16.008 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2015 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2015 vom 13. Januar 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Gestützt auf Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen («Aussenwirtschaftsgesetz», SR 946.201) erstatten wir Ihnen Bericht über die Aussenwirtschaftspolitik 2015. Wir beantragen Ihnen, von diesem Bericht und seinen Beilagen (Ziff. 10.1.1­10.1.3) Kenntnis zu nehmen (Art. 10 Abs. 1 des Aussenwirtschaftsgesetzes).

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Aussenwirtschaftsgesetzes zwei Botschaften mit den Entwürfen der Bundesbeschlüsse über die Genehmigung von internationalen Wirtschaftsvereinbarungen. Wir beantragen Ihnen, die folgenden drei Vereinbarungen zu genehmigen: ­

das Protokoll vom 20. Mai 2015 zur Änderung des Freihandelsabkommens vom 17. Dezember 2009 zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Serbien (Ziff. 10.2.1)

­

das Protokoll vom 18. September 2015 zur Änderung des Freihandelsabkommens vom 17. Dezember 2009 zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Albanien (Ziff. 10.2.1)

­

das Protokoll vom 22. Juni 2015 über den Beitritt Guatemalas zum Freihandelsabkommen vom 24. Juni 2013 zwischen den EFTA-Staaten und den zentralamerikanischen Staaten (abgeschlossen mit Costa Rica und Panama) (Ziff. 10.2.2).

Zudem unterbreiten wir Ihnen den Bericht über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen im Jahr 2015 mit dem Entwurf des Bundesschlusses über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Ziff. 10.3), in Anwendung von Artikel 10 Absatz 4 des Aussenwirtschaftsgesetzes sowie gestützt auf Artikel 13 Absätze 1 und

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BBl 2016

2 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986 (SR 632.10), auf Artikel 6a des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1974 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten (SR 632.111.72) und auf Artikel 4 Absatz 2 des Zollpräferenzengesetzes vom 9. Oktober 1981 (SR 632.91). Wir beantragen Ihnen, die zolltarifarischen Massnahmen zu genehmigen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Januar 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Gesamtübersicht Zielsetzung des Bundesrates für das Jahr 2015 Der Bundesrat legte im Berichtsjahr ein besonderes Augenmerk auf die Stärkung des Standorts Schweiz und dessen regionale und globale Positionierung (vgl. Ziele des Bundesrates 2015, Ziele 1 und 2). Er befasste sich intensiv mit den Auswirkungen des hoch bewerteten Schweizerfrankens und mit der zukünftigen Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU.

Im Verhältnis zur EU standen neben den Bemühungen zur Weiterführung des bilateralen Wegs Arbeiten im Hinblick auf die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung im Vordergrund. Weiter wurde im Berichtsjahr eine Änderung des Zinsbesteuerungsabkommens von 2004 unterzeichnet, auf deren Grundlage die Schweiz und die Mitgliedstaaten der EU beabsichtigen, ab 2018 Kontodaten nach dem globalen OECD-Standard auszutauschen (automatischer Informationsaustausch).

Im Rahmen der WTO setzte sich der Bundesrat für die weitere Liberalisierung des Welthandels ein. Parallel dazu baute die Schweiz ihr Netz von Freihandelsabkommen (FHA) weiter aus. In der Entwicklungszusammenarbeit trug der Bundesrat unter anderem im Rahmen der UNCTAD zur Ausgestaltung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung bei, welche im Berichtsjahr am UNO-Gipfeltreffen verabschiedet wurde.

Über diese und weitere für die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik bedeutende Geschäfte gibt der vorliegende Bericht einen Überblick.

Der Bundesrat wird im Geschäftsbericht 2015 ausführlich über den Stand der Arbeiten in Bezug auf seine Ziele für das Berichtsjahr berichten. Eine vorläufige Beurteilung der Ergebnisse des Jahres 2015 deutet darauf hin, dass die Ziele im Bereich der Aussenwirtschaftspolitik erreicht wurden.

Das wirtschaftliche Umfeld Die Weltwirtschaft zeigte im Berichtsjahr eine mässige Wachstumsdynamik, geprägt durch gegenläufige Tendenzen zwischen Industrie- und Schwellenländern. China befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel von einer auf Export ausgerichteten, industriebasierten hin zu einer stärker dienstleistungsorientierten, sich vermehrt auch auf die Binnennachfrage abstützenden Wirtschaftsstruktur. Mit Brasilien und Russland glitten zwei weitere wichtige Schwellenländer in die Rezession. Neben strukturellen Schwächen und politischen Spannungen waren dort die tiefen Erdölund Rohstoffpreise ausschlaggebend.

Die Industrieländer trugen demgegenüber zur zunehmenden Stabilisierung der Weltkonjunktur bei. In den USA festigte sich der Aufschwung der vergangenen Jahre. Auch in der EU ­ dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz ­ setzte sich die langsame konjunkturelle Erholung fort. Eine stützende Wirkung ging von den

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tiefen Energiepreisen, der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und vom relativ schwach bewerteten Euro aus. Divergenzen zwischen einzelnen europäischen Ländern blieben allerdings bestehen. Spaniens Wirtschaft wuchs relativ schnell, während jene Frankreichs und Italiens nur zögerlich an Fahrt gewannen. Obwohl im Sommer die akute Insolvenzgefahr für den griechischen Staat abgewendet wurde, geht von den ungelösten strukturellen Problemen des Landes nach wie vor ein latentes Risiko aus.

Für die Schweiz stand im Berichtsjahr neben der internationalen Konjunktur die Wechselkurssituation im Fokus. Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank Mitte Januar trübten sich die Konjunkturaussichten spürbar. In den ersten drei Quartalen des Jahres kam das Wirtschaftswachstum praktisch zum Stillstand, nachdem im Vorjahr noch eine solide Wachstumsrate von knapp 2 Prozent erreicht worden war. Wechselkurssensiblere und exportorientierte Branchen litten tendenziell stärker unter dem starken Franken, während binnenorientierte Branchen zu einer gewissen Stabilisierung der Konjunktur beitrugen. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Jahresverlauf moderat.

Erhebliche konjunkturelle Risiken ergeben sich für die Schweiz aus der internationalen Wirtschaftsentwicklung. Sollte sich die Wachstumsabschwächung in wichtigen aufstrebenden Volkswirtschaften weiter verschärfen und die Industrieländer, darunter insbesondere der Euroraum, erneut in einen Abwärtsstrudel geraten, wären deutliche Rückschläge für die Schweizer Wirtschaft zu erwarten. Eine weitere Quelle von Unsicherheit, die mittelfristig die Investitionstätigkeit und das Wirtschaftswachstum bremsen könnte, ist die nach wie vor ungewisse künftige Gestaltung der Beziehungen der Schweiz mit der EU.

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2015 Schwerpunktkapitel (Ziff. 1) Im Schwerpunktkapitel erörtert der Bundesrat die zentralen Einflussgrössen auf die Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz. Die Wirtschaftspolitik steht vor grossen Herausforderungen. Dazu gehören der fortschreitende Strukturwandel sowie die Internationalisierung von Produktionsprozessen und von Forschung und Bildung, aber auch die Vereinbarkeit von innenpolitischen Anliegen mit internationalen Abkommen, die den Zugang zu ausländischen Märkten öffnen. Der Bundesrat will den Wirtschaftsakteuren der Schweiz die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Schaffung von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen und für ihre Innovationstätigkeit bieten. Dazu gehören neben einer effizienten Infrastruktur und günstigen internationalen Rahmenbedingungen insbesondere ein flexibler Arbeitsmarkt und der Zugang zu den benötigten Fachkräften, schlanke Verwaltungsabläufe mit möglichst geringen administrativen Kosten und ­ wodurch sich die Schweiz traditionell besonders auszeichnet ­ ein stabiles politisches und makroökonomisches Umfeld.

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Multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit (Ziff. 2) An der zehnten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Nairobi wurde im Dezember die Erweiterung des Informationstechnologie-Abkommens (ITA II) verabschiedet. Weiter beschlossen die WTO-Mitglieder, die Exportsubventionen im Landwirtschaftsbereich abzuschaffen(Ziff. 2.1).

In der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) standen für die Schweiz die Entwicklungen im Steuerbereich im Vordergrund (Ziff. 2.2). Das Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke erachtete die Rechtsgrundlagen der Schweiz für den Informationsaustausch auf Ersuchen als zureichend und leitete die Überprüfung der Anwendung des OECD-Standards in der Praxis ein. Hinsichtlich der Unternehmensbesteuerung beteiligte sich die Schweiz an den Bestrebungen der OECD und der G20 gegen die Gewinnverkürzung und -verlagerung (BEPS). In der Botschaft vom 5. Juni führte der Bundesrat aus, wie er die Ergebnisse der Arbeiten in der OECD im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III (USR III) umzusetzen beabsichtigt. Die Schweiz unterstützte die Öffnung der OECD gegenüber den Schlüsselpartnern Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika. Damit soll der Austausch bewährter Praktiken mit den Behörden dieser Länder weiter gefördert werden. In die Arbeiten der G20 brachte sich die Schweiz ein, indem sie sich gegenüber den Mitgliedern zu ausgewählten für die Schweiz prioritären Themen äusserte (z. B. BEPS, Restrukturierung von Staatsschulden, Infrastrukturfinanzierung und Betrugsbekämpfung).

Wichtiges Thema im Berichtsjahr war auch die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, welche am UNO-Gipfeltreffen verabschiedet wurde (Ziff. 2.3). In Zusammenarbeit mit der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO) beteiligte sich die Schweiz an der Förderung von nachhaltigen und klimaverträglichen Industrie- und Produktionsformen (Ziff. 2.4).

In der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) trug die Schweiz insbesondere dazu bei, die Blockade des Normenkontrollsystems der IAO zu überwinden (Ziff. 2.5). An der IAO-Generalkonferenz beteiligte sich die Schweiz mit Beiträgen für den Übergang von der informellen zur formellen Wirtschaft und für die Förderung von KMU, die menschenwürdige, produktive Arbeitsplätze schaffen.
Europäische Wirtschaftsintegration (Ziff. 3) Der Bundesrat legte den Schwerpunkt seiner Europapolitik im Berichtsjahr auf Arbeiten zur Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung. In diesem Zusammenhang prüfte er die möglichen Auswirkungen eines umfassenden FHA als Alternative zu den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU. Der Bericht des Bundesrats verdeutlicht, dass die Marktzugangsbedingungen mit einem FHA gegenüber den Errungenschaften der bilateralen Verträge deutlich weniger günstig wären, ohne im Gegenzug die regulatorische Eigenständigkeit der Schweiz faktisch zu erhöhen. Ferner nahm der Bundesrat zwei externe Studien zur Kenntnis, welche die volkswirtschaftlichen Auswirkungen eines Wegfalls der Bilateralen I untersuchten. Demnach würde der Wegfall der Bilateralen I zu einem deutlich schwächeren Wirtschaftswachstum in der Schweiz führen. Hinzu kämen weitere Einbussen aufgrund des Verlusts von Rechtssicherheit. Die Studien

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zeigen, dass ein Wegfall der Bilateralen I die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz deutlich schmälern würde (vgl. Ziff. 1) und ein umfassendes FHA mit der EU den Interessen der Schweizer Wirtschaft nicht gerecht werden könnte. Diese Erkenntnisse bekräftigten den Bundesrat in seinem Ziel, den bilateralen Weg als Grundlage der Beziehungen zur EU auch in Zukunft zu sichern. In den sektoriellen Verhandlungen waren im Berichtsjahr allerdings kaum Fortschritte möglich.

Freihandelsabkommen mit Staaten ausserhalb der EU und der EFTA (Ziff. 4) Im Rahmen seiner langfristig ausgerichteten Wirtschaftspolitik (Ziff. 1) sowie vor dem Hintergrund der unsicheren Konjunkturaussichten im EU-Raum (Ziff. 3) mass der Bundesrat dem Abschluss neuer FHA weiterhin grosse Bedeutung zu. Im Berichtsjahr trat das FHA mit Bosnien und Herzegowina in Kraft, und das Beitrittsprotokoll Guatemalas zum FHA zwischen den EFTA-Staaten und den Zentralamerikanischen Staaten wurde unterzeichnet (Ziff. 10.2.2). Ausserdem wurden neue Bestimmungen über Handel und nachhaltige Entwicklung in die bestehenden FHA zwischen den EFTA-Staaten und Albanien bzw. Serbien aufgenommen (Ziff. 10.2.1).

Unter den FHA mit China, dem Kooperationsrat der Arabischen Golfstaaten (Gulf Cooperation Council, GCC), der Palästinensischen Behörde/PLO, Serbien und der Südafrikanischen Zollunion (Southern African Custom Union, SACU) fanden Treffen der Gemischten Ausschüsse statt. Die Verhandlungen der EFTA über FHA mit Malaysia und Vietnam sowie die Verhandlungen mit der Türkei über die Weiterentwicklung des FHA von 1992 wurden fortgeführt. Der Bundesrat setzte sich dafür ein, die Voraussetzungen für Abschlüsse der Verhandlungen mit Indien und Indonesien zu verbessern. Neue Verhandlungen nahm die EFTA mit Georgien und mit den Philippinen auf. Die EFTA-Staaten und Ecuador unterzeichneten eine Zusammenarbeitserklärung mit dem Ziel, 2016 Verhandlungen über ein FHA aufzunehmen.

Zwischen den EFTA-Staaten und Mercosur wurde ein exploratorischer Dialog aufgenommen. Die EFTA-Staaten und die USA setzten ihren Handelsdialog fort.

Sektorielle Politiken (Ziff. 5) In der Zoll- und Ursprungspolitik strebte der Bundesrat weiterhin möglichst wirtschaftsfreundliche Zollverfahren und eine Vereinfachung der Ursprungsregeln innerhalb der Paneuropa-Mittelmeer-Zone an. Im
Hinblick auf die Abschaffung der Exportsubventionen in der WTO (Ziff. 2.1) wurden Arbeiten zur Ablösung der Ausfuhrbeiträge für verarbeitete Agrarprodukte durch WTO-konforme Massnahmen aufgenommen (Ziff. 5.1). Die Schweiz führte den Abbau technischer Handelshemmnisse mit der EU und China fort und engagierte sich in der WTO für weniger handelsverzerrende Produktvorschriften (Ziff. 5.2). Im Dienstleistungsbereich führte die Schweiz die Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zur weiteren Liberalisierung des Dienstleistungshandels fort (Ziff. 5.3). Zur Erleichterung der Teilnahme der am wenigsten entwickelten Länder am internationalen Handel mit Dienstleistungen notifizierte die Schweiz ­ wie andere WTO-Mitglieder ­ Verbesserungen des Marktzugangs und der Inländerbehandlung für diese Länder. Der Bundesrat informierte in einem Positionspapier über seine Ziele und Erwartungen in Bezug auf die verantwortungsvolle Unternehmensführung. Er überprüfte die Vertragspraxis der bilateralen Investitionsschutzabkommen im Hinblick auf künftige Verhandlungen

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(Ziff. 5.4). Mit Bezug auf den Rohstoffhandel nahm er Kenntnis von den erzielten Fortschritten hinsichtlich Transparenz, Verantwortung der Unternehmen und des Staates sowie der Entwicklungspolitik (Ziff. 5.5.2). Vor dem Hintergrund des Klimaabkommens, das an der Klimakonferenz in Paris angenommen wurde, gab die Schweiz als erstes Land ihre Treibhausgasemissionsziele bekannt (Ziff. 5.5.3).

Infolge des revidierten plurilateralen WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen wurden die Arbeiten zur Harmonisierung des Beschaffungsrechts auf Stufe Bund und Kantone fortgeführt (Ziff. 5.7). Ausserdem engagierte sich der Bundesrat auf internationaler Ebene für einen angemessenen Schutz der geografischen Angaben und des geistigen Eigentums (Ziff. 5.8).

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit (Ziff. 6) Die Umsetzung der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013-2016 wurde fortgesetzt. Dabei mass der Bundesrat wie in der Aussenwirtschaftspolitik generell (Ziff. 5.5.1) der Politikkohärenz für eine nachhaltige Entwicklung grosse Bedeutung zu, und zwar sowohl in der Schweiz als auch auf internationaler Ebene.

Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Ziff. 6.1.1) wird diesbezüglich eine wichtige Rolle spielen. In der Weltbank setzte sich die Schweiz für neue Regeln im Beschaffungswesen und für Umwelt- und Sozialstandards ein, die bei der Kreditvergabe der Bank eingehalten werden müssen. Wichtige Beiträge leistete die Schweiz zur Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank und bei der Umsetzung des Grünen Klimafonds. Weiter vermittelte die Schweiz in Entwicklungsländern Kenntnisse über Themen wie nachhaltige exportorientierte Wertschöpfungsketten, Biodiversität, Steuererhebung sowie öffentliche Finanzsysteme und die Förderung des Privatsektors. Aber auch in anderen entwicklungspolitischen Bereichen wie der Abfallbewirtschaftung setzte die Schweiz im Berichtsjahr Akzente.

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen (Ziff. 7) Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) gelten seit Beginn des 21. Jahrhunderts als Zukunftsmotoren der regionalen und globalen Wirtschaft. Allerdings entsprach die Wirtschaftsentwicklung in diesen Ländern in den letzten Jahren nicht überall in gleichem Masse den hohen Erwartungen. Da die Bedeutung dieser Länder längerfristig
weiter zunehmen dürfte, setzt der Bundesrat seine Strategie der Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem stärkeren Einbezug der BRICS-Staaten sowie anderer aufstrebender Märkte fort.

Exportkontroll- und Embargomassnahmen (Ziff. 8) Im Berichtsjahr trat der Vertrag über den Waffenhandel für die Schweiz in Kraft.

Genf wurde als Sitz des ständigen Sekretariats gewählt. Mit der Einigung in den Nuklearverhandlungen mit Iran wurde der Grundstein für eine zukünftige Aufhebung eines Grossteils der Sanktionen gelegt. Neue Sanktionsverordnungen erliess der Bundesrat gegenüber dem Südsudan und Burundi. Um die Nutzung gewisser Güter als Repressionsmittel einzudämmen, regelte der Bundesrat die Vermittlung von Gütern zur Mobilfunk- und Internetüberwachung.

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Exportförderung und Standortpromotion (Ziff. 9) Aufgrund der Wechselkurssituation gewann die geografische Diversifikation der Auslandmärkte insbesondere für exportorientierte KMU an Bedeutung. Die Unterstützungsleistungen der nationalen Exportförderung wurden entsprechend angepasst. Im Rahmen der Standortpromotion wurden die Grundlageninformationen zu den Standortvorteilen der Schweiz gezielt ausgebaut. Zudem revidierte der Bundesrat die Verordnung vom 25. Oktober 2006 über die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV-V), um den sich wandelnden Bedürfnissen der Exporteure zu tragen.

Ausblick auf das kommende Jahr Der Bundesrat beabsichtigt, im Rahmen seiner Aussenwirtschaftspolitik den durch internationale Abkommen gesicherten Marktzugang zu erhalten und weiter auszubauen. Mit dem Ziel, die herausragende Standortattraktivität der Schweiz zu wahren, wird sich der Bundesrat weiterhin für Rahmenbedingungen einsetzen, welche wettbewerbsfähige Wertschöpfungsprozesse an die Schweiz binden. Dazu wird er beispielsweise anstehende Massnahmen zur administrativen Entlastung konsequent weiterverfolgen. Auch innenpolitische Reformen, sei es im Bereich der Landwirtschaft oder des Sozial- und Gesundheitswesens, wird der Bundesrat vorantreiben.

Mit der EU wird der Bundesrat 2016 die Gespräche über die künftige Ausgestaltung des Freizügigkeitsabkommens und die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen fortführen. Für den Fall, dass mit der EU nicht rechtzeitig eine Einigung erzielt werden kann, beabsichtigt er, dem Parlament im Frühjahr 2016 eine Botschaft zur Umsetzung der Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung mittels einseitiger Schutzklausel vorzulegen.

In der WTO wird die Umsetzung der Beschlüsse der Ministerkonferenz in Nairobi im Vordergrund stehen. Der Bundesrat wird die Ablösung der Ausfuhrbeiträge unter dem Bundesgesetz vom 13. Dezember 1974 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten, dem sogenannten Schoggigesetz, in engem Kontakt mit den betroffenen Branchen vornehmen. Die Umsetzung des revidierten WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen im nationalen Recht wird im Hinblick auf die Ratifikation des Übereinkommens durch die Schweiz fortgesetzt. Der Bundesrat beabsichtigt, die entsprechenden Botschaften im Sommer 2016 dem Parlament zu unterbreiten.

In der OECD wird der Bundesrat vor allem die Entwicklungen im Steuerbereich mit grosser Aufmerksamkeit verfolgen. Im Rahmen des IWF wird die Schweiz 2016 den Vorsitz des Anti Money Laundering / Combating the Financing of Terrorism Topical Trust Fund einnehmen. Unter der Präsidentschaft Chinas der G20 wird die Schweiz am Finanzsegment der G20 teilnehmen.

Im Rahmen der EFTA strebt der Bundesrat 2016 den weiteren Ausbau des FHANetzes an (insbesondere den Abschluss von FHA mit Georgien, Malaysia, den Philippinen und wenn möglich mit Vietnam). Auch die Verhandlungen über die

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Weiterentwicklung des FHA mit der Türkei sollen abgeschlossen sowie nach Möglichkeit jene für die Modernisierung der FHA mit Kanada und Mexiko aufgenommen werden. Mit den USA wird die Schweiz den Handelsdialog im Rahmen der EFTA fortsetzen. Sobald sich mögliche Auswirkungen eines umfassenden FHA zwischen der EU und den USA (TTIP) auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft abschätzen lassen, wird der Bundesrat über mögliche Strategien entscheiden.

2016 beabsichtigt die Schweiz, Verhandlungen über die Revision des Investitionsschutzabkommens mit Malaysia aufzunehmen. Weiter wird der Bundesrat im Nachgang zum 2013 zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossenen Wettbewerbsabkommen exploratorische Gespräche im Hinblick auf entsprechende Vereinbarungen mit den Nachbarstaaten aufnehmen. Der Bundesrat wird sich für ein Abkommen zum Schutz genetischer Ressourcen und traditionellen Wissens in der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) einsetzen und den Beitritt zum «Genfer Akt des Lissaboner Abkommens über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung» prüfen.

Im Sinn der Stärkung der nachhaltigen Entwicklung wird der Bundesrat der Kohärenz zwischen den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Umwelt und Menschenrechte weiterhin grosses Gewicht beimessen. Mit Bezug auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung gilt es, die Ziele zu konkretisieren und deren Umsetzung vorzubereiten. Der Bundesrat wird unter anderem die Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017­2020 auf diesen neuen Referenzrahmen ausrichten. Ein besonderes Augenmerk wird der Bundesrat dabei auch auf die Förderung von nachhaltigen und klimaverträglichen Industrie- und Produktionsformen legen. Im Rohstoffsektor wird sich die Schweiz weiterhin für die Wettbewerbsfähigkeit, die Nachhaltigkeit und die Verringerung von Risiken einsetzen, die sich im Zusammenhang mit der hohen Präsenz von international tätigen Unternehmen im Rohstoffsektor in der Schweiz ergeben können. Die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris soll ab 2016 konkretisiert werden. Der Bundesrat wird in diesem Zusammenhang eine Revision des CO2-Gesetzes vorbereiten.

Die Beziehungen zu den traditionellen Haupthandelspartnern, insbesondere der EU und den USA, bleiben zentral für die Schweizer Wirtschaft. Der Bundesrat misst jedoch
insbesondere den BRICS und anderen wichtigen Schwellenländern ebenfalls eine grosse Bedeutung bei. Beispielsweise dürften die Handelsbeziehungen mit dem Iran an Bedeutung gewinnen, sobald die internationalen Sanktionen bei der Umsetzung des Nuklearabkommens zu einem grossen Teil wegfallen.

Der Bedarf für Dienstleistungen der Exportförderung und der Exportrisikoversicherung wird aufgrund des aktuellen konjunkturellen Umfelds auch 2016 hoch bleiben.

Mit den neuen Rechtsgrundlagen wird die Exportrisikoversicherung die Exporteure im internationalen Wettbewerb noch besser unterstützen. Die Standortpromotion wird 2016 verstärkt auf wertschöpfungsintensive und innovative Branchen ausgerichtet.

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Inhaltsverzeichnis Gesamtübersicht

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Abkürzungsverzeichnis

831

1

2

3

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Wirtschaftsstandort Schweiz: Standortbestimmung und zentrale Einflussgrössen 1.1 Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Schweiz 1.2 Zentrale Standortfaktoren 1.2.1 Infrastruktur 1.2.2 Bildung, Forschung und Innovation 1.2.3 Arbeitsmarkt 1.2.4 Zugang zu ausländischen Märkten 1.2.5 Regulierungsdichte 1.2.6 Stabilität des Umfelds 1.3 Diversität der Wirtschaft 1.4 Standortförderung 1.5 Schlussfolgerungen

833 834 835 835 836 839 842 846 848 851 855 856

WTO und weitere multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit 2.1 Welthandelsorganisation (WTO) 2.1.1 Die Welthandelsorganisation 2.1.2 Die zehnte WTO-Ministerkonferenz 2.1.3 Plurilaterale Verhandlungen zur weiteren Handelsliberalisierung 2.2 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2.2.1 Steuerfragen 2.2.2 Die Öffnungspolitik der OECD 2.2.3 Peer Review und hochrangige Treffen 2.3 Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) 2.4 Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) 2.5 Internationale Arbeitsorganisation (IAO) 2.6 Die Gruppe der 20 (G20) 2.6.1 Die G20 unter türkischer Präsidentschaft 2.6.2 Die Bilanz der Positionierung der Schweiz gegenüber der G20

858 858 859 860

Europäische Wirtschaftsintegration 3.1 Wirtschaftliche Herausforderungen in der EU und ihre Auswirkungen auf die Schweiz 3.2 Die Handelsbeziehungen mit der EU

871

861 863 863 864 865 866 867 868 869 869 870

871 873

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3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 4

5

Gegenüberstellung umfassendes Freihandelsabkommen und Bilaterale Abkommen mit der EU Studien zum Wegfall der der Bilateralen I Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung Steuerfragen Erweiterungsbeitrag

Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb der EU und der EFTA 4.1 Aktivitäten der Schweiz 4.1.1 Laufende Verhandlungen 4.1.2 Bestehende Freihandelsabkommen 4.1.3 Explorationen und andere Kontakte der EFTA 4.2 Verhandlungen für eine umfassende transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den USA und der EU 4.2.1 Mögliche Auswirkungen auf die Schweiz 4.2.2 Massnahmen und Handlungsoptionen Sektorielle Politiken 5.1 Warenverkehr Industrie/Landwirtschaft 5.1.1 Entwicklung des Aussenhandels 5.1.2 Zoll- und Ursprungspolitik 5.1.3 Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte 5.2 Technische Handelshemmnisse 5.2.1 Abbau technischer Handelshemmnisse 5.2.2 Multilateraler Abbau von technischen Handelshemmnissen 5.3 Dienstleistungen 5.4 Investitionen und multinationale Unternehmen 5.4.1 Investitionen 5.4.2 Korruptionsbekämpfung 5.4.3 Verantwortungsvolle Unternehmensführung 5.5 Nachhaltigkeit, Rohstoffe, Klima- und Energiepolitik 5.5.1 Förderung und Umsetzung des Ziels der nachhaltigen Entwicklung in der Aussenwirtschaftspolitik 5.5.2 Rohstoffe 5.5.3 Klima und Energie 5.6 Wettbewerbsrecht 5.7 Öffentliches Beschaffungswesen 5.8 Schutz des geistigen Eigentums 5.8.1 Schutz des geistigen Eigentums in internationalen Organisationen

874 875 876 878 878 879 880 881 882 883 884 884 885 886 886 886 887 888 890 890 892 893 895 895 896 896 897 897 901 904 906 907 908 908

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5.8.2 5.8.3 6

Schutz des geistigen Eigentums auf bilateraler Ebene Modernisierung des Urheberrechts

909 910

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 6.1 Internationale Entwicklungen / Diskussionen 6.1.1 Agenda 2030 und Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung 6.1.2 Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung 6.2 Multilaterale Zusammenarbeit 6.2.1 Weltbankgruppe 6.2.2 Regionale Entwicklungsbanken 6.2.3 Asian Infrastructure Investment Bank 6.2.4 Green Climate Fund 6.3 Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten 6.3.1 Bedeutung und Chancen 6.3.2 Agrofinanz 6.3.3 Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmerinnen 6.4 Biodiversität für eine nachhaltige Entwicklung 6.5 Abfallbewirtschaftung 6.5.1 Kontext und Herausforderungen 6.5.2 Projektbeispiel Abfallmanagement

911 912

7

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen 7.1 Bedeutung der BRICS als regionale Wirtschaftsfaktoren 7.2 Europa 7.3 Lateinamerika 7.4 Asien 7.5 Afrika 7.6 Wichtigste Wirtschaftsmissionen und weitere bilaterale Arbeitstreffen

921 921 922 923 925 927

8

Exportkontroll- und Embargomassnahmen 8.1 Exportkontrollpolitik und -massnahmen 8.1.1 Internationale Entwicklungen und Umsetzung 8.1.2 Massnahmen auf nationaler Ebene 8.2 Embargomassnahmen 8.2.1 Zunehmende Bedeutung von Sanktionsmassnahmen 8.2.2 Embargomassnahmen der UNO und der wichtigsten Handelspartner der Schweiz 8.2.3 Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

931 931 931 931 933 933

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912 912 914 914 915 916 916 917 917 917 918 918 919 919 920

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934 936

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9

Standortförderung 9.1 Exportförderung und Exportrisikoversicherung 9.1.1 Exportförderung 9.1.2 Schweizerische Exportrisikoversicherung 9.1.3 Internationale Entwicklungen 9.2 Standortpromotion 9.3 Tourismus 9.3.1 Tourismuskomitee der OECD 9.3.2 Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO)

937 937 937 938 939 939 940 941

10 Beilagen 10.1 Beilagen 10.1.1­10.1.3 10.1.1 Finanzielles Engagement der Schweiz 2015 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken 10.1.2 Bewilligungen für Versandkontrollen im Auftrag ausländischer Staaten 10.1.3 Eckdaten zu Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes 10.2 Beilagen 10.2.1­10.2.2

943 943

10.2.1

10.2.2

Botschaft zur Genehmigung der Protokolle zur Änderung der Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Serbien beziehungsweise Albanien Bundesbeschluss über die Genehmigung der Protokolle zur Änderung der Freihandelsabkommen zwischen den EFTAStaaten und Serbien beziehungsweise Albanien Protokoll zur Änderung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Serbien Protokoll zur Änderung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Albanien Botschaft zur Genehmigung des Protokolls über den Beitritt Guatemalas zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und den zentralamerikanischen Staaten (abgeschlossen mit Costa Rica und Panama) Bundesbeschluss über die Genehmigung des Protokolls über den Beitritt Guatemalas zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und den zentralamerikanischen Staaten (abgeschlossen mit Costa Rica und Panama) Protokoll über den Beitritt der Republik Guatemala zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und den Zentralamerikanischen Staaten

942

944 946 948 949

951 963 965 975

985

1023 1025

829

BBl 2016

10.3 10.3

830

Beilage Bericht über die zolltarifarischen Massnahmen im Jahr 2015 Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Entwurf)

1033 1035 1053

BBl 2016

Abkürzungsverzeichnis ASEAN

Verband Südostasiatischer Nationen (Association of Southeast Asian Nations)

BIP

Bruttoinlandprodukt

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

FHA

Freihandelsabkommen

G20

Gruppe der Zwanzig (Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, EU, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Republik Korea, Russland, Saudi Arabien, Südafrika, Türkei, USA)

FZA

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681)

GATS

Allgemeines Abkommen vom 15. April 1994 über den Handel mit Dienstleistungen (SR 0.632.20 Anhang 1 B; General Agreement on Trade in Services)

GPA

Übereinkommen vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.632.231.422; Agreement on Government Procurement)

GUS

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

IAO

Internationale Arbeitsorganisation

ISA

Investitionsschutzabkommen

IWF

Internationaler Währungsfonds

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

OECD

Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development)

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

TISA

Abkommen über den Handel mit Dienstleitungen (Trade in Services Agreement)

TPP

Transpazifisches Partnerschaftsabkommen (Trans-Pacific-Partnership-Agreement)

TTIP

Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership)

831

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UNCTAD

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development)

UNIDO

Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (United Nations Industrial Development Organization)

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organization)

UNWTO

Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (United Nations World Tourism Organization)

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WIPO

Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization)

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organization)

832

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Bericht 1

Wirtschaftsstandort Schweiz: Standortbestimmung und zentrale Einflussgrössen Die Schweiz zeichnet sich im internationalen Vergleich durch eine hohe Standortqualität aus und ist damit attraktiv für eine grosse Vielfalt an unternehmerischen Tätigkeiten. Diese Vielfalt erhöht die Widerstandsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft gegenüber Krisen und bietet Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitskräfte aller Qualifikationsstufen. Die Standortqualität ist das Ergebnis verschiedener Einflussgrössen. In ihrer Gesamtheit bewirkt die in der Schweiz vorherrschende Ausgestaltung dieser Einflussgrössen eine hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit, was für eine offene Volkswirtschaft, deren Binnenmarkt eine beschränkte Grösse hat, die entscheidende Voraussetzung für eine gute Wirtschaftsentwicklung ist. In einem derartigen Umfeld stellen der stetig fortschreitende Strukturwandel und internationale Entwicklungen grosse Herausforderungen der Wirtschaftspolitik dar. Nachfolgend werden folgende zentrale Standortfaktoren dargestellt sowie die Herausforderungen in den einzelnen Bereichen eruiert: ­

Infrastruktur,

­

Bildung, Forschung und Innovation,

­

Arbeitsmarkt,

­

Zugang zu ausländischen Märkten,

­

Regulierungsdichte,

­

Stabilität des politischen und makroökonomischen Umfelds.

Im Berichtsjahr befasste sich der Bundesrat intensiv mit dem hoch bewerteten Schweizerfranken sowie mit den Umsetzungsarbeiten der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung und den daraus resultierenden Unsicherheiten in Bezug auf die zukünftige Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ­ dem wichtigsten Exportmarkt der Schweiz. Es gilt, den Wirtschaftsakteuren der Schweiz dauerhaft bestmögliche Rahmenbedingungen für ihre Weiterentwicklung und Innovationstätigkeit zu bieten. Dazu gehören die Aufrechterhaltung des flexiblen Arbeitsmarkts und des Zugangs zu den benötigten Fachkräften, die Vermeidung von unnötigem administrativem Aufwand und von Kosten aufgrund suboptimaler Regulierungen, ein stabiles politisches und makroökonomisches Umfeld sowie die Sicherstellung einer effizienten Infrastruktur. Weiter müssen anstehende innenpolitische Reformen (z. B. im Bereich der Landwirtschaft und des Sozial- und Gesundheitswesens sowie in Bezug auf die Verschuldung der Privathaushalte) rasch an die Hand genommen werden, um einen Reformstau zu vermeiden, was einer Wachstumsbremse gleichkommen würde.

833

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1.1

Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Schweiz

Am 15. Januar hob die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Mindestkurs von 1.20 Schweizerfranken gegenüber dem Euro auf. Der Mindestkurs war am 6. September 2011 nach einer Periode starker und unkontrollierter Aufwertung zum Schutz der Schweizer Wirtschaft und gegen das Risiko einer deflationären Entwicklung eingeführt worden. Nach der Ankündigung der Aufgabe des Mindestkurses stieg der Schweizerfranken erneut stark an, was die Schweizer Konjunktur deutlich bremste und in der ersten Jahreshälfte das Wirtschaftswachstum der Schweiz praktisch zum Stillstand brachte. Dies zeigte sich insbesondere bei den wechselkurssensiblen Branchen, namentlich beim exportabhängigen verarbeitenden Gewerbe inklusive dessen Zulieferern, beim Gross- und Detailhandel sowie beim tourismusorientierten Gast- und Beherbergungsgewerbe.

Die Auswirkungen der Aufhebung des Mindestkurses zeigen einerseits, wie stark sich ein einzelner Faktor auf die Standortattraktivität der Schweiz auswirken kann.

Andererseits weist die Tatsache, dass der Schweizerfranken seit mehreren Jahren einem starken Aufwertungsdruck ausgesetzt ist, auf deutliche Standortvorteile der Schweiz hin. Die hohe Nachfrage nach der Schweizer Währung zeugt von einem grossen Vertrauen in die Stabilität des politischen und makroökonomischen Umfelds der Schweiz. Ausserdem veranschaulichen die Auswirkungen der Aufhebung des Mindestkurses die starke Verflechtung der Schweizer Wirtschaft mit der Eurozone.

Schliesslich ist der Schweizerfranken in erster Linie gegenüber dem Euro erstarkt.

Der Handel mit Regionen ausserhalb des Euroraums (insbesondere Nordamerika) entwickelte sich im Berichtsjahr weitgehend positiv.

Im Kampf gegen die anhaltende Frankenstärke ist die Verlagerung von Wertschöpfungsprozessen ins kostengünstigere Ausland für manche Schweizer Unternehmen eine prüfenswerte Option.1 Nun beruht aber die Standortattraktivität der Schweiz nicht nur auf einem Faktor (z. B. der Wechselkursstabilität), sondern auf der Kombination zahlreicher Standortfaktoren. Die Suche nach einem Standort kann beispielsweise mit der Auswahl eines geeigneten Grundstücks oder Gebäudes beginnen, das einen ausreichenden Anschluss an die Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsnetze aufweist (vgl. Ziff. 1.2.1). Für die Produktion und die Entwicklung neuer Produkte sind des Weiteren der
Zugang zu geeigneten Fachkräften (vgl. Ziff. 1.2.2) und damit auch die Flexibilität des Arbeitsmarktes (vgl. Ziff. 1.2.3) sowie die Nähe zu einem innovativen Forschungsplatz von Bedeutung. Im Hinblick auf den Absatz der produzierten Güter und Dienstleistungen beeinflussen ­ abgesehen von der Verkehrsanbindung ­ der Zugang zu (ausländischen) Absatzmärkten (vgl. Ziff. 1.2.4) und staatliche Absatzhilfen die Standortwahl. Die rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen bestimmen massgeblich, ob und wie der Prozess der Produktion und des Vertriebs der produzierten Güter oder Dienstleistungen effizient gestaltet werden kann (vgl. Ziff. 1.2.5). Entscheidend für ein Unternehmen sind ausserdem die Perspektiven für den Standort ­ also beispielsweise die 1

834

Vgl. z. B. die Medienmitteilung der Swissmem vom 26. März, abrufbar unter www.swissmem.ch > Medien > Medienmitteilungen.

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Rechts- und Investitionssicherheit ­ und damit die Stabilität des Umfelds (vgl. Ziff. 1.2.6). Ferner ist die Attraktivität eines Standorts von der Struktur der Wirtschaft beziehungsweise von der Zusammensetzung der ansässigen Unternehmen und damit von deren Krisenanfälligkeit (vgl. Ziff. 1.3) sowie von allfälligen staatlichen Massnahmen im Rahmen der Standortförderung (vgl. Ziff. 1.4) abhängig.

Nachfolgend wird detaillierter auf zentrale Faktoren der Standortwahl eingegangen: Infrastruktur, Bildung und Forschung, Arbeitsmarkt, Marktzugang, Regulierungsdichte und Stabilität des Umfelds (vgl. Ziff. 1.2). Dabei werden insbesondere die Herausforderungen in Bezug auf die einzelnen Faktoren und ihre Auswirkungen auf die Standortattraktivität der Schweiz eruiert.

1.2

Zentrale Standortfaktoren

1.2.1

Infrastruktur

Um in der Schweiz Produkte und Dienstleistungen produzieren und vertreiben zu können, sind ansässige und potenziell zuziehende Unternehmen auf eine verlässliche Infrastruktur angewiesen. Das gute Funktionieren der Verkehrsinfrastrukturen ist eine wesentliche Voraussetzung für eine produktive Wirtschaft. Ein dichtes Verkehrsnetz ist für den Transport von Waren ­ sei es auf Strasse, Schiene oder per Luftfracht ­ und für den Zugang zu Arbeitskräften von zentraler Bedeutung. Der Zugang zu Energie und Informations- und Kommunikationstechnik sind weitere wichtige Standortfaktoren. Verfügt ein Standort über leistungsfähige und zuverlässige Infrastrukturnetze, so sind die Transaktionskosten für alle Wirtschaftsteilnehmer entsprechend tief. Dadurch können Menschen, Waren, Energie und Informationen rasch, günstig und über grössere Distanzen in produktive Beziehungen miteinander treten.

Die Schweiz weist ein dichtes Verkehrsnetz, eine sichere Energieversorgung und vielfältige Kommunikationsdienstleistungen auf. Insbesondere die Anbindung ans Ausland ist aufgrund der starken internationalen Verflechtung der Schweizer Wirtschaft (vgl. Ziff. 1.2.4) und der zunehmenden Bedeutung von globalen Wertschöpfungsketten (vgl. Ziff. 1.3) für den Schweizer Wirtschaftsstandort wichtig. Dies gilt besonders in Bezug auf die Nachbarstaaten der Schweiz. Getrieben durch den Binnenmarkt der EU, bilden sich in der EU zunehmend gesamteuropäische Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsmärkte heraus ­ ein Prozess, der beispielweise in der Luftfahrt schon sehr weit fortgeschritten ist.2 Als Nicht-EU-Mitglied versucht die Schweiz in gewissen Bereichen die Beteiligung am EU-Binnenmarkt sicherzustellen, um drohende Wettbewerbsnachteile für die einheimischen Unternehmen abzuwenden (z. B. im Luft- und Landverkehr). Angesichts der noch unbekannten Auswirkung der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung auf das Freizügigkeitsabkommen (FZA)3 (vgl. Ziff. 1.2.3) und der mit 2

3

Vgl. Bericht des Bundesrates vom 17. September 2010 «Zukunft der nationalen Infrastrukturnetze in der Schweiz», abrufbar unter www.uvek.admin.ch > Das UVEK > Strategie > Infrastrukturstrategie des Bundes.

SR 0.142.112.681

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diesem Abkommen rechtlich verknüpften Bilateralen I, die auch die Abkommen über den Luft- und Landverkehr beinhalten, steht die Schweizer Wirtschaftspolitik vor der Herausforderung, dass die Schweiz zukünftig weiterhin in die bestehenden Systeme der EU eingebunden sein soll und an neuen Infrastrukturmärkten partizipieren kann (z. B. am Elektrizitätsmarkt).

Infrastrukturen sind kostspielige und langlebige Kapitalgüter. Sie brauchen eine verlässliche Finanzierung über lange Zeiträume. Die über den Markt finanzierten Infrastrukturnetze (Elektrizität, Gas, Luftverkehr, Telekommunikation) werden in Zukunft nur dann über genügend Investitionsmittel verfügen, wenn sie den Eigentümern eine marktgerechte Rendite versprechen, was unter anderem von den regulatorischen Rahmenbedingungen abhängt. Bei den staatlich finanzierten Infrastrukturnetzen (Strasse und Schiene) stellen insbesondere der zukünftige Kostendeckungsgrad und die Verursachergerechtigkeit eine Herausforderung dar. Hier ist das Gleichgewicht zwischen einer langfristig nachhaltigen Entwicklung der Infrastruktur und einer moderaten Steuerlast zu finden. Um die bestehenden Kapazitäten von Strasse und Schiene besser zu nutzen und Verkehrsspitzen zu brechen, hat der Bundesrat im Berichtsjahr beispielsweise eine Anhörung zu einem Konzeptbericht über Mobility Pricing durchgeführt.4 Im Allgemeinen setzt der Bundesrat ­ neben der Prüfung von Modellen zur besseren Nutzung der Kapazitäten von Strasse und Schiene ­ die Priorität bei der Substanzerhaltung der bestehenden Infrastrukturanlagen. Die vorhandene Kapazität soll mit einem effizienten betrieblichen Management, der Nutzung neuer Technologien und einer marktgerechten Beeinflussung der Nachfrage optimal ausgeschöpft werden.

Wo dies nicht ausreicht, um systemgefährdenden Kapazitätsengpässen vorzubeugen, sind gezielte Ausbauten vorzusehen. Diese müssen im Einklang mit den raumpolitischen Zielsetzungen stehen und nach Kosten-Nutzen-Kriterien priorisiert werden.

1.2.2

Bildung, Forschung und Innovation

Der Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften ist für die Standortentscheidung eines Unternehmens von grosser Bedeutung. Entsprechend kommt der bedarfsgerechten Aus- und Weiterbildung der ansässigen Personen eine hohe Bedeutung zu. Für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen sind sowohl Akademikerinnen und Akademiker, als auch Fachkräfte mit Berufslehre und allenfalls anschliessendem tertiärem Berufsbildungsabschluss entscheidend. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag, um Innovationen markttauglich zu machen und umzusetzen.

Die Schweizer Hochschullandschaft und das Schweizer Berufsbildungssystem bilden die für die Schweizer Wirtschaft benötigten Fachkräfte aus und sorgen ­ gemeinsam mit der Forschung im privaten Bereich ­ für Innovationen, die der Wirtschaft die nötigen Impulse für ein nachhaltiges Wachstum liefern. Für den 4

836

Der Entwurf vom 27. Mai 2015 zum «Konzeptbericht Mobility Pricing» ist abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > UVEK.

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Erhalt und Ausbau der auf vielen Gebieten international erfolgreichen Stellung des Bildungs- und Forschungsplatzes Schweiz tätigen die öffentliche Hand und Private kontinuierlich bedeutende Investitionen. Knapp sechs Prozent des Schweizer BIP werden jährlich für die Bildung ausgegeben, weitere rund drei Prozent für Aktivitäten in der Forschung und Entwicklung (F&E). Dabei sind es vor allem die privaten Unternehmen, die massgeblich in F&E investieren und jährlich rund 12,8 Milliarden Schweizerfranken (2012) dafür einsetzen.5 Ein wichtiger Standortfaktor ist auch die Nähe zu einem erfolgreichen und innovativen Forschungsplatz. Die Hochschullandschaft Schweiz bietet mit ihren Universitäten und Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH), Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen ein umfassendes und vielfältiges Angebot. Dies zeigt sich unter anderem in diversen internationalen Hochschulrankings. Universitäre Hochschulen der Schweiz, das heisst Universitäten sowie die ETH Zürich und die EPF Lausanne, belegen in diesen jeweils gute bis sehr gute Plätze. Zur Qualität des Forschungsplatzes trägt auch die Ansiedlung der weltgrössten internationalen Forschungsorganisationen, der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN), in Genf bei.

Zur Tertiärstufe des Schweizer Bildungssystems zählt auch die höhere Berufsbildung. Sie ermöglicht eine praxisorientierte berufliche Höherqualifizierung breiter Kreise entsprechend den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Damit stärkt sie indirekt das forschungsorientierte akademische System. Zudem trägt sie dazu bei, der Wirtschaft eine ideale Mischung von qualifizierten Berufsleuten bereitzustellen. Der Kernauftrag der Fachhochschulen ist die praxisorientierte Aus- und Weiterbildung für anspruchsvolle Tätigkeiten in Wirtschaft, Verwaltung, Gesellschaft und Kultur.

Angesichts der wachsenden Studierendenzahlen, der technologischen Entwicklungen sowie der sich laufend verändernden Anforderungen der Arbeitswelt entwickeln die Fachhochschulen ihr Angebot kontinuierlich weiter, um eine hohe Qualität der forschungsgestützten und zugleich praxisorientierten Ausbildung sicherzustellen.

Die Weiterentwicklung der Curricula auf der berufsqualifizierenden Bachelorstufe unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Arbeitswelt befähigt die Absolventinnen und Absolventen, aktiv
zur Innovation und Entwicklung der jeweiligen Berufsfelder beizutragen.

Internationalisierung von Forschung und Bildung In der Forschung kann eine zunehmende Spezialisierung und ein erhöhter Ressourcenbedarf für spezielle Projekte und für Forschungsinfrastrukturen festgestellt werden. Die Finanzierung solcher Projekte erfordert eine vermehrt internationale Kooperation. Für ausländische Forscherinnen und Forscher ist die Schweiz vor allem auch deswegen interessant, weil die Schweizer Institutionen international stark verknüpft sind. Der in der westlichen Forschungstradition seit jeher als selbstverständlich geltende länderübergreifende Austausch von Wissen und Personen erfolgt heute vermehrt im Rahmen von internationalen Verträgen und Vereinbarungen. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei der Teilnahme der Schweiz am aktuellen 5

Vgl. Bundesamt für Statistik (BFS), Indikatoren Wissenschaft und Technologie, 2014, abrufbar unter www.bfs.admin.ch > Themen > 15 Bildung, Wissenschaft > Wissenschaft und Technologie > Indikatoren Wissenschaft und Technologie.

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Forschungsrahmenprogramm der EU für die Jahre 2014­2020 («Horizon 2020») zu (vgl. Ziff. 3.3). Die Schweiz beteiligt sich derzeit und befristet bis Ende 2016 als teilassoziierter Staat an Horizon 2020. Voraussetzung für eine Teilnahme über 2016 hinaus und eine Vollassoziierung ab 2017 ist eine grundsätzliche Lösung im Bereich des FZA (vgl. Ziff. 1.2.3 und Ziff. 3). Im Fall einer ausbleibenden Assoziierung verlieren öffentliche und private Institutionen in der Schweiz nicht nur die Möglichkeit, an diversen Projektausschreibungen im Rahmen des Forschungsprogramms teilzunehmen und für ihre Projekte eine finanzielle Unterstützung von der EU zu erhalten; sie würden auch bei der Rekrutierung und Bindung von Talenten deutlich an Attraktivität einbüssen.

Der grenzüberschreitenden Bildungskooperation fällt die Aufgabe zu, das Wissen über die Bildung sowie ihre systemischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu vertiefen und das Bildungssystem der Schweiz im internationalen Kontext zu positionieren. Entsprechend sind Möglichkeiten für den internationalen Austausch und die Mobilität für Individuen und Organisationen zu fördern, mit den folgenden Zielen: Erschliessung neuer Perspektiven, Weiterbildung sowie Stärkung von Schlüsselkompetenzen zur Steigerung der Arbeitsmarkt- und Wettbewerbsfähigkeit. Diesbezüglich bleibt eine Assoziierung am EU-Bildungsprogramm «Erasmus+» ein Ziel des Bundesrates; dazu ist jedoch ebenfalls eine grundsätzliche Lösung im Bereich des FZA notwendig.

Standortbindung von Forschungsbetrieben Im Bereich der Forschung und Entwicklung sind über zwei Drittel aller Investitionen in der Schweiz privater Natur. Dieser Tatbestand ist für den Forschungs- und Innovationsplatz Schweiz ein entscheidender Faktor. Der Aufrechterhaltung privatwirtschaftlicher F&E-Investitionen kommt deswegen eine besonders hohe Bedeutung zu. Unternehmen, die in F&E investieren, sind auf attraktive Rahmenbedingungen angewiesen. Dazu gehört ein exzellenter Forschungsplatz, der international gut vernetzt ist. Neben der Ausbildung von hochqualifizierten Nachwuchskräften muss auch die Rekrutierung aus dem Ausland gewährleistet sein (vgl. Ziff. 1.2.3). Gerade in der aktuellen, wirtschaftlich schwierigen Situation (Frankenstärke) sind die in der Schweiz etablierten forschungsintensiven Unternehmen gefordert,
ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, auch kurzfristig. Der erhöhte Kostendruck kann zu einer tendenziellen Kürzung der F&E-Budgets der Unternehmen führen. In diesem Zusammenhang sind die in der Kompetenz des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) umgesetzten Sondermassnahmen der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) für exportorientierte KMU zu erwähnen.

Wegen der vorherrschenden Frankenstärke wurde der Barbeitrag, den Unternehmen normalerweise in Höhe von mindestens zehn Prozent zahlen müssen, temporär reduziert oder ganz ausgesetzt. Ergänzend dazu haben die ETH in ihrem Zuständigkeitsbereich ein unterstützendes Massnahmenpaket lanciert ­ darunter namentlich die kostenfreie Nutzung von Forschungsinfrastrukturen für Innovationsprojekte in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft.

838

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1.2.3

Arbeitsmarkt

Neben dem Bildungsniveau der ansässigen Personen sind für Unternehmen der Zugang zu den benötigten Fachkräften, der soziale Frieden und die Ausgestaltung der Arbeitsmarktregulierung von Bedeutung. Dazu gehören beispielsweise die Anstellungsbedingungen, die Arbeitskosten (inkl. der Lohnnebenkosten), flexible Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmenden, aber auch die Gesundheit, die Sicherheit und die Motivation der Arbeitskräfte. Zusammengefasst sind der soziale Frieden in der Gesellschaft, die Flexibilität des Arbeitsmarkts und das Potenzial der Personen im Erwerbsalter somit wichtige Standortfaktoren.

Die Schweizer Arbeitsmarktpolitik strebt diesbezüglich eine optimale Kombination zwischen sozialem Schutz für Personen im Erwerbsalter und einer hohen Arbeitsmarktflexibilität an. Letzteres wird erreicht, indem die Institutionen und Regulierungen der Arbeitsmarkt- und der Sozialpolitik die Marktkräfte möglichst wenig behindern und sich deren positive Wirkungen ­ namentlich ein hohes Beschäftigungsniveau und eine tiefe Arbeitslosigkeit ­ zunutze machen. Flexibilität bedeutet, dass Unternehmen die Arbeitsbedingungen und ihre Belegschaft zeitgerecht an veränderte Nachfragebedingungen anpassen können. Insbesondere für wertschöpfungsstarke Unternehmen ist der Zugang zu Fachkräften ein zentraler Standortfaktor. Der Zugang muss einerseits über ein qualitativ hochstehendes und anpassungsfähiges System im Bereich Forschung, Bildung und Innovation (vgl. Ziff. 1.2.2) und andererseits über geeignete Rekrutierungsmöglichkeiten für Fachkräfte aus dem Ausland gewährleistet werden.

Der Schweizer Arbeitsmarkt zeichnet sich im internationalen Vergleich durch eine überdurchschnittlich hohe Arbeitsmarktbeteiligung mit einer tiefen Erwerbslosenquote, einem hohen Lohnniveau und einer insgesamt ausgeglichenen Einkommensverteilung aus. So hat sich der Schweizer Arbeitsmarkt angesichts der Wirtschaftskrise, des fortschreitenden Strukturwandels und der Einführung der Personenfreizügigkeit als ausgesprochen aufnahmefähig erwiesen. Er bietet den allermeisten Menschen eine Arbeitsstelle und damit eine Perspektive, was auch die gesellschaftliche Integration unterschiedlichster Gruppen von Stellensuchenden sicherstellt.

Kaum einem Land gelingt die Arbeitsmarktintegration ­ auch von weniger gut qualifizierten Personen ­ so gut wie
der Schweiz.6 Sozialpartnerschaft In der Schweiz hält sich der Staat grundsätzlich aus der Lohnbildung in der Privatwirtschaft heraus. Arbeitsbedingungen und Löhne werden in der Regel von den Sozialpartnern ausgehandelt.

Die gelebte Sozialpartnerschaft garantiert Lohn- und Arbeitsbedingungen, die einerseits die Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung nicht einschränkt und es andererseits den Arbeitnehmenden ermöglicht, am wirtschaftlichen Erfolg ihres 6

Vgl. z. B. Bericht des BFS vom 16. Juli 2015 «Arbeitsmarktindikatoren 2015» (abrufbar unter www.bfs.admin.ch > Themen > 03 Arbeit und Erwerb > Übersicht > Neues im Thema) oder «11. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz­ EU» vom 23. Juni 2015 (abrufbar unter www.seco.admin.ch > Aktuell > Medienmitteilungen 2015).

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Arbeitgebers teilzuhaben. Eine wichtige Rolle kommt dabei den zwischen den Sozialpartnern ausgehandelten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) zu. Mit ihnen wird gewährleistet, dass die ausgehandelten Lohn- und Arbeitsbedingungen Rücksicht auf die wirtschaftliche Realität nehmen und damit den üblichen Bedingungen in der Branche und Region entsprechen. Die kollektiven Lohnfindungsmechanismen haben zu einer ausgewogenen Lohnverteilung beigetragen. Je ausgeglichener die Lohnstruktur des Arbeitsmarktes ist, desto geringer ist der Bedarf, durch staatliche Umverteilung eine gesellschaftlich akzeptierte Einkommensverteilung herbeizuführen. Dieses System ermöglicht damit überhaupt erst eine zurückhaltende staatliche Regulierung des Arbeitsmarktes. Die Sozialpartner haben über die Zeit auch eingespielte Konfliktregelungsmodelle entwickelt, die beispielsweise angewendet werden können, wenn ein Unternehmen in eine Krise gerät.

Die in der Schweiz gelebte Sozialpartnerschaft trägt massgeblich dazu bei, dass Konflikte zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden, die auch zu Streiks mit hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten führen können, in der Schweiz eine Seltenheit sind. Der soziale Frieden und die deshalb stabilen Rahmenbedingungen stellen einen wichtigen Standortfaktor dar. Der soziale Frieden wird darüber hinaus subsidiär durch den Staat gewährleistet, beispielsweise über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit, die bei Missbräuchen greifen oder in Bereichen, in denen die Sozialpartner nicht organisiert sind.

Veränderungen der Wirtschaftsstruktur Rund fünfzig Prozent der Arbeitnehmenden in der Schweiz arbeiten in einer Branche oder einem Betrieb, der unter den Geltungsbereich eines GAV fällt. Im europäischen Vergleich ist damit der Abdeckungsgrad zwar eher gering. Dennoch spielen GAV in der Schweizer Arbeitsmarktpolitik eine bedeutende Rolle. Traditionell waren die Schweizer Arbeitnehmenden in der Industrie, im Gewerbe, in der öffentlichen Verwaltung und im Infrastrukturbereich gewerkschaftlich organisiert. In den privaten Dienstleistungen hingegen waren die Gewerkschaften nur schwach vertreten. Die fortschreitende Tertiarisierung der Wirtschaft hat somit auch zu Herausforderungen für die Sozialpartnerschaft geführt. In den letzten zwanzig Jahren konnten die Gewerkschaften die Mitgliedzahl im Bereich
der privaten Dienstleistungen ­ vor allem im Verkauf und im Gastgewerbe ­ deutlich erhöhen. In der Folge wurde eine Reihe von neuen GAV im privaten Tertiärsektor abgeschlossen.

Eine ähnliche Herausforderung wie die Tertiarisierung der Wirtschaft für die Sozialpartnerschaft und den Arbeitnehmerschutz stellt die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft (vgl. Ziff. 1.3) dar. Die Digitalisierung führt in verschiedenen Bereichen zu veränderten Qualifikationsanforderungen. Hier ist auch die Bildungspolitik gefordert. Die Ausbildung hat angehende Fachkräfte auf die mit der Digitalisierung verbundenen Herausforderungen vorzubereiten. Personen im Arbeitsmarkt ist die Möglichkeit zu bieten, ihre Qualifikation möglichst eigenverantwortlich auf die veränderte Nachfrage durch Weiterbildung respektive Umschulung anzupassen (vgl. Ziff. 1.2.2). Die Digitalisierung verändert auch die Art und Weise, wie gewisse Tätigkeiten verrichtet werden (z. B. über die Computerisierung und Vernetzung der Büroarbeitsplätze), kann die Branchenstruktur verändern und ermöglicht neue Geschäftsmodelle. So etablieren sich zurzeit Online-Vermittlungsdienste jeglicher

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Art. Grosse Bekanntheit und eine gewisse Marktdurchdringung haben beispielsweise Vermittlungsdienste im Bereich von Fahrdienstleistungen erreicht. Online-Vermittlungsdienste existieren auch für Reinigungskräfte und für Handwerkerinnen und Handwerker. Auch Dienstleistungen für Unternehmen, Rechtsberaterinnen und -berater und Ärztinnen und Ärzte werden online vermittelt. Ausserdem gibt es Plattformen, auf denen Aufträge an eine Gemeinschaft von Selbständigerwerbenden vergeben werden können. Da es sich bei den Anbietern solcher Vermittlungsdienste oft um Selbständigerwerbende handelt, können neue Herausforderungen entstehen.

So ist für Selbständigerwerbende das Arbeitsrecht in der Regel nicht anwendbar, entsprechend sind sie beispielsweise nicht gewerkschaftlich organisiert und haben keine Verpflichtung, in ihre Vorsorge zu investieren. Diesbezüglich sind neben der Politik auch die Sozialpartner gefordert, die Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und mit entsprechenden Organisationen in Kontakt zu treten, um unnötige Regulierungen ­ die Innovationen hemmen können ­ zu vermeiden.

Zugang zu ausländischen Fachkräften Subsidiär zum vorhandenen Potenzial an geeigneten Fachkräften stellt der Zugang zu ausländischen Fachkräften beziehungsweise die einfache und unbürokratische Rekrutierung der im Inland fehlenden Arbeitskräfte einen weiteren Standortfaktor für Unternehmen dar. Dank den attraktiven Rekrutierungsbedingungen und dem FZA mit der EU konnten Unternehmen in der Schweiz bisher Spezialistinnen und Spezialisten aus dem EU-Raum gewinnen. Diese Rekrutierungsbedingungen werden durch die neuen Verfassungsbestimmungen, die Höchstzahlen und Kontingente für alle Ausländerinnen und Ausländer vorsehen, in Frage gestellt. Deren Umsetzung soll unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Interessen geschehen. Entsprechend wird bei der Umsetzung auch der Aspekt der administrativen Belastung zu beachten sein.

Fachkräfteinitiative Eine vermehrte Steuerung der Zuwanderung durch Höchstzahlen und Kontingente dürfte den Zugang zu ausländischen Fachkräften erschweren. Gleichzeitig flacht das Wachstum der inländischen Erwerbsbevölkerung ab und ein Rückgang derselben ab dem Jahr 2020 wird immer wahrscheinlicher.7 Das Fachkräfteangebot schrumpft somit demografiebedingt. Die meisten anderen industrialisierten Staaten
sind ebenso mit demografischen Engpässen konfrontiert. Der internationale Wettbewerb um hochqualifizierte und spezialisierte Arbeitskräfte wird daher zunehmen. Um einem Engpass bei der Verfügbarkeit von Fachkräften entgegenzuwirken, lancierte das WBF im Jahr 2011 die Fachkräfteinitiative (FKI). Ziel der FKI ist die bessere Erschliessung bestehender inländischer Potenziale. Sie fokussiert einerseits auf kontinuierliche Nach- und Höherqualifizierung der Bevölkerung und andererseits auf die Aktivierung bislang ungenutzter Potenziale in der Schweizer Bevölkerung. In seinem ersten Monitoring-Bericht vom 19. Juni8 zeigte der Bundesrat auf, dass die 7

8

Vgl. Bericht des BFS vom Juni 2015 «Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 2015­2045», abrufbar unter www.bfs.admin.ch > Themen > 01 Bevölkerung > zum Nachschlagen > Publikationen.

Der Bericht «Fachkräfteinitiative ­ Stand der Umsetzung und weiteres Vorgehen» ist abrufbar unter www.wbf.admin.ch > Themen > Fachkräfteinitiative.

841

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Umsetzung der 30 Massnahmen, die unter die Federführung des Bundes fallen, auf gutem Weg ist. Er unterstrich aber auch, dass weiterhin grosse Anstrengungen aller Beteiligten notwendig sind, um das Ziel der FKI zu erreichen.

1.2.4

Zugang zu ausländischen Märkten

Die Möglichkeit für in der Schweiz ansässige Unternehmen, Vorleistungen und sonstige Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland zu beziehen und ihre Produkte und Dienstleistungen wettbewerbsfähig im Ausland vermarkten zu können, ist ein weiterer bedeutender Standortfaktor. Neben einer gut ausgebauten, mit dem Ausland vernetzten Infrastruktur (vgl. Ziff. 1.2.1) sind dafür internationale Abkommen nötig. Diese ermöglichen den Abbau von Diskriminierungen und anderen Marktzugangshindernissen auf ausländischen Märkten und verstärken die Rechtssicherheit für die internationale Wirtschaftstätigkeit. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die Mitgliedschaft in der WTO sowie der Abschluss von Freihandels-, Investitionsschutz und Doppelbesteuerungsabkommen.

Als mittelgrosse, offene Volkswirtschaft ist die Schweiz stark in die Weltwirtschaft eingebunden. Ihr Wohlstand hängt zu einem grossen Teil vom internationalen Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen ab. Ein beträchtlicher und zunehmender Teil des Warenhandels betrifft Investitionsgüter, Zwischenprodukte und Bestandteile, die für die Herstellung von Konsumgütern und anderer Endprodukte verwendet werden. Der internationale Handel ermöglicht die Aufteilung von Produktionsprozessen auf die ganze Welt (vgl.

Ziff. 1.3). Die zunehmende internationale Aufteilung der Wertschöpfungsketten ermöglicht durch Nutzung der komparativen Vorteile unterschiedlicher Produktionsstandorte eine effizientere und kostengünstigere Produktion. Um bei der Güterproduktion und der Erbringung von Dienstleistungen wettbewerbsfähig zu bleiben, ist die Schweizer Wirtschaft somit mehr denn je auf offene internationale Märkte und die Beseitigung möglichst vieler Handelsschranken angewiesen. Ein offenes globales Handelssystem mit klaren und fairen Regeln sichert Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wohlstand in der Schweiz.

Die internationale Vernetzung der Schweizer Wirtschaft und die zunehmende geographische Diversifikation der Absatzmärkte haben sich auch während der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 und der damit verbundenen starken Aufwertung des Schweizerfrankens (insbesondere gegenüber dem Euro) bewährt.

Unter anderem dank der Beschaffung von Vorleistungen im Ausland konnte die Schweizer Wirtschaft die Exportpreise
trotz des starken Schweizerfrankens relativ tief halten (sog. natural hedging) und sich verstärkt auf ihre Kernkompetenzen spezialisieren. Auch die hohe Qualität und der Nischencharakter vieler Schweizer Produkte relativieren die Auswirkungen hoher Kosten, was sich auch in der Bedeutung der Herkunftsangabe «Schweiz» wiederspiegelt. Diese Gründe haben dazu beigetragen, dass die Schweizer Exporte im Jahr 2009 im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise und im Berichtsjahr infolge der Aufhebung des Mindestkurses nicht noch stärker gesunken sind.

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Neben den zukünftigen Entwicklungen in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU werden die Möglichkeiten des Schweizer Aussenhandels durch die Weiterentwicklung der WTO, die Ausgestaltung des Netzes der Freihandelsabkommen der Schweiz, die Bildung von überregionalen Freihandelszonen und, auf der anderen Seite, die Zunahme von protektionistischen Massnahmen bestimmt.

Beziehungen der Schweiz zur EU Auch wenn der Schweizer Aussenhandel geografisch relativ breit diversifiziert ist, sind die EU und ihre 28 Mitgliedstaaten die mit Abstand wichtigsten Wirtschaftspartner der Schweiz. Dies zeigt sich beispielsweise im Warenhandel: 55 Prozent der Exporte gingen 2014 in den EU-Raum und 73 Prozent der Importe kamen aus der EU. Dies ist vor allem auf die sehr engen Wirtschaftsbeziehungen mit den Nachbarstaaten und -regionen zurückzuführen. Diesbezüglich werden beispielsweise die Interreg-Programme der Europäischen Kommission, an denen sich die Schweiz beteiligt, im Rahmen der Neuen Regionalpolitik auch in den Grenzregionen der Schweiz umgesetzt, weil sie zu deren wirtschaftlichen Entwicklung beitragen.

Die engen Beziehungen zwischen der Schweizer Wirtschaft und dem Binnenmarkt der EU werden durch zahlreiche bilaterale Abkommen vertraglich abgesichert. Das Abkommen vom 22. Juli 19729 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Freihandelsabkommen Schweiz­ EU; FHA 72) und die sieben bilateralen Abkommen von 1999 (Bilaterale I) sind für den Zugang zum Binnenmarkt der EU besonders bedeutend. Das FHA 72 bildet mit dem Abbau tarifärer Handelshemmnisse für Industrieprodukte und verarbeitete Landwirtschaftsprodukte den Grundstein für den verbesserten Zugang der Schweizer Exporte in die EU. Mit den später abgeschlossenen bilateralen Abkommen ist es gelungen, weitere Handelshemmnisse abzubauen und den Zugang zu weiteren Waren- und Dienstleistungsmärkten sowie zum Arbeitsmarkt zu verbessern.10 Die momentane Unsicherheit über den Fortbestand und die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung dieser bilateralen Verträge stellt für die Schweiz eine grosse Herausforderung dar (vgl. Ziff. 3.1). Sollte es nicht zu einer mit der EU einvernehmlichen Umsetzung von Art. 121a BV kommen, so besteht die Gefahr einer Kündigung aller Abkommen der Bilateralen I (aufgrund der
sog. Guillotine-Klausel). Ein Wegfall der Bilateralen I könnte auch negative Auswirkungen auf weitere bilaterale Abkommen mit der EU haben.

WTO Das Regelwerk der WTO bildet das rechtliche und institutionelle Fundament des multilateralen Handelssystems und dient als Forum für multilaterale Marktzugangsverhandlungen. Den WTO-Mitgliedsstaaten ist es in den vergangenen Jahren jedoch nicht gelungen, die laufende Verhandlungsrunde ­ die sogenannte Doha-Runde ­ 9 10

SR 0.632.401 Besonders zu erwähnen sind das FZA (SR 0.142.112.681), das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.172.052.68), das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81), das Agrarabkommen (SR 0.916.026.81), das Luftverkehrsabkommen (SR 0.748.127.192.68), das Landverkehrsabkommen (SR 0.740.72) oder das Abkommen über landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse (SR 0.632.401.23).

843

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zum Abschluss zu bringen. Die Konsensfindung in der dank dem wirtschaftlichen Erstarken der Schwellenländer zunehmend multipolaren Machtverteilung wurde schwieriger. So ist auch anlässlich der zehnten WTO-Ministerkonferenz in Nairobi der Durchbruch ausgeblieben (vgl. Ziff. 2.1.2).

Dass die multilaterale Konsensfindung schwieriger geworden ist, zeigt sich nicht nur in den Doha-Verhandlungen, sondern auch in der Zunahme von Initiativen mit dem Ziel, das internationale Handelssystem plurilateral unter interessierten Staaten weiterzuentwickeln. Mit plurilateralen Vereinbarungen kann eine Gruppe von WTOMitgliedstaaten neue Regeln zu einem spezifischen Thema vereinbaren und somit den thematisch sehr breiten Ansatz einer multilateralen Verhandlungsrunde wie der Doha-Runde ergänzen. Damit dieses Vorgehen das multilaterale Handelssystem nicht untergräbt, müssen die plurilateralen Abkommen für alle WTO-Mitglieder offen sein und idealerweise das Prinzip der Meistbegünstigung auch für nicht teilnehmende Staaten vorsehen, wie dies beispielsweise beim Informationstechnologieabkommen (ITA) oder bei den Verhandlungen zu einem Umweltgüterabkommen (EGA) der Fall ist (vgl. Ziff. 2.1.3). Plurilaterale Verhandlungen können somit für die Weiterentwicklung des internationalen Handelssystems einen vielversprechenden Ansatz darstellen.

Die Schweiz setzt sich weiterhin dafür ein, dass der Marktzugang und das bestehende WTO-Regelwerk verbessert werden und die Kohärenz zwischen dem multilateralen Handelssystem und anderen Politiken (Umwelt, Entwicklung usw.) gefördert wird. Mangels Fortschritte bei der Doha-Runde beteiligt sich die Schweiz aber auch an plurilateralen Verhandlungen, um auch im Rahmen einer kleineren Gruppe von WTO-Mitgliedern konsensfähige Lösungen zu erarbeiten und somit zur Weiterentwicklung des internationalen Handelssystems beizutragen.

Freihandelsabkommen der Schweiz Zusätzlich zum multilateralen Regelwerk stärkt der Bundesrat mit dem weiteren Ausbau des Netzes von Freihandelsabkommen die Wettbewerbsfähigkeit und die Standortattraktivität der Schweiz. Insbesondere dient der Abschluss von Freihandelsabkommen dem Abbau und der Vermeidung von bestehenden oder drohenden Diskriminierungen, die sich aus dem Abschluss solcher Abkommen zwischen unseren Konkurrenten ergeben. Im Zentrum der aktuellen Schweizer
Bemühungen steht die bessere Erschliessung wichtiger Märkte, insbesondere in aufstrebenden Schwellenländern im asiatischen Raum (vgl. Ziff. 4.1). Die Interessen dieser Partner unterscheiden sich allerdings häufig stark von jenen der Schweiz, unter anderem in Bereichen wie Industriehandel, Agrarhandel, Schutz des geistigen Eigentums, Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen oder technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Entsprechend gestalten sich die Verhandlungen tendenziell aufwändiger und zeitintensiver als mit früheren Verhandlungspartnern.

Erfolgreiche Abschlüsse lassen sich in absehbarer Zeit demzufolge kaum ohne Abstriche beim Ambitionsniveau oder ohne zusätzliche Konzessionen in den oben erwähnten Bereichen erreichen.

Diesbezüglich stellt insbesondere der hohe Schweizer Grenzschutz mittels Zöllen und Kontingenten im Agrarbereich in einigen laufenden und möglichen künftigen Verhandlungen über Freihandelsabkommen eine Herausforderung dar. Dies trifft 844

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besonders dann zu, wenn die Schweiz die Beziehungen zu wettbewerbsstarken Agrarexporteuren vertiefen (z. B. Kanada) oder auf solche ausweiten (z. B. Mercosur) möchte. Direkte Konkurrenten der Schweiz wie die EU, die USA und weitere fortgeschrittene Volkwirtschaften sind in der Lage, in ihren Freihandelsabkommen weit umfangreichere Marktöffnungen im Agrarbereich zu vereinbaren als die Schweiz. Es ist daher angezeigt, dass die Schweiz in der Agrarpolitik den Reformpfad weiterführt, der auf direkte Abgeltung verschiedener gesellschaftlicher Leistungen ausgerichtet ist und die Rahmenbedingungen so weiterentwickelt, dass die qualitativ hochstehenden Produkte auch mit vermindertem Grenzschutz im Wettbewerb bestehen können. Es ist auch im Interesse der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft, an interessanten Exportmärkten ohne tarifäre und nichttarifäre Diskriminierungen partizipieren zu können. Dabei stehen internationale Abkommen der Möglichkeit nicht im Weg, die multifunktionale Rolle der Landwirtschaft mittels Inlandstützungsmassnahmen abzugelten.

Überregionale Freihandelszonen Auch andere Länder betreiben eine aktive Freihandelspolitik. Derzeit ist eine zunehmende Tendenz zur Bildung von überregionalen Freihandelszonen zu beobachten (vgl. Ziff. 4.2). Die dadurch entstehende relative Verschlechterung der Marktzugangsbedingungen von Unternehmen aus Ländern ausserhalb dieser Freihandelszonen kann zu Verschiebungen der Welthandelsströme führen. Für die Schweiz stellt sich deshalb die Herausforderung, das Ausmass potenzieller Diskriminierungen zu minimieren, indem sie mit diesen Ländern ebenfalls Freihandelsabkommen abschliesst oder bestehende Freihandelsabkommen auszubauen versucht.

Die laufenden Verhandlungen zwischen der EU und den USA über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership; TTIP) könnten bei einem erfolgreichen Abschluss zu Benachteiligungen der Schweizer Wirtschaft führen. Die EU und die USA sind die beiden wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Diskriminierungen der Schweizer Wirtschaft auf diesen beiden Märkten entstehen dann, wenn die beiden Partner ein Abkommen abschliessen, mit dem sie sich gegenseitig günstigere Rahmenbedingungen gewähren als jene, die für die Schweiz gelten. Solange das Ergebnis der Verhandlungen
zwischen den Parteien noch nicht bekannt ist, sind allerdings keine Aussagen darüber möglich, wie sich ein TTIP auf die Schweizer Wirtschaft und die verschiedenen spezifischen Sektoren auswirken könnte. Der Bundesrat beobachtet die Entwicklung der Verhandlungen aufmerksam und entscheidet zu gegebener Zeit über die Strategie, die zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft und der Attraktivität des Schweizer Wirtschaftsstandorts zu verfolgen ist (vgl. Ziff. 4.2.2).

Die Verhandlungen für eine transpazifische Partnerschaft (Trans-Pacific-Partnership; TPP)11 wurden im Oktober abgeschlossen. Die Schweiz verfügt bereits über FHA mit einigen Teilnehmern an den TPP-Verhandlungen (Chile, Japan, Kanada, Mexiko, Peru, Singapur) und steht in Verhandlung mit weiteren (Malaysia und Vietnam). Dadurch können negative Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft in Bezug auf diese Länder zumindest im Bereich des Warenverkehrs etwas abgefedert 11

Verhandlungspartner sind: Australien, Brunei Darussalam, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Peru, Singapur, USA, Vietnam.

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werden. Potenzielle Diskriminierungen können aber für Schweizer Firmen beim Handel mit den USA insbesondere gegenüber Konkurrenten aus Japan entstehen.

Der Abschluss der TPP-Verhandlungen könnte sich aber auch vorteilhaft auf das Ambitionsniveau in den laufenden Freihandelsverhandlungen der Schweiz mit Partnerstaaten des TPP auswirken.

Dieser Trend zu überregionalen Freihandelszonen führt zur weiteren Liberalisierung zwischen den daran beteiligten Ländern. Ausserdem könnte sich der Trend ­ zumindest mittel- bis langfristig ­ auf die Konsensbereitschaft auf multilateraler Ebene, namentlich im Rahmen der WTO, positiv auswirken.

Zunahme protektionistischer Massnahmen Eine weitere Herausforderung für die Schweizer Wirtschaft ist die Tatsache, dass viele Staaten seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 vermehrt zur Einführung von protektionistischen und handelsbeschränkenden Massnahmen neigen.12 Gerade im Kontext der Globalisierung der Wertschöpfungsketten (vgl. Ziff. 1.3) können solche protektionistische Massnahmen einen kumulierten Einfluss auf die Produktionskosten von Schweizer Unternehmen und deren internationale Wettbewerbsfähigkeit haben, auch wenn die Schweizer Wirtschaft in einem spezifischen Fall nicht direkt von einer solchen Massnahme betroffen ist. Internationale Handelsregeln helfen zwar, solche Massnahmen möglichst zu vermeiden. Ebenso erlaubt die heute starke internationale Verflechtung der Wirtschaftsbeziehungen nicht mehr eine einfache Trennung von inländischen und ausländischen Wirtschaftsinteressen.

Entsprechend sind handelsdiskriminierende Massnahmen zweischneidig ­ beispielsweise wenn aufgrund der Berücksichtigung von (inländischen) Partikularinteressen der Zugang zu ausländischen Märkten beschränkt oder nicht weiter ausgebaut werden kann. Dennoch wird in jüngster Zeit eine zunehmende Zahl solcher Massnahmen beobachtet. Die Schweiz setzt sich entschieden gegen Diskriminierung ein.

Wichtig für die Schweizer Wirtschaft sind insbesondere der Schutz vor missbräuchlicher Anwendung von nichttarifären Handelshemmnissen sowie die Abstützung von technischen Vorschriften auf internationale Normen.

1.2.5

Regulierungsdichte

Ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität und die Dynamik eines Wirtschaftsstandorts ist eine möglichst geringe Belastung der Unternehmen durch staatliche Regulierungen. Wichtig sind zudem eine effiziente Verwaltung und schlanke Verfahren, damit die Produktionskosten nicht unnötig verteuert werden. Entscheidend ist die Verhältnismässigkeit der Regulierungen, das heisst deren konsequente Ausrichtung auf den Schutzzweck, dem sie dienen, wie Gesundheitsschutz, Sicherheit oder Umweltschutz. Unnötig komplexe und zu wenig aufeinander abgestimmte Regulierungen führen zu vermeidbaren Kosten für Unternehmen. Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ist es, Regulierungen einfach, effizient und kostensparend 12

846

Vgl. z. B. den Bericht der WTO vom 3. Juli «Report to the Trade Policy Review Body from the director-general on trade-related developments», abrufbar unter www.wto.org > wto news > 2015 news > news item.

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auszugestalten und umzusetzen. Die Regulierungen und deren Umsetzung sind stetig zu überprüfen und zu optimieren.

Bei den rechtlichen Rahmenbedingungen und administrativen Belastungen steht die Schweiz im internationalen Vergleich momentan relativ gut da. Allerdings droht die Schweiz, ihre Position zu verlieren. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass andere Staaten13 im Vergleich zur Schweiz grössere Fortschritte in der Beschränkung der Regulierungsdichte machen. Andererseits nimmt die Regulierungsdichte in der Schweiz aufgrund verschiedener Ursachen zu.14 So kann beispielsweise der Föderalismus ­ der unbestrittene Vorteile hat ­ zu unterschiedlichen regulatorischen Lösungen für ähnliche Probleme führen (z. B. im Baurecht oder bei den Ladenöffnungszeiten), woraus für interkantonal tätige Unternehmen eine zusätzliche administrative Belastung resultiert. Zusätzliche Gründe liegen im steten Ausbau des Aufgabengebietes der öffentlichen Hand und im beschleunigten Rhythmus der Gesetzes- und Verordnungsänderungen.

Der Bundesrat untersucht in regelmässigen Abständen das Optimierungspotenzial der bestehenden Regulierungen und prüft bei neuen Regulierungen die volkswirtschaftlichen Auswirkungen und ihre Notwendigkeit. Im Vordergrund steht dabei, unnötige administrative Belastungen abzubauen, ohne die Ziele einer wirksamen Regulierung zu beeinträchtigen. Trotz dieser Massnahmen wird von der Wirtschaft eine Zunahme der administrativen Belastung wahrgenommen. Dazu beigetragen haben könnte, dass neben den Entlastungsmassnahmen auch neue Regulierungen beschlossen wurden, die für einzelne Unternehmen zu zusätzlichem administrativem Aufwand und höheren Kosten führen. Auch in Zukunft ist mit zusätzlichen Auflagen für die Unternehmen zu rechnen. Dies betrifft beispielsweise zusätzliche Regulierungen im Rahmen der Energiestrategie 2050, der Umsetzung der neuen Verfassungsartikel über die Zuwanderung, der Verschärfung der Finanzmarktregulierung oder der Revision des Umweltschutzgesetzes. Der Bundesrat wird diesbezüglich seine Bemühungen fortsetzen, die Kosten der Regulierungen für die Wirtschaft und die Gesellschaft in Grenzen zu halten. Dazu hat er beispielsweise in seinem Bericht vom 2. September «Administrative Entlastung. Bessere Regulierung ­ weniger Aufwand für Unternehmen» 31 neue Massnahmen
beschlossen. Der Bericht zieht ausserdem Bilanz zum Stand der vor vier Jahren beschlossenen Massnahmen über die administrative Entlastung ­ wovon 80 Prozent der Massnahmen umgesetzt oder in planmässiger Umsetzung sind ­ und jenen aus dem Regulierungskostenbericht aus dem Jahr 2013, wovon 84 Prozent der Massnahmen umgesetzt oder in planmässiger Umsetzung sind.

13

14

Im «Ease of Doing Business»-Indikatorensystem der Weltbank konnte sich z. B. Malaysia vom Rang 25 im Jahr 2007 auf Rang 6 im Jahr 2014 verbessern, während die Schweiz im gleichen Zeitraum 14 Ränge eingebüsst hat und im Jahr 2014 den 29. Rang erreichte.

Weitere Beispiele basierend auf dem Index der Weltbank sind: Georgien (2007: 37, 2014: 8), Südkorea (2007: 23, 2014: 7), oder Taiwan (2007: 47, 2014: 16).

Vgl. Bericht des Bundesrats vom 2. September «Administrative Entlastung. Bessere Regulierung ­ weniger Aufwand für Unternehmen», abrufbar unter www.seco.admin.ch > Themen > Wirtschaftspolitik > Regulierung > Administrative Entlastung.

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1.2.6

Stabilität des Umfelds

Um die Rentabilität langfristiger Investitionen abschätzen zu können, sind Unternehmen auf ein stabiles und berechenbares Umfeld angewiesen. Die Kontinuität der Regierungspolitik, der Einfluss von ausserparlamentarischen Interessenvertretern auf die Regierung, die zu erwartende steuerliche Belastung, der Zugang zu Kapital, die zu prognostizierte Wirtschaftsentwicklung und ­ eng damit verknüpft ­ die Geldpolitik sind Beispiele solcher Standortfaktoren. Diesbezüglich spielen insbesondere das Vertrauen in politische und wirtschaftliche Institutionen (wie z. B. die Rechtssicherheit, die Eigentumsgarantie oder die Unabhängigkeit der Notenbank) eine wichtige Rolle.

Politisches System Das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen der Schweiz ist gross. Dazu trägt der gut funktionierende Rechtsstaat bei. Die in der Schweiz gelebte Konkordanz führt zu breit abgestützten Entscheidungen, die politische Stabilität garantieren. Dazu gehört auch, dass aufkommende gesellschaftliche Erwartungen an die Wirtschaft beziehungsweise an deren Akteure von der Verwaltung rechtzeitig erkannt und gegebenenfalls möglichst wirtschaftsfreundlich angegangen werden. Damit kann verhindert werden, dass diese Erwartungen zu wenig differenzierten und die guten Rahmenbedingungen gefährdenden Vorstössen führen.

Dies kann beispielsweise im Rahmen von Volksinitiativen geschehen, die zusätzliche Regulierungen zur Folge haben. Als Beispiele seien die Volksinitiative «Gegen die Abzockerei»15 und jene «Gegen Masseneinwanderung»16 genannt. Ausserdem können Volksinitiativen von Investoren als wirtschaftsfeindlich wahrgenommen werden und zu einer Verunsicherung führen, bevor sie überhaupt zur Abstimmung gelangen. Beispiele dafür sind etwa Anliegen wie 1:12, Mindestlohn, Erbschaftssteuer, Grundeinkommen, Spekulation mit Nahrungsmitteln, Vollgeldinitiative oder Ernährungssouveränität. Zusätzliche mögliche Regulierungen wirken sich verunsichernd auf Investoren und Unternehmen aus. Der Bundesrat setzt sich deshalb für eine Mitberücksichtigung aller berechtigten Interessen im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses ein und nimmt gesellschaftliche Erwartungen ernst.

Finanzpolitisches Umfeld Zu einem stabilen Umfeld gehört auch die Planbarkeit der steuerlichen Last eines Unternehmens. Daneben hat die Besteuerung von Privatpersonen einen Einfluss auf
die Rekrutierungsmöglichkeiten eines Unternehmens (vgl. Ziff. 1.2.3). Um eine stabile Besteuerung garantieren zu können und nachkommenden Generationen keine zusätzlichen finanziellen Lasten in Form übermässiger Schulden aufzubürden, stellt ein ausgeglichener Staatshaushalt einen weiteren wichtigen Standortfaktor dar. Ein Indiz für die finanzielle Lage eines Staates gibt die gegenwärtige aber auch die zukünftig erwartete Schuldenquote (Bruttoschulden in % des BIP). Deren Entwicklung zeigt, wie nachhaltig die aktuelle Finanzpolitik ist und welche finanzielle Last heutiger Vorhaben auf zukünftige Generationen abgewälzt wird. Eine hohe Ver15 16

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AS 2013 1303 AS 2014 1391

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schuldung des öffentlichen Sektors oder des Privatsektors (Haushalte, Unternehmen) führt zu wenig widerstandsfähigen Volkswirtschaften. Wenn stark verschuldete Wirtschaftsakteure von Krisen erfasst werden, fehlen ihnen Finanzreserven, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden und weiter zu investieren. Die Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre haben die enorme Bedeutung eines soliden Staatshaushaltes aufgezeigt. Etliche Staaten wurden besonders heftig von der Krise getroffen, weil eine hohe Staatsverschuldung zu einer Staatsschuldenkrise führte, sodass notwendige Konsolidierungsmassnahmen die Rezession verstärkten.

Die Verschuldung des Bundes ist seit dem Höchststand im Jahr 2003 angesichts der deutlichen Einnahmeüberschüsse stetig gesunken. Entsprechend reduzierte sich auch die Schuldenquote des Bundes von 26,1 Prozent im Jahr 2003 auf 16,8 Prozent im Jahr 2014.17 Die Schuldenquote des Bundes liegt damit unter dem Niveau von 1993.

Die beiden Haushaltsziele des Bundesrats, nämlich die Stabilisierung der nominellen Schulden und die Beschränkung des Ausgabenwachstums, zeigten damit die gewünschte Wirkung. Entscheidend dafür war auf Bundesebene die Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2003. Diese verfassungsmässig und gesetzlich verankerte Fiskalregel sieht vor, dass der Bundeshaushalt auf Dauer im Gleichgewicht gehalten wird. In einer Mehrzahl der Kantone bestehen analog zur Schuldenbremse ebenfalls Budgetbeschränkungen durch verschiedenartige Regelbindungen. Die Schuldenquote der öffentlichen Haushalte wird für das Jahr 2015 bei 33,1 Prozent veranschlagt.

Im internationalen Vergleich ist das Niveau der Staatsschulden der Schweiz damit verhältnismässig tief und liegt deutlich unter dem Durchschnitt der Länder des Euroraums (2015: 95,2 %)18 ­ ein wichtiger Standortvorteil.

Diesbezüglich stellen die Einnahmenausfälle bei der Mehrwertsteuer und der direkten Bundessteuer ­ unter anderem aufgrund der starken Aufwertung des Schweizerfrankens, die im Berichtsjahr zu einer negativen Teuerung und einem gebremsten Wirtschaftswachstum führte ­ eine Herausforderung für die Finanzplanung des Bundesrats dar. Er gab deshalb im November ein Stabilisierungsprogramm inklusive Sparmassnahmen für die Finanzjahre 2017­2019 in die Vernehmlassung.

Daneben stellen sich unterschiedliche Herausforderungen für die
Fiskalpolitik. Die Qualität und die Effizienz einer Fiskalpolitik können anhand der Übereinstimmung der nationalen und internationalen Rahmenbedingungen beurteilt werden, die den Handlungsspielraum zur Festlegung einer leistungsfähigen Fiskalpolitik vorgeben.

Diese Rahmenbedingungen sind insbesondere durch verfassungsrechtliche Bestimmungen beeinflusst, aber auch durch exogene Faktoren wie die Globalisierungstendenz und die Organisation der internationalen Unternehmen, der internationale Standortwettbewerb um die mobilsten Produktionsfaktoren, die demografische Entwicklung, die technologische Entwicklung, die internationale Politik und die Entwicklung der internationalen Wirtschaftsregulierung.

17

18

Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), «Finanzstatistik: Hauptaggregate, Kennziffern, Prognosen», abrufbar unter www.efv.admin.ch > Dokumentation > Finanzstatistik.

Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), «Finanzstatistik: Hauptaggregate, Kennziffern, Prognosen», abrufbar unter www.efv.admin.ch > Dokumentation > Finanzstatistik.

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Die Rahmenbedingungen, die den Handlungsspielraum der Fiskalpolitik einschränken, ändern sich schnell. Zum Erhalt der guten Stellung der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb im Bereich der mobilen Wirtschaftstätigkeiten ist eine Anpassung der Fiskalpolitik notwendig, sowohl hinsichtlich der angewandten Steuersätze als auch der Struktur des Fiskalsystems und dessen Übereinstimmung mit den rechtlichen Anforderungen und den internationalen Normen. Diese Anpassung muss soweit möglich proaktiv erfolgen, um fortlaufend über eine attraktive Fiskalpolitik zu verfügen, die ihre Ziele auf optimale Weise erreicht.

Die dritte Unternehmenssteuerreform ist eine wichtige und entscheidende Etappe in diesem Prozess der Anpassung an die Entwicklung der exogenen Rahmenbedingungen. Sie soll die internationale Akzeptanz des schweizerischen Systems der Unternehmensbesteuerung verbessern und die Steuerattraktivität der Schweiz stärken.

Dank einer raschen Umsetzung dieser Reform werden die Unsicherheiten, mit denen sich die internationalen Unternehmen konfrontiert sehen, verringert und die Wettbewerbsposition der Schweiz konsolidiert. Mit den unternommenen Reformen können die durch die Entwicklung der nationalen und internationalen Rahmenbedingungen entstehenden unmittelbaren Herausforderungen angegangen werden.

Der Erhalt einer international wettbewerbsfähigen Fiskalpolitik ­ insbesondere im Bereich der mobilsten Produktionsfaktoren ­ wird für die Schweiz auch in den kommenden Jahren eine stetige Herausforderung darstellen. Diese Herausforderung muss durch eine gemeinsame Sicherstellung der Finanzierung öffentlicher Aufgaben bewältigt werden, zumal die Finanzierung der Aufgaben des Staates das oberste Ziel der Fiskalpolitik darstellt. Dieses Ziel muss in Zukunft in einem hinsichtlich Steuereinnahmen weniger günstigen Umfeld erreicht werden, insbesondere aufgrund der Stagnation der direkten Bundessteuer. Die in der Schweiz vorhandene relativ hohe Steuermoral und die hervorragende Beziehung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und dem Staat sind ebenfalls zu bewahren. Die Anforderungen der Umverteilung und Steuergerechtigkeit müssen daher explizit in die Entwicklung der Steuerpolitik einbezogen werden. Ein gerechtes und in der Öffentlichkeit akzeptiertes Steuersystem ist wichtiger Bestandteil der guten
Funktionsweise und der Stabilität des Staates, der die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz stärkt.

Geld- und währungspolitisches Umfeld Neben politisch stabilen Rahmenbedingungen und einem ausgeglichenen, stabilen Staatshaushalt stellt die Geld- und Währungspolitik eines Landes einen wichtigen Standortfaktor dar. Die Preisstabilität ist eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft. Übermässig steigende oder sinkende Preise beeinträchtigen die Entscheide der Produzenten und der Konsumentinnen und Konsumenten und führen zu Fehlallokationen von Kapital und Arbeit.

Die Geld- und Währungspolitik der Schweiz wird von der SNB als unabhängige Zentralbank geführt. Basierend auf der Bundesverfassung19 und dem Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 200320 verfolgt sie das vorrangige Ziel der Preisstabilität und

19 20

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SR 101 SR 951.11

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berücksichtigt dabei die Konjunktur. Unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit verfolgt der Bundesrat die Tätigkeiten der SNB und steht in regelmässigem Kontakt mit ihr.

Die SNB verfolgt momentan eine Negativzinspolitik, um den Schweizerfranken zu schwächen und damit die Teuerung wieder in den positiven Bereich zu lenken, womit die Voraussetzungen für eine Normalisierung der Geldpolitik, der Zinsen und der konjunkturellen Entwicklung begünstigt wird. Die damit derzeit tiefen und teilweise negativen Zinsen tragen zudem massgeblich zu einer Beschränkung der Frankenstärke bei.

Die bereits seit Längerem international vorherrschende Tiefzinspolitik, gekoppelt mit steuerlichen Anreizen zur privaten Verschuldung in der Schweiz, hat unter anderem dazu geführt, dass die Verschuldung der privaten Haushalte im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch ist.21 Das anhaltend niedrige Zinsniveau erhöht für Kreditnehmer den Anreiz, sich zusätzlich zu verschulden oder die Amortisationsdauer bestehender Kredite zu verlängern. Mit der Kreditnachfrage steigt das von den Banken gesprochene Kreditvolumen. Ein Umfeld niedriger Zinsen bringt aber Zinsänderungsrisiken mit sich: Verändert sich das Zinsumfeld, steigen die Refinanzierungskosten für die Banken. Ein hoher Anteil der bestehenden Kredite wurde aber zu fixen Zinssätzen gesprochen (z. B. in Form von Festzinshypotheken).

Eine hohe hypothekarische Verschuldung zu tiefen Zinssätzen birgt für den Schuldner ein Risiko, wenn die Hypotheken verlängert werden müssen und zu diesem Zeitpunkt die Zinssätze höher liegen als es seine Schuldentragfähigkeit erlaubt. Dies wirkt sich auf die Stabilität der Schweizer Volkswirtschaft aus, indem sie anfälliger auf Krisen und externe Schocks ist ­ eine Herausforderung, welche die Geldpolitik und die Wirtschaftspolitik gleichermassen fordert.

Lebensqualität Ein stabiles Umfeld macht einen Standort für Unternehmen, für ausländische Fachkräfte, aber beispielsweise auch für Touristinnen und Touristen attraktiv. In der Schweiz kommt eine hohe Lebensqualität dazu. Die persönliche Sicherheit im Alltag ist im internationalen Vergleich hoch, die Gesundheitsdienstleistungen sind auf höchstem Niveau, und die Qualität der Umwelt sowie die Vielfältigkeit und die Pflege der Landschaft sind im Vergleich zu anderen Ländern ausgezeichnet. Nicht
nur damit die Schweiz auch zukünftig ein attraktiver Standort für ansässige und potenziell zuziehende Unternehmen und deren Belegschaft bleibt, gilt es, diese Besonderheiten der Schweiz aufrechtzuerhalten.

1.3

Diversität der Wirtschaft

Die oben dargestellte Analyse zeigt, dass sich die Schweiz bisher im internationalen Vergleich durch eine hohe Qualität bei den verschiedenen Standortfaktoren auszeichnet. Dies hat es ermöglicht, dass die Schweizer Wirtschaft sowohl eine Vielfalt 21

Vgl. Bericht des WBF vom 21. Januar «Grundlagen für die Neue Wachstumspolitik: Analyse der bisherigen und Ausblick auf die zukünftige Strategie», abrufbar unter www.seco.admin.ch > Dokumentation > Publikationen und Formulare > veröffentlichungsreihen > Grundlagen der Wirtschaftspolitik.

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wettbewerbsfähiger Branchen und Firmen im Industriesektor als auch einen starken Dienstleistungssektor aufweist. Die Diversität der exportierten Schweizer Produkte ist eine der höchsten der Welt, was unter anderem auf einer breiten und tiefen Wissensbasis beruht (vgl. auch Ziff. 1.2.2). Zudem ist die Exportwirtschaft auch hinsichtlich ihrer Exportmärkte breit diversifiziert, was von einem dichten Netz von FHA unterstützt wird (vgl. Ziff. 1.2.4). Diese Diversifikation stärkt die Krisenresistenz der Schweizer Wirtschaft und fördert unterschiedlichste Beschäftigungsmöglichkeiten. So hat sich die Schweiz gerade im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrisen seit 2008 auch deshalb als besonders widerstandsfähig erwiesen, weil krisenresistente Branchen (insbesondere die Pharma- und die Uhrenindustrie) und Exporte in boomende Nachfrageregionen die Ausfälle der stärker betroffenen Branchen und die zurückgehenden Ausfuhren in die Krisenländer kompensiert haben.

Die Bedeutung des Zugangs zum Binnenmarkt der EU bleibt dabei weiterhin zentral.

Obwohl die Schweiz bezüglich der Exportsektoren gut aufgestellt ist, verschieben sich die Beschäftigungsanteile in der Gesamtwirtschaft weg von der Industrie in Richtung inländisch orientierter oder indirekt als Zulieferer der Exportindustrie tätiger Dienstleistungsbereiche, wenn auch bisher weniger stark als in anderen hochentwickelten Volkswirtschaften.22 Eine Ursache für die Abnahme der Bedeutung der Industrie ist der technologische Fortschritt mit überdurchschnittlichen Produktivitätszuwächsen und die damit einhergehende relative Abnahme der Nachfrage nach Arbeitskräften im Industriesektor. Infolge dessen weisen die Dienstleistungssektoren einen zunehmend grösseren Anteil an der Beschäftigung auf. Daneben spielen auch die Auslagerung von produktionsnahen Dienstleistungen aus Industriebetrieben in andere Unternehmen (z. B. Logistik und Engineering), aber auch Nachfrageverschiebungen hin zu gewissen Dienstleistungen (insbes. zum Gesundheitswesen) eine Rolle.

Auch wenn sich die Schweizer Wirtschaft bisher durch eine hohe Diversität und damit eine gute Krisenresistenz auszeichnet, stellen aktuelle Entwicklungen wie die abnehmende Bedeutung der Industrie oder die zunehmende Globalisierung der Wertschöpfungsketten Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaftspolitik dar.
Diese Tendenzen und ihre Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft sind entsprechend aufmerksam zu beobachten und die Wirtschaftspolitik darauf auszurichten.

Strukturwandel Die Schweizer Volkswirtschaft ist ­ wie die meisten anderen Volkswirtschaften ­ von einem stetigen Strukturwandel gekennzeichnet, was ein Zeichen der wirtschaftlichen Dynamik ist. So hat beispielsweise in den letzten Jahrzehnten ein kontinuierlicher Redimensionierungsprozess im Bereich der Agrarwirtschaft, der Textil- und Bekleidungsbranche sowie der Maschinenindustrie stattgefunden. Weil sich solche Prozesse kontinuierlich und nicht schockartig abspielen, sollten sie von Unternehmen und Beschäftigten antizipiert werden können, sodass diese Form des Strukturwandels in der Regel ohne grössere volkswirtschaftliche Kosten abläuft. In der 22

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Vgl. Bericht des Bundesrats vom 16. April 2014 in Erfüllung des Postulats Bischof (11.3461) ­ Eine Industriepolitik für die Schweiz, abrufbar unter www.seco.admin.ch > Medieninformation > 2014 > Wettbewerbsfähige Schweizer Industrie.

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Schweiz verlief der Strukturwandel in der Vergangenheit unter anderem dank hoher Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft, des flexiblen Arbeitsmarktes (vgl. Ziff. 1.2.3) und der guten Ausbildung (vgl. Ziff. 1.2.2) mehrheitlich reibungslos und ohne Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit. Längerfristig lässt sich ein Strukturwandel kaum oder nur mit hohen Kosten verhindern. Um einen möglichst reibungslosen Strukturwandel zu ermöglichen und den Schweizer Firmen die Möglichkeit zu geben, sich im geänderten Umfeld zu behaupten, stellt der Bundesrat die stetige Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Mittelpunkt.

Deindustrialisierung Die oben erwähnte zunehmende Ausweitung des Dienstleistungssektors geht mit einer relativen Abnahme der Beschäftigungs- und Wertschöpfungsanteile des Industriesektors (Deindustrialisierung) einher. Diese Entwicklung stellt weitgehend eine Anpassung an die veränderte Nachfrage dar und ist auch durch das stärkere Produktivitätswachstum des Industriesektors ­ wodurch weniger Personal zur Herstellung desselben Produktionswerts benötigt wird ­ verursacht. Im Rahmen dieser langfristigen strukturellen Entwicklung machen Tätigkeiten mit verhältnismässig hoher Produktivität (typischerweise im Industriesektor) solchen mit geringerer Produktivität (typischerweise im Bereich der Dienstleistungen) Platz, was zu tieferen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten führt. Problematisch ist dies dann, wenn Dienstleistungssektoren aufgrund von regulierungsbedingten Fehlanreizen ein starkes Wachstum verzeichnen; so bestehen zum Beispiel im Gesundheitssektor diverse Anreize zur Leistungsausweitung. Im Rahmen der Wachstumspolitik versucht der Bundesrat deshalb, die Rahmenbedingungen für alle Sektoren zu verbessern und fokussiert darauf, in erster Linie durch gezielte Massnahmen die Produktivität in Branchen zu erhöhen, die beispielsweise aufgrund des vorherrschenden Grenzschutzes, aufgrund expliziter oder impliziter Garantien oder aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung weniger dem Wettbewerb ausgesetzt sind. Im Bericht des WBF vom 21. Januar «Grundlagen für die Neue Wachstumspolitik» wurden beispielsweise mögliche Massnahmen im Bereich des Elektrizitäts- und Gasmarkts und anderer Netzwerkindustrien, staatliche Unternehmen und staatliche Beihilfen für spezifische Unternehmen oder Branchen
eruiert. Mit guten Rahmenbedingungen wird die Schaffung von produktiven Arbeitsplätzen in allen Sektoren ermöglicht.

Globalisierung der Wertschöpfungsketten Die Produktion von Gütern und vermehrt auch von Dienstleistungen wird zunehmend global erbracht. Produktionsprozesse werden in immer mehr Arbeitsschritte aufgeteilt, die von verschiedenen Produzenten in verschiedenen Ländern ausgeführt werden. Es findet eine Globalisierung der Wertschöpfungsketten23 statt. In den vergangenen Jahren wurde die industrielle Produktion vermehrt in Schwellenländer verlagert, unter anderem nach China und in andere ostasiatische Länder. Die Industrie ist in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zwar nach wie vor präsent, die dort verbleibenden Tätigkeiten wandeln sich aber: Statt für Produktion oder Endmontage 23

Vgl. dazu auch den Bericht des Bundesrats vom 14. Januar zur Aussenwirtschaftspolitik 2014 (Ziff. 1), abrufbar unter www.seco.admin.ch > Dokumentation > Publikationen und Formulare > Studien und Berichte > Berichte zur Aussenwirtschaftspolitik.

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wird der Standort Schweiz zunehmend für wissensintensive Tätigkeiten genutzt, die in der Wertschöpfungskette der eigentlichen Fertigung vorgelagert ­ z. B. Design, Forschung und Entwicklung und Produktionsplanung ­ oder nachgelagert sind ­ z. B. Marketing, Logistik und Kundendienst. Die Schweiz hat sich im Rahmen dieser «globalen Wertschöpfungsketten» gut positioniert. Damit Schweizer Unternehmen weiterhin von Wertschöpfungsprozessen profitieren können, ist die Aufrechterhaltung und die Weiterentwicklung eines möglichst hindernisfreien Zugangs zu Auslandmärkten von grosser Bedeutung (vgl. Ziff. 1.2.4). Er ermöglicht es, am Standort Schweiz wertschöpfungsstarke Tätigkeiten innerhalb einer Wertschöpfungskette vorzunehmen, während weniger produktive Arbeitsschritte im Ausland erfolgen. Damit können langfristig Arbeitsplätze in der Schweiz gesichert werden.

Die Exportförderung des Vereins Switzerland Global Enterprise (S-GE) im Auftrag des Bundes trägt der Globalisierung von Wertschöpfungsketten ebenfalls seit Längerem mit entsprechenden Massnahmen Rechnung (vgl. Ziff. 9.1.1).

Die längerfristige Spezialisierung auf Tätigkeiten mit hoher Wertschöpfung stellt eine grosse Chance für die Schweizer Wirtschaft dar, wobei unter anderem der Forschung und Innovation ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. Ziff. 1.2.2). Deshalb setzt sich die Schweiz im In- und Ausland für den Schutz und die wirksame Durchsetzung des geistigen Eigentums ein. Dies dient auch dem Technologietransfer, von dem insbesondere auch weniger innovative Volkswirtschaften profitieren.

Digitale Transformation der Wirtschaft Die Forschung und Innovation im Bereich der Digitalisierung und Vernetzung entwickelt sich zurzeit sehr dynamisch. Die rasche Entwicklung der Technologien bietet Chancen und Risiken für die Schweizer Wirtschaft. Die Digitalisierung verändert Wirtschaft und Arbeitswelt; kaum ein Wirtschaftssektor bleibt davon unberührt.

Die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) stellen eine sogenannte Basisinnovation dar, die einen erheblichen Einfluss auf den Strukturwandel und das Wirtschaftswachstum hat. Bisweilen ist gar von einer neuen industriellen Revolution die Rede. Diese Umwälzung löst teilweise Unbehagen aus. Gleichzeitig ist es für ein ressourcenarmes Land wie die Schweiz zentral, die Chancen solcher neuer Prozesse
optimal zu nutzen. Für den zukünftigen Wohlstand dürfte entscheidend sein, wie die Schweiz mit dem digitalen Wandel umgeht und inwiefern das damit einhergehende Potenzial genutzt wird. Durch gute Rahmenbedingungen wird den Unternehmen ermöglicht, die Chancen der Digitalisierung optimal zu nutzen. Deren Aufrechterhalten beziehungsweise deren Verbesserung ist deshalb auch in diesem Zusammenhang zentral. Dies betrifft insbesondere die IKT-Infrastrukturen sowie die Bildung und Forschung. Die Weiterführung und die Vertiefung der internationalen Beziehungen im Bereich Bildung und Forschung (vgl. Ziff. 1.2.2) sind somit auch in Bezug auf die Positionierung der Schweizer Wirtschaft bei neuen Technologien von zentraler Bedeutung.

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1.4

Standortförderung

Wie oben dargestellt, zeichnet sich der Standort Schweiz insgesamt durch gute Rahmenbedingungen, die verschiedene Standortfaktoren betreffen, aus. Diese Standortattraktivität wird ergänzt durch eine aktive Standortförderung des Bundes (vgl. Ziff. 9.2) sowie der Kantone, Regionen und Gemeinden. Dabei wird um Neuansiedlungen von innovativen und wertschöpfungsorientierten Betrieben geworben, um die lokale Wirtschaft zu stärken beziehungsweise weiterzuentwickeln. Diesem starken Fokus auf die Qualität der vermittelten Projekte wurde bereits in den vergangenen Jahren verstärkt Rechnung getragen, was in der Tendenz zu weniger, aber qualitativ hochwertigeren Ansiedlungen führte. Die Niederlassung eines neuen Betriebes bedeutet die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie die Erhöhung des Steueraufkommens. Dabei werden Einnahmen durch den Verkauf von Gewerbegelände erzielt, die lokale Kaufkraft wird gestärkt, und die Sozialkosten können vermindert werden. Eine zielgerichtete Standortförderung unterstützt und begleitet den Strukturwandel des Wirtschaftsstandorts Schweiz und verstärkt die positiven Standortexternalitäten (Aktivitäten von Unternehmen oder der öffentlichen Hand, die zu Vorteilen für Dritte führen.

Die Standortförderung des Bundes dient der übergeordneten Zielsetzung, die Attraktivität, die Leistungsfähigkeit und das Potenzial des Wirtschaftsstandorts Schweiz und damit langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der KMU-geprägten Volkswirtschaft zu erhalten sowie gezielt zu fördern. Soweit sinnvoll und nötig, setzt sie zudem Anreize zur Zusammenarbeit und Koordination zwischen den verschiedenen standortrelevanten Akteuren, wobei insbesondere die Regionalpolitik, die nationale Standortpromotion sowie die Förderung von Innovation, Zusammenarbeit und Wissensaufbau im Tourismus als Beispiele zu nennen sind.

Innovation steht im Zentrum der Standortförderung 2016­201924. Um die Wettbewerbsfähigkeit der von KMU geprägten Schweizer Volkswirtschaft zu stärken, ist Innovation nicht nur auf der Ebene der Unternehmen gefragt, sondern auch auf der Ebene der Regionen und Destinationen. Die Instrumente der Standortförderung setzen ­ abgestimmt mit ihren Bundespartnern und den Kantonen ­ auf beiden Ebenen an. Mit der Stärkung regionaler Innovationssysteme in funktionalen ­ das heisst überkantonalen und teilweise
grenzüberschreitenden ­ Räumen soll die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren erleichtert und das Innovationspotenzial der Berggebiete, der ländlichen Räume und der Grenzregionen ausgeschöpft werden. Die Stärkung der regionalen Innovationssysteme im Rahmen der Standortförderung ist komplementär und eng abgestimmt mit der Innovationsförderung des Bundes durch die Kommission für Technologie und Innovation (KTI), die bei der Förderung der wissenschaftsbasierten Innovation in der gesamten Schweiz ansetzt.

24

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855

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1.5

Schlussfolgerungen

Angesichts des stetigen wirtschaftlichen Strukturwandels bieten innovative und wertschöpfungsintensive Firmen dem Schweizer Wirtschaftsstandort wichtige Impulse und tragen zu dessen Wettbewerbsfähigkeit bei. Für die Standortbindung und mögliche Ansiedlung solcher Firmen bietet die Schweiz attraktive Bedingungen. Andere Staaten verfügen aber ebenfalls über attraktive Unternehmensstandorte und betreiben zum Teil eine aggressive Standortpromotion. Die Schweiz ist Sitz überdurchschnittlich vieler multinationaler Unternehmen, die bezüglich Standort zum Teil relativ mobil sind. Diesen Unternehmen, potenziellen Zuzügern und insbesondere auch den bereits ansässigen Unternehmen gilt es auch in Zukunft Rahmenbedingungen zu bieten, welche den Standort Schweiz für die Wertschöpfungsprozesse attraktiv halten, damit die hohe Beschäftigung über alle Qualifikationsstufen, der ausgebaute Sozialstaat sowie ein ausgeglichener Staatshaushalt gewährleistet werden können. Die Qualität jedes einzelnen Standortfaktors ist entsprechend stetig zu überprüfen und zu optimieren. Dabei sind Rückschritte und Unsicherheiten bei einzelnen Faktoren zu vermeiden, da sich solche auf die Standortqualität negativ auswirken. Auch im Sinn der Rechtssicherheit ist den bestehenden Errungenschaften Sorge zu tragen.

Der Erhalt und die stetige Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen bleiben deshalb eine zentrale Herausforderung der Schweizer Wirtschaftspolitik.

Damit Schweizer Unternehmen im internationalen Umfeld wettbewerbsfähig bleiben, sind sie auf möglichst tiefe Kosten für die Produktion und den Vertrieb angewiesen. Diese können durch den Bund auf verschiedene Weise reduziert werden: mit Steuern und Abgaben, die sich auf das Notwendige beschränken, mit einer Reduktion administrativer Belastungen, mit dem Abbau von Hindernissen für den Zugang zu ausländischen Märkten, mit der Bereitstellung einer effizienten Infrastruktur und mit der Förderung des Wettbewerbs in vorgelagerten Bereichen, zum Beispiel bei den Netzwerkindustrien und in der Landwirtschaft.

Die Rahmenbedingungen der Schweiz werden kontinuierlich überprüft und ­ wenn möglich ­ verbessert. Dazu dienen beispielsweise die Standortförderung des Bundes, die Wachstumspolitik und die regelmässigen Überprüfungen zu Möglichkeiten der administrativen Entlastung. Unabhängig
davon gilt es, neue Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und diese gegebenenfalls zu unterstützen, zum Beispiel mit bedarfsgerechten Aus- und Weiterbildungsangeboten.

Betreffend Infrastruktur stehen beispielsweise die Einbindung der Schweizer Netze in diejenigen der Nachbarstaaten, deren Netze zum Teil bereits auf Stufe EU geplant und geregelt werden, und die stetige Optimierung der Ausnutzung der bestehenden Kapazitäten im Vordergrund. Diesbezüglich setzt sich der Bundesrat für den Erhalt der bestehenden internationalen Vereinbarungen und den Abschluss möglicher zusätzlicher Vereinbarungen ­ zum Beispiel im Bereich der Elektrizität ­ ein. Des Weiteren versucht er, die Ausnutzung der bestehenden Kapazitäten der Infrastruktur und deren Substanzerhaltung stetig zu optimieren. Dazu prüft er zurzeit beispielsweise im Bereich des Strassen- und Schienenverkehrs neue Lenkungsmodelle (Mobility Pricing).

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Um die Schweizer Institutionen im Rahmen der verstärkten Internationalisierung der Forschung und Bildung gut zu positionieren, fördert der Bundesrat internationale Kooperationen und strebt eine langfristige Einbindung der Schweiz in internationale Forschungsprogramme an. Eine Herausforderung im Bereich der Forschung stellt die Standortbindung der privaten Forschung dar, die einen beträchtlichen Teil der Schweizer Forschung ausmacht und damit massgeblich zum Innovationspotenzial der Schweizer Wirtschaft beiträgt. Der Bundesrat setzt sich deshalb für die stetige Verbesserung der Rahmenbedingung auch für forschende Unternehmen ein.

Damit die Flexibilität des Arbeitsmarktes bestmöglich bewahrt wird, setzt sich der Bundesrat für eine starke Sozialpartnerschaft und für eine Aufrechterhaltung des aktuellen Schutzniveaus der Lohn- und Arbeitsbedingungen ein. Bei der Umsetzung von Art. 121a der Bundesverfassung verfolgt der Bundesrat ferner das Ziel, unverhältnismässigen administrativen Aufwand für die Wirtschaft zu vermeiden. Des Weiteren setzt er sich im Rahmen der Fachkräfteinitiative für eine vermehrte Ausnutzung des inländischen Potenzials und für eine kontinuierliche Nach- und Höherqualifizierung der Arbeitskräfte ein.

Um den Zugang zu ausländischen Märkten weiter zu verbessern, beteiligt sich die Schweiz angesichts des ausbleibenden Durchbruchs bei den WTO-Verhandlungen an laufenden plurilateralen Verhandlungen. Die Bildung überregionaler Freihandelszonen stellt allerdings eine Herausforderung für die Aussenwirtschaftspolitik dar.

Hier strebt der Bundesrat ­ im Falle der TPP ­ den weiteren Abschluss von FHA mit einzelnen Vertragsstaaten der Freihandelszone an, oder er prüft ­ im Falle eines Zustandekommens des TTIP ­ die Möglichkeit einer Beteiligung an der Freihandelszone. Neben den Herausforderungen, die sich bei anstehenden Verhandlungen für zukünftige FHA beispielsweise aus dem hohen Grenzschutz der Schweiz im Agrarbereich ergeben, stellt die globale Zunahme protektionistischer Massnahmen seit dem Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise eine ungünstige Entwicklung im internationalen Handelssystem dar. Betreffen solche Massnahmen die Schweiz direkt, so setzt sich der Bundesrat auf den etablierten Kanälen entschieden dagegen ein, zum Beispiel im Rahmen der WTO oder der gemischten
Ausschüsse der Freihandelsabkommen. Ausserdem ist der Bundesrat bemüht, diesbezüglich mit gutem Beispiel voranzugehen, indem er bei einer allfälligen Einführung neuer Regulierungen internationale Vereinbarungen konsequent berücksichtigt.

Betreffend die Regulierungsdichte gilt es, die Kostenfolgen neuer Regulierungen im Detail zu prüfen und zu minimieren. Auch bestehende Regulierungen prüft der Bundesrat im Rahmen der regelmässigen Berichte über die administrative Entlastung stetig auf Optimierungspotenzial.

Wie oben erläutert, spielen die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU für die meisten der oben dargestellten Standortfaktoren eine wichtige Rolle.

Neben dem Zugang für die Industrie-Exporte und verschiedene Dienstleistungen zum EU-Binnenmarkt ermöglichen die bilateralen Abkommen den Schweizer Unternehmen bislang einen unbürokratischen Zugang zu den benötigten Fachkräften.

Sie stellen die Basis für die international bedeutendsten Forschungsprojekte dar und ermöglichen eine grenzüberschreitende Bildungskooperation. Ferner sind sie die Grundlage für die bestehende und zukünftige Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU im Bereich der Infrastruktur.

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Der allfällige Wegfall oder eine Einschränkung des diskriminierungsfreien Zugangs zu bedeutenden Auslandmärkten, insbesondere zum Binnenmarkt der EU, ein erschwerter Zugang zu ausländischen Fachkräften und ein unbewältigter Reformstau ­ zum Beispiel im Bereich der Finanzierung der Sozialwerke, der Verschuldung der privaten Haushalte oder der Agrarmärkte ­ könnten in Verbindung mit einem überbewerteten Schweizerfranken zu einer ähnlichen Situation wie in den 1990er-Jahren führen. Damals geriet die Schweizer Wirtschaft ab 1991 in eine Rezession, aus der sie sich in den folgenden Jahren nur äusserst schleppend lösen konnte. Insgesamt war die Periode von 1991 bis 1996 durch eine langwierige wirtschaftliche Stagnation geprägt, die einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit auslöste. Hinzu kamen die europapolitische Verunsicherung der Wirtschaft nach der Ablehnung des Beitritts der Schweiz zum EWR sowie die schleppende Umsetzung von Strukturreformen im Inland, wie die Öffnung geschützter Märkte. Die Konjunktur erholte sich erst ab 1997, nachdem die Geldpolitik aufgrund tiefer Inflationsraten gelockert wurde und mit dem Abschluss der Verhandlungen über die Bilateralen I das Verhältnis zur EU geregelt werden konnte.

Die schweizerische Wirtschaftspolitik hat ihre Lehren aus den schwierigen 1990erJahren gezogen und in diversen Feldern Reformen umgesetzt. Für die Gewährleistung der makroökonomischen Stabilität konnten einige Reformen, wie die Einführung der Schuldenbremse, umgesetzt werden. Damit soll verhindert werden, dass die Geld- und Fiskalpolitik wie Ende der 1980er-Jahre und zu Beginn der 1990er-Jahre den Aufschwung behindern beziehungsweise einen Abschwung zusätzlich verschärfen (unerwünschte prozyklische Wirkung). Eine wichtige Lehre aus der Stagnation der 1990er-Jahre ist zweifelsohne, dass gerade in wirtschaftlich guten Zeiten ­ so wie Ende der 1980er-Jahre oder in den vergangenen Jahren ­ das Risiko für falsche wirtschaftspolitische Weichenstellungen besonders gross ist, die dann ihre nachteiligen Wirkungen erst Jahre später entfalten.

2

WTO und weitere multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit

2.1

Welthandelsorganisation (WTO)

An der zehnten WTO-Ministerkonferenz in Nairobi verabschiedeten die Ministerinnen und Minister das plurilaterale Abkommen betreffend die Erweiterung des Informationstechnologie-Abkommens (ITA II). Im Landwirtschaftsbereich wurde die Abschaffung der Exportsubventionen und neue Regeln für andere Exportmassnahmen beschlossen. Ebenfalls wurden zwei Entscheide zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder und zu Baumwolle getroffen. Zudem wurde Kasachstan als 162. Mitglied in die WTO aufgenommen.

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2.1.1

Die Welthandelsorganisation

Anlässlich der neunten WTO-Ministerkonferenz 2013 in Bali war es den WTOMitgliedern gelungen, einzelne Themen der Doha-Verhandlungsrunde abzuschliessen (sogenanntes «Bali-Paket»). Im Berichtsjahr stand unter anderem die Umsetzung dieser Bali-Entscheide im Vordergrund. Dazu gehört das Abkommen über Handelserleichterungen (Agreement on Trade Facilitation, ATF), das Bestimmungen im Bereich der Zollverfahren klärt und verbessert und zu mehr Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Warenhandel führt. Die Schweiz ratifizierte das ATF als vierzehntes WTO-Mitglied am 2. September, nachdem das Parlament das Abkommen im Rahmen des Berichts zur Aussenwirtschaftspolitik 2014 am 20. März 2015 einstimmig genehmigt hatte und die Referendumsfrist ungenutzt verstrichen war.

Voraussetzung für das Inkrafttreten des ATF ist die Ratifikation durch zwei Drittel der WTO-Mitglieder. Mit aktuell 63 Ratifikationen wurde das Quorum für das Inkrafttreten des ATF bis zur WTO-Ministerkonferenz in Nairobi (vgl. Ziff. 2.1.2) noch nicht erreicht.

Die WTO-Mitglieder dürfen zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder vom Meistbegünstigungsprinzip (MFN) des GATS abweichen und Verpflichtungen in Bezug auf den Handel mit Dienstleistungen eingehen, die über das bestehende Niveau in der WTO hinausgehen. Davon machte die Schweiz im Berichtsjahr Gebrauch, indem sie wie andere Länder entsprechende Marktzugangs- und Inländerbehandlungsverpflichtungen zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder notifizierte (vgl. Ziff. 5.3).

WTO-Beitritte Im Berichtsjahr wurden die Seychellen und Kasachstan als neue Mitglieder in die WTO aufgenommen. Die seit zwanzig Jahren dauernden Beitrittsverhandlungen der Seychellen wurden im Dezember 2014 abgeschlossen. Im Berichtsjahr folgte die Ratifikation durch die Regierung der Seychellen, worauf das Land am 25. April 161. Mitglied der WTO wurde.

Die ebenfalls vor zwanzig Jahren begonnenen Beitrittsverhandlungen Kasachstans wurden am 27. Juli abgeschlossen. Nach Abschluss des internen Genehmigungsprozesses in Kasachstan wurde das Land am 30. November als 162. Mitglied aufgenommen und nahm in Nairobi bereits als WTO-Mitglied an der Ministerkonferenz teil.

Die Schweiz führte im Rahmen der WTO-Beitrittsverhandlungen mit Kasachstan bilaterale Markzugangsverhandlungen und schloss diese bereits
2006 ab. Dabei wurden für wichtige Exportprodukte der Schweiz wie zum Beispiel Maschinen, elektrische Apparate, Präzisionsinstrumente und pharmazeutische Erzeugnisse verbesserte Marktzugangsbedingungen ausgehandelt.

Im Rahmen der seit dem 1. Januar in Kraft getretenen Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) zwischen Russland, Kasachstan, Belarus, Kirgisistan und Armenien übernahm Kasachstan den gemeinsamen EAEU-Aussenzoll. Dieser weicht von den im Rahmen der Verhandlungen über den Beitritt zur WTO ausgehandelten Verpflich-

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tungen ab. Im Rahmen der WTO-Beitrittsverhandlungen einigte man sich darauf, dass Kasachstan der WTO mit den im WTO-Beitrittsprozess ausgehandelten Marktzugangsverpflichtungen beitritt, aber den jeweils tieferen Zollansatz der EAEU oder Kasachstans WTO-Verpflichtung anwendet. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Marktzugangsverpflichtungen Kasachstans in der WTO neu verhandelt werden.

2.1.2

Die zehnte WTO-Ministerkonferenz

An der letzten Ministerkonferenz 2013 in Bali hatten die Ministerinnen und Minister die WTO-Mitglieder mit der Erarbeitung eines Arbeitsprogrammes für die verbleibenden Themen der Doha-Runde bis Ende Juli 2015 beauftragt.

Am informellen WTO-Ministertreffen in Davos, zu dem die Schweiz Ende Januar eingeladen hatte, ergab sich eine breite Übereinstimmung, das Ambitionsniveau in den Doha-Verhandlungen auf ein realistischeres Niveau zu senken. Trotz grossem Engagement der WTO-Mitglieder in der ersten Jahreshälfte kam es zu keiner Einigung über das Arbeitsprogramm. Insbesondere bei der Frage der landwirtschaftlichen Inlandstützung wurde kein gemeinsamer Nenner gefunden. Ohne nennenswerte Resultate in diesem Bereich rückte auch eine Einigung beim Marktzugang für Agrar- und Industrieprodukten (NAMA) sowie für Dienstleistungen in die Ferne.

So zeichnete sich bereits im Vorfeld der zehnten WTO-Ministerkonferenz ab, die vom 15.­19. Dezember erstmals auf dem afrikanischen Kontinent in Nairobi stattfand, dass nicht sämtliche der verbleibenden Themen der Doha-Runde abgeschlossen werden können. Die Ministerinnen und Minister trafen im Hinblick auf einen Teilabschluss der laufenden Verhandlungsrunde folgende Beschlüsse: Im Bereich Landwirtschaft wurden neue Regeln für den Exportwettbewerb beschlossen. Dem Konsens, Exportsubventionen vollständig abzuschaffen und andere Exportmassnahmen wie Exportfinanzierung, Staatshandelsunternehmen und internationale Nahrungsmittelhilfe zu disziplinieren, schloss sich auch die Schweiz an. Die Ministerinnen und Minister einigten sich betreffend Exportsubventionen für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte auf eine Übergangsfrist von fünf Jahren (Ablauf 31. Dezember 2020). Für die Schweiz bedeutet dies den Verzicht auf die Ausfuhrbeiträge auf verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten im Rahmen des sogenannten «Schoggigesetzes»25 (vgl. Ziff. 5.1.3).

Zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder (LDC) fielen zwei Entscheide, welche beide auf Bali-Beschlüsse von 2013 zurückgehen. Die Ministerinnen und Minister ergänzten die Bestimmungen zur Umsetzung der präferenziellen Ursprungsregeln zugunsten der LDC sowie zur Transparenz und Dokumentationspflicht in diesem Bereich. Zudem verlängerten die WTO-Mitglieder die Gültigkeit der Abweichungen von der Meistbegünstigungspflicht nach
dem GATS zugunsten von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern aus LDC bis 2030.

Ferner verabschiedeten die Ministerinnen und Minister die Beitrittspakete von Liberia und Afghanistan mit den jeweiligen Konzessionslisten und dem Beitrittspro25

860

SR 632.111.72

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tokoll. Beide Staaten werden voraussichtlich 2016 nach erfolgter Ratifikation formell in die WTO aufgenommen.

An der Ministerkonferenz schlossen die 24 Vertragsparteien26 des plurilateralen Abkommens über Informationstechnologie (ITA) die Verhandlungen zur Ausdehnung des Abkommens ab (vgl. Ziff. 2.1.3).

Schliesslich beschlossen die Ministerinnen und Minister die Verlängerung des Moratoriums, auf elektronischen Übermittlungen keine Zölle und ähnliche Abgaben zu erheben (e-commerce-Moratorium), sowie die Verlängerung des Moratoriums der Nichtanwendung von sogenannten «non-violation complaints» im Rahmen des TRIPS-Abkommens.

Trotz grosser Bemühungen gelang es den WTO-Mitgliedern nicht, das Vorgehen in Bezug auf die Doha-Themen zu klären, die noch nicht abgeschlossen werden konnten. Die Ministererklärung anerkennt, dass einzelne Mitglieder neue Themen identifizieren und verhandeln möchten.

2.1.3

Plurilaterale Verhandlungen zur weiteren Handelsliberalisierung

Verschiedene WTO-Mitglieder, darunter die Schweiz, verhandeln im Rahmen von plurilateralen Initiativen über weiterführende Handelsliberalisierungen. Im Warenbereich handelt es sich dabei um die Erweiterung des Abkommens von 1996 über die Liberalisierung von Informationstechnologien (Information Technology Agreement, ITA) und ein Abkommen zur Liberalisierung von Umweltgütern (Environmental Goods Agreement, EGA). Ausserhalb der WTO wird im Dienstleistungsbereich über ein plurilaterales Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TISA) verhandelt (vgl. Ziff. 5.3).

Informationstechnologie-Abkommen (ITA) An der zehnten WTO-Ministerkonferenz in Nairobi (Ziff. 2.1.2) wurde seit achtzehn Jahren erstmals wieder ein WTO-Zollreduktionsabkommen formell verabschiedet.

Mit der Erweiterung des Informationstechnologie-Abkommen (ITA II) werden rund 200 Tariflinien mit einem Handelsvolumen von 1,3 Billionen US-Dollar (rund 10 % des weltweiten Warenhandels) liberalisiert. Die 2427 am ITA II beteiligten WTOMitglieder beseitigen die entsprechenden Zölle gemäss Meistbegünstigungsprinzip für Importe aus allen WTO-Mitglieder ab Inkrafttreten des Abkommens, bzw. in wenigen Fällen nach einer Übergangsfrist von maximal sieben Jahren. Das Abkommen erfasst Branchen, in denen auch schweizerische Technologieanbieter stark vertreten sind (medizinische High-Tech Geräte, Leiterplatten-Technologien, Laser26

27

Albanien, Australien, China, Chinesisches Taipei, Costa Rica, EU28, Guatemala, Hong Kong China, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Malaysia, Mauritius, Montenegro, Neuseeland, Norwegen, Philippinen, Singapur, Schweiz, Südkorea, Thailand und die USA.

Albanien, Australien, China, Costa Rica, , EU28, Guatemala, Hong Kong China, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Malaysia, Mauritius, Montenegro, Neuseeland, Norwegen, Philippinen, Singapur, Schweiz, Chinesisches Taipei, Thailand, Türkei, USA.

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Technologien, Mess-Technologien, chemische und physikalische Analyse-Geräte).

Das Handelsvolumen der Schweiz unter diesen Zolllinien umfasst insgesamt über 30 Milliarden Schweizerfranken (Mittelwert 2012­2014). Knapp ein Viertel davon (ca. CHF 7.2 Milliarden) entfällt auf den Handel der Schweiz mit Ländern, mit denen sie kein Freihandelsabkommen (FHA) abgeschlossen hat oder mit denen der Zollabbau unter einem FHA noch nicht vollständig umgesetzt ist, also noch Zollabgaben entrichtet werden müssen 28.

Das ursprüngliche ITA wurde 1996 an der ersten WTO-Ministerkonferenz in Singapur abgeschlossen und trat im darauffolgenden Jahr in Kraft. Ihm gehören heute 53 WTO-Mitgliedstaaten an. Seit Mai 2012 konzentrierten sich die Verhandlungen auf die Erweiterung des Produkteumfangs. Nach mehrmaligen Unterbrüchen, hauptsächlich aufgrund von Divergenzen zwischen bedeutenden IT-produzierenden und exportierenden Staaten wie den USA und China, gewannen die Verhandlungen Mitte Jahr wieder an Dynamik. So einigten sich die Verhandlungsparteien Ende Juli auf eine Produkteliste. In der zweiten Hälfte des Jahres bis zur WTO-Ministerkonferenz konzentrierten sich die Verhandlungen auf Übergangsfristen sowie die Erarbeitung und Überprüfung der neuen Verpflichtungslisten.

Umweltgüter-Abkommen (EGA) Die Verhandlungen über ein plurilaterales Umweltgüterabkommen (EGA) wurden im Juli 2014 im Rahmen der WTO Doha Runde in Genf aufgenommen. Für zehn Umweltkategorien29 lieferten Experten aus internationalen Organisationen, der Akademie, Industrie und Verwaltung die Grundlage für die Güter und Technologien, welche zur Beseitigung diverser Umweltproblemen beitragen.

Im Berichtsjahr gelang es den involvierten 17 Mitgliedstaaten30 in den plurilateralen Verhandlungen über das EGA, trotz Bemühung im Hinblick auf ein erstes Teilergebnis anlässlich der 10. WTO-Ministerkonferenz in Nairobi nicht, ein erstes Verhandlungsergebnis zu erzielen Durch das Abkommen sollen Güter und Technologien liberalisiert werden, welche einen Nutzen für die Umwelt aufweisen und somit zur Umsetzung von nationalen und internationalen Umweltzielen beitragen. Die Verhandlungen sollen im Februar 2016 weitergeführt werden.

28 29

30

862

Australien, China, Malaysia, Mauritius, Neuseeland, Philippinen, Chinesisches Taipei, Thailand, USA.

Air pollution control, solid and hazardous waste management, wastewater management and water treatment, environmental remediation and clean-up, noise and vibration abatement, cleaner and renewable energy, energy efficiency, environ-mental monitoring, analysis and assessment, resource efficiency, environmentally preferable products.

Australien, China, Costa Rica, EU, Hong Kong China, Island, Israel, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland, Norwegen, Singapur, Schweiz, Chinesisches Taipei, Türkei und die USA.

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2.2

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Das Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke («Global Forum») erachtete die schweizerischen Rechtsgrundlagen für den Informationsaustausch auf Ersuchen als genügend, um die Schweiz zur zweiten Phase der Länderüberprüfung zuzulassen. Im Bereich der Unternehmensbesteuerung publizierte die OECD die Ergebnisse des Projekts gegen Gewinnverkürzung und -verlagerung (BEPS). Die Schweiz trug aktiv zu diesem Projekt bei und wird sich auch 2016 bei der Erarbeitung eines Überprüfungssystems für die Umsetzung der BEPS-Massnahmen einbringen.

Im April wurden die Beitrittsverfahren Costa Ricas und Litauens zur OECD eingeleitet. Zudem wurde die Zusammenarbeit mit den Schlüsselpartnern weiter verstärkt. Die Schweiz unterstützt die Öffnungspolitik der OECD, damit die Organisation ihre weltweite Bedeutung behaupten kann.

2.2.1

Steuerfragen

In den vergangenen Jahren setzte sich die OECD vertieft mit der Regelung von internationalen Steuerfragen auseinander, insbesondere mit dem Informationsaustausch sowie mit neuen Besteuerungsregelungen für Unternehmen. Diese Themen blieben im Berichtsjahr eine Priorität der Schweiz in der OECD. Der OECD-Rat hat am 15. Juli 2014 den neuen globalen Standard für den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen genehmigt. Die Schweiz sieht vor, vorbehältlich der Genehmigung der gesetzlichen Grundlagen durch die Bundesversammlung, ab 2017 Daten zu erheben und diese mit ersten Partnerstaaten ab 2018 automatisch auszutauschen. In Bezug auf den Informationsaustausch auf Ersuchen liess das Global Forum die Schweiz im März zur zweiten Phase der Länderüberprüfung zu. Infolge der Revision des Steueramtshilfegesetzes31 im Jahr 2014 und der Ausweitung des Schweizer Netzes von Abkommen mit standardkonformen Bestimmungen für den Informationsaustausch auf Ersuchen gelangte das Global Forum zum Schluss, dass die Schweiz den internationalen Standard zum Informationsaustausch auf Ersuchen erfüllt. Die zweite Phase, in der die Einhaltung dieses Standards in der Praxis geprüft wird, begann im Oktober und wird voraussichtlich bis Mitte 2016 dauern.

Am Ende der Prüfung wird das Global Forum einen Beurteilungsbericht über die Schweiz veröffentlichen.

Im Bereich der Unternehmensbesteuerung wurden am 5. Oktober nach einem zweijährigen Arbeitsprozess die Ergebnisse des OECD/G20-Projekts gegen Gewinnverkürzung und -verlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) publiziert32.

31 32

SR 651.1 Vgl. Medienmitteilung «Neue obligatorische internationale OECD-Standards bei der Unternehmensbesteuerung: Auch die Schweiz ist gefordert» vom 5. Oktober 2015, abrufbar unter www.news.admin.ch > Dokumentation.

863

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Die Schweiz beteiligte sich aktiv an der Erarbeitung der Berichte zu den 15 Massnahmen, welche eine bessere Koordination der Regeln des internationalen Steuerrechts ermöglichen. Dadurch werden Lücken geschlossen, die multinationale Konzerne bisher zur aggressiven Steuerplanung nutzen konnten. Die neuen Regeln sind zu begrüssen, da sie für gleich lange Spiesse im Steuerwettbewerb der Staaten sorgen. Die Mindestanforderungen betreffen die länderbezogene Berichterstattung (Country by Country Reporting), die Kriterien zur Besteuerung von Immaterialgütern (IP-Box) und den spontanen Informationsaustausch über bestimmte Vorbescheide nach dem OECD-Standard (Rulings). Die aktuelle Unternehmenssteuerreform III in der Schweiz bezieht gewisse BEPS-Ergebnisse bereits mit ein. So sieht sie die Einführung einer standardkonformen «IP-Box» (Patent- oder Lizenzbox) sowie die Aufhebung der international kritisierten Steuerregelungen vor. Das Vorgehen zur Überprüfung der Umsetzung der BEPS-Massnahmen soll 2016 festgelegt werden. Die Zusammenarbeit der teilnehmenden Länder am BEPS-Projekt wird bis 2020 weitergeführt, um laufende Arbeiten abzuschliessen und ein effizientes Monitoring sicherzustellen.

2.2.2

Die Öffnungspolitik der OECD

Um ihre Bedeutung als Forum für den Austausch bewährter Praktiken und Empfehlungen zu bewahren, betreibt die OECD eine aktive Öffnungspolitik. Die Organisation vergrössert einerseits die Zahl der Mitgliedsländer und entwickelt anderseits verschiedene Kooperationsformen mit Nichtmitgliedern (seit 2007).

Im April leitete der OECD-Rat das Beitrittsverfahren von Litauen und Costa Rica ein. Ausserdem wurde in den verschiedenen technischen Komitees die Überprüfung Kolumbiens und Lettlands, welche seit 2013 Beitrittskandidaten sind, fortgeführt.

Die Politik dieser vier Beitrittskandidaten wird sorgfältig auf ihre Konformität mit den OECD-Standards geprüft, damit die Werte und Ziele der Organisation erhalten bleiben (sog. like-mindedness). Angesichts der Lage in der Ukraine entschied der OECD-Rat im März 2014, Russlands Beitrittsverfahren bis auf weiteres auszusetzen.

Die Zusammenarbeit mit den Schlüsselpartnern Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika wurde im Berichtsjahr durch Studien, Veranstaltungen und sektorielle Abkommen verstärkt. Diese Länder sind in die Arbeiten verschiedener OECDKomitees eingebunden. So beteiligen sie sich beispielsweise als assoziierte Länder am BEPS-Projekt. Darüber hinaus brachte die OECD in diesen Ländern bei der Überprüfung verschiedener Politikbereiche wie Umwelt, Wirtschaft oder Bildung ihr Know-how ein. Weiter wurden Länderprogramme mit Peru, Kasachstan und Marokko lanciert. Durch diese Programme erhalten diese Länder Zugang zum Fachwissen der OECD und werden bei der Umsetzung von Reformen unterstützt. Neben der Durchführung von policy reviews werden die Länder ermutigt, den Rechtsinstrumenten der OECD beizutreten.

Die Schweiz begrüsst diese Initiativen, da dadurch der Kreis der Länder, die die Grundsätze und Interessen der OECD teilen, vergrössert wird, ohne gleichzeitig die Qualität und Effizienz der Organisation zu senken. Die Schweiz ist überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit den aufstrebenden Volkswirtschaften zu einer grösseren 864

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Kohärenz von nationalen Politiken beitragen kann und eine möglichst einheitliche Umsetzung von internationalen Standards fördert.

2.2.3

Peer Review und hochrangige Treffen

Die zweijährlich veröffentlichten wirtschaftspolitischen Länderberichte («Peer Reviews») gehören zu den wichtigsten Publikationen der OECD. Der neuste Bericht über die Schweiz erschien im Dezember. Er enthält eine Beurteilung der Schweizer Wirtschaftslage sowie verschiedener Politikbereiche (Geldpolitik, Wachstumspolitik, Förderung der Produktivität und Umweltpolitik). Zudem befasst er sich vertieft mit den beiden Themen Immobilienmarkt und Effizienz der öffentlichen Ausgaben.

Der OECD-Rat verabschiedete im Juli die revidierten Grundsätze der Corporate Governance und die OECD-Leitsätze für staatseigene Unternehmen. Diese Dokumente enthalten Empfehlungen für Regierungen bei der Gestaltung der nationalen Rahmenbedingungen für die gute Unternehmensführung. Die G20 hiess die OECDGrundsätze der Corporate Governance im September ihrerseits gut, was deren Bedeutung als international anerkannte Standards verdeutlicht.33 Im Berichtsjahr befasste sich der OECD-Ministerrat mit der Mobilisierung von Investitionen für die Förderung eines nachhaltigen Wachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Anlässlich dieses Treffens wurde auch die Wiederwahl von OECD-Generalsekretär Angel Gurría für ein drittes Mandat (2016-2021) zur Kenntnis genommen. Im Oktober war die Schweiz am Ministertreffen des OECD-Ausschusses für Wissenschafts- und Technologiepolitik in Daejeon, Südkorea, vertreten.

Die Ministerinnen und Minister verabschiedeten die «Daejeon Declaration», welche die internationale Agenda im Bereich Wissenschaft und Innovation in den nächsten zehn Jahren bestimmen wird. Die Schweiz übernimmt den Vorsitz des OECDKomitees, welches mit der Implementierung der getroffenen Entscheide beauftragt ist. Das Ministertreffen des OECD-Ausschusses für Public Governance fand im Oktober in Helsinki, ebenfalls mit Schweizer Beteiligung, statt. Im Zentrum der Diskussionen stand die Rolle des öffentlichen Sektors bei der Umsetzung einer Wachstumspolitik, die alle Bürgerinnen und Bürgern miteinbezieht. Dabei wurde unter anderem die Bedeutung effizienter und intelligenter Regulierung sowie der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Verwaltungseinheiten betont.

33

Diese heissen nunmehr «G20/OECD-Grundsätze der Corporate Governance».

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2.3

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD)

Die UNCTAD arbeitete im Berichtsjahr an der Überprüfung der MilleniumsEntwicklungsziele und an der Gestaltung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit. Die Agenda 2030 wird unter anderem die thematischen Schwerpunkte der 2016 stattfindenden UNCTAD Ministerkonferenz prägen.

Für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz ist die UNCTAD ein wichtiger strategischer Partner. Die Schweiz gehört im Rahmen der UNCTAD zu den wichtigsten bilateralen Gebern im Bereich der technischen Entwicklungszusammenarbeit und finanziert Projekte in den Bereichen Biodiversität, Wettbewerb, Schuldenmanagement, Beratung zu Investitionsabkommen, Standards und Handelsförderung.

Als eine von sechzig internationalen Organisationen arbeitete die UNCTAD im Task Team des UNO-Generalsekretärs mit, das zur Überprüfung der MillenniumsEntwicklungsziele und zur Verhandlung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (vgl. Ziff. 6.1.1) formiert wurde.

Die UNCTAD ist innerhalb der UNO verantwortlich für Fragen zu Handel und Entwicklung. Deshalb spielte sie eine tragende Rolle bei der Vorbereitung von Ziel 17 der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung («Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen»), in welchem Handel als eine Grundlage für nachhaltiges Wachstum verankert ist.

Die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihre Umsetzung rückten in den Mittelpunkt der Vorbereitungen für die UNCTAD Ministerkonferenz, die im Frühjahr 2016 durchgeführt werden soll. Die Schweiz übernahm von November 2014 bis August 2015 den Vorsitz der Regionalgruppe JUSSCANNZ34. Die JUSSCANNZ ist neben der EU, der G-7735 und China ein wichtiger Akteur innerhalb der UNCTAD. Das Engagement in dieser Gruppe erlaubte der Schweiz, in deren Namen zur Vorbereitung der UNCTAD-Ministerkonferenz beizutragen und die Themenwahl mitzubestimmen.

34 35

866

Japan, USA, Schweiz, Kanada, Australien, Norwegen, Türkei, Israel und Neuseeland.

Die Gruppe der 77 (G 77) ist ein loser Zusammenschluss von Staaten, die überwiegend den Entwicklungsländern zugerechnet werden. Mit 134 Mitgliedern ist die G-77 die nach Anzahl Ländern grösste Gruppe innerhalb der Vereinten Nationen. Siehe auch: www.g77.org/doc/ >About the Group of 77.

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2.4

Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO)

Bei der UNIDO handelt es sich um einen strategischen Partner der Schweiz bei der Förderung von ressourcenschonenden und klimaverträglichen Industrieund Produktionsformen sowie beim Aufbau von Handelskapazitäten in Entwicklungsländern. Im Berichtsjahr setzte die Schweiz in diesen beiden Themenbereichen zusammen mit der UNIDO eine Reihe von Projekten und Programmen um.

Zwischen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und den Zielen der UNIDO bestehen enge Verbindungen, zum Beispiel in den Bereichen Energie und Umwelt, Aufbau von Handelskapazitäten, Privatsektorentwicklung und landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten (vgl. Ziff. 6.1.1). Die UNIDO will sich speziell auf das Ziel 9 («Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen») konzentrieren, das den Kern der aktuell gültigen Mission der Organisation widerspiegelt.

Zwischen dem 12. und 16. Oktober führte die UNIDO in Davos die vierte Global Resources Efficiency and Cleaner Production (RECP) Networking Conference durch. Die Veranstaltung fand gleichzeitig und in Absprache mit dem World Resources Forum 2015 statt, womit die Thematik Ressourceneffizienz eine breite Plattform erhielt und die inhaltliche und organisatorische Vernetzung von zwei durch die Schweiz unterstützten Initiativen gefördert wurde. An der Konferenz wurde das Jubiläum des ersten im Jahr 1995 von UNIDO und UNEP initiierten National Cleaner Production Centers (NCPC) gefeiert. Die NCPCs arbeiten als geschäftsorientierte Einheiten, die ihren Kunden ein umfangreiches Dienstleistungspaket im Bereich ressourcenschonende Produktion anbieten, von der Informationsermittlung zum Politikdialog bis zur Beratung auf Unternehmensebene. Die Schweiz gehört zu den ersten und kontinuierlichsten Förderern des Cleaner-ProductionAnsatzes. Dieser versetzt Unternehmen in die Lage, ressourcenschonend und damit wirtschaftlicher zu produzieren, sei es durch technische Verbesserungen oder durch Verhaltensänderungen der ökonomischen Akteure. Im Berichtsjahr baute die Schweiz zusammen mit der UNIDO neue NCPC in der Ukraine und in Indonesien auf. Des Weiteren unterstützte die Schweiz das globale RECP Programm der UNIDO, das sich unter anderem für die Transformation von Industrieparks in sogenannte Eco-Industrial Parks
einsetzt.

Die UNIDO arbeitet im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse (vgl.

Ziff. 5.2) mit Gewerbe- und Industrieunternehmen in Entwicklungsländern zusammen. Im Nachgang zur vierten WTO-Ministerkonferenz in Doha 2001 lancierte die UNIDO ein Programm zur Förderung der Kapazitäten von Entwicklungsländern im Bereich Standards, Metrologie (Messverfahren), Testverfahren und Konformitätsnachweise (sog. Trade Capacity Building - TCB). Aktuell setzt die Schweiz mit der UNIDO im Bereich TCB Projekte in Ghana und Indonesien um.

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2.5

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Im Berichtsjahr spielte die Schweiz eine aktive Rolle beim Erarbeiten einer nachhaltigen Lösung für die Überwindung der Krise des Normenkontrollsystems der IAO. Im Rahmen der IAO-Generalkonferenz lieferte die Schweiz substanzielle Beiträge in den Bereichen des Übergangs von der informellen zur formellen Wirtschaft sowie der Förderung von wirksamen Mitteln, um KMU bei der Schaffung von menschenwürdigen und produktiven Arbeitsplätzen zu unterstützen.

Nach einem Treffen von Regierungs-, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern im Februar fand der Verwaltungsrat der IAO im März einen Weg aus der Krise des Normenkontrollsystems der IAO. Während drei Jahren war die Organisation wegen der Uneinigkeit zwischen den Sozialpartnern bezüglich der Interpretation der IAONormen blockiert gewesen. Der Verwaltungsrat einigte sich zuerst auf eine Reihe von Grundsätzen, welche für das gute Funktionieren der zukünftigen Arbeiten des IAO-Ausschuss für die Durchführung der Normen der IAO-Generalkonferenz unabdingbar sind. Er verzichtete darauf, den Internationalen Gerichtshof für eine beratende Stellungnahme zum Streikrecht anzurufen, wie es von einigen Mitgliedern der IAO verlangt worden war. Der Verwaltungsrat entschied ausserdem, den Standard Review Mechanism (SRM) wiederaufzunehmen. Die Schweiz engagiert sich aktiv an diesem Prozess, bei dem sie zusammen mit dem Vereinigten Königreich die westeuropäische Gruppe vertritt. Um das Normenkontrollsystem der IAO zu verbessern, beauftragte der Verwaltungsrat schliesslich die Vorsitzenden des IAOAusschusses für die Durchführung der Normen und des IAO-Ausschusses für Gewerkschaftsfreiheit mit der Redaktion eines Berichts über die Wechselwirkung der verschiedenen Verfahren der Normenkontrolle, deren Funktionieren und mögliche Verbesserungen derselben. Die Schweiz begrüsste diese Entwicklung, welche das Vertrauen zwischen den internationalen Sozialpartnern wiederherzustellen scheint und ein problemloses Funktionieren der IAO-Generalkonferenz im Juni erlaubte.

Die IAO-Generalkonferenz verabschiedete im Juni die Empfehlung (Nr. 204) betreffend den Übergang von der informellen zur formellen Wirtschaft. Die neue, nicht verbindliche internationale Norm soll den Mitgliedstaaten der IAO Orientierung bieten, um diesen Übergang zu erleichtern und gleichzeitig die grundlegenden Rechte
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu achten sowie die Möglichkeiten für Einkommenssicherheit, Existenzgrundlagen und Unternehmertum sicherzustellen. Die Empfehlung hat ausserdem zum Ziel, die Schaffung, Erhaltung und Nachhaltigkeit von Unternehmen und von menschenwürdigen Arbeitsplätzen in der formellen Wirtschaft zu fördern, sowie die Kohärenz der makroökonomischen, Beschäftigungs-, Sozialschutz- und sonstigen sozialpolitischen Maßnahmen zu verstärken. Die Empfehlung bietet Mittel, um die «Informalisierung» von Arbeitsplätzen in der formellen Wirtschaft zu verhindern. Die Schweiz sprach sich für einfache, operative und pragmatische Leitlinien aus, welche die Mitglieder der IAO in ihren Bestrebungen, den Übergang von der informellen in die formelle Wirtschaft zu erleichtern, unterstützen. Die Schweiz unterstützte die Verabschiedung dieser 868

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Empfehlung und begrüsste insbesondere die Bestrebungen der IAO, die Sozialrechte in der informellen Wirtschaft und den Übergang zur formellen Wirtschaft zu fördern.

Die Konferenz diskutierte über die Mittel, um KMU die Schaffung von menschenwürdigen und produktiven Arbeitsplätzen zu ermöglichen. Es herrschte breites Einvernehmen über die wichtige Rolle der KMU, um das Ziel der produktiven Vollbeschäftigung zu erreichen. Die Konferenz anerkannte, dass KMU zwei Drittel aller Arbeitsplätze in der Welt bereitstellen und dass sie die Mehrheit der neuen Stellen schaffen. Gut konzipierte politische Massnahmen zur Unterstützung der KMU tragen zur Schaffung von qualitativ hohen Arbeitsplätzen und zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum bei. Angesichts der Vielfalt der KMU müssen die politischen Massnahmen die unterschiedlichen Eigenschaften der Unternehmen berücksichtigen, u. a. die Unternehmensgrösse, die Branche, das Wachstum und die demografische Entwicklung. In den Schlussfolgerungen regte die Konferenz an, Hindernisse zu beseitigen, welche die Umsetzung von politischen Massnahmen zur Förderung der KMU verhindern. Die Schweiz brachte ihre Erfahrung und zahlreiche Ideen in die erwähnten Schlussfolgerungen ein, insbesondere in Bezug auf die Förderung der Sozialpartnerschaft, die Vereinfachung von Rechtsvorschriften, die Finanzierung durch Darlehensgarantien und die Anerkennung der Berufsbildung.

2.6

Die Gruppe der 20 (G20)

Unter dem Vorsitz der Türkei lag der Fokus der Arbeiten der G2036 auf der Förderung eines stabilen Wirtschaftswachstums sowie der Steigerung von Investitionen. Ausserdem unterstützte die G20 die internationalen Bestrebungen für mehr Transparenz und gleiche Bedingungen bei der Besteuerung multinationaler Konzerne. Die Schweiz verfolgte ihre proaktive Strategie gegenüber der G20 weiter und nahm zu den Prioritäten der türkischen Präsidentschaft Stellung.

2016 erhält die Schweiz auf Einladung der chinesischen G20-Präsidentschaft Gelegenheit, am Finanzsegment der G20 mitzuwirken.

2.6.1

Die G20 unter türkischer Präsidentschaft

Die G20 wurde im Berichtsjahr von der Türkei präsidiert. Der Fokus der türkischen Agenda lag auf der Förderung eines robusten und integrativen Wirtschaftswachstums. Dabei standen drei Prioritäten im Vordergrund: das Wirtschaftswachstum mit dem Ziel der Reduktion von Ungleichheiten, die Umsetzung vorgängig beschlossener G20-Ziele und die Entwicklung nationaler Investitionsstrategien. Im Übrigen 36

Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, EU, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, SaudiArabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, USA.

869

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band die Türkei Fragestellungen im Zusammenhang mit KMU und mit einkommensschwachen Entwicklungsländern als Querschnittsthemen ein.

Um die Vertretung aller Regionen der Welt zu gewährleisten, werden jedes Jahr mehrere Nichtmitgliedstaaten an den G20-Gipfel eingeladen. Nebst Spanien (ständiger Gast), Singapur, Malaysia (ASEAN-Präsidentschaft), Zimbabwe (Präsidentschaft der Afrikanischen Union) und Senegal (Vertreter der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung) wurde Aserbeidschan als Vertreter der vorderasiatischen Region von der Türkei eingeladen.

Während des Berichtsjahrs fanden neben vier Treffen der Finanzminister und Zentralbankpräsidenten Zusammenkünfte der Landwirtschafts-, der Arbeits- und der Handelsminister statt. Die G20-Energieminister kamen zum ersten Mal zusammen.

In Übereinstimmung mit den Prioritäten der Türkei wurden der weltweite Zugang zu Energie und dessen Beitrag zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (vgl.

Ziff. 6.1.1) thematisiert.

Der G20-Gipfel, welcher am 15. und 16. November die Staats- und Regierungschefinnen und ­chefs in Antalya vereinte, führte zur Annahme des OECD/G20Projekts zur Unternehmensbesteuerung (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) (vgl. Ziff. 2.2.1).

2.6.2

Die Bilanz der Positionierung der Schweiz gegenüber der G20

Obwohl die Schweiz vom türkischen Vorsitz nicht zum Finanzsegment der G20 eingeladen wurde, setzte sie ihre proaktive Strategie gegenüber der G20 fort, indem sie sich zu ausgewählten Prioritäten der G20 äusserte und Positionspapiere unterbreitete.

Als Mitglied (seit 2014) nahm die Schweiz an der G20 Global Partnership for Financial Inclusion (GPFI) teil. Die GPFI setzt sich für den globalen und kostengünstigen Zugang zu Basis-Finanzdienstleistungen ein. China beabsichtigt, dieses Thema 2016 als Priorität des Finanzsegments der G20 aufzugreifen, mit besonderem Schwerpunkt auf dem digitalen Finanzsystem.

2016 erhält die Schweiz auf Einladung der chinesischen G20-Präsidentschaft wieder Gelegenheit, am Finanzsegment der G20 mitzuwirken.

870

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3

Europäische Wirtschaftsintegration Die wirtschaftliche Entwicklung in der EU ­ dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz ­ blieb vor dem Hintergrund der tiefen Energiepreise, der betont expansiv ausgerichteten Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und des tiefen Aussenwerts des Euros im Berichtsjahr hinter den Erwartungen zurück. Die starke Aufwertung des Schweizerfrankens nach dem Verzicht der SNB auf einen Mindestkurs des Schweizerfrankens zum Euro verschlechterte die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporteure insbesondere im Euroraum.

Zusammen mit dem anhaltend schwierigen Umfeld in der EU zeigte sich dies in der Abschwächung des Aussenhandels und dem damit verbundenen gedämpften Wirtschaftswachstum.

Der Bundesrat legte bei der Europapolitik im Berichtsjahr seinen Schwerpunkt auf die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung und auf die Sicherung des bilateralen Wegs mit der EU. Ein im Berichtsjahr veröffentlichter Bericht des Bundesrats zeigt auf, dass mit einem umfassenden Freihandelsabkommen den Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft weit weniger Rechnung getragen werden könnte als mit der Weiterführung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Deshalb gilt es, möglichst rasch wieder Sicherheit über den Fortbestand und die Möglichkeit zur Weiterentwicklung der für die Schweizer Wirtschaft wichtigen bilateralen Verträge zu erlangen. Die bestehenden Unsicherheiten könnten sich negativ auf das Investitionsverhalten der Firmen in der Schweiz und damit auf die mittelfristigen Wachstumsperspektiven auswirken. Diesbezüglich hat der Bundesrat zwei externe Studien zur Kenntnis genommen, die aufzeigen, dass die volkswirtschaftlichen Auswirkungen eines Wegfalls der Bilateralen I bedeutend wären.

3.1

Wirtschaftliche Herausforderungen in der EU und ihre Auswirkungen auf die Schweiz

Der Euroraum setzte im Berichtsjahr seine moderate wirtschaftliche Erholung fort.

Vor dem Hintergrund der tiefen Energiepreise, der betont expansiv ausgerichteten Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und des tiefen Aussenwerts des Euro blieb das Wachstum aber hinter den Erwartungen zurück. Massgebliche Wachstumsbeiträge kamen vom privaten Konsum. Die reale Kaufkraft der Haushalte profitierte von der langsamen aber stetigen Verbesserung der Arbeitsmarktlage und von den gesunkenen Energiekosten. Die langsame konjunkturelle Erholung und die günstigen Finanzierungsbedingungen eröffneten in einigen Mitgliedstaaten zudem fiskalpolitische Spielräume, womit auch ein steigender Staatskonsum zum Wachstum beitrug. Verhalten entwickelten sich hingegen die Bruttoanlageinvestitionen. Zwar dürften sich auch hier die tiefen Zinssätze unterstützend ausgewirkt haben, doch die Unsicherheit bezüglich der internationalen wirtschaftlichen Entwicklung wirkte einer kräftigeren Investitionstätigkeit entgegen. Zwischen den einzelnen Euro-Staaten bestehen aber weiterhin deutliche Divergenzen. Während 871

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etwa Spanien kräftige Wachstumsraten vermelden konnte, hat sich in Deutschland ein ­ wenn auch verhaltener ­ Aufschwung gefestigt, und auch Italien erholt sich allmählich von der langanhaltenden Rezession. Ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion im Sommer konnte vermieden werden.

Nachdem sich die griechische Stimmbevölkerung Anfang Juli in einem Referendum gegen eine Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms ausgesprochen hatte, wurde in den darauffolgenden Wochen eine Einigung zwischen Athen und den internationalen Kreditgebern erzielt. Im Gegenzug für ein umfangreiches drittes Kreditpaket verpflichtete sich die griechische Regierung zu einschneidenden Reformen. Die akute Gefahr eines Zusammenbruchs des griechischen Finanzsystems und eines Austritts aus dem Euroraum scheint damit vorerst gebannt. Die strukturellen Probleme sind aber keineswegs behoben und eine institutionelle Lösung, die ein geordnetes Verfahren für insolvente Staaten innerhalb der Währungsunion gewährleisten könnte, fehlt weiterhin. Es ist somit nicht auszuschliessen, dass die Stabilität des Euroraums mittelfristig erneut gefährdet werden könnte. Deutlich positiver stellt sich die Lage in einigen europäischen Staaten dar, die nicht Teil der Währungsunion sind. So setzte sich beispielsweise der bereits zwei Jahre andauernde Aufschwung des Vereinigten Königreichs fort, und auch in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten wuchs die Wirtschaftsleistung kräftig.

Die Schweizer Wirtschaft ist in erster Linie über den Aussenhandel mit der Entwicklung in der EU verbunden ­ insbesondere mit den Nachbarstaaten, die alle Teil des Euro-Raums sind. Nach Aufhebung der Kursuntergrenze des Schweizerfrankens zum Euro am Jahresanfang rückte der Exportsektor in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dank der Schweizer Inlandkonjunktur blieb auch nach der abrupten Frankenaufwertung eine ausgeprägte Rezession aus. Die verschlechterte preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporteure zeigte sich jedoch in einer Abschwächung des Aussenhandels und einem damit verbundenen gedämpften Wirtschaftswachstum. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Wechselkurssituation sind die Entwicklungen in der EU, die mit 55 Prozent der Schweizer Exporte (EuroRaum 46 %) der wichtigste Handelspartner ist, von ausserordentlicher Bedeutung.

Die nur
schleppende konjunkturelle Erholung in der EU lieferte dem Schweizer Aussenhandel bisher nur moderate Wachstumsimpulse. Eine Stärkung der europäischen Wachstumskräfte wäre daher auch aus Schweizer Sicht zu begrüssen. Daneben können politische Entwicklungen im Euroraum einen massgeblichen Einfluss auf den Wechselkurs haben, der sich auf den Aussenhandel und damit auf die Gesamtwirtschaft der Schweiz auswirkt. So führte die expansive Geldpolitik der EZB tendenziell zu einer Schwächung des Euro respektive zu einer Aufwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro. Aber auch allfällige neue Risiken für die Stabilität der Währungsunion könnten zu deutlichen Ausschlägen des Wechselkurses führen, da der Schweizerfranken in seiner traditionellen Rolle als safe-havenWährung gerade in Krisenzeiten oft einem deutlichen Aufwertungsdruck ausgesetzt ist.

Darüber hinaus geht von der anstehenden Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung (Art. 121a BV) und von deren Auswirkung auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU eine grosse Unsicherheit aus.

872

BBl 2016

Dies kann sich negativ auf das Investitionsverhalten der Firmen in der Schweiz und damit auf die mittelfristigen Wachstumsperspektiven auswirken.

3.2

Die Handelsbeziehungen mit der EU

Die EU ist der mit Abstand wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz. 2014 gingen 55 Prozent der Schweizer Warenexporte in den EU-Raum und 73 Prozent der Warenimporte kamen aus der EU37. Trotz deutlicher Zunahme des Handelsvolumens der Schweiz mit der EU in den letzten zehn Jahren hat sich der Anteil der EU am Gesamthandelsvolumen der Schweiz verringert, was die Gewichtsverlagerung der weltweiten Handelsströme hin zu den Schwellenländern vor allem in Asien wiederspiegelt.

Handelsvolumen Schweiz (Exporte + Importe)38 2004

2006

2008

2010

2012

2014

Mit allen Ländern (in Mrd. CHF)

297

362

414

387

571

538

Mit der EU-28 (in Mrd. CHF)

213

254

288

262

318

295

Anteil EU- 28

72 %

70 %

70 %

68 %

56 %

55 %

Die Beziehungen zur EU sind ­ nebst dem Engagement in der WTO (vgl. Ziff. 2.1) und den Freihandelsabkommen (FHA) mit Drittstaaten (vgl. Ziff. 4) ­ ein zentraler Pfeiler der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik. Der Grundstein für den verbesserten Zugang zum Binnenmarkt der EU wurde mit dem Freihandelsabkommen von 197239 zwischen der Schweiz und der EU gelegt. Dieses beseitigte die Zölle auf Industrieprodukten. Um den sich weiter entwickelnden Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft Rechnung zu tragen, wurden später weitere bilaterale Marktzugangsabkommen mit der EU abgeschlossen ­ unter anderem zum Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse sowie zum Zugang zu öffentlichen Beschaffungsmärkten. Mit den Bilateralen I40 und II41 wurde 1999 beziehungsweise 2004 neben dem Zugang zu weiteren Waren- und Dienstleistungsmärkten sowie zum Arbeitsmarkt auch die 37 38 39 40

41

Handel ohne Edelmetalle, Schmucksteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten.

Handel inkl. Edelmetalle, Schmucksteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten (ab 2012 inkl. Gold). Zahlen abrufbar unter www.swiss-impex.admin.ch.

Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (SR 0.632.401).

Abkommen über die Personenfreizügigkeit (SR 0.142.112.681), Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.172.052.68), Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81), Agrarabkommen (SR 0.916.026.81), Luftverkehrsabkommen (SR 0.748.127.192.68), Landverkehrsabkommen (SR 0.740.72), Forschungsabkommen (SR 0.420.513.1).

Abkommen über die Assoziierung an Schengen/Dublin (SR 0.362.31), Zinsbesteuerungsabkommen (SR 0.641.926.81), Betrugsbekämpfungsabkommen (SR 0.351.926.81), Abkommen über landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse (SR 0.632.401.23), Umweltabkommen (SR 0.814.092.681), Statistikabkommen (SR 0.431.026.81), Abkommen über die Beteiligung am Programm MEDIA 2007 (SR 0.784.405.226.8), Bildungsabkommen (SR 0.402.268.1), Ruhegehälter (SR 0.672.926.81).

873

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Kooperation zwischen der Schweiz und der EU in ausgewählten Bereichen vertieft (z. B. Bildung und Forschung).

Mit diesen Abkommen wurden zwischen der Schweiz und der EU in verschiedenen Bereichen binnenmarktähnliche Verhältnisse geschaffen. Die Abkommen Schweiz­ EU gewährleisten einen massgeschneiderten gegenseitigen Marktzugang und vermeiden tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Schweizer Unternehmen können dank den bilateralen Abkommen nicht nur ihre Produkte in der EU weitgehend hindernisfrei anbieten, sie werden ausserdem im Wettbewerb mit den Anbietern aus der EU im Wesentlichen gleichgestellt. Dank den bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU sind Schweizer Unternehmen im Binnenmarkt der EU nicht nur gegenüber den EU-Unternehmen konkurrenzfähig, die Abkommen verschaffen den Schweizer Unternehmen in der EU auch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten aus Drittstaaten.

3.3

Gegenüberstellung umfassendes Freihandelsabkommen und Bilaterale Abkommen mit der EU

Vor dem Hintergrund der Abstimmung vom 9. Februar 2014 zu den neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung (vgl. Ziff. 3.4) hat die Debatte über die Gestaltung der Beziehungen der Schweiz mit der EU an Intensität gewonnen. In diesem Zusammenhang wurde die Frage eines umfassenden FHA mit der EU als Alternative zum bilateralen Vertragswerk aufgeworfen. In Erfüllung des Postulats Keller-Sutter 13.4022 «Freihandelsabkommen mit der EU statt bilaterale Abkommen» verabschiedete der Bundesrat einen Bericht, der die Option eines umfassenden FHA mit der EU analysiert und diese mit dem bestehenden Vertragswerk vergleicht42.

Die Analyse kommt zum Schluss, dass ein umfassendes FHA einen klaren Rückschritt im Vergleich zum heutigen bilateralen Vertragswerk bedeuten würde. Die bilateralen Abkommen haben in verschiedenen Bereichen für Schweizer Anbieter binnenmarktähnliche Verhältnisse mit entsprechender Rechtssicherheit geschaffen und darüber hinaus die Zusammenarbeit auf weitere Bereiche erweitert, was beides mit einem FHA nicht erreicht werden könnte.

Im Rahmen eines umfassenden FHA zwischen der Schweiz und der EU würden grundsätzlich Marktzugangserleichterungen angestrebt, die ohne Rechtsharmonisierung (d. h. ohne Übernahme von EU-Recht und ohne vertraglich vereinbarte und überwachte Äquivalenz von Vorschriften) realisierbar wären. Ein Abkommen ohne Rechtsharmonisierung würde bedeutende Marktzugangsbereiche ausklammern (z. B.

technische Handelshemmnisse für Industriegüter oder in den Bereichen Landwirtschaft, Zollsicherheit, Personenfreizügigkeit, gegenseitiger erleichterter Marktzugang in bestimmten Dienstleistungssektoren wie Landverkehr und Luftverkehr).

42

874

Vgl. Medienmitteilung vom 5. Juni «Bundesrat: Gegenüberstellung umfassendes Freihandelsabkommen zu Bilateralen mit der EU», abrufbar unter www.admin.ch >Dokumentation >Medienmitteilungen.

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Auch wenn die regulatorische Eigenständigkeit im Rahmen eines umfassenden FHA formell gewährleistet wäre, könnte das Ziel einer grösseren Eigenständigkeit faktisch aber kaum erreicht werden. Aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung mit den Nachbarstaaten hätte die Schweiz auch ohne Harmonisierungsabkommen Interesse, unnötige Abweichungen von den Vorschriften ihres wichtigsten Handelspartners zu vermeiden und ihr Recht autonom an jenes der EU anzugleichen. Ohne bilaterale (Harmonisierungs-)Abkommen wäre aber die Äquivalenz der Vorschriften nicht vertraglichen anerkannt, was für Schweizer Unternehmen in vielen Fällen zu Einschränkungen beim Zugang zum Binnenmarkt der EU führen würde. Umgekehrt würde der Wettbewerb im Inland abnehmen, was mit einem Rückgang der Produktevielfalt und höheren Preisen negative Auswirkungen auf Konsumenten und Produzenten in der Schweiz hätte.

Schliesslich müsste ein solches FHA den Interessen beider Parteien entsprechen. So wären vermutlich bedeutende Zugeständnisse der Schweiz im Bereich des Grenzschutzes für Agrargüter eine Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss solcher Verhandlungen. Ausserdem ist davon auszugehen, dass bei einem Übergang vom bilateralen Vertragswerk zu einem umfassenden FHA auch die Weiterführung der Zusammenarbeit in Bereichen ausserhalb des Marktzugangs in Frage gestellt würde.

Dies hat sich beispielsweise bei den Verhandlungen mit der EU über die Teilnahme der Schweiz am jüngsten Forschungsrahmenabkommen (Horizon 2020) gezeigt. Die EU macht die Vollassoziierung der Schweiz und die Weiterführung der Teilnahme über das Jahr 2016 hinaus von einer grundsätzlichen Lösungsfindung im Bereich des Freizügigkeitsabkommen (FZA) abhängig (vgl. Ziff. 3.4).

Horizon 2020 stellt weltweit das finanzstärkste Förderprogramm für Forschung und Innovation dar. Dieses EU-Programm fördert Projekte, die die gesamte Innovationskette abdecken - von der Grundlagenforschung bis hin zur Vorbereitung marktfähiger Produkte und Dienstleistungen. Die Teilnahme fördert den Wissens- und Kompetenzerwerb, internationale Forschungskooperationen und -netzwerke sowie die Mobilität von Forschenden. Davon profitiert auch die Schweizer Wirtschaft, indem beispielsweise über die Schweizer Beteiligung an einem Projekt Arbeitsplätze geschaffen43 oder neue Unternehmen («Start-ups») gegründet werden und daraus in der Schweiz Patente und andere Formen geistigen Eigentums (z. B. Urheberrechte, Markenhinterlegungen, etc.) entstehen.

3.4

Studien zum Wegfall der Bilateralen I

Infolge der Abstimmung vom 9. Februar 2014 zu den neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung nahm das Interesse an der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Bilateralen I zu. Zur Bedeutung einzelner Abkommen gibt es eine Reihe von Studien.44 Im Berichtsjahr nahm der Bundesrat zudem zwei externe wissenschaftliche Studien zur Kenntnis, welche die volkswirtschaftlichen Auswir43 44

Vgl. «Auswirkungen der Beteiligung der Schweiz am 7. Europäischen Forschungsrahmenprogramm» Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation; 2014.

Links zu den entsprechenden Studien finden sich unter www.seco.admin.ch > Themen > Aussenwirtschaft > Wirtschaftsbeziehungen mit der EU.

875

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kungen eines Wegfalls der Bilateralen I untersuchten.45 Die Studien zeigen, dass das Schweizer BIP von 2018 bis 2035 um insgesamt 460 bis 630 Milliarden Schweizerfranken tiefer ausfallen würde, was ungefähr einem heutigen «Jahreseinkommen» der gesamten Schweizer Volkswirtschaft entspricht.

Die Begrenzung der Zuwanderung mittels Kontingenten würde das Arbeitsangebot im Vergleich zu heute verringern und die Kosten der Arbeitskräfterekrutierung erhöhen. Der Wegfall der Bilateralen I würde ausserdem zu neuen Handelsbarrieren und Beschränkungen des Marktzugangs führen. So müssten beispielsweise Industriegüter, die unter das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen fallen, für die Marktzulassung in der EU die Erfüllung der betreffenden EU-Vorschriften durch eine zusätzliche Konformitätsprüfung nachweisen. Beim öffentlichen Beschaffungswesen könnten Schweizer Anbieter nicht mehr gleichberechtigt mit EU-Anbietern an öffentlichen Ausschreibungen von Bezirken und Gemeinden der EU-Mitgliedstaaten teilnehmen. Den Nichtdiskriminierungsanspruch würden Schweizer Anbieter auch bei Ausschreibungen in weiteren Bereichen verlieren, wie Schienenverkehr, Gas-, Wärme-, Trinkwasser- und Elektrizitätsversorgung, städtischer Verkehr, Flughäfen sowie Fluss- und Seeschifffahrt. Weiter würde der gegenseitige erleichterte Marktzugang in bestimmten Dienstleistungssektoren entfallen (Landverkehr, Luftverkehr, Dienstleistungserbringung gemäss Freizügigkeitsabkommen). Dementsprechend würde sich die Schweizer Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern, was sich negativ auf den Exporterfolg auswirken und den inländischen Wettbewerb verringern würde. Nach einem Wegfall des Forschungsabkommens wäre schliesslich mit negativen Auswirkungen auf das Innovationspotenzial in der Schweiz zu rechnen.

Hinzu kämen weitere Einbussen aufgrund der Unsicherheiten über die zukünftigen Beziehungen der Schweiz zu ihrem wichtigsten Handelspartner. Ungewiss wären nach einem Wegfall der Bilateralen I ausserdem das Fortbestehen weiterer Abkommen mit der EU sowie der Abschluss zukünftiger Marktzugangsabkommen. Diese Folgen konnten in den vorliegenden Studien aufgrund methodischer Schwierigkeiten nur teilweise berücksichtigt werden. Insofern ist davon auszugehen, dass die wirtschaftlichen Konsequenzen eines Wegfalls der Bilateralen I die ausgewiesenen Auswirkungen übersteigen würden.

3.5

Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung

Der Bundesrat nahm die Arbeiten zur Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung umgehend an die Hand und fasste rasch erste Beschlüsse. Bereits am 20. Juni 2014 hatte er sein Umsetzungskonzept vorgestellt46.

Darauf basierend gab er am 11. Februar des Berichtjahres eine Gesetzesrevision in 45 46

876

Vgl. Medienmitteilung vom 4. Dezember 2015 «Studie zu Wegfall der Bilateralen I: Bedeutende Einschnitte für Volkswirtschaft».

Vgl. Medienmitteilung vom 20. Juni 2014 «Bundesrat präsentiert das Konzept zur Umsetzung des Zuwanderungsartikels», abrufbar unter www.ejpd.admin.ch >Aktuell >News >2014.

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die Vernehmlassung47. Gleichzeitig genehmigte er das Mandat für Verhandlungen mit der EU über eine Anpassung des FZA. Mit einer Lösung im Bereich Personenfreizügigkeit soll es der Schweiz zukünftig ermöglicht werden, die Zuwanderung eigenständig zu steuern und zu begrenzen. Gleichzeitig soll der bilaterale Weg als Grundlage der Beziehungen zur EU gesichert werden.

Die Bundespräsidentin vereinbarte Anfang Jahr mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, bilaterale Konsultation zur Personenfreizügigkeit durchzuführen. Generell zeigten die Gesprächspartner in der EU und in den Mitgliedstaaten Verständnis für die schweizerischen Anliegen. Die EU-Seite hielt jedoch am Prinzip der Personenfreizügigkeit fest, da diese einen Grundpfeiler des EU-Binnenmarktes darstellt.

Auf innenpolitischer Ebene zeigten die Ergebnisse der Vernehmlassung, dass das Weiterbestehen der bilateralen Verträge I ­ und somit auch des FZA ­ für die meisten Vernehmlassungsteilnehmenden ein prioritäres Ziel ist. Die vom Bundesrat beschlossenen Begleitmassnahmen geniessen ebenfalls grossen Rückhalt. Diese Massnahmen sollen dazu beitragen, das Arbeitskräftepotenzial von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz besser zu nutzen und die Beschäftigungschancen zu verbessern (z. B. bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bessere Arbeitsmarktintegration von älteren Arbeitnehmenden und erleichterter Zugang zu Informationen für Stellensuchende in der Schweiz).

Es gilt, schnellst möglich wieder Sicherheit über den Fortbestand und einen allfälligen Ausbau des gegenseitigen Marktzugangs zu schaffen. Der Zugang zum Binnenmarkt der EU ist ein bedeutender Standortfaktor der Schweiz (vgl. Ziff. 1). Am 12. August beschloss der Bundesrat, die Führungsstruktur für die Gesamtheit der Verhandlungen Schweiz­EU zu stärken, worunter namentlich die Personenfreizügigkeit, die institutionellen Fragen, weitere Abkommen zwecks Marktzugang, neue oder erweiterte Zusammenarbeit sowie die Frage einer Erneuerung des Erweiterungsbeitrags fallen.

Der Bundesrat entschied im Dezember, eine einvernehmliche Lösung mit der EU anzustreben, welche zugleich die neuen Verfassungsbestimmungen respektieren und das FZA einhalten würde. Mittels einer Schutzklausel will er die Zuwanderung von Personen steuern, die unter das FZA fallen. Für den Fall, dass mit der EU nicht
rechtzeitig eine Einigung erzielt werden kann, beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), parallel zu den Konsultationen eine Botschaft mit einer einseitigen Schutzklausel auszuarbeiten.

47

Vgl. Medienmitteilung vom 11. Februar «Steuerung der Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und Verhandlungsmandat», abrufbar unter www.news.admin.ch.

877

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3.6

Steuerfragen

Das am 27. Mai unterzeichnete Protokoll zur Änderung des Zinsbesteuerungsabkommens von 200448 (Teil der Bilateralen II) enthält insbesondere folgende drei Elemente: den gegenseitigen automatischen Informationsaustausch (AIA) in Steuersachen nach dem globalen Standard der OECD, den Informationsaustausch auf Ersuchen gemäss geltendem OECD-Standard und eine Bestimmung betreffend die Quellensteuerbefreiung von grenzüberschreitenden Zahlungen von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen. Materiell wird das bestehende Zinsbesteuerungsabkommen durch das Änderungsprotokoll fast vollständig geändert und zu einem AIA-Abkommen mit der EU umgestaltet werden.

Das Änderungsprotokoll soll per 1. Januar 2017 in Kraft treten. In diesem Rahmen beabsichtigen die Schweiz und die 28 EU-Mitgliedstaaten, ab 2017 Informationen über Finanzkonten zu erheben und diese ab 2018 untereinander auszutauschen. Mit der Umsetzung des AIA-Standards leisten die Schweiz und die EU einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Bekämpfung der Steuerhinterziehung.

Der Bundesrat verabschiedete am 5. Juni die Botschaft zur Unternehmenssteuerreform III (USR III)49. Ziel der Reform ist die Stärkung des Unternehmensstandorts Schweiz unter Berücksichtigung des aktuellen internationalen Standards in Steuerfragen. Gleichzeitig erhöht sich mit der USR III die Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen. Im Rahmen der Reform sollen die kantonalen Steuerstatus für Holding- und Verwaltungsgesellschaften abgeschafft werden. Diese Regelungen haben in der Vergangenheit zwar einen bedeutenden Beitrag zur Standortattraktivität geleistet, sie stehen jedoch nicht mehr in Einklang mit den internationalen Standards, was sich für grenzüberschreitend tätige Unternehmen zunehmend als nachteilig erweist. Diesbezüglich unterzeichneten die Schweiz und die 28 Mitgliedstaaten der EU bereits im Oktober 2014 eine gemeinsame Verständigung. Darin bestätigten die EU-Mitgliedstaaten, dass die gegen die speziellen kantonalen Unternehmenssteuerregimes ergriffenen Massnahmen aufgehoben werden, sobald die Steuerregimes abgeschafft sind. Die USR III beinhaltet Massnahmen, wie die Einführung einer steuerlich privilegierten Patentbox, um die Standortattraktivität zu bewahren.

3.7

Erweiterungsbeitrag

Mit dem Schweizer Erweiterungsbeitrag von insgesamt 1,302 Milliarden Schweizerfranken unterstützt die Schweiz mehr als 30050 Projekte in den 13 Ländern, die der EU seit 2004 beigetreten sind. Damit leistet die Schweiz einen Beitrag zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in Europa. Im Berichtsjahr wurde eine externe Evaluation in Auftrag gegeben, um Rechenschaft über die bisherige Umsetzung des Erweiterungsbeitrags abzulegen. Der Bericht soll Anfang 2016 publiziert werden.

48

49 50

878

Abkommen über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind (SR 0.641.926.81).

BBl 2015 5069 Eine Liste der Projekte findet sich unter www.erweiterungsbeitrag.admin.ch.

BBl 2016

Im Berichtsjahr wurden zahlreiche Projekte abgeschlossen. So beispielsweise zwei Infrastrukturprojekte in Slowenien, dank denen die Gebäude von 41 Schulen heute besser isoliert sind und mit erneuerbarer Energie beheizt werden. Schweizer Unternehmen und Fachleute trugen durch Beratung und mit der Lieferung von Wärmepumpen zur erfolgreichen Projektumsetzung bei. Im September fand ausserdem die Schlussveranstaltung des Stipendienprogramms statt, dank welchem über 500 Doktorierende und Post-Doktorierende einen Forschungsaufenthalt in der Schweiz absolvieren konnten. Die Schweiz festigte dadurch den Kontakt zu akademischen Netzwerken in den neuen EU-Mitgliedstaaten. Diese Resultate zeigen beispielhaft, wie die Schweiz im Rahmen des Erweiterungsbeitrags nicht nur in den Partnerländern viel bewirkt, sondern auch Partnerschaften aufbaut und so die bilateralen Beziehungen zu den neuen EU-Mitgliedstaaten und zur gesamten EU festigt sowie Schweizer Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnet.

Mit Kroatien unterzeichnete die Schweiz am 30. Juni ein bilaterales Rahmenabkommen. Das Abkommen regelt die Umsetzung des Schweizer Erweiterungsbeitrags für Kroatien von 45 Millionen Schweizerfranken.

Die gesetzliche Grundlage für den Erweiterungsbeitrag, das Bundesgesetz vom 24.

März 2006 über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas51, läuft am 31. Mai 2017 aus. Ein allfälliger Beitrag darüber hinaus bedingt eine neue rechtliche Grundlage. Die am 12. August vom Bundesrat beschlossene Führungsstruktur für die Gesamtheit der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU deckt auch die Frage einer Erneuerung des Erweiterungsbeitrags ab.

4

Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb der EU und der EFTA Die Schweiz verfügt über ein Netz von 28 Freihandelsabkommen (FHA) mit 38 Partnern ausserhalb der EU und der EFTA. Im Berichtsjahr trat das FHA mit Bosnien und Herzegowina in Kraft, und das Beitrittsprotokoll Guatemalas zum FHA EFTA-Zentralamerikanische Staaten wurde unterzeichnet.

Die Verhandlungen der EFTA über FHA mit Malaysia und Vietnam wurden fortgesetzt. Die Bemühungen, die Verhandlungen mit Indien und Indonesien fortzuführen und zu einem Abschluss zu bringen, wurden weitergeführt. Mit Georgien und den Philippinen nahm die EFTA Verhandlungen über ein FHA auf.

Die Verhandlungen mit der Türkei über die Weiterentwicklung des FHA von 1992 wurden fortgesetzt. Mit Kanada sollen bald exploratorische Gespräche über eine mögliche Weiterentwicklung des FHA aufgenommen werden. Die exploratorischen Arbeiten im Hinblick auf eine Weiterentwicklung des FHA EFTA-Mexiko konnten abgeschlossen werden. Mit China wurde das erste

51

SR 974.1

879

BBl 2016

Treffen des Gemischten Ausschusses unter dem FHA Schweiz­China abgehalten.

Die EFTA-Staaten und Ecuador unterzeichneten eine Zusammenarbeitserklärung. Verhandlungen über ein FHA mit diesem Partner sollen 2016 aufgenommen werden. Zwischen den EFTA-Staaten und Mercosur wurde ein exploratorischer Dialog aufgenommen. Mit den USA setzte die EFTA den Handelsdialog fort.

4.1

Aktivitäten der Schweiz

Die Schweiz verfügte Ende des Berichtsjahres neben dem Übereinkommen vom 4. Januar 196052 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation und dem FHA mit der EU von 197253 über 28 FHA54 mit 38 Partnern. 25 dieser Abkommen wurden im Rahmen der EFTA abgeschlossen. Die FHA mit China, Japan und mit den Färöer-Inseln schloss die Schweiz bilateral ab. Neben dem Abschluss weiterer FHA hat die Aktualisierung und Vertiefung bestehender FHA in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.

FHA haben sich als wirksames Instrument zum Abbau von Diskriminierungen und anderen Marktzugangshindernissen auf ausländischen Märkten bewährt. Mit dem Abschluss weiterer FHA kann die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zusätzlich gestärkt werden. Im Rahmen der langfristig ausgerichteten Wachstumspolitik des Bundesrates sind für die Schweiz, gerade auch vor dem Hintergrund der Frankenstärke, Massnahmen zur weiteren Öffnung der Exportmärkte von grosser Bedeutung.

Der weltweite Trend zum Abschluss regionaler und regionenübergreifender FHA hielt im Berichtsjahr an, dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der WTO (vgl. Ziff. 2.1). Bis Mitte Jahr waren bei der WTO 612 regionale 52 53 54

880

SR 0.632.31 SR 0.632.401 EFTA-FHA: Türkei (in Kraft getreten am 1.4.1992; SR 0.632.317.631), Israel (1.7.1993; SR 0.632.314.491), Palästinensische Behörde (1.7.1999; SR 0.632.316.251), Marokko (1.12.1999; SR 0.632.315.491), Mexiko (1.7.2001; SR 0.632.315.631.1), Mazedonien (1.5.2002; SR 0.632.315.201.1), Jordanien (1.9.2002;SR 0.632.314.671), Singapur (1.1.2003; SR 0.632.316.891.1), Chile (1.12.2004; SR 0.632.312.451), Tunesien (1.6.2006; provisorische Anwendung seit 1.6.2005; SR 0.632.317.581), Korea (1.9.2006; SR 0.632.312.811), Libanon (1.1.2007; SR 0.632.314.891), SACU (Südafrikanische Zollunion: Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland; 1.5.2008; SR 0.632.311.181), Ägypten (1.9.2008; provisorische Anwendung seit 1.8.2007; SR 0.632.313.211), Kanada (1.7.2009; SR 0.632.312.32), Serbien (1.10.2010; SR 0.632.316.821), Albanien (1.11.2010; SR 0.632.311.231), Kolumbien (1.7.2011; SR 0.632.312.631), Peru (1.7.2011; SR 0.632.316.411), Ukraine (1.6.2012; SR 0.632.317.671), Montenegro (1.9.2012; SR 0.632.315.731), Hong Kong (1.10.2012; SR 0.632.314.161), GCC (Golf-Kooperationsrat: Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, SaudiArabien, Vereinigte Arabische Emirate; 1.7.2014) SR 0.632.311.491), Zentralamerikanische Staaten (Costa Rica und Panama; 29.8.2014), SR 0.632.312.851), Bosnien und Herzegowina (1.1.2015; SR 0.632.311.911), bilaterale FHA der Schweiz: Färöer-Inseln (1.3.1995; SR 0.946.293.142); Japan (1.9.2009; SR 0.946.294.632), China (1.7.2014; SR 0.946.292.492).

BBl 2016

Präferenzabkommen notifiziert, wovon 402 in Kraft waren.55 Nebst den regionalen Präferenzabkommen (z. B. ASEAN56, EU, NAFTA57) werden seit vielen Jahren überregionale Abkommen ausgehandelt, auch durch wirtschaftlich bedeutende WTO-Mitglieder wie die EU, die USA, China und Japan. Neben der Aushandlung einer umfassenden transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP, vgl. Ziff. 4.2) ist derzeit das transpazifische Partnerschaftsabkommen (Trans-Pacific-Partnership-Agreement, TPP58) das bekannteste Beispiel. Die Verhandlungen für diese derzeit grösste Freihandelszone der Welt sind im Oktober abgeschlossen worden (vgl. Ziff. 1.2.4).

Damit hält für die Schweiz die Gefahr der Diskriminierung auf wichtigen ausländischen Märkten an. Um Benachteiligungen zu vermeiden, sind der Ausbau und die Vertiefung des bestehenden FHA-Netzes ­ insbesondere mit wachstumsstarken Schwellenländern ­ von grosser Bedeutung. Allerdings unterscheiden sich die Interessen dieser Länder zum Teil deutlich von jenen der Schweiz.59 Entsprechend gestalten sich die meisten laufenden Verhandlungsprozesse deutlich schwieriger und aufwändiger als in der Vergangenheit.

4.1.1

Laufende Verhandlungen

Mit den Philippinen wurden im Berichtsjahr Verhandlungen über ein FHA aufgenommen und vier Verhandlungsrunden durchgeführt. Das Abkommen soll nach Möglichkeit vor den philippinischen Präsidentschaftswahlen vom Mai 2016 unterzeichnet werden. Auch mit Georgien wurden Verhandlungen über ein FHA lanciert.

Nach zwei Verhandlungsrunden sind die Verhandlungen bereits weit fortgeschritten.

Ziel ist es, diese Verhandlungen 2016 abzuschliessen. Die Verhandlungen mit Malaysia und Vietnam wurden fortgesetzt und im Berichtjahr zwei respektive drei Verhandlungsrunden abgehalten. Der Abschluss der TPP-Verhandlungen und der Abschluss der Freihandelsverhandlungen zwischen der EU und Vietnam hatten bis Ende des Berichtjahrs noch keine spürbaren Auswirkungen auf das Ambitionsniveau und das Tempo der FHA-Verhandlungen zwischen der EFTA und Vietnam bzw.

Malaysia.

In den laufenden Verhandlungen setzen sich die Schweiz und die anderen EFTAStaaten neben dem Warenverkehr, dem Handel mit Dienstleistungen, dem Schutz des geistigen Eigentums, und anderen Themen auch für die Aufnahme von Bestimmungen über Handel und nachhaltige Entwicklung in die Abkommen ein.

Die Bemühungen, die Verhandlungen mit Indien fortzusetzen, wurden auf verschiedenen Stufen intensiviert. Indien und die EFTA-Staaten bekundeten auf politischer 55 56 57 58 59

www.wto.org > trade topics > regional trade agreements (Stand der Erhebungen: 7. April 2015).

Brunei Darussalam, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam.

North American Free Trade Agreement: Kanada, Mexiko, USA.

Australien, Brunei Darussalam, Chile, Kanada, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, USA und Vietnam.

Vgl. Ziff. 4.3 des Berichtes zur Aussenwirtschaftspolitik 2012, BBl 2013 1318.

881

BBl 2016

Ebene mehrfach ihre Bereitschaft, den Prozess fortzusetzen. Als nächster Schritt soll ein Treffen der Chefunterhändler stattfinden. Wichtigste offene Punkte in den Verhandlungen mit Indien sind das Geistige Eigentum (insbesondere der Patentschutz) und die Datensicherheit. Angesichts der Bedeutung Indonesiens als Wirtschaftspartner bemühen sich die Schweiz und die anderen EFTA-Staaten weiterhin, die seit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom Mai 2014 unterbrochenen FHAVerhandlungen fortzusetzen. Neben verschiedenen Kontakten auf politischer Ebene trafen sich im Mai die Chefunterhändler. Um die Erfolgsaussichten für eine Fortsetzung der Verhandlungen zu erhöhen, sollen den indonesischen Unternehmen die Chancen und Vorteile aufgezeigt werden, die sich aus einem FHA mit den EFTAStaaten ergeben können.

Der Verhandlungsprozess mit Russland/Belarus/Kasachstan ruht seit dem Ausbruch des Konflikts in der Ukraine. Die EFTA-Minister bestätigten ihre Haltung, die Verhandlungen unter den gegebenen Umständen bis auf weiteres nicht fortzusetzen.

Aufgrund der innenpolitischen Lage in Thailand sind die Gespräche über eine Weiterführung der 2006 unterbrochenen Verhandlungen auch mit diesem Partner nach wie vor nicht wieder aufgenommen worden. Die EFTA wird je nach Entwicklungen in Thailand eine Wiederaufnahme der Gespräche zu gegebener Zeit prüfen.

In Bezug auf Algerien bekräftigte die EFTA ihren Wunsch, die 2007 eröffneten und 2009 von Algerien suspendierten Verhandlungen über ein FHA weiterzuführen.

4.1.2

Bestehende Freihandelsabkommen

Das FHA zwischen den EFTA-Staaten und Bosnien Herzegowina trat am 1. Januar in Kraft. Des Weiteren wurde das Protokoll betreffend den Beitritt Guatemalas zum FHA EFTA-Zentralamerikanische Staaten60 unterzeichnet. Es wird erwartet, dass das Protokoll 2016 in Kraft tritt.

Im Berichtsjahr fanden Treffen der Gemischten Ausschüsse unter den FHA mit China, dem Kooperationsrate der Arabischen Golfstaaten61 (Gulf Cooperation Council, GCC, der Palästinensischen Behörde/PLO, Serbien und der Südafrikanischen Zollunion (Southern African Custom Union, SACU)62 statt.

Das bilaterale FHA zwischen der Schweiz und China ist seit dem 1. Juli 2014 in Kraft. Das Abkommen wird rege genutzt. Im August fand das erste Treffen des Gemischten Ausschusses (GA) unter dem FHA Schweiz­China statt. Alle Bereiche des Abkommens, darunter auch das Thema Handel und nachhaltige Entwicklung (vgl. Ziff. 5.5.1), wurden besprochen. Unter anderem wurden Fragen zu den Verfahren und Nachweisen bei der präferenziellen Wareneinfuhr in China diskutiert und die diesbezügliche Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden bestärkt. Das nächste Treffen des GA soll im September 2016 stattfinden. Gestützt auf die verschiede-

60 61 62

882

Die Botschaft mit Antrag zur Genehmigung des unterzeichneten Protokolls findet sich in der Beilage (vgl. Ziff. 10.2.2).

Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate.

Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland.

BBl 2016

nen Überprüfungs- und Entwicklungsklauseln des FHA sollen mögliche Verbesserungen und Anpassungen des FHA geprüft werden.

Das am 1. Juli 2014 in Kraft getretene FHA zwischen den EFTA-Staaten und den Mitgliedstaaten des GCC, wurde seitens des GCC in Bezug auf den Warenverkehr verspätet umgesetzt. Auf Wunsch der GCC-Seite wurde mit einem Beschluss des GA des EFTA-GCC-FHA im Mai ein zusätzliches Formular für den Ursprungsnachweis von Exporten aus den GCC-Staaten vereinbart. Seither wenden mit Ausnahme Saudi-Arabiens, das die internen Vorbereitungen zur Umsetzung des Abkommens voraussichtlich bis März 2016 abschliessen wird, alle Mitgliedstaaten des GCC das Abkommen an.

Mit der Türkei wurden die EFTA-Verhandlungen über die Weiterentwicklung des FHA aus dem Jahr 1992, welches sich auf den Warenverkehr und den Schutz des geistigen Eigentums beschränkt, fortgeführt. Bisher fanden drei Verhandlungsrunden statt. Die Verhandlungen über eine Anpassung des bilateralen Landwirtschaftsübereinkommens der Schweiz mit Israel sowie eine Modernisierung des Protokolls des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Israel betreffend den Handel mit landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten werden voraussichtlich Anfang 2016 abgeschlossen. Mit Tunesien wurden Verhandlungen über eine punktuelle Verbesserung der gegenseitigen Konzessionen im Landwirtschaftsbereich aufgenommen. Mit Kanada sollen bald exploratorische Gespräche über eine mögliche Weiterentwicklung des FHA EFTA-Kanada aufgenommen werden. Ziel ist die Klärung der unterschiedlichen Ambitionsniveaus in verschiedenen Bereichen (u. a.

Landwirtschaft, Dienstleistungen und Investitionen, geistiges Eigentum) und die Gewinnung von Entscheidungsgrundlagen für eine Verhandlungsaufnahme. Mit Mexiko wurden die Arbeiten zur Festlegung der Leitlinien und Eckwerte für die Weiterentwicklung des FHA EFTA-Mexiko abgeschlossen. 2016 sollen entsprechende Verhandlungen aufgenommen werden.

4.1.3

Explorationen und andere Kontakte der EFTA

Mit Ecuador wurde anlässlich der EFTA-Ministerkonferenz im Sommer eine Zusammenarbeitserklärung unterzeichnet. Die Parteien streben an, 2016 Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen.

Im März fand das vierte Treffen des unter der Zusammenarbeitserklärung EFTAMercosur63 eingesetzten Gemischten Ausschusses statt. Als Resultat des Treffens wurde ein exploratorischer Dialog zwischen den EFTA-Staaten und dem Mercosur lanciert, um die Aussichten für mögliche künftige Freihandelsverhandlungen zu beurteilen. Im Fall eines Abschlusses der FHA-Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur besteht für die Schweiz erhebliches Diskriminierungspotenzial. So erhebt Brasilien, der wichtigste Handelspartner der Schweiz unter den MercosurStaaten, auf mehr als der Hälfte der Schweizer Importe Zölle von über 10 Prozent.

Weiter pflegte die EFTA Kontakte mit afrikanischen Staaten südlich der Sahara. So bemühen sich die EFTA-Staaten weiterhin um die Unterzeichnung einer Zusam63

EFTA-Zusammenarbeitserklärung mit Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay.

883

BBl 2016

menarbeitserklärung mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (East African Community, EAC) und mit Nigeria. Eine über Zusammenarbeitserklärungen hinausgehende Vertiefung der Freihandelsbeziehung mit diesen Partnern steht für die Schweiz derzeit nicht im Vordergrund.

In Bezug auf Australien ist die EFTA interessiert, eine Verstärkung der Handelsbeziehungen zu prüfen. Ebenfalls bemüht sich die EFTA um engere, formalisierte Beziehungen, mit der ASEAN.

4.2

Verhandlungen für eine umfassende transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den USA und der EU

Die EU und die USA führen Verhandlungen über eine umfassende transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP). Ziel der Verhandlungen ist die Liberalisierung des Handels mit Industrie- und Landwirtschaftsprodukten, die Beseitigung von nicht-tarifären Handelshemmnissen sowie die weitere Liberalisierung des Dienstleistungshandels, des öffentlichen Beschaffungswesens und der Investitionen. Ausserdem sollen die Regelungen in verschiedenen Bereichen wie dem geistigen Eigentum, dem Wettbewerb sowie dem Zugang zu den Rohstoffmärkten besser aufeinander abgestimmt werden. Ziel ist weiter, ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung auszuhandeln.

4.2.1

Mögliche Auswirkungen auf die Schweiz

Die USA und die EU sind die beiden grössten Handelspartner der Schweiz, mehr als zwei Drittel der Schweizer Exporte gehen in diese beiden Märkte. Das Zustandekommen der TTIP, mit der sich die EU und die USA auf dem jeweils anderen Markt günstigere Rahmenbedingungen einräumen als sie Drittländern wie der Schweiz gewährt werden, wird zu einer Diskriminierung der Schweizer Wirtschaft auf diesen Märkten führen.

Bezüglich der Industrieprodukte drohen der exportorientierten Schweizer Industrie Diskriminierungen auf dem US-amerikanischen Markt, insbesondere in Bezug auf die Zölle. Auf dem EU-Markt ergäben sich in diesem Bereich kaum Diskriminierungen, da die Zölle auf Industrieprodukte mit der EU bereits im Rahmen des FHA von 1972 eliminiert wurden. Allerdings ginge der bisherige relative Zollvorteil der Schweiz auf dem EU-Markt verloren. In Bezug auf die Agrarprodukte könnte es zu Benachteiligungen im tarifären Bereich sowohl in der EU wie auch in den USA kommen.

Einigen sich die EU und die USA auf Ursprungsregeln, die einen Anreiz zur Verwendung von aus der TTIP-Zone stammenden Zwischenprodukten schaffen, könnte die TTIP negative Auswirkungen auf die Integration der Schweiz in gewisse Wertschöpfungsketten haben. Insbesondere Produkte der Automobilindustrie und Präzisionsinstrumente könnten betroffen sein.

884

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Ein weiteres Diskriminierungspotenzial besteht im Bereich der technischen Handelshemmnisse, insbesondere falls die Parteien diese mittels Instrumenten abbauen, die für Drittstaaten nicht zugänglich wären.

In anderen Bereichen ­ wie zum Beispiel Dienstleistungen, Investitionen, öffentliches Beschaffungswesen ­ kann das Diskriminierungspotenzial erst abgeschätzt werden, wenn die TTIP-Verhandlungen weiter fortgeschritten sind.

Sollten sich die aufgezeigten Diskriminierungspotenziale verwirklichen, so besteht die Gefahr, dass Investoren die TTIP-Zone vorziehen. Daraus könnte sich eine Verringerung der Attraktivität des Standortes Schweiz gegenüber seinen wichtigsten Wettbewerbern ergeben (vgl. Ziff. 1). Die Tragweite des Diskriminierungspotenzials ist beim aktuellen Stand der Verhandlungen kaum abschätzbar.64

4.2.2

Massnahmen und Handlungsoptionen

Die EFTA und die USA etablierten 2013 einen handelspolitischen Dialog. Mit dieser Plattform erhalten die Schweiz und die anderen EFTA-Staaten Informationen zu den laufenden Verhandlungen zwischen der EU und den USA aus erster Hand.

Das jüngste Treffen unter dem Dialog fand im Mai statt. Anlässlich der Sommerministerkonferenz der EFTA kamen die EFTA-Staaten überein, den USA vorzuschlagen, im Rahmen des Handelsdialogs Wege zur Verstärkung der Handelsbeziehungen zwischen der EFTA und den USA zu prüfen.

Mit der EU nutzt die Schweiz ihre regelmässigen Kontakte auf verschiedenen Ebenen, um Informationen zum TTIP zu erhalten.

Abhängig vom Inhalt einer TTIP wird der Bundesrat konkrete Optionen prüfen und die Strategie festlegen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz zu bewahren und mögliche Diskriminierungen der Schweizer Wirtschaft so gering wie möglich zu halten. Der Bundesrat zieht folgende Möglichkeiten näher in Betracht: (i)

die Aushandlung eines FHA mit den USA,

(ii) ein Beitritt zur TTIP (ob TTIP diese Möglichkeit vorsehen wird, ist gegenwärtig offen), oder (iii) festhalten am Status Quo (Verzicht auf ein Abkommen): Es könnte versucht werden, bei einzelnen Diskriminierungen ad-hoc-Lösungen zu finden. Es bestünde allerdings das Risiko, dass die Schweiz in vielen von der TTIP geregelten Bereichen (u. a. Zollerleichterungen) Diskriminierungen in Kauf nehmen müsste.

Bei seiner Analyse wird der Bundesrat u. a. die gesamtwirtschaftliche Situation der Schweiz, die Situation in den verschiedenen Wirtschaftssektoren sowie die sozialen und umweltbezogenen Auswirkungen berücksichtigen.

64

Für weiterführenden Informationen vgl. www.seco.admin.ch > Aktuell > Medieninformation > Medienmitteilungen > Handelsabkommen EU-USA (TTIP): Mögliche Auswirkungen auf die Schweiz.

885

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5

Sektorielle Politiken

5.1

Warenverkehr Industrie/Landwirtschaft

Der Aussenhandel der Schweiz war in den ersten zehn Monaten des Berichtsjahres gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres sowohl ein- als auch ausfuhrseitig rückläufig. Mit Ausnahme der Kategorien lebende Tiere, Schuhe, Fahrzeuge und Bijouteriewaren, deren Ausfuhr zunahm, war in allen Hauptsektoren der Schweizer Industrie ein Rückgang der Ausfuhren zu verzeichnen.

Im Bereich der Zoll- und Ursprungspolitik setzte der Bundesrat seine Anstrengungen fort, die Zollverfahren möglichst wirtschaftsfreundlich zu gestalten und die Ursprungsregeln innerhalb der Paneuropa-Mittelmeer-Zone zu vereinfachen. Mit dem am 3. Dezember ins Freihandelsabkommen Schweiz­EU aufgenommenen Verweis auf das Regionale Übereinkommen über die Paneuropa-MittelmeerPräferenzursprungsregeln (PEM-Übereinkommen) kann die Schweizer Wirtschaft neu von der diagonalen Kumulation mit Vormaterialien auch aus den Westbalkanstaaten Gebrauch machen.

Im Kontext der Frankenstärke erhöhte das Parlament das Budget für die Ausfuhrbeiträge für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte gemäss Schoggigesetz im Rahmen eines Nachtragskredits von 70 Millionen Schweizerfranken auf 95,6 Millionen Schweizerfranken. An der WTO Ministerkonferenz im Dezember (vgl. Ziff. 2.1.1) wurde ein Verbot aller Exportsubventionen bis spätestens 2020 beschlossen. Dieser Entscheid betrifft auch die Ausfuhrbeiträge der Schweiz für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, auf die entsprechend im Landesrecht verzichtet werden muss. Um die Wertschöpfung in der Nahrungsmittelindustrie und in der Landwirtschaft möglichst zu erhalten, beabsichtigt der Bundesrat, auf den gleichen Zeitpunkt die interne Stützung im Agrarbereich entsprechend zu erhöhen.

5.1.1

Entwicklung des Aussenhandels

Im Vergleich mit der Vorjahresperiode gingen die Ausfuhren in den ersten zehn Monaten um 3,5 Prozent und die Einfuhren um 8,4 Prozent zurück (Ein- und Ausfuhren, ohne Edelmetalle, Schmucksteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten). Die Handelsbilanz für den Zeitraum Januar bis Oktober wies einen Überschuss von 31,1 Milliarden Schweizerfranken aus, was im Vergleich zur Vorjahresperiode eine Zunahme von 26,4 Prozent oder 6,5 Milliarden Schweizerfranken bedeutet. Während die Ausfuhr von lebenden Tieren, Schuhen, Fahrzeugen und Bijouteriewaren zunahm, war sie bei den übrigen Warenkategorien rückläufig. Einfuhrseitig fällt der Rückgang bei den Energieträgern auf, der im Wesentlichen durch den Einbruch der Weltmarktpreise dieser Produkte begründet ist. Im Übrigen haben die Einfuhren von Schuhen, Fahrzeugen, Uhren und Bijouteriewaren zugenommen, währendem sie in den übrigen Warenkategorien rückläufig waren. Bei der regionalen Verteilung der 886

BBl 2016

Ausfuhren ergeben sich gegenüber 2014 Verschiebungen zugunsten Amerikas (+3,0 %), während sich die Ausfuhren nach Afrika (­13,0 %), Europa (­6,1 %), Ozeanien (­4,4 %) und Asien (­0,8 %) zurückgebildet haben. Anteilsmässig dominiert Europa weiterhin (56,7 %), gefolgt von Asien (22,2 %), Amerika (18,3 %), Afrika (1,6 %) und Ozeanien (1,2 %). Einfuhrseitig haben die Anteile Amerikas (+4,8 %) und Ozeaniens (+1,2 %) zugenommen, während die Anteile Afrikas (­49,0 %), Europas (­9,7 %) und Asiens (­4,5 %) zurückgegangen sind. Anteilsmässig dominiert Europa auch bei der Einfuhr (73,8 %), gefolgt von Asien (16,0 %), Amerika (9,1 %), Afrika (0,9 %) und Ozeanien (0,2 %).

Nachstehende Tabelle stellt die Struktur des Schweizer Aussenhandels aufgeschlüsselt auf die wichtigsten Warenarten dar (Januar­Oktober 2015): Warenart

Landwirtschaft Energieträger Textilien Chemie / Pharma Metalle Maschinen Fahrzeuge Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie andere Erzeugnisse Total

Ausfuhren (Mio. CHF)

Vorjahr

Einfuhren (Mio. CHF)

Vorjahr

7,471 2,281 2,611 69,972 9,950 25,764 4,866 38,767

­4,9 % ­13,3 % ­1,7 % ­3,1 % ­5,7 % ­7,0 % 4,3 % ­0,1 %

10,989 7,009 7,462 31,323 10,940 23,436 14,113 17,110

­6,3 % ­30,8 % ­5,8 % ­14,0 % ­10,8 % ­6,8 % 4,6 % 4,0 %

6,699

­9,0 %

14,876

­8,8 %

168,384

­3,5 %

137,258

­8,4 %

Quelle: Eidg. Zollverwaltung

5.1.2

Zoll- und Ursprungspolitik

Zollpolitik Der Bundesrat sprach sich bei der Beantwortung verschiedener parlamentarischer Vorstösse dafür aus, die Zollverfahren den Bedürfnissen der Wirtschaft, insbesondere der KMU, anzupassen. Geplant sind u. a. ein Webportal, das den Unternehmen, die dies wünschen, die selbständige Abwicklung aller für die Verzollung notwendigen Transaktionen auf elektronischem Weg ermöglichen soll (Motion 14.3011 WAK-N vom 24. Februar 2014 «Kostenreduktion dank elektronischen Zollverfahrens»). Auch die freie Wahl der Grenzübergangsstelle soll ermöglicht werden (Motion 14.3012 WAK-N vom 24. Februar 2014 «Kostenreduktion dank Flexibilität beim Grenzübertritt»). Diese Anliegen werden in den kommenden Jahren im Rahmen einer umfassenden Neugestaltung der IT-Architektur der Eidgenössischen Zollverwaltung realisiert.

887

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Ursprungspolitik Die Arbeiten zur Umsetzung des Regionalen Übereinkommens über die PaneuropaMittelmeer-Präferenzursprungsregeln (PEM-Übereinkommen)65 schritten im Berichtsjahr weiter voran. Das PEM-Übereinkommen regelt den präferenziellen Ursprung für sämtliche Freihandelsabkommen (FHA), welche Parteien des Übereinkommens unter sich abschliessen. Die Ursprungsprotokolle der betroffenen FHA der Schweiz sollen 2016 durch einen Verweis auf das PEM-Übereinkommen ersetzt werden. Mit Entscheid vom 4. November hat der Bundesrat dieses Vorgehen gutgeheissen. Der am 3. Dezemberverabschiedete Beschluss des Gemischten Ausschusses des FHA Schweiz­EU ermöglicht insbesondere die diagonale Kumulation mit den Westbalkanstaaten, was der Schweizer Wirtschaft bei Exporten in die EU neue Möglichkeiten für die Organisation der Beschaffungsketten eröffnet, wovon insbesondere die Textilindustrie profitieren wird.

Die parallel zu den vorerwähnten Arbeiten laufenden Verhandlungen zur Modernisierung der Ursprungsregeln des PEM-Übereinkommens konnten noch nicht abgeschlossen werden. Der Abschluss wird für Mitte 2016 angestrebt.

Auch in ihren FHA mit Partnern ausserhalb Europas sucht die Schweiz Lösungen, um den grenzüberschreitenden Handel für Unternehmen trotz unterschiedlicher Ursprungsregeln in den verschiedenen Abkommen zu vereinfachen. Neben der Vereinbarung von möglichst wenig einschränkenden Ursprungsregeln prüft die Schweiz auch mit diesen Partnern Kumulationsmöglichkeiten.66

5.1.3

Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte

2014 exportierte die Schweiz landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte im Wert von 6,8 Milliarden Schweizerfranken. Die entsprechenden Importe beliefen sich auf 3,6 Milliarden Schweizerfranken. Die EU war mit einem Anteil von 62 Prozent an den Exporten und 78 Prozent an den Importen auch bei den landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten der mit Abstand wichtigste Handelspartner der Schweiz.

Das Bundesgesetz vom 13. Dezember 197467 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten, das sogenannte Schoggigesetz, hat zum Ziel, agrarpolitisch bedingte Preisunterschiede für in Verarbeitungsprodukten enthaltene Agrargrundstoffe an der Grenze auszugleichen. Importzölle (sog. bewegliche Agrarteilbeträge) verteuern die Grundstoffe in den importierten Verarbeitungsprodukten auf das inländische Preisniveau, während Ausfuhrbeiträge die in Verarbeitungsprodukten enthaltenen inländischen Milch- und Getreidegrundstoffe beim Export verbilligen. Das Protokoll Nr. 2 des FHA Schweiz­EU68 regelt analog 65 66

67 68

888

SR 0.946.31 Der Bericht des Bundesrats vom 8. März 2013 «Freihandelsabkommen: Chancen, Möglichkeiten und Herausforderungen der Kreuzkumulation von Ursprungsregeln» in Beantwortung des Postulats 10.3971 «Mehr Nutzen aus Freihandelsabkommen durch Kreuzkumulation» gibt eine Übersicht über die verschiedenen Kumulationskonzepte und erläutert insbesondere die Idee der Kreuzkumulation.

SR 632.111.72 SR 0.632.401.2

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den Handel mit landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen zwischen der Schweiz und der EU. Die in der Regel jährlich erfolgenden Anpassungen der für die Preisausgleichsmassnahmen mit der EU massgebenden Referenzpreise an die aktuellen Marktverhältnisse wurde am 1. April vorgenommen69.

Im Kontext der Frankenstärke erhöhte das Parlament im Juni das Budget für Ausfuhrbeiträge für das Beitragsjahr mit einem Nachtragskredit von 70 auf 95,6 Millionen Schweizerfranken. Trotzdem mussten die Ausfuhrbeitragsansätze wie in den Vorjahren aufgrund der gestiegenen Ausfuhrmengen und höherer Preisunterschiede auch im Berichtsjahr gekürzt werden. Dabei kamen entsprechend der Aufteilung der verfügbaren Mittel auf die «Milchgrundstoffe» und «Getreidegrundstoffe» differenzierte Kürzungsfaktoren zur Anwendung, welche monatlich überprüft und bei Bedarf angepasst wurden.

Das Ausfuhrbeitragsregime stammt aus den 1970er-Jahren, einer Zeit, in der im Bereich der Landwirtschaft international weitgehend staatlich administrierte Preise vorherrschten. Unter erheblich veränderten Marktbedingungen ist das Instrument der Ausfuhrbeiträge nur noch beschränkt geeignet, einen zuverlässigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Nahrungsmittelexporte zu leisten. Die stark gestiegenen Exportmengen und die Preisschwankungen auf den internationalen Märkten machen es unter Berücksichtigung der Haushaltslage des Bundes zusehends schwieriger, einen planbaren Preisausgleich zu gewährleisten.

Die Ausfuhrbeiträge beruhen auf einer temporären Ausnahme vom WTOrechtlichen Verbot der Exportsubventionen. An der WTO-Ministerkonferenz in Nairobi wurde ein Verbot der verbleibenden Exportsubventionen beschlossen (vgl. Ziff. 2.1.1). Für die Schweiz bedeutet dies, dass sie die Ausfuhrbeiträge gemäss Schoggigesetz abschaffen muss. Um die Wertschöpfung in der Nahrungsmittelindustrie und in der Landwirtschaft möglichst zu erhalten, beabsichtigt der Bundesrat, auf den gleichen Zeitpunkt die interne Stützung im Agrarbereich in Einklang mit dem internationalen Handelsrecht entsprechend zu erhöhen. Diesbezügliche Abklärungen finden in engem Kontakt mit den Branchen statt. Diese sind aufgefordert, Lösungen zu finden, damit der Nahrungsmittelindustrie weiterhin inländische Rohstoffe zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen.

69

AS 2015 1173

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5.2

Technische Handelshemmnisse

Die Schweiz setzte den Abbau technischer Handelshemmnisse insbesondere mit der EU und mit China fort. Das Abkommen Schweiz­EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen beziehungsweise das FHA Schweiz­ China bilden die Grundlage dieser Arbeiten.

In den WTO-Ausschüssen über die technischen Handelshemmnisse und über die sanitarischen und phytosanitarischen Massnahmen sprach sich die Schweiz für weniger handelsverzerrende Produktvorschriften aus. Im Vordergrund standen Zutatenkennzeichnungen von Lebensmitteln und Tests von elektronischen Produkten. Weiter forderte die Schweiz eine bessere internationale Koordination unter Regulierungsbehörden vor dem Erlass nationaler Vorschriften.

5.2.1

Abbau technischer Handelshemmnisse

Aktualisierung des Abkommens Schweiz ­ EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen Das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement, MRA; Bestandteil der Bilateralen I) beseitigt technische Handelshemmnisse bei der Vermarktung vieler Industrieprodukte. Das MRA umfasst 20 Produktsektoren (Maschinen, Medizinprodukte, Automobilbestandteile, elektrische Geräte, Aufzüge, Biozidprodukte, Bauprodukte, etc.) und deckt wertmässig mehr als einen Viertel aller Exporte der Schweiz in die EU ab (29 Mrd. CHF, Schätzung des SECO, 2014).

Um der Weiterentwicklung des nationalen Rechts der Vertragsparteien Rechnung zu tragen, wird das MRA regelmässig aktualisiert. So wurden im April die MRABestimmungen für Bau- und Biozidprodukte revidiert. Dank dieser Anpassungen haben Schweizer Bauprodukte, welche die Schweizer Anforderungen einhalten, ohne weitere Auflagen Zugang zum EU-Markt. Doppelte Konformitätsbewertungen (Zertifizierung, Leistungserklärung, Tests) für diese Produkte entfallen. Zudem wurden elf Schweizer Konformitätsbewertungsstellen im Bauproduktebereich anerkannt, womit sie in der Schweiz wie auch in der EU tätig sein können. Ebenfalls aktualisiert wurden die Bestimmungen des MRA für Biozidprodukte. Diese Bestimmungen regeln neu auch die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und den verantwortlichen Schweizer Behörden. Dadurch werden Zulassungsverfahren für Biozidprodukte in der Schweiz und in der EU weiter vereinfacht und beschleunigt. Schweizer Firmen müssen beispielsweise nur noch ein elektronisches Zulassungsdossier im europäischen Produktregister einreichen, um eine Zulassung in der Schweiz und in den EU-Mitgliedsstaaten zu beantragen. Zudem profitieren die Schweizer Behörden von einem besseren Informationsaustausch.

Angesichts der Anpassung verschiedener EU-Richtlinien an den neuen Rechtsrahmen der EU für die Vermarktung von Produkten auf dem Binnenmarkt sollen An-

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fang 2016 weitere sektorspezifische Bestimmungen des MRA aktualisiert werden.

Durch die geplante Aktualisierung des MRA wird angestrebt, dass für den Export von Industrieprodukten in die EU eine Schweizer Herstelleradresse auf der Verpackung genügt. Gemäss neuem Rechtsrahmen der EU muss ab April 2016 bei Importen bestimmter Produkte (z. B. elektrische Geräte) aus Drittstaaten zusätzlich die Adresse eines in der EU ansässigen Importeurs angegeben werden.

Die regelmässigen Aktualisierungen, welche für das gute Funktionieren des MRA notwendig sind, gestalten sich zum Teil schwierig. Die technischen Vorschriften ändern sich zusehends schneller, um mit dem technischen Fortschritt Schritt zu halten. Folglich kann das Kernelement des Abkommens, die permanente Gleichwertigkeit zwischen den Schweizer und den EU-Vorschriften, nicht immer gewährleistet werden. Zudem kann es aufgrund der in der Praxis meist nur einmal jährlich stattfindenden Anpassung des MRA zu weiteren Verzögerungen kommen. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit beeinträchtigt die wirtschaftliche Tätigkeit in den betroffenen Sektoren. Die Schweiz prüft deshalb, inwiefern die Verfahren vereinfacht werden können.

«Cassis-de-Dijon-Prinzip» 2010 führte die Schweiz das «Cassis-de-Dijon-Prinzip» (CdD) auf autonomer Basis ein. Dadurch können bestimmte Produkte, die in der EU oder in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR rechtmässig in Verkehr sind, grundsätzlich ohne zusätzliche Auflagen auch in der Schweiz in Verkehr gebracht werden. Das CdD ist als Massnahme gegen die «Hochpreisinsel» Schweiz Teil der Bestrebungen des Bundesrats, den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt Schweiz zu stärken.

Für Lebensmittel besteht eine Sonderregelung. Um unter dem CdD in der Schweiz verkauft werden zu können, müssen Lebensmittel vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen bewilligt werden. Die parlamentarische Initiative 10.538 «Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse. Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen» verlangte darüber hinaus, dass Lebensmittel vom Geltungsbereich des CdD gänzlich ausgenommen werden. Nach einer Vernehmlassung und den Beratungen in den Räten sowie einer erfolglosen Differenzbereinigung wurde die Initiative abgelehnt. Im Gegenzug hat der Bundesrat, wie in den Beratungen in Aussicht gestellt, eine
Verordnungsrevision eingeleitet, um eine spezielle Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel einzuführen, die in der Schweiz für den Schweizer Markt nach ausländischen Vorschriften hergestellt werden.

Behördenzusammenarbeit Schweiz ­ China Das FHA Schweiz­China sieht unter anderem eine vertiefte Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden der Vertragsparteien vor. Im Berichtsjahr fand in diesem Zusammenhang ein Seminar über chinesische Akkreditierungs- und Zertifizierungsanforderungen statt. Weiter ermöglichte die Behördenzusammenarbeit Fortschritte in Bezug auf die gegenseitige Anerkennung von Prüfergebnissen von Messmitteln und bezüglich Schweizer Anliegen im Lebensmittelbereich (z. B. Marktzugang für Babynahrung oder Fleisch). Weitere Kontakte fanden in Bezug auf andere Produktsektoren statt, in denen trotz den Zollsenkungen des FHA aufgrund technischer Vorschriften und Prüferfordernisse weiterhin erhebliche Handelshemmnisse bestehen.

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Um den bilateralen Austausch in gesundheitsrelevanten Bereichen zu fördern, schlossen die Schweiz und China am 21. Januar ein Abkommen zur vertieften Behördenzusammenarbeit in den Bereichen Lebensmittel, Arzneimittel, Medizinprodukte und Kosmetika ab. Am 16. Juni fand ein erstes Treffen zur Implementierung dieses Abkommens statt.

5.2.2

Multilateraler Abbau von technischen Handelshemmnissen

Die WTO-Ausschüsse über die technischen Handelshemmnisse (TBT) und über die sanitarischen und phytosanitarischen Massnahmen (SPS) ermöglichen der Schweiz, nicht-tarifäre Handelshemmnisse insbesondere mit Ländern zu thematisieren, mit denen sie über kein präferenzielles Abkommen, wie zum Beispiel ein Freihandelsabkommen, verfügt.

Nationale Entwürfe über Vorschriften zur Zutatenkennzeichnung von Lebensmitteln prägten im Berichtsjahr die Diskussionen im WTO TBT Komitee. Die Schweiz unterbreitete dem Komitee Vorschläge zur besseren Koordination unter den nationalen Regulierungsbehörden, um neue Handelshemmnisse aufgrund divergierender Vorschriften möglichst zu vermeiden. Zudem setzte sich die Schweiz für die Anerkennung von Testergebnissen im Rahmen nationaler Konformitätsbewertungsverfahren elektronischer Produkte sowie für ein effizienteres elektronisches WTO-Informationssystem ein. Letzteres würde es Schweizer Firmen erleichtern, Informationen über ausländische Gesetzgebungsprojekte zu erhalten, die Auswirkungen auf ihre Exporte haben könnten.

Im SPS Komitee wurde im Berichtsjahr unter anderem die Relevanz von privaten Labels diskutiert (zum Beispiel Forest Stewardship Council, FSC). Einige WTOMitglieder sehen in privaten Labels eine Marktzugangsbeschränkung, da ihre Produzenten die Anforderungen unterschiedlicher privater Labels nur schwer erfüllen können. Private Labels sind jedoch keine staatlichen Massnahmen. Folglich vertritt die Schweiz die Position, dass private Labels nicht Gegenstand von Diskussionen und Streitfällen im Rahmen der WTO sein sollten. Daneben engagierte sich die Schweiz im SPS Komitee insbesondere für die Anwendung internationaler Normen für Rindfleischprodukte, um den internationalen Handel mit diesen Produkten zu erleichtern.

892

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5.3

Dienstleistungen

Im Rahmen der WTO trug die Schweiz dazu bei, die Teilnahme der am wenigsten entwickelten Länder am internationalen Handel mit Dienstleistungen zu erleichtern. Zu diesem Zweck nutzte die Schweiz wie andere WTO-Mitglieder die Möglichkeit, von der Meistbegünstigungspflicht des GATS abzuweichen, um diesen Ländern gezielt Marktzugangs- und Inländerbehandlungsverpflichtungen zu gewähren.

Die Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TISA) wurden weitergeführt.

Auch im Rahmen der laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen (FHA) der EFTA-Staaten mit Georgien, Malaysia, den Philippinen, Vietnam und der Türkei (Ergänzung des bestehenden FHA) setzte sich die Schweiz für Erleichterungen des Dienstleistungshandels ein.

Ein wichtiges Ziel der Doha-Runde der WTO ist die Erleichterung der Teilnahme der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDC) am internationalen Handel mit Dienstleistungen. Anlässlich der achten WTO-Ministerkonferenz im Jahr 2011 wurde diese Absicht durch einen Beschluss konkretisiert, wonach die WTO-Mitglieder zu Gunsten von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern aus LDC von der Meistbegünstigungspflicht (MFN) des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)70 abweichen können.

Im Berichtsjahr wurden über 20 Notifikationen, darunter jene der Schweiz, hinterlegt. Diese Notifikationen enthalten insbesondere die spezifischen Verpflichtungen für Marktzugang und Inländerbehandlung zugunsten der LDC. Diese Zugeständnisse werden autonom und einseitig gewährt und gelten grundsätzlich 15 Jahre. Sie können jedoch jederzeit geändert werden. Der Rat für den Handel mit Dienstleistungen der WTO hat die Notifikationen am 2. November genehmigt, womit diese Zugeständnisse ­ zusätzlich zu den Verpflichtungen, die gemäss dem GATS für alle WTO-Mitglieder gelten ­ durch die LDC genutzt werden können.

Die Notifikation der Schweiz gilt für jene LDC, die von der UNO als solche klassifiziert und die gleichzeitig Mitglied der WTO sind. Die Schweiz gewährt diesen Ländern Marktzugangs- und Inländerbehandlungszugeständnisse, die sich im Rahmen der spezifischen Verpflichtungen der Schweiz im Freihandelsabkommen der EFTA-Staaten mit den zentralamerikanischen Staaten (Costa Rica und Panama)
vom 24. Juni 201371 bewegen. Hinsichtlich Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen macht die Schweiz von der Möglichkeit, von der Meistbegünstigung abzuweichen, nicht Gebrauch. Die Schweiz wird jedoch im SECO eine Kontaktstelle bezeichnen, die den Dienstleistungserbringern der LDC den Zugang zu Informationen über die in der Schweiz geltenden Regulierungen für die Einreise und den vorübergehenden Aufenthalt von natürlichen Personen und die Erwerbstätigkeit erleichtern soll.

70 71

SR 0.632.20, Anhang 1B SR 0.632.312.851

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Am Rand der WTO in Genf setzten rund 20 Länder die Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TISA) fort72. Die Teilnahme an diesen Verhandlungen stellt für die Schweiz eine Chance dar, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Dienstleistungserbringer und die Rechtssicherheit für deren internationale Tätigkeit zu stärken. Im Berichtsjahr fanden fünf Verhandlungsrunden statt. Prioritär behandelt wurden u. a. die Themen innerstaatliche Regelungen (z. B. Verhältnismässigkeit der Zulassungsverfahren und Transparenz), Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen, Finanz- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie elektronischer Handel. Diese Priorisierung kommt den Interessen der Schweiz entgegen.

Analog zum GATS gehen die Teilnehmer ihre Verpflichtungen in nationalen Listen ein, in denen sie nationale Vorbehalte für aktuelle und zukünftige Massnahmen anbringen können. Die Schweiz machte in ihrer Offerte unter anderem in den Bereichen Energie, öffentliche Bildung, Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr und Post davon Gebrauch.

Auf bilateraler Ebene schritten die Arbeiten über den Handel mit Dienstleistungen im Rahmen der Aushandlung neuer FHA durch die EFTA-Staaten (vgl. Ziff. 4.1.1) unterschiedlich schnell voran. Je nach Verhandlungspartner ist mit unterschiedlichen Ergebnissen zu rechnen. Basierend auf dem GATS verfolgt die Schweiz das Ziel, die Regeln und die Marktzugangsverpflichtungen im Vergleich zum GATS zu verbessern. Mit Georgien wurde für das Kapitel zum Dienstleistungshandel eine vorläufige Einigung erzielt. Die Verhandlungen mit Malaysia und mit den Philippinen sowie jene mit Vietnam wurden fortgesetzt. Mit Blick auf die Erweiterung des FHA mit der Türkei (vgl. Ziff. 4.1.2) streben die Parteien die Vereinbarung eines Kapitels über den Dienstleistungshandel sowie gegenüber dem GATS verbesserte Marktzugangsverpflichtungen an.

72

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Australien, Chile, Costa Rica, Europäische Union, Hongkong, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Liechtenstein, Mauritius, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Peru, Schweiz, Südkorea, Taiwan, Türkei und USA (Stand Ende 2015).

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5.4

Investitionen und multinationale Unternehmen

Im April verabschiedete der Bundesrat ein Positionspapier zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR).

Mit dem CSR-Positionspapier werden Unternehmen und deren Anspruchsgruppen über die Ziele und Erwartungen des Bundes in Bezug auf CSR informiert.

Gleichzeitig enthält das Positionspapier einen Aktionsplan, der einen Überblick über aktuelle und zukünftige CSR-Aktivitäten der Bundesstellen gibt.

Beim Nationalen Kontaktpunkt der Schweiz (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen wurden im Berichtsjahr drei Eingaben eingereicht.

Um den nationalen und internationalen Diskussionen Rechnung zu tragen, überprüft das SECO gemeinsam mit anderen Bundesstellen die Vertragspraxis bei bilateralen Investitionsschutzabkommen (ISA).

5.4.1

Investitionen

Das OECD-Investitionskomitee überarbeitete das Policy Framework for Investment aus dem Jahr 2006. Dieses Rahmenwerk der OECD dient zur Analyse der Investitionspolitiken von Entwicklungs- und Transitionsländern. Es trägt in seiner revidierten Form unter anderem ökologischen Gesichtspunkten und Fragen der Infrastrukturfinanzierung noch mehr Rechnung als bisher. Der OECD-Ministerrat verabschiedete im Juni die Empfehlung, dass das Policy Framework for Investment von den OECD-Staaten auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit als Referenz verwendet werden soll.

Verschiedene internationale Gremien (UNCTAD, OECD, ICSID, UNICTRAL usw.)

führten im Berichtsjahr ihre Arbeiten im Zusammenhang mit Investitionsabkommen (ISA) weiter. Die UNCTAD war Gastgeberin einer Expertenkonferenz zum Reformbedarf bei Investitionsabkommen. Im OECD-Investitionskomitee wurden insbesondere analytische Arbeiten über Ziel und Wirkung von ISA vertieft und anlässlich einer öffentlichen Konferenz mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Interessengruppen diskutiert. An beiden Konferenzen wurde Handlungsbedarf bei den Schutzstandards und den Verfahren zur Beilegung von InvestorStaat-Streitigkeiten festgestellt.

Um den jüngsten Entwicklungen im Bereich des Investitionsschutzes einschliesslich den oben erwähnten Arbeiten und Expertendiskussionen in den internationalen Gremien Rechnung zu tragen, überprüft eine vom SECO geleitete interdepartementale Arbeitsgruppe die Vertragspraxis der Schweiz im Zusammenhang mit den ISA.

Die Überprüfung erfolgt im Rahmen der kontinuierlichen Weiterentwicklung der ISA-Vertragspraxis der Schweiz. Der Schwerpunkt liegt auf den Schutzstandards sowie den Schiedsverfahren für Investor-Staat-Streitigkeiten. Im Rahmen dieser Arbeiten sollen neue Bestimmungen erarbeitet werden, die die Schweiz im Rahmen von laufenden und künftigen ISA-Verhandlungen einbringen wird. Der Abschluss der Überprüfung ist für das erste Quartal 2016 geplant.

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Die vor ein paar Jahren mit Angola, Indonesien und Russland aufgenommenen Verhandlungen zur Revision bestehender bzw. zum Abschluss neuer ISA konnten nicht fortgesetzt werden, da die drei Länder ihre Vertragspraxis derzeit ebenfalls überprüfen. Indonesien kündigte - wie es dies seit 2014 mit anderen ISA getan hatte - im September 2015 auch das 1974 mit der Schweiz abgeschlossene ISA. Nach Konsultation der Aussenpolitischen Kommissionen wird der Bundesrat voraussichtlich im Frühjahr 2016 ein Verhandlungsmandat zur Revision des seit 1978 bestehenden ISA zwischen der Schweiz und Malaysia verabschieden.

5.4.2

Korruptionsbekämpfung

Die Schweiz war 2014 im Rahmen der Umsetzung der OECD-Antikorruptionskonvention73 von der zuständigen OECD-Arbeitsgruppe überprüft worden (Länderexamen Phase 3). Im Berichtsjahr führte die Schweiz die Umsetzung der aus der Überprüfung resultierenden Empfehlungen fort. So unternahm das SECO weitere Aktivitäten zur Sensibilisierung international tätiger KMU für Korruptionsrisiken im Auslandgeschäft. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Schweiz­Afrika beteiligte sich das SECO beispielsweise im September an einer entsprechenden Informationsveranstaltung der Universität Luzern.

Am informellen OECD-Ministertreffen zur OECD-Antikorruptionskonvention im März 2016 soll die vierte Phase der Länderexamen lanciert werden. Die Schweiz wird im Rahmen ihres nächsten Länderexamens, das frühestens Ende 2016 beginnen wird, über die Umsetzung der noch nicht oder erst teilweise erfüllten Empfehlungen der letzten Überprüfung berichten. Ein weiterer Schwerpunkt wird die nationale Strafverfolgung in Fällen der Bestechung ausländischer Amtsträger bilden.

5.4.3

Verantwortungsvolle Unternehmensführung

Der Bundesrat veröffentlichte im April ein Positionspapier zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR)74. Dieses informiert Unternehmen und deren Anspruchsgruppen über die Ziele und Erwartungen des Bundesrats in Bezug auf CSR und vermittelt in Form eines Aktionsplans einen Überblick über aktuelle und künftige CSR-Aktivitäten der Bundesstellen. Das Papier legt für die Aktivitäten des Bundes folgende vier strategische Stossrichtungen fest: Mitgestaltung der CSR-Rahmenbedingungen in internationalen Organisationen, Sensibilisieren und Unterstützen von Unternehmen bei der Wahrnehmung der CSR, Förderung der CSR in Entwicklungs- und Transitionsländern, Förderung der Transparenz zu CSR-Themen. Der Aktionsplan enthält für jede der vier strategischen Stossrichtungen konkrete Massnahmen der verschiedenen Bundesstellen. Die Umsetzung und Weiterentwicklung des Aktionsplans erfolgt unter Federführung des 73 74

896

OECD-Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (SR 0.311.21).

www.seco.admin.ch > Themen > Spezialthemen > Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen.

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SECO in Zusammenarbeit mit den für die verschiedenen Aktivitäten zuständigen Bundesstellen und unter Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern der interessierten Wirtschafts- und Nichtregierungsorganisationen. 2017 wird das SECO dem Bundesrat über den Stand der Umsetzung berichten.

Der Beirat des Nationalen Kontaktpunkts (NKP)75 führte die Beratung des NKP bei der strategischen Ausrichtung und bei der Anwendung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen fort. An zwei Sitzungen befasste sich der Beirat insbesondere mit der Frage der Anwendbarkeit der OECD-Leitsätze auf internationale Sportverbände und -anlässe sowie mit den konkreten Erfahrungen bei NKPEingaben in Bezug auf die Anwendung des Menschenrechtskapitels der OECDLeitsätze. Weiter erörterte der Beirat das neue Format der OECD für die Peer Review der NKP. Die Peer Reviews sind insbesondere im Hinblick auf einheitliche Verfahren der NKP von grosser Bedeutung. Die Schweiz fördert deshalb den Peer Review Prozess der OECD mit einem finanziellen Beitrag. Der Schweizer NKP wirkt auf operationeller Ebene an Peer Reviews mit. So war die Schweiz im Berichtsjahr Co-Examinatorin bei der Peer Review des belgischen NKP und wird ihren eigenen NKP in der zweiten Hälfte 2016 einer solchen Überprüfung unterziehen. Im Berichtsjahr erhielt der Schweizer NKP drei neue Eingaben.

Die OECD-Arbeitsgruppe zur verantwortungsvollen Unternehmensführung genehmigte im Berichtsjahr mit dem Leitfaden für verantwortungsvolle Lieferketten im Agrarbereich (FAO-OECD Guidance for Responsible Agricultural Supply Chains) und der Due Diligence Guidance for Meaningful Stakeholder Engagement in the Extractive Sector zwei neue sektorspezifische Richtlinien, die die Unternehmen bei der Anwendung der OECD-Leitsätze in den entsprechenden Bereichen unterstützen.

Zudem führte die Arbeitsgruppe die Erarbeitung eines Leitfadens für das verantwortungsvolle Unternehmensverhalten im Finanzsektor weiter.

5.5

Nachhaltigkeit, Rohstoffe, Klima- und Energiepolitik

5.5.1

Förderung und Umsetzung des Ziels der nachhaltigen Entwicklung in der Aussenwirtschaftspolitik

Im Rahmen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik setzt sich der Bundesrat dafür ein, dass für Schweizer Unternehmen der Marktzugang im Ausland und der Schutz ihrer Investitionen verbessert werden. Die Umsetzung dieser Politik soll sowohl in der Schweiz wie auch in den Partnerländern ein nachhaltiges und dauerhaftes Wachstum ermöglichen. Zu diesem Zweck setzt der Bundesrat in den Aussenbeziehungen verschiedene Instrumente ein und trifft Massnahmen auch auf nationaler Ebene.

75

www.seco.admin.ch > Themen > Aussenwirtschaft > OECD > Nationaler Kontaktpunkt der Schweiz.

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Das Hauptziel der Aussenwirtschaftspolitik besteht darin, für Schweizer Unternehmen den Marktzugang im Ausland und den Schutz ihrer internationalen Investitionen zu verbessern. Der Bundesrat strebt bei der Umsetzung der Aussenwirtschaftspolitik eine Win-Win-Situation an, welche sowohl in der Schweiz wie auch in den Partnerländern ein nachhaltiges Wachstum ermöglichen soll. Auch wenn die Instrumente der Handels- und Investitionspolitik in erster Linie wirtschaftliche Ziele verfolgen, berücksichtigen sie ebenfalls Aspekte der ökologischen Verantwortung und der sozialen Solidarität. Auch die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit ist auf das Ziel der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet. Diverse institutionelle Mechanismen und interdepartementale Plattformen tragen dazu bei, dass die verschiedenen Instrumente und Politiken über die unterschiedlichen Handlungsebenen hinweg kohärent und koordiniert eingesetzt werden (vgl. Ziff. 6.1.2). Inhaltlich orientiert sich der Bundesrat an Standards und Instrumenten, die in internationalen Organisationen und Plattformen entwickelt werden. Zu erwähnen sind hier unter anderem die OECD, die Weltbank, die regionalen Entwicklungsbanken, die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO), die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) sowie die multilateralen Umweltabkommen (vgl. Ziff. 2.1).

Multilaterale Initiativen Mit Blick auf die Zusammenarbeit in internationalen Gremien stellte die Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung Ende September das bedeutendste Ereignis im Berichtsjahr dar (vgl. Ziff. 6.1.1). Dieser Aktionsplan legt die weltweit geltenden Prioritäten im Bereich der nachhaltigen Entwicklung für die nächsten 15 Jahre fest. Er umfasst 17 Ziele, darunter die Förderung eines dauerhaften, inklusiven und nachhaltigen Wachstums (Shared Prosperity) sowie nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster und menschenwürdiger Arbeit für alle. Die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 und die relevanten Sektorstrategien werden einen Beitrag zur Umsetzung durch die Schweiz leisten.

Ferner fand dieses Jahr bei der WTO die fünfte Überprüfung der handelsrelevanten Entwicklungszusammenarbeit
statt (Global Review of Aid for Trade). Dieser alle zwei Jahre stattfindende Prozess bietet eine wichtige Plattform, um Chancen und Herausforderungen der Integration von Entwicklungsländern in den Welthandel sowie die Bedeutung der handelsrelevanten Entwicklungszusammenarbeit zu diskutieren. Der diesjährige Anlass widmete sich dem Thema «Reducing Trade Costs for Inclusive Sustainable Growth». Zusammen mit dem International Trade Center (ITC) organisierte die Schweiz im Rahmen der diesjährigen Veranstaltung eine Podiumsdiskussion über Nachhaltigkeitsstandards wie Fair Trade, FSC (Forest Stewardship Council) oder Rainforest Alliance. In Zusammenarbeit mit dem ITC unterstützt die Schweiz weiter ein internetbasiertes Instrument, das landwirtschaftlichen Produzenten in Entwicklungsländern erlaubt, Nachhaltigkeitsstandards besser zu erfüllen und somit mit nachhaltig produzierten Produkten neue Märkte zu erschliessen. Auf der Webseite wurden bereits über 180 Standards aufgenommen und so ein neutraler und stetig wachsender Datenpool mit Nachhaltigkeitsstandards bereitgestellt.

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Bilaterale- und plurilaterale Ebene Die oben erwähnten Punkte der Agenda 2030 setzt die Schweiz unter anderem im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit um. Die Schweiz fördert in den Partnerländern ein wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltiges Wachstum, das Arbeitsplätze schafft, eine höhere Produktivität und eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen begünstigt sowie Armut und Ungleichheiten vermindern hilft. Dies geschieht über die Integration der Partnerländer in die Weltwirtschaft und über die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Binnenwirtschaft.

Zur Realisierung dieses Ziels werden Anstrengungen in verschiedenen Bereichen unternommen, insbesondere zur Förderung eines nachhaltig ausgerichteten Handels, eines klimafreundlichen Wachstums sowie der Entwicklung effizienter staatlicher und privater Institutionen, vorab im Wirtschafts- und Finanzbereich (vgl.

Ziff. 6.1.1).

Die Liberalisierung des Handels durch den Abschluss von Handels- und Investitionsschutzabkommen trägt ebenfalls zu einer nachhaltigen Entwicklung bei, indem die Rechtssicherheit gefördert wird und auf internationaler Ebene rechtsstaatliche Prinzipien gestärkt werden. Diese Abkommen unterstützen die Integration der Partner in das internationale Handelssystem und tragen zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Wohlstand bei, namentlich durch die Unterstützung des Privatsektors und die Förderung des Unternehmertums. Dabei legt der Bundesrat Wert darauf, dass die Wirtschaftsabkommen Bestimmungen enthalten, die die Kohärenz mit anderen Aspekten der nachhaltigen Entwicklung fördern, insbesondere mit Umwelt- und sozialen Aspekten.

Die Schweiz und ihre EFTA-Partner setzen sich aktuell dafür ein, bei der laufenden Aushandlung der FHA mit Vietnam, Malaysia, den Philippinen und Georgien Bestimmungen über Handel und nachhaltige Entwicklung in das jeweilige Abkommen aufzunehmen (vgl. Ziff. 4). Im Berichtsjahr einigte sich die Schweiz zudem mit Albanien und Serbien76 über die Aufnahme entsprechender Bestimmungen in die bestehenden FHA (vgl. Beilage 10.2.1). Die Verhandlungen mit der Türkei über die Ergänzung des bestehenden FHA um ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung sind im Berichtsjahr ebenfalls vorangekommen.

Im Berichtsjahr fand das erste Treffen des Gemischten Ausschusses des
bilateralen FHA zwischen der Schweiz und China statt, welches Nachhaltigkeitsbestimmungen enthält. Zur Vorbereitung dieses Treffens führte das SECO bei den zuständigen Stellen der Bundesverwaltung, den Unternehmen, Dachverbänden und anderen interessierten Organisationen im Rahmen der dafür vorgesehenen Mechanismen (Kommission für Wirtschaftspolitik, Verbindungsgruppe WTO/FHA, eidgenössische Kommission für Angelegenheiten der IAO; vgl. Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, Ziff. 5.5.1) Konsultationen durch. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsbestimmungen des FHA und des Parallelabkommens über die Zusammenarbeit in Arbeits- und Beschäftigungsfragen wurden dabei keine besonderen Fragen aufgeworfen. Bezugnehmend auf das Kapitel «Umweltfragen» im FHA Schweiz­China erörterten die Schweiz und China am erwähnten Treffen 76

Die Botschaft mit Antrag zur Genehmigung der unterzeichneten Änderungsprotokolle findet sich in der Beilage (vgl. Ziff. 10.2.1).

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laufende bilaterale Umweltkooperationsprojekte, insbesondere in den Bereichen grüne Technologien und effiziente Ressourcennutzung (z. B. die kürzlich erfolgte Einrichtung eines chinesisch-schweizerischen Öko-Industrieparks in China). Die Delegationen vereinbarten, bei den in der WTO laufenden plurilateralen Verhandlungen über ein Umweltgüterabkommen (Environmental Goods Agreement, EGA; vgl. Ziff. 2.1) stärker zusammenzuarbeiten. Ausserdem tauschten sie sich über die Vorbereitung des nächsten Treffens der schweizerisch-chinesischen Arbeitsgruppe zur Kooperation im Umweltbereich aus. Hinsichtlich der Arbeitsstandards nahmen die Schweiz und China auf das Abkommen über die Zusammenarbeit in Arbeitsund Beschäftigungsfragen von 2013 Bezug, welches parallel zum FHA abgeschlossen wurde. Sie erörterten die Fortschritte, die bei der Zusammenarbeit in diesem Bereich erreicht wurden, namentlich bezüglich Arbeitsinspektionen. Zudem wurden im Anschluss an eine im März erfolgte tripartite Schweizer Mission in China die Möglichkeiten für eine Ausweitung dieser Kooperation diskutiert, beispielsweise auf Fragen im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen (Sicherheit und Gesundheit), der Arbeitslosenversicherung, der Berufsbildung oder der Sozialpartnerschaft.

Die Schweizer Delegation schlug der chinesischen Delegation vor, die Möglichkeiten für einen Austausch von Erfahrungen und Best Practices im Bereich der Korruptionsprävention auszuloten. Ein solcher Austausch könnte am Rande internationaler Treffen stattfinden (zum Beispiel Arbeitsgruppe des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption, UNCAC) oder im Rahmen der politischen Diskussionen zwischen China und der Schweiz. China stellte in Aussicht, diesen Vorschlag zu prüfen. Ferner thematisierte die Schweiz die Verabschiedung des neuen Staatssicherheitsgesetzes in China sowie dessen mögliche Auswirkungen auf Tätigkeiten der Wirtschaftsakteure und der Zivilgesellschaft. Diese Diskussion soll im Rahmen des bilateralen Menschenrechtsdialogs zwischen der Schweiz und China fortgesetzt werden.

Bei den bilateralen Investitionsschutzabkommen (ISA) entwickelte die Schweiz ihre Vertragspraxis weiter. So enthält das jüngste abgeschlossene Abkommen, das am 17. April in Kraft getretene ISA zwischen der Schweiz und Georgien77, neue Bestimmungen, die dem Aspekt der
Nachhaltigkeit und der Kohärenz mit anderen Politikbereichen (u. a. Umwelt- und Gesundheitspolitik) verstärkt Rechnung tragen.

Ausserdem enthält das ISA einen Verweis auf das neue Transparenzreglement für Investitionsschiedsverfahren der UNO-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL). Dieses wird bei allen gestützt auf das Abkommen allenfalls geführten Investor-Staat-Schiedsverfahren zur Anwendung kommen.

Bei der WTO setzt sich die Schweiz weiterhin für den Abschluss des plurilateralen Umweltgüterabkommens EGA ein. Dieses Abkommen soll zur Erreichung der weltweiten Umweltziele (Klima, umweltfreundliche Wirtschaftstätigkeit, usw.)

sowie zu den Entwicklungs- und Wirtschaftszielen beitragen (vgl. Ziff. 2.1).

Nationale Entwicklungen Auch auf nationaler Ebene setzte sich der Bundesrat für die Nachhaltigkeit ein.

Angesichts der nationalen und internationalen Entwicklungen im Bereich der ver77

900

SR 0.975.236.0

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antwortungsvollen Unternehmensführung veröffentlichte der Bundesrat im April ein Positionspapier zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR; vgl. Ziff. 5.4.3). Ausserdem setzte der Bundesrat die Arbeiten für eine Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte fort, dies in Einklang mit Empfehlung 10 des Grundlagenberichts Rohstoffe (vgl. Ziff. 5.5.2) und zur Erfüllung des Postulats 12.3503 «Eine Ruggie-Strategie für die Schweiz». Diese Arbeiten stützen sich auf eine Bestandesaufnahme der aktuellen Massnahmen der Schweiz zur Umsetzung der UNOLeitprinzipien sowie auf eine Konsultation der Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und der Wissenschaft. Die Umsetzung der verschiedenen Empfehlungen des Grundlagenberichts Rohstoffe vom März 2013 unter der Leitung der betroffenen Departemente (EDA, EFD und WBF; vgl. Ziff.

5.5.2) stellt einen weiteren wichtigen nationalen Prozess dar, mit dem die nachhaltige Entwicklung international gestärkt werden soll.

5.5.2

Rohstoffe

Die Schweiz führte ihr Engagement zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und zur Verringerung der Risiken weiter, die im Zusammenhang mit der hohen Präsenz in der Schweiz von international tätigen Unternehmen im Rohstoffsektor entstehen können. Die zweite Berichterstattung des Bundesrates zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen des Grundlagenberichts Rohstoffe zeigte Fortschritte, insbesondere in den Bereichen Transparenz, Verantwortung der Unternehmen und des Staates sowie der Entwicklungspolitik auf.

Der Rohstoffsektor und insbesondere der Rohstoffhandel sind bedeutende Wirtschaftszweige für die Schweiz. Die weitgehend aus dem Rohstoffhandel stammenden Einnahmen aus dem Transithandel entsprachen gemäss einer Erhebung der SNB 2014 rund 3,9 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts. Der Standortwettbewerb hat sich allerdings verschärft, und es bleibt die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Rahmenbedingungen in der Schweiz, namentlich die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die Unternehmenssteuerreform III und das Erstarken des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro (vgl. Ziff. 1). Die zweite Berichterstattung zum Stand der Umsetzung der 17 Empfehlungen des Grundlagenberichts Rohstoffe78 Ende August zeigte, dass die Umsetzung der Empfehlungen seit der ersten Berichterstattung im März 201479 weiter vorangetrieben wurde. Insbesondere wurden Fortschritte in den Bereichen Transparenz, Verantwortung der Unternehmen und des Staates sowie Entwicklungspolitik erzielt. Die interdepartementale Plattform Rohstoffe wurde vom Bundesrat beauftragt, bis Ende 2016 erneut über den Stand der Umsetzung der Empfehlungen zu berichten.

78 79

Vgl. Medienmitteilung «Grundlagenbericht Rohstoffe: Umsetzung der Empfehlungen auf Gutem Weg» vom 19. August 2015 (www.news.admin.ch > Dokumentation).

Vgl. Medienmitteilung «Grundlagenbericht Rohstoffe: Umsetzung der Empfehlungen auf Kurs» vom 26. März 2014 (www.news.admin.ch > Dokumentation).

901

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Gestützt auf die Empfehlungen 7 und 8 will der Bundesrat die Transparenz bezüglich Zahlungen von Rohstoffunternehmen an Regierungen fördern. Zu diesem Zweck legte er im Rahmen der Aktienrechtsrevision eine Vernehmlassungsvorlage vor, welche sich an den laufenden Gesetzesanpassungen in den EU-Staaten und in den USA sowie am internationalen Transparenzstandard der Extractive Industry Transparency Initiative (EITI) orientiert. Das Treffen des Steuerungsausschusses der EITI, welches auf Einladung der Schweiz im Oktober in Bern stattfand, fokussierte auf das Thema der Transparenz im Rohstoffhandel. Mit dem Symposium konnte der Grundstein gelegt werden, wie die Frage des Einbezugs des Rohstoffhandels in den EITI Transparenzstandard im Rahmen einer gemischten Arbeitsgruppe mit aktiver Beteiligung der Schweiz zielgerichtet weiterverfolgt werden kann. Im Rahmen des Treffens unterzeichnete die Schweiz ein Abkommen mit der Weltbank zur Mitfinanzierung eines Fonds80, welcher Reformen im Rohstoffsektor von Entwicklungsländern entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie die Umsetzung der EITI fördern soll. Ausserdem unterstützte die Schweiz die Bemühungen der EITI, weitere Länder zur Umsetzung des freiwilligen Transparenz-Standards zu bewegen. So wurde das Thema systematisch an Treffen mit Regierungen von rohstofffördernden Entwicklungsländern aufgenommen.

Die Schweiz beteiligte sich anlässlich des zweimal jährlich stattfindenden Treffens des Mehrparteienforums weiterhin an der Umsetzung des OECD-Leitfadens zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten mit Edelmetallen aus Konfliktgebieten. Im Berichtsjahr wurden Fortschritte bei der weltweiten Umsetzung des Leitfadens erreicht.

Dieser stösst in OECD-Mitgliedstaaten und auch bei Nichtmitgliedern wie China, Dubai und Kolumbien auf grosses Interesse. Er dient als Ansatzpunkt zur Umsetzung nationaler und regionaler Programme, so auch für einen Vorschlag der EUKommission zur Selbstzertifizierung der Importeure.

Dank der 2013 lancierten Better Gold Initiative wurde ein Markt für nachhaltig produziertes Gold aus kleinen peruanischen Minen geschaffen. Im Berichtsjahr wurden zwischen 100 und 200 kg Gold aus zertifizierten Minen in die Schweiz importiert und zu einem fairen Preis vertrieben. Dieser schloss insbesondere eine Zusatzprämie zur Förderung der guten Unternehmensführung
in Minen ein. Eine Mitte Jahr abgeschlossene Evaluation bestätigt die positiven Auswirkungen der Initiative. Daher bereitete die Bundesverwaltung eine zweite Phase vor, um die Initiative in Peru weiterzuführen und sie ab 2016 voraussichtlich auf Bolivien und Kolumbien auszuweiten. Ausserdem unterzeichnete die Schweiz im Berichtsjahr den Vertrag zur Unterstützung des Responsible Mining Index, welcher ab 2017 die Tätigkeit der grössten Bergbauunternehmen in Bezug auf die Themen Wirtschaft, Umwelt, Soziales und Unternehmensführung messen und klassifizieren soll81. Damit bietet er für die Bergbauindustrie einen Anreiz zur Förderung einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Tätigkeit. Des Weiteren hiess der Bundesrat im Februar die Publikation der historischen Statistiken zur Ein- und Ausfuhr von Gold, Silber und Münzen der Jahre 1982 bis 2013 gut.

80 81

902

Vgl. Medienmitteilung «Bundesrat Schneider-Ammann unterzeichnet Abkommen für Transparenz>» vom 21. Oktober 2015 (www.news.admin.ch > Dokumentation).

Vgl. http://responsibleminingindex.org.

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Das im April durch den Bundesrat veröffentlichte Positionspapier samt Aktionsplan zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (vgl. Ziff. 5.4.3) schliesst den Rohstoffsektor ein. Im Rahmen der Empfehlung 11 des Grundlagenberichts Rohstoffe, welche eine Anleitung im Bereich Corporate Social Responsibility für den Rohstoffhandel vorsieht, bereitete die Bundesverwaltung in Absprache mit Nichtregierungsorganisationen und Rohstoffhandelsunternehmen ein Pflichtenheft für die Ausarbeitung einer Anleitung zur Umsetzung der UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte für Rohstoffhandelsunternehmen vor. Das mit der Ausarbeitung der Anleitung beauftragte Institute for Human Rights and Business in London erstellte eine Übersicht («Mapping») des Sektors und seiner spezifischen Herausforderungen bei der Respektierung der Menschenrechte. Darauf aufbauend wird 2016 die Anleitung für Rohstoffhandelsfirmen ausgearbeitet, die u. a. konkrete Empfehlungen zur Sorgfaltspflicht im Bereich Menschenrechte und zur Berichterstattung enthalten soll. Die Arbeiten werden von einer Arbeitsgruppe mit Vertretern des Bundes, der NGO und der Rohstoffhandelsunternehmen begleitet.

Im Rahmen des World Resources Forum 2015 in Davos fand im Anschluss an das reguläre Treffen des UNEP International Resources Panel (IRP)82 ein durch die Schweiz unterstützter Workshop statt, an dem die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen für die Gouvernanz im Bereich der natürlichen Ressourcen diskutiert wurde. Ausserdem erarbeitete die Bundesverwaltung mit Unterstützung externer Experten eine Markt- sowie eine Relevanzanalyse zu einigen in der Schweiz verwendeten biotischen Rohstoffen wie Soja, Kakao, Kaffee, Fisch, Palmöl, Torf, Sonnenblumenöl, Baumwolle und Baumwolltextilien und prüfte eine Methode zum Vergleich und zur Bewertung von Nachhaltigkeitsstandards.

Des Weiteren erzielte der Internationale Währungsfonds (IWF) im von der Schweiz mitfinanzierten Programm Topical Trust Fund on Managing Natural Resource Wealth gute Fortschritte. So wurde beispielsweise in Mosambik die Gesetzgebung, welche die Förderung von Rohstoffen regelt, vollständig überarbeitet und gestrafft, die Steuerverwaltung neu organisiert, die Besteuerung von Rohstofffirmen besser geregelt und die Finanzverwaltung unterstützt, damit Einnahmen besser prognostiziert
und fiskalische Risiken früher festgestellt werden können. Im Rahmen des Programms arbeitet der IWF mit EITI an einer internationalen Klassifizierung zur Erfassung von Einnahmen aus dem Rohstoffsektor. Diese soll künftig in EITIBerichten und im Government Finance Statistics Manual 201483 des internationalen Standards für Finanzstatistiken verwendet werden. Ausserdem unterstützt die Schweiz mittels der neuen Partnerschaft mit der Collaborative Africa Budget Reform Initiative84 und der laufenden Zusammenarbeit mit dem African Tax Administration Forum85 (ATAF) die Stärkung der Kapazitäten im öffentlichen Finanzwesen zur effizienteren Verwendung von Einnahmen aus den rohstofffördernden Sektoren in afrikanischen Ländern und fördert den Wissensaustausch und Dialog zwischen Steuerverwaltungen in Afrika. Dadurch sollen die Steuererhebung auf dem gesamten Kontinent verbessert und der Steuerbetrug sowie die Steuerhinterziehung bekämpft 82 83 84 85

Vgl. www.unep.org/resourcepanel.

Vgl. www.imf.org/external/np/sta/gfsm.

Vgl. www.cabri-sbo.org.

Vgl. www.ataftax.org/en/Pages/default.aspx.

903

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werden. In der Berichtsperiode konzentrierte sich ATAF vor allem auf die Bekämpfung der missbräuchlichen Verrechnungspreise (Transfer-Mispricing), insbesondere im Rohstoffsektor, sowie auf die Evaluation von Steueranreizen, welche die Steuerbasis erodieren können.

5.5.3

Klima und Energie

An der Klimakonferenz in Paris wurde ein neues, alle Länder umfassendes Klimaabkommen für die Zeit nach 2020 verabschiedet. Weiter unterzeichnete die Schweiz im Berichtsjahr verschiedene internationale Erklärungen zur Erhöhung der Sicherheit der Energieversorgung. Im Rahmen verschiedener Wirtschaftsmissionen ins Ausland wurden Schweizer Technologien gefördert.

Klima An der Klimakonferenz in Paris einigten sich die Vertragsparteien der UNO-Klimarahmenkonvention auf ein neues Klimaabkommen für die Zeit nach 2020. Das neue Abkommen hat zum Ziel, die durchschnittliche globale Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Angestrebt wird ein maximaler globaler Temperaturanstieg von 1.5 Grad Celsius. Das neue Abkommen bindet erstmals alle Staaten gleichermassen in die Verringerung der Treibhausgasemissionen ein, wobei den spezifischen Bedürfnissen und Möglichkeiten der ärmsten Länder Rechnung getragen wird. Bei der Bereitstellung und Förderung von öffentlichen und privaten Finanzmitteln für Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen wird von den Industrieländern eine Vorreiterrolle verlangt.

Gleichzeitig werden aber erstmals alle Länder zur Förderung von klimafreundlichen Investitionen angehalten. Ebenfalls erstmals werden auch Nicht-Industrieländer eingeladen, Entwicklungsländer bei der Bewältigung des Klimawandels finanziell zu unterstützen. Damit wird auf die bisherige Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, die schon länger nicht mehr zeitgemäss war, weitgehend verzichtet. Tatsächlich emittieren die aufstrebenden Entwicklungsländer schon heute jährlich mehr als die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen. Weiter schafft das Klimaabkommen von Paris die Grundlage für wirksame, national definierte Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sowie ein System für die Überwachung und die Berichterstattung über die eingegangenen Verpflichtungen. Allerdings reicht die Summe der derzeit angekündigten Reduktionsziele für die Zeit nach 2020 (Intended Nationally Determined Contribution, INDC) nicht aus, um die Erderwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius zu beschränken. Das neue Klimaabkommen sieht deshalb vor, dass die Emissionsanstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft alle fünf Jahre überprüft und mindestens alle zehn Jahre
gesteigert werden.

Rund 150 Staaten, darunter alle grossen Emittenten, reichten ihre vorgesehenen Reduktionsziele für die Zeit nach 2020 ein. Die Schweiz gab im Februar 2015 als erstes Land ihr beabsichtigtes Reduktionsziel bekannt. Dieses orientiert sich an den 904

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Empfehlungen des Weltklimarats (IPCC) und sieht, unter teilweiser Anrechnung von ausländischen Emissionsreduktionen, eine Verminderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 1990 vor. Mit der Ratifikation des Pariser Abkommens durch die eidgenössischen Räte wird dieses Ziel verbindlich.

Zur Umsetzung des Reduktionsziels der Schweiz muss das CO2-Gesetz revidiert werden. Ein entsprechender Entwurf, der sich an den internationalen Verpflichtungen der Schweiz orientiert, geht in der zweiten Jahreshälfte 2016 in die Vernehmlassung.

Bis 2020 strebt die Schweiz im Rahmen der zweiten Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll (2013­2020) eine Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen um mindestens 20 Prozent gegenüber 1990 an. Im August 2015 ratifizierte sie die entsprechende Änderung des Kyoto-Protokolls.

Energie Anlässlich eines informellen Energieministerteffens der EU unterzeichnete die Schweiz im Juni zwei politische Deklarationen zur verstärkten regionalen Kooperation im Bereich der Elektrizitätsversorgungssicherheit. Eine Deklaration, die von Deutschland initiiert und von 12 Nachbarländern Deutschlands unterzeichnet wurde, betrifft die regionale Zusammenarbeit. Die andere Deklaration bezieht sich auf das «Pentalateral Forum»86, welches die Zusammenarbeit im Bereich des grenzüberschreitenden Elektrizitätsaustausches (regionale Marktintegration) fördern soll und bei dem die Schweiz Beobachterstatus hat.

Die Schweiz unterzeichnete mit 74 anderen Ländern im Mai in Den Haag die International Energy Charter (IEC). Die IEC ist eine unverbindliche Erklärung, die als erster Schritt in Richtung Erweiterung des Vertrags über die Energiecharta87 auf aussereuropäische Länder gesehen wird.

Im Berichtsjahr wurden mehrere Handelsmissionen und internationale politische Treffen durchgeführt. Bundesrätin Doris Leuthard besuchte mit Wirtschaftsdelegationen Südafrika, Singapur, Südkorea und Chile und das Bundesamt für Energie führte eine Mission in Baden-Württemberg und eine Mission von Cleantech Unternehmen in Marokko durch. Die Schweiz nahm im Januar an der jährlichen Messe für neue Energien in Abu Dhabi (World Future Energy Summit) teil und organisierte mit den USA in Zürich im August zum zweiten Mal ein Forum betreffend «Energieinnovation in Gebäuden» mit mehr als 250 teilnehmenden Unternehmen.

86 87

Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Luxemburg.

SR 0.730.0

905

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5.6

Wettbewerbsrecht

Die internationale Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich ist in den internationalen Organisationen und bei den Regierungen nach wie vor ein zentrales Thema. Die Schweiz hat mit der Umsetzung des 2014 in Kraft getretenen Abkommens mit der EU begonnen.

Die OECD revidierte 2014 ihre Empfehlungen von 1995 über die Kooperation im Wettbewerbsbereich und ermutigte die Regierungen, ihre Zusammenarbeit durch den Abschluss von entsprechenden Abkommen zu fördern. Diese sollen insbesondere die Koordination von Untersuchungen der Wettbewerbsbehörden und den Informationsaustausch vorsehen. Vor diesem Hintergrund konzentrieren sich die Arbeiten der Organisation und ihrer Mitglieder auf die Erstellung eines Inventars der Bestimmungen der 15 umfangreichsten Kooperationsabkommen. Fünf der berücksichtigten Abkommen sehen die Möglichkeit vor, unter strengen Auflagen vertrauliche Informationen auszutauschen, darunter auch das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU88. Da kein multilaterales Abkommen vorliegt89, wird das OECD-Inventar ein wertvolles Hilfsmittel für Länder sein, die Kooperationsabkommen oder ein Freihandelsabkommen mit entsprechenden Bestimmungen aushandeln.

Das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Zusammenarbeit bei der Anwendung ihres Wettbewerbsrechts90 ist seit dem 1. Dezember 2014 in Kraft.

Durch die häufigeren Kontakte zwischen der Wettbewerbskommission (WEKO) und der zuständigen EU-Behörde (Generaldirektion «Wettbewerb» der Europäischen Kommission) konnten die beiden Behörden ihr Fachwissen vertiefen, was zu einer wirksamen Anwendung des jeweiligen Wettbewerbsrechts beiträgt. Im Rahmen der Fusion von General Electric (GE) und Alstom erklärte sich die WEKO aufgrund ihrer regelmässigen und engen Kontakte mit der Europäischen Kommission bereit, auf die zweite Phase ihres Verfahrens zu verzichten, sofern sich GE schriftlich dazu verpflichtet, die von der Europäischen Kommission festgelegten Auflagen und Bedingungen auch in der Schweiz zu erfüllen. Damit wurde ein Parallelverfahren vermieden und die WEKO konnte ihren Entscheid zeitgleich mit der Europäischen Kommission fällen, was für die betroffenen Unternehmen die Rechtssicherheit erhöht. Die WEKO eröffnete ferner eine Untersuchung im Bereich des Edelmetallhandels. Da bei den Wettbewerbsbehörden der EU zurzeit ebenfalls eine Untersuchung zu diesem Thema läuft, sind die formellen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch grundsätzlich erfüllt.

88 89

90

906

Australien­Japan (2015), Schweiz­EU (2013), Neuseeland­Australien (2013), Dänemark­Island­Norwegen­Schweden (2001), Australien­USA (1999).

Es existiert nur ein multilaterales Instrument der Vereinten Nationen, das aber nicht verbindlich ist. Es wird unter der Aufsicht der UNCTAD verwaltet: Set of Multilaterally Agreed Equitable Principles and Rules for the Control of Restrictive Business Practices (Kodex multilateral gebilligter gerechter Grundsätze und Regeln zur Kontrolle wettbewerbsbeschränkender Geschäftspraktiken, 1980).

SR 0.251.268.1

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5.7

Öffentliches Beschaffungswesen

Das revidierte WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen vom 30. März 2012 (GPA) erfordert eine Anpassung der Beschaffungsgesetze auf Bundes- und Kantonsebene. Bei dieser Gelegenheit wird auch die Harmonisierung des Schweizer Beschaffungsrechts vorangetrieben. Die Schweiz wird dem revidierten GPA der WTO beitreten, sobald die Beschaffungsgesetzgebung auf den Stufen Bund und Kantone angepasst ist. Bis dahin gilt für die Schweiz das GPA von 1994. Moldawien und die Ukraine traten dem revidierten GPA im Berichtsjahr als Neumitglieder bei.

Nachdem im Berichtsjahr Armenien und Korea das revidierte GPA ratifizierten, verbleibt unter den Mitgliedern des GPA von 1994 einzig die Schweiz, welche das revidierte GPA noch nicht ratifiziert hat. Für die Schweiz gelten weiterhin die Verpflichtungen des GPA von 1994. Sobald sie dem revidierten GPA beitritt, können Anbieter aus der Schweiz einen Rechtsanspruch auf Zugang zu den Beschaffungen in der Grössenordnung von rund 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr geltend machen, die dem revidierten GPA neu unterstellt sind.

Die von Beschaffungsexperten des Bundes und der Kantone zusammengesetzte Arbeitsgruppe AURORA schloss die Umsetzung des revidierten GPA und die Harmonisierung der Beschaffungsgesetzgebungen des Bundes und der Kantone auf technischen Ebene im Licht der Vernehmlassungen beider Vorlagen weitgehend ab.

Die Botschaften des Bundesrates bezüglich des revidierten GPA und der Revision des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 199491 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) sollen dem Parlament im Sommer 2016 unterbreitet werden. Anschliessend wird die revidierte interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) dem Interkantonalen Organ über das öffentliche Beschaffungswesen (InöB) in Kenntnis der parlamentarischen Beratungen des BöB zur Annahme unterbreitet. Die Schweiz wird dem revidierten GPA somit frühestens 2017 beitreten können.

Nach erfolgten innerstaatlichen Genehmigungen haben Montenegro und Neuseeland im Berichtsjahr ihre Ratifikationsinstrumente hinterlegt und sind nun formell Mitglieder des revidierten GPA. Zudem schlossen Moldawien und die Ukraine ihre Beitrittsverhandlungen zum revidierten GPA ab. Die laufenden Beitrittsverfahren Chinas, Australiens, Tadschikistans und Jordaniens werden 2016 fortgesetzt.

91

SR 172.056.1

907

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5.8

Schutz des geistigen Eigentums

In den multilateralen Organisationen engagierte sich die Schweiz im Bereich des geistigen Eigentums unter anderem für einen besseren Schutz der geografischen Angaben und für die Wiederaufnahme der Arbeiten zum Schutz genetischer Ressourcen und traditionellen Wissens.

Auf bilateraler Ebene führte die Schweiz ihre Bemühungen für Regeln zugunsten eines angemessenen, wirkungsvollen und berechenbaren Schutzes der Rechte an geistigem Eigentum fort, namentlich im Rahmen von Verhandlungen über FHA.

Der bilaterale Dialog mit China über das geistige Eigentum spielte weiterhin eine bedeutende Rolle.

5.8.1

Schutz des geistigen Eigentums in internationalen Organisationen

Im Mai wurde in der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) anlässlich einer am Hauptsitz abgehaltenen diplomatischen Konferenz nach sechs Jahren Arbeit der «Genfer Akt des Lissaboner Abkommens über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung» verabschiedet. Der Genfer Akt überarbeitet das Lissaboner Abkommen für Ursprungsbezeichnungen von 1958.

Das neue Abkommen schützt die geografischen Angaben und ermöglicht ihre internationale Registrierung, was mit dem bisherigen Lissaboner Abkommen nur für Ursprungsbezeichnungen möglich war. Geografische Angaben decken eine bedeutend grössere Anzahl von Produkten ab als Ursprungsbezeichnungen. Letztere gewährleisten den Ursprung einer Ware dann, wenn deren Qualität oder Eigenschaften ausschliesslich oder überwiegend auf ihre geografische Herkunft zurückzuführen sind. Bei geografischen Angaben müssen hingegen nicht zwingend alle Produktionsschritte in einem bestimmten Gebiet stattfinden. Mit der Revision wird das Lissaboner System für eine grössere Anzahl Staaten attraktiv. Da die Schweiz nicht Vertragspartei des Lissaboner Abkommens ist, nahm sie an diesem Prozess als Beobachterin teil. Sie brachte sich aber am Verhandlungsprozess aktiv ein. Der Bundesrat wird einen möglichen Beitritt der Schweiz zum Abkommen prüfen.

Die Verhandlungen über ein Abkommen zum Schutz genetischer Ressourcen und traditionellen Wissens waren im Berichtsjahr mangels Einigung über das Arbeitsprogramm sistiert. An der WIPO-Generalversammlung im Oktober konnte schliesslich ein neues Mandat für den Zeitraum 2016­2017 verabschiedet werden. Die Schweiz koordinierte im Vorfeld eine internationale Staatengruppe (Kenia, Mosambik, Neuseeland, Norwegen und Vatikan), die einen Mandatsvorschlag einbrachte, der die Grundlage für die Diskussion bildete, welche zur Verabschiedung des neuen Arbeitsprogramms führte.

In der WTO setzte sich die Schweiz im Rahmen der Doha-Runde insbesondere für einen besseren Schutz der geografischen Angaben ein (Ausdehnung des zurzeit nur für Weine und Spirituosen geltenden Schutzes auf alle Waren). Die Fortsetzung der 908

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Doha-Arbeiten nach der Ministerkonferenz in Nairobi ist ungewiss. Die Schweiz engagierte sich beim Thema Innovation und Schutz des geistigen Eigentums und organisierte im TRIPS-Rat zusammen mit der EU und den Vereinigten Staaten eine Podiumsdiskussion mit dem Titel «The Role of IP in Financing Innovation». Die Teilnehmer legten bei diesem Anlass insbesondere dar, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Geldgeber in innovative Projekte investiert. Dazu gehört auch der Schutz der Rechte an geistigem Eigentum.

Im Berichtsjahr engagierte sich die Schweiz auf dem Gebiet des geistigen Eigentums auch für die Ausbildung («capacity building») zugunsten von in internationalen Organisationen in Genf tätigen ausländischen Delegationen.

5.8.2

Schutz des geistigen Eigentums auf bilateraler Ebene

Bei den laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen (FHA) ist die Vereinbarung von Regeln für einen angemessenen, wirkungsvollen und berechenbaren Schutz der Rechte an geistigem Eigentum und von Innovationen für die Schweizer Exportindustrie von grosser Bedeutung. Besondere Aufmerksamkeit erhält in den Diskussionen mit den FHA-Partnern, gemäss der Motion RK-12.3642 «Regelung der Verwendung geografischer Herkunftsbezeichnungen in internationalen Verträgen», auch der Schutz der geografischen Angaben. Georgien bekundete in den Verhandlungen für ein FHA mit der EFTA (vgl. Ziff. 4.1.1) gegenüber der Schweiz Interesse an einem verstärkten Austausch über den Schutz geografischer Angaben.

Das Gegenstück zum Engagement der Schweiz auf internationaler Ebene beim besseren Schutz der geografischen Angaben stellt auf nationaler Ebene die 2013 angenommene «Swissness»-Gesetzgebung dar, zu deren Umsetzung der Bundesrat im Berichtsjahr vier Verordnungen verabschiedet hat (Inkrafttreten 1. Januar 2017).

Die neue «Swissness»-Gesetzgebung verstärkt den Schutz der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes. Mit der neuen Top-Level-Domain «.swiss», welche im September lanciert wurde, ergeben sich zudem neue Chancen, die Marke «Schweiz» noch besser zu positionieren. Diese Internetadresse wird exklusiv an Unternehmen, Organisationen und Institutionen mit einer engen Verbindung zur Schweiz (Geschäftssitz und physischer Verwaltungssitz in der Schweiz) vergeben.

Beim Schutz der Herkunftsangaben von Dienstleistungen erreichte die Schweiz, dass eine weissrussische Bank die missbräuchliche Verwendung der Bezeichnung «schweizerisch» sowie des Schweizerwappens einstellte.

Die Beziehungen zu China spielen auch unter dem Gesichtspunkt des geistigen Eigentums eine bedeutende Rolle. Die bilaterale Arbeitsgruppe für Fragen des geistigen Eigentums tagte im Laufe des Berichtsjahrs erneut in Peking. Die Themen Patente und Designs wurden im Rahmen des bestehenden «Memorandum of Understanding» zwischen dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum und dem chinesischen Patentamt (State Intellectual Property Office, SIPO) erörtert. Fragen rund um Fälschungen und Piraterie, die überdies einen Bezug zum schweizerischchinesischen «Memorandum of Understanding» für den Uhrenbereich aufweisen, sind in diesem Zusammenhang von grosser Bedeutung. Der 2014 vereinbarte Pilotversuch, in Rahmen dessen Schweizer Unternehmen den zuständigen chinesischen 909

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Behörden Fälle von Verkäufen gefälschter Waren über das Internet melden können, wurde positiv beurteilt und verlängert. Die Schweizer Botschaft wird in Zusammenarbeit mit der schweizerisch-chinesischen Handelskammer weiterhin Beschwerden entgegennehmen und diese an die chinesischen Behörden weiterleiten. Das zwischen der Schweiz und China 2014 in Kraft getretene FHA verlieh dieser Arbeitsgruppe zusätzlichen Schwung, indem das FHA den Dialog über geistiges Eigentum auf eine verbindliche Basis gestellt hat.

Die Schweiz arbeitet zurzeit mit Kolumbien und Indonesien an bilateralen Projekten für eine technische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des geistigen Eigentums. Auch mit Ghana und Serbien stehen entsprechende Vorhaben kurz vor dem Beginn einer zweiten Projektphase. Diese Projekte sind individuell auf die Bedürfnisse der Partnerländer zugeschnitten. Sie sehen u. a. die Erarbeitung einer nationalen Strategie im Bereich des geistigen Eigentums, die Stärkung des Schutzes geografischer Angaben, die Erarbeitung von Mechanismen zum Schutz des traditionellen Wissens indigener Gemeinschaften sowie eine optimierte Effizienz der Verfahren für den Schutz von Marken und Patenten vor. Mit diesen Projekten trägt die Schweiz zur Schaffung eines investitionsfreundlichen Klimas in den Partnerländern und zu deren sozioökonomischen Entwicklung bei. Ausserdem wird die Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige gefördert und der Zugang dieser Staaten zu Märkten mit höherem Innovationsniveau gefördert.

5.8.3

Modernisierung des Urheberrechts

Das Internet und der globale Datenaustausch in Echtzeit werfen sowohl auf der Ebene des internationalen als auch des nationalen Rechts zahlreiche urheberrechtliche Fragen auf. Die departementsübergreifende Arbeitsgruppe «Urheberrecht» (AGUR12) hatte Ende 2013 ihren Schlussbericht mit Empfehlungen für eine Modernisierung des Urheberrechts und eine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik vorgelegt. Im Auftrag des Bundesrats erarbeitete das EJPD im Berichtsjahr einen Gesetzesentwurf, der im Dezember in die Vernehmlassung gegeben wurde.

Der Entwurf berücksichtigt verschiedene Motionen92 sowie Erwartungen der Stakeholder.

Das vorgesehene Massnahmenpaket soll den Kampf gegen die Internetpiraterie stärken. Da die Anbieter von Internetdiensten (Access Provider und Hosting Provider) am besten in der Lage sind, wirksam gegen Verstösse vorzugehen, basieren die neuen Massnahmen in erster Linie auf deren Unterstützung. Der Schwerpunkt wird auf kommerzielle Pirateriewebsites gelegt. Widerrechtlich über das Internet bereitgestellte Angebote sollen von den Servern genommen oder der Zugang dazu gesperrt werden können.

92

910

Motion Fluri 13.3583 «Abgeltung für Urheberinnen und Urheber»; Motion WAKNR 14.3293 «Abgabe auf leeren Datenträgern»; Parlamentarische Initiative 13.404 «Schluss mit der ungerechten Abgabe auf leeren Datenträgern».

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Mit Blick auf deren Genehmigung enthält das Vorhaben ferner den Vertrag von Peking zum Schutz audiovisueller Darbietungen vom 24. Juni 2012 und den Vertrag von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs zu veröffentlichten Werken für blinde, sehbehinderte oder sonst lesebehinderte Menschen vom 27. Juni 2013.

Schliesslich passt der Gesetzesentwurf die Urheberrechtsschranken, z. B. für die Nutzung verwaister Werke, an die technologische Entwicklung an.

6

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit Die Umsetzung der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013-2016 wurde fortgesetzt. So hat die Schweiz ihre Vorreiterrolle im Bereich der Stärkung öffentlicher Finanzsysteme in Partnerländern weiter ausgebaut.

Dieses Thema wurde auch zu einer tragenden Säule der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Die Schaffung von Arbeitsplätzen kann durch verbesserten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten gefördert werden. Auch muss das Wirtschaftswachstum klimafreundlich gestaltet werden. Die Schweiz brachte ihr Fachwissen über Biodiversität zur Stärkung der nachhaltigen Entwicklung ein und sammelte weitere Erfahrungen im Bereich nachhaltige Stadtentwicklung. In der multilateralen Zusammenarbeit führte die Schweiz nicht nur ihre Arbeit mit bestehenden Partnern weiter, sondern gestaltete auch die Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank mit und begleitete die Operationalisierung des Green Climate Fund.

Die Schweiz nahm an den Verhandlungen der Staatengemeinschaft über die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und die damit verbundenen Mittel zur Umsetzung teil. Der resultierende Referenzrahmen für nachhaltige Entwicklung soll in der Periode 2016-2030 die entsprechenden Aktivitäten aller Länder prägen. Die Lehren aus den bisherigen Aktivitäten der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit und die Agenda 2030 waren für die Formulierung der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-2020 wegleitend. Die Ausarbeitung wurde im Hinblick auf die Verabschiedung durch den Bundesrat im Februar 2016 und die Behandlung im Parlament im Sommer/Herbst 2016 vorangetrieben. Um die Entwicklungszusammenarbeit in sich kohärent und mit sektoriellen Politiken kompatibel zu gestalten, bemüht sich die Schweiz auf verschiedenen Ebenen um Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung.

911

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6.1

Internationale Entwicklungen / Diskussionen

6.1.1

Agenda 2030 und Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung

Die Staatengemeinschaft verabschiedete im Berichtsjahr die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sowie die Addis Abeba-Aktionsagenda. Dabei handelt es sich um neue Rahmenwerke mit universeller Ausrichtung zum Thema nachhaltige Entwicklung bzw. Entwicklungsfinanzierung. Dieser Referenzrahmen gilt für die nationalen und internationalen Aktivitäten aller Länder mit Bezug zur nachhaltigen Entwicklung und zur Armutsbekämpfung. Die Rahmenwerke gehen über die Entwicklungszusammenarbeit hinaus, was die Bedeutung der Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung unterstreicht. Die Schweiz beteiligte sich aktiv am Verhandlungsprozess und trägt diesen Referenzrahmen mit. Im Zentrum stehen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG). Deren Inhalte decken alle drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung - Soziales, Wirtschaft und Umwelt ­ ab und bringen diese miteinander in Zusammenhang. Die SDG betreffen Kernanliegen für eine nachhaltige Entwicklung, wie beispielsweise Beschäftigung und Wirtschaftswachstum, Wasser, Migration, Geschlechtergleichstellung, Biodiversität, Klimawandel, erneuerbare Energien, Verringerung von Katastrophenrisiken, nachhaltiges Produktions- und Konsumverhalten, Innovation, Infrastruktur und nachhaltige Städte.

Ein Hauptaugenmerk der Schweiz liegt auf den Mitteln zur Umsetzung dieser 17 Ziele. Darunter fallen Themen wie zum Beispiel die Rolle des Privatsektors, des Handels, der Entwicklungsfinanzierung oder der Mobilisierung inländischer Ressourcen in den Partnerländern. Zudem unterstützt die Schweiz die in Addis Abeba lancierte internationale Addis Tax Initiative. Diese hat zum Ziel, die Kapazitäten von Entwicklungsländern zur Erhebung von Steuern zu stärken, was einem langjährigen Engagement der Schweiz entspricht.

Die Umsetzung dieser Rahmenwerke wird für die Aktivitäten der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz zentral sein. Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit sind die laufenden Geschäfte mit den Rahmenwerken kompatibel. Die Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-2020 wird auf diesen neuen Referenzrahmen ausgerichtet und wird namentlich dank verstärkter Integration der drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung mit ihm in Einklang sein.

6.1.2

Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und den Entwicklungsländern werden durch die Entwicklungspolitik und eine Vielzahl sektorieller Politiken bestimmt. Angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen verschiedener sektorieller Politiken erfordert deren kohärente Umsetzung ein besonderes Augenmerk mit dem Ziel, den Gesamtbeitrag aller Politikbereiche zur nachhaltigen Entwicklung in der Schweiz und in den Partnerländern zu maximieren. «Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung» bedeutet, durch Integration der verschiedenen Dimensionen der 912

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nachhaltigen Entwicklung auf alle Stufen der Politikgestaltung, Zielkonflikte nach Möglichkeit zu vermeiden und mögliche Synergien bestmöglich auszuschöpfen.

Politikkohärenz auf internationaler Ebene Die nationalen Bemühungen der Schweiz zur Stärkung der Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung entfalten dann ihre volle Wirkung, wenn sie in international abgestimmtes Handeln eingebettet sind. Der neue Referenzrahmen, die Agenda 2030 zur nachhaltigen Entwicklung (vgl. Ziff. 6.1.1), ist insbesondere auch für die Politikkohärenz bedeutsam. Die Schweiz arbeitet an der Entwicklung von internationalen Normen, Standards und Initiativen zur Stärkung der Politikkohärenz mit.

Dies gilt zum Beispiel für den Bereich der internationalen Finanzflüsse. Die Einnahmen der Entwicklungsländer aus Steuern und Abgaben sind für die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung aus eigenen Mitteln zentral. Das Volumen dieser Mittel hängt unter anderem von der Kapazität der Steuerverwaltungen in den Entwicklungsländern und von der Wirksamkeit der internationalen Zusammenarbeit in Steuersachen ab. Die Schweiz trägt dieser Verbindung zwischen Steuern, Entwicklung und Politikkohärenz national und international auf mehrfache Weise Rechnung.

So bekannte sich die Schweiz 2014 zur Übernahme des neuen globalen Standards für den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) und arbeitete im Berichtsjahr an dessen Umsetzung. Weiter beteiligte sich die Schweiz im Berichtsjahr an der Ausarbeitung und Lancierung des Tax Administration Diagnostic Assessment Tool (TADAT), einem Diagnosewerkzeug, das eine objektive und standardisierte Leistungsbeurteilung der Steuerverwaltung eines Landes ermöglicht.

Darauf aufbauend lässt sich in der Folge die Leistung einer Steuerverwaltung gezielt steigern, was die Schweiz etwa im Rahmen der Addis Tax Initiative ebenfalls unterstützt (vgl. Ziff. 6.1.1). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der von der Schweiz unterstützte internationale Standard zur Förderung der Transparenz in der Verwaltung natürlicher Ressourcen und damit verbundener Erlöse (Extractive Industries Transparency Initiative, EITI, vgl. Ziff. 5.5.2).

Politikkohärenz in der Bundesverwaltung Die Schweiz verfügt über verschiedene interdepartementale Gremien (z. B. das Interdepartementale Komitee für internationale
Entwicklung und Zusammenarbeit, IKEZ) und institutionelle Mechanismen (z. B. die Ämterkonsultation und die Entscheidfindung im Bundesrat), um die Kohärenz zwischen verschiedenen Politiken zu fördern.

Die Aktivitäten des SECO im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit tragen beispielsweise zusammen mit den Bemühungen des EDA und des SIF zur Umsetzung von Empfehlungen wie jener des Grundlagenberichts Rohstoffe bei (im Berichtsjahr durch die zweite Berichterstattung, vgl. Ziff. 5.5.2). Weiter koordinieren SIF, SECO, EDA (inkl. DEZA) und ESTV ihre Positionen zu Fragen im Bereich Steuern und Entwicklung. Im Berichtsjahr lag der Fokus der Arbeiten auf dem Einbezug von Entwicklungsländern ins OECD/G20-Projekt Base Erosion and Profit Shifting (BEPS, vgl. Ziff. 2.2.1). Auch Wechselwirkungen zwischen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit, der Arbeitsmarktpolitik, der Aussenwirtschaftspolitik, der verantwortungsvollen Unternehmensführung, der Investitionspolitik und der grünen Wirtschaft werden berücksichtigt und verwaltungsintern 913

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koordiniert (vgl. z. B. die Weiterentwicklung der Schweizer Vertragspraxis für Investitionsschutzabkommen, Ziff. 5.4).

Politikkohärenz bei Aktivitäten in Partnerländern Durch die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit setzt die Schweiz Projekte um, welche die Kapazitäten von Partnerländern in Bereichen stärken, die den nationalen Prioritäten der Partnerländer und den Zielen der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz entsprechen. Ziele sind die Förderung der Entwicklung der Partnerländer und deren Teilnahme am internationalen Austausch. Die bilaterale Unterstützung von Partnerländern im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung z. B.

bezüglich Steuerreform oder die Beteiligung der Schweiz an entsprechenden internationalen Projekten und Initiativen, (z. B. BEPS, TADAT und EITI) erfolgt im Zeichen der Politikkohärenz. So auch wenn die Schweiz Länder wie Laos bei der Vorbereitung des Beitritts zur Welthandelsorganisation (WTO) oder im Anschluss daran bei der Umsetzung der übernommenen Verpflichtungen unterstützt. Dies geht Hand in Hand mit dem Einsatz der Schweiz für die Stärkung des multilateralen Handelssystems.

Im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sowie der Schweizer Strategie für Nachhaltige Entwicklung (SNE) soll die Politikkohärenz ab 2016 weiter gestärkt werden. Im Rahmen der SNE soll Handlungsbedarf hinsichtlich der Politikkohärenz identifiziert und Grundlagen für ein Monitoring gelegt werden. Die Schweiz wird im Bereich Steuern und Entwicklung 2016 Entwicklungsländer bei Arbeiten in Bezug auf das Projekt BEPS (vgl. Ziff. 2.2.1) und den automatischen Informationsaustausch unterstützen. Ein Beispiel dafür ist die technische Zusammenarbeit mit Ghana bezüglich des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes im Rahmen der OECD. Weiter wird die Schweiz im Bereich der Bekämpfung unlauterer Finanzflüsse Handlungsoptionen für den Zugang zu verlässlichen Daten prüfen. Des Weiteren wird die Schweiz 2016 den Vorsitz des Anti Money Laundering/Combating the Financing of Terrorism Topical Trust Fund des IWF innehaben. Zudem begleitet die Schweiz den internationalen Dialog zur Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung im Rahmen der OECD.

6.2

Multilaterale Zusammenarbeit

6.2.1

Weltbankgruppe

Für die Schweiz ist die wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit der Aktivitäten der Weltbankgruppe prioritär. Makroökonomische und strukturelle Massnahmen zur Förderung eines inklusiven und nachhaltigen Wachstums, wie zum Beispiel die Entwicklung von Instrumenten zur Stabilisierung der öffentlichen Finanzen und die Förderung des Privatsektors, nehmen dabei einen wichtigen Stellenwert ein.

Der Überarbeitung der Richtlinien und Prozesse im Beschaffungswesen sowie der Standards im Umwelt- und Sozialbereich, die bei Kreditvergabe der Bank eingehalten werden müssen, kam im Berichtsjahr besonderes Gewicht zu. Die Schweiz begrüsst diese Revisionen und unterstützt die Aktivitäten der Weltbank zur Gleich914

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stellung der Geschlechter und zur weltweiten Stärkung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rolle der Frauen.

Am Gouverneurstreffen der Weltbankgruppe betonte die Schweiz die bedeutende Rolle der Institution bei der Umsetzung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (vgl. Ziff. 6.1.1), namentlich durch die Förderung des intergouvernementalen Dialogs, die Unterstützung bei der Mobilisierung privater Mittel sowie durch die Bereitstellung innovativer Lösungen für globale Herausforderungen.

6.2.2

Regionale Entwicklungsbanken

Die 2013 vorgeschlagene Reform der Zusammensetzung des Direktoriums der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD, die den Einfluss der Empfängerländer stärken wollte, wurde im Berichtsjahr knapp abgelehnt. Somit bleibt der Status Quo bestehen; ein erneuter Reformvorstoss ist allerdings nicht ausgeschlossen.

Im Berichtsjahr endete die zweite Amtszeit des Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), Donald Kaberuka. Akinwumi Adesina, vormals Landwirtschaftsminister Nigerias, wurde in einem geordneten und transparenten Wahlprozess in das höchste Amt der AfDB gewählt. Im Berichtsjahr fand der Rückblick auf die erste Hälfte des 13. Zyklus des Afrikanischen Entwicklungsfonds (2014-2016) statt. Das Ausleihvolumen konnte im Berichtsjahr merklich erhöht werden. Dies ist angesichts der Ebolakrise in Westafrika und des Umzugs der Bank von Tunis nach Abidjan als besonders positiv zu vermerken.

Die im Frühling beschlossene einmalige Überführung von finanziellen Mitteln aus dem Entwicklungsfonds (ADF) in das Eigenkapital der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB) ermöglicht dieser eine signifikante Erhöhung des Volumens der Entwicklungskredite. Insbesondere ärmere Entwicklungsländer werden davon profitieren. Gleichzeitig sichert sich die AsDB damit ihre Rolle als finanzkräftiger, relevanter Entwicklungspartner in der Region. Dieser Mitteltransfer ist auch im Kontext der Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB, vgl. Ziff. 6.2.3) zu sehen.

Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) entschied, sämtliche Tätigkeiten der Bank für den Privatsektor in einer einzigen Struktur zusammenzufassen, d. h. in der Interamerikanischen Investitionsgesellschaft (Inter-American Investment Corporation IIC). Mit dieser Umstrukturierung, welche seit dem 1. Januar 2016 wirksam ist, sollen Synergien genutzt und eine Weiterentwicklung der Tätigkeiten begünstigt werden. Vor diesem Hintergrund beschloss die Generalversammlung der Bank im Berichtsjahr eine Kapitalerhöhung der IIC. Die Schweiz unterstützte diese Massnahmen. Überdies wurde der amtierende Präsident der IDB Luis Alberto Moreno (Kolumbien) in einem neuen Wahlverfahren für vier Jahre wiedergewählt.

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6.2.3

Asian Infrastructure Investment Bank

Die Schweiz beabsichtigt, der von China initiierten Asiatischen InfrastrukturInvestitionsbank (AIIB) beizutreten, die im Berichtsjahr gegründet wurde. Im Mai wurden die Statuten verabschiedet und Ende Juni von der Schweiz unterzeichnet. Im Dezember hiess das Parlament den Beitritt gut. Somit kann die Schweiz nach Ablauf der Referendumsfrist die Ratifikationsdokumente ­ voraussichtlich im ersten Halbjahr 2016 ­ hinterlegen und ihre Mitgliedschaft bei der Bank vollziehen. Die Schweiz beteiligt sich mit 706,4 Millionen US-Dollar an der AIIB und wird in der ersten Rotation einen Sitz als Alternate Director übernehmen.

Die AIIB dürfte sich zu einem wichtigen neuen Akteur in Asien entwickeln. Über die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben soll nachhaltiges Wachstum gefördert und die Armut bekämpft werden. Die AIIB wird mehrheitlich von asiatischen Ländern getragen und reflektiert damit auch die globale wirtschaftliche Kräfteverschiebung und das gestärkte Selbstverständnis dieser Region. Die zwanzig nichtregionalen Mitgliedsländer halten 25 Prozent des Stammkapitals der Bank von 100 Milliarden US-Dollar.

Die Bank hat mit dem Gründungsübereinkommen und den operationellen und finanziellen Grundsätzen sowie mit den Sozial- und Umweltstandards die Grundzüge eines Regelwerks entworfen, das entgegen Befürchtungen vieler westlicher Industrieländer den internationalen Standards entspricht. Ihrem Leitmotiv «lean, clean and green» folgend, strebt die AIIB gleichzeitig möglichst effiziente Strukturen, klare Verantwortlichkeiten und Kundennähe an.

6.2.4

Green Climate Fund

Der Green Climate Fund (GCF) ist der grösste globale Klimafonds. Sein Ziel besteht darin, Aktivitäten zur Reduktion von Treibhausgasen in Entwicklungsländern zu finanzieren. Insgesamt wurden bisher für die Erstkapitalisierung des Fonds gut 10 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen Mitteln zugesagt. Die Schweiz, die im Exekutivrat des GCF vertreten ist, beteiligte sich mit einem Betrag von 100 Millionen US-Dollar über drei Jahre (2015-2017).

Der Exekutivrat des GCF akkreditierte im Berichtsjahr die ersten Umsetzungsinstitutionen, über die der Fonds Klimaschutzaktivitäten in Entwicklungsländern abwickeln wird. Darunter befinden sich internationale Organisationen, bilaterale und multilaterale Entwicklungsbanken, aber auch verschiedene nationale und subnationale Akteure aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Ende Jahr stimmte der Exekutivrat den von den akkreditierten Partnern vorgelegten Projekten und Programmen im Umfang von 168 Millionen US-Dollar zu. Damit nahm der GCF seine operative Tätigkeit offiziell auf.

916

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6.3

Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten

6.3.1

Bedeutung und Chancen

Der Zugang zu langfristigem Kapital erlaubt es einer Unternehmung, Investitionen zu tätigen, neue Märkte zu erschliessen, zu wachsen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Zwei Drittel der formellen Arbeitsplätze in den Entwicklungsländern werden von KMU bereitgestellt; im informellen Sektor liegt dieser Anteil noch weit höher. Diese KMU leiden allerdings oft überproportional unter schlecht funktionierenden lokalen Finanzmärkten. Mangelnde Finanzierung wird von den KMU als eines der wichtigsten Entwicklungshemmnisse genannt.

Die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen (z. B. mittels Kreditbüros) und die Finanzierung von lokalen KMU über die bundeseigene Entwicklungsfinanzierungsinstitution SIFEM AG sind zentrale Elemente, die die Schweiz in diesem Bereich einsetzt. Daneben gewinnt in der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit die verantwortungsvolle Ausweitung von Finanzprodukten und -dienstleistungen auf ärmere und von den Finanzmärkten weitgehend ausgeschlossene Bevölkerungsschichten an Bedeutung. Mit der «finanziellen Eingliederung» werden für diese Gruppen ökonomische Opportunitäten geschaffen, die bisher unerreichbar waren. In Nordafrika bedeutet dies zum Beispiel die Schaffung von Finanzierungmöglichkeiten für Frauen (vgl. Ziff. 6.3.3). In Kirgistan werden spezifische Produkte für die Finanzierung von kleinen Renovationen in Eigenarbeit an Häusern entwickelt (zum Beispiel Isolation). Damit können die Lebensbedingungen der ärmsten Bevölkerungsschichten unmittelbar verbessert werden.

6.3.2

Agrofinanz

Neben den Zertifizierungsprogrammen für nachhaltige Produkte, der Integration von Kleinbäuerinnen und -bauern in Zulieferketten und der Vermittlung von Know-how für die Bewirtschaftung der Betriebe ist die Unterstützung der Investitionstätigkeit wichtig. In Indonesien etwa ist der Kakaosektor für rund 1,4 Millionen Haushalte von Kleinbäuerinnen und -bauern die wichtigste Einnahmequelle. Sie verfügen jedoch nicht über das Kapital, um die Plantagen zu erneuern oder neue Pflanzungen anzulegen. Deshalb legte die Schweiz im Berichtsjahr neben der Vermittlung von traditionellem Agrarwissen und der besseren Integration in Zulieferketten einen besonderen Akzent auf die Vermittlung von elementarem Finanzwissen für eine realistische Finanzplanung und zur Vermeidung von Überschuldung. Aus diesem Grund wird auch die Entwicklung von Produkten zur Ersparnisbildung in Zusammenarbeit mit lokalen Intermediären und Kooperativen immer wichtiger. Ziel ist es, Finanzdienstleistungen verantwortungsvoll auf Kleinbäuerinnen und -bauern auszuweiten, damit sie selbst Investitionen tätigen sowie Qualität und Produktivität steigern können. Über ein laufendes Programm konnte in Indonesien der jährliche Durchschnittsertrag der unterstützten Kleinbäuerinnen und -bauern um 68 Prozent gesteigert werden. Das Programm wurde inzwischen auf 60 000 Kakao-Kleinbäuerinnen und -bauern ausgeweitet, wovon ungefähr 20 Prozent Frauen sind.

917

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6.3.3

Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmerinnen

Im Hinblick auf ein integratives Wachstum in den Entwicklungsländern ist eines der zentralen Probleme der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmerinnen, die 30 Prozent der KMU betreiben. Diese Frauen sind bei der Entwicklung ihrer Unternehmen mit besonderen Hindernissen (z. B. fehlenden Garantien oder rechtlichen und kulturellen Barrieren beim Zugang zu Grund- und Immobilienbesitz) konfrontiert. Dadurch können sie nicht vollständig an der wirtschaftlichen Entwicklung teilnehmen.

So weist zum Beispiel Nordafrika beim Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für Frauen den kleinsten Prozentsatz auf. Im Rahmen eines Projekts der technischen Hilfe bei der Entwicklung von KMU in Nordafrika wollen die Schweiz und die Weltbank prioritär die Beteiligung der Frauen an der wirtschaftlichen Entwicklung fördern. Das Projekt unterstützt die Entwicklung von Finanzdienstleistungen, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Unternehmerinnen zugeschnitten sind. Dieses Projekt ermöglicht insbesondere lokalen Finanzinstitutionen, spezifische und gezielte Finanzprodukte und -dienstleistungen zu entwickeln, die Frauen den Zugang zu Krediten erleichtern und die Entwicklung weiblichen Unternehmertums in der Region begünstigen. So konnte dank der Unterstützung einer Mikrofinanzinstitution in Tunesien das Portfolio dieser Institution bedeutend ausgebaut werden: Seit Beginn des Projekts wurden insgesamt 643 000 Kredite gewährt, wobei 68 Prozent der Kreditnehmenden Frauen waren.

6.4

Biodiversität für eine nachhaltige Entwicklung

Die Entwicklungsländer verfügen über eine grosse Vielfalt biologischer Ressourcen und lokalen Wissens. Die nachhaltige Nutzung dieser Ressourcen kann dazu beitragen, die lokalen Gemeinschaften besser in die Gesellschaft zu integrieren. Dieser Prozess erfordert jedoch klare regulatorische Rahmenbedingungen, um Missbräuche zu verhindern und die Nachhaltigkeit der Nutzung sicherzustellen.

Die Schweiz unterstützt über 100 Programme, die direkt oder indirekt mit Biodiversität zu tun haben. Beispiele sind Projekte zur Entwicklung exportorientierter Wertschöpfungsketten, etwa in Südafrika (Naturkosmetika), Vietnam (Medizinalpflanzen und aromatische Kräuter) und Ghana (Palmölersatz). Die Schweiz beabsichtigt, ihr Engagement für nachhaltigen Handel im Kontext der Biodiversität und der nachhaltigen Waldbewirtschaftung als integralen Bestandteil der Förderung nachhaltiger Wertschöpfungsketten fortzusetzen. Operativ soll der Fokus auf drei Hauptschwerpunkten liegen: Der erste konzentriert sich auf die Förderung des internationalen Dialogs, der dazu dient, das Bewusstsein für die Notwendigkeit günstiger Rahmenbedingungen zu erhöhen. Der zweite zielt auf die Förderung folgender Elemente ab: Übereinstimmung der innerstaatlichen Regulierungen mit den internationalen Standards und Übereinkommen des Biohandels, Zugang zu Genressourcen und ausgewogene und gerechte Verteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile sowie Einhaltung der Produktevorschriften und der Anforderungen der Abnehmer der Produkte. Mit dem dritten Schwerpunkt soll die Entwicklung spezifischer Ex918

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portbranchen für aus der Biodiversität stammende Produkte und -dienstleistungen unterstützt werden, die ein grosses Marktpotenzial aufweisen.

Im Berichtsjahr vertiefte die Schweiz eine seit Langem bestehende Partnerschaft mit der UNCTAD (vgl. Ziff. 2.3), durch die angemessene Rahmenbedingungen für den Biohandel auf internationaler und regionaler Ebene geschaffen werden sollen, insbesondere in der Kosmetikbranche und der Parapharmazie (Medizinalpflanzen). Geografisch liegt der Fokus dabei auf der Andenregion und der Region Mekong. Ausserdem wurde eine Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) aufgebaut. Das Programm soll die Schaffung und Weiterentwicklung nationaler Diskussionsplattformen für den umweltverträglichen Anbau von Palmöl in Indonesien und von Kaffee in Peru unterstützen. Im Rahmen der in der Biodiversitätskonvention eingegangenen Verpflichtungen will die Schweiz mit diesen Aktionen ihre Anstrengungen im Bereich des Schutzes der biologischen Vielfalt bis 2019 verdoppeln (gegenüber der Periode 2006-2010).

6.5

Abfallbewirtschaftung

6.5.1

Kontext und Herausforderungen

Mit der globalen wirtschaftlichen Entwicklung und fortschreitenden Urbanisierung nimmt auch die Abfallmasse stetig zu. Insbesondere in den von der Schweiz unterstützten Schwellenländern ist bis 2025 mit mehr als einer Verdoppelung der heutigen Abfallproduktion (ca. 1,3 Mrd. Tonnen pro Jahr) zu rechnen. Bereits heute sind viele Städte in Schwellenländern nicht in der Lage, die Abfälle regelmässig und flächendeckend einzusammeln und umweltgerecht zu entsorgen. Dies hat negative Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung, die Umwelt und die Standortattraktivität. Der Abfall ist zudem weltweit die drittgrösste Quelle des Treibhausgases Methan.

Trotz der oft beschränkten Wirksamkeit und Reichweite sind die Ausgaben der Städte für das Abfallwesen bedeutend. Die aktuellen Ausgaben beschränken sich dabei auf Strassenreinigung sowie Sammlung und Abtransport des Abfalls. Kosten für die umweltgerechte Entsorgung hingegen fallen infolge fehlender Infrastruktur (vor allem fachgerechte Deponien) zumeist noch keine an. Die vielschichtigen Strukturen der beteiligten städtischer Verwaltungseinheiten erschwert zudem die Ermittlung der tatsächlichen Kosten und entsprechend die Formulierung von Finanzierungsstrategien. Die geringen Gebühreneinnahmen erschweren Investitionen in eine effizientere und effektivere Abfallbewirtschaftung.

Der vielfach stigmatisierte informelle Sektor leistet einen bedeutenden Beitrag zur Sammlung und Sortierung wiederverwertbarer Abfälle. Mit der bereits in einigen Entwicklungsländern gesetzlich angestrebten Formalisierung und Integration der informellen Müllsammlerinnen und -sammler in die städtischen Abfallbewirtschaftung kann nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Absatzmöglichkeiten geleistet, sondern auch grössere Effizienz und Effektivität des gesamten Abfallsystems erreicht werden.

919

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6.5.2

Projektbeispiel Abfallmanagement

Das Abfallmanagement stellt die Stadt Chiclayo mit ihren rund 260 000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Norden Perus vor grosse Herausforderungen. Ineffiziente betriebliche Abläufe, strukturelle und organisatorische Schwächen, ein veralteter Maschinenpark und die mangelhafte Sammel- und Transportinfrastruktur erlauben nur eine beschränkte Abfuhr der Siedlungsabfälle. Insbesondere in den städtischen Randgebieten wird der Abfall meist in den Strassen verbrannt oder in Entwässerungskanälen entsorgt. Im städtischen Raum durchsuchen informelle Abfallsammlerinnen und -sammler, hauptsächlich Frauen, Abfalleimer und Müllsäcke nach wiederverwertbarem Material. Die von der Gemeinde eingesammelten Abfälle (inkl. die Abfälle der städtischen Gesundheitszentren und Spitäler) werden derzeit auf einer ausserhalb der Stadt gelegenen Müllhalde deponiert und verbrannt. Unter prekärsten Bedingungen suchen informelle Abfallsammlerinnen und -sammler in den schwelenden Müllhalden nach wiederverwertbarem Material.

Seit 2013 unterstützt die Schweiz Chiclayo in den Bereichen Abfallmanagement, Unternehmensentwicklung und Kommunikation, unter anderem mit der Beschaffung von Ausrüstung und Infrastruktur (z. B. Abfalleimer, Müllsammelfahrzeuge, Transferstation). Parallel zur Einführung der neuen Abfalltrennungs- und Sammlungskonzepte werden die Bevölkerung und in Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten insbesondere Kinder und junge Leute für das Thema Abfall sensibilisiert.

Aktuell werden unter Einbezug des informellen Sektors verschiedene Konzepte zur Sortierung der Abfälle getestet. Der Einsatz der neuen Ausrüstung und Infrastruktur im Berichtsjahr hat zur sichtbaren Verbesserung der Situation in den Strassen Chiclayos beitragen. Ab 2016 verlagert sich der Schwerpunkt der Aktivitäten auf die Planung und den Bau einer umweltverträglichen Deponie sowie den Rückbau städtischer Müllhalden. Eine besondere Herausforderung stellt dabei der Umgang mit den auf internationalen Standards basierenden gesetzlichen technischen Vorgaben dar, deren konsequente Umsetzung die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden übersteigt. Im Dialog mit den zuständigen Behörden werden pragmatische Lösungen erarbeitet, die dem angestrebten Schutz der Umwelt und Bevölkerung Rechnung tragen. Die während der Umsetzung gewonnenen Erkenntnisse fliessen laufend in das vom Umweltministerium koordinierte nationale Programm zur flächendeckenden Verbesserung des Abfallwesens in Peru ein.

920

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7

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) gelten seit Beginn des 21. Jahrhunderts als Zukunftsmotoren der regionalen und globalen Wirtschaft und sind auch für die Schweiz von beträchtlicher aussenwirtschaftlicher Bedeutung. Allerdings entsprachen die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern und der Handel mit ihnen in den letzten zehn Jahren nicht überall in gleichem Masse den hohen Erwartungen. Eine Analyse ihrer heutigen Bedeutung im regionalen und globalen Kontext zeigt ein differenziertes Bild.

Faktoren wie etwa der Zerfall der Rohstoffpreise, ganz besonders von Erdöl und Erdgas, sowie politische Krisen beeinflussen die wirtschaftliche Leistung weltweit. Die vom Bundesrat eingeschlagene Diversifikationsstrategie der Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz mit dem stärkeren Einbezug der BRICS-Staaten sowie anderer aufstrebender Märkte hat aufgrund des Potenzials nichts von ihrer Relevanz verloren, gleichzeitig bleiben aber die Beziehungen zu den traditionellen Haupthandelspartnern, insbesondere EU und USA, zentral.

7.1

Bedeutung der BRICS als regionale Wirtschaftsfaktoren

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wurde den Handelsbeziehungen mit den Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien, China und später auch Südafrika ­ den BRICS ­ ein grosses Potenzial zugeschrieben.93 Sie verzeichneten über längere Perioden hohe Zuwachsraten der Wirtschaftsleistung. Entsprechend nahm ihr Anteil am weltweiten Handel in den letzten zehn Jahren von knapp zehn Prozent auf rund neunzehn Prozent zu94. Im Berichtsjahr wiesen sie einen Anteil von rund zwölf Prozent (2006 rund 5 %) am schweizerischen Aussenhandel auf, rund sechs Prozent beziehungsweise 4,5 Prozent entfielen dabei alleine auf China und Indien.

Mittlerweile haben sich die BRICS als Gruppe aufstrebender Volkswirtschaften etabliert. Ihre Staats- und Regierungschefs halten jährliche Gipfeltreffen ab. 2014 gründeten die BRICS eine multilaterale Entwicklungsbank ­ die «New Development Bank» ­ als Alternative zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfond. Als regionale Schwergewichte prägen die BRICS die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Regionen.

Die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu den BRICS erfolgt neben Freihandels- und Investitionsschutzabkommen u. a. auch über Doppelbesteuerungsabkommen.

93 94

Vgl. Ziff. 1 im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2006, BBl 2007 897.

Quelle: Welthandelsorganisation (WTO), International Trade Statistics 2014.

921

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7.2

Europa

Für die Schweiz war die EU auch im Berichtsjahr der mit Abstand wichtigste Exportmarkt, allen voran Deutschland. Entsprechend zentral ist für die Schweiz die Entwicklung im europäischen Wirtschaftsraum. Dieser setzte im Berichtsjahr seine langsame Erholung fort, hat aber weiterhin grosse Schwierigkeiten zu bewältigen (vgl. Ziff. 3.1). Besondere Herausforderungen für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU ergaben sich aus dem Entscheid der Schweizerischen Nationalbank vom 15. Januar, die Kursuntergrenze des Schweizerfranken zum Euro aufzugeben, sowie aus den Ungewissheiten bei der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung. Erhöhter Kosten- und Margendruck in exportorientierten Branchen und die Frage der zukünftigen Verfügbarkeit der benötigten Arbeitskräfte verringern die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz (vgl. Ziff. 1).

Russland, das einzige BRICS-Land Europas, ist seit 2004 ein Fokusland der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik. Mit durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von rund sieben Prozent seit dem Jahr 2000 erschien Russland als ein besonders vielversprechender Partner. Der bilaterale Handel wuchs zwischen 2004 und 2008 von 2,2 Milliarden auf 4,2 Milliarden Schweizerfranken. Mit einem Handelsvolumen von 5,9 Milliarden Schweizerfranken (2014) befand sich Russland auf dem 18. Rang der Handelspartner der Schweiz.

Die Hoffnungen auf eine rasche Ausschöpfung des Potenzials schwächten sich in den letzten Jahren stark ab. Die von der russischen Regierung nach der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise angekündigte Diversifizierung und Modernisierung der Wirtschaftsstruktur mit einer Verringerung der Abhängigkeit von Erdöl- und Erdgasexporten ist über Ansätze nicht hinausgekommen. Protektionistische Massnahmen behindern die erfolgreiche Integration Russlands in die Weltwirtschaft und lähmen die Innovation. Die aufgrund der Krim-Annexion verhängten internationalen Sanktionen gegen Russland, der niedrige Erdölpreis und die strukturellen Schwächen der russischen Wirtschaft führten zu einer Wirtschaftskrise und einer markanten Rubelabwertung. Diese Entwicklungen wirkten sich auch negativ auf die Handelspartner Russlands in der Region aus, mit denen Moskau im Berichtsjahr den Aufbau einer Freihandelszone im Rahmen der Eurasischen
Wirtschaftsunion95 vorantrieb.

Die politischen Spannungen führten zur Suspendierung der Verhandlungen über ein FHA zwischen den EFTA-Ländern und der Zollunion Belarus, Kasachstans und Russlands (vgl. Ziff. 4.1.1). Die Schweiz ergriff Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen (vgl. Ziff. 8.2.2), hielt aber den Dialog zur Pflege der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland aufrecht.

Trotz der gegenwärtigen Unsicherheiten betrachten schweizerische Unternehmen Russland, beziehungsweise die Eurasische Wirtschaftsunion mittel- und langfristig als einen interessanten Markt mit Wachstumspotenzial. Ein Indiz hierfür sind stei95

922

Die Zollunion aus Belarus, Kasachstan und Russland ging am 1. Januar 2015 in der Eurasischen Wirtschaftsunion auf. Am 2. Januar traten dieser auch Armenien und am 8. Mai Kirgistan bei. Im Übrigen trat Kasachstans im Berichtsjahr der WTO bei (vgl. Ziff. 2.1.1.).

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gende Direktinvestitionen, die im Jahr 2013 mit rund 15 Milliarden Schweizerfranken rund dreimal so hoch waren wie 2008. Die oben erwähnten Entwicklungen belasten allerdings auch das Investitionsklima.

Die positive wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre in der Türkei, einem anderen wichtigen Schwellenland vor den Toren Europas, verlangsamte sich seit 2012 deutlich. Ungeachtet dessen bietet die Türkei weiterhin interessante Chancen für die Schweizer Wirtschaft. Mit der Türkei führte die die EFTA im Berichtsjahr die Verhandlungen über die Weiterentwicklung des Freihandelsabkommens von 1992 fort, welches sich auf den Warenverkehr und den Schutz des geistigen Eigentums beschränkt (vgl. Ziff. 4.1.2).

7.3

Lateinamerika

Lateinamerika ist besonders reich an natürlichen Ressourcen und verfügt über eine hohe Biodiversität sowie ein grosses landwirtschaftliches Potenzial. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts war das Wirtschaftswachstum Lateinamerikas vor allem dank der starken Nachfrage aus China und der steigenden Rohstoffpreise hoch. Davon profitierte auch die Bevölkerung, die Armut ging zurück. Der Zerfall der Rohstoffpreise in den letzten zwei Jahren führte zu einer deutlichen Wachstumsabschwächung mit bedeutenden Auswirkungen auf die Region.

Als siebtgrösste Volkswirtschaft der Welt und Mitglied der G20 nimmt Brasilien eine unumstrittene Führungsrolle in Lateinamerika ein und trägt 36 Prozent zum BIP der Region bei. Mit einem Handelsvolumen von 3,7 Milliarden Schweizerfranken (2014) belegte Brasilien den 24. Rang der Handelspartner der Schweiz. Dank eines erfreulichen Wirtschaftswachstums und einer aktiven Sozialpolitik konnten in den letzten 15 Jahren mehrere Millionen Menschen aus der Armut befreit werden. Seit 2012 hat sich das Wachstum allerdings auch in Brasilien verlangsamt, und im Berichtsjahr glitt das Land in eine Rezession. Brasilien sah sich weiterhin mit einer schwierigen makroökonomischen Situation konfrontiert, einhergehend mit einem beachtlichen Haushaltsdefizit, einer markanten Währungsabwertung sowie starker Inflation und hohen Zinsen. Ausserdem blieben die Produktivität, der Wettbewerbsdruck und die Integration in den Welthandel gering. In den internationalen Ranglisten zur Effizienz der administrativen Verfahren und der Konkurrenzfähigkeit liegt Brasilien jeweils weit hinten. In vielen Bereichen sind Reformen nötig, beispielsweise bei den Steuern, der Gesundheit und der Bildung, und Engpässe in der Infrastruktur sollten beseitigt werden, die insbesondere die Industrieexporte erschweren.

Getrübt wurden die Aussichten des Landes durch einen schweren Korruptionsfall, in den der staatliche Erdölbetrieb (10 % des BIP) sowie grosse Bauunternehmen involviert waren. Dadurch wurden wichtige Projekte blockiert.

Argentinien leidet ebenfalls stark unter der globalen Konjunkturabkühlung und der Wachstumsverlangsamung seines wichtigsten Handelspartners Brasilien. So wuchs die Wirtschaft nur schwach und das Land wies ein grosses Haushaltsdefizit und eine hohe Inflation auf. Mit der Hoffnung auf eine ausgeglichenere Leistungsbilanz wurden Massnahmen zur Erschwerung der Importe ergriffen.

923

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Auch Venezuela stand im Berichtsjahr weiterhin vor massiven Problemen. Der Rückgang des Erdölpreises um mehr als 50 Prozent innerhalb eines Jahres liess das Land in eine tiefe Rezession rutschen. Die Inflationsrate überstieg 100 Prozent, das Haushaltsdefizit war hoch, die Währungssituation war von Abwertung, einem System multipler Wechselkurse und einem akuten Devisenmangel geprägt, was grosse Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Importe zur Folge hatte. Die industriellen Produktionsanlagen waren daher nur schwach ausgelastet.

Die anderen Länder der Region bekamen das Ende der Rohstoffpreishausse zwar ebenfalls zu spüren, verzeichneten aber dennoch ein moderates Wachstum zwischen 2 und 4,5 Prozent. In Zentralamerika profitierte Panama von der Erweiterung des Panamakanals und Costa Rica als Importeur vom tiefen Erdölpreis und von der erstarkenden US-Wirtschaft. Die relativ breit abgestützte Wirtschaft der Mitglieder der Pazifikallianz (insbesondere Mexiko, in geringerem Mass Chile, Kolumbien und Peru) sowie die solide Binnennachfrage vermochten die Auswirkungen der einbrechenden Einnahmen und Investitionen im Bergbausektor zu mildern. Bolivien, Paraguay und Uruguay konnten die Effekte der rückläufigen Rohstoffpreise ebenfalls auffangen. Voraussetzung für ein kräftigeres Wachstum wäre in all diesen Ländern eine deutliche Produktivitätssteigerung, verbunden mit Reformen, zum Beispiel im Bildungs- und Gesundheitsbereich, Massnahmen für Infrastrukturverbesserungen und in einigen Fällen ein erleichterter Zugang zu Energie.

Der Bundesrat entwickelte 2006 für Brasilien und 2007 für Mexiko eine Aussenwirtschaftsstrategie. Seit 2013 ist die Schweiz ausserdem Beobachterstaat bei der Pazifikallianz. Im Rahmen der EFTA wurden seit 2010 mit Chile, Costa Rica, Kolumbien, Mexiko, Panama und Peru Freihandelsbeziehungen aufgebaut. Im Berichtsjahr führte die EFTA mit den Mercosur-Staaten96 erste exploratorische Gespräche, und ein Protokoll über den Beitritt Guatemalas zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTA- und den zentralamerikanischen Staaten wurde unterzeichnet.97 Für 2016 ist die Aufnahme von Verhandlungen über ein FHA zwischen der EFTA und Ecuador vorgesehen (vgl. Ziff. 4.1.3).

Mit Blick auf den gesamten amerikanischen Kontinent gilt es daran zu erinnern, dass die USA auf dem Doppelkontinent mit Abstand der grösste Handelspartner der Schweiz und nach Deutschland der zweitwichtigste Exportmarkt weltweit ist.

96 97

924

Gespräche auf Basis einer Zusammenarbeitserklärung aus dem Jahr 2000 zwischen den EFTA-Staaten und Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

Die Botschaft mit Antrag zur Genehmigung des unterzeichneten Protokolls findet sich in der Beilage (vgl. Ziff. 10.2.2)

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7.4

Asien98

Die Entwicklung der Weltwirtschaft seit dem Jahr 2000 ­ und verstärkt seit der globalen Finanzkrise ­ war geprägt vom überdurchschnittlichen Wachstum der asiatischen Schwellenländer und besonders der beiden BRICS-Staaten China und Indien. China entwickelte sich seit seinem Beitritt zur WTO im Jahr 2001 zu einem Hub der regionalen Produktion, der Endfertigung und der Wiederausfuhr zu den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern vorwiegend in den westlichen Staaten, zunehmend aber auch in den übrigen Schwellen- und Entwicklungsländern auf allen Kontinenten.99 Mit einem Handelsvolumen von 29 resp. 21 Milliarden Schweizerfranken (2014) befanden sich China und Indien auf dem sechsten respektive achten Rang der Handelspartner der Schweiz.

Während der letzten fünf Jahre und besonders auch im Berichtsjahr zeigte sich eine deutliche Verlangsamung des Wachstums der chinesischen Wirtschaft auf Werte um sechs bis sieben Prozent. Die Ursachen für diese von der chinesischen Regierung als «neue Normalität» («new normal») bezeichnete Entwicklung waren vielfältig.

Einerseits zog die Nachfrage nach chinesischen Produkten in den Hauptabsatzmärkten nach der Wirtschaftskrise noch nicht im erwarteten Mass an, während sich in China gleichzeitig der demographische Wandel hin zu einer alternden Gesellschaft zu manifestieren begann und die Verschuldungsrate des privaten wie des öffentlichen Sektors (besonders auf Provinz- und Gemeindeebene) überdurchschnittlich stark zunahm. Andererseits bewegten weiter steigende Lohnstückkosten, aber auch wenig transparente Regulierungen viele internationale Unternehmen dazu, ihre Produktion zu verlagern. Dabei liessen sich sowohl weiteres «Offshoring» von arbeitsintensiven Prozessen vor allem nach Südostasien, wie auch «Reshoring» (Rückverlagerung von Produktionsschritten z. B. in die USA) oder «Nearshoring» (Verlagerung in dem Hauptsitz nahegelegene Länder z. B. jene Osteuropas oder Lateinamerikas) beobachten.

Die Wachstumsabschwächung der unterdessen grössten Volkswirtschaft der Welt (BIP nach Kaufkraftparität) wirkte sich besonders auf die Staaten der Region aus.

Als Folge der Entwicklung Chinas zum regionalen Hub sahen sich die Zulieferer mit einer sinkenden Nachfrage sowohl nach Rohstoffen (z. B. Indonesien, Malaysia, aber auch Australien und Neuseeland) als auch nach Halbfabrikaten
(z. B. Philippinen, Thailand, und im Hochtechnologiebereich z. B. Japan und Südkorea) konfrontiert. Auch die Schweizer Industrie spürte die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft bei der Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern. Allerdings wurden diese Auswirkungen dank dem am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Freihandelsabkommens Schweiz­China gemildert.

Im Gegensatz zu China bleibt Indien weiterhin stark agrarisch geprägt und ist nach wie vor weniger in die globalen Handelsströme integriert. Weiterbestehende Hürden im Binnenmarkt und hohe administrative Hemmnisse stellen Schweizer Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Während Indiens Wachstum im Berichtsjahr 98

99

Dieses Kapitel versteht sich auch als Ergänzung der Beantwortung des Postulats 14.3263 Aeschi Thomas «Die Schweiz im asiatischen Zeitalter» im Bericht zur Aussenpolitik 2015, BBl 2016 593.

Vgl. Ziff. 7.3 im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2013, BBl 2014 1185.

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weiter stieg, erschwerten Faktoren wie Infrastrukturdefizite den Markteintritt für ausländische Investoren. Um den tiefen Anteil des verarbeitenden Sektors an der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, lancierte die indische Regierung ein Programm unter dem Slogan «Make in India», dessen Auswirkungen auch auf Schweizer Unternehmen noch nicht vollumfänglich absehbar sind.

Trotz dieser teils gegenläufigen Entwicklungen in den beiden grössten asiatischen Ländern hat die wirtschaftliche Bedeutung Asiens in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark zugenommen ­ sei dies als Absatzmarkt oder als Investitions- und Produktionsstandort oder als Lieferant für industrielle Halbfabrikate. Auch bei den Schweizer Direktinvestitionen zeigt sich die zunehmende Bedeutung Asiens. Während der Kapitalbestand noch sichtbar hinter jenem in Nord- und Lateinamerika zurückliegt, fliessen unterdessen mehr Kapitalexporte nach Asien.

In seiner «Asienstrategie» wies das WBF (damals Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement) 2010 auf ein Klumpenrisiko für die Schweizer Wirtschaft durch Konzentration auf einzelne, grosse asiatische Länder (v. a. China und Japan) hin.100 Die Schweiz richtete deshalb während der letzten Jahre ihre aussenwirtschaftspolitischen Prioritäten stärker auch auf andere aufstrebende asiatische Märkte aus, neben Südkorea und Indien insbesondere auch auf südostasiatische Länder wie Indonesien, Malaysia und Vietnam. Die in diesem Zusammenhang ergriffenen Massnahmen erstreckten sich von der Schaffung günstiger Rahmenbedingungen zum Beispiel durch das Aushandeln neuer Freihandelsabkommen bis hin zur spezifischen Ausrichtung der Schweizer Handelsdiplomatie (etwa die Eröffnung des Schweizerischen Generalkonsulats in Ho Chi Minh City, Vietnam, im Juni).

Die Herausforderungen für Schweizer Unternehmen in den verschiedenen asiatischen Märkten bleiben beträchtlich. Selbst wenn die Zollbarrieren zum Beispiel aufgrund von Freihandelsabkommen gefallen sind, zeigen sich vielerorts protektionistische Tendenzen,­ ein Phänomen, das allerdings nicht nur in Asien zu beobachten ist. Dies betrifft häufig das öffentliche Beschaffungswesen, bei welchem ausländische Unternehmen, beziehungsweise im Ausland hergestellte Waren diskriminiert werden. Diverse Länder kennen zudem Investitionsschranken, welche im Rahmen der sich wandelnden
Industriepolitik Änderungen unterliegen, was die Investitionsrisiken erhöht. Ein grosses Problem für die Schweizer Wirtschaft, insbesondere für die pharmazeutische Industrie, ist zudem der in den meisten asiatischen Ländern mangelhafte Schutz des geistigen Eigentums. Weitere Erschwernisse in verschiedenen Ländern Asiens sind Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung (etwa im Bereich internationaler Schiedsgerichtssprüche), nationale technische Normen, die von internationalen Standards abweichen, und in einzelnen Ländern hohe regulatorischen Hürden als Spätfolge einst stark gelenkten Volkswirtschaften.

Asien bietet der innovativen und qualitätsbewussten Schweizer Wirtschaft aber auch im Zuge der «neuen Normalität» weiterhin grosses Potenzial für den Absatz von Investitions- und Konsumgütern, besonders im Hochqualitäts- und LuxusgüterSegment. Der Bundesrat ist deshalb bestrebt, die Schweizer Handelsdiplomatie insbesondere in aufstrebenden Schwellenländern und Märkten ausserhalb Europas weiter zu stärken.

100

926

Vgl. Ziff. 7.3 im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, BBl 2015 1457.

BBl 2016

7.5

Afrika

Als zweitgrösste Volkswirtschaft nach Nigeria und nach wie vor wichtigste Destination für ausländische Direktinvestitionen auf dem afrikanischen Kontinent positionierte sich Südafrika bis anhin als wirtschaftliches Eingangstor für die Erschliessung anderer Märkte in Afrika.101 Die wirtschaftliche und aussenpolitische Führungsrolle, welche Südafrika für sich beansprucht, wird durch verhältnismässig gute Rahmenbedingungen, so insbesondere das ausgebaute Infrastrukturnetz, einen diversifizierten Dienstleistungssektor und leistungsstarke, urbane Wirtschaftszentren wie Johannesburg, Kapstadt und Durban, begünstigt. Südafrikas wirtschaftliche Verflechtung mit dem restlichen Afrika manifestiert sich daneben insbesondere in einer ausgeprägten Vernetzung südafrikanischer Direktinvestitionen innerhalb des Kontinents.102 Damit einhergehend bindet Südafrika andere Länder an globale Handelsund Finanzströme an und übernimmt eine zentrale Rolle bei der Einbindung der Region in die Weltwirtschaft. Als wirtschaftliches Schwergewicht der Southern African Customs Union (SACU)103 und der Southern African Development Community (SADC)104 bestimmt Südafrika zudem den Prozess der regionalen Integration massgeblich mit. Diesen ökonomisch bedeutsamen Errungenschaften stehen heute allerdings ein tiefes Wirtschaftswachstum und eine hohe Arbeitslosigkeit gegenüber.

Die Ursachen für die anhaltende Wachstumsschwäche der südafrikanischen Wirtschaft sind unterschiedlich, lassen sich aber insbesondere auf strukturelle Faktoren wie eine tiefe Arbeitsproduktivität, Streiks und Elektrizitätsengpässe zurückführen.

Aufgrund seiner Positionierung als Hub in Subsahara-Afrika und seiner relativ fortgeschrittenen wirtschaftlichen Entwicklung weist Südafrika ein grosses Potenzial für Schweizer Unternehmen auf. Mit einem bilateralen Handelsvolumen von 2,9 Milliarden Schweizerfranken (Schätzung der Eidgenössischen Zollverwaltung, 2014) befand sich Südafrika auf dem 29. Rang der Handelspartner der Schweiz und blieb damit der wichtigste in Afrika. Zudem war Südafrika mit einem Kapitalbestand von 2,2 Milliarden Schweizerfranken (Schätzung der Schweizerischen Nationalbank, 2013) die bedeutendste Destination für schweizerische Direktinvestitionen auf dem Kontinent, obwohl der Bestand der schweizerischen Direktinvestitionen seit 2008 (8,9 Milliarden
Schweizer Franken) kontinuierlich zurückgegangen ist. Südafrika ist zudem ein Schwerpunktland der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz ebenso wie im Bereich der (Berufs-) Bildung, Forschung und Innovation.

Während sich die Schweizer Wirtschaft bis anhin stark auf Südafrika konzentrierte, schritt die wirtschaftliche Entwicklung anderer Länder in Subsahara-Afrika voran.

Dies zeigt sich in einem relativ hohen Durchschnittswachstum von fünf Prozent (2014). Das für Südafrika geschätzte Wachstum lag mit 1,5 Prozent deutlich tie-

101

UNCTAD, World Investment Report 2015. Gemessen am Kapitalstock der ausländischen Direktinvestitionen.

102 Ebd.

103 Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland.

104 Angola, Botswana, DRK, Lesotho, Madagaskar, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Südafrika, Swasiland, Tansania.

927

BBl 2016

fer.105 Für die gesamte Region dürfte die Fortsetzung dieses relativ hohen Durchschnittswachstums schwierig sein. So sind neben Südafrika auch zahlreiche andere Länder Subsahara-Afrikas wirtschaftlich eng mit weiteren BRICS-Staaten wie Brasilien und China verbunden. Die Verlangsamung des Wachstums Chinas als insgesamt wichtigster Handelspartner Subsahara-Afrikas hat gemäss Prognosen des IWF negative Auswirkungen auf die Wachstumsperspektiven der Region. Neben einer sinkenden Nachfrage nach Exportprodukten, einer gedämpften Konjunkturaussicht in Europa und den Sicherheitsrisiken in verschiedenen Teilen des Kontinents, bestehen aufgrund der derzeit tiefen Rohstoffpreise insbesondere für ölproduzierende Länder markante Risiken.106 Diese Entwicklungen potenzieren die Herausforderung dieser Länder, ihre Exporte und Produktionsstrukturen zu diversifizieren und die Integration in globale Handelsnetzwerke zu erhöhen.

Auch wenn die Barrieren für die Schweizer Wirtschaft in dieser Region nach wie vor beträchtlich sind, richtet die Schweiz ihr Augenmerk vor dem oben beschriebenen Hintergrund auf weitere Länder Subsahara-Afrikas. So strebt die EFTA eine Zusammenarbeit mit der East African Community (EAC)107 und mit Nigeria im Bereich des Handels an (vgl. Ziff. 4.1.3). Die bevorstehende Eröffnung eines Schweizerischen Generalkonsulats in Lagos mit Schwerpunkt Wirtschaft und Handel entspricht einem wichtigen Anliegen der Schweizer Privatwirtschaft.

Ebenfalls von Bedeutung für die Schweiz ist die MENA-Region (Nahost und Nordafrika; Middle East & North Africa). So lag beispielsweise das Handelsvolumen der Schweiz mit den nordafrikanischen Staaten im Jahr 2014 über demjenigen mit Brasilien, dies trotz der Umwälzungen im nordafrikanischen Raum. Auch das Volumen der Schweizer Exporte in die Vereinigten Arabischen Emirate war grösser als beispielsweise dasjenige nach Brasilien, Russland und Südafrika zusammen.

105 106 107

928

IWF, Regional Economic Outlook Subsaharan Africa 2015.

Ebd.

Burundi, Kenia, Ruanda, Tansania, Uganda.

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7.6

Wichtigste Wirtschaftsmissionen und weitere bilaterale Arbeitstreffen

Land

Europa Deutschland

Arbeitstreffen des WBF-Vorstehers Johann N.

Schneider-Ammann mit Vizekanzler Sigmar Gabriel (22. Januar).

Frankreich

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers bei Wirtschaftsminister Emmanuel Macron (2. April).

Ungarn

Wirtschaftsmission der SECO ­Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch (4. und 5. Mai).

Estland, Lettland, Litauen

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin (18.­22. Mai).

Liechtenstein

Arbeitsbesuch des Regierungschef-Stellvertreters Thomas Zwiefelhofer beim WBF-Vorsteher (20. August).

Luxemburg

Arbeitsbesuch der SECO Staatssekretärin (1. Oktober).

Serbien

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers bei Premierminister Aleksander Vucic (30. Oktober).

Vereinigtes Königreich

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers bei Staatsminister Lord Francis Maude (2. November).

Polen

Arbeitsbesuch des Vizepremier- und Wirtschaftsministers Janusz Piechochinski beim WBFVorsteher (5. November).

Deutschland, Österreich, Liechtenstein

Jährliches Vierertreffen der Wirtschaftsminister in Deutschland (19.­20. November).

929

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Land

Weltweit USA

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers bei Handelsministerin Penny Pritzker und Arbeitsminister Thomas Perez (13. Januar).

Kombinierte Wirtschafts- und Wissenschaftsmission des WBF-Vorstehers mit Beteiligung aus Privatsektor und Wissenschaft (5.­10. Juli).

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (19. November).

China

Arbeitsbesuch von Handelsminister Gao Hucheng beim WBF-Vorsteher (20. Januar).

Marokko

Arbeitsbesuch von Aussenhandelsminister Mohamed Abbou beim WBF-Vorsteher (6. Februar).

Côte d'Ivoire

Arbeitsbesuch von Handelsminister Jean-Louis Billon beim WBF-Vorsteher (26. Februar).

Indonesien, Malaysia

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (20.­24. April).

Ecuador

Arbeitsbesuch von Aussenhandelsminister Diego Aulestia bei der SECO-Staatssekretärin (8. Mai).

Indien

Wirtschaftsmission des WBF-Vorstehers (15.­17. Mai).

Brasilien, Ecuador

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (29. Juni­3. Juli).

Vietnam

Arbeitsbesuch von Vizepremierminister V Vn Ninh beim WBF-Vorsteher (16. September).

Tunesien

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin (26.­28. Oktober).

Algerien

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin (9.­11. November).

930

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8

Exportkontroll- und Embargomassnahmen

8.1

Exportkontrollpolitik und -massnahmen

Am 30. April trat der Vertrag über den Waffenhandel für die Schweiz in Kraft.

Anlässlich der ersten Vertragsstaatenkonferenz im August in Mexiko wählten die Vertragsstaaten Genf als Sitz des ständigen Sekretariats. Durch die Anpassung der Kriegsmaterialverordnung vom 25. Februar 1998108 (KMV) wurde eine explizite Regelung für die Durchfuhr von Kriegsmaterial mit Zivilluftfahrzeugen durch den Schweizer Luftraum geschaffen. Der Bundesrat erliess am 13. Mai eine verfassungsunmittelbare Verordnung über die Ausfuhr oder die Vermittlung von Gütern zur Mobilfunk- und Internetüberwachung. Gestützt darauf kann die Ausfuhr und die Vermittlung solcher Güter verweigert werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass sie als Repressionsmittel missbraucht werden sollen.

8.1.1

Internationale Entwicklungen und Umsetzung

Umsetzung des Waffenhandelsvertrags Am 30. April trat der Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT)109 für die Schweiz in Kraft. Damit einigte sich die Staatengemeinschaft erstmals auf eine völkerrechtlich verbindliche internationale Regelung des grenzüberschreitenden Handels mit konventionellen Waffen. Die Schweiz hatte während den Vertragsverhandlungen eine aktive Rolle wahrgenommen. Ende 2015 war der ATT von 130 Staaten unterzeichnet und von 78 Staaten ratifiziert110.

An der ersten Vertragsstaatenkonferenz des ATT vom 24. bis 27. August in Mexiko beschlossen die Vertragsstaaten, das ständige Sekretariat des Vertrags, welches die Vertragsstaaten bei der wirksamen Umsetzung der Vertrags unterstützt, in Genf anzusiedeln. Ferner wurden Verfahrens- und Finanzregeln zur effektiven Umsetzung des Vertrags verabschiedet.

8.1.2

Massnahmen auf nationaler Ebene

Verordnung über die Ausfuhr und Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung Im Dezember 2013 hatte sich die Schweiz mit ihren Partnerstaaten im Rahmen der Vereinbarung von Wassenaar111 darauf geeinigt, Güter zur Kommunikationsüberwachung umfassend der Exportkontrolle zu unterstellen. Diese Güter sind einerseits effektive Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus und des organisierten Verbre108 109 110 111

SR 514.511 SR 0.518.61 Stand Dezember 2015 (www.un.org/disarmament/ATT).

www.wassenaar.org/.

931

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chens. Anderseits besteht die Gefahr, dass solche Güter als Repressionsmittel eingesetzt werden. Zur Umsetzung des Beschlusses der Wassenaar-Staaten erliess der Bundesrat am 13. Mai die Verordnung über die Ausfuhr und Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung112. Die Verordnung stützt sich als verfassungsunmittelbare Verordnung direkt auf Artikel 184 Absatz 3 Bundesverfassung113 (BV). Auf Grundlage dieser Verordnung können Bewilligungen für die Ausfuhr oder die Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung verweigert werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die auszuführenden Güter zur Internet- und Mobilfunküberwachung als Repressionsmittel verwendet werden sollen (Art. 6 Abs. 1 Bst. a). Aufgrund ihres verfassungsunmittelbaren Charakters ist die Verordnung auf vier Jahre befristet.

Anpassung der Kriegsmaterialverordnung im Bereich Transit von Zivilflugzeugen mit Kriegsmaterial an Bord Die Praxis im Zusammenhang mit der Durchfuhr von Kriegsmaterial durch den Schweizer Luftraum mit Zivilluftfahrzeugen richtete sich bisher nach den Kriterien, die für den Transit zu Land und für die Ausfuhr von Kriegsmaterial gelten, da eine spezielle Regelung fehlte. Im Berichtsjahr schloss der Bundesrat diese Regelungslücke, indem er die Kriegsmaterialverordnung vom 25. Februar 1998114 (KMV) revidierte. Seit 1. Oktober werden Kriegsmaterialdurchfuhren durch den Schweizer Luftraum mit Zivilluftfahrzeugen bewilligt, wenn sie weder internationalen Verpflichtungen, noch den Grundsätzen des Völkerrechts oder der Schweizer Aussenpolitik widersprechen. Zusätzlich werden die in Artikel 5 KMV für alle Kriegsmaterialgeschäfte geltenden Bewilligungskriterien zur Beurteilung herbeigezogen.

Anders als für Aus- oder Durchfuhren auf dem Landweg kommt den Kriterien in Artikel 5 Absatz 2 KMV aber kein zwingender Charakter zu.

Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die privaten Sicherheitsdienstleistungen Das Bundesgesetz vom 27. September 2013115 über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) trat am 1. September in Kraft. Am 24. Juni116 erliess der Bundesrat die zugehörige Verordnung (VPS), in welcher die Politische Direktion des EDA als zuständige Behörde gemäss Gesetz bestimmt wird.

Das BPS regelt die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen im Ausland. Der
objektive Geltungsbereich des BPS hat gewisse Berührungspunkte zum Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 1996117, zum Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 1996118 (GKG) und zum Embargogesetz vom 22. März 2002119 (EmbG), weshalb Artikel 16 BPS die Koordination des Verfahrens durch eine beteiligte Behörde vorsieht.

112 113 114 115 116 117 118 119

932

SR 946.202.3 SR 101 AS 2015 2943 SR 935.41 SR 935.411 SR 514.51 SR 946.202 SR 946.231

BBl 2016

Exportkontrolltagung des SECO Am 4. November führte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Bern zum zweiten Mal eine Exportkontrolltagung durch, die wie im Vorjahr auf grosses Interesse der Industrie stiess. Schwerpunkte des Anlasses bildeten die Bewilligungspraxis des SECO sowie nationale und internationale Entwicklungen im Bereich der Exportkontrolle.

Die wichtigsten Zahlen zu den von Oktober 2014 bis September 2015 erfolgten Ausfuhren für doppelt verwendbare und besondere militärische Güter im Rahmen des GKG sind der Beilage 10.1.3. zu entnehmen.

8.2

Embargomassnahmen

Mit der am 14. Juli zwischen der E3/EU+3 (China, Russland, USA, Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich und die EU) und dem Iran erzielten Einigung in den Nuklearverhandlungen wurde der Grundstein für die künftige Aufhebung eines Grossteils der Sanktionen gegenüber dem Iran gelegt. Weiterhin im Vordergrund standen auch die Entwicklungen in der Ukraine und die von der Schweiz getroffenen Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung diesbezüglicher internationaler Sanktionen. Zudem erliess der Bundesrat im Berichtsjahr zwei neue Sanktionsverordnungen gegenüber dem Südsudan bzw. Burundi.

8.2.1

Zunehmende Bedeutung von Sanktionsmassnahmen

Die Schweiz ist völkerrechtlich verpflichtet, vom UNO-Sicherheitsrat beschlossene Sanktionen umzusetzen. Im Gegensatz dazu gibt es keine Verpflichtung, ausserhalb des UNO-Rahmens erlassene, unilaterale Sanktionen zu übernehmen. Dennoch stellt sich für die Schweiz regelmässig die Frage, ob und in welcher Form sie sich den Sanktionsmassnahmen der wichtigsten Handelspartner, insbesondere der EU, anschliesst. Der Bundesrat trifft diese Entscheidung nach einer umfassenden und oft komplexen Güterabwägung nach aussenpolitischen, aussenwirtschaftspolitischen und rechtlichen Kriterien. In der Vergangenheit schloss sich der Bundesrat in den meisten Fällen den von der EU erlassenen Sanktionsmassnahmen an. In Einzelfällen übernahm er die Sanktionen der EU nur teilweise (Beispiel: Iran) oder gar nicht (Beispiel: Russland). Stattdessen ergriff der Bundesrat in diesen Fällen Massnahmen, um Umgehungsgeschäfte über die Schweiz zu verhindern (vgl. Ziff. 8.2.2).

Die Sanktionspolitik der Schweiz wird international durch die wichtigsten Handelspartner und durch die mit Sanktionen belegten Staaten aufmerksam verfolgt. Die von der Schweiz getroffenen Massnahmen und deren Umsetzung sind daher regelmässig Gegenstand von Anfragen und Gesprächen mit diesen Ländern. Insbesondere in jenen Fällen, in welchen die schweizerische Sanktionspolitik von jener der EU abweicht, pflegt die Bundesverwaltung diesen Austausch mit allen involvierten Parteien, um Verständnis für die Schweizer Politik zu schaffen.

933

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Die Bedeutung von Sanktionsmassnahmen als Instrument zur Eindämmung und Lösung von internationalen Konflikten wird zunehmend grösser. Sanktionen bleiben vermehrt über lange Zeit bestehen, folglich nimmt die Anzahl von Sanktionsregimes und deren Komplexität laufend zu. Gestützt auf das EmbG sind heute 24 Sanktionsverordnungen in Kraft. Die zunehmende Anzahl und Komplexität, sowie die häufigen Änderungen von Sanktionsregimes stellen hohe Anforderungen an die mit der Umsetzung betrauten Stellen in der Bundesverwaltung und in der Privatwirtschaft.

8.2.2

Embargomassnahmen der UNO und der wichtigsten Handelspartner der Schweiz

Massnahmen bezüglich Ukraine und Russland Der Bundesrat führte seine Politik weiter, die Sanktionen der EU gegenüber Russland nicht zu übernehmen, jedoch alle notwendigen Massnahmen zu treffen, um Umgehungsgeschäfte über die Schweiz zu vermeiden. So beschloss er, die Verordnung vom 27. August 2014120 über Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine am 6. März unter anderem bezüglich der Krim und Sewastopol anzupassen.121 Damit erweiterte er bereits bestehende Massnahmen in den Bereichen Investitionen, Tourismus sowie Bau- und Ingenieursdienstleistungen, die er als Folge der NichtAnerkennung der Annexion der Krim durch Russland erlassen hatte. Gestützt auf seinen Beschluss von Ende August 2014, Kriegsmaterialexporte und -importe aus Russland und der Ukraine gänzlich zu untersagen, erliess der Bundesrat am 1. Juli ein Verbot für die Einfuhr von Feuerwaffen sowie deren Bestandteilen und Zubehör aus Russland und der Ukraine122. Mit dieser punktuellen Ergänzung stellte der Bundesrat sicher, dass die Sanktionen der EU nicht über die Schweiz umgangen werden können. Aus neutralitätspolitischen Gründen wurde diese Ergänzung sowohl gegenüber Russland wie auch gegenüber der Ukraine erlassen.

Die im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine beschlossenen Massnahmen werden regelmässig auf ihre Wirksamkeit überprüft. Bisher gab es keine Hinweise darauf, dass die in der Verordnung festgelegten Verbote, Bewilligungs- und Meldepflichten nicht eingehalten und über die Schweiz Umgehungsgeschäfte getätigt wurden. Das SECO ist insbesondere im Finanzbereich mit vielen, zum Teil komplexen Anfragen zur Vereinbarkeit bestimmter Geschäftsbeziehungen mit den internationalen Sanktionen konfrontiert. Banken und andere Unternehmen verhalten sich im gegenwärtigen Umfeld sehr vorsichtig.

Sanktionen gegenüber dem Iran Nachdem die Nuklearverhandlungen zwischen dem Iran und den E3/EU+3 (China, Russland, USA, Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich und die EU) im November 2013 zu einem Interimsabkommen geführt hatten, verkündeten die Parteien nach mehrmaliger Verlängerung der Verhandlungen am 14. Juli die Einigung 120 121 122

934

SR 946.231.176.72 AS 2015 809 AS 2015 2311

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über einen Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA). Der JCPOA ermöglicht dem Iran ein limitiertes Anreicherungsprogramm, dessen friedlicher und ziviler Charakter mit aufwändigen Inspektionsmassnahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation (International Atomic Energy Agency, IAEA) verifiziert werden soll. Im Gegenzug sollen die Sanktionen der UNO, der USA und der EU weitgehend gelockert werden. Die Resolution 2231 (2015) des UNO-Sicherheitsrates vom 20. Juli123 verlieh dem JCPOA völkerrechtliche Wirksamkeit und regelt die zukünftige Aufhebung der multilateralen Sanktionen. Der JCPOA wurde am 18. Oktober von den Verhandlungsparteien formell angenommen und soll voraussichtlich im ersten Halbjahr 2016, umgesetzt werden.

An diesem Datum wird ein Grossteil der internationalen Sanktionen gegenüber Iran aufgehoben beziehungsweise ausgesetzt werden, wobei vorerst gewisse Massnahmen bezüglich Non-Proliferation und Terrorismus bestehen bleiben.

Wie die EU und die USA suspendierte die Schweiz ab Januar 2014 punktuell Sanktionen. Am 12. August beschloss der Bundesrat, die suspendierten Sanktionen ganz aufzuheben. Ausserdem führte er in der Verordnung vom 19. Januar 2011124 über Massnahmen gegenüber der Islamischen Republik Iran eine neue Ausnahmebestimmung für die Umsetzung des JCPOA ein. Der weitere Abbau der Schweizer Sanktionen soll in Übereinstimmung mit dem JCPOA und international konzertiert erfolgen. Die absehbare Aufhebung eines Grossteils der internationalen Sanktionen eröffnet der Schweiz neue Perspektiven für die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran. Sowohl für die schweizerische Finanz- wie auch für die schweizerische Exportwirtschaft weist der iranische Markt aufgrund des immensen Nachholbedarfs grosses Potenzial auf.

Übrige Sanktionsmassnahmen Der Bundesrat hob am 6. März125, die seit 1999 bestehende und mehrmals überarbeitete Verordnung vom 23. Juni 1999126 über Massnahmen gegenüber bestimmten Personen aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien auf. Seit Ende 2001 sah die Verordnung nur noch die Sperrung von Geldern und des Zahlungsverkehrs von 13 natürlichen Personen vor. Bei diesen handelte es sich um den ehemaligen Präsidenten Slobodan Milosevic, seine Familienangehörigen und Personen seines engsten Umfelds. Dem
SECO wurden keine gesperrten Gelder dieser Personen gemeldet.

Nachdem die EU ihre entsprechenden Sanktionen ebenfalls aufgehoben hatte, gab es keine Gründe mehr, diese Massnahmen weiterzuführen.

Angesichts der politischen und humanitären Krise in Südsudan erliess der Bundesrat am 12. August127 Finanz- und Reisesanktionen gegenüber bestimmten Personen aus Südsudan (Verordnung vom 12. August 2015128 über Massnahmen gegenüber der Republik Südsudan). Damit setzte er die Resolution 2206 (2015) des UNO-Sicher123

124 125 126 127 128

Die Texte der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sind unter folgender Adresse einsehbar: www.un.org > International Peace and Security > Security Council > Documents > Resolutions.

SR 946.231.143.6 AS 2015 935 AS 1999 2224, 2000 2589, 2001 110, 2002 238 3961, 2006 3727, 2013 255 AS 2015 2847 SR 946.231.169.9

935

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heitsrates vom 3. März um und verordnete parallel zur EU ein Rüstungsgüterembargo.

Zusätzlich erliess der Bundesrat am 4. Dezember die Verordnung über Massnahmen gegenüber Burundi129. Die Sanktionen wurden angesichts der Folgen des Putschversuchs im Frühjahr beschlossen. Sie stützen sich auf die Sanktionen der EU vom 1. Oktober. Dabei handelt es sich um die Sperrung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen dreier ranghoher Sicherheitsbeauftragter der aktuellen Regierung und eines Hauptakteurs des misslungenen Putsches.

In Anbetracht der Fortschritte beim Wiederaufbau Liberias entschied der UNOSicherheitsrat mit der Resolution 2237 (2015) vom 2. September, die Finanz- und Reiserestriktionen gegenüber bestimmten Personen und Organisationen aufzuheben.

Das Rüstungsgüterembargo bleibt hingegen weiterhin in Kraft. Der Bundesrat passte die Verordnung vom 19. Januar 2005130 über Massnahmen gegenüber Liberia am 14. Oktober131 entsprechend an. Die Aufhebung der Finanzsanktionen führte zu keiner Deblockierung von Vermögenswerten.

Am 3. März nahm wie schon der Nationalrat auch der Ständerat die Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats vom 31. Oktober 2014 (14.4001 «Kulturgüterraub in Syrien und Irak») an. Mit der Motion wurde der Bundesrat beauftragt, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit Kulturgüter aus Syrien und Irak nicht illegal in die Schweiz gelangen und dass für solche Güter ein Handelsverbot gilt. Die Forderungen der Motion wurden mit der Änderung der Verordnung vom 17. Dezember 2014132 über Massnahmen gegenüber Syrien erfüllt. Ferner wurde der Bundesrat beauftragt, einen Bergungsort (sog. «Safe Haven») für Kulturgüter aus Syrien und Irak einzurichten. Am 25. August informierten das EDA und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) die UNESCO über den in der Schweiz eingerichteten Bergungsort. Dieser steht bei Bedarf und in Absprache mit der UNESCO zur Verfügung.

Die übrigen Sanktionsverordnungen wurden weitergeführt und zum Teil angepasst.

8.2.3

Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

Die Schweiz beteiligt sich weiterhin am internationalen Zertifizierungssystem für Rohdiamanten des Kimberley Prozesses (KP). Ziel des KP ist es zu verhindern, dass Rohdiamanten aus Konfliktgebieten in den legalen Handel gelangen.

Die Schweiz stellte zwischen dem 1. Oktober 2014 und dem 30. September 2015 insgesamt 690 Zertifikate für Rohdiamanten aus. In dieser Zeitperiode wurden Rohdiamanten im Wert von 1,7 Milliarden US-Dollar (7 Mio. Karat) importiert, beziehungsweise in der Schweiz eingelagert und Rohdiamanten im Wert von 1,8 Milliarden US-Dollar (7 Mio. Karat) exportiert, beziehungsweise ausgelagert.

129 130 131 132

936

SR 946.231.121.8 SR 946.231.16 AS 2015 4065 SR 946.231.172.7

BBl 2016

Gemäss dem Entscheid des KP vom 17. Juli hob die Schweiz die Suspendierung des Imports von Rohdiamanten aus der Zentralafrikanischen Republik auf. Diese war aufgrund der politisch instabilen Lage im Mai 2013 verhängt worden. Die Wiederaufnahme der Rohdiamantenexporte durch die Zentralafrikanische Republik bleibt aber gewissen Bedingungen unterstellt und erfolgt unter internationaler Aufsicht.

Im Rahmen des KP wurde im Berichtsjahr die Geldwäscherei durch Rohdiamantenhandel diskutiert. Diese Thematik wird in Zukunft möglicherweise an Bedeutung gewinnen.

9

Standortförderung

9.1

Exportförderung und Exportrisikoversicherung

Am 15. Januar hob die Schweizerische Nationalbank den Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro auf. In der Folge verteuerten sich Schweizer Exporte von Waren und Dienstleistungen in die Eurozone deutlich, was die Schweizer Exporteure vor grosse Herausforderungen stellt. Die durch die nationale Exportförderung seit Längerem eingeführten Unterstützungsleistungen zur geografischen Risikodiversifikation gewannen dadurch weiter an Bedeutung, insbesondere für Märkte ausserhalb der Eurozone mit ebenfalls harten Währungen. Mit der Annahme der Botschaft vom 18. Februar 2015 über die Standortförderung 2016­2019133 durch das eidgenössische Parlament und der Erneuerung der entsprechenden Leistungsvereinbarung zwischen dem Bund und Switzerland Global Enterprise (S-GE) wurde die Exportförderung für die nächsten vier Jahre aufs Neue geregelt. Nach der 2014 erfolgten Revision des Exportrisikoversicherungsgesetzes vom 16. Dezember 2005134 (SERVG) beschloss der Bundesrat mit der Revision der Verordnung vom 25. Oktober 2006135 über die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV-V) im Berichtsjahr den zweiten Teil eines Massnahmenpakets, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) längerfristig gewährleistet werden soll. Dies kommt vor allem den exportierenden KMU zu Gute.

9.1.1

Exportförderung

Nach der Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank im Januar stand die Exportförderung ganz im Zeichen der Frankenstärke (vgl. Ziff. 1). Auf einen Schlag verteuerten sich exportierte Schweizer Waren und Dienstleistungen im Euro-Raum um über zehn Prozent. Als Folge stieg die

133 134 135

BBl 2015 2381 SR 946.10 SR 946.101

937

BBl 2016

Nachfrage nach den Dienstleistungen der vom Bund mit der Exportförderung beauftragten Switzerland Global Enterprise (S-GE) stark.

S-GE passte ihr Informations- und Beratungsangebot rasch an die veränderten Bedürfnisse an. So empfahl sie ihren Kunden beispielsweise, noch stärker in die Qualität der Produkte zu investieren, die Absatzmärkte weiter zu diversifizieren, Kosten zu senken ­ unter anderem durch eine konsequentere Nutzung bestehender Freihandelsabkommen sowie durch vermehrte Nutzung von Vorleistungen aus dem Euroraum ­ und sich am Devisenmarkt gegen Wechselkursrisiken abzusichern. Ziel ist es, Exportausfälle, Auslandverlagerungen oder gar Betriebseinstellungen möglichst zu vermeiden, indem sich Schweizer Unternehmen noch besser in internationale Wertschöpfungsketten eingliedern, d. h. ihre Attraktivität als Partner ihrer ausländischen vorgelagerten Zulieferer und nachgelagerten Abnehmer stärken.

Im Berichtsjahr beschlossen die eidgenössischen Räte, die Exportförderung in der Leistungsperiode 2016­2019 mit gegenüber der Vorperiode aufgestockten Mitteln fortzuführen. Für die nächsten vier Jahre wurden für die Tätigkeit der S-GE folgende Schwerpunkte gesetzt: 1) verstärkte Ausrichtung der Beratungstätigkeit auf die geografische Diversifikation von Absatzmärkten, 2) weitere Digitalisierung des Dienstleistungsangebots der S-GE und 3) verstärkte branchenspezifische Ausrichtung des Leistungsportfolios, insbesondere mittels Umsetzung eines CleantechExportförderprogramms.

9.1.2

Schweizerische Exportrisikoversicherung

Die SERV ist ein Instrument der Standortförderung der Schweiz. Sie unterstützt die Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Exporteure und trägt zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen bei.

Die vom Bundesrat im Juli beschlossenen Änderungen der SERV-V136 verbessern den Marktzugang für Schweizer Exporteure in strategischen Absatzmärkten. Die Änderungen betreffen die Wertschöpfungskriterien, die Deckungssätze, Nachhaltigkeitskriterien und den elektronische Zugang zur SERV. Für die Beurteilung von Exportgeschäften mit einem schweizerischen Wertschöpfungsanteil von weniger als 50 Prozent wurden Kriterien definiert, die den Exporteuren mehr Transparenz und erhöhte Planungssicherheit verschaffen. Durch die Optimierung der Deckungssätze wird eine Benachteiligung von kleineren und mittleren Exportgeschäften vermieden.

Die Informationspflichten des Antragsstellers im Bereich der Nachhaltigkeit wurden erhöht. Schliesslich besteht neu die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation zwischen der SERV und dem Versicherungsnehmer, was zur administrativen Entlastung der Unternehmen beiträgt. Insbesondere auch KMU erhalten dadurch einen vereinfachten Zugang zu den SERV-Dienstleistungen.

Mit der Revision der SERV-V wurde die zweite Etappe der Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der SERV beschlossen. In einer ersten Etappe wurde 2014 das SERVG teilrevidiert. Mit der Teilrevision werden die Fabrikationskreditversicherung, die Bondgarantie und die Refinanzierungsgarantie, bisher bis En136

938

AS 2015 2221

BBl 2016

de 2015 befristet, per 1. Januar 2016 unbefristet ins Gesetz aufgenommen. Weiter kann die SERV ihre Versicherungspolicen und Garantien neu in Form einer Verfügung gewähren, was ebenfalls zur administrativen Entlastung beitragen soll. Diese Änderungen der Rechtsgrundlagen traten per 1. Januar 2016 in Kraft.

9.1.3

Internationale Entwicklungen

Im Rahmen der OECD-Exportkreditgruppe wurden auf Initiative der USA und des Vereinigten Königreichs Verhandlungen aufgenommen, wie im Rahmen des sogenannten Arrangements der offiziell unterstützten Exportkredite Massnahmen ergriffen werden können, damit beim Export von Kohlekraftwerken der CO2-Ausstoss verringert werden kann. Für die Zielländer stellen die am wenigsten effizienten Kohlekraftwerke eine Möglichkeit dar, zu kostengünstiger Elektrizität zu kommen.

Dabei werden jedoch die Folgeschäden für die Umwelt nicht in Betracht gezogen.

Die SERV hatte in den vergangenen zehn Jahren keine Exporte von Kohlekraftwerken unterstützt. Mit Blick auf die Stärkung der erneuerbaren Energien unterstützt die Schweiz diesen Verhandlungsprozess und engagiert sich für eine umweltschonende Lösung. Weiter wurden im Rahmen des Arrangements erfolgreich Verhandlungen abgeschlossen, um die Finanzierungskonditionen für Exporte im Bereich Smart Grids zu verbessern. Die maximalen Finanzierungslaufzeiten wurden bei dieser innovativen Energietechnologie von zehn auf achtzehn Jahre verlängert. Damit werden Exporte für grössere Smart-Grid-Projekte leichter finanzierbar, was den Nachhaltigkeitsaspekt im Bereich der offiziellen Exportkreditfinanzierung stärkt.

9.2

Standortpromotion

Der internationale Standortwettbewerb intensivierte sich im Berichtsjahr weiter.

Zudem mehren sich Anzeichen, dass gewisse wirtschaftspolitische Entwicklungen in der Schweiz bei ausländischen Investoren Unsicherheiten wecken. Im Fokus der nationalen Standortpromotion stand im Berichtsjahr deshalb der gezielte Ausbau von Massnahmen im Bereich der Information und der QualitätsKriterien für Ansiedlungsprojekte. Mit der Annahme der Botschaft über die Standortförderung 2016­2019 durch das eidgenössische Parlament und der Erneuerung der Verträge zwischen dem Bund respektive den Kantonen und Switzerland Global Enterprise (S-GE) wurde die Standortpromotion für die nächsten vier Jahre auf eine erneuerte Basis gestellt.

Die Ansiedlung von innovativen und wertschöpfungsintensiven Firmen gibt dem Schweizer Denk- und Werkplatz wichtige Impulse und trägt zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz bei. Der internationale Wettbewerb zur Ansiedlung solcher Firmen spitzte sich im Berichtsjahr weiter zu. Auch stellten die Ansiedlungsspezialisten vermehrt fest, dass einzelne Themen wie die Unternehmenssteuer-

939

BBl 2016

reform III und der Verfassungsartikel über die Zuwanderung bei ausländischen Investoren zu Verunsicherung führen können.

Vor diesem Hintergrund gestaltet sich die Promotion des Unternehmensstandortes Schweiz zunehmend anspruchsvoll. S-GE, welche im Auftrag von Bund und Kantonen mit der nationalen Standortpromotion beauftragt ist, baute Grundlageninformationen zu den Standortvorteilen der Schweiz aus. Zudem wurden in ausgewählten Zielländern, beispielsweise in den USA, spezifische Promotionsprojekte lanciert.

Um den Schweizer Auftritt im Ausland noch einheitlicher zu gestalten, bettete S-GE vermehrt kantonale und regionale Vermarktungsinhalte in ihren Internet-Auftritt ein.

Des Weiteren wurde bei der Projektidentifikation der Fokus auf die Qualität der Ansiedlungsprojekte weiter verstärkt, u. a. mithilfe des im Vorjahr eingeführten Rating Systems, mit welchem die Kantone das Potenzial eines Ansiedlungsprojektes umfassend evaluieren können.

Die eidgenössischen Räte beschlossen im Berichtsjahr, die nationale Standortpromotion in der Legislaturperiode 2016­2019 im selben institutionellen Rahmen und mit einer gegenüber der Vorperiode real leicht erhöhten Mittelausstattung weiterzuführen. Auf dieser Grundlage erneuerten sowohl der Bund (WBF/SECO) als auch die Kantone die ­ aufeinander abgeglichenen ­ Leistungsvereinbarungen mit S-GE.

Darin wird die künftige Marktbearbeitung noch stärker auf innovative und wertschöpfungsintensive Wirtschaftszweige wie Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) oder Life Sciences ausgerichtet. Des Weiteren wird S-GE massgeschneiderte Promotionsaktivitäten durchführen, welche sich an Investoren und Multiplikatoren wie Branchenverbände richten, sowie die Vermittlung von Informationen über den Unternehmensstandort Schweiz gezielt ausbauen. Insgesamt sollen das Leistungsangebot und die Aktivitäten in den prioritären Zielmärkten (Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Indien, Italien, Japan, Russland und USA) in den kommenden vier Jahren noch flexibler gestaltet werden, um rascher auf internationale und nationale Entwicklungen reagieren zu können.

9.3

Tourismus

Die Aufhebung des Mindestkurses des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro zu Beginn des Berichtsjahrs verringerte auch die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Tourismus-Branche. Die Tourismusnachfrage entwickelte sich insgesamt leicht negativ. Für die Wintersaison 2015/2016 rechnet die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) im Schweizer Tourismus mit einer Stagnation.

Im Berichtsjahr beteiligte sich die Schweiz an der Erneuerung des Mandats des Tourismuskomitees der OECD für die Jahre 2017­2021. Der Schweiz wurde der Vorsitz der Europakommission der Welttourismusorganisation (UNWTO) übertragen.

940

BBl 2016

Seit dem Wegfall des Mindestkurses des Schweizerfrankens zum Euro zu Jahresbeginn verringerte sich die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Tourismus. Das schlug sich unter anderem in der Entwicklung der Hotellogiernächte nieder. Zwischen Januar und September nahmen diese um 0,5 Prozent ab. Eine detaillierte Betrachtung zeigt grosse Divergenzen zwischen den verschiedenen Herkunftsmärkten. Einerseits gingen die Hotellogiernächte aus den wichtigen Herkunftsländern der Eurozone stark zurück. Schwerwiegend war insbesondere der Rückgang bei den deutschen Gästen, der sich bis September in einem Minus von 11,9 Prozent niederschlug. Anderseits nahmen die Hotellogiernächte der Gäste aus China (+35,4 %), Indien (+24,2 %) und den Golf-Staaten (+23,2 %) stark zu. Damit setzte sich der Anstieg der Nachfrage aus diesen drei Wachstumsmärkten fort. Gemessen an den Hotellogiernächten ist China unterdessen der viertwichtigste ausländische Herkunftsmarkt. Die Golf-Staaten belegen Platz sechs und Indien Platz acht.

Gemäss Tourismusprognosen, welche die KOF im Auftrag des SECO erstellt, dürfte die Situation für den Tourismus bis auf Weiteres schwierig bleiben. Für die Wintersaison 2015/2016 erwartet die KOF eine stagnierende Entwicklung der Hotellogiernächte. Zudem ist ­ insbesondere aufgrund des starken Schweizerfrankens ­ bei den Tourismusunternehmen mit schwindenden Margen zu rechnen.

Die internationale tourismuspolitische Zusammenarbeit ist für die Schweizer Tourismuspolitik von grosser Bedeutung. Sie dient unter anderem als Radar für strategisch bedeutende Themen. Die Schweiz engagiert sich insbesondere im Tourismuskomitee der OECD sowie der UNWTO.

9.3.1

Tourismuskomitee der OECD

Das Tourismuskomitee der OECD setzt zurzeit das Arbeitsprogramm der Jahre 2015­2016 um. Dieses Arbeitsprogramm beinhaltet sechs Schwerpunktthemen. Aus Sicht der Schweiz ist insbesondere das Schwerpunktthema Innovative Financing Approaches for Tourism SMEs von Bedeutung. Die Finanzierung von Tourismusbetrieben stellt in der Schweiz eine grosse Herausforderung dar. Insbesondere besteht in der Ferienhotellerie eine Finanzierungslücke. Das Tourismuskomitee wird im Rahmen dieses Schwerpunktthemas bis Ende 2016 einen analytischen Bericht erstellen, der Ansätze zur Schliessung der Finanzierungslücke in der Ferienhotellerie aufzeigen soll. Die Schweiz trug im Berichtsjahr aktiv zur Erarbeitung dieses Berichts bei. Die Erkenntnisse aus den Arbeiten des Tourismuskomitees sollen der Schweizer Tourismus-Branche unter anderem mittels Tourismus-Newsletter des SECO vermittelt werden.

Die Schweiz beteiligte sich als Mitglied des Büros des Tourismuskomitees der OECD aktiv an der Erarbeitung der Grundlagen für die Erneuerung des Mandats des Tourismuskomitees für die Jahre 2017­2021. Dabei brachte die Schweiz insbesondere die Schlüsselthemen technologischer Wandel, Innovation, neue Wachstumsund Geschäftsmodelle sowie Saisonalität ein.

941

BBl 2016

9.3.2

Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO)

Die UNWTO analysiert aktuelle Themen des Tourismus, zeigt Best-PracticesBeispiele auf und erarbeitet Lösungsvorschläge für globale Herausforderungen.

Bundesrat Schneider-Ammann traf im April den Generalsekretär der UNWTO, Taleb Rifai, in Luzern. Anlässlich des Treffens zeigten sich beide Parteien mit der Zusammenarbeit zufrieden.

Die Schweiz wurde im September an der Generalversammlung der UNWTO in Medellín, Kolumbien, für die Jahre 2016­2017 zur Vorsitzenden der Europakommission der UNWTO gewählt. In dieser Funktion wird die Schweiz im kommenden Jahr einen Workshop für die europäischen Mitgliederländer der UNWTO organisieren, um die prioritären Aufgaben der Organisation für die Periode 2018­2019 zu diskutieren.

Die Generalversammlung der UNWTO bietet der Schweiz eine Plattform für die internationale tourismuspolitische Zusammenarbeit. An der Generalversammlung wurde das Arbeitsprogramm der UNWTO für die Jahre 2016­2017 mit den beiden strategischen Themen «Verstärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Qualität des Tourismus» sowie «Förderung der Nachhaltigkeit und der Ethik» verabschiedet. Zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der Qualität wird sich die UNWTO mit Themen wie der Verbesserung des Managements einer Destination, Produktentwicklung, Marketing, Vereinfachen von Reisemodalitäten, Reduktion der Saisonalität und tourismusfreundliche Fiskalpolitik befassen. Die Organisation wird weiterhin nützliche Marktinformationen wie zum Beispiel Markttrends und Prognosen erstellen. Die Förderung der Nachhaltigkeit und der Ethik im Tourismus betrifft Themen wie Tourismusförderung als Mittel zur Armutsbekämpfung und weitere für die Tourismuspolitik des Bundes wichtige Themen wie die Berücksichtigung des Klimawandels und die Integration des Tourismus in die lokale Wirtschaft.

Im Rahmen der Generalversammlung fand ein Forum mit der International Organization of Civil Aviation statt. Die beiden Organisationen beschlossen, Synergien zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus und der Zivilluftfahrt in Zukunft noch besser zu nutzen.

942

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10

Beilagen

10.1

Beilagen 10.1.1­10.1.3 Teil I:

Beilagen nach Artikel 10 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Kenntnisnahme)

943

BBl 2016

10.1.1

Finanzielles Engagement der Schweiz 2015 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken

Zahlungen der Schweiz an die Weltbank (in Mio. CHF)

Institutionelle Verpflichtungen IBRD-Kapitalanteil IFC-Kapitalanteil MIGA-Kapitalanteil IDA-Beiträge IDA-MDRI137 Spezielle Initiativen Global Environment Facility1 Konsulentenfonds und Secondments1 Gesamtzahlungen der Schweiz 1

2012

2013

2014

2015

282,0 0,0 0,0 0,0 259,0 23,0

298,4 12,2 2,1 0,0 259,6 24,5

286,2 12,2 0,0 0,0 248,5 25,5

258,7 12,2 0,0 0,0 218,8 27,7

28,9 28,5 0,4

28,5 28,5 0,0

29,3 29,0 0,3

30,5 30,2 0,3

310,9

326,9

315,5

289,2

Fonds werden von der Weltbank verwaltet (ab 2008 inkl. Young Professional Program)

Zahlungen der Schweiz an die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) (in Mio. CHF)

Institutionelle Verpflichtungen AfDB Kapitalanteil AfDF Beiträge AfDF-MDRI Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtzahlungen der Schweiz

137

944

MDRI = Multilateral Debt Relief Initiative

2012

2013

2014

2015

72,5 6,0 59,8 6,7

65,9 6,0 52,1 7,8

60,2 6,0 50,3 3,9

72,0 6,0 59,3 6,7

0,5 0,5

0,4 0,4

0,5 0,5

0,6 0,6

73,0

66,3

60,7

72,6

BBl 2016

Zahlungen der Schweiz an die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) (in Mio. CHF)

Institutionelle Verpflichtungen ADB Kapitalanteil ADF Beiträge Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtzahlungen der Schweiz

2012

2013

2014

2015

14,9 1,4 13,5

15,6 1,4 14,2

16,3 1,4 14,9

15,4 1,1 14,3

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

14,9

15,6

16,3

15,4

Zahlungen der Schweiz an die Interamerikanische Entwicklungsbank (in Mio. CHF) 2012

2013

2014

2015

Institutionelle Verpflichtungen IDB Kapitalanteil IIC Kapitalanteil FSO Beiträge

1,2 1,2 0,0 0,0

1,2 1,2 0,0 0,0

1,4 1,4 0,0 0,0

1,1 1,1 0,0 0,0

Spezielle Initiativen Beiträge an den MIF138 Konsulentenfonds und Secondments

1,5 1,0 0,5

1,6 1,2 0,4

0,8 0,8 0,0

0,6 0,6 0,0

Gesamtzahlungen der Schweiz

2,7

2,8

2,2

1,7

Zahlungen der Schweiz an die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (in Mio. CHF) 2012

2013

2014

2015

Institutionelle Verpflichtungen EBRD Kapitalanteil

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments

2,1 2,1

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

Gesamtzahlungen der Schweiz

2,1

0,0

0,0

0,0

138

Multilateral Investment Fund

945

BBl 2016

10.1.2

Bewilligungen für Versandkontrollen im Auftrag ausländischer Staaten

Die im Zusammenhang mit dem WTO-Übereinkommen vom 15. April 1994139 über Kontrollen vor dem Versand erlassene Verordnung vom 17. Mai 1995140 über die Durchführung von Versandkontrollen regelt die Zulassung, Durchführung und Überwachung solcher Kontrollen (v. a. Überprüfung der Qualität, der Menge und des Preises) im Auftrag ausländischer Staaten durch spezialisierte Versandkontrollgesellschaften in der Schweiz. Solche Gesellschaften benötigen pro Auftragsland eine Bewilligung des WBF.

Nach Artikel 15 der Verordnung ist jährlich eine Liste zu veröffentlichen, in welcher die Versandkontrollstellen, die über eine Bewilligung zur Vornahme von Versandkontrollen in der Schweiz verfügen, sowie die Länder, auf die sich die Bewilligung bezieht, aufgeführt sind.

Zurzeit verfügen vier Kontrollgesellschaften über solche Bewilligungen. Es sind Bureau Veritas Switzerland AG in Weiningen (Bureau Veritas), Cotecna Inspection SA in Genf (Cotecna), Intertek (Schweiz) AG in Basel (Intertek) und SGS Société Générale de Surveillance SA in Genf (SGS). Die entsprechenden Bewilligungen beziehen sich auf 18 Staaten, von denen drei nicht der WTO angehören. Nachfolgend sind die betreffenden Staaten und Versandkontrollstellen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet141 (Stand: 1. Dezember 2015)142.

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Angola Burkina Faso Guinea Haiti Indonesien

Bureau Veritas Cotecna Bureau Veritas SGS SGS Bureau Veritas SGS Bureau Veritas Cotecna SGS Bureau Veritas Bureau Veritas Bureau Veritas

28.02.2002 10.08.2004 30.05.2008 12.09.2003 09.04.2003 13.12.2011 01.03.2000 06.03.2001 10.02.2009 01.09.1996 24.03.2006 08.12.1997 20.02.2007

Iran (*)

Kamerun Kongo (Kinshasa) Liberia (*) Mali 139 140 141

SR 0.632.20, Anhang 1A.10 SR 946.202.8 Auf der Liste können auch Bewilligungen aufgeführt sein für Kontrollmandate, die sistiert, aber nicht beendet sind, und somit wieder operabel werden können.

142 Diese Liste findet sich auch auf Internetseite: www.seco.admin.ch > Themen > Aussenwirtschaft > Rechtliche Grundlagen.

946

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Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Mosambik Niger

Intertek Cotecna

27.03.2001 08.12.1997

Philippinen

Bureau Veritas Intertek Cotecna SGS Bureau Veritas Intertek SGS Bureau Veritas Bureau Veritas

13.12.2011 21.03.2012 22.08.2001 01.04.1999 02.01.2004 07.06.2000 10.04.2001 13.12.2011 02.01.2004

Senegal Tansania (nur Sansibar) Tschad Usbekistan (*)

Zentralafrikanische Republik

947

BBl 2016

10.1.3

Eckdaten zu Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

Vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2015 wurden gestützt auf die Güterkontrollverordnung vom 25. Juni 1997143 und die Chemikalienkontrollverordnung vom 21. August 2013144 die nachfolgend aufgeführten Ausfuhrgesuche oder der Meldepflicht unterstellten Ausfuhren behandelt (detaillierte Aufstellungen der erteilten Bewilligungen und Ablehnungen können auf der Webseite des SECO145 konsultiert werden): Güterkategorie

Anzahl

Wert in Mio. CHF

­ Anhang 2, Teil 1 GKV ­ Liste der Nukleargüter

100

26,7

­ Anhang 2, Teil 2 GKV ­ Liste der Dual-Use Güter

1 623

487,2

­ Anhang 3 GKV ­ Liste der besonderen militärischen Güter

419

1 402,3

­ Anhang 5 GKV ­ Güter, die nicht international abgestimmten Ausfuhrkontrollen unterliegen

542

7,6

­ Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) ­ Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit

37

0,07

­ Bewilligungen im Rahmen von Sanktionen

81

28,4

­ Meldepflichten

5 155

2 555,8

­ Einfuhrzertifikate

494

­

­ Generallizenzen ­ OGB ­ AGB ­ GAB

127 49 10

­ ­ ­

17

23,6

6

­

­ Abgelehnte Gesuche ­ Anzeigen an Bundesanwaltschaft BA

143 144 145

948

SR 946.202.1 SR 946.202.21 www.seco.admin.ch > Exportkontrollen.

BBl 2016

10.2

Beilagen 10.2.1­10.2.2 Teil II:

Beilagen nach Artikel 10 Absätze 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Genehmigung)

949

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950