei der Umsetzung der Individualbesteuerung in den
Kantonen, u. a. wegen des deutlich grösseren Steuervolumens. Der Beschäftigungseffekt der kantonalen Umsetzungen kann jedoch namentlich aus zwei Gründen nicht quantifiziert werden. Erstens liegen diese in der Kompetenz der Kantone und es ist unbekannt, wie die Kantone die Reform umsetzen werden. Zweitens liegen dem Bund keine Daten über die kantonalen Einkommenssteuern vor. Gestützt u. a. auf das 45

Kaygusuz, Remzi (2010): Taxes and female labour supply. Review of Economic Dynamics 13: 725­741; Bick, Alexander / Fuchs-Schündeln, Nicola (2018): Taxation and labour supply of married couples across countries: A macroeconomic analysis.

Review of Economic Studies 85: 1543­1576; Bick, Alexander/Brüggemann, Bettina/Fuchs-Schündeln, Nicola/Paule-Paludkiewicz, Hannah (2019): Long-term changes in married couples' labour supply and taxes: Evidence from the US and Europe since the 1980s. Journal of International Economics 118: 44­62; Guner, Nezih/Kaygusuz, Remzi/Ventura, Gustavo (2012): Taxation and Household Labour Supply. Review of Economic Studies, 79(3): 1113­1149; Isaac, Elliott (2023): Suddenly Married: Joint Taxation and the Labor Supply of Same-Sex Married Couples After U.S. v. Windsor.

Journal of Human Resources 58(6).

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Volumen der kantonalen Einkommenssteuern im Verhältnis zur direkten Bundessteuer lässt sich jedoch eine Hochrechnung erstellen (vgl. Ziff. 6.7.6.5).

6.7.6.2

Annahmen zu den Schätzungen

Die zentralen Annahmen für die Schätzung betreffen die Arbeitsangebotselastizitäten.

Dieser Parameter ist wie folgt zu interpretieren (an einem Beispiel): Wenn die Steuerbelastung auf dem Lohn von 20 Prozent auf 15 Prozent sinkt, dann steigt das Lohneinkommen nach Steuern von 80 Prozent auf 85 Prozent des Bruttolohns. Der Lohn nach Steuern erhöht sich damit um 6,25 Prozent. Wenn die Arbeitsangebotselastizität 0,5 beträgt, dann führt diese Reduktion der Steuerbelastung zu einer Beschäftigungsausweitung um 3,125 Prozent (6,25×0,5).

Die Schätzungen des Beschäftigungseffekts stützen sich auf empirische Untersuchungen zu den Arbeitsangebotselastizitäten aus der Forschungsliteratur. Für eine detaillierte Beschreibung der unterstellten Arbeitsangebotselastizitäten verschiedener Typen von steuerpflichtigen Personen sei auf Ziffer 5.5.2 im erläuternden Bericht zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung vom 2. Dezember 2022 verwiesen.46

6.7.6.3

Veränderung der Steuerbelastung auf dem Zweiteinkommen

Das grösste Potenzial für Beschäftigungseffekte besteht in der reformbedingten Senkung der Steuerbelastung auf dem Zweiteinkommen bei Ehepaaren. Einerseits weist diese Gruppe eine hohe Steuerempfindlichkeit auf, zweitens führt die Individualbesteuerung zu einer reduzierten Steuerbelastung für diese Gruppe. Gemäss der Bundessteuerstatistik gibt es in der Schweiz rund 350 000 Einverdienerehepaare mit einer nichterwerbstätigen Person und rund 840 000 Zweiverdienerehepaare (direkte Bundessteuerstatistik, 2020, ausgehend von den Normalfällen pauschal hochgerechnet, vgl. 6.7.1.2). In den meisten Fällen handelt es sich bei den (potenziellen) Zweitverdienenden um Frauen. Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung arbeiten 36 Prozent der berufstätigen Frauen in Partnerschaft ohne Kinder und 77 Prozent der berufstätigen Frauen in Partnerschaft mit Kindern Teilzeit.47

46

47

Hauptquellen für die Elastizitäten aus der Literatur sind drei Übersichtsartikel: Meghir, Costas/Phillips, David (2010): Labour Supply and Taxes. In: Mirrlees, James/Adam, Stuart/Besley, Timothy/Blundell, Richard/Bond, Stephen/Chote, Robert/Gammie, Malcolm/Johnson, Paul/Myles, Gareth/Poterba, James (Hrsg.): Dimensions of Tax Design: The Mirrlees Review. Oxford University Press; Bargain, Olivier/Orsini, Kristian/Peichl, Andreas (2014): Comparing Labor Supply Elasticities in Europe and the United States: New Results. The Journal of Human Resources, 49(3): 723­838; Bargain, Olivier/Peichl, Andreas (2016): Steady-State Labor Supply Elasticities: A Survey. IZA Journal of Labor Economics, 2016, 5(10). Dazu eine Schätzung für die Schweiz: Gerfin, Michael/Leu, Robert E. (2007): Evaluating the Cost-Effectiveness of In-Work Benefits. German Economic Review, 8(4): 447­467.

Bundesamt für Statistik (BFS), Schweizerische Arbeitskräfteerhebung, Daten für 2022.

Zahlen für die Altersgruppe 25­54 Jahre.

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Die Abbildung 5 stellt die Grenzsteuerbelastung der Zweitverdienerinnen bzw. -verdiener in einer Ehe in Abhängigkeit vom Ersteinkommen dar. Die Abbildung zeigt, wie viel Prozent direkte Bundessteuer auf zusätzlich verdiente 5000 Franken bezahlt werden müssen. Die obere Grafik stellt die Situation ausgehend von einem Zweiteinkommen von 20 000 Franken dar, die untere Grafik ausgehend von einem Einkommen von 40 000 Franken. Auf der horizontalen Achse ist das Ersteinkommen abgetragen.

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Abbildung 5

Grenzsteuerbelastung auf eine Erhöhung des Zweiteinkommens bei Ehepaaren in Abhängigkeit vom Ersteinkommen bei der direkten Bundessteuer. Die Grenzsteuerbelastung bezieht sich auf eine Erhöhung des Einkommens um 5000 Franken. Die obere Grafik stellt die Situation ausgehend von einem Zweiteinkommen von 20 000 Franken dar, die untere ausgehend von 40 000 Franken. Lesebeispiel: Wenn das Ersteinkommen 100 000 Franken beträgt und das Zweiteinkommen 40 000 Franken, dann beträgt die Steuerbelastung auf eine Erhöhung des Zweiteinkommens um 5000 Franken im Status quo rund 7,5 % und im Reformszenario rund 1,5 %.

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Der Verlauf der Kurven lässt sich wie folgt erklären: ­

Im Status quo ist die Grenzsteuerbelastung auf dem Zweiteinkommen tendenziell umso höher, je höher das Ersteinkommen ist. Diese Konsequenz resultiert aus der gemeinsamen Besteuerung, welche das Paar als Wirtschaftsgemeinschaft betrachtet und deshalb das Zweiteinkommen ausgehend vom Ersteinkommen besteuert.

­

Im Status quo ist die Grenzsteuerbelastung ausgehend von einem Zweiteinkommen von 40 000 Franken (untere Grafik) rund doppelt so hoch wie ausgehend von einem Zweiteinkommen von 20 000 Franken (obere Grafik). Der Grund dafür ist der Zweiverdienerabzug, der die Grenzsteuerbelastung bei niedrigen Zweiteinkommen reduziert. Bei einem Zweiteinkommen von 40 000 ist der Zweiverdienerabzug bereits vollständig konsumiert, d. h. er liegt bereits beim Maximalbetrag von 13 900 Franken und erhöht sich bei steigendem Zweiteinkommen nicht mehr.

­

Im Reformszenario weist die Linie einen horizontalen Verlauf auf. Das heisst, die Grenzsteuerbelastung für das Zweiteinkommen ist unabhängig davon, wie hoch das Ersteinkommen ist. Das entspricht der Logik der Individualbesteuerung, wonach Eheleute unabhängig voneinander besteuert werden. In aller Regel resultiert dadurch im Reformszenario eine deutlich niedrigere Grenzsteuerbelastung auf dem Zweiteinkommen gegenüber dem Status quo.

6.7.6.4

Ergebnisse der Schätzungen der Beschäftigungseffekte der Reform bei der direkten Bundessteuer

Auch in der Schweiz sind vom Übergang zur Individualbesteuerung positive Beschäftigungseffekte zu erwarten. Wie stark diese Effekte sein werden, hängt von den Verhaltenselastizitäten ab. Die Tabelle 6 fasst die Schätzergebnisse zusammen. Die geschätzten Beschäftigungseffekte sind in Anzahl Vollzeitäquivalente bzw. Vollzeitstellen umgerechnet. Ein Vollzeitäquivalent kann sich bspw. auch auf zwei Pensenerhöhungen um je 50 Prozentpunkte oder auf 10 Pensenerhöhungen um je 10 Prozentpunkte beziehen. Insgesamt liefert die Schätzung eine Bandbreite für den Beschäftigungseffekt bei der direkten Bundessteuer von rund 2600 bis rund 11 100 Vollzeitäquivalenten.

Tabelle 6 Anzahl Steuerpflichtige

Unverheiratete Personen in Einverdienerehepaaren

100 / 108

Erstverdiener/-in Potenzielle/-r Zweitverdiener/-in

Beschäftigungseffekte in Vollzeitäquivalenten nach Szenario zu Verhaltenselastizitäten tief

mittel (Basisszenario)

hoch

2 786 600

0

100

200

354 200

0

­ 100

­ 100

354 200

800

2 200

3 600

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Anzahl Steuerpflichtige

Personen in Zweiverdienerehepaaren Total

Erstverdiener/-in Zweitverdiener/-in

Beschäftigungseffekte in Vollzeitäquivalenten nach Szenario zu Verhaltenselastizitäten tief

mittel (Basisszenario)

hoch

839 200

0

­ 200

­ 300

839 200

1 700

4 700

7 700

5 173 400

2 600

6 800

11 100

Geschätzte Beschäftigungseffekte der Reform bei der direkten Bundessteuer in Vollzeitäquivalenten. Die drei Szenarien bilden tiefe, mittlere und hohe Verhaltenselastizitäten ab. Je höher diese Elastizitäten, desto stärker wird die Beschäftigung durch die Reform ausgeweitet.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt erklären: ­

Höhe der unterstellten Elastizitäten: Je höher die unterstellten Elastizitäten, desto grösser ist der geschätzte Beschäftigungseffekt. In allen abgebildeten Szenarien resultiert ein positiver Beschäftigungseffekt. Grund dafür ist, dass die Elastizitäten beim Zweiteinkommen in allen Szenarien höher sind als beim Ersteinkommen.

­

Effekt bei Alleinstehenden: Bei den Alleinstehenden ist der Effekt insgesamt gering. Einerseits verändert sich die Steuerbelastung nur wenig, andererseits sind die Elastizitäten gering.

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Effekt bei Erstverdienenden (Ein- und Zweiverdienerehepaare): Bei den Erstverdienenden führt die Individualbesteuerung systembedingt tendenziell zu einer höheren Steuerbelastung. Der Beschäftigungseffekt bei den Erstverdienenden ist deshalb negativ. Der Effekt ist jedoch in allen drei Szenarien klein.

Neben den geringen Elastizitäten liegt ein weiterer Grund darin, dass die Reformvorlage eine generelle steuerliche Entlastung durch die Tarifabsenkung von rund 1 Milliarde Franken vorsieht. Dies wirkt der Erhöhung der Steuerbelastung auf dem Ersteinkommen entgegen.

­

Effekt bei (potenziellen) Zweitverdienenden (Ein- und Zweiverdienerehepaare): Bei den Zweiteinkommen resultiert der stärkste Beschäftigungseffekt.

Grund dafür ist die Kombination aus einer substanziellen Senkung der Steuerbelastung bzw. Grenzsteuerbelastung und der höheren Elastizität des (potenziellen) Zweitverdienstes im Vergleich zum Erstverdienst. Der Beschäftigungseffekt hängt bei dieser Gruppe stark von der unterstellten Elastizität ab und variiert deshalb stark zwischen den drei Szenarien.

­ Einverdienerehepaare: Bei Einverdienerehepaaren ist die Partizipationselastizität massgebend für den Beschäftigungseffekt. Die Partizipationselastizität wird angewendet auf die reformbedingte Veränderung der Steuerbelastung auf ein Teilzeitpensum, ungefähr zum Schweizer Medianlohn. Diese Steuerbelastung ist im Reformszenario in der Regel geringer als im Status quo.

­ Zweiverdienerehepaare: Bei Zweiverdienerehepaaren sind im Status quo bereits beide Eheleute erwerbstätig. Daher ist die Stundenelastizität massgebend für den Beschäftigungseffekt. Die Stundenelastizität wird ange101 / 108

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wendet auf die reformbedingte Veränderung der Steuerbelastung auf ein zusätzlich verdientes Einkommen von 20 000 Franken. Gleich wie bei den Einverdienerehepaaren ist diese Steuerbelastung im Reformszenario in der Regel geringer als im Status quo.

6.7.6.5

Hochrechnung des Beschäftigungseffekts auf die kantonalen Steuern

Das grössere Potenzial für Beschäftigungsimpulse besteht bei der Umsetzung der Individualbesteuerung in den Kantonen. Die Modalitäten der Umsetzung liegen jedoch in der Kompetenz der Kantone, weshalb die kantonalen Umsetzungen nicht modelliert werden können. Ausgehend von der Schätzung des Beschäftigungseffekts der Reform der direkten Bundessteuer kann jedoch eine Hochrechnung gemacht werden: Insgesamt ist durch die Umsetzung der Individualbesteuerung auf kantonaler Ebene ein deutlich grösserer Beschäftigungseffekt zu erwarten als bei der direkten Bundessteuer. Mit Blick auf die im Folgenden beschriebenen unterschiedlichen Ausgangslagen bei den kantonalen Einkommenssteuern und der direkten Bundessteuer könnte durch die Umsetzung der Individualbesteuerung auf kantonaler Ebene ein rund drei Mal stärkerer Effekt erwartet werden. Ausgehend vom geschätzten Beschäftigungseffekt der Reform bei der direkten Bundessteuer würde durch die Umsetzung auf allen Staatsebenen ein geschätzter Beschäftigungseffekt in Höhe von 10 000 bis 44 000 Vollzeitstellen resultieren. Im Basisszenario beträgt der Effekt rund 27 000 Vollzeitstellen.

Hintergrund dieser Hochrechnung sind die Unterschiede zwischen den kantonalen Einkommenssteuern und der direkten Bundessteuer in Bezug auf folgende Aspekte: ­

Volumen der Einkommenssteuer: Je grösser das Volumen der Einkommenssteuer, desto grösser ist das Potenzial, durch eine Systemumstellung Beschäftigungseffekte zu erzielen. Die Einnahmen aus den kantonalen Einkommenssteuern sind knapp vier Mal höher als diejenigen aus der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen (Finanzstatistik, Daten für 2021).

­

Progressivität der Einkommenssteuer: Je stärker die Progression der Einkommenssteuern, desto stärker unterscheiden sich die Belastungsunterschiede zwischen der gemeinsamen Besteuerung und der Individualbesteuerung. Die Progression bei der direkten Bundessteuer ist stärker als in den meisten Kantonen.

Aufgrund der stärkeren Progression und des geringeren Volumens stellt die direkte Bundessteuer für die meisten Steuerpflichtigen mit tiefen oder mittleren Einkommen eine deutlich geringere Steuerbelastung dar als die kantonalen Einkommenssteuern. So setzt die Steuerbelastung bei der direkten Bundessteuer im Status quo bei Personen ohne Kinder erst bei einem Einkommen von rund 20 500 Franken (Alleinstehende) bzw. bei einem gesamten Einkommen von rund 46 700 Franken (Ehepaare, Einkommensaufteilung 70 / 30) und

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bei Personen mit zwei Kindern erst bei einem solchen von rund 82 200 Franken (Alleinerziehende) bzw. 100 700 Franken (Ehepaare, Einkommensaufteilung 70 / 30) ein. Für einen relevanten Teil der Steuerpflichtigen können daher Reformen bei der direkten Bundessteuer keine Beschäftigungsimpulse auslösen. Die kantonalen Einkommenssteuern betreffen hingegen einen grösseren Anteil der Steuerpflichtigen und können deshalb bei einem grösseren Teil der Bevölkerung potenziell Beschäftigungseffekte auslösen.

­

Belastungsverhältnisse im Status quo: Tendenziell lassen sich umso grössere Beschäftigungseffekte erzielen, je ungünstiger das geltende System in Bezug auf die Erwerbsanreize ist. Ein System, das ungünstige Erwerbsanreize aufweist, ist das Vollsplitting-Modell.

Dieses Modell schafft eine vergleichsweise starke steuerliche Entlastung für das Ersteinkommen, welches kaum auf steuerliche Anreize reagiert. Ausgehend von einem Vollsplitting-Modell (vgl. Ziff. 6.4.1.2) ist deshalb das Potenzial für Beschäftigungseffekte tendenziell grösser als ausgehend von einem Teilsplitting oder einem Modell mit Mehrfachtarif. Viele Kantone haben ein Vollsplitting oder Modelle, die dem Vollsplitting nahekommen. Die Belastungsrelationen bei der direkten Bundessteuer weichen stärker vom Vollsplitting-Modell ab. Dazu kommt bei der direkten Bundessteuer der im Vergleich zu den meisten kantonalen Einkommenssteuern grosszügige Zweiverdienerabzug, der die Grenzsteuerbelastung bei niedrigen Zweiteinkommen reduziert. Ausgehend von einer Situation mit grosszügigem Zweiverdienerabzug ist das Potenzial für Beschäftigungseffekte durch den Übergang zur Individualbesteuerung geringer.

6.7.7

Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann

Im geltenden System der gemeinsamen Besteuerung fällt bei einer Aufnahme eines Zweitverdienstes oder einem Ausbau desselben oft eine hohe Steuerbelastung an. Die Individualbesteuerung führt dazu, dass das Steuersystem die Aufnahme oder den Aufbau eines Zweitverdienstes weniger behindert. Dies dürfte zu einer höheren Erwerbsbeteiligung von Zweitverdienerinnen und Zweitverdienern führen. Dies dürfte in erster Linie Frauen betreffen, weil sie in den meisten Fällen bei Ehepaaren das Zweiteinkommen erzielen (vgl. Ziff. 6.7.6).

Die gleichmässigere Aufteilung der Erwerbsarbeit stärkt die finanzielle Unabhängigkeit beider Eheleute und führt insbesondere bei vielen Frauen zu einer besseren Vorsorge für das Alter und mit Blick auf eine allfällige Scheidung (rund 40 % der Ehen werden geschieden).48 Die Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit beider Eheleute leistet einen Beitrag zur Gleichstellung zwischen Frau und Mann. Dies steht auch im Einklang mit der 48

Vgl. dazu die Scheidungsstatistik des Bundesamtes für Statistik, www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > 01 ­ Bevölkerung > Heirat, eingetragene Partnerschaften, Scheidungen > Scheidungen und Scheidungshäufigkeit.

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neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt49, die dem Prinzip der Eigenversorgung nach der Scheidung stärkeres Gewicht beimisst.

6.8

Rechtliche Aspekte

6.8.1

Verfassungsmässigkeit

Für den Bereich der direkten Steuern verleiht Artikel 128 BV dem Bund die Befugnis, eine Steuer auf dem Einkommen natürlicher Personen zu erheben. Bei der Festsetzung der Tarife ist auf die Belastung durch die direkten Steuern der Kantone und Gemeinden angemessen Rücksicht zu nehmen (Art. 128 Abs. 2 BV).

Ausserdem hat der Bund Grundsätze über die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden festzulegen. Dabei berücksichtigt er die Harmonisierungsbestrebungen der Kantone. Die Harmonisierung erstreckt sich auf Steuerpflicht, Gegenstand und zeitliche Bemessung der Steuern, Verfahrensrecht und Steuerstrafrecht. Von der Harmonisierung ausgenommen bleiben insbesondere die Steuertarife, die Steuersätze und die Steuerfreibeträge (Art. 129 Abs. 1 und 2 BV).

Neben den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beachten (Art. 127 Abs. 2 BV). Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bedeutet dies, dass jede Person nach Massgabe der ihr zustehenden Mittel gleichmässig belastet werden muss. Die Steuerbelastung hat sich nach den der steuerpflichtigen Person zur Verfügung stehenden Wirtschaftsgütern und den persönlichen Verhältnissen zu richten.50 Bei der Individualbesteuerung stellt sich die Frage, ob im Hinblick auf die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwingend auf die persönlichen Verhältnisse der ehelichen Gemeinschaft Rücksicht zu nehmen ist oder ob nicht auf diejenige der Einzelpersonen abgestützt werden kann. Ersteres würde bedeuten, dass dem Umstand Rechnung getragen werden muss, ob das eheliche Einkommen ausschliesslich von einer Person oder aber von beiden Eheleuten erzielt wird. Ist nur auf die Leistungsfähigkeit der Einzelperson abzustellen, unabhängig davon, ob noch weitere Personen von dem erzielten Einkommen unterhalten werden müssen, wird bei jeder Person unabhängig vom Zivilstand und von Unterhaltspflichten ohne Korrektive das besteuert, was dieser an Einkommen zufliesst.

Das Bundesgericht hat im Entscheid i. S. Hegetschweiler51 von 1984 festgehalten, dass die Individualbesteuerung der Ehegattinnen und Ehegatten verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist. Es wies jedoch darauf hin, dass «die Befürworter der
Individualbesteuerung übersehen, dass die getrennte Besteuerung als solche höchstens teilweise, nämlich für Zweiverdiener-Paare, einigermassen hilfreich wäre, dabei aber eine stossende Ungleichheit zwischen Einverdiener- und Zweiverdiener-Ehepaaren 49 50 51

BGE 147 III 249, 147 III 293, 147 III 301, 147 III 308, Urteil des Bundesgerichts 5A_311/2019 vom 11.11.2020.

Vgl. etwa BGE 133 I 206 E. 7.1.

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schaffen könnte. Wenn nämlich in der Einverdiener-Ehe der erwerbstätige Partner seinen Erwerb zu einem Einheitstarif versteuern müsste, würde das Ehepaar für sein einziges Einkommen ­ trotz der Steuerfreiheit des nichterwerbstätigen Partners ­ genauso stark besteuert wie ein Alleinstehender mit demselben Einkommen. Die Benachteiligung, die alle Ehepaare bei einer Kombination von Faktoren-Addition und Einheitstarif erfahren, besteht auch bei einer Individualbesteuerung mit Einheitstarif fort, allerdings nur noch bei der Einverdiener-Ehe in vollem Umfang. Für die Einverdiener-Ehe bringt also die Individualbesteuerung ­ bei einem Einheitstarif ­ die verfassungsrechtlich gebotene Entlastung nicht. Dies ist besonders stossend, wenn die Partner zur Einverdiener-Ehe gezwungen sind, weil es einem Partner aus objektiven Gründen unmöglich ist, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Dennoch ist eine Individualbesteuerung der Ehegatten verfassungsrechtlich nicht schlechthin ausgeschlossen. Der Gesetzgeber darf sie nur nicht ohne Unterschied mit einem Einheitstarif koppeln, sondern muss ­ wie bei der Faktoren-Addition ­ durch geeignete Korrektive (Tarif-Differenzierungen, Verheirateten-Abzüge u. dgl.) einer Überbelastung namentlich der Einverdiener-Ehepaare entgegenwirken.»52 Nach Ansicht des Bundesgerichts sind somit bei der Individualbesteuerung aufgrund der Verfassung insbesondere Korrektive bei Einverdienerehepaaren erforderlich, um eine Überbelastung zu vermeiden.

Der Bundesrat geht von einer anderen Auslegung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aus als das Bundesgericht im Entscheid von 1984, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse seit diesem Entscheid stark verändert haben. Eine Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach dem Individuum und nicht mehr nach ehelicher Gemeinschaft erscheint in der heutigen Zeit angemessen, in welcher die Erwerbstätigkeit der Frauen selbstverständlich ist. Zwischen 1991 und 2020 ist gemäss dem Bundesamt für Statistik die Erwerbstätigenquote aller Frauen im Alter von 55 bis 64 Jahren von 43,8 Prozent auf 70 Prozent53 und diejenige aller Frauen im erwerbsfähigen Alter mit Kindern von 0 bis 6 Jahren von 64,5 auf 74,7 Prozent gestiegen.54 Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass es verfassungsmässig vertretbar ist, wenn für Eineinkommenspaare und
Zweieinkommenspaare mit geringem Zweiteinkommen kein Korrektiv vorgesehen wird.

Die Ausgestaltung ohne Korrektiv steht auch im Einklang mit der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt55, die dem Prinzip der Eigenversorgung nach der Scheidung stärkeres Gewicht beimisst. Diese Rechtsprechung dürfte dazu führen, dass die Grundlagen für die Eigenversorgung nach der Scheidung in vielen Fällen schon während der Ehe gelegt werden.

Mit der Vorlage zur Individualbesteuerung werden Eineinkommenspaare im Vergleich zu Zweieinkommenspaaren mit dem gleich hohen Gesamteinkommen steuerlich stärker belastet. Das Bundesgericht hielt in seinem Entscheid von 1984 hierzu für 52 53

54 55

BGE 110 Ia 7 E. 3b Vgl. www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung > Gleichstellung von Mann und Frau > Erwerbstätigkeit > Erwerbsbeteiligung > Erwerbsquoten > Erwerbsquoten ­ 1991­2022 | Tabelle.

Vgl. dazu die Ausführungen des Bundesrats zur Ip. 21.3888 «Neue Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht. Was ist mit den Frauen und den Familien?».

BGE 147 III 249, 147 III 293, 147 III 301, 147 III 308, Urteil des Bundesgerichts 5A_311/2019 vom 11.11.2020.

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die Gemeinschaftsbesteuerung fest, dass die steuerliche Belastung des verheirateten Paares, bei dem Ehemann und Ehefrau erwerbstätig sind, niedriger sein könne als bei Eheleuten, bei denen nur der Mann oder die Frau erwerbstätig ist, da mit der Berufsausübung beider Eheleute zusätzliche Aufwendungen entstehen würden. Welche Belastungsdifferenz zwischen Ein- und Zweieinkommensehepaaren mit gleichem Haushaltseinkommen gerechtfertigt werden kann, hat das Bundesgericht indessen offengelassen.56 Ob das Bundesgericht bei der Individualbesteuerung die Belastungsrelation zwischen Ein- und Zweiverdienerpaaren ähnlich beurteilt, ist offen.

Der Kinderabzug entspricht einem Sozialabzug. Die Höhe des Abzugs widerspiegelt nicht die effektiven Kosten für das Kind. Der Abzug wird gewährt, sobald nachgewiesen wird, dass das Kind unter der elterlichen Sorge der steuerpflichtigen Person steht und diese für dessen Unterhalt sorgt.

Bei Ehepaaren mit nur einem Einkommen kann diejenige Person, die das Einkommen erzielt, nur die Hälfte des Kinderabzugs geltend machen. In vielen Fällen dürfte diese Person vollständig für den Unterhalt des Kindes aufkommen. Aus diesem Grund entsteht ein Spannungsfeld zum verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dieses Spannungsfeld wird sichtbar beim Vergleich mit einer alleinerziehenden Person mit gleichem Einkommen, die ebenfalls vollständig für die Kinderkosten aufkommt und den ganzen Kinderabzug geltend machen kann. Eine praktikable steuerliche Lösung, die allen Konstellationen gerecht wird, gibt es nicht (vgl. Ziff. 6.3.4). Nach der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine gewisse Schematisierung und Pauschalisierung des Abgaberechts zulässig und oft unausweichlich.57 Gewisse Einbussen bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit werden damit in Kauf genommen. Solange sich nicht sagen lässt, dass eine bestimmte Gruppe von Steuerpflichtigen in genereller Weise wesentlich stärker belastet oder systematisch benachteiligt würde, ist dies zulässig.58 Der Bundesrat hat sich, im Interesse einer möglichst unkomplizierten Veranlagung, welche schematische Lösungen bedingt, für die Variante entschieden, die den geringsten administrativen Aufwand verursacht.

6.8.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage steht im Einklang mit den im Übereinkommen vom 18. Dezember 197959 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau geforderten Massnahmen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau.

56 57 58 59

BGE 120 Ia 329 E. 4b Bundesgerichtsurteil 2C_533/2021 vom 23. Juni 2022 E. 9.3.

Ebd. E. 6.4.3.

SR 0.108

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6.8.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

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