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Bundesblatt 9l. Jahrgang.

Bern, den 8. Mai 1939.

Band I.

Erscheint wöchentlich, frets 2O Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Eappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli A de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die 24. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz und über die Ratifikation verschiedener internationaler Arbeitsübereinkommen durch die Schweiz.

(Vom

28. April 1939.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Bundesrat erstattet Ihnen hierdurch Bericht über die 24. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, die vom 2. bis 22. Juni 1938 in Genf stattfand.

A. Die Konferenztagung.

I. Zusammensetzung und Tagesordnung der Konferenz.

Die Tagung, die unter dem Vorsitz des brasilianischen Ministers für Arbeit, Gewerbe und Handel, Herrn Waldemar Falcao, stand, wurde von 50 Mitgliedstaaten beschickt. Diese waren mit 416 Teilnehmern vertreten; davon waren 157 Delegierte und 259 technische Eatgeber. Die Zahl der unvollständigen Delegationen betrug 18 gegenüber 16 an der Tagung von 1987. Auch mag erwähnt werden, dass 10 Staatsminister und Unterstaatssekretäre an der Tagung teilnahmen.

Die schweizerische Delegation setzte sich wie folgt zusammen: Begierungsvertreter : Herr alt Bundesrat Dr. E. Schulthess und Herr Fürsprecher P. Renggli, Direktor des Bundesamtes" für Industrie, Gewerbe und Arbeit; Arbeitgebervertreter: Herr Ch.Tzaut, Ingenieur, Genf; Arbeitnehmervertreter: Herr Ch. Schürch, Sekretär des schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Ausserdem war die Delegation von einer eihe technischer Berater begleitet.

Bundesblatt. 91. Jahrg. Bd. 1.

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*750 Die Tagesordnung der Konferenz umfasste folgende Gegenstände: -- Berufliche Ausbildung und Lehrlings-wesen ; -- Eegelung des Arbeitsvertrages der eingeborenen Arbeitnehmer; -- Anwerbung, Arbeitsvermittlung und Arbeitsbedingungen der Wanderarbeiter ; -- Eegelung der Arbeits- und der Buhezeit der berufsmässigen Fahrer von Fahrzeugen des Strassenverkehrs ; -- Allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit; --- Statistik der Arbeitszeit und der Löhne in den wichtigsten Zweigen des Bergbaus und der Industrie sowie in der Landwirtschaft.

Daneben hatte die Konferenz wie immer eine Reihe weiterer Geschäfte zu behandeln.

II. Hauptbeschliisse der Konferenz und Stellungnahme der Schweiz.

1. Die nicht abschliessend behandelten Fragen.

Sämtliche mit Ausnahme des letzten der oben aufgeführten Traktanden standen -- vom Gesichtspunkt der reglementarisch vorgeschriebenen Doppelberatung aus betrachtet -- zum Zwecke der ersten Beratung auf der Tagesordnung der Konferenz, wenn sie auch vielfach mit Verhandlungsgegenständen und Beschlüssen früherer Konferenztagungen unmittelbar zusammenhingen..

Das Verfahren bestand hier überall darin, dass zunächst .eine von der Konferenz bestellte, aus Vertretern der Eegierungen, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zusammengesetzte Kommission die betreffende Frage behandelte und dem Plenum Bericht erstattete. Hierauf fand in der Vollkonferenz eine allgemeine Aussprache statt, wobei die einzelnen Punkte des vom Internationalen Arbeitsamt ari die Mitgliedstaaten zu versendenden Fragebogens festgelegt wurden.

Endlich beschloss die Konferenz in allen diesen Fällen, den Gegenstand für die zweite, abschliessende Beratung auf die Traktandenliste der Tagung von 1939 zu setzen. Wir werden-also Gelegenheit haben, in unserm nächstjährigen Bericht auf die Fragen näher einzugehen und Ihnen davon Kenntnis zu geben, welche endgültigen Beschlüsse die Konferenz auf diesen Gebieten gefasst hat, sowie auch, welche Haltung die Schweiz ihnen gegenüber einnimmt.

2. Statistik der Arbeitszeit und der Löhne in den wichtigsten Zweigen des Bergbaus und der Industrie sowie in der Landwirtschaft.

Vorgeschichte des Übereinkommens. Das Internationale Arbeitsamt hat sich seit seiner Gründung wiederholt mit der Frage der Verbesserung und Vervollkommnung der Statistiken über Löhne und über Arbeitszeit befasst. Die im Jahre 1923 einberufene 1. Internationale Konferenz der Arbeitsstatistiker nahm hinsichtlich der Zusammenstellung von Statistiken über Löhne und Arbeitszeit eine Eeihe von Empfehlungen an. Diese Empfehlungen hatten jedoch keinen bindenden Charakter. Ihr Zweck war, die Eichtung anzugeben, in

751 welcher die Lohnstatistik in den einzelnen Ländern verbessert und international vergleichbarer gestaltet werden könnte. Die Empfehlungen sind den Eegierungen seinerzeit zur Kenntnisnahme mitgeteilt und als Eichtlinien für den Ausbau der Lohnstatistik empfohlen worden.

Die 4. Internationale Konferenz der Arbeitsstatistiker, die im Jahre 1981 stattfand, hat sich ebenfalls mit dieser Frage befasst. Diese Konferenz nahm eine Empfehlung an, in welcher der Wunsch geäussert wurde, dass die Präge der Zusammenstellung und Veröffentlichung international vergleichbarer Lohnstatistiken auf die Tagesordnung einer nächsten Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz gesetzt werde, damit diese ein Übereinkommen annehmen könne, durch das die ratifizierenden Regierungen verpflichtet würden, die geforderten Auskünfte regelmässig zu sammeln und mitzuteilen.

Im September/Oktober 1937 fand sodann eine vom Internationalen Arbeitsamt einberufene 5. Internationale Konferenz der Arbeitsstatistiker statt, die zur Aufgabe hatte, den Vorentwurf eines Übereinkommens über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit auszuarbeiten. An dieser Konferenz waren 28 Staaten mit insgesamt 40 Delegierten, darunter auch die Schweiz, vertreten.

Das Internationale Arbeitsamt hat den von der Internationalen Konferenz für Arbeitsstatistik aufgestellten Vorentwurf eines Übereinkommens dem Verwaltungsrate des Amtes unterbreitet. Dieser beschloss, die Frage auf die Tagesordnung der 24. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz zu setzen, und gab gleichzeitig der Auffassung Ausdruck, dass es der Konferenz anheimzustellen sei, ob sie die Frage im Wege der einfachen und einmaligen Beratung bebändern wolle. Das Internationale Arbeitsamt stellte daher einen Bericht auf, der alle für die Konferenz erforderlichen Unterlagen enthielt und es ihr ermöglichte, entweder das Verfahren der doppelten Beratung einzuschlagen oder sich für das Verfahren der einfachen Beratung zu entscheiden. Die Konferenz setzte einen aus 36 Mitgliedern bestehenden Ausschuss ein (18 Kegierungsvertreter und je 9 Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer), der sich mit 22 Stimmen gegen l dafür entschied, dass es angesichts der eingehenden Vorberatung der Frage durch die technische Konferenz der Arbeitsstatistiker nicht notwendig sei, das Verfahren der doppelten Beratung
einzuschlagen. Der Vorschlag wurde von der Konferenz angenommen.

Der Wortlaut des Übereinkommens, wie es hierauf aus den Verhandlungen des Ausschusses hervorging, hält sich weitgehend an den von der technischen Konferenz der Arbeitsstatistiker aufgestellten Entwurf. Er wurde einstimmig -- sowohl im Ausschuss als auch von der Konferenz selbst -- angenommen (Beilage III). Damit ist zum erstenmal ein Übereinkommen auf dem Gebiete der Arbeitsstatistik an der Internationalen Arbeitskonferenz zur Annahme gelangt.

Übereinkommen über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in den hauptsächlichsten Zweigen des Bergbaus und der Industrie, einschliesslieh des Baugewerbes, und in der Landwirtschaft. Das Übereinkommen setzt sich aus den folgenden vier Hauptteilen zusammen:

752 Teil I: Teil II:

Allgemeine Bestimmungen.

Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit im Bergbau und in der Industrie.

Teil III: Statistiken der Zeitlöhne und der gewöhnlichen Arbeitszeit im Bergbau und in der Industrie.

Teil IV: Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in der Landwirtschaft.

Im Ingress wird ganz allgemein der Wunsch ausgedrückt, es möchten alle Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation entsprechend den Bestimmungen des Teiles II des Übereinkommens Statistiken über die Durchschnittsverdienste und die tatsächliche Arbeitszeit durchführen. Um jedoch auch denjenigen Mitgliedern, welche hiezu nicht in der Lage sind, die Ratifikation des Übereinkommens zu ermöglichen, ist vorgesehen, dass jedes Mitglied durch eine besondere Erklärung : a. entweder einen der Teile II, III oder IV oder b. die Teile II und IV oder c. die Teile III und IV von der Ratifikation ausschliessen kann.

Jedes Mitglied, welches das Übereinkommen ratifiziert, ist verpflichtet, Statistiken über Löhne und Arbeitszeit gemäss den Bestimmungen des Teils II, III und IV durchzuführen, sie innerhalb bestimmter Fristen zu veröffentlichen und so bald wie möglich dem Internationalen Arbeitsamt zu übermitteln.

Die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit (Teil II) sollen sich auf die Arbeiter aller wichtigeren Industrien erstrecken, einschliesslich des Baugewerbes. Dabei genügt jedoch eine repräsentative Auswahl der Betriebe und der Arbeiter.

Die Durchschnittsverdienste, die pro Stunde, Tag, Woche oder einen andern üblichen Zeitabschnitt berechnet sein können, sowie die tatsächliche Arbeitszeit sind für jede der wichtigeren Industrien getrennt anzugeben. Der Durchschnittsverdienst soll alle Barzahlungen und Prämien des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer umfassen, einschliesslich allfälliger Abzüge für Beiträge an die Sozialversicherung und für Steuern. In Ländern, in denen die Naturalbezüge einen bedeutenden Teil der Lohnzahlung ausmachen, sollen ergänzende Angaben über diese Naturalbezüge gemacht werden. Die Statistik der Durchschnittsverdienste und der tatsächlichen Arbeitszeit ist mindestens einmal jährlich durchzuführen. Ferner soll die Statistik der Arbeitsverdienste und wenn möglich auch die der tatsächlichen Arbeitszeit alle drei Jahre ergänzt
werden durch getrennte Angaben für Männer und Frauen sowie für Erwachsene und Jugendliche. Schliesslich wird noch die regelmässige Aufstellung von Indexziffern verlangt, um die allgemeine Entwicklung der Stunden Verdienste und wenn möglich auch der Tagesverdienste darzustellen. Für diese Berechnung soll der verhältnismässigen Bedeutung der einzelnen Industrien gebührend Eechnung getragen werden.

Die Statistiken der Zeitlöhne und der gewöhnlichen Arbeitszeit (Teil III) sollen sich ebenfalls auf einen repräsentativen Teil der Arbeiterschaft in der

753 Industrie und im Baugewerbe erstrecken. Grundlage dieser Statistiken bilden die durch Gesetz, Tarifverträge, Schiedsprüche und Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern festgelegten Zeitlohnsätze und normalen Arbeitszeiten. Solche Angaben sollen für die Hauptberufe in einer umfassenden und repräsentativen Auswahl der verschiedenen Industrien mindestens alle drei Jahre und für einige der Hauptberufe der wichtigsten dieser Industrien jährlich wenigstens einmal festgestellt werden, wenn möglich getrennt nach Männern und Frauen, Erwachsenen und Jugendlichen. Sofern die benützten Informationsquellen Angaben über Lohnsätze für Überstunden, über bezahlte Ferien, Familienzulagen, Naturalbezüge sowie über die zulässige Überzeitarbeit enthalten, sollen diese Angaben ebenfalls in die Statistik einbezogen werden.

Ähnlich wie bei der Statistik der Durchschnittsverdienste wird auch hier die jährliche Aufstellung von Indexziffern gefordert, welche die allgemeine Entwicklung der Lohnsätze und der normalen Arbeitszeit veranschaulichen sollen.

Die Statistiken der landwirtschaftlichen Löhne (Teil TV) sollen mindestens alle zwei Jahre aufgestellt werden. Die Anforderungen, die an eine solche Statistik gestellt werden, sind weniger weitgehend als bei der Statistik der Löhne der Industriearbeiterschaft. Es wird lediglich verlangt, dass für die hauptsächlichsten Landesgegenden getrennte Lohnangaben gemacht werden und dass Art und Bedeutung der Naturalzulagen anzugeben sind. Ergänzend soll ferner beigefügt werden, auf welche Kategorien von landwirtschaftlichen Arbeitskräften sich die Lohnangaben beziehen, welcher Informationsquelle die Angaben entnommen bzw. welche Erhebungsmethode angewandt wurde. Auch ist die gewöhnliche Arbeitszeit der erfassten Arbeiter, soweit dies möglich ist, anzugeben.

. Weitere Beschlüsse der Konferenz betreffend Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit. Die technische Konferenz der Arbeitsstatistiker hatte ausser dem Wortlaut des Entwurfes zu diesem Übereinkommen eine Empfehlung beschlossen, welche die Zusammenstellung von weitergehenden Statistiken vorsieht, um die im Übereinkommen selbst verlangten Statistiken zu ergänzen.

Da jedoch das Übereinkommen selbst einen Artikel enthält, der eine Verbesserung und einen Ausbau der in ihm verlangten Statistiken vorsieht, ist diese
Empfehlung von der Konferenz nicht angenommen und durch eine Besolution ersetzt worden, der den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes auffordert, die Empfehlung zu prüfen und den Begierungen davon Kenntnis zu geben.

Sodann nahm die Konferenz zwei weitere Besolutionen an. Die eine davon betrifft die Statistik der Löhne und der Arbeitszeit in der Landwirtschaft; durch sie wird der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes ersucht, zu prüfen, ob es nicht zweckmässig wäre, im Hinblick auf die Verbesserung und den Ausbau der in Durchführung des Übereinkommens zusammengestellten Statistiken, eine Sachverständigenkonferenz einzuberufen zur Prüfung der Methoden für die Aufstellung von Statistiken über die Löhne und die Arbeitszeit in der Landwirtschaft. Die andere Entschliessung betrifft die Statistik

754 der Beallöhne ; durch sie wird das Internationale Arbeitsamt aufgefordert, seine Tätigkeit mit Bezug auf die internationalen Vergleiche der Reallöhne fortzusetzen und zu erweitern.

Stellungnahme der Schweiz zum Übereinkommen. Das Übereinkommen beschränkt sich in der Hauptsache darauf, gewisse allgemeine Normen aufzustellen, um im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten eine Vergleichbarkeit zwischen den Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in den verschiedenen Ländern zu gewährleisten. Den besonderen Verhältnissen in den einzelnen Ländern ist dabei weitgehend Rechnung getragen. Das Übereinkommen erstreckt sich nur auf solche Statistiken, die in den meisten Ländern bereits mehr oder weniger entwickelt sind. Es berücksichtigt insbesondere, dass in einzelnen Ländern vor allem die Statistik der Lohnsätze und der normalen Arbeitszeit gepflegt wird, während andere Länder der Statistik der effektiven Arbeitsverdienste und der tatsächlichen Arbeitszeit den Vorzug geben. Zu den letztgenannten Ländern gehört auch die Schweiz. Nach dem gegenwärtigen Stande der amtlichen Lohn- und Arbeitszeitstatistik wäre die Schweiz in der Lage, das Übereinkommen zu ratifizieren. Allerdings könnte sich die Ratifizierung vorläufig nur auf die Teile I und II des Übereinkommens erstrecken, welche die allgemeinen Bestimmungen und die Vorschriften über die Statistik der Durchschnittsverdienste und der tatsächlichen Arbeitszeit enthalten. Dagegen müssten die Teile III und IV, die sich auf die Statistiken der Zeitlohnsätze und der normalen Arbeitszeit sowie auf die Löhne in der Landwirtschaft beziehen, vorläufig von der Ratifikation ausgeschlossen werden.

Die Forderungen, die im Teil II des Übereinkommens betreffend die Angaben über Arbeitsverdienste und tatsächliche Arbeitszeit aufgestellt werden, sind in. der Schweiz durch die jährliche Statistik über die Löhne verunfallter Arbeiter einerseits und die vierteljährlichen Erhebungen über die tatsächliche Arbeitszeit in der Industrie anderseits bereits weitgehend verwirklicht. Die Ergebnisse der erstgenannten Statistik werden seit Jahren regelmässig veröffentlicht und die Hauptresultate auch dem Internationalen Arbeitsamt zur Kenntnis gebracht, das sie in seinen internationalen Zusammenstellungen über die Lohnentwicklung in der «Internationalen Rundschau der Arbeit»
veröffentlicht. Mit einigen Abänderungen und Ergänzungen genügen die beiden genannten Statistiken den Vorschriften des Übereinkommens vollauf. Eine gewisse Schwierigkeit liegt lediglich darin, auf Grund der vorhandenen Angaben und unter Berücksichtigung der Bedeutung der einzelnen Industrien einen Index zu konstruieren, der die allgemeine Lohrientwicklung richtig wiedergibt.

Wie erwähnt, müssten die Bestimmungen des Teils III des Übereinkommens über die Statistik der Zeitlohnsätze und der normalen Arbeitszeit bis auf weiteres von der Ratifikation ausgeschlossen werden, da die tarifvertragliche Regelung der Löhne in der Schweiz sich vorwiegend auf das Gewerbe bezieht und nur in verhältnismässig wenigen für diese Statistik in Betracht fallenden Industrien oder Industriezweigen üblich ist.

755 Über die Löhne in der Landwirtschaft, welche Gegenstand des Teils IV des Übereinkommens bijden, werden zurzeit von der Bundesstatistik noch keine Erhebungen durchgeführt, so dass von einer Eatifikation dieses Teils abgesehen werden muss. Dieser Teil des Übereinkommens bietet für die Schweiz auch materiell kein grosses. Interesse, da die Landwirtschaft unseres Landes sich in erster Linie der Arbeitskräfte der eigenen Familie bedient und die Betriebe mit einer grösseren Zahl fremder Arbeitskräfte nicht zahlreich sind.

Es stellt sich abschliessend die Frage, ob die Schweiz ein Interesse daran habe, einem Übereinkommen über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit beizutreten. Diese Frage muss bejaht werden. Die Schweiz ist wirtschaftlich weitgehend mit den übrigen Ländern verbunden. Angesichts dieser starken Verflechtung mit den weltwirtschaftlichen Verhältnissen hat sie ein besonderes Interesse an allen Statistiken, welche Vergleiche der wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen oder wenigstens Einblicke in einzelne massgebende Faktoren auf möglichst vergleichbarer Grundlage gewähren. Die Lohn- und Arbeitszeitverhältnisse gehören unbestritten hiezu. Ganz allgemein besteht daher für die Schweiz ein Interesse an allen Massnahmen, durch welche solche Statistiken gefördert werden und die geeignet sind, ihre internationale Vergleichbarkeit zu erhöhen. Da die Teile III und IV des Übereinkommens von der Eatifikation ausgeschlossen werden können, so würde ein Beitritt dem Bund keine Aufgaben überbinden, deren Erfüllung auf besondere Schwierigkeiten stösst. Das Übereinkommen auferlegt der Schweiz auch keine Verpflichtungen, die mit den wirtschaftlichen oder anderen Landesinteressen unvereinbar sind.

Die Ratifikation erfordert auch keine neuen gesetzlichen Massnahmen, da die geltenden Bestimmungen über die Organisation des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit als Grundlage für die Durchführung der erforderlichen Statistiken und damit des Übereinkommens genügen. Wir empfehlen Ihnen somit die Eatifikation des Übereinkommens über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit unter Beschränkung auf die Teile I und II des Übereinkommens und unterbreiten Ihnen einen entsprechenden Beschlussentwurf (Beilage I).

III. Die übrigen wichtigeren Traktanden der Konferenz.

Bericht des Direktors. Der Bericht
des Direktors befasste sich wiederum mit der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung während des vorausgehenden Jahres. Weiterhin legte er wie üblich Eechenschaft ab über die Tätigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation, um zum Schluss ein Bild zu entwerfen von den Zukunftsaufgaben und -aussichten der Organisation im Eahmen der weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Umgestaltungen.

Die Konferenz widmete dem Jahresbericht -- einschliesslich eines Sonderberichtes über die fernöstlichen Arbeitsprobleme, den der Direktor auf Grund seiner Eeise nach Indien, Niederländisch-Indien, den Malaienstaaten und Ceylon verfasst hatte -- eine ausgiebige Aussprache, an der sich 68 Eedner, wovon 88 Vertreter aussereuropäischer Staaten, beteiligten.

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Bei dieser Gelegenheit ergriff auch der Führer der schweizerischen Delegation, Herr alt Bundesrat Schulthess, das Wort. Er wies insbesondere darauf hin, dass die Schweiz trotz der andauernden wirtschaftlichen Krise sich eines bemerkenswerten sozialen Friedens erfreue, der teils auf die im allgemeinen befriedigenden Arbeitsbedingungen und auf die gegen die Arbeitslosigkeit und ihre Folgen getroffenen Massnahmen zurückzuführen sei, daneben aber vor allem auch dem versöhnlichen Geist und. der Verständigungsbereitschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zugeschrieben werden müsse. Der Redner berührte sodann die Frage der Zusammensetzung des Verwaltungsrates des Internationalen Arbeitsamtes, von der in unserem letztjährigen Bericht l ) die Eede war, und sprach die Hoffnung aus, dass das Nötige getan werde, um eine turnusmässige Besetzung der nichtständigen Eegierungssitze im Verwaltungsrate zu ermöglichen.

Berichterstattung über die ratifizierten Übereinkommen. Zur Prüfung der von den Mitgliedstaaten auf Grund von Art. 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (Art. 408 des Versailler Vertrages) alljährlich zu erstattenden Berichte über die Durchführung der von ihnen ratifizierten Übereinkommen setzte die Konferenz wie üblich -- es geschah dies zum zwölften Male -- eine besondere Kommission ein. Die Bemerkungen, welche die Kommission in ihrem Berichte an die Konferenz regelmässig anbringen muss und die sich auf den verspäteten Eingang oder das gänzliche Ausbleiben der von den Mitgliedstaaten geschuldeten Berichte wie auch auf die mangelhafte Durchführung ratifizierter Übereinkommen und die Wichtigkeit einer wirksamen Arbeitsaufsicht beziehen, fehlten auch diesmal nicht. Eine grössere Anzahl ausstehender Berichte lenkte die Aufmerksamkeit auf die aktuelle Frage, wie es sich mit den internationalen Verpflichtungen von Staaten verhält, welche gewisse Übereinkommen ratifiziert haben, nachher aber aus der Internationalen Arbeitsorganisation ausgetreten sind.

Reglement. Die Konferenz nahm an ihrem Réglemente verschiedene Änderungen vor. Die weitaus bedeutsamste davon betraf das Verfahren für die Annahme von Übereinkommensentwürfen und von Empfehlungen, das im Lauf der Zeit schon mehrmals abgeändert worden war. Das geltende System, als System der doppelten Beratung bezeichnet, bestand darin,
dass jeder Gegenstand, der vom Verwaltungsrat auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt wurde, im Verlaufe zweier aufeinanderfolgender Tagungen behandelt werden musste. Die erste Beratung fusste jeweils auf einem Bericht des Internationalen Arbeitsamtes, worin Gesetzgebung und Praxis des betreffenden Gegenstandes in den verschiedenen Staaten dargelegt wurden, und führte, falls sich die Konferenz dafür entschied, die Frage weiter zu verfolgen, zur Aufstellung eines Verzeichnisses derjenigen Punkte, über welche die Meinungsäusserung der Mitgliedstaaten einzuholen war. Auf Grund dieser ersten Beratung der Konferenz stellte das Internationale Arbeitsamt den Regierungen l

) Bundesbl. 1938, Bd. II, S. 24.

757 einen Fragebogen zu und verfasste, gestützt auf die Antworten, einen abschliessenden Bericht mit den Vorentwürfen zu Übereinkommen und Empfehlungen, zu denen die Konferenz anlässlich ihrer zweiten Beratung Stellung nahm.

Dieses Verfahren der doppelten Beratung hatte sich in gewissen Fällen, insbesondere dort, wo ein Gegenstand schon durch Vorarbeiten der Internationalen Arbeitskonferenz selbst oder besonderer technischen Konferenzen genügend vorbereitet war, als umständlich und zeitraubend erwiesen, so dass die Konferenz sich verschiedentlich, unter Suspendierung der reglementarischen Bestimmungen, mit einer einmaligen Beratung begnügte, -- ein nicht gerade glückliches Verfahren. Um für die Zukunft eine klare Situation zu schaffen, schien es nun angezeigt, die Eeglemente der Konferenz und des Verwaltungsrates den Bedürfnissen, wie sie sich in letzter Zeit aus den Erfahrungen ergeben hatten, anzupassen. Dies geschah durch eine Neuregelung, die sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen lässt: Wenn der Verwaltungsrat bei Festsetzung der Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz nicht anders beschliesst, ist ein Gegenstand, welcher auf die Traktandenliste der Konferenz gesetzt wurde, wie bisher einer doppelten Beratung zu unterziehen. Bei besonderer Dringlichkeit oder wo andere besondere Umstände es rechtfertigen, kann der Verwaltungsrat jedoch mit einer Mehrheit von drei Fünfteln der abgegebenen Stimmen beschliessen, der Konferenz den Gegenstand zu einer bloss einmaligen Beratung zu unterbreiten.

Bei diesem Verfahren der einfachen Beratung stellt das Internationale Arbeitsamt den Regierungen einen zusammenfassenden Bericht mit Fragebogen zu. Die Antworten darauf sollen so bald wie möglich, grundsätzlich jedenfalls mindestens sechs Monate vor Eröffnung der Konferenz, einlangen.

Auf Grund dieser Antworten verfasst das Internationale Arbeitsamt einen endgültigen Bericht, der den Eegierungen spätestens vier Monate vor Eröffnung der Konferenz zugehen soll und der gegebenenfalls Entwürfe von Übereinkommen oder Empfehlungen enthält. Wenn der Gegenstand zuvor von einer vorbereitenden technischen Konferenz behandelt wurde, kann der Verwaltungsrat bebchliessen, dass das' Internationale Arbeitsamt den Bericht auf Grund der von dieser Konferenz geleisteten Vorarbeiten ohne vorherige Versendung
eines Fragebogens an die Eegierungen verfasse. Die Arbeitskonferenz entscheidet hierauf über die Annahme der Entwürfe von Übereinkommen oder Empfehlungen im Verlaufe einer einzigen Tagung.

Wo anderseits ein Gegenstand nach dem üblichen V e r f a h r e n der doppelten Beratung zu behandeln ist, lässt das Internationale Arbeitsamt den Eegierungen mindestens sechs Monate vor Beginn der Konferenz einen zusammenfassenden Bericht samt Fragebogen zukommen. Derselbe Bericht wird zusammen mit einem auf Grund der Antworten der .Eegierungen abgefassten neuen Bericht der Konferenz unterbreitet und von dieser einer ersten Beratung unterzogen. Entscheidet die Konferenz, dass der Gegenstand sich für eine Eegelung in Form von Übereinkommen oder Empfehlungen eigne, so setzt

758 sie ihn entweder auf das Traktandenverzeichnis der nächstfolgenden Tagung oder ersucht den Verwaltungsrat, ihn für die Tagesordnung einer spätem Konferenz vorzusehen. Gestützt auf die von Seiten der Eegierungen erfolgte Beantwortung des Fragebogens sowie auf die erste Aussprache der Konferenz stellt das Internationale Arbeitsamt sodann einen oder mehrere Entwürfe von Übereinkommen oder Empfehlungen auf und übermittelt sie den Eegierungen mit dem Ersuchen, ihm innerhalb von vier Monaten ihre allfälligen Abänderungsanträge oder Bemerkungen bekanntzugeben. Auf Grund der Antworten der Eegierungen verfasst das Amt einen Schlussbericht, der den -- je nachdem abgeänderten -- Wortlaut der Übereinkommen oder Empfehlungen enthält, und lässt ihn den Eegierungen spätestens drei Monate vor Beginn der Konferenztagung zukommen. An dieser zweiten Tagung beschliesst die Konferenz endgültig über die ihr unterbreiteten Vorlagen.

Resolutionen. Verschiedene Eesolutionen standen in unmittelbarem Zusammenhang mit den eigentlichen Verhandlungsgegenständen der Konferenz; zwei hievon betrafen die Berufsberatung sowie die berufliche Um- und Nachschulung erwachsener Arbeitnehmer, zwei weitere die Verkürzung der Arbeitszeit in den Kohlenbergwerken und im Verkehrswesen, und drei Entschliessungen, von denen schon die Eede gewesen ist, bezogen sich auf Fragen der Lohn- und Arbeitszeitstatistik. Hievon abgesehen wurde der Konferenz wie alle Jahre eine grössere Zahl sonstiger Eesolutionen unterbreitet und von ihr genehmigt, die sich mit folgenden Problemen befassten: Berücksichtigung der religiösen und nationalen Feiertage bei Festsetzung der Tagungen der Internationalen Arbeitsorganisation, Gleichbehandlung von Arbeitnehmern der verschiedenen Eassen und religiösen Bekenntnisse, Eegelung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der Forstwirtschaft, Festsetzung eines Höchstgewichtes für Traglasten, Abgangsentschädigungen für entlassene Arbeitnehmer. Eine weitere von der Konferenz angenommene Eesolution betraf die Einberufung einer zweiten regionalen Arbeitskonferenz der amerikanischen Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation, ähnlich derjenigen, die Anfang 1936 in Santiago in Chile stattfand 1).

Berichterstattung des Verwaltungsrates über die Übereinkommen. Der Verwaltungsrat stattete der Konferenz über folgende
Übereinkommen die in den Formalartikeln vorgesehenen periodischen Berichte ab: Übereinkommen über die Nachtarbeit in Bäckereien, Übereinkommen über den Heuervertrag der Schiffsleute, Übereinkommen über die Heimschaffung der Schiffsleute, Übereinkommen über die Krankenversicherung der Arbeitnehmer in Gewerbe und Handel und der Hausgehilfen, Übereinkommen über die Krankenversicherung der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft. Die Berichte beziehen sich auf die *) Siehe Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die neunzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, vom 20. April 1936, Bundesbl.

1936, Bd. I, S. 755.

759 Durchführung der betreffenden Konvention und die Frage, ob deren gänzliche oder teilweise Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz zu setzen sei.

Da der Verwaltungsrat diese Frage für sämtliche aufgeführten Übereinkommen verneinte, hatte sich die Konferenz damit nicht zu befassen.

Nach Art. 22, Abs. 5, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (Art. 405, Abs. 5 des Versailler Vertrages) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, nicht später als ein Jahr oder ausnahmsweise spätestens 18 Monate nach Schluss der Konferenz die Entwürfe von Übereinkommen und die Empfehlungen der zur Entscheidung darüber berufenen Behörde zu unterbreiten zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen. Wir legen Ihnen demgemäss das an der 24. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz aufgestellte Übereinkommen über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit vor und bitten Sie, von den vorstehenden Ausführungen in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen.

Die Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, welcher der vorliegende Bericht gewidmet ist, war die letzte, an der Herr Harold Butler, der im Frühjahr 1938 auf das Jahresende seine Demission als Direktor des Internationalen Arbeitsamtes eingegeben hatte, teilnahm. Herr Butler hat zunächst als Mitarbeiter von Albert Thomas, dem ersten Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, und seit 1982 als dessen Nachfolger seine hervorragenden Fähigkeiten und seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Internationalen Arbeitsorganisation gestellt. Die Anerkennung und der Dank, der ihm hierfür von allen Seiten und so auch vom Führer der schweizerischen Delegation an der Konferenztagung ausgesprochen wurden, waren wohlverdient.

Als Nachfolger von Herrn Butler wählte der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes dessen bisherigen Vizedirektor, Her/n John G.Winant, der früher in den Vereinigten Staaten von Amerika in hohen politischen und sozialpolitischen Stellungen eine bedeutende Eolle gepielt hat.

B. Zur Frage der Ratifikation verschiedener internationaler Arbeitsübereinkommen durch die Schweiz.

Am 21. Dezember 1938 nahm der Nationalrat ein Postulat an, das am 29. September 1938 von Herrn Nationalrat Robert und 26 Mitunterzeichnern eingereicht worden war. Dieses Postulat ersucht den Bundesrat «um beschleunigte Eatifikation der von den Internationalen Arbeitskonferenzen ausgearbeiteten Übereinkommen, insoweit diese keine Eevision der Bundesverfassung, noch die Genehmigung einer besondern Gesetzgebung bedingen, die lange Vorarbeiten erheischt», und nennt dabei die folgenden:

760

Übereinkommen über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiss zum Anstrich, Übereinkommen über die Einrichtung von Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen, Übereinkommen über die Eegelung der Arbeitszeit im Handel und in Büros, Übereinkommen über die Begrenzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf acht Stunden täglich und achtundvierzig Stunden wöchentlich, Übereinkommen über die Entschädigung bei Berufskrankheiten (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1984), Übereinkommen über den bezahlten Jahresurlaub, Übereinkommen über die Zwangs- oder Pflichtarbeit, Übereinkommen über die Arbeitszeit in automatischen Tafelglashütten, Übereinkommen über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten in Bergwerken, Übereinkommen über die Gewährung von Versicherungsleistungen oder von Unterstützungen an unfreiwillig Arbeitslose.

Wir haben in unsern Berichten über die Internationalen Arbeitskonferenzen bei einer grössern Zahl von Übereinkommen, welche die Schweiz unter allen Umständen nicht gleich ratifizieren konnte, uns vorbehalten, die Frage der Batifikation in einem spätem Zeitpunkt erneut zu prüfen. Aber auch in andern Fällen, wo dies nicht ausdrücklich geschehen war, ergab sich das natürliche Bedürfnis, von Zeit zu Zeit abzuklären, ob unter dem Einfluss veränderter Verhältnisse die Eatifikation gewisser Übereinkommen durch die Schweiz inzwischen in den Bereich der Möglichkeit gerückt sei. Als das Postulat Eobert eingereicht wurde, war eine solche Prüfung durch das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit im Gange, und es bestand ohnehin die Absicht, Ihnen über diese Frage demnächst Bericht und Antrag zu unterbreiten, wie dies der Vorsteher des Volkswirtschaf tsdepartementes schon im August 1938 der nationalrätlichen Kommission für die Behandlung unseres Berichtes über die 21., 22.

und 23. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz bekanntgab. Nachdem das Postulat jedoch vorliegt und eine ganze Anzahl von Übereinkommen, deren Eatifikation es wünscht, mit Namen aufführt, werden wir gerade auch diese in der folgenden Berichterstattung besonders berücksichtigen.

Wir möchten vorausschicken, dass wir die grosse Bedeutung der Internationalen Arbeitsorganisation vollauf anerkennen und nach wie vor bereit sind, nach
besten Kräften an der Verwirklichung ihrer Ziele mitzuhelfen. Wir sind auch gewillt, sofern nicht triftige Gründe dagegen sprechen, durch die Eatifikation der internationalen Arbeitsübereinkommen hiezu beizutragen, obschon dies keineswegs die einzige Form ist, um die Bestrebungen der genannten Organisation zu unterstützen. Dagegen müssen wir es ablehnen, dass der soziale Fortschritt eines Landes nach der Zahl der von ihm ratifizierten Arbeitskonventionen bemessen werde. Obgleich die Schweiz bis jetzt erst neun von insgesamt 63 Übereinkommen der Internationalen Arbeitskonferenz ratifiziert hat, braucht sie, was ihre sozialen Einrichtungen und den Stand der Lebenshaltung ihrer Bevölkerung betrifft, den Vergleich mit keinem andern Staate zu scheuen. Wenn die Zahl der von uns bisher ratifizierten Arbeitsüberein-

761 kommen verhältnismässig bescheiden ist, so liegt dies in den besondern Verhältnissen unseres Landes begründet.

Zunächst gibt es zahlreiche Übereinkommen, die für die Schweiz praktisch keine Bedeutung haben. Wir nennen vor allem die stattliche Gruppe, die sich auf die Arbeitsbedingungen in der Seeschiffahrt bezieht. Wollte die Schweiz den Marineübereinkommen beitreten, so könnte sie mit einem Schlag rund ein Dutzend weiterer Eatifikationen für sich buchen. Wir sind jedoch der Meinung, dass ein solcher Akt, der nach der Natur der Dinge -- solange die Schweiz keine Schiffe unter eigener Flagge fahren lässt -- toter Buchstabe und ohne jede Auswirkung bliebe, sich nicht rechtfertigen liesse und nur geeignet wäre, den Wert und die Bedeutung, die einer Eatifikation zukommen sollten, herabzumindern.

Ähnlich verhält es sich mit den Konventionen, welche die Arbeit der Eingeborenen in den Kolonialgebieten betreffen. Immerhin spielen hier Erwägungen besonderer Art eine Rolle. Zu dem Übereinkommen über die Zwangs- oder Pflichtarbeit, von 1930, das hier hauptsächlich zu nennen und auch im Postulat Eobert aufgeführt ist, haben wir uns in unserm Bericht über die 14. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz wie folgt geäussert: «Das Problem der Zwangsarbeit ist für die Schweiz ohne praktische Bedeutung. Aus humanitären Gründen können wir ihm jedoch unser Interesse nicht versagen, sondern müssen jedes Vorgehen begrüssen und unterstützen, welches die Abschaffung einer den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Zivilisation widerstreitenden Einrichtung bezweckt. Die Stellung unseres Landes ist hier eine ähnliche wie gegenüber der Frage der Sklaverei, mit der sich ja die Zwangsarbeit auch sachlich nahe berührt. Die Schweiz ist dem am 25. September 1926 in Genf unterzeichneten Sklavereiabkommen beigetreten, um ihre Solidarität mit den Zielen dieser internationalen Vereinbarung zu bekunden und ihr nach Möglichkeit ihre moralische Unterstützung zu gewähren.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass dieselbe Haltung auch gegenüber dem Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit einzunehmen sei. Gleichwohl dürfte es angezeigt sein, zunächst die Eatifikation der wichtigsten Kolonialmächte abzuwarten, die an der Sache unmittelbar beteiligt sind. Bis jetzt ist noch keiner dieser Staaten dem Übereinkommen beigetreten;
es liegt überhaupt nur eine einzige Eatifikation vor. Der Bundesrat wird die Entwicklung verfolgen und Ihnen zu gegebener Zeit den formalen Antrag auf Eatifikation unterbreiten»1). Inzwischen ist das Übereinkommen über die Zwangs- oder Pflichtarbeit von folgenden Staaten ratifiziert worden: Australien, Bulgarien, Chile, Dänemark, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Italien, Japan, Jugoslawien, Liberia, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Nikaragua, Norwegen, Schweden, Spanien. Wir glauben, damit sei der Augenblick gekommen, in dem auch die Schweiz dem Übereinkommen beitreten könne, und beantragen Ihnen, uns hiezu die Ermächtigung zu erteilen.

*) Bundesbl.1931, Bd. I, S. 455.

762 Auch die bisher aufgestellten Konventionen, die sich auf den Bergbau beziehen, haben für uns keine oder nur äusserst geringe praktische Bedeutung.

So pflegten wir auch hier den Standpunkt einzunehmen, dass sich für die Schweiz eine abwartende Haltung empfehle, bis zur Abklärung der Stellungnahme der unmittelbar und hauptsächlich beteiligten Staaten. Dies war unsere Auffassung gegenüber dem Übereinkommen über die Begrenzung der Arbeitszeit im Kohlenbergbau M, das sowohl in seiner ursprünglichen Fassung vom Jahre 1981 als auch in seinem abgeänderten Wortlaut von 1935 nur von einem Staat -- dort von Mexiko, hier von Cuba -- ratifiziert worden ist. Grundsätzlich dieselbe Stellung nahmen wir ein gegenüber dem im Jahre 1935 beschlossenen Übereinkommen über die Beschäftigung von Frauen bei U n t e r t a g a r b e i t e n in Bergwerken jeder Art, das diese Beschäftigung verbietet2). Nachdem jedoch unterdessen zahlreiche Staaten (Afghanistan, Belgien, Brasilien, China, Cuba, Estland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Griechenland, Indien, Irland, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Türkei, Südafrikanische Union) diesem Übereinkommen beigetreten sind, halten wir -- in Übereinstimmung mit dem Postulat Eobert -- dafür, dass auch die Schweiz es nunmehr ohne Bedenken ratifizieren könne. In den Bergwerken unseres Landes werden zurzeit überhaupt keine Frauen bei Untertagarbeiten beschäftigt. Eine derartige Beschäftigung weiblicher Personen liegt auch den Gepflogenheiten und der Anschauungsweise unseres Volkes so fern, dass es uns ohne weiteres möglich und gerechtfertigt scheint, eine förmliche Bindung einzugehen, welche die Frauenarbeit auf diesem Gebiete ausschliesst. Die Eatifikation des Übereinkommens erfordert allerdings, wie wir dies in unserem Berichte über die 19. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz ausgeführt haben 2 ), eine Änderung der Fabrikgesetzgebung durch Ergänzung der Artikel 183 und 189bl8 der Vollzugsverordnung (Ausschluss von Frauen und Kindern von gewissen Fabrikationszweigen und Verrichtungen) und, soweit nichtfabrikmässige gewerbliche Betriebe in Frage stünden, eine besondere Ausführungsbestimmung zu Art. 8 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben, der dem Bundesrate die Befugnis gibt,
solche gesundheitsschädliche gewerbliche Betriebe zu bezeichnen, bei denen weibliche Personen nicht oder nur mit Einschränkungen beschäftigt werden dürfen. Es liegt in der Befugnis des Bundesrates, diese Ergänzungen unserer Gesetzgebung vorzunehmen. Falls Sie damit einverstanden sind, uns zur Ratifikation des Übereinkommens über die Beschäftigung von Frauen bei Üntertagarbeiten in Bergwerken jeder Art zu ermächtigen, würden wir somit durch eine Verordnung die beiden genannten Lücken der Gesetzgebung ausfüllen und hierauf das Übereinkommen ratifizieren. Der Tatsache, dass das Übereinkommen keine Ausnahme für Familienbetriebe vorsieht, während 1 2

) Bundesbl. 1932, Bd. I, S. 671 ; Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 772.

) Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 767.

763 die zwei in Frage stehenden Bundesgesetze diese Betriebe von ihrem Geltungsbereich ausnehmen, glauben wir kein Gewicht beimessen zu müssen, da ein Bergwerk als Familienbetrieb praktisch nicht in Frage kommt.

Die Auffassung, dass die Schweiz, bevor sie sich irgendwie binde, die Stellungnahme der massgebenden andern Staaten abwarten solle, wurde auch gegenüber dem Übereinkommen über die V e r e i n f a c h u n g der A u f sicht über die A u s w a n d e r e r an Bord von S c h i f f e n , vom Jahre 1926, eingenommen. Wir schrieben in unserm damaligen Bericht, nachdem wir überhaupt Zweifel über die Zweckmässigkeit, das bestehende System zu ändern, geäussert hatten: «Soll die Konvention einen wirklichen Nutzen haben, dann muss sie von den seefahrenden Staaten angenommen werden. Treten ihr diese nicht bei, dann hat sie keinen praktischen Wert, und eine Katifikation von Binnenländern, wie z. B. der Schweiz, wäre bedeutungslos»1). Unter diesen Umständen behielten wir uns vor, gegebenenfalls später auf die Sache zurückzukommen, wenn einmal feststünde, welche Haltung die seefahrenden Nationen, insbesondere diejenigen mit Schiffen, die von schweizerischen Auswanderern benutzt werden, gegenüber dem Übereinkommen (und der damit zusammenhängenden Empfehlung) einnähmen. Die weitaus wichtigsten dieser Länder sind -- in der Eeihenfolge ihrer Bedeutung --: Frankreich, Deutschland und Italien. Von ihnen sind Deutschland und Italien (die zudem nicht mehr Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation sind) dem Übereinkommen überhaupt nicht beigetreten; Frankreich hat es bedingt ratifiziert, d.h. unter der Voraussetzung, dass gewisse andere Länder, worunter Italien, es ebenfalls ratifizieren. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wird von keinem der drei Staaten, deren Schiffe von den schweizerischen Auswanderern in erster Linie benutzt werden, das im Übereinkommen vorgesehene Aufsichtssystem befolgt. Somit kommt entsprechend dem von uns seinerzeit eingenommenen und von Ihnen gutgeheissenen Standpunkt dessen Eatifikation durch die Schweiz nicht in Frage.

Bei einer weitern Gruppe von Übereinkommen ist die von der Schweiz gegenüber der Frage der Eatifikation geübte Zurückhaltung in der rechtlichen Struktur unseres Staates begründet. Bundesrat und Bundesversammlung haben sich immer auf den Standpunkt gestellt,
die Schweiz dürfe ein Übereinkommen erst dann ratifizieren, wenn die den Bestimmungen des Übereinkommens entsprechenden bundesgesetzlichen Vorschriften bestünden und der Bund für eine restlose Einhaltung der mit der Eatifikation übernommenen Verpflichtungen -- eine solche gilt meist für die Dauer von 10 Jahren -- einstehen könne. In gleichem Sinne hat auch die Internationale Arbeitskonferenz selber gegenüber einer weniger strengen Auffassung, wie sie in der Haltung gewisser Staaten zum Ausdruck kommt, immer wieder betont, die Eatifikation eines arbeitsrechtlichen Übereinkommens sei nicht eine unver*) Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1926, S. 575.

764

bindliche Sympathiekundgebung für ein sozialpolitisches Programm, sondern eine ebenso streng verpflichtende Bindung, wie die Eatifikation eines andern Staatsvertrages. So viel an ihr lag, hat die Schweiz namentlich im Zusammenhange mit der regelmässigen Prüfung der Frage, wie die Staaten die von ihnen ratifizierten Übereinkommen durchführen, diesen Standpunkt an den Tagungen der Internationalen Arbeitskonferenz stets mit aller Entschiedenheit verfochten.

Sie hält unbedingt am Grundsatze fest : keine Eatifikation, ohne dass zwischen nationaler Gesetzgebung und internationalen Übereinkommen volle Übereinstimmung besteht. Daraus ergibt sich, dass die Schweiz Konventionen nicht ratifizieren kann, die eine Materie betreffen, für die dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis und damit gleichzeitig auch die Möglichkeit fehlt, sich für die Einhaltung der in den Konventionen enthaltenen Bestimmungen zu verpflichten. Dies gilt namentlich für gewisse landwirtschaftliche Übereinkommen, wie wir dies in unserem Berichte über die 8. und 4. Internationale Arbeitskonferenz dargetan haben1).

Diese Schwierigkeiten bestehen aber nicht in bezug auf das Übereinkommen über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, vom Jahre 1921, weshalb wir Ihnen beantragen, dieses zu ratifizieren. Die Eatifikation des Übereinkommens verpflichtet dazu, «allen in der Landwirtschaft beschäftigten Personen das gleiche Vereinigungs- und Koalitionsrecht wie den gewerblichen Arbeitnehmern zu gewährleisten und jede gesetzliche oder sonstige Vorschrift aufzuheben, die dieses Eecht für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer einschränkt». Da die landwirtschaftlichen Arbeiter in der Schweiz, die mit dem Dienstherrn meist in häuslicher Gemeinschaft leben, beruflich nicht organisiert sind und die Konvention zweifellos zunächst auf andere Verhältnisse als die unsrigen zugeschnitten ist, haben wir seinerzeit davon abgesehen, den Beitritt zu ihr zu beantragen2).

Mit Eücksicht darauf, dass das Vereinsrecht nach der Bundesverfassung (Art. 56) allen Bürgern gewährleistet und damit die Forderung des -- im Postulat Eobert ebenfalls aufgeführten -- Übereinkommens bei uns erfüllt ist, steht jedoch seiner Eatifikation durch die Schweiz nichts im Wege, und wir beantragen Ihnen, uns hiezu zu ermächtigen.

Bei Beurteilung der Stellung
der Schweiz zu den Internationalen Arbeitsübereinkommen muss auch berücksichtigt werden, dass ein Land, das wie das unsrige schon eine ausgedehnte Sozialgesetzgebung besitzt, bezüglich der Eatifikation mancher Übereinkommen grössern Schwierigkeiten gegenübersteht als ein Staat, der seine Gesetzgebung auf diesem Gebiete erst neu zu schaffen hat. Ohne dass deshalb im ganzen genommen die bei uns geltende Eegelung vom sozialen Gesichtspunkt aus ungünstiger zu sein braucht als die in dem betreffenden Übereinkommen festgesetzte, bestehen doch öfters, sei es mehr im Grundsätzlichen, sei es mehr im Einzelnen, Unterschiede, die nur !) Bundes«. 1923, Bd. II, S. 77.

. 2 ) Bundesbl. 1923, Bd. II, S. 80.

765 im Wege einer umständlichen und an sich oft gar nicht erwünschten Gesetzesrevision zu beseitigen wären. Wir versuchen deshalb immer wieder, nicht selten leider ohne Erfolg, darauf hinzuwirken, dass die Internationale Arbeitskonferenz es vermeidet, durch die Aufnahme allzu enger, detaillierter und für die Verhältnisse mancher Länder nicht passender Vorschriften den Übereinkommen eine Form zu geben, die in ihrer Starrheit und Ausschliesslichkeit uns und andern Staaten die Eatifikation verunmöglicht. Aber auch in den Fällen, in denen eine Eatifikation möglich scheint und von uns beabsichtigt wird, braucht es oft längere Zeit, bis die Anpassung der Gesetzgebung an das Übereinkommen und damit die Grundvoraussetzung für die Ratifikation geschaffen ist. Und schliesslich muss auch der wirtschaftlichen Hindernisse gedacht werden, die für sich oder zusammen mit Schwierigkeiten anderer Art die Eatifikation gewisser Übereinkommen stark erschweren oder verunmöglichen. Man darf nicht vergessen, dass mit der Aufstellung internationaler Arbeitsübereinkommen besonders auch die Einschränkung des sozialen Dumpings, mit andern Worten ein internationaler Konkurrenzausgleich bezweckt wurde. Von den Nachbarstaaten unseres Landes, die uns alle auch als bedeutende Konkurrenten auf dem Weltmarkte begegnen, gehört heute jedoch nur noch einer, Frankreich, der Internationalen Arbeitsorganisation an, während Deutschland (und mit ihm Österreich sowie die ehemalige Tschechoslowakei) wie auch Italien ausgeschieden sind. Dieser Mangel an Universalität der Internationalen Arbeitsorganisation hat manche der ursprünglich für die Entwicklung der internationalen Sozialpolitik in Eechnung gestellten Voraussetzungen zerstört. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat ein Land wie die Schweiz, das in hohem Masse auf den Export angewiesen, von Natur aus aber wirtschaftlich nicht begünstigt ist und die Folgen einer schweren Krise erst teilweise überwunden hat, allen Anlass, vorsichtig zu sein und seiner geschwächten und vielfach gehemmten Wirtschaft nicht neue Fesseln anzulegen. Im Lichte dieser allgemeinen Erwägungen nehmen wir im folgenden zu einer Eeihe weiterer Übereinkommen Stellung.

Im Gebiete der Probleme der Arbeitszeit und der Freizeit betrachtet das Postulat Eobert als ratifikationsreif das Übereinkommen über die Begrenzung der
Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben (1919), das Übereinkommen über die Eegelung der Arbeitszeit in Handel und in Büros (1980), das Übereinkommen über die Arbeitszeit in automatischen T a f e l g l a s h ü t t e n (1934) und das Übereinkommen über den bezahlten Jahresurlaub (1936). In Wirklichkeit aber wäre es hier -- entgegen der Auffassung des Postulates -- in keinem einzigen Falle möglich, die Eatifikation vorzunehmen, ohne zuvor besondere, teilweise sehr einschneidende gesetzgeberische Massnahmen zu treffen, denen zum Teil auch grosse materielle Schwierigkeiten entgegenstehen.

Wie unsern Berichten über die Internationalen Arbeitskonferenzen der letzten Jahre zu entnehmen ist, steht dort schon seit einiger Zeit die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit auf wöchentlich 40 Stunden im Mittelpunkt der Bundesblatt.

91. Jahrg.

Bd. I.

67

766 Erörterung. Demgegenüber stellen die beiden oben erwähnten Übereinkommen von 1919 und 1980 über die Arbeitsdauer in gewerblichen und in nichtgewerblichen Betrieben mit ihrem Grundsatz der Achtundvierzigstundenwoche noch eine ältere Etappe sozialpolitischer Forderung im Gebiete der Arbeitszeit dar, -- einer Forderung, die bei uns auch weitgehend erfüllt ist..

Gleichwohl konnten wir den beiden Übereinkommen nicht beitreten. Wir haben in unserer Botschaft vom 10. Dezember 1920 über die erste Internationale Arbeitskonferenz ausführlich dargetan, dass zwischen den Arbeitszeitbestimmungen der damals aufgestellten Konvention und denjenigen unserer nationalen Arbeitszeitgesetzgebung (Fabrikgesetz, Arbeitszeitgesetz der Verkehrsanstalten) verschiedene wesentliche Unterschiede bestünden, dass eine Anpassung dieser Gesetzgebung an die Konvention sich mit Eücksicht auf unsere volkswirtschaftlichen Interessen nicht verantworten liesse und dass wir deshalb die Eatifikation des Washingtoner Arbeitszeitübereinkommens zu unserm Bedauern ablehnen müssten1). Wir sehen uns nicht in der Lage, heute, wo ja dieses Übereinkommen auch bereits stark in den Hintergrund getreten ist, eine andere Stellung einzunehmen. Im übrigen möchten wir bemerken, dass z. B. weder Deutschland, noch Grossbritannien, noch Holland, Dänemark, Schweden oder Norwegen diesem Übereinkommen beigetreten sind und dass Frankreich wie auch Italien es nur bedingt ratifiziert haben, und zwar unter Bedingungen, die, wie die Verhältnisse liegen, einer Nichtratifikation gleichkommen. Was anderseits das Übereinkommen über die Regelung der Arbeitszeit in Handel und in Büros betrifft, so haben wir dessen Eatifikation in unserm Bericht über die 14. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz ins Auge'gefasst. Voraussetzung aber sei, betonten wir damals, dass die noch fehlende Gesetzgebung (Gesetz über die Arbeitszeit in den Gewerben) erlassen werde und dass diese den im Übereinkommen gestellten Forderungen genüge 2). Diese Voraussetzung ist aber noch nicht erfüllt. Wenn die Vorarbeiten für eine umfassende Gesetzgebung über die Arbeit in Handel und in den Gewerben eine gewisse Verzögerung erfahren haben, so hängt dies inbesondere damit zusammen, dass diese Gesetzgebung in starkem Masse von der künftigen Fassung der noch in Beratung befindlichen Wirtschaftsartikel
abhängt. Die.heutige Situation im Gebiete der Arbeitszeitgesetzgebung scheint uns aber auch die Möglichkeit auszuschliessen, Ihnen einzig wegen zweier Betriebe eine Sondervorlage über die Arbeitszeit in automatischen Tafelglashütten mit einer Begrenzung der wöchentlichen Arbeitsdauer auf 42 Stunden zu unterbreiten, um das internationale Übereinkommen über diesen Gegenstand ratifizieren zu können. Ganz abgesehen davon, ob die nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die beiden betroffenen Betriebe eine solche Massnahme als ratsam erscheinen liessen, würde ein derartig isoliertes Vorgehen im Gebiete der Arbeitszeitgesetzgebung für einen bei uns ganz nebensächlichen Industriezweig nicht verstanden werden.

J ) Bundesbl. 1920, Bd. V, S. 492.

a ) Bundesbl. 1931, Bd. I, S. 457.

767

Was die Frage des bezahlten Jahresurlaubs betrifft, die auch Gegenstand eines Postulates der nationalrätlichen Kommission für die Beratung unseres Berichtes über die 20. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz bildet, haben wir uns zunächst bemüht, im Sinne der Ausführungen jenes Berichtesx) weitere Unterlagen zu beschaffen. So wurde im Jahre 1937 mit der Durchführung der eidgenössischen Fabrikstatistik eine Erhebung über.die bezahlten Ferein in der Fabrikindustrie verbunden, aus der hervorgeht, dass zwei Drittel der Fabrikarbeiter bezahlte Ferien besitzen 2). Zu Beginn des Jahres 1938 erliess das Volkswirtschaftsdepartement ein Schreiben an die Spitzenverbände der Arbeitgeber mit dem Wunsche, die Einrichtung der bezahlten Ferien zu fördern. Über die gesamtarbeitsvertragliche Eegelung der Ferien in der Schweiz ist in der Märznummer 1939 (S. 142) der vom genannten Departement herausgegebenen «Volkswirtschaft» das gesammelte Material veröffentlicht worden. Eine schematische Eegelung der Arbeiterferien wird jedenfalls nicht möglich sein; gerade hier handelt es sich, wie uns scheint, um eines der Gebiete, auf denen man den direkt Beteiligten eine gewisse Selbständigkeit gewähren muss, um sich nach ihren Bedürfnissen einzurichten, während der Gesetzgeber besser nur den Eahmen absteckt und gewisse Mindestforderungen aufstellt. So dürfte auch die weitere Entwicklung dieser Frage vom Schicksal der Wirtschaftsartikel mitbestimmt sein. Heute fehlt uns die Grundlage, um das internationale Übereinkommen über den bezahlten Jahresurlaub ratifizieren zu können.

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhange auch noch das Übereinkommen über die Nachtarbeit in Bäckereien, vom Jahre 1925, erwähnt. Die Möglichkeit, das Übereinkommen zu ratifizieren, ist seinerzeit von den eidgenössischen Eäten in Übereinstimmung mit unserer Stellungnahme 3) bis auf weiteres verneint und das Geschäft (im Jahre 1929) als erledigt von dem Verzeichnis der Verhandlungsgegenstände gestrichen worden.

Die allgemeine Krise und die besondern Verhältnisse und Auffassungen im Bäckereigewerbe, die einem allgemeinen Nachtarbeitverbot wenig günstig sind, haben es auch seitdem nicht erlaubt, die Angelegenheit erneut aufzugreifen und eine gesetzliche Eegelung zu schaffen, welche die Eatifikation des Übereinkommens ermöglichen würde.
Wir wenden uns zu drei Übereinkommen, welche Mindestgrenzen für Löhne und Erwerbsalter aufstellen: das Übereinkommen über die Einrichtung von Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen, von 1928, und die beiden revidierten Übereinkommen für die Zulassung von Kindern zu gewerblichen und zu nichtgewerblichen Arbeiten, von 1937.

*) Bundesbl. 1937, Bd. I, S. 660.

2 ) Siehe Bericht der eidgenössischen Fabrikinspektoren über ihre Amtstätigkeit im Jahre 1937, S. 136--137.

3 ) Siehe Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Entwurf eines internationalen Übereinkommens betreffend die Nachtarbeit in Bäckereien, vom 20. Mai 1927, Bundesbl. 1927, Bd. I, S. 621.

768

Mit dem Entwurf eines Heimarbeitsgesetzes, das wir Ihnen mit Botschaft vom 8. Juli 1938 unterbreitet haben, legten wir Ihnen auch den Entwurf eines Bundesbeschlusses vor, der uns ermächtigt, das Übereinkommen über die Einrichtung von V e r f a h r e n zur Festsetzung von Mindestlöhnen zu ratifizieren1). Das Heimarbeitsgesetz befindet sich aber zurzeit noch im Stadium der parlamentarischen Beratung, so dass die notwendige Voraussetzung für die Eatifikation des Übereinkommens noch nicht erfüllt ist.

Das Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern für gewerbliche Arbeit und das entsprechende auf nichtgewerbliche Arbeiten bezügliche Übereinkommen, beide in ihrer abgeänderten Fassung vom Jahre 1987, waren Gegenstand unseres Berichtes vom 13. Juni 1938 über die 21., 22. und 23. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz2). Wir wiesen damals auf die Schwierigkeiten hin, die einer Eatifikation der beiden Übereinkommen im Wege stünden, beantragten aber, den endgültigen Entscheid über diese Frage zu vertagen, bis das Schicksal des Mindestaltergesetzes abgeklärt sei. Dieser Zeitpunkt ist nun da. Durch Beschluss vom 13. Januar 1939 haben wir als Datum des Inkrafttretens des Gesetzes den 1. März 1940 festgesetzt, immerhin mit der Möglichkeit, für das Gebiet einzelner Kantone das Inkrafttreten um höchstens 2 weitere Jahre zu verschieben. Da das Gesetz somit erst vom 1. März 1942 an unbedingt für das ganze Land in Wirksamkeit sein wird, käme eine Eatifikation der beiden Übereinkommen, die sich auf die Durchführung des Mindestaltergesetzes zu stützen hätte, vorläufig ohnehin noch nicht in Betracht. Wir können jedoch die Eatifikation leider auch für später nicht in Aussicht nehmen, da zwischen einzelnen Bestimmungen der Konventionen und unserer Mindestaltergesetzgebung sachliche Differenzen vorliegen, die zwar an sich von geringer Bedeutung sind, die sich aber kaum überbrücken lassen. Wir haben Ihnen diese Differenzen in unserer Botschaft vom 11. Mai 1937 über die Heraufsetzung des Mindestalters für den Eintritt ins Erwerbsleben 3) und in unserm vorhin erwähnten Bericht vom 13. Juni 1938 2) ausführlich dargelegt, so dass wir darauf verweisen können. Das Übereinkommen, das sich auf die gewerbliche Arbeit bezieht, sieht für keinerlei Arbeiten eine Unterschreitung der Mindestaltersgrenze vor,
während Art. 5, Abs. l und 2, unseres Mindestaltergesetzes unter gewissen Voraussetzungen für Botengänge und leichte Hilfsarbeiten Ausnahmen zulässt. Beim Übereinkommen anderseits, das die nichtgewerbliche Arbeit betrifft, liegt das Hindernis hauptsächlich darin, dass der private Hausdienst einbezogen ist, wogegen bei uns hiefür zurzeit die verfassungsmässige Grundlage fehlt. Aber auch, wenn diese Lücke durch die neuen Wirtschaftsartikel geschlossen würde, bestünden sachliche Gründe, die eine Eegelung im Sinne der allzu engen und schematischen Vorschriften !) Bundesbl. 1938, Bd. II, S. 237.

2 ) Bundesbl. 1938, Bd. II, S. 14 ff.

) Bundesbl. 1937, Bd. I, S. 869 ff.

3

769 des Übereinkommens im Gebiete des Hausdienstes sowie der sogenannten «leichten Arbeiten», die vor der Erfüllung des Mindestalters zulässig sind, als für unsere Verhältnisse kaum geeignet erscheinen lassen. Wir möchten erneut unser Bedauern darüber äussern, dass es uns nicht möglich ist, diese zwei Übereinkommen zu ratifizieren, trotzdem unsere Gesetzgebung in der Hauptsache ihren Anforderungen entspricht.

Zwei weitere Übereinkommen, die uns zu Bemerkungen Anlass geben, betreffen den Arbeitsnachweis sowie die Arbeitslosenversicherung und -Unterstützung.

Beim Übereinkommen über die Büros für entgeltliche Arbeitsv e r m i t t l u n g , von 1983, sind wir in unserem Bericht vom 29. Juni 1984 über die 17. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz zum Schluss gekommen, dass eine Aufhebung der gegen Entgelt tätigen Arbeitsvermittlungsstellen und die Eatifikation des Übereinkommens, das diese Aufhebung bezweckt, sich nicht empfehle, dass es aber angezeigt sei, zu prüfen, ob nicht die kantonalen Gesetzesbestimmungen über die entgeltliche Arbeitsvermittlung durch gewisse Bundesvorschriften ergänzt und verstärkt werden sollten, und wir äusserten damals die Absicht, auf die Frage zurückzukommen. Seither sind Vorbereitungen getroffen worden, um diesen Gedanken der Verwirklichung entgegenzuführen, indem nach den Kevisionsvorschlägen Artikel S4ter der Bundesverfassung eine Fassung erhalten soll, durch welche die Grundlage geschaffen würde, um von Bundes wegen über die gewerbsmässige Stellenvermittlung einheitliche Bestimmungen aufzustellen.

Was das Übereinkommen über die G e w ä h r u n g von Versicherungsleistungen oder von U n t e r s t ü t z u n g e n an u n f r e i w i l l i g Arbeitslose, von 1984, anbelangt, welches das Postulat Eobert gleichfalls aufführt, haben Sie uns die Ermächtigung zur Eatifikation durch einen Beschluss vom 24. September 1985 schon erteilt. Das unmittelbar hernach einsetzende ausserordentliche Ansteigen der Arbeitslosigkeit und damit zugleich der Lasten der öffentlichen Gemeinwesen und der Arbeitslosenkassen hat den Bund jedoch veranlasst, mit dem Vollzug der Eatifikation zuzuwarten, um nicht unter besonders ungünstigen Umständen weitere Verpflichtungen einzugehen. Überdies stimmten -- wie wir in unserm Bericht vom 21. Juni 1935 über die 18. Tagung der Internationalen
Arbeitskonferenz dargelegt haben *) -- damals noch nicht alle kantonalen Vorschriften mit den Bestimmungen überein, die das Übereinkommen in bezug auf die für die Entscheidung der Unterstützungsansprüche massgebenden Instanzen enthält. Um zum voraus eine zuverlässige Durchführung des Übereinkommens zu sichern, hat sich das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit seither mit den kantonalen Behörden ins Einvernehmen gesetzt und darauf hingewirkt, dass die noch bestehenden Lücken ausgefüllt und die kantonalen Vorschriften der von der Konvention geforderten Eegelung angepasst wurden. In allen Kanl

) Bundesbl. 1935, Bd. I, S. 985.

770

tonen sind nunmehr entweder gerichtliche oder administrative Eekürsinstanzen im Sinne von Art. 14 des Übereinkommens mit der Behandlung von Streitfragen, die sich aus Unterstützungsgesuchen ergeben, betraut worden. Somit kann heute festgestellt werden, dass sowohl die eidgenössische als auch die kantonale Gesetzgebung den Anforderungen des Übereinkommens entsprechen und dessen praktische Durchführung gewährleisten. Infolgedessen werden wir das Übereinkommen demnächst ratifizieren.

Eine letzte Gruppe von Übereinkommen, zu der wir unter dem Gesichtspunkt der Eatifikationsmöglichkeit Stellung nehmen möchten, behandelt Fragen im Gebiete der Kranken- und U n f a l l v e r s i c h e r u n g und der Berufskrankheiten.

Wir nennen zuerst das Übereinkommen über die Beschäftigung der Frauen vor und nach der N i e d e r k u n f t , von 1919, das Übereinkommen über die Entschädigung bei Betriebsunfällen, von 1925, und das Übereinkommen über die Krankenversicherung der Arbeitnehmer in Gewerbe und Handel und der Hausgehilfen, von 1927. In all diesen Fällen wurde seinerzeit von der Eatifikation abgesehen in der Meinung, dass man auf die Frage zurückkommen werde, wenn einmal die Totalrevision der Kranken- und Unfallversicherungsgesetzgebung durchgeführt sei1). Was insbesondere das Ü b e r e i n k o m m e n über die Beschäftigung der Frauen vor und nach der N i e d e r k u n f t betrifft, sollte vorerst die Einführung einer Mutterschaftsversicherung geprüft werden.

In dieser Eichtung wird die inzwischen im Auftrage der Schweizerischen Vereinigung für Sozialpolitik verfertigte und den Bundesbehörden vorgelegte Arbeit von Frau Dr. Schwarz-Gagg über den «Ausbau der Mutterschaftsversicherung in der Schweiz» wertvolle Dienste leisten können. Ob bei Einführung einer Mutterschaftsversicherung alle Bestimmungen des Übereinkommens verwirklicht werden können und ob deshalb ein späterer Beitritt in Aussicht zu nehmen sei, lässt sich jedoch heute noch ebensowenig beantworten wie damals, als wir uns zum erstenmal hiezu äusserten 2). Im übrigen sind die Vorarbeiten für die Eevision der Gesetzgebung des Bundes über.die Krankenversicherung, die durch verschiedene Umstände eine gewisse Verzögerung erlitten, nunmehr soweit gediehen, dass der Vorentwurf für ein neues Krankenversicherungsgesetz in nächster Zeit der eidgenössischen
Krankenversicherungskommission unterbreitet werden kann. Ist auch das Ergebnis der Eevisionsarbeiten noch nicht vorauszusehen, so muss doch jetzt schon an der Durchführbarkeit einer Pflichtversicherung gezweifelt werden, wie sie vom Übereinkommen über die Krankenversicherung der Arbeitnehmer in Gewerbe und Handel und der Hausgehilfen verlangt wird. Die Widerstände gegen ein auch nur beschränktes bundesrechtliches Obligatorium der Krankenversicherung sind bei unserm Volke n Bundesbl. 1920, Bd. V, S. 476 ; Bundesbl. 1926, Bd. I, S. 807 ; Bundesbl. 1928 Bd. II,s S. 1153.

) Bundesbl. 1920, Bd. V,FS. 464 ff., 476,

771

so stark, dass mit der Einführung der obligatorischen Krankenversicherung auf eidgenössischem Boden für lange Zeit nicht zu rechnen ist. Es ist also kaum anzunehmen, dass die bevorstehende Kevision der Krankenversicherung den Boden für die Eatifikation des Übereinkommens ebnen würde. Die dritte der vorhin genannten Konventionen, das Übereinkommen über die Entschädigung bei Betriebsunfällen, stimmt mit der schweizerischen Unfallversicherungsgesetzgebung in vielen Punkten überein. Dagegen weicht der sachliche Geltungsbereich dieser Gesetzgebung von jenem des Übereinkommens ab, weshalb die Schweiz, bevor sie an die Eatifikation des Übereinkommens überhaupt denken könnte, die Unfallversicherungsgesetzgebung ändern und insbesondere die Handelsunternehmungen und gewisse Arten von Gewerbebetrieben, die heute noch nicht versichert sind, in die obligatorische Versicherung einbeziehen müsste. Die Totalrevision des Unfallversicherungsgesetzes, in deren Zusammenhang diese Änderungen zwecks Anpassung an das Übereinkommen zu prüfen gewesen wären, ist aber nicht über das erste Vorbereitungsstadium hinausgekommen. Zur weitern Abklärung der Eevisionsfrage beauftragte im Jahre 1933 das Volkswirtschaftsdepartement eine aus unabhängigen Fachleuten bestehende Expertenkommission, die gesamte Geschäftsführung und Organisation der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt zu überprüfen. Der Bericht dieser Kommission ist dem genannten Departement im Jahre 1937 vorgelegt worden. Gestützt auf die Vernehmlassung des Verwaltungsrates der Anstalt zu den einzelnen Feststellungen und Vorschlägen der Expertenkommission gelangte der Bundesrat zum Schluss, dass der Revision des Unfallversicherungsgesetzes vorderhand keine weitere Folge zu geben sei. Somit ist auch eine Eatifikation des Übereinkommens über die Entschädigung bei Betriebsunfällen bis auf weiteres ausgeschlossen.

Wir kommen zu zwei Übereinkommen, die das Gebiet der Berufskrankheiten betreffen, dem Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiss zum Anstrich, von 1919, und dem abgeänderten Übereinkommen über die Entschädigung bei Berufskrankheiten, von 1934, die beide auch im Postulat Robert genannt sind. Über die Bleiweissfrage werden wir Ihnen demnächst, gestützt auf die nunmehr vorliegende ausführliche Vernehmlassung der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt,
einen Bericht zukommen lassen und Sie ersuchen, uns zur Ausarbeitung eines Gesetzes über die Verwendung von Bleiweiss zu ermächtigen. Gleichzeitig werden wir Ihnen beantragen, das internationale Übereinkommen über diesen Gegenstand nach Inkrafttreten des geplanten Gesetzes zu ratifizieren. Noch nicht endgültig abgeklärt dagegen sind die Verhältnisse beim revidierten Übereinkommen über die Entschädigung bei Berufskrankheiten.

Das ursprüngliche Abkommen vom Jahr 1925 war von der Schweiz am 16. November 1927 ratifiziert worden. Soweit es in bezug auf die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten über die damals geltende schweizerische Giftliste hinausging, ist sein Inhalt durch die bundesrätliche Verordnung I«uater über die Unfallversicherung, vom 8. November 1927, die am 1. Dezember desselben

772 Jahres in Kraft getreten ist, zum Bestandteil der schweizerischen Gesetzgebung gemacht worden. An der 18. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, die vom 4. bis 28. Juni 1934 stattfand, wurde eine teilweise Abänderung des Übereinkommens über die Entschädigung bei Berufskrankheiten beschlossen. In seinem Bericht vom 21. Juni 1985x) hat der Bundesrat hinsichtlich der Eatifikation des abgeänderten Übereinkommens den Standpunkt eingenommen, dass mit dem Beitritt noch zugewartet werden sollte.

Es wurde dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass die Frage der Silikose noch zu wenig abgeklärt sei. Durch die Verordnung I8ext|eB vom 14. April 1988 ist inzwischen die Silikosefrage in der Weise entschieden worden, dass als weiterer Stoff, dessen Erzeugung oder Verwendung bestimmte gefährliche Krankheiten verursacht, neben den bisher als solche bezeichneten auch die Kieselsäure oder der Quarz (Silikose) zu betrachten ist. Die Verordnung trat mit dem 1. Mai 1938 in Kraft. Es war nun die Frage zu prüfen, ob. unter diesen Umständen eine Eatifikation des revidierten Übereinkommens von 1984 möglich sei. Die Untersuchung dieser Frage hat zu der Schlussnahme geführt, dass damit noch zugewartet werden sollte. Die Fassung der die Silikose betreffenden Bestimmung («Silikose, mit oder ohne Lungentuberkulose, sofern die Silikose eine entscheidende Ursache der Arbeitsunfähigkeit oder des Todes ist») erweckt das Bedenken, dass unter der Herrschaf t einer derart gefassten Bestimmung zahlreiche Fälle von Lungentuberkulose der Anstalt Überbunden würden, bei denen die Silikose nur eine nebensächliche Bolle spielt. Nun ist es allerdings richtig, dass der Text des Übereinkommens eine gewisse Anpassung an die nationalen Gesetzgebungen zulässt. Im Art. l, Absatz 2, des Übereinkommens wird nämlich gesagt: «Die Entschädigungssätze dürfen nicht geringer sein als diejenigen, welche die Gesetzgebung für die aus Betriebsunfällen herrührenden Schäden vorsieht. Mit dieser Einschränkung steht es jedem Mitglied frei, bei der gesetzlichen Regelung dei Entschädigung für die betreffenden Krankheiten und bei der Unterstellung dieser Krankheiten unter die Gesetzgebung über die Entschädigung bei Betriebsunfällen die zweckdienlichen Änderungen und Anpassungen vorzunehmen.» Die Tragweite dieser Bestimmung ist jedoch nicht klar ersichtlich. Dazu
kommt noch, dass die Schweiz im Falle der Eatifikation des Übereinkommens auch eine Erweiterung der «Giftliste» vornehmen müsste. Die Angelegenheit wird zurzeit geprüft, doch ist man noch zu keinem endgültigen Schluss gekommen, so dass es sich empfiehlt, mit der Eatifikation zuzuwarten, bis die Frage der Ergänzung der Giftliste eine definitive Abklärung gefunden hat.

Als letztes nennen wir das Übereinkommen über U n f a l l v e r h ü t u n g s vorschriften bei Hochbauarbeiten, von 1987. In unserm Bericht über die 21., 22. und 23. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz haben wir Ihnen unsere Absicht mitgeteilt, das Übereinkommen zu ratifizieren sobald durch die volle Übereinstimmung unserer Gesetzgebung mit dem Überein*) Bundesbl. 1935, Bd. I, S. 987 ff.

773

kommen die nötigen Voraussetzungen erfüllt seien1). Der Entwurf einer Verordnung zur Verhütung von Unfällen bei Hochbauarbeiten wird uns im Laufe dieses Jahres zum Erlass einer Vollziehungsverordnung zu Art. 65 des Bundesgesetzes über Kranken- und Unfallversicherung unterbreitet werden.

Sobald diese Verordnung erlassen ist, werden wir, Ihre Genehmigung vorausgesetzt, das Übereinkommen ratifizieren.

Durch den beigefügten Entwurf eines Bundesbeschlusses (Beilage II) ersuchen- wir Sie, uns gemäss den vorstehenden Darlegungen zur Eatifikation folgender Übereinkommen zu ermächtigen, wobei in den Fällen, in denen zuvor eine dem Bundesrat zustehende Anpassung der Gesetzgebung notwendig ist, diese Anpassung vorerst noch stattzufinden hätte: Übereinkommen über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer (1921), Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit (1980), Übereinkommen über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten in Bergwerken jeder Art- (1935) und Übereinkommen über Unfallverhütungvorschriften bei Hochbauarbeiten (1987). Der Wortlaut dieser Konventionen, der in unseren Berichten über die betreffenden Tagungen der Internationalen Arbeitskonferenz enthalten ist, findet sich im Anhang -nochmals abgedruckt (Beilage IV).

In diesem Zusammenhange sei der Vollständigkeit halber zusammenfassend wiederholt, dass wir die Bleiweissfrage gesetzlich zu regeln gedenken und Ihnen in einem in nächster Zeit vorzulegenden Bericht hierüber beantragen werden, dem Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiss zum Anstrich (1921) beizutreten, sobald durch den Erlass der entsprechenden Gesetzesvorschriften die Voraussetzungen dazu erfüllt sind. Für die Eatifikation des Übereinkommens über die Einrichtung von Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen (1928) haben wir Ihre Genehmigung schon nachgesucht; hier ist noch die Verabschiedung und das Inkrafttreten des Heimarbeitgesetzes abzuwarten. Dagegen sind beim Übereinkommen über die Gewährung von Versicherungsleistungen oder von Unterstützungen an unfreiwillig Arbeitslose (1934) alle Bedingungen für die Eatifikation nunmehr erfüllt, und wir beabsichtigen, demnächst den Beitritt zu dieser Konvention zu erklären.

Wir bitten Sie, unsern Ausführungen und Anträgen zur Frage der Stellung der Schweiz zu den internationalen
Arbeitsübereinkommen zuzustimmen, womit gleichzeitig das Postulat Eobert als erledigt abzuschreiben wäre.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28. April 1989.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

l

Etter.

Der Vizekanzler: Leimgruber.

) Bundesbl. 1938, Bd, II, S. 9/10.

774

(Entwurf.)

Beilage 1.

Bundesbeschluss betreffend

das internationale Übereinkommen Über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in den hauptsächlichsten Zweigen des Bergbaus und der Industrie, einschliesslich des Baugewerbes, und in der Landwirtschaft.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht eines Berichtes des Bundesrates vom 28. April 1939, beschliesst: Einziger Artikel.

Der Bundesrat wird ermächtigt, Teil I und II des von der Internationalen Arbeitskonferenz an ihrer 24. Tagung beschlossenen Übereinkommens über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in den hauptsächlichsten Zweigen des Bergbaus und der Industrie, einschliesslich des Baugewerbes, und in der Landwirtschaft zu ratifizieren.

1274

775

(Entwurf.)

Beilage II.

B undesbeschluss betreifend

die internationalen Übereinkommen über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, über die Zwangs- oder Pflichtarbeit, über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten in Bergwerken jeder Art und über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Berichtes des Bundesrates vom 28. April 1989, beschliesst : Einziger Artikel.

Der Bundesrat wird ermächtigt, die von der Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Übereinkommen über das Vereinigungs- und Koahtionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, vom Jahre 1921, die Zwangs- oder Pflichtarbeit, vom Jahre 1980, die Beschäftigung von Frauen bei. Untertagarbeiten in Bergwerken jeder Art, vom Jahre 1935, Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten, vom Jahre 1987, zu ratifizieren.

1274

776 Beilage

III.

24. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Genf, 2. bis 22. Juni 1938.)

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 63) über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in den hauptsächlichsten Zweigen des Bergbaus und der Industrie, einschliesslich des Baugewerbes, und in der Landwirtschaft1).

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 2. Juni 1938 zu ihrer vierundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in den hauptsächlichsten Zweigen des Bergbaus und der Industrie, einschliesslich des Baugewerbes, und in der Landwirtschaft, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Obgleich es erwünscht wäre, dass alle Mitglieder der Organisation Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit gemäss- den Bestimmungen des Teiles II dieses Übereinkommens" zusammenstellen, erscheint es zweckmässig, die Eatifikation des Übereinkommens auch solchen Mitgliedern zu ermöglichen, die nicht in der Lage sind, den Vorschriften dieses Teiles zu entsprechen.

Die Konferenz nimmt heute, am 20. Juni 1938, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über die Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit, 1938, bezeichnet wird.

Teil I: Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, a. Statistiken über Löhne und Arbeitszeit nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens zusammenzustellen; x ) Der nachfolgend abgedruckte deutsche Text des Entwurfes eines Übereinkommens bildet die in Übereinstimmung mit dem § 17 des Artikels 6 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigte offizielle Übersetzung des französischen und englischen Urtextes.

777

&. so schnell als möglich die in Ausführung dieses Übereinkommens gesammelten Daten zu veröffentlichen und sich zu bemühen, die vierteljährlich oder häufiger gesammelten Daten im Laufe des folgenden Vierteljahres und die halbjährlich oder jährlich gesammelten Daten im Laufe des folgenden Halbjahres oder Jahres zu veröffentlichen; c. die auf Grund dieses Übereinkommens gesammelten Daten dem Internationalen Arbeitsamt sobald als möglich mitzuteilen.

Artikel 2.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann durch eine Erklärung, die seiner Eatifikation beizufügen ist, von der aus seiner Eatifikation sich ergebenden Verpflichtung ausschliessen a. entweder einen der Teile II, III oder IV, oder b. die Teile II und IV, oder c. die Teile III und IV.

2. Jedes Mitglied, das eine solche Erklärung abgegeben hat, kann sie jederzeit durch eine spätere Erklärung widerrufen.

8. Jedes Mitglied, für das eine auf Grund des Absatzes l dieses Artikels abgegebene Erklärung gilt, hat jährlich in seinem Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens anzugeben, inwieweit irgendein Fortschritt im Hinblick auf die Durchführung des Teiles oder der Teile des Übereinkommens, die von seiner Verpflichtung ausgeschlossen wurden, erzielt worden ist.

Artikel 3.

Dieses Übereinkommen enthält keinerlei Verpflichtung, Zahlen zu veröffentlichen oder mitzuteilen, wodurch Auskünfte über ein einzelnes Unternehmen oder einen einzelnen Betrieb verbreitet würden.

Artikel 4.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass sein zuständiger statistischer Dienst, soweit er die Unterlagen nicht schon anderswo erlangt hat, in bezug auf alle oder einen repräsentativen Teil der in Frage kommenden Arbeiter Erhebungen durchführt, um sich die notwendigen Unterlagen für die Statistiken zu beschaffen, zu deren Zusammenstellung es sich auf Grund dieses Übereinkommens verpflichtet.

2. In diesem Übereinkommen darf nichts so ausgelegt werden, als wäre ein Mitglied zur Zusammenstellung von Statistiken verpflichtet, wenn dieses Mitglied nach Erhebungen, die in der nach Absatz l dieses Artikels geforderten Weise durchgeführt wurden, praktisch nicht in der Lage ist, die notwendigen Unterlagen ohne Anwendung gesetzlicher Zwangsmittel zu erlangen.

778

Teil II: Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit im Bergbau und in der Industrie.

Artikel 5.

1. Es sind für die in jedem der hauptsächlichsten Zweige des Bergbaus und der Industrie, einschliesslich des Baugewerbes, beschäftigten Arbeiter Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit zusammenzustellen.

2. Die Zusammenstellung der Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit hat auf der Grundlage von Daten zu erfolgen, die sich entweder auf die Gesamtheit oder auf eine repräsentative Auswahl der Betriebe und der Arbeiter erstrecken.

3. Die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit haben a. für jede der hauptsächlichsten Industrien getrennte Zahlen aufzuführen; b. die Industrien oder die Industriezweige kurz zu bezeichnen, auf die sich die Zahlen beziehen.

Artikel 6.

Die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes haben zu umfassen a. alle Barzahlungen und Prämien, die die beschäftigten Personen vom Arbeitgeber erhalten; b. die Beiträge, die wie Sozialversicherungsbeiträge von den beschäftigten Personen zu zahlen sind und vom Arbeitgeber einbehalten werden ; c. die Steuern, die von den beschäftigten Personen an eine Behörde zu zahlen sind und vom Arbeitgeber einbehalten werden. .

Artikel 7.

In Ländern und in Industrien, wo Sachbezüge, etwa in Form von unentgeltlichen oder verbilligten Wohnungen, Nahrungsmitteln oder Brennstoffen, einen wichtigen Teil der Gesamtvergütung der beschäftigten Arbeiter bilden, sind die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes durch Angaben über diese Bezüge und soweit als möglich durch eine Schätzung ihres Barwertes zu ergänzen.

Artikel 8.

Die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes sind soweit als möglich zu ergänzen durch Angaben über den Betrag der Familienzulagen, der durchschnittlich auf die einzelne beschäftigte Person in dem Zeitraum entfällt, auf den sich die Statistiken beziehen.

Artikel 9.

1. Die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes haben sich auf den nach Stunden, Tagen, Wochen oder nach einem anderen üblichen Zeitabschnitt berechneten durchschnittlichen Verdienst zu beziehen.

77.9 2. Wenn sich die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes auf den nach Tagen, Wochen oder nach einem anderen üblichen Zeitabschnitt berechneten durchschnittlichen Verdienst beziehen, so ist den Statistiken der tatsächlichen Arbeitszeit derselbe Zeitabschnitt zugrunde zu legen.

Artikel 10.

1. Die in Artikel 9 erwähnten Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit sind einmal jährlich und, soweit dies möglich ist, in kürzeren Zeitabständen zusammenzustellen.

2. Die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und soweit als möglich auch die Statistiken der tatsächlichen Arbeitszeit sind alle drei Jahre und, soweit dies möglich ist, in kürzeren Zeitabständen zu ergänzen durch getrennte Zahlen für die beiden Geschlechter sowie für Erwachsene und Jugendliche. Es ist jedoch nicht erforderlich, diese getrennten Zahlen für Industrien zusammenzustellen, in denen mit geringen Ausnahmen alle Arbeiter demselben Geschlecht oder nur einer der beiden genannten Altersgruppen angehören, oder getrennte Zahlen der tatsächlichen Arbeitszeit für Männer und Frauen oder für Erwachsene und Jugendliche bei Industrien zusammenzustellen, in denen die gewöhnliche Arbeitszeit nach Geschlecht oder Altersgruppe nicht verschieden ist.

Artikel 11.

Beziehen sich die Statistiken des durchschnittlichen Verdienstes und der tatsächlichen Arbeitszeit nicht auf das ganze Land, sondern nur auf bestimmte Gegenden, Städte oder Industriezentren, so sind diese Gegenden, Städte oder Industriezentren soweit als möglich anzugeben.

Artikel 12.

1. Indexziffern (Messzahlen), die die allgemeine Bewegung des Verdienstes nach Stunden und, wenn möglich, nach Tagen, nach Wochen oder nach einem anderen hierfür üblichen Zeitabschnitt anzeigen, sind so oft und so regelmässig als möglich auf Grund der Statistiken zu berechnen, die in Anwendung dieses Teiles des vorliegenden Übereinkommens zusammengestellt wurden.

2. Bei der Berechnung dieser Indexziffern (Messzahlen) ist unter anderem die verhältnismässige Bedeutung der verschiedenen Industrien gebührend zu berücksichtigen.

8. Bei der Veröffentlichung dieser Indexziffern (Messzahlen) sind Angaben über das Verfahren zu machen, das ihrer Berechnung zugrunde liegt.

Teil III: Statistiken der Zeitlohne und der gewöhnlichen Arbeitszeit im Bergbau und in
der Industrie.

Artikel 18.

Es sind in einer repräsentativen Auswahl der hauptsächlichsten Zweige des Bergbaus und der Industrie, einschliesslich des Baugewerbes, Statistiken über Zeitlohnsätze und über die gewöhnliche Arbeitszeit der Arbeiter zusammenzustellen.

780

Artikel 14.

1. Die Statistiken der Zeitlohnsätze und der gewöhnlichen Arbeitszeit haben die Lohnsätze und die Arbeitszeiten zu enthalten, die a. durch Gesetzgebung, Gesamtarbeitsvertrag, Schiedsspruch oder zu deren Durchführung festgesetzt sind; b. von Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, von gemischten Körperschaften oder anderen geeigneten Auskunftsquellen erlangt worden sind, wenn die Lohnsätze und Arbeitszeiten nicht durch Gesetzgebung, Gesamtarbeitsvertrag, Schiedsspruch oder zu deren Durchführung festgesetzt sind.

2. Die Statistiken der Zeitlohnsätze und der gewöhnlichen Arbeitszeit haben die Art und die Quelle der Auskünfte, auf die sie sich stützen, zu vermerken und besonders anzugeben, ob es sich um Lohnsätze und Arbeitszeiten handelt, die durch Gesetzgebung, Gesamtarbeitsvertrag, Schiedsspruch oder zu deren Durchführung festgesetzt sind, oder vielmehr um Lohnsätze und Arbeitszeiten, die durch Einzelabmachungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vereinbart sind.

8. Handelt es sich um Lohnsätze, die als Mindestlöhne (mit Ausnahme der gesetzlichen Mindestlöhne), Normallöhne, typische Löhne oder übliche Löhne oder unter ähnlichen Bezeichnungen angeführt werden, so ist der Sinn .

dieser Ausdrücke zu erklären.

4. Ist die «gewöhnliche Arbeitszeit» nicht durch Gesetzgebung, Gesamtarbeitsvertrag, Schiedsspruch oder zu deren Durchführung festgesetzt, so bedeutet dieser Ausdruck die Zahl der an einem Tage, in einer Woche oder in einem anderen Zeitabschnitt geleisteten Arbeitsstunden, nach deren Überschreitung jede geleistete Arbeit mit dem Satz für Überstunden vergütet wird oder eine Ausnahme von den Betriebsregeln und -gewohnheiten für die betreffenden Arbeitergruppen bildet.

Artikel 15.

1. Die Statistiken der Zeitlohnsätze und der gewöhnlichen Arbeitszeit haben zu enthalten: a. in Abständen von nicht mehr als drei Jahren getrennte Zahlen für die Hauptberufe in einer umfassenden und repräsentativen Auswahl der . verschiedenen Industrien; b. mindestens einmal jährlich und nach Möglichkeit häufiger getrennte Zahlen für einige der Hauptberufe der wichtigsten dieser Industrien.

2. Die Daten über die Zeitlohnsätze und über die gewöhnliche Arbeitszeit sind soweit als möglich auf der Grundlage derselben Berufseinteilung zusammenzustellen.

781 8. Geben die Auskunftsquellen, nach denen die Statistiken zusammengestellt werden, nicht die einzelnen Berufe an, auf die sich die Lohnsätze oder die Arbeitszeiten beziehen, sondern setzen sie verschiedene Lohnsätze oder Arbeitszeiten für anderswie gruppierte Arbeitnehmer (wie gelernte, angelernte oder ungelernte Arbeiter) oder die gewöhnliche Arbeitszeit getrennt nach Betriebsgruppen oder Betriebszweigen fest, so sind getrennte Zahlen, nach diesen Aufteilungen gegliedert, anzugeben.

4. Handelt es sich bei den Arbeitnehmergruppen, für die Zahlen gegeben werden, nicht um deutlich geschiedene Berufe, so ist der begriffliche Umfang jeder einzelnen Gruppe zu bezeichnen, soweit die Auskunftsquellen, nach denen die Statistiken zusammengestellt werden, die notwendigen Angaben dafür liefern.

Artikel 16.

Geben die Statistiken der Zeitlöhne keine Stundenlohnsätze, sondern die Sätze für einen Tag, eine Woche oder einen anderen üblichen Zeitabschnitt an, a. so haben sich die Statistiken der gewöhnlichen Arbeitszeit auf den gleichen Zeitabschnitt zu beziehen; b. so hat das Mitglied dem Internationalen Arbeitsamt alle Angaben zu machen, die für die Berechnung der Stundenlohnsätze zweckdienlich sind.

Artikel 17.

Enthalten die Auskunftsquellen, nach denen die Statistiken zusammengestellt werden, getrennte Angaben nach Geschlecht und Altersgruppe, so haben die Statistiken der Zeitlohnsätze und der gewöhnlichen Arbeitszeit für jedes Geschlecht und für Erwachsene und Jugendliche getrennte Zahlen anzugeben.

Artikel 18.

Beziehen sich die Statistiken der Zeitlohnsätze und der gewöhnlichen Arbeitszeit nicht auf das ganze Land, sondern nur auf bestimmte Gegenden, Städte oder Industriezentren, so sind diese Gegenden, Städte oder Industriezentren soweit als möglich anzugeben.

Artikel 19.

Enthalten die Auskunftsquellen, nach denen die Statistiken der Zeitlohnsätze und der gewöhnlichen Arbeitszeit zusammengestellt werden, Angaben über diesen Gegenstand, so haben diese Statistiken in Zeitabständen von nicht mehr als drei Jahren anzugeben: a. die Ansätze der Urlaubsbezahlüng, soweit eine solche erfolgt; b. die Ansätze der Familienzulagen, soweit solche gezahlt werden; c. die Sätze oder den Hundertsatz der Zuschläge, um die die normalen Lohnsätze für Überstunden erhöht worden sind; d. die Zahl der zugelassenen Überstunden.

Bundesblatt. 91. Jahrg. Bd. I.

58

782 Artikel 20.

In Ländern und in Industrien, wo Sachbezüge, etwa in Form von unentgeltlichen oder verbilligten Wohnungen, Nahrungsmitteln oder Brennstoffen, einen wichtigen Teil der Gesamtvergütung der beschäftigten Arbeiter bilden, sind die Statistiken der Lohnsätze durch Angaben über diese Bezüge und soweit als möglich durch eine Schätzung ihres Barwertes zu ergänzen.

Artikel 21.

1. Jährliche Indexziffern (Messzahlen), die die allgemeine Bewegung der Stunden- oder Wochenlohnsätze anzeigen, sind auf Grund der Statistiken zu berechnen, die in Anwendung dieses Teiles des vorliegenden Übereinkommens zusammengestellt wurden, und nach Bedarf durch alle weiteren verfügbaren Auskünfte über diesen Gegenstand (z. B. Angaben über die Schwankungen der Stücklohnsätze) zu ergänzen.

2. Wird eine einzige Indexziffer (Messzahl) der Stunden- oder der Wochenlohnsätze berechnet, so ist auf derselben Grundlage auch eine Indexziffer (Messzahl) der Schwankungen der gewöhnlichen Arbeitszeit zu berechnen.

8. Bei der Berechnung dieser Indexziffern (Messzahlen) ist unter anderem die verhältnismässige Bedeutung der verschiedenen Industrien gebührend zu berücksichtigen.

4. Bei der Veröffentlichung dieser Indexziffern (Messzahlen) sind Angaben über das Verfahren zu machen, das ihrer Berechnung zugrunde liegt. .

Teil IV: Statistiken der Lohne und der Arbeitszeit in der Landwirtschaft.

Artikel 22.

1. Es sind Lohnstatistiken für Arbeiter, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, zusammenzustellen.

2. Die Statistiken der landwirtschaftlichen Löhne müssen a. in Zeitabständen zusammengestellt werden, die zwei Jahre nicht überschreiten; b. für jede der hauptsächlichsten Gegenden getrennte Zahlen angeben; c. gegebenenfalls die Art der Sachbezüge (einschliesslich der Wohnung), die die Barlöhne ergänzen, und soweit als möglich auch die Schätzung ihres Barwertes angeben.

3. Die Statistiken der landwirtschaftlichen Löhne sind zu ergänzen durch Angaben über a. die Gruppen landwirtschaftlicher Arbeiter, auf die sich die Statistiken beziehen; b. die Art und die Quelle der Auskünfte, auf denen die Statistiken beruhen; c. die Verfahren, nach denen sie zusammengestellt sind; d. die gewöhnliche Arbeitszeit der erfassten Arbeiter, soweit dies möglich ist.

783

Teil V: Verschiedene Bestimmungen.

Artikel 23.

1. Umfasst das Gebiet eines Mitgliedes ausgedehnte Gegenden, in denen wegen der Schwierigkeiten, denen die Schaffung der erforderlichen Verwaltungsstellen begegnet, oder wegen der geringen Dichte der Bevölkerung oder des Standes der wirtschaftlichen Entwicklung die Zusammenstellung der Statistiken nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens undurchführbar ist, so können diese Gegenden von der Durchführung dieses Übereinkommens ganz oder teilweise ausgenommen werden.

2. Jedes Mitglied hat in dem ersten Jahresbericht, den es auf Grund des Artikels 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung dieses Übereinkommens vorzulegen hat, die Gegenden zu bezeichnen, für die es von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch zu machen beabsichtigt. In der Folgezeit dürfen die Mitglieder von den Bestimmungen dieses Artikels nur für die in dieser Weise bezeichneten Gegenden Gebrauch machen.

3. Jedes Mitglied, das von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch macht, hat in.den späteren Jahresberichten die Gegenden zu bezeichnen, für die es auf das Eecht, sich auf die genannten Bestimmungen zu berufen, verzichtet.

Artikel 24.

1. Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes kann, nachdem er die ihm zweckmässig erscheinenden fachlichen Gutachten eingeholt hat, den Mitgliedern der Organisation Vorschläge übermitteln zur Verbesserung und Vervollständigung der auf Grund dieses Übereinkommens zusammengestellten Statistiken oder zur Erhöhung ihrer Vergleichbarkeit.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, a. jeden ihm vom Verwaltungsrat übermittelten Vorschlag dieser Art seinem zuständigen statistischen Dienst zur Prüfung zu unterbreiten; b. in seinem Jahresbericht über die Durchführung dieses Übereinkommens mitzuteilen, wieweit es solchen Vorschlägen stattgegeben hat.

Teil VI: Schiiissbestimmungen.

Artikel 25.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 26.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

784

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

8. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner ^Ratifikation in Kraft.

Artikel 27.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit.

Auch gibt er Ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die. ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 28. ' 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 29.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 80.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 28. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

785 2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 31.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Beilage IV.

Ältere Übereinkommen, deren Ratifikation beantragt wird.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 11) über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, von 1921*).

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen, betreffend das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, zwecks Eatifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge: Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, allen in der Landwirtschaft beschäftigten Personen das gleiche Vereinigungs- und Koalitionsrecht wie den gewerblichen Arbeitnehmern zu gewährleisten und jede gesetzliche oder sonstige Vorschrift aufzuheben, die dieses Eecht für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer einschränkt.

*) Dieses Übereinkommen ist am 11. Mai 1923 in Kraft getreten.

786

Artikel 2.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 3.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Eatifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied mit dem Tag in Kraft, an dem seine Eatifikation beim Sekretariat eingetragen worden ist.

Artikel 4.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 5.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 8 verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die Bestimmungen des Artikels l spätestens am 1. Januar 1924 in Geltung zu setzen und die zu ihrer Durchführung nötigen Massnahmen zu treffen..

Artikel 6.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten gemäss den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der anderen Friedensverträge anzuwenden.

Artikel 7.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

787

Artikel 8.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seine Durchsicht oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 9.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 29) über Zwangs- oder Pflichtarbeit, von 1930.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 10. Juni 1930 zu ihrer vierzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Zwangsoder Pflichtarbeit, eine Frage, die zum ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1980, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an zwecks Eatifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge.

. Artikel 1.

.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, den Gebrauch der Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen möglichst bald zu beseitigen.

Bis zur völligen Beseitigung darf Zwangs- oder Pflichtarbeit während einer Übergangszeit ausschliesslich für öffentliche Zwecke und auch dann nur ausnahmsweise angewandt werden; dabei sind die in den nachstehenden Artikeln vorgesehenen Bedingungen und Sicherungen einzuhalten.

Nach Ablauf von 5 Jahren, berechnet vom Inkrafttreten dieses Übereinkommens, und anlässlich des im nachstehenden Artikel 81 vorgesehenen Berichtes hat der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes zu prüfen, ob es möglich ist, die Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen ohne weiteren Verzug zu beseitigen, und zu entscheiden, ob diese Frage auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

788

Artikel 2.

Als «Zwangs- oder Pflichtarbeit» im Sinne dieses Übereinkommens gilt jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.

Als «Zwangs- oder Pflichtarbeit» im Sinne dieses Übereinkommens gelten jedoch nicht: a. jede Arbeit oder Dienstleistung auf Grund der Gesetze über die Militärdienstpflicht, soweit diese Arbeit oder Dienstleistung rein militärischen Zwecken dient; b. jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten der Bürger eines Landes mit voller Selbstregierung gehört; c. jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person auf Grund einer gerichtlichen Verurteilung verlangt wird, jedoch unter der Bedingung, dass diese Arbeit oder Dienstleistung unter Überwachung und Aufsicht der öffentlichen Behörden ausgeführt wird und dass der Verurteilte nicht an Einzelpersonen oder private Gesellschaften und Vereinigungen verdingt oder ihnen sonst zur Verfügung gestellt wird; d. jede Arbeit oder Dienstleistung in Fällen höherer Gewalt, nämlich im Falle von Krieg, oder wenn Unglücksfälle eingetreten sind oder drohen, wie Feuersbrunst, Überschwemmung, Hungersnot, Erdbeben, verheerende Menschen- und Viehseuchen, plötzliches Auftreten von wilden Tieren, Insekten- oder Pflanzenplagen, und überhaupt in allen Fällen, in denen das Leben oder die Wohlfahrt der Gesamtheit oder eines Teiles der Bevölkerung bedroht ist; e. kleinere Gemeindearbeiten, die unmittelbar dem Wohle der Gemeinschaft dienen, durch ihre Mitglieder ausgeführt werden und daher zu den üblichen Bürgerpflichten der Mitglieder der Gemeinschaft gerechnet werden können; dies gilt unter der Voraussetzung, dass die Bevölkerung oder ihre unmittelbaren Vertreter berechtigt sind, sich über die Notwendigkeit der Arbeiten zu äussern.

Artikel 3.

Als «zuständige Behörde» im Sinne dieses Übereinkommens gilt entweder eine Behörde des Mutterlandes oder die oberste Zentralbehörde des betreffenden Gebietes.

Artikel 4.

Die zuständige Behörde darf Zwangs- oder Pflichtarbeit zum Vorteile von Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen weder auferlegen noch zulassen.

Besteht derartige Zwangs- oder Pflichtarbeit zum Vorteile von Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen zu dem Zeitpunkt,

789 in dem die Eatifikation dieses Übereinkommens durch ein Mitglied vom Generalsekretär des Völkerbundes eingetragen wird, so hat das Mitglied diese Zwangs- oder Pflichtarbeit mit dem Zeitpunkte völlig zu beseitigen, in dem dieses Übereinkommen für das Mitglied in Kraft tritt.

Artikel 5.

Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen erteilte Konzessionen dürfen nicht dahin führen, dass Zwangs- oder Pflichtarbeit in irgendeiner Form zur Gewinnung, Herstellung oder Sammlung von Erzeugnissen auferlegt wird, die diese Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen verwenden oder mit denen sie Handel treiben.

Bestehen Konzessionen mit Bestimmungen, wonach eine derartige Zwangsoder Pflichtarbeit auferlegt werden kann, so sind diese Bestimmungen so bald als möglich aufzuheben, um dem Artikel l dieses Übereinkommens zu genügen.

Artikel 6.

Beamte der Verwaltung dürfen, auch wenn es ihre Aufgabe ist, die ihrer Verantwortung unterstellte Bevölkerung zur Annahme von Arbeit irgendeiner Form zu ermuntern, weder auf die Gesamtbevölkerung noch auf einzelne Personen der Gesamtbevölkerung einen Druck ausüben, um sie zur Arbeitsleistung für Einzelpersonen oder private Gesellschaften und Vereinigungen zu veranlassen.

Artikel 7.

Häuptlinge, die keine Verwaltungsbefugnis ausüben, dürfen von Zwangsoder Pflichtarbeit keinen Gebrauch machen.

Häuptlinge, die Verwaltungsbefugnis ausüben, dürfen mit ausdrücklicher Ermächtigung der zuständigen Behörde Zwangs- oder Pflichtarbeit unter den Bedingungen des Artikels 10 dieses Übereinkommens in Anspruch nehmen.

Häuptlinge, die als solche rechtmässig anerkannt sind und nicht eine angemessene Entschädigung in anderer Form erhalten, dürfen persönliche Dienste empfangen, sofern diese ordnungsmässig geregelt und die notwendigen Massnahmen zur Vermeidung von Missbräuchen ergriffen worden sind.

Artikel 8.

Für jede Ermächtigung,. Zwangs- oder Pflichtarbeit in Anspruch zu nehmen, ist die oberste Zivilbehörde des betreffenden Gebietes verantwortlich.

Diese Behörde kann jedoch den örtlichen Oberbehörden die Befugnis übertragen, Zwangs- oder Pflichtarbeit in den Fällen aufzuerlegen, in denen die Arbeiter durch diese Arbeit nicht von ihrem üblichen Aufenthaltsort entfernt werden. Sie kann ferner den örtlichen Oberbehörden für Zeitabschnitte und unter Bedingungen, wie sie Artikel 23 dieses Übereinkommens vorsieht, die

790 Ermächtigung erteilen, Zwangs- oder Pflichtarbeit aufzuerlegen, zu deren Ausführung die Arbeitnehmer sich von ihrem üblichen Aufenthaltsort entfernen müssen, wenn es sich darum handelt, Dienstreisen der Verwaltungsbeamten oder die Beförderung von Begierungsgut zu erleichtern.

Artikel 9.

Soweit Artikel 10 dieses Übereinkommens nichts anderes bestimmt, kann die Behörde, der das Eecht zusteht, Zwangs- oder Pflichtarbeit aufzuerlegen, die Anwendung dieser Arbeitsform nur gestatten, wenn sie sich zuvor versichert hat, dass: a. die Arbeit oder Dienstleistung von wesentlicher, unmittelbarer Bedeutung für die Gemeinschaft ist, die sie ausführen soll; b. die Arbeit oder Dienstleistung bereits notwendig ist oder diese Notwendigkeit unmittelbar bevorsteht; c. es unmöglich gewesen ist, freiwillige Arbeitskräfte für die Arbeit oder Dienstleistung zu erhalten, obgleich die angebotenen Löhne und übrigen Arbeitsbedingungen denjenigen wenigstens gleichwertig waren, die in dem betreffenden Gebiete für Arbeiten oder Dienstleistungen gleicher Art üblich sind; d. durch die Arbeit oder Dienstleistung die gegenwärtige Bevölkerung nicht übermässig belastet wird ; dabei ist die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte und ihre Eignung für die geforderte Arbeit zu berücksichtigen.

Artikel 10.

Zwangs- oder Pflichtarbeit, die als Steuer gefordert, und solche, die für öffentliche Arbeiten von Häuptlingen in Ausübung von Verwaltungsbefugnissen beansprucht wird, ist mehr und mehr abzuschaffen.

Unterdessen haben die beteiligten Behörden, wenn Zwangs- oder Pflichtarbeit als Steuer gefordert oder von Häuptlingen in Ausübung von Verwaltungsbefugnissen für öffentliche Arbeiten beansprucht wird, sich vorher zu überzeugen, dass : a. die Arbeit oder Dienstleistung von wesentlicher, unmittelbarer Bedeutung für die Gemeinschaft ist, die sie ausführen soll; b. die Arbeit oder Dienstleistung bereits notwendig ist oder diese Notwendigkeit unmittelbar bevorsteht; c. durch die Arbeit oder Dienstleistung die gegenwärtige Bevölkerung nicht übermässig belastet wird ; dabei ist die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte und ihre Eignung für die geforderte Arbeit zu berücksichtigen; d. die Arbeit oder Dienstleistung die Arbeiter nicht nötigt, sich von ihrem üblichen Aufenthaltsort zu entfernen; e. bei Durchführung der Arbeit oder Dienstleistung den Ansprüchen der Eeligion, des Gemeinschaftslebens und der Landwirtschaft Eechnung getragen wird,

791

Artikel 11.

Nur erwachsene, arbeitsfähige Personen männlichen Geschlechtes, die offenbar nicht unter 18 und nicht über 45 Jahre alt sind, dürfen zu Zwangsoder Pflichtarbeit herangezogen werden. Abgesehen von den in Artikel 10 dieses Übereinkommens bezeichneten Arten von Arbeiten sind dabei die folgenden Beschränkungen und Bedingungen zu berücksichtigen: a. wenn immer möglich ist durch einen von der Verwaltung hierzu bestimmten Arzt vorher festzustellen, dass die betreffenden Personen nicht an ansteckenden Krankheiten leiden und zu der von ihnen verlangten Arbeit unter den Verhältnissen, unter denen diese Arbeit zu leisten ist, körperlich fähig sind; b. Schullehrer und Schüler sowie das gesamte Verwaltungspersonal sind auszunehmen; c. die Zahl von erwachsenen, arbeitsfähigen Männern, die notwendig ist, um das Familien- und Gemeinschaftsleben aufrechtzuerhalten, ist in jeder Gemeinschaft zu belassen; d. auf das Ehe- und Familienband ist Eücksicht zu nehmen.

Die Durchführungsvorschriften, die auf Grund des Artikels 23 dieses Übereinkommens zu erlassen sind, haben den Anteil der ansässigen, arbeitsfähigen männlichen Personen festzulegen, der jeweils zur Zwangs- oder Pflichtarbeit herangezogen werden darf. Dieser Anteil darf keinesfalls fünfundzwanzig vom Hundert überschreiten. Bei Festsetzung dieses Anteiles hat die zuständige Behörde die Dichte der Bevölkerung, ihre soziale und körperliche Entwicklungsstufe, die Jahreszeit und die Arbeiten zu berücksichtigen, welche die betreffenden Personen an ihrem Wohnsitz für sich zu verrichten haben; überhaupt ist den üblichen wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedürfnissen der betreffenden Gemeinschaft Eechnung zu tragen.

Artikel 12.

Die Höchstdauer, für die eine Person zu Zwangs- oder Pflichtarbeit aller Art herangezogen werden kann, darf sechzig Tage innerhalb von zwölf Monaten nicht überschreiten, und zwar einschliesslich der Zeit für den Weg zur Arbeitsstätte und zurück.

Jeder zur Zwangs- oder Pflichtarbeit herangezogene Arbeiter soll ein Zeugnis erhalten, in dem die Dauer der von ihm geleisteten Zwangs- oder Pflichtarbeit angegeben ist.

Artikel 18.

Die regelmässige Arbeitszeit von Personen, die zur Zwangs- oder Pflichtarbeit herangezogen werden, muss die gleiche sein wie für freie Arbeit ; Arbeitsstunden, die über die regelmässige Arbeitszeit hinaus geleistet werden, sind zu den gleichen Sätzen zu vergüten, die für Mehrarbeit freier Arbeiter gelten.

792 Ein wöchentlicher Euhetag ist allen Personen zu gewähren, die irgendeiner Form von Zwangs- oder Pflichtarbeit unterworfen werden; dieser Ruhetag soll soweit wie möglich mit dem Tage zusammenfallen, der durch Überlieferung oder Brauch des Landes oder Gebietes als Euhetag gilt.

Artikel 14.

Abgesehen von der in Artikel 10 dieses Übereinkommens bezeichneten Arbeit ist Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen in Geld zu vergüten, und zwar zu Sätzen, die weder niedriger sind als die für gleichartige Arbeit in dem Gebiete der Arbeitsverrichtung, noch niedriger als die im Anwerbungsgebiet üblichen Sätze.

; Wird Arbeit von Häuptlingen in Ausübung von Verwaltungsbefugnissen auferlegt, so ist die Entlohnung möglichst bald den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes anzupassen.

Die Löhne sind unmittelbar dem einzelnen Arbeiter und nicht ihren Häuptlingen oder sonstigen Obrigkeiten auszuzahlen.

Die Eeisetage zum Arbeitsort und zurück sind für die Lohnzahlung als Arbeitstage zu rechnen.

Die Bestimmungen dieses Artikels schliessen nicht aus, dass Arbeitern die üblichen Nahrungsmengen in Anrechnung auf den Lohn verabfolgt werden; diese Nahrungsmengen müssen jedoch der Geldsumme, an deren Stelle sie treten, mindestens gleichwertig sein. Unzulässig sind dagegen Lohnabzüge für Steuern, besondere Nahrung, Kleidung und Unterkunft, die den Arbeitern gegeben werden, um es ihnen zu ermöglichen, die Arbeit unter Berücksichtigung der hierfür geltenden besonderen Verhältnisse fortzusetzen; das gleiche gilt für die Lieferung von Werkzeug.

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Artikel 15.

Alle gesetzlichen Bestimmungen über die Entschädigung von Unfällen oder Krankheiten, die aus Arbeit herrühren, und alle gesetzlichen Bestimmungen über die Entschädigung von Personen, deren Unterhalt von Arbeitern zu bestreiten war, die gestorben oder invalid geworden sind, findet in gleicher Weise wie auf freie Arbeiter auch auf Personen Anwendung, die zur Zwangsoder Pflichtarbeit herangezogen werden, gleichviel ob jene gesetzlichen Bestimmungen in dem betreffenden Gebiete bereits in Kraft sind oder künftig in Kraft treten.

In jedem Falle hat die Behörde, die einen Arbeiter zur Zwangs- oder Pflichtarbeit heranzieht, die Pflicht, seinen Unterhalt sicherzustellen, wenn ein Unfall oder eine Krankheit als Folge seiner Arbeitsleistung ihn ganz oder teilweise
ausserstand setzt, selbst für sich zu sorgen. Diese Behörde ist ferner verpflichtet, Massnahmen zu treffen, um für den Fall, dass ein solcher Arbeiter infolge seiner Beschäftigung arbeitsunfähig wird oder stirbt, den Unterhalt der Personen sicherzustellen, den er tatsächlich bestritten hatte.

793 Artikel 16.

Personen, von denen Zwangs- oder Pflichtarbeit verlangt wird, dürfen nicht in Gebiete gebracht werden, wo Ernährung und Klima von den ihnen gewohnten Verhältnissen so erheblich abweichen, dass daraus eine Gefährdung ihrer Gesundheit entsteht; ausgenommen bleiben Fälle ganz besonderer Notwendigkeit.

Keinesfalls darf eine solche Überführung von Arbeitern zugelassen werden, wenn nicht alle Massnahmen in bezug auf Hygiene und Unterbringung, die für ihre Eingewöhnung und den Schutz ihrer Gesundheit erforderlich sind, genau zur Anwendung gebracht werden können.

Wenn eine solche Überführung unvermeidlich ist, sind Massnahmen zur allmählichen Gewöhnung an die neuen Ernährungs- und klimatischen Verhältnisse auf Grund zuständigen ärztlichen Eates zu ergreifen.

In Fällen, in denen von solchen Arbeitern eine ihnen ungewohnte regelmässige Arbeitsleistung verlangt wird, sind Massnahmen zu ergreifen, um sie daran zu gewöhnen. Dabei handelt es sich insbesondere um allmähliche Einübung, Eegelung der Arbeitszeit, Festsetzung von Euhepausen sowie um die etwa erforderliche Ergänzung und Verbesserung ihrer Ernährung.

Artikel 17.

Bevor die Anwendung von Zwangs- oder Pflichtarbeit für Bau- oder Instandhaltungsarbeiten zugelassen wird, welche die Arbeiter zum Verbleib an den Arbeitsstätten auf längere Zeit zwingt, hat die zuständige Behörde sich davon zu überzeugen: 1. dass alle notwendigen Massnahmen ergriffen worden sind, um die Gesundheit der Arbeiter zu schützen und ihnen die erforderliche Arzthilfe zu gewährleisten und insbesondere, dass a. die Arbeiter vor Beginn ihrer Beschäftigung und in bestimmten Zeitabständen während der Dauer ihrer Dienstleistung ärztlich untersucht werden; b. Personal zur Gesundheitspflege in hinreichendem Masse vorhanden ist wie auch Apotheken, Krankenstuben, Hospitäler und Saehbedarf, die erforderlich sind, um allen Bedarfsfällen zu genügen, und c. die gesundheitlichen Verhältnisse der Arbeitsstätten, die Versorgung mit Trinkwasser, Lebensmitteln, Heizstoffen und Kochausrüstungen befriedigen und, wo es notwendig ist, Wohnung und Kleidung in ausreichendem Masse zur Verfügung gestellt werden; 2. dass geeignete Massnahmen ergriffen worden sind, um den Unterhalt der Familien der Arbeiter zu gewährleisten, insbesondere durch Erleichterungen für eine gesicherte Übermittlung
eines Teiles des Lohnes an die Familie auf Verlangen oder mit Zustimmung des Arbeiters; 3. dass die Eeise der Arbeiter zum Arbeitsplatz und zurück auf Kosten und unter Verantwortung der Verwaltung erfolgt, welche die Eeise dadurch erleichtern soll, dass sie weitestgehenden Gebrauch von allen verfügbaren Beförderungsmitteln macht ;

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4. dass im Falle von Krankheit oder Unfall, die zu Arbeitsunfähigkeit von einer gewissen Dauer führen, der Arbeiter auf- Kosten der Verwaltung in seine Heimat zurückbefördert wird; 5. dass Arbeiter, die nach Beendigung der Zwangs- oder Pflichtarbeit als freie Arbeiter zu verbleiben wünschen, die Erlaubnis dazu erhalten, ohne vor Ablauf von zwei Jahren des Anspruches auf kostenlose Bückbeförderung in die Heimat verlustig zu gehen.

Artikel 18.

Zwangs- oder Pflichtarbeit für die Beförderung von Personen oder Gütern, wie Träger- und Bootsdienst, ist sobald wie möglich abzuschaffen. Für die Zwischenzeit sollen Vorschriften der zuständigen Behörden unter anderem festlegen: a. die Verpflichtung, solche Arbeit nur zur Erleichterung der Dienstreisen von Verwaltungsbeamten, zur Beförderung von Eegierungsgut und nur in Fällen von äusserster Dringlichkeit zur Beförderung anderer Personen als Beamter zu gebrauchen; b. die Verpflichtung, für solche Beförderung nur Männer zu verwenden, deren körperliche Eignung vorher durch ärztliche Untersuchung, wo immer die Möglichkeit dazu besteht, festgestellt worden ist. In Fällen, in denen eine solche Untersuchung nicht möglich sein sollte, hat derjenige, der Arbeiter dieser Art beschäftigt, sich unter seiner Verantwortung zu versichern, dass sie körperlich befähigt sind und nicht an einer ansteckenden Krankheit leiden; c. die Höchstlasten, die diese Arbeiter tragen dürfen; d. die Höchstentfernung von ihrem Wohnsitze, die ihnen auferlegt werden darf; e. die Höchstzahl der Tage innerhalb eines Monats oder eines anderen Zeitraumes, für den sie verwendet werden dürfen, unter Einrechnung der Tage, die sie für die Heimkehr benötigen; /. die Personen, die berechtigt sind, diese Art von Zwangs- oder Pflichtarbeit in Anspruch zu nehmen, und das für diese Beanspruchung zulässige Höchstausmass.

Bei Festsetzung der unter c., d. und e. des vorigen Absatzes.bezeichneten Höchstgrenzen hat die zuständige Behörde auf alle wesentlichen Voraussetzungen Eücksicht zu nehmen einschliesslich des körperlichen Entwicklungsstandes der Bevölkerung, aus der die Arbeiter entnommen werden, der Beschaffenheit des Gebietes, durch das ihr Weg führt, und .der klimatischen Verhältnisse.

Die zuständige Behörde hat ferner dafür zu sorgen, dass die regelmässige Tagesleistung dieser Arbeiter nicht über
eine Entfernung hinausgeht, die einer durchschnittlichen achtstündigen Arbeitsleistung entspricht, wobei neben der beförderten Last und der zurückgelegten Entfernung auch der Zustand des Weges, die Jahreszeit und alle anderen wesentlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen sind, und dass, wenn zusätzliche Wegleistungen verlangt werden, für diese ein höheres als das regelnlässige Entgelt gezahlt wird.

795 Artikel 19.

Die zuständige Behörde darf Zwangspflanzungen nur genehmigen, um Hungersnot oder Lebensmittelmangel vorzubeugen, und stets nur unter der Bedingung, dass die so gewonnenen Lebensmittel oder Erzeugnisse im Eigentum der Person oder Gemeinschaft bleiben, die sie erzeugt hat.

Die Bestimmungen dieses Artikels dürfen nicht dazu führen, dass dort, wo die Erzeugung nach Gesetz oder Gewohnheit auf einem Gemeinschaftssystem beruht und die Erzeugnisse oder der Gewinn aus ihrem Verkaufe das Eigentum der Gemeinschaft bleiben, die Verpflichtung der Mitglieder aufgehoben wird, die ihnen nach Gesetz oder Gewohnheit für die Gemeinschaft obliegende Arbeit auszuführen.

Artikel 20.

Gesetzliche Bestimmungen über Bestrafung einer ganzen Gemeinschaft für Vergehen, die von einzelnen ihrer Mitglieder begangen worden sind, dürfen Zwangs- oder Pflichtarbeit der Gemeinschaft als Strafe nicht vorsehen.

Artikel 21.

Im Bergbau darf Arbeit untertage als Zwangs- oder Pflichtarbeit nicht angewendet werden.

Artikel 22.

Die jährlichen Berichte über die Massnahmen zur Durchführung dieses Übereinkommens, welche die ratifizierenden Mitglieder dem Internationalen Arbeitsamte gemäss _ Artikel 408 des Vertrages von Versailles und den entsprechenden Artikeln der übrigen Friedens vertrage vorzulegen verpflichtet sind, müssen möglichst vollständige Angaben aus allen in Betracht kommenden Gebieten enthalten über das Mass, in dem dort Zwangs- oder Pflichtarbeit angewandt worden ist, die Zwecke, für die das geschehen ist, die Krankheitsund Sterbeziffern, die Arbeitszeit, die Art der Lohnzahlung, die Lohnsätze und alle sonst wesentlichen Angaben.

Artikel 23.

Zur wirksamen Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens hat die zuständige Behörde vollständige und klare Vorschriften über die Anwendung von Zwangs- oder Pflichtarbeit zu erlassen.

Diese Vorschriften müssen insbesondere Bestimmungen enthalten, die es jeder der Zwangs- oder Pflichtarbeit unterworfenen Personen gestatten, alle Beschwerden über die ihr auferlegten Arbeitsbedingungen vor die Behörden zu bringen, und welche die Gewähr, bieten, dass diese Beschwerden untersucht und auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden.

796 Artikel 24.

In allen Fällen sind geeignete Massnahmen zur strengen Durchführung der Vorschriften über den Gebrauch der Zwangs- oder Pflichtarbeit zu ergreifen, sei es durch Ausdehnung der Befugnisse eines etwa bestehenden Aufsichtsdienstes für freie Arbeit auf die Beaufsichtigung der Zwangs- oder Pflichtarbeit, sei es in sonst geeigneter Weise. Auch sind Massnahmen zu treffen, damit die bezeichneten Vorschriften zur Kenntnis der Personen gelangen, die der Zwangs- oder Pflichtarbeit unterworfen werden.

Artikel 25.

Die unberechtigte Auferlegung von Zwangs- oder Pflichtarbeit ist unter Strafe zu stellen. Die Mitglieder, die dieses Übereinkommen ratifizieren, verpflichten sich, dafür zu sorgen, dass die auferlegten Strafen wirksam sind und streng vollzogen werden.

Artikel 26.

Die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, die dieses Übereinkommen ratifizieren, verpflichten sich, es auf die ihrer Souveränität, ihrer Jurisdiktion, ihrem Protektorate, ihrer Oberhoheit, ihrer Tutel oder ihrer Autorität unterworfenen Gebiete anzuwenden, soweit ihnen in bezug auf diese Gebiete das Recht zusteht, Verpflichtungen einzugehen, welche Angelegenheiten der inneren Verwaltung betreffen. Wollen Mitglieder indessen von den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrages von Versailles und von den entsprechenden Artikeln der übrigen Friedensverträge Gebrauch machen, so haben sie ihrer Eatifikation eine Erklärung beizufügen, die bekannt gibt: 1. die Gebiete, auf welche sie die Bestimmungen dieses Übereinkommens unverändert anzuwenden beabsichtigen; 2. die Gebiete, auf welche sie die Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Abänderungen anzuwenden beabsichtigen, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abänderungen; 3. die Gebiete, für welche sie sich die Entscheidung vorbehalten.

Die bezeichnete Erklärung gilt als wesentlicher Bestandteil der Eatifikation und hat die Wirkungen einer solchen. Doch bleibt es den Mitgliedern überlassen, die Vorbehalte, die sie auf Grund der Bestimmungen der Ziffern 2 und 3 des vorangehenden Absatzes in der ursprünglichen Erklärung gemacht hatten, in einer späteren Erklärung ganz oder teilweise fallen zu lassen.

Artikel 27.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

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797

Artikel 28.

Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Batifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 29.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von den anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 30.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von fünf Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 81.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 82.

Nimmt die Allgemeine Konferenz ein Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, so schliesst die Batifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied ohne weiteres die Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht Bundesblatt.

91. Jahrg.

Bd. I.

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auf die in Artikel 80 vorgesehene Frist. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

Vom Inkrafttreten, des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 83.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten in Bergwerken jeder Art, von 1935.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1985 zu ihrer neunzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten in Bergwerken jeder Art, eine Frage, die den zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 21. Juni 1935, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über Üntertagarbeiten (Frauen) von 1985 bezeichnet wird.

Artikel 1.

Als «Bergwerk» im Sinne dieses Übereinkommens gilt jeder öffentliche oder private Betrieb zur Gewinnung von Bodenschätzen.

Artikel 2.

Keine Person weiblichen Geschlechtes, gleichviel wie alt, darf bei Untertagarbeiten in Bergwerken beschäftigt werden.

Artikel 8.

Die Gesetzgebung kann von dem vorstehenden Verbot ausnehmen: a. Personen in leitender Stelle, die keine körperliche Arbeit verrichten; b. Personen, die im Gesundheitsdienst und Wohlfahrtswesen tätig sind; c. Personen, die während ihrer Studien eine Zeit praktischer Berufsausbildung in den untertage gelegenen Teilen eines Bergwerkes durchmachen;

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d. sonstige Personen, die gelegentlich die untertage gelegenen Teile eines Bergwerkes in Ausübung eines Berufes befahren, der keine körperliche Arbeit erfordert.

Artikel 4.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 5.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr, nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

8. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 6.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 7.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 8.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses

800 Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder-teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 9.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 7. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist; b. vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 10.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 62) über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten, von 1937.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1987 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat in der Erwägung, dass die Hochbauarbeiten mit schweren Unfallgefahren verbunden sind, die es aus allgemein menschlichen wie aus wirtschaftlichen Gründen zu vermindern gilt, beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Unfallverhütungsvorschriften zum Schütze der Arbeitnehmer in bezug auf Gerüste und Hebevorrichtungen bei Hochbauarbeiten, eine Frage, die den ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet.

Da es wünschenswert erscheint, die Mindestvorschriften über Unfallverhütung zu vereinheitlichen, ohne aber ihre allgemeine Durchführung durch eine allzu starre Fassung zu erschweren, ist es am zweckmässigsten, diesen Anträgen die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens zu geben, begleitet von einer Empfehlung mit Mustervorschriften über Unfallverhütung.

Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1937, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, bezeichnet wird.

801 Teil I: Pflichten der Parteien des Übereinkommens; Artikel 1.

1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich zu einer Gesetzgebung, a) die die Durchführung.der allgemeinen Bestimmungen der Teile II--IV dieses Übereinkommens sicherstellt; b) nach der eine geeignete Behörde ermächtigt ist, Verordnungen zu erlassen, um, soweit es unter den gegebenen Verhältnissen des betreffenden Staates möglich und erwünscht ist, Vorschriften Geltung zu verschaffen, die mit den der Empfehlung über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, beigefügten Mustervorschriften oder mit allen abgeänderten Mustervorschriften, welche die Internationale Arbeitskonferenz später etwa empfiehlt, übereinstimmen oder ihnen gleichwertig sind.

2. Jedes dieser Mitglieder verpflichtet sich ferner, alle drei Jahre dem Internationalen Arbeitsamt einen Bericht zu übersenden, aus dem ersichtlich ist, in welchem Masse den Mustervorschriften Geltung verschafft worden ist, die der Empfehlung über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, beigefügt sind, oder allen abgeänderten Mustervorschriften, welche die Internationale Arbeitskonferenz später etwa empfiehlt.

Artikel 2.

1. Die Gesetzgebung zur Sicherung der Durchführung der allgemeinen Bestimmungen der Teile II--IV dieses Übereinkommens muss für alle Arbeiten gelten, die auf Baustellen im Zusammenhang mit der Errichtung, der Ausbesserung, dem Umbau, der Instandhaltung und dem Abbruch von Gebäuden aller Art ausgeführt werden.

2. Diese Gesetzgebung kann die zuständige Behörde ermächtigen, nach Befragung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, soweit solche bestehen, Ausnahmen von allen oder einzelnen dieser Bestimmungen für Arbeiten zuzulassen, die in der Eegel unter ausreichend unfallsicheren Verhältnissen durchgeführt werden.

Artikel 3.

Die Gesetzgebung zur Sicherung der Durchführung der allgemeinen Bestimmungen der Teile II--IV dieses Übereinkommens und die Verordnungen, die von der geeigneten Behörde erlassen worden sind, um den der Empfehlung betreffend Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, beigefügten Mustervorschriften Geltung zu verschaffen, haben a) vorzuschreiben, dass der Arbeitgeber diese Gesetzgebung und diese Verordnungen allen davon betroffenen Personen in einer von der zuständigen Behörde genehmigten Weise bekanntzumachen hat;

802 b) die für ihre Durchführung verantwortlichen Personen zu bezeichnen; c) für den Fall der Verletzung der auferlegten Pflichten angemessene Strafen vorzusehen.

Artikel 4.

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' Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, einen Aufsichtsdienst zu unterhalten oder sich davon zu überzeugen, dass ein solcher vorhanden ist, der Gewähr für die wirksame Durchführung der Gesetzgebung über die Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten bietet.

Artikel 5.

1. Umfasst das Gebiet eines Mitgliedes ausgedehnte Gegenden, in denen wegen der Spärlichkeit der Bevölkerung oder des Standes der wirtschaftlichen Entwicklung die zuständige Behörde die Bestimmungen dieses Übereinkommens für undurchführbar hält, so kann sie diese Gegenden von der Durchführung des Übereinkommens entweder allgemein oder mit den ihr für bestimmte Orte oder für bestimmte Gebäudearten angebracht erscheinenden Ausnahmen befreien.

2. Jedes Mitglied hat in dem ersten Jahresberichte, den es auf Grund des Artikels 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung dieses Übereinkommens vorzulegen hat, die Gegenden zu bezeichnen, für die es von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch zu machen beabsichtigt. In der Folgezeit dürfen die Mitglieder von den Bestimmungen dieses Artikels nur für die in dieser Weise bezeichneten Gegenden Gebrauch machen.

8. Jedes Mitglied, das von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch macht, hat in den späteren Jahresberichten die Gegenden zu bezeichnen, für die es auf das Eecht, sich auf die genannten Bestimmungen zu berufen, verzichtet.

Artikel 6.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, dem Internationalen Arbeitsamt jährlich die neuesten statistischen Angaben über Zahl und Art der Unfälle mitzuteilen, von denen Personen betroffen wurden, die bei Arbeiten im Sinne dieses Übereinkommens beschäftigt waren.

Teil II: Allgemeine Bestimmungen über Gerüste.

Artikel 7.

1. Für alle Arbeiten, die nicht mit einer Leiter oder mit anderen Mitteln gefahrlos ausgeführt werden können, sind den Arbeitern zweckmässige Gerüste zur Verfügung zu stellen.

2. Die Herstellung, der Abbruch oder die wesentliche Änderung eines Gerüstes darf nur ausgeführt werden

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a) unter der Leitung einer fachkundigen und verantwortlichen Person; b) soweit als möglich durch fachkundige und mit dieser Art von Arbeiten vertraute Arbeiter.

8. Sämtliche Gerüste, alle damit verbundenen Vorrichtungen und sämtliche Leitern müssen a) aus Werkstoffen von guter Beschaffenheit bestehen; b) unter Berücksichtigung der Belastung und der Beanspruchung, denen sie ausgesetzt werden, genügende Festigkeit besitzen; e) in gutem Zustand erhalten werden.

4. Gerüste sind so zu bauen, dass sich bei gewöhnlicher Benutzung kein Teil von ihnen verschieben kann.

5. Gerüste dürfen nicht überladen werden, und ihre Belastung ist möglichst gleichmässig zu verteilen.

6. Vor Anbringung von Hebevorrichtungen auf Gerüsten sind besondere Vorsichtsmassnahmen zur Sicherung der Widerstandsfähigkeit und der Standfestigkeit dieser Gerüste zu treffen.

7. Gerüste sind regelmässig von einer fachkundigen Person zu überprüfen.

8. Bevor der Arbeitgeber seinen Arbeitern die Benutzung eines Gerüstes gestattet, hat er sich, mag das Gerüst von seinem oder einem anderen Unternehmen errichtet worden sein, zu vergewissern, dass es den Bestimmungen dieses Artikels vollkommen entspricht.

Artikel 8.

1. Arbeitsbühnen, Lauf brücken und Treppen müssen a) so gebaut werden, dass keiner ihrer Teile sich übermässig oder ungleich durchbiegen kann; b) so gebaut und erhalten werden, dass unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse soweit als möglich die Gefahr vermieden wird, dass Personen stolpern oder ausgleiten; c) von allen unnötigen Hindernissen freigehalten werden.

2. Bei Arbeitsbühnen, Laufbrücken, Arbeitsstellen und Treppen, deren Höhe ein durch die Gesetzgebung festzusetzendes Mass überschreitet, a) ist jede Arbeitsbühne und jede Laufbrücke mit einem dicht verlegten Boden zu versehen, sofern nicht andere geeignete Sicherheitsmassnahmen getroffen werden; b) muss jede Arbeitsbühne und jede Laufbrücke genügend breit sein; c) ist jede Arbeitsbühne, Lauf brücke, Arbeitsstelle oder Treppe in geeigneter Weise zu umzäunen.

Artikel 9.

1. Jede Öffnung in einem Fussboden eines Gebäudes oder in einer Arbeitsbühne musa, auaaer für die Zeit und in dem Auamaaa, die erforderlich sind,

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um den Zugang von Personen und die Beförderung und Umlagerung von Material zu gestatten, mit geeigneten Vorrichtungen zur Verhütung des Absturzes von Personen oder Material versehen sein.

2. Müssen Personen auf einem Dach beschäftigt werden, auf dem die Gefahr des Absturzes aus einer Höhe besteht, die ein durch die Gesetzgebung festzusetzendes Mass überschreitet, so sind geeignete Massnahmen zur Verhütung des Absturzes von Personen oder Material zu treffen.

8. Durch geeignete Massnahmen ist dafür zu sorgen, dass Personen nicht "durch Gegenstände getroffen werden, die von Gerüsten oder anderen Arbeitsstellen herabfallen können.

Artikel 10.

1. Zu allen Arbeitsbühnen und sonstigen Arbeitsstellen sind sichere Zugangswege vorzusehen.

2. Jede Leiter muss sicher befestigt und so lang sein, dass sie in allen Stellungen, in denen sie benutzt wird, für Hände und Fusse eine sichere Stütze bietet.

3. Alle Orte, an denen Arbeiten ausgeführt werden, sowie ihre Zugänge sind ausreichend zu beleuchten.

4. Um eine Gefährdung durch elektrische Anlagen zu verhüten, sind geeignete Vorsichtsmassregeln zu treffen.

Das auf der Baustelle befindliche Material darf nicht so aufgestapelt oder gelagert werden, daß dadurch Personen gefährdet werden können.

Teil III: Allgemeine Bestimmungen über Hebevorrichtungen.

Artikel 11.

1. Hebemaschinen und Hebegeräte, einschliesslich ihrer Befestigungsmittel, Verankerungen und Tragteile, müssen a) von guter mechanischer Bauart und aus einwandfreiem Werkstoff sein, genügende Festigkeit besitzen und dürfen keine offensichtlichen Mängel auf weisen; b) in gutem, betriebsfähigem Zustand erhalten werden.

2. Alle zum Heben oder Senken von Material oder als Aufhängemittel verwendeten Seile müssen von guter Beschaffenheit, stark genug und frei von offensichtlichen Mängeln sein.

Artikel 12.

1. Hebemaschinen und Hebegeräte sind nach ihrer Aufstellung auf der Baustelle und vor Gebrauch zu untersuchen und in geeigneter Weise zu erproben ; die Untersuchungen sind an Ort und Stelle in Zeitabständen zu wiederholen, die durch die Gesetzgebung vorzuschreiben sind.

2. Alle für das Heben oder das Senken von Material oder als Aufhängemittel verwendeten Ketten, Einge, Haken, Schäkel, Kettenwirbel und Flaschenzüge sind regelmässig zu überprüfen.

805 Artikel 13.

1. Alle Führer von Kranen und anderen Hebevorrichtungen müssen die erforderliche Befähigung besitzen.

2. Keine Person unter einem von der Gesetzgebung vorzuschreibenden Alter darf mit der Bedienung von Hebemaschinen, einschliesslich der Gerüstwinden, oder mit der Signalgebung an den Führer betraut werden.

Artikel 14.

1. Bei allen Hebemaschinen und bei allen Ketten, Eingen, Haken, Schäkeln, Kettenwirbeln und Flaschenzügen, die für das Heben oder Senken oder als Aufhängemittel verwendet werden, ist das zulässige Ladegewicht durch geeignete Mittel festzustellen.

2. Auf sämtlichen Hebemaschinen und an allen sonstigen im vorigen Absatz genannten Vorrichtungen ist das zulässige Ladegewicht deutlich sichtbar anzugeben.

3. Bei Hebemaschinen mit veränderlichem zulässigem Ladegewicht sind die einzelnen Ladegewichte und die Bedingungen, unter denen sie zugelassen sind, klar anzugeben.

4. Kein Teil einer Hebemaschine oder einer der in Absatz l dieses Artikels erwähnten Vorrichtungen darf, ausser zu Prüfungszwecken, über das zulässige Ladegewicht hinaus belastet werden.

Artikel 15.

1. Motoren, Triebwerke, Transmissionen, elektrische Leitungen und andere gefährliche Teile der Hebevorrichtungen sind mit wirksamen Schutzvorrichtungen zu versehen,.

2. Hebevorrichtungen sind so auszustatten, dass die Gefahr eines zufälligen Niedergehens der Last auf ein Mindestmass beschränkt wird.

3. Um die Gefahr jeder zufälligen Verschiebung eines Teiles einer hängenden Last auf ein Mindestmass zu beschränken, sind geeignete Vòrsichtsmassnahmen zu treffen.

Teil IV: Allgemeine Bestimmungen über Schutzausrüstung und erste Hilfe.

Artikel 16.

1. Für die auf der Baustelle beschäftigten Personen sind alle erforderlichen Ausrüstungsgegenstände zum persönlichen Unfallschutz bereitzuhalten; diese Ausrüstungsgegenstände müssen sich stets in sofort gebrauchsfähigem Zustande befinden.

2. Die Arbeitnehmer sind zur Benutzung der in dieser Weise bereitgestellten Ausrüstungsgegenstände verpflichtet, und der Arbeitgeber hat durch geeignete Massnahmen dafür zu sorgen, dass sie von den Personen, für die sie bestimmt sind, zweckentsprechend benutzt werden.

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Artikel 17.

Werden Arbeiten in der Nähe eines Ortes ausgeführt, an dem die Gefahr des Ertrinkens besteht, so müssen alle erforderlichen Ausrüstungsgegenstände bereitgestellt und in gebrauchsfähigem Zustand erhalten werden, sowie leicht erreichbar sein; ferner müssen alle Massnahmen ergriffen werden, die für die sofortige Eettung in Gefahr befindlicher Personen notwendig sind.

Artikel 18.

Für die sofortige erste Hilfe bei allen Verletzungen, die während der Arbeit vorkommen können, sind geeignete Vorkehrungen zu treffen.

Teil V: Sehlussbestimmungen.

Artikel 19.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 20.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

8. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Batifikation in Kraft.

Artikel 21.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 22.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf dès im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von

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zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 28.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 24.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen : a) Die Ratifikation des neu gefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 22. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 25.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 24. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz und über die Ratifikation verschiedener internationaler Arbeitsübereinkommen durch die Schweiz. (Vom 28. April 1939.)

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1939

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03.05.1939

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749-807

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