16.028 Botschaft zur Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien vom 4. März 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen die Botschaft zur Genehmigung der Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, dem beiliegenden Bundesbeschluss zuzustimmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. März 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2013-3066

2223

Übersicht Mit der vorliegenden Botschaft beantragt der Bundesrat dem Parlament die Genehmigung des Protokolls zur Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien. Das Freizügigkeitsabkommen ist Bestandteil der Bilateralen I und stellt für die Schweiz einen wichtigen wirtschaftlichen Grundpfeiler dar. Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien ist eine Voraussetzung für die Weiterführung des bilateralen Weges.

Ausgangslage Die sieben sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) vom 21. Juni 1999 («Bilaterale I») sind am 1. Juni 2002 in Kraft getreten. Diese Abkommen und insbesondere die Personenfreizügigkeit (FZA) sind von besonderer Bedeutung für die Schweizer Volkswirtschaft.

Im Gegensatz zu den anderen zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossenen sektoriellen Abkommen wird das FZA nicht automatisch auf neue EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt, sondern bedingt den Abschluss eines zusätzlichen Protokolls, dessen Genehmigung dem fakultativen Referendum unterstellt ist. Die Ausdehnung des FZA auf die Staaten, welche der EU 2004 und 2007 beigetreten waren, erfolgte mit den Protokollen I und II zum FZA.

Mit dem EU-Beitritt von Kroatien am 1. Juli 2013 hat die EU ihre sechste Erweiterungsrunde abgeschlossen. Die Europäische Kommission hat am 9. Oktober 2012 ein offizielles Begehren gestellt, die Verhandlungen zur Ausdehnung des FZA auf Kroatien aufzunehmen. Am 25. April 2013 hat die erste Verhandlungsrunde zur Ausdehnung des FZA auf Kroatien in Brüssel stattgefunden. Nach der fünften Verhandlungsrunde konnte das Protokoll III zum FZA am 15. Juli 2013 paraphiert werden. Am 28. August 2013 genehmigte der Bundesrat das Protokoll III, dessen Unterzeichnung am 4. März 2016 erfolgt ist. Die in Protokoll III vorgesehenen Regelungen entsprechen weitgehend denjenigen, welche auch in den Protokollen I und II vereinbart worden waren. Das Verhandlungsmandat des Bundesrates konnte im Rahmen der Verhandlungen zur Ausdehnung des FZA auf Kroatien erfüllt, und die Verhandlungsziele konnten vollständig erreicht werden. Es konnte unter anderem eine klare Verbesserung des Ventilklausel-Mechanismus erreicht werden: Es wurde insbesondere eine Lösung gefunden, um für den Fall, dass die Voraussetzungen zur Anrufung der Ventilklausel nur für die B-Bewilligungen erfüllt sind, den
Umgehungseffekt über L-Bewilligungen zu beseitigen.

Inhalt der Vorlage Zusammen mit dem Protokoll III unterbreitet der Bundesrat dem Parlament die erforderlichen Anpassungen von insgesamt elf Bundesgesetzen zur Genehmigung.

Die Norm zur Anpassung ist bei allen Sozialversicherungsgesetzen identisch. Daher wurde entschieden, dass die Anpassung der verschiedenen Sozialversicherungsgesetze gleichzeitig erfolgen soll. Damit wird sichergestellt, dass die Aktualisierungen

2224

gleichzeitig erfolgen, da sie nicht abhängig von einer Revision des jeweiligen Sozialversicherungsgesetzes sind.

Zur Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung (BV) soll die Zuwanderung von Personen, für die das FZA sowie das EFTA-Übereinkommen gelten, durch eine Schutzklausel gesteuert werden können. Dabei wird eine einvernehmliche Lösung mit der EU angestrebt, welche die Vorgaben des FZA mit derjenigen der Schweizerischen Rechtsordnung in Einklang bringt. Damit sollte die Ratifikation von Protokoll III rasch erfolgen können.

Der Bundesrat unterbreitet den eidgenössischen Räten zeitgleich zur vorliegenden Botschaft eine separate Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen).

2225

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Rückblick 1.2 Ausdehnung des FZA auf Kroatien

2228 2228 2229

2

Verhandlungen 2.1 Verhandlungsmandat 2.2 Verhandlungsverlauf 2.3 Verhandlungsergebnis 2.4 Volksabstimmung vom 9. Februar 2014

2230 2230 2230 2231 2232

3

Vernehmlassungsergebnisse

2234

4

Inhalt des Protokolls 4.1 Personenfreizügigkeit im engeren Sinn 4.1.1 Schrittweiser Übergang zur Personenfreizügigkeit 4.1.2 Nicht kontingentierte Kurzaufenthaltsbewilligungen (weniger als 4 Monate) 4.1.3 Selbstständigerwerbende 4.1.4 Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer 4.2 Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken 4.3 Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit 4.3.1 Ausgangslage 4.3.2 Ziel und Verlauf der Verhandlungen 4.3.3 Verhandlungsergebnisse 4.4 Anerkennung von Berufsqualifikationen 4.4.1 Einführung 4.4.2 Ausdehnung des FZA im Bereich der Anerkennung von Berufsqualifikationen 4.4.3 Verhandlungsergebnis

2234 2234 2234

5

2236 2237 2237 2237 2238 2238 2239 2239 2241 2241 2242 2242

Bedeutung der Ausdehnung der Freizügigkeit auf Kroatien für die Schweiz aus wirtschaftlicher und europapolitischer Sicht

2243

6

Anpassung des schweizerischen Rechts 6.1 Personenfreizügigkeit im engeren Sinne 6.2 Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken 6.3 Soziale Sicherheit 6.3.1 Bundesrecht 6.3.2 Kantonales Recht 6.4 Anerkennung von Berufsqualifikationen

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7

Auswirkungen 7.1 Finanzielle Auswirkungen

2249 2249

2226

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7.2

8 9

7.1.1 Personenfreizügigkeit im engeren Sinn 7.1.2 Soziale Sicherheit 7.1.3 Anerkennung von Berufsqualifikationen Personelle Auswirkungen 7.2.1 Personenfreizügigkeit im engeren Sinne 7.2.2 Soziale Sicherheit 7.2.3 Anerkennung von Berufsqualifikationen

2249 2250 2252 2252 2252 2252 2253

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

2253

Rechtliche Aspekte 9.1 Genehmigungsbeschluss und Verfassungsmässigkeit 9.2 Rechtliche Umsetzungsmassnahmen

2253 2253 2254

10 Bericht über die Auswirkungen der Weiterführung der bilateralen Verträge

2255

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Protokolls zum Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten andererseits betreffend die Ausdehnung auf die Republik Kroatien (Entwurf)

2257

Protokoll zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit im Hinblick auf die Aufnahme der Republik Kroatien als Vertragspartei infolge ihres Beitritts zu Europäischen Union

2275

2227

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Rückblick

Das am 21. Juni 19991 unterzeichnete Abkommen über die Freizügigkeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren damals 15 Mitgliedstaaten (EU-15)2 andererseits (FZA) ist am 1. Juni 2002 im Rahmen der Bilateralen I3 in Kraft getreten. Durch das FZA werden der gegenseitige Zugang zum Arbeitsmarkt sowie die Wohnsitznahme von EUStaatsangehörigen in der Schweiz und von Schweizerinnen und Schweizern in der EU erleichtert. Ergänzt wird das Freizügigkeitsrecht durch Bestimmungen betreffend die zeitlich begrenzte, personengebundene Erbringung von Dienstleistungen, die Koordination der Sozialversicherungssysteme sowie die gegenseitige Anerkennung von Berufsdiplomen.

Nach einer Übergangszeit von fünf Jahren profitieren Staatsangehörige der EU-15 sowie von Zypern und Malta seit dem 1. Juni 2007 von der vollen Personenfreizügigkeit.

Im Gegensatz zu den anderen zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossenen sektoriellen Abkommen wird das FZA nicht automatisch auf neue EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt, sondern bedingt den Abschluss eines zusätzlichen Protokolls, dessen Genehmigung dem fakultativen Referendum unterstellt ist.

Im Zuge der EU-Erweiterung auf die zehn neuen EU-Mitgliedstaaten (EU-10)4 von 2004 wurden die bestehenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU automatisch ausgedehnt. Die einzige Ausnahme bildete aufgrund seines «gemischten» Charakters ­ der sich durch den Abschluss sowohl mit der damaligen Europäischen Gemeinschaft als auch mit deren Mitgliedstaaten ergab ­ das FZA.

Nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen musste für die Änderung des räumlichen Geltungsbereichs des Abkommens bzw. der Vertragsparteien ein Zusatzprotokoll ausgehandelt werden. Dieses Protokoll I zum FZA wurde im Rahmen eines fakultativen Referendums am 25. September 2005 vom Schwei-

1

2

3

4

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (AS 2002 1529; SR 0.142.112.681).

Zur EU-15 gehören Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien.

Konkret handelt es sich um folgende Verträge: Abkommen über den Luftverkehr, Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse, Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, Abkommen über gewisse Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens, Abkommen über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit.

Zur EU-10 gehören Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.

2228

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zervolk angenommen und ist seit dem 1. April 20065 in Kraft. Staatsangehörige der EU-8-Mitgliedstaaten, d.h. die der EU im Jahr 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten ohne Zypern und Malta, waren bis am 30. April 2011 den Übergangsfristen für den Zugang zum Arbeitsmarkt unterstellt.

Die Ausdehnung des FZA auf Rumänien und Bulgarien (EU-2), welche am 1. Januar 2007 der EU beigetreten sind, erfolgte durch das Protokoll II zum FZA 6, das nach Annahme durch die Schweizer Stimmbevölkerung am 1. Juni 2009 in Kraft getreten ist. Auch das Protokoll II sieht Übergangsbestimmungen vor. Diese wurden bis zum 31. Mai 2016 verlängert. Nach den Übergangsbestimmungen kann die Schweiz während weiterer drei Jahre die Ventilklausel gegenüber der EU-2 anrufen, falls die quantitativen Voraussetzungen dazu erfüllt sind. Diese Möglichkeit besteht bis zum 31. Mai 2019.

1.2

Ausdehnung des FZA auf Kroatien

Kroatien trat der EU am 1. Juli 2013 bei.

Mit Ausnahme des FZA wurden die Bilateralen Abkommen automatisch auf Kroatien ausgedehnt. Auch der Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten Europäischen Union (Erweiterungsbeitrag) wurde im Sinne der Gleichbehandlung der seit 2004 der EU beigetretenen neuen Mitgliedstaaten auf Kroatien ausgeweitet. 7 Die Europäische Kommission stellte am 9. Oktober 2012 ein Begehren an die Schweiz zur Aufnahme von Verhandlungen über die Ausdehnung des FZA auf Kroatien. Der Bundesrat entschied am 7. Dezember 2012, die Verhandlungen aufzunehmen und verabschiedete nach erfolgten Konsultationen das dafür benötigte Verhandlungsmandat.

5

6 7

Protokoll vom 26. Okt. 2004 zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit im Hinblick auf die Aufnahme der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik als Vertragsparteien infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union (AS 2006 995).

BBl 2008 2223 Botschaft vom 28. Mai 2014 über den Beitrag der Schweiz zugunsten von Kroatien zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten Europäischen Union (BBl 2014 4161). Das Parlament hat dem Rahmenkredit von 45 Millionen Franken am 11. Dezember 2014 zugestimmt. Am 30. Juni 2015 haben die Schweiz und Kroatien das bilaterale Rahmenabkommen betreffend die Durchführung des Zusammenarbeitsprogramms unterzeichnet. Bis zum 31. Mai 2017 werden die gesamten Mittel definitiv für die ausgewählten Projekte verpflichtet.

2229

BBl 2016

2

Verhandlungen

2.1

Verhandlungsmandat

Während das Verhandlungsmandat der EU am 24. September 2012 vom Ministerrat gutgeheissen wurde, hat der Bundesrat das Verhandlungsmandat der Schweiz ­ nach Konsultation der Konferenz der Kantonsregierungen, den Aussenpolitischen Kommissionen beider eidgenössischer Räte und den Sozialpartnern ­ am 8. März 2013 definitiv verabschiedet. Die Verhandlungen wurden am 25. April 2013 eröffnet und mit der Paraphierung am 15. Juli 2013 offiziell beendet.

Die Verhandlungen konzentrierten sich einerseits auf den Beginn und die Dauer des Übergangsregimes (Aufrechterhaltung der bestehenden Arbeitsmarktbeschränkungen) und andererseits auf die Geltungsdauer der spezifischen Schutzklausel (Ventilklausel), welche die Wiedereinführung von Kontingenten nach Ablauf der Übergangsfrist ermöglicht.

Das Übergangsregime, während welchem die Schweiz den Zugang der kroatischen Staatsangehörigen zum schweizerischen Arbeitsmarkt unter bestimmten Voraussetzungen begrenzen kann, dauert ­ entsprechend den Protokollen I und II ­ insgesamt 10 Jahre. Durch die Verbesserung des Ventilklausel-Mechanismus konnte die inhaltliche Ausgestaltung der Zehnjahresfrist beim Protokoll III jedoch im Vergleich zu den Protokollen I und II verbessert werden. In Übereinstimmung mit dem Übergangsregime, das gestützt auf die Protokolle I und II zum FZA gegenüber den EU-8und EU-2-Staaten angewendet wurde bzw. wird, wird der Zugang der kroatischen Staatsangehörigen zum schweizerischen Arbeitsmarkt ebenfalls etappenweise erfolgen.

2.2

Verhandlungsverlauf

Die Verhandlungen wurden formell am 25. April 2013 in Brüssel eröffnet. Bis zur Paraphierung des Protokolls III zum FZA am 15. Juli 2013 fanden insgesamt fünf Verhandlungsrunden statt.

Den Verhandlungen mit der EU lag die Absicht zugrunde, analog den Protokollen I und II, angemessene Übergangsbestimmungen für die schrittweise und kontrollierte Einführung des freien Personenverkehrs mit Kroatien zu definieren.

Die EU forderte ursprünglich den zeitlichen Beginn der Übergangsfristen rückwirkend auf das Beitrittsdatum Kroatiens zur EU, d.h. den 1. Juli 2013 festzulegen. Im Gegensatz zu früheren Ausdehnungsverhandlungen wollte die EU ausserdem nicht auf eine Ventilklausel (spezifische Schutzklausel) eintreten. Die Schweiz forderte ihrerseits ursprünglich einen Beginn der Übergangsfristen ab Inkrafttreten des Protokolls III und eine längere und inhaltlich verbesserte spezifische Schutzklausel.

Im Rahmen der vierten Verhandlungsrunde vom 3. Juli 2013 in Bern konnte ein wesentlicher Durchbruch in den Verhandlungen erzielt werden. Im Sinne eines Kompromisses einigte man sich bei den beiden weiteren Verhandlungsrunden auf eine siebenjährige Übergangsfrist (2+3+2 Lösung) ab Inkrafttreten des Protokolls III: In einer ersten Phase wird die Schweiz ihre nationalen arbeitsmarktlichen Be2230

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schränkungen gegenüber Kroatien während zwei Jahren ab Inkrafttreten des Protokolls III aufrecht erhalten können. Vor Ablauf dieser ersten Phase wird die Schweiz dem vom FZA eingesetzten Gemischten Ausschuss notifizieren, ob sie die arbeitsmarktlichen Zugangsbeschränkungen in einer zweiten Phase auch während dreier zusätzlicher Jahre aufrechterhalten will. Kommt es zu ernsthaften Störungen im Bereich des Arbeitsmarktes, oder drohen solche Störungen, können die nationalen Vorschriften danach während weiterer zwei Jahre aufrechterhalten werden, sofern der Gemischte Ausschuss Schweiz-EU der Weiterführung der Übergangsfristen zustimmt. Nach Ablauf der Übergangsfrist hat die Schweiz im Falle der Erfüllung der entsprechenden quantitativen Voraussetzungen die Möglichkeit, eine Ventilklausel (spezifische Schutzklausel) anzuwenden. So kann sie im Falle eines übermässigen Anstiegs der Einwanderungszahlen unilateral wieder Kontingente einführen. Die Ventilklausel kann entweder nach Ablauf der siebenjährigen Übergangsfrist (2+3+2) für drei Jahre oder, im Falle einer nur fünfjährigen Übergangsfrist (2+3), für fünf Jahre oder im Falle dass die Schweiz nach zwei Jahren verzichtet, das Übergangsregime zu verlängern, für acht Jahre zur Anwendung kommen. Das Übergangsregime dauert damit insgesamt 10 Jahre ab Inkrafttreten des Protokolls III. Ferner konnte eine Verbesserung des Ventilklausel-Mechanismus erreicht werden: Der mögliche Umgehungseffekt der Ventilklausel, der sich beispielsweise durch eine Zunahme der erteilten L-Bewilligungen bei Anrufung der Ventilklausel nur gegenüber den B-Bewilligungen einstellen würde, konnte im Rahmen dieser Verhandlungen beseitigt werden. Im Rahmen des Protokolls III gilt die Regelung, dass die Ventilklausel auch auf die andere Bewilligungskategorie angewandt werden kann, falls die quantitativen Voraussetzungen einer Bewilligungserteilung erfüllt werden. Die Kontingentshöhe im Falle einer Anrufung der Ventilklausel würde für die Aufenthaltsbewilligungen B 105 Prozent und für die Kurzaufenthaltsbewilligungen L 110 Prozent des Durchschnitts des laufenden und der zwei vorangegangenen Jahre betragen.

2.3

Verhandlungsergebnis

Das Verhandlungsmandat des Bundesrates konnte im Rahmen der Verhandlungen zur Ausdehnung des FZA auf Kroatien erfüllt, und die Verhandlungsziele konnten vollständig erreicht werden. Es konnte unter anderem eine klare Verbesserung des Schutzklausel-Mechanismus erreicht werden: Insbesondere wurde eine Lösung gefunden, um für den Fall, dass die Voraussetzungen zur Anrufung der Ventilklausel bspw. nur für die B-Bewilligungen erfüllt sind, den Umgehungseffekt über L-Bewilligungen zu beseitigen. Das Ergebnis der Verhandlungen wurde im Protokoll III zum FZA festgehalten und am 15. Juli 2013 paraphiert. Das Protokoll III wird integraler Bestandteil des FZA bilden.

Das Protokoll III ist weitgehend ähnlich aufgebaut wie die Protokolle I und II. Der Hauptteil regelt die Übergangsperiode im Hinblick auf die vorübergehende Weiterführung der nationalen arbeitsmarktlichen Beschränkungen (Kontingente, Inländervorrang und Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen). Anhang I von Protokoll III betrifft die Übergangsmassnahmen betreffend den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken. Anhang II regelt die Koordinierung der Systeme der sozialen

2231

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Sicherheit. In Anhang III sind die Regelungen bezüglich Anerkennung von Berufsqualifikationen festgehalten.

Mit dem Inkrafttreten des Protokolls III zum Abkommen über den freien Personenverkehr wird Kroatien Vertragspartei des Abkommens. Folglich ergibt sich aus diesem Protokoll die Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs des FZA auf Kroatien. Das gesamte Basisabkommen kommt somit auf Kroatien zur Anwendung, unter Vorbehalt der in Protokoll III vorgesehenen spezifischen Regelungen.

Das Protokoll III tritt am ersten Tag des ersten Monats, der auf die letzte Notifikation der Ratifikation bzw. Genehmigung folgt, in Kraft (Art. 7) und bildet einen integralen Bestandteil des Abkommens (Art. 5 Abs. 2). Es gilt für dieselbe Dauer und zu denselben Modalitäten wie das Abkommen (Art. 8).

In einer einseitigen Erklärung im Protokoll III hat sich die Schweiz bereit erklärt, für die Zeitspanne zwischen Unterzeichnung und Inkrafttreten des Protokolls gegenüber dem neuen Mitgliedstaat Kroatien folgende autonome, jährliche Höchstzahlen zu gewähren: a.

Jahresaufenthaltsbewilligungen (B-Bewilligung): 50

b.

Kurzaufenthaltsbewilligungen (L-Bewilligung): 450

Diese Höchstzahlen wurden in der Verordnung vom 24. Oktober 20078 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) festgelegt. Ausserdem sollen gemäss einseitiger Erklärung, gestützt auf die geltende Praxis pro Jahr 1000 Kurzaufenthalterinnen und Kurzaufenthalter (Aufenthalt von höchstens vier Monaten) ohne Anrechnung an die Kontingente zugelassen werden. Bis zum Inkrafttreten des Protokolls III unterstehen die Zulassungs- und Aufenthaltsvoraussetzungen für kroatische Staatsangehörige weiterhin dem Ausländerrecht (Bundesgesetz vom 16. Dezember 20059 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG] /VZAE). Indessen steht es der Schweiz frei, weitere ausländerrechtliche Liberalisierungsmassnahmen zu ergreifen.

Die erwähnten jährlichen Höchstzahlen wurden per 1. Juli 2014 in Kraft gesetzt, um die Wiederaufnahme verschiedener nach dem 9. Februar 2014 sistierten Verhandlungen zu ermöglichen, und gelten nach der Unterzeichnung bis zum Inkrafttreten des Protokolls III weiterhin.

2.4

Volksabstimmung vom 9. Februar 2014

Am 9. Februar 2014 hat die Schweizer Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» angenommen. Der am 9. Februar 2014 ebenfalls angenommene Artikel 197 Ziffer 11 BV verlangt Verhandlungen zur Anpassung des FZA. Der Bundesrat hat am 11. Februar 2015 das Verhandlungsmandat zur Anpassung des FZA verabschiedet. Die EU lehnt bis anhin Neuverhandlungen des FZA ab. Am 2. Februar 2015 verständigten sich Kommissionspräsident Juncker und die damalige Bundespräsidentin Sommaruga allerdings auf Konsultationen, in welchen ausgelotet werden sollte, ob es einen für beide Seiten gangbaren Weg gibt, den 8 9

SR 142.201 SR 142.20

2232

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Verfassungsauftrag von Artikel 121a BV bei gleichzeitiger Wahrung des bilateralen Weges umzusetzen. Im Rahmen der Arbeitssitzung vom 21. Dezember 2015 haben sich die damalige Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der Vorsitzende des Rats für Allgemeine Angelegenheiten der EU Jean Asselborn geeinigt, die Konsultationen fortzusetzen und zu intensivieren. Ziel beider Seiten war es, eine einvernehmliche Lösung zu finden, die sowohl die Schweizer Bundesverfassung als auch das FZA respektiert. Die angestrebte Lösung soll sich auf eine Auslegung des geltenden FZA stützen (Art. 14 Abs. 2 FZA), die Erweiterung des FZA auf Kroatien ermöglichen und gleichzeitig die Anforderungen der Schweizer Bundesverfassung erfüllen. Die Konsultationen dauern noch an.

Nach der Abstimmung vom 9. Februar 2014 war es nicht möglich, das Protokoll III zu unterzeichnen, da gemäss Artikel 121a BV keine neuen völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen werden dürfen, welche dieser Bestimmung widersprechen. Da der Bundesrat nicht in der Lage war, das Protokoll III über die Erweiterung des FZA auf Kroatien zu unterzeichnen, wurden die Verhandlungen und Gespräche zwischen der Schweiz und der EU seitens der EU in diversen Dossiers suspendiert. Um die Verhandlungen und Gespräche wieder in Gang zu bringen, hat der Bundesrat am 30. April 2014 eine kontingentierte Zulassung von kroatischen Bürgerinnen und Bürgern zum Schweizer Arbeitsmarkt beschlossen (jährlich 50 Aufenthaltsbewilligungen B und 450 Kurzaufenthaltsbewilligungen L). Diese autonomen Kontingente waren seitens der Schweiz bereits in einer einseitigen Erklärung zum Protokoll III für den Zeitpunkt nach der Unterzeichnung bis zum Inkrafttreten des Protokolls zugesichert worden. Die entsprechende Verordnung ist per 1. Juli 2014 in Kraft getreten. Zudem werden seit dem 1. Juli 2014 diejenigen kroatischen Diplome anerkannt, welche in der Kompetenz des Bundesrates liegen (u.a. Diplome in einigen Bereichen der Gesundheit, der Pflege, der Bildung, der Landwirtschaft, des Sports und des Bauwesens). Diese autonomen Kontingente und die Anerkennung gewisser Diplome, welche sowohl von Kroatien als auch von der EU unterstützt wurden, haben die Wiederaufnahme verschiedener nach dem 9. Februar 2014 sistierten Verhandlungen ermöglicht. Seit dem
1. Juli 2014 ist Kroatien somit nicht schlechter gestellt, als wenn das Protokoll III unterzeichnet worden wäre.

Wie oben bereits ausgeführt wurde, war es nach der Abstimmung vom 9. Februar 2014 nicht möglich, das Protokoll III zu unterzeichnen, da gemäss Artikel 121a BV keine neuen völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen werden dürfen, welche dieser Bestimmung widersprechen. Durch die Konsultationen mit der EU hat der Bundesrat im letzten halben Jahr eine neue Ausgangslage geschaffen. So besteht zwischen der Schweiz und der EU Einigkeit, dass eine einvernehmliche Lösung über eine gemeinsame Auslegung der bestehenden Schutzklausel (Art. 14.2 FZA) angestrebt werden soll. Diese Lösung soll die Anforderungen des FZA und der Schweizerischen Bundesverfassung in Einklang bringen. Mit dieser neuen Ausgangslage erachtet es der Bundesrat nun als sinnvoll, das Protokoll III dem Parlament zur Genehmigung zu unterbreiten. Die Ratifikation von Protokoll III soll erfolgen, wenn eine FZAkompatible Lösung vorliegt Die Unterzeichnung des Protokolls III ist ein erster Schritt, damit die Forschungszusammenarbeit mit der EU ab 2017 weitergeführt werden kann (Horizon 2020-Paket); die abgeschlossene Ratifikation des Protokolls

2233

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bis zum 9. Februar 2017 (inkl. eines allfälligen Referendums) ist die zentrale und zeitkritischste Voraussetzung dafür (vgl. Art. 13 des Abkommens).

3

Vernehmlassungsergebnisse

Das Vernehmlassungsverfahren zur Ausdehnung des FZA auf Kroatien dauerte vom 28. August bis zum 28. November 2013, d.h. es erfolgte vor der Annahme von Artikel 121a BV. Daran teilgenommen haben die Konferenz der Kantonsregierungen (deren Stellungnahmen von sämtlichen Kantonen unterstützt wird), einzelne Kantonsregierungen, der Städteverband, politische Parteien, Dachverbände und Sozialpartner, Verbände kantonaler Behörden sowie weitere am Protokoll interessierte Organisationen.

Betreffend die Vernehmlassungsergebnisse wird an dieser Stelle auf den publizierten Bericht verwiesen.10

4

Inhalt des Protokolls

4.1

Personenfreizügigkeit im engeren Sinn

4.1.1

Schrittweiser Übergang zur Personenfreizügigkeit

Die Schweiz kann während höchstens sieben Jahren nach Inkrafttreten des Protokolls III für dauerhafte Aufenthalte und Kurzaufenthalte von Staatsangehörigen Kroatiens die arbeitsmarktlichen Beschränkungen aufrechterhalten (vgl. dazu Ziff. 2.1.2 dieser Botschaft). Diese Beschränkungen betreffen den Vorrang der inländischen Arbeitskräfte, die Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen und die ansteigenden Jahreskontingente.

Die Übergangsfristen sind in Artikel 2 des Protokolls III festgelegt. In einer ersten Phase von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Protokolls kann die Schweiz gegenüber kroatischen Staatsangehörigen sämtliche arbeitsmarktlichen Beschränkungen aufrechterhalten. Vor Ablauf dieser ersten Phase wird die Schweiz dem Gemischten Ausschuss zum FZA11 einen Bericht vorlegen und ihm mitteilen, ob sie die Anwendung der arbeitsmarktlichen Beschränkungen während einer zweiten Phase von zusätzlichen drei Jahren beibehalten will oder nicht. Im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Protokolls III und dem Endpunkt der zweiten Übergangsphase (während der ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls III) wird die Schweiz erwerbstätigen kroatischen Staatsangehörigen ansteigende Jahreskontingente für Kurzaufenthalts- und Aufenthaltsbewilligungen zur Verfügung stellen. Die 10 11

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > EJPD.

Der gemischte Ausschuss erleichtert den Informationsaustausch und die Konsultationen zwischen den Vertragsparteien und zur Streitbeilegung. In seiner Tätigkeit ist er gehalten, Empfehlungen abzugeben und in den im Abkommen vorgesehenen Fällen Beschlüsse zu fassen. Er besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der Vertragsparteien und beschliesst einvernehmlich.

2234

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entsprechenden Zahlen wurden auf der Basis der Kontingente des Protokolls II proportional zur Bevölkerungszahl Kroatiens berechnet. Ab dem fünften bis zum siebten Jahr werden die Kontingente im Vergleich zu den vorangegangenen prorata-Berechnungen leicht erhöht ­ als Folge der bereits erwähnten Verbesserung der Ventilklausel zur Verhinderung des Umgehungseffektes über die L-Bewilligungen.

Konkret sind dies: Aufenthaltsbewilligungen B EU/EFTA

Kurzaufenthaltsbewilligungen L EU/EFTA

1. Jahr

54

543

2. Jahr

78

748

3. Jahr

103

953

4. Jahr

133

1158

5. Jahr

250

2000

Stellt sich 5 Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls III heraus, dass auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt ernsthafte Störungen auftreten oder dass solche aufzutreten drohen, so können die arbeitsmarktlichen Beschränkungen während zwei weiteren Jahren beibehalten werden. Der Gemischte Ausschuss muss dieser Weiterführung im sechsten und siebten Jahr einvernehmlich zustimmen. In diesem Fall wären für Aufenthalts- und Kurzaufenthaltsbewilligungen die folgenden Kontingente verfügbar: Aufenthaltsbewilligungen B EU/EFTA

Kurzaufenthaltsbewilligungen L EU/EFTA

6. Jahr

260

2100

7. Jahr

300

2300

Gestützt auf die spezifische Schutzklausel hat die Schweiz zudem die Möglichkeit, im Falle eines übermässigen Anstiegs der Einwanderungszahlen bis zu zehn Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls III unilateral erneut Höchstzahlen einzuführen.

Erfolgt die Zustimmung des Gemischten Ausschuss für das sechste und siebte Jahr der Übergangsfrist nicht, kann im Anschluss an die fünfjährige Übergangsfrist (2+3) die Ventilklausel während weiterer fünf Jahre angerufen werden. Falls die Schweiz darauf verzichtet, das Übergangsregime über zwei Jahre hinaus zu verlängern, könnte die Ventilklausel während insgesamt acht Jahren angerufen werden. Im sechsten und siebten Jahr ist für die Anrufung der Ventilklausel (Schwellenwert) nur das vorangehende Jahr massgebend; ab dem achten Jahr ist der Durchschnitt der drei vorangegangenen Jahre ausschlaggebend. Werden die sieben Jahre Übergangsfrist vollumfänglich genutzt, kann die Ventilklausel anschliessend nur noch während drei Jahren angerufen werden. Das Übergangsregime hat damit de facto eine Gesamtdauer von zehn Jahren (7 Jahre Übergangsfrist und 3 Jahre Ventilklausel oder 5 Jahre Übergangsfrist und 5 Jahre Ventilklausel oder 2 Jahre Übergangsfrist und

2235

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8 Jahre Ventilklausel). Diese Gesamtdauer entspricht den Übergangsregimen der Protokolle I und II.

Durch die Modifikationen am Ventilklausel-Mechanismus konnte die inhaltliche Ausgestaltung des zehnjährigen Übergangsregimes des Protokolls III im Vergleich zu denjenigen der Protokolle I und II verbessert werden.

Der mögliche Umgehungseffekt der Ventilklausel, d.h. ein Ausweichen auf die L-Bewilligungen bei Anrufung der Ventilklausel nur betreffend die B-Bewilligungen oder umgekehrt, konnte bei diesem Protokoll beseitigt werden. Für Kroatien gilt mithin die Regelung, dass die Ventilklausel auch auf die andere Bewilligungskategorie angewandt wird, falls die quantitativen Voraussetzungen einer Bewilligungskategorie erfüllt werden. Wird die Ventilklausel angerufen, so würden für das darauffolgende Jahr für die Aufenthaltsbewilligungen B 105 Prozent und für die Kurzaufenthaltsbewilligungen L 110 Prozent des Durchschnitts des laufenden und der zwei vorangegangenen Jahre betragen. Mit dem Einbezug des laufenden Jahrs in die Berechnung der neuen Kontingente konnte die Klärung einer seit langem bestehenden Berechnungsdifferenz mit der EU-Kommission erreicht werden.

Entsprechend Artikel 2 Buchstabe b Ziffer 5c von Protokoll III sind die Übergangsbestimmungen des Protokolls III, speziell der Inländervorrang und die Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen, nicht auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbstständige anwendbar, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls III bereits zur Erwerbstätigkeit auf dem Gebiet der Vertragsparteien berechtigt sind. Gemäss FZA haben sie insbesondere ein Recht auf geografische und berufliche Mobilität und auch einen Anspruch auf Familiennachzug nach den Bestimmungen des FZA. Inhaberinnen und Inhaber einer unterjährigen Aufenthaltsbewilligung haben ein Recht auf deren Erneuerung; die Ausschöpfung der Kontingente kann ihnen gegenüber nicht geltend gemacht werden. Inhaberinnen und Inhaber einer Jahresaufenthaltsbewilligung oder einer überjährigen Aufenthaltsbewilligung haben ein Recht auf Verlängerung der Bewilligung. Diese Arbeitnehmenden und Selbstständigerwerbenden verfügen folglich ab Inkrafttreten des Protokolls III über die in den Bestimmungen des FZA, namentlich dessen Artikel 7, verankerten Rechte im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit.

4.1.2

Nicht kontingentierte Kurzaufenthaltsbewilligungen (weniger als 4 Monate)

Gestützt auf Artikel 2 Buchstabe b Ziffer 2c des Protokolls III behält die Schweiz die gegenwärtig geltende Regelung für die Zulassung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für eine Dauer von höchstens vier Monaten bei. In Übereinstimmung mit Artikel 19 Absatz 4 Buchstabe a VZAE werden Erwerbstätigkeiten bis zu vier Monaten weiterhin nicht kontingentiert, die Anforderungen an die beruflichen Qualifikationen werden jedoch beibehalten. Der kurzfristige Zugang wenig qualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt wird ermöglicht, sofern die entsprechenden Kontingentseinheiten für Kurzaufenthaltsbewilligungen verfügbar sind.

2236

BBl 2016

4.1.3

Selbstständigerwerbende

In der EU kommen selbstständig erwerbstätige Staatsangehörige der neuen Mitgliedstaaten ab dem Inkrafttreten der jeweiligen Beitrittsakte in den Genuss der uneingeschränkten Niederlassungsfreiheit. Gestützt auf das Protokoll III werden selbstständig Erwerbstätige aus Kroatien in diesem Sinne in der Schweiz weitgehend gleich behandelt wie selbstständig Erwerbstätige aus den übrigen EU-Mitgliedstaaten. Die Arbeitsmarktbedingungen (Inländervorrang und Kontrolle der Entlöhnungsbedingungen) können ihnen demnach nicht entgegengehalten werden. Hingegen sind diese Personen den gemäss Protokoll III festgelegten Kontingenten während der ersten zwei Jahre der Übergangsfrist unterstellt (Art. 2 Bst. b Ziff. 1c Protokoll III).

4.1.4

Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer

Das Protokoll III sieht wie das FZA eine Teilliberalisierung der Dienstleistungserbringung vor (Art. 2 Bst. b Ziff. 2c Protokoll III). In den Branchen, in denen zwischen der Schweiz und der EU ein spezielles Dienstleistungsabkommen abgeschlossen wurde, darf die Erbringung von Dienstleistungen nicht aufgrund von Bestimmungen des Protokolls III erschwert werden. Dies gilt etwa für das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen oder für das Abkommen über den Luft- oder Landverkehr. Das Protokoll III garantiert Personen, die in Anwendung dieser Abkommen Dienstleistungen erbringen, das Recht auf Einreise und Aufenthalt für die ganze Dauer ihrer Tätigkeit (Dienstleistungserbringung). Ausserdem gibt das Protokoll Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern (Arbeitnehmende oder Selbstständigerwerbende) das Recht, sich in einen Gaststaat zu begeben, um dort Dienstleistungen von begrenzter Dauer (90 Arbeitstage im Kalenderjahr) zu erbringen. Auf die nachstehend aufgeführten Branchen ­ die Branchenlösung wurde mit den Sozialpartnern besprochen und von diesen gutgeheissen ­ sind bis spätestens zum Ende der Übergangsfrist die Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen und Höchstzahlen anwendbar: ­

Bauhauptgewerbe (Hoch- und Tiefbau) und Baunebengewerbe

­

Gartenbau

­

Reinigungsgewerbe in Industrie

­

Bewachungs- und Sicherheitsdienst

Gleichzeitig können in diesen Branchen die Qualifikationsvoraussetzungen nach Artikel 23 AuG während der ganzen Dauer der Übergangsperiode verlangt werden.

4.2

Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken

Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Kroatien wurden Kroatien Übergangsmassnahmen im Bereich des Erwerbs von landwirtschaftlichen Grundstücken zugebilligt. Innerhalb einer gewissen Frist kann Kroatien ein Verbot 2237

BBl 2016

oder Beschränkungen solcher Ankäufe durch ausländische Personen, die nicht in Kroatien wohnen, aufrechterhalten. Diese Übergangsmassnahmen für landwirtschaftliche Grundstücke wurden in den Anhang I zum Protokoll III übernommen und sind sieben Jahre ab Inkrafttreten des Protokolls anwendbar. Im dritten Jahr nach Inkrafttreten wird eine allgemeine Überprüfung dieser Übergangsmassnahmen vorgenommen, und der Gemischte Ausschuss kann beschliessen, die Übergangsmassnahmen zu verkürzen oder zu beenden. Sollten nach Ablauf des siebenjährigen Übergangszeitraums schwere Störungen im Agrargrundstückmarkt eintreten oder zu befürchten sein, kann Kroatien diese Umstände dem Gemischten Ausschuss notifizieren und die Übergangsmassnahmen, allenfalls auf besonders betroffene Regionen beschränkt, bis längstens zehn Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls III anwenden.

Der Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken durch Personen im Ausland ist nicht mehr den Beschränkungen des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 198312 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG), auch «Lex Koller» genannt) unterstellt; jedoch schränkt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199113 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) seinerseits den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken durch den Grundsatz des «Selbstbewirtschafters» ganz allgemein, d.h. unabhängig von Staatsangehörigkeit und Wohnsitz, ein. Ankäufe durch Personen aus Kroatien werden dadurch in der Praxis sozusagen unmöglich, weil Kroatien kein Nachbarstaat der Schweiz ist.

Bezüglich Übergangsregelung für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken wurde bereits in den Protokollen I und II eine separate Lösung getroffen.

Protokoll III liegt im bisherigen Rahmen und enthält in diesem Punkt keine neue Sonderregelung.

4.3

Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

4.3.1

Ausgangslage

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU betreffend die soziale Sicherheit sind gestützt auf das FZA seit Juni 2002 über die diesbezüglichen Koordinationsnormen der EU geregelt. Die letzteren sind in den Verordnungen (EG) Nr. 883/200414 (materiell rechtliche Bestimmungen) und 987/200915 (Durchfüh12 13 14

15

SR 211.412.41 SR 211.412.11 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, in der für die Schweiz gemäss Anhang II des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (AS 2002 1529) jeweils verbindlichen Fassung; SR 0.831.109.268.1.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der für die Schweiz gemäss Anhang II des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (AS 2002 1529) jeweils verbindlichen Fassung; SR 0.831.109.268.11.

2238

BBl 2016

rungsbestimmungen) enthalten und betreffen alle klassischen Sozialversicherungszweige. «Koordinierung» bedeutet, dass die Vertragsstaaten bei der Anwendung ihrer Gesetze über die Sozialversicherungen gewisse gemeinsame Grundsätze (z.B.

Verbot jeglicher Diskriminierung im Zusammenhang mit der Nationalität; Auszahlung von Leistungen ins Ausland; Anrechnung von ausländischen Versicherungszeiten, um das Erfordernis der minimalen Versicherungsdauer zu erfüllen; Kostenerstattung im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung) bei grenzüberschreitenden Konstellationen beachten müssen, im Übrigen aber die Freiheit haben, ihr Landesrecht nach ihren eigenen Bedürfnissen auszugestalten. Die Grundzüge des Koordinationsrechts und die strukturellen Besonderheiten des FZA sind in der Botschaft vom 23. Juni 199916 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG beschrieben.

4.3.2

Ziel und Verlauf der Verhandlungen

Die Verhandlungen zielten darauf ab, Kroatien in die zwischen der Schweiz und der EU bereits bestehende Koordinierung der Sozialversicherungssysteme zu integrieren. Diese Koordinierung musste sich an dieselben Regeln halten, die schon mit den 27 Mitgliedstaaten der EU vereinbart worden waren, und die Anpassungen mussten sich auf diejenigen Bereiche beschränken, für die schon im FZA Spezialregelungen vorgesehen waren.

4.3.3

Verhandlungsergebnisse

Allgemeines Aufgrund des Protokolls III wird Kroatien zu einer Vertragspartei des FZA; d.h.

Anhang II zum FZA betreffend die soziale Sicherheit wird auch auf Kroatien angewandt. Anhang II wird dahingehend geändert, dass die Verordnung (EG) Nr. 517/201317 integriert wird, durch welche die Verordnungen (EG) 883/2004 und 987/2009 aufgrund des Beitritts Kroatiens zur EU angepasst wurden. Das mit Kroatien bereits abgeschlossene bilaterale Sozialversicherungsabkommen 18 wird im Prinzip suspendiert (Art. 20 FZA) und überall dort, wo das FZA dieselbe Materie regelt, durch die Koordinierungsregeln des FZA ersetzt. Das bilaterale Abkommen bleibt somit auf Fälle anwendbar, die vom FZA nicht erfasst werden. Die Regeln zur Koordinierung der sozialen Sicherheit des FZA werden ab Inkrafttreten des Proto16 17

18

BBl 1999 6128; Ziff. 147.3; 273.2; 274.4.

Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung einiger Verordnungen und Beschlüsse in den Bereichen freier Warenverkehr, Freizügigkeit, Gesellschaftsrecht, Wettbewerbspolitik, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit, Verkehrspolitik, Energie, Steuern, Statistik, transeuropäische Netze, Justiz und Grundrechte, Recht, Freiheit und Sicherheit, Umwelt, Zollunion, Aussenbeziehungen, Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Organe aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien, ABl. L 158 vom 10.06.2013, S.1.

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit; SR 0.831.109.291.1

2239

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kolls III ohne Übergangsfrist uneingeschränkt angewendet; ausgenommen sind die Übergangsbestimmungen betreffend die Arbeitslosenversicherung.

Koordinierungsregeln und ihre Auswirkungen auf die schweizerischen Sozialversicherungen Die Koordinierungsgrundsätze der EU und ihre Auswirkungen auf die schweizerischen Sozialversicherungen sind in der Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG19 im Detail kommentiert. Der Anhang II zum FZA ist seither durch vier Beschlüsse des Gemischten Ausschusses geändert worden. Nachfolgend werden nur die von der vorliegenden Ausdehnung betroffenen Bestimmungen des FZA erwähnt.

Krankenversicherung Kroatien wünschte keine der mit gewissen anderen EU-Staaten vereinbarten Sonderregelungen zu übernehmen; somit sind die gewöhnlichen Koordinierungsregeln anwendbar.

Alters- und Hinterlassenenversicherung Das FZA verpflichtet die Schweiz, Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten gemäss dem Grundsatz der Gleichbehandlung den Beitritt zur fakultativen AHV/IV zu ermöglichen. Bei der Revision der freiwilligen Versicherung20 hat das Parlament beschlossen, für Personen, die im EU-Raum wohnhaft sind, die Möglichkeit des Beitritts zu dieser Versicherung aufzuheben. Daher ist die Schlussbestimmung der Änderung des Bundesgesetzes vom 23. Juni 200021 über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHVG)22 ab Inkrafttreten des Protokolls III zum FZA auch auf Kroatien anwendbar. Für bereits versicherte Personen aus Kroatien ist eine Übergangsregelung vorgesehen, die derjenigen entspricht, welche seit dem Inkrafttreten des FZA angewendet wird.

Berufliche Vorsorge Gemäss der im FZA eingeführten Regelung, ist seit dem Ablauf einer fünfjährigen Übergangsfrist, d.h. seit dem 1. Juni 2007, die Barauszahlung beim Austritt aus der Versicherungspflicht im Zeitpunkt, in dem die versicherte Person die Schweiz verlässt, nicht mehr möglich, wenn die versicherte Person in einem EU-Mitgliedstaat obligatorisch einer Rentenversicherung angeschlossen ist. Kroatien wird ab Inkrafttreten des Protokolls III ohne erneute Übergangsfrist von dieser Regelung betroffen sein.

19 20 21 22

BBl 1999 6128, Ziff. 273.22 und 273.23 AS 2000 2677; BBI 1999 4983 AS 2000 2677 SR 831.10

2240

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Arbeitslosenversicherung Im Bereich der Arbeitslosenversicherung gelten die Bestimmungen, welche die Schweiz gegenwärtig auf die Staatsangehörigen der EU-27 anwendet, auch für die Staatsangehörigen von Kroatien. Es wurde eine siebenjährige Übergangsfrist ausgehandelt, die den Übergangsfristen ähnlich ist, die für die EU-15, die EU-10 und die EU-2 galten bzw. gelten. Während dieser Frist können arbeitslosen kroatischen Staatsangehörigen, die im Besitz einer Kurzaufenthaltsbewilligung (Ausweis L EU/EFTA) sind, die in einem andern EU-Staat zurückgelegten Versicherungszeiten nicht angerechnet werden, wenn es darum geht, in der Schweiz einen Anspruch für Arbeitslosengelder geltend zu machen. Umgekehrt werden die von solchen Personen in der Schweiz einbezahlten Arbeitslosenversicherungsbeiträge an deren Herkunftsland rücküberwiesen.

Zusammenfassend gesagt, verbessert die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme der Schweiz und Kroatiens den Schutz der Schweizer Bürgerinnen und Bürger bezüglich der Sozialversicherungen in Kroatien und denjenigen der kroatischen Staatsangehörigen in der Schweiz.

4.4

Anerkennung von Berufsqualifikationen

4.4.1

Einführung

Seit dem Beitritt beteiligt sich Kroatien vollumfänglich am europäischen System der Anerkennung von Berufsqualifikationen. In erster Linie wendet Kroatien die Richtlinie 2005/36/EG23 über die gegenseitige Anerkennung der Berufsqualifikationen, zusätzlich aber auch die Richtlinien betreffend Rechtsanwälte24 und Giftstoffe25 an ­ Erlasse, welche in den Anhang III des FZA übernommen wurden. Der Vertrag über den Beitritt Kroatiens bringt eine Anpassung der Richtlinie 2005/36/EG in zwei 23

24

25

Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, in der für die Schweiz gemäss Anhang III des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681), und gemäss Anhang K Anlage 3 des revidierten Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Konvention) (SR 0.632.31) jeweils verbindlichen Fassung.

Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte und Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der Ausübung des Anwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, in der für die Schweiz gemäss Anhang III FZA und gemäss Anhang K Anlage 3 der EFTA-Konvention jeweils verbindlichen Fassung.

Richtlinie 74/556/EWG des Rates vom 4 Juni 1974, über die Einzelheiten der Übergangsmassnahmen auf dem Gebiet der Tätigkeiten des Handels mit und der Verteilung von Giftstoffen und der Tätigkeiten, die die berufliche Verwendung dieser Stoffe umfassen, einschliesslich der Vermittlertätigkeiten und Richtlinie 74/557/EWG des Rates vom 4 Juni 1974, über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten und die Vermittlertätigkeiten des Handels mit und der Verteilung von Giftstoffen, in der für die Schweiz gemäss Anhang III FZA und gemäss Anhang K Anlage 3 der EFTA-Konvention jeweils verbindlichen Fassung.

2241

BBl 2016

Punkten26 mit sich: bei den Berufen im Gesundheitswesen und bei den Änderungen, welche in der EU durch die Richtlinie 2013/25/EU27 vorgenommen wurden. Diese Richtlinie regelt insbesondere die automatische Anerkennung kroatischer Diplome in bestimmten Bereichen (sektorielle Berufe, d.h. Ärzte, Zahnärztinnen, Apotheker, Tierärztinnen, Krankenpflegerinnen und -pfleger, Hebammen, Architekten und Rechtsanwältinnen im Sinne der Bedingungen der geltenden Richtlinien). Eine Revision des Anhangs III FZA ist demnach angezeigt, um den Änderungen durch den Beitritt Kroatiens und der Rechtsentwicklung in der EU Rechnung zu tragen.

4.4.2

Ausdehnung des FZA im Bereich der Anerkennung von Berufsqualifikationen

Die Verhandlungen haben sich auf die kroatischen Diplome im Bereich der Gesundheitsberufe konzentriert, welche die Schweiz aufgrund der Richtlinie 2005/36/EG automatisch anerkennen muss. Aufgrund der im Rahmen des Beitritts Kroatiens zur EU erfolgten Europa-kompatiblen Ausgestaltung der kroatischen Ausbildungsprogramme sind die Anforderungen der Schweiz in diesem Bereich gewährleistet. Mit Ausnahme bestimmter Diplome für Hebammen, die aufgrund eines zu niedrigen Ausbildungsniveaus ausgeschlossen wurden28, weisen alle kroatischen Ausbildungen im Gesundheitswesen ein genügendes Qualitätsniveau auf.

Für die meisten anderen Berufe, lässt das allgemeine System der Anerkennung die Möglichkeit zu, kroatische Diplome mit eigenen Anforderungen zu vergleichen und Ausgleichsmassnahmen zu verlangen, wenn in der Ausbildung wesentliche Unterschiede bestehen ­ wodurch sich spezifische Bestimmungen in Anhang III des Protokolls III erübrigen.

4.4.3

Verhandlungsergebnis

Wie oben dargestellt, konzentrierten sich die Verhandlungen auf die Gesundheitsberufe. Bezüglich der Anpassungen, welche die EU im EU-Beitrittsprozess Kroatiens forderte, waren im Rahmen der Verhandlungen zum Protokoll III keine spezifischen Massnahmen nötig.

Was den materiellen Inhalte betrifft, verpflichtet sich die Schweiz nur für die sektoriellen Berufe, die sie automatisch anerkennen muss und über deren Ausbildungsniveau sie sich versichern konnte. Für die anderen Berufe können Ausgleichsmassnahmen vor der Anerkennung der Berufsdiplome und vor der Ausübung eines 26

27

28

Art. 23 Abs. 5 [neu] (Erworbene Rechte bei medizinischen Berufen) und 43b [neu] (Ausschluss bestimmter Kategorien von Hebammen von der automatischen Anerkennung).

Richtlinie 2013/25/EU des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs durch den Beitritt der Republik Kroatien, ABl. L 158 vom 10.06.2013, S. 368.

Siehe den neuen Art. 43b in die Richtlinie 2005/36/EG geändert durch die Akte über den Beitritt Kroatiens. Die Schweiz hat diese Diplome nicht anzuerkennen.

2242

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reglementierten Berufes verlangt werden, weshalb in diesen Fällen keine materiellen Bestimmungen notwendig sind.

5

Bedeutung der Ausdehnung der Freizügigkeit auf Kroatien für die Schweiz aus wirtschaftlicher und europapolitischer Sicht

Die Ausdehnung des FZA auf einen neuen Mitgliedstaat geschieht zwar nicht automatisch. Jedoch erwartet die EU dessen Ausdehnung auf neue EU-Mitgliedstaaten, um eine Ungleichbehandlung zu vermeiden. Mit der Ratifizierung von Protokoll III kann der Fortbestand des FZA und der damit verbundenen Abkommen gesichert werden. Die Ratifizierung von Protokoll III ist somit ein wichtiges Element für die vom Bundesrat angestrebte Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs.

Mit den Abkommen Bilaterale I zwischen der EU und der Schweiz wurde der Zugang zum europäischen Binnenmarkt erleichtert und der Einbezug der Schweiz in den europäischen Forschungs- und Innovationsraum ermöglicht. Damit stehen der Schweizer Volkswirtschaft in ausgewählten Bereichen weitgehend die gleichen Vorteile offen wie den Akteuren in den Mitgliedstaaten der EU.

Prognosen über die Einwanderung von kroatischen Staatsangehörigen und über Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind verhältnismässig schwierig. Daher sind die Übergangsphase inklusive die arbeitsmarktlichen Beschränkungen und die ausgehandelte spezielle Schutzklausel von besonderer Bedeutung. Dank der Ausdehnung der sieben Abkommen der Bilateralen I auf Kroatien hat die Schweiz Zugang zum wiederum erweiterten EU-Binnenmarkt, was für das Wirtschaftswachstum wichtig ist. Dieser Schritt ermöglicht einen privilegierten Zugang zu den potenziellen Konsumentinnen und Konsumenten. Dank dem Protokoll III werden für die schweizerischen Unternehmen die gleichen Regelungen gelten wie für ihre Konkurrenz in der EU.

In einer ersten Zeit ist es wichtig, die gegenwärtig geltenden Arbeitsmarktkontrollen (Kontingente, Inländervorrang, Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen) während maximal sieben Jahren ab dem Inkrafttreten des Protokolls III aufrechterhalten zu können. Die ausgehandelten Höchstzahlen sollen einen plötzlichen Anstieg der Einwanderungszahlen verhindern und damit auf dem Arbeitsmarkt ein Gleichgewicht aufrechterhalten. Deshalb werden die Zahlen im Verlauf der Übergangsperiode schrittweise ansteigen. Zudem hat die Schweiz die Möglichkeit, gestützt auf die in Artikel 2 Buchstabe b Ziffer 4d Protokoll III vorgesehene Schutzklausel bis zu zehn Jahren nach dem Inkrafttreten des Protokolls III wieder Höchstzahlen einzuführen. Die tatsächliche Nutzung der Kontingente
wird eng mit der konjunkturellen Entwicklung zusammenhängen.

Während der Übergangsperiode auf dem Arbeitsmarkt spielen der Inländervorrang und die vorgängige Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen eine grosse Rolle.

Diese Massnahmen sind geeignet, in einem ersten Schritt einen Lohndruck gegenüber den einheimischen Arbeitnehmenden zu verhindern. Zusätzlich bieten die

2243

BBl 2016

flankierenden Massnahmen (FlaM), die am 1. Juni 2004 in Kraft getreten sind, Schutz vor missbräuchlichen Lohn- und Arbeitsbedingungen.

Die Wirksamkeit der FlaM wurde seit ihrem Inkrafttreten auf Gesetzes- und Verordnungsebene mehrfach optimiert. Mit der Ausdehnung des FZA auf die zehn im Jahr 2004 neu der EU beigetretenen Staaten wurden die FlaM per 1. April 2006 erstmals verstärkt. Per 1. Januar 2010 wurde der Vollzug der FlaM als Folge der Ausdehnung des FZA auf Rumänien und Bulgarien weiter optimiert. Per Januar 2013 wurden weitere Lücken in der Gesetzgebung zu den FlaM geschlossen und deren Vollzug effizienter ausgestaltet29. Es wurden namentlich Massnahmen zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit ausländischer Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer mittels einer Dokumentationspflicht sowie neuen Sanktionsmöglichkeiten eingeführt. Seit dem 1. Mai 2013 sind Entsendebetriebe verpflichtet, den Lohn der in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Meldeverfahren zu melden. Am 15. Juli 2013 trat die verstärkte Solidarhaftung für das Bauhaupt- und Baunebengewerbe in Kraft. Seit dem 1. November 2014 gilt für ausländische Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer im Garten- und Landschaftsbau eine Melde- bzw. Bewilligungspflicht ab dem ersten Einsatztag.

Am. 1. Juli 2015 hat der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur Änderung des Entsendegesetzes vom 8. Oktober 199930 (EntsG) überwiesen. Der Bundesrat schlägt vor, die Obergrenze der Verwaltungssanktionen im Entsendegesetz bei Verstössen gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen von heute 5000 Franken auf 30 000 Franken zu erhöhen. Derzeit berät das Parlament die Vorlage.

Am 4. Dezember 2015 hat der Bundesrat zudem das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) beauftragt, dem Bundesrat gleichzeitig mit der Botschaft zur Umsetzung von Artikel 121a BV die Botschaft zum Bundesgesetz zur Optimierung der flankierenden Massnahmen zu unterbreiten.

Nebst den genannten Gesetzes- und Verordnungsanpassungen wird auch der Vollzug der FlaM laufend verbessert, beispielsweise mittels Weisungen und Empfehlungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) an die Vollzugsorgane, mittels Schulungsveranstaltungen im Rahmen des Projekts des SECO und der paritätischen Kommissionen; verbessert wird der
Vollzug auch durch die Tätigkeit der Kontrollvereine und der Kantone zur Optimierung der Arbeitsweise der paritätischen Kommissionen und der Zusammenarbeit mit den Kantonen oder mittels der Durchführung von Audits. Seit dem 26. März 2014 kann auf Antrag der Kontrollorgane in besonders betroffenen Branchen und Regionen die Anzahl der vom Bund mitfinanzierten Kontrollen erhöht werden. Einige Kontrollorgane haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die verschiedenen während der Übergangsphase anwendbaren Regelungen sowie die FlaM zum FZA sind ein wirksamer Schutz gegen eine unkontrolliert zunehmende Zuwanderung und deren allfälligen negativen Auswirkungen auf die inländischen Arbeitsbedingungen.

Eine Nichtrealisierung der Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und Kroatien würde zu einem Ungleichgewicht der vertraglichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den 28 EU-Mitgliedstaaten führen. Die EU stellt für alle ihre Mitglied29 30

AS 2012 6703 SR 823.20

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staaten einen gemeinsamen Binnenmarkt dar und könnte nicht akzeptieren, dass die Staatsangehörigen gewisser Mitgliedstaaten im Bereich Personenfreizügigkeit, abgesehen von zwischen den Vertragsparteien ausgehandelten zeitlich beschränkten Übergangsbestimmungen, anders behandelt würden als die übrigen EU-Bürgerinnen und -Bürger. Grundsätzlich sind seitens der EU zwei Reaktionen denkbar: Erstens könnte die EU das FZA kündigen; was gemäss der «Guillotine-Klausel» nach Artikel 25 Absatz 4 FZA auch das Ende der übrigen 1999 abgeschlossenen und von der «Guillotine-Klausel» betroffenen Abkommen (Bilaterale I) bedeuten würde. Zweitens könnte die EU zwar auf eine Kündigung des FZA verzichten, gleichzeitig jedoch anderweitige Ausgleichsmassnahmen beschliessen (bspw. kein Abschluss von neuen Abkommen).

Selbst wenn die EU keine Ausgleichsmassnahmen beschliesst, könnte aufgrund einer Nicht-Ausdehnung des FZA auf Kroatien eine Rechtsunsicherheit entstehen, die die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz beeinträchtigen könnte.

Die Folgen eines Wegfalls der Bilateralen I wären für die Schweizer Volkswirtschaft gravierend. Das SECO hat zwei unabhängige Forschungsinstitute (BAKBASEL und Ecoplan) beauftragt, die volkswirtschaftlichen Auswirkungen eines Wegfalls der Bilateralen I abzuschätzen. Gemäss den am 4. Dezember 2015 publizierten Studien würde bei einem Wegfall der Bilateralen I das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz bis 2035 zusammengerechnet rund 460 bis 630 Milliarden Franken tiefer ausfallen. Ein Wegfall der Bilateralen I würde in weniger als 20 Jahren, d.h. bis ins Jahr 2035, somit ungefähr ein heutiges «Jahreseinkommen» der Schweizer Volkswirtschaft kosten. Hinzu kämen weitere Einbussen aufgrund der verminderten Standortattraktivität und der Unsicherheit über die zukünftigen Beziehungen zur wichtigsten Handelspartnerin der Schweiz. Rechtssicherheit ist jedoch ein entscheidender Faktor in den Planungs- und Investitionsentscheiden der Unternehmen.

Die Absicht des Bundesrates ist es, die Konsolidierung des bilateralen Weges sowie dessen Weiterentwicklung zu sichern. Der Bericht zur Beantwortung des Postulats 13.4022 Keller-Sutter hat aufgezeigt, dass ein umfassendes Freihandelsabkommens (FHA) zwischen der Schweiz und der EU hinsichtlich Marktzugang die bestehenden bilateralen Abkommen nicht
ersetzen könnte. Die bilateralen Abkommen haben in verschiedenen Bereichen für die in der EU exportierenden Schweizer Anbieter binnenmarktähnliche Verhältnisse mit entsprechender Rechtssicherheit geschaffen.

Zudem wurde die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU um wichtige politische Bereiche erweitert, was mit einem FHA nicht erreicht werden könnte.

Auch könnte eine grössere Eigenständigkeit mit einem FHA faktisch kaum erreicht werden. Somit decken die bilateralen Abkommen die Interessen der Schweiz weit besser ab, als dies mit einem umfassenden FHA erreicht werden könnte.

2245

BBl 2016

6

Anpassung des schweizerischen Rechts

6.1

Personenfreizügigkeit im engeren Sinne

Die Personenfreizügigkeit wurde durch die Annahme von Artikel 121a BV in Frage gestellt. Die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels, welche Kroatien ebenso wie die anderen EU-Mitgliedstaaten betrifft, ist Gegenstand einer separaten Botschaft, die dem Parlament vorgelegt wird.

Nach Annahme der Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» am 9. Februar 2014 muss eine Revision des AuG vorgenommen werden. Die Zuwanderung von Personen, die unter das FZA fallen, soll durch eine Schutzklausel gesteuert werden.

Dabei wird eine einvernehmliche Lösung mit der EU angestrebt. Da bislang mit der EU keine Einigung über eine einvernehmliche Schutzklausel erzielt werden konnte, sieht die Vorlage des Bundesrats eine einseitige Schutzklausel vor. Zur Umsetzung von Artikel 121a BV bei Personen aus Drittstaaten sollen in Ergänzung zur geltenden Regelung insbesondere Höchstzahlen und Kontingente für den Familiennachzug, für Personen ohne Erwerbstätigkeit sowie für den Asylbereich eingeführt werden.

Unabhängig von der Umsetzung von Artikel 121a BV hat der Bundesrat am 15. Januar 2014 mehrere Massnahmen zur Verbesserung beim Vollzug beim FZA beschlossen. Die vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen sollen zu einer einheitlicheren Anwendung des FZA in den Kantonen und zu einer Klärung von rechtlichen Fragen bei der Auslegung einzelner Bestimmungen des FZA führen. Es soll ausgeschlossen werden, dass Ausländerinnen und Ausländer Sozialhilfe beziehen, wenn sie zur Stellensuche in die Schweiz einreisen. Weiter definiert die Vorlage die Kriterien, wann eine arbeitslose Person ihr Aufenthaltsrecht verliert und sie sieht einen Datenaustausch mit den Migrationsbehörden vor, wenn eine Person Ergänzungsleistungen bezieht. Diese Gesetzesanpassungen wurden in die Vorlage zur Umsetzung von Artikel 121a BV aufgenommen, da so das Gesetzgebungsverfahren vereinfacht werden kann. Zudem dienen Vollzugsverbesserungen beim FZA ebenfalls einer besseren Steuerung der Zuwanderung.

Für Personen aus EU/EFTA-Staaten gilt das FZA grundsätzlich weiterhin. Bei einer hohen Zuwanderung aus diesen Staaten sollen jedoch vorübergehende und gezielte Beschränkungen bei der Bewilligungserteilung möglich sein. Die vorgeschlagene einseitige Schutzklausel entspricht den Vorgaben von Artikel 121a BV und soll im AuG geregelt werden. Die einseitige Schutzklausel soll
nur zur Anwendung kommen, wenn die Zuwanderung gestützt auf das FZA einen bestimmten vom Bundesrat festgelegten Schwellenwert überschreitet.

Grundsätzlich ist das AuG auf EU-Angehörige nur anwendbar, wenn das FZA, einschliesslich der verschiedenen Protokolle, keine abweichenden Bestimmungen beziehungsweise das Gesetz günstigere Bestimmungen vorsieht. Folglich ist das AuG auch auf diese Kategorie von Personen nur subsidiär anwendbar. Artikel 2 Absatz 2 AuG gewährleistet, dass ihre Rechtsstellung nicht ungünstiger sein darf als diejenige der übrigen ausländischen Personen (Meistbegünstigungsprinzip). Dieser Grundsatz ist auch in Artikel 12 des FZA festgehalten, wonach günstigere Bestimmungen des nationalen Rechts weiterhin anwendbar sind.

2246

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6.2

Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken

Im BewG («Lex Koller») sind keine Anpassungen nötig.

6.3

Soziale Sicherheit

6.3.1

Bundesrecht

Allgemeine Umsetzung Damit die im Freizügigkeitsabkommen vereinbarten Koordinationsbestimmungen zusätzlich zu den jeweiligen innerstaatlichen Gesetzesbestimmungen gelten und zuwiderlaufenden Gesetzesbestimmungen vorgehen, wurde in jedem Sozialversicherungsgesetz präzisiert, dass das Abkommen und die dort bezeichneten Rechtsakte zu berücksichtigen sind31. Diese sogenannten Verweisbestimmungen müssen in sämtlichen betroffenen Gesetzen dahingehend ergänzt werden, dass die gleichen Regelungen auch im Verhältnis zu Kroatien und deren Staatsangehörigen Anwendung finden.

Zudem müssen die bestehenden Verweisbestimmungen aufdatiert und durch die neuen, im Abkommen aufgeführten Rechtsakte ergänzt werden.

Der Anhang II zum FZA ist seit Inkrafttreten des Abkommens durch vier Beschlüsse des Gemischten Ausschusses angepasst worden: Beschluss Nr. 2/2003 vom 15. Juli 200332, Beschluss Nr. 1/2006 vom 6. Juli 200633, Beschluss Nr. 1/2012 vom 31. März 201234 und Beschluss Nr. 1/2014 vom 28. November 201435.

Der Bundesrat hat die Aktualisierungen von Anhang II FZA, welche die Koordinationsgrundsätze und deren technische Durchführung präzisieren und keine materiellen Anpassungen auf Gesetzesstufe erfordern, jeweils in eigener Zuständigkeit genehmigt.

Die Nachführung der entsprechenden Verweise in den Sozialversicherungsgesetzen auf Anhang II FZA und die dort aufgeführten EU-Rechtsakte obliegt indessen der Bundesversammlung.

Analoges gilt für Anlage 2 zu Anhang K des EFTA-Übereinkommens, welche bisher dreimal aktualisiert worden ist. Aus diesen Gründen wurde die Verweisbestimmung in den Sozialversicherungsgesetzen neu formuliert. In den jeweiligen Absätzen 1 soll das anwendbare Recht präziser bezeichnet werden, indem auf den persönlichen Geltungsbereich, die einschlägigen EU-Rechtsakte und die für die Schweiz massgebliche Fassung von Anhang II FZA Bezug genommen wird. Erweiterungen auf neue Mitgliedstaaten wie Kroatien sind in dieser Formulierung eingeschlossen.

31 32 33 34 35

S. Botschaft FZA, Ziff. 275.211 (BBl 1999 6128) AS 2004 1277 AS 2006 5851 AS 2012 2345 AS 2015 333

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Neu werden die Verordnungen (EG) Nr. 883/200436 und 987/200937 aufgeführt, in welchen die Koordinationsgrundsätze der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/7138 und 574/7239 nachgeführt wurden und welche seit der dritten Aktualisierung von Anhang II FZA für die Schweiz massgeblich sind. Soweit darauf in den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 oder (EG) Nr. 987/2009 Bezug genommen wird oder Fälle aus der Vergangenheit betroffen sind, bezieht sich Anhang II FZA weiterhin auf die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72.

Die jeweiligen Absätze 2 betreffend Anlage 2 zu Anhang K des EFTA-Übereinkommens werden bei dieser Gelegenheit analog umformuliert.

Mit einem jeweils neuen Absatz 3 soll der Bundesrat ermächtigt werden, die Referenzen auf die EU-Rechtsakte in Absatz 1 und Absatz 2 der Verweisbestimmung jeweils selbstständig in den Sozialversicherungsgesetzen anzupassen, sobald Anhang II FZA oder Anlage 2 zu Anhang K des EFTA-Übereinkommens geändert wurden. Es handelt sich dabei um eine redaktionelle Anpassung, für welche der ordentliche Parlamentsprozess nicht notwendig ist.

Die jeweiligen Absätze 4 präzisieren, dass alle verwendeten Ausdrücke für EUMitgliedstaaten in den Sozialversicherungsgesetzen die Vertragsstaaten bezeichnen, für welche das Freizügigkeitsabkommen gilt.

Die vorstehend aufgeführten Änderungen betreffen die in Kapitel 9.2 genannten Gesetzesbestimmungen.

Nachfolgend werden Übergangsbestimmungen im AHVG näher erläutert. In den übrigen Sozialversicherungsgesetzen sind keine analogen Übergangsbestimmungen nötig.

AHV-Gesetz Freiwillige Versicherung: Das Parlament hat bei der Revision der freiwilligen AHV/IV beschlossen, die Versicherung für den EU-Raum abzuschaffen. Mit Inkrafttreten des Protokolls über die Ausdehnung des FZA auf Kroatien wird die freiwillige Versicherung auch in diesem Staat aufgehoben. Wie bei der letzten Ausdehnung des FZA auf die neuen EU-Mitgliedstaaten, ist für die heute in Kroatien lebenden Mitglieder der freiwilligen Versicherung eine neue Übergangsbestimmung in das AHVG einzufügen 40. Gemäss Absatz 1 dieser Übergangsbestimmung bleiben Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls in Kroatien freiwillig versichert waren, noch während höchstens sechs aufeinanderfolgenden Jahren weiter versichert. Jene Personen, welche im Zeitpunkt der Revision des Gesetzes das 50. Altersjahr überschritten haben, können bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters versichert bleiben.

36 37 38 39 40

SR 0.831.109.268.1 SR 0.831.109.268.11 AS 2012 2627 AS 2012 3051 s. Botschaft zur Genehmigung des Protokolls zum Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EG, Ziff. 5.2.1.2 (BBl 2004 5891)

2248

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Absatz 2 regelt die Fürsorgeleistungen für schweizerische Staatsangehörige. Die Leistungen, die vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Protokolls erworben worden sind, werden weiterhin ausgerichtet, solange die einkommensmässigen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Beiträge werden aber nicht mehr erhöht.

6.3.2

Kantonales Recht

Hinsichtlich der Umsetzung der Koordinierungsregeln im kantonalen Recht kann auf die entsprechenden Erläuterungen in der Botschaft zur Genehmigung der Bilateralen I41 verwiesen werden.

6.4

Anerkennung von Berufsqualifikationen

Der Anhang des Anwaltsgesetzes vom 23. Juni 200042 muss dahingehend angepasst werden, dass die kroatischen Anwaltstitel in die Liste aufgenommen werden. Diese können von den Massnahmen in den Richtlinien 77/249/EWG und 98/5/EG profitieren.

Durch die Genehmigung des Protokolls zur Ausdehnung des FZA auf Kroatien werden die besonderen Bestimmungen über Anerkennung kroatischer Berufsqualifikationen gemäss Artikel 69c der Berufsbildungsverordnung vom 19. November 200343 sowie Artikel 7 der Verordnung vom 12. November 201444 zum Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz obsolet. Diese Bestimmungen werden in den Verordnungen aufgehoben.

7

Auswirkungen

7.1

Finanzielle Auswirkungen

7.1.1

Personenfreizügigkeit im engeren Sinn

Das Protokoll III zieht im Bereich der Personenfreizügigkeit im engeren Sinne keine finanziellen Folgen nach sich.

41 42 43 44

BBl 1999 6128, Ziff. 275.22 Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, SR 935.61.

SR 412.101 SR 414.201

2249

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7.1.2

Soziale Sicherheit

Allgemeines Mit seinen 4,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist Kroatien bevölkerungsmässig relativ klein, Ende 2011 lebten knapp 33 000 kroatische Staatsangehörige in der Schweiz; im Versichertenregister der Zentralen Ausgleichskasse in Genf sind 54 600 kroatische Staatsangehörige eingetragen (davon 38 400 im Alter zwischen 15 und 65).

Aufgrund der progressiven Öffnung des Arbeitsmarktes bis hin zur vollständigen Freizügigkeit nach Ablauf der Übergangsfrist könnten diese Zahlen ansteigen.

Deshalb sind zum heutigen Zeitpunkt die Auswirkungen der Freizügigkeit in den Beziehungen zu Kroatien und die Kostenentwicklung auf dem Gebiet der Sozialversicherungen schwer abzuschätzen. Sie hängen von zahlreichen Faktoren ab. Die nachfolgenden Zahlen sollen die möglichen finanziellen Auswirkungen kurz vor Augen führen. Ganz allgemein ist zu präzisieren, dass im Vergleich zu den jährlichen Gesamtausgaben der schweizerischen Sozialversicherungen die finanziellen Auswirkungen bescheiden sein werden. Ebenso haben die finanziellen Auswirkungen dieser Ausdehnung im Verhältnis zu den Kosten, die heute durch die Anwendung des FZA verursacht werden, wenig Bedeutung. Es sei auch darauf hingewiesen, dass sich die Ankunft ausländischer Arbeitskräfte auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt positiv auf diejenigen Sozialversicherungszweige auswirkt, die nach dem Umlageverfahren finanziert werden. Da indessen die Beitrags- und Prämienzahlungen früher oder später zum Bezug von Leistungen berechtigen, steht zu erwarten, dass die Koordinierung unseres Sozialversicherungssystems mit den entsprechenden Systemen der neuen Mitgliedstaaten für die Versicherungen insgesamt zu leicht erhöhten Ausgaben führen wird. Im Übrigen dürfen die finanziellen Auswirkungen auf das schweizerische System der sozialen Sicherheit nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr sind sie im umfassenden Kontext der Vorteile, die der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft aus dem FZA ziehen, zu sehen.

Krankenversicherung Die auf Leistungsvorschüssen, welche im Rahmen der Kostenerstattung durch die Gemeinsame Einrichtung KVG gewährt werden, erhobenen Zinsen gehen zulasten des Bundes. Die diesbezüglichen jährlichen Zusatzkosten sind schwer abzuschätzen, da sie vom Volumen der Vorschüsse abhängen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem FZA dürften die
diesbezüglichen Zusatzkosten indessen gering ausfallen.

Die im Rahmen der Leistungsaushilfe bevorschussten Leistungen werden durch die Gemeinsame Einrichtung KVG vollumfänglich von der kroatischen Krankenversicherung zurückgefordert. Die Prämienverbilligungen zugunsten von in Kroatien lebenden Versicherten dürften dem Bund und den Kantonen nur unwesentliche Zusatzkosten verursachen.

2250

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Alters- und Hinterbliebenen- sowie Invalidenversicherung Wie bereits ausgeführt, wirkt sich die durch die Ausdehnung des FZA ermöglichte Ankunft ausländischer Arbeitskräfte auf Sozialversicherungen, die wie die AHV/IV nach dem Umlageverfahren finanziert werden, vorerst einmal positiv aus. Die zu einem späteren Zeitpunkt anfallenden Zusatzkosten werden grundsätzlich durch die Auszahlung von AHV-/IV-Renten ins Ausland verursacht. Im Falle Kroatiens ist die Auszahlung der Renten ins Ausland mit Ausnahme der Viertelsrenten der IV schon im bestehenden bilateralen Sozialversicherungsabkommen vorgesehen. Entsprechend ist hier nicht mit Mehrkosten zu rechnen.

Was die Zusatzkosten für exportierte Viertelsrenten betrifft, zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass sie vernachlässigbar sind. Die Hilflosenentschädigungen der AHV sind künftig auch an in der Schweiz wohnhafte Bezugsberechtigte auszuzahlen, die eine kroatische Rente beziehen. Diese Fälle dürften zahlenmässig begrenzt und die damit verbundenen Kosten daher verhältnismässig unbedeutend sein. Die Aufhebung der Karenzzeit für Ergänzungsleistungen dürfte sich insgesamt im Rahmen minimaler Zusatzkosten bewegen, da Nutzniesserinnen und Nutzniesser ausländischer Renten nur in die Schweiz kommen können, wenn sie über genügende Geldmittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verfügen.

Unfallversicherung In diesem Bereich gehen die auf Leistungsvorschüssen, die in Kroatien im Rahmen der Kostenerstattung gewährt werden, erhobenen Zinsen zulasten des Bundes. Im Hinblick auf Kroatien dürften die zusätzlich anfallenden Kosten jedoch vernachlässigbar sein. Den allfälligen Mehraufwand für Entschädigungen, die in Fällen beruflicher Erkrankung anfallen, einzuschätzen, ist nicht möglich. Bisherige Erfahrungen im Rahmen des FZA liefern nicht genug Anhaltspunkte, um diese Kosten beziffern zu können.

Arbeitslosenversicherung Die bisherigen Erfahrungen mit der EU-15, der EU-10 und der EU-2 haben gezeigt, dass die erwarteten Arbeitslosenversicherungskosten nicht anfielen. Deshalb ist auch im Zusammenhang mit der Ausdehnung des FZA auf Kroatien kein nennenswerter Anstieg der Arbeitslosenversicherungskosten zu befürchten. Nimmt man als Berechnungsgrundlage die Kontingente des ersten Anwendungsjahr des Protokolls III (54 dauerhafte Aufenthaltsbewilligungen und 543
Kurzaufenthaltsbewilligungen), so dürften sich die Nettozusatzkosten (zusätzliche Ausgaben minus zusätzlich eingenommene Beiträge) in der Höhe von höchstens zwei Millionen Schweizerfranken bewegen - unter der Voraussetzung, dass die Kontingente voll genutzt werden. Bei Ablauf der Übergangsfrist, wenn die Kontingente für dauerhafte Aufenthaltsbewilligungen einen Stand von 300 Einheiten und die Kontingente für Kurzaufenthaltsbewilligungen einen Stand von 2300 Einheiten erreicht haben werden, könnten sich die Nettozusatzkosten bei voller Ausschöpfung der Kontingente auf höchstens vier Millionen Franken belaufen. In diesen Zahlen eingeschlossen sind die Rückzahlungen der Arbeitslosenversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer mit unterjährigem

2251

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Arbeitsvertrag an Kroatien (d.h. ca. eine Million Schweizerfranken zu Beginn und zwei Millionen am Ende der Übergangsperiode).

Familienzulagen Was das Bundesrecht betrifft, lässt sich festhalten: Haushaltszulagen, die an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Landwirtschaftssektor ausbezahlt werden, deren Familie sich in Kroatien aufhält, werden ebenfalls exportiert. Die damit verbundenen finanziellen Folgen werden jedoch sehr gering sein, einerseits, weil die Zahl der Betriebe in diesem Sektor abnimmt, und andererseits, weil die Einstellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Kroatien in den meisten Fällen auf Kosten von Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten erfolgen dürfte.

Da entsprechende Daten fehlen, können allfällige Zusatzkosten im Bereich der kantonalen Familienzulagen nicht geschätzt werden.

7.1.3

Anerkennung von Berufsqualifikationen

Die Erweiterung des FZA auf Kroatien hat keine finanziellen Konsequenzen im Bereich der Anerkennung von Berufsqualifikationen.

7.2

Personelle Auswirkungen

Die mit der Umsetzung des Protokolls III verbundenen zusätzlichen Aufgaben werden grundsätzlich vom derzeit in den betroffenen Departementen beschäftigten Personal bewältigt und haben somit keine personellen Auswirkungen.

7.2.1

Personenfreizügigkeit im engeren Sinne

Das Protokoll III hat im Bereich der Personenfreizügigkeit im engeren Sinne keine Folgen auf den Personalbestand.

7.2.2

Soziale Sicherheit

Das Protokoll III erweitert die sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen der Schweiz zu Kroatien nur geringfügig. Ein zusätzlicher Aufwand an Verwaltungsarbeit ist weder für die Versicherungseinrichtungen noch für den Bund zu erwarten.

Die Schweizerische Ausgleichskasse und die IV-Stelle für Versicherte im Ausland, zwei mit der Umsetzung der internationalen Sozialversicherungsabkommen betraute Einrichtungen, die zugleich als Verbindungsstellen zum Ausland fungieren, benötigen keine zusätzlichen Stellen. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Prämienverbilligungen für Rentenbezügerinnen und -bezüger und ihre Familienmitglieder

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ortet die Gemeinsame Einrichtung KVG45 als zuständige Stelle keinen zusätzlichen Personalbedarf; dasselbe gilt im Hinblick auf die Erfüllung der übrigen Aufgaben, die ihr nach Artikel 18 Absätze 2bis­2quater KVG zugeteilt sind (Entscheide über die Gesuche um Ausnahme von der Versicherungspflicht, amtliche Zuteilung an einen Versicherer, Unterstützung, die den Kantonen bei der Umsetzung der Prämienverbilligung gewährt wird).

7.2.3

Anerkennung von Berufsqualifikationen

Die Erweiterung des FZA auf Kroatien erzeugt vom Augenblick des Inkrafttretens des Protokolls einen erhöhten Verwaltungsaufwand. Tatsächlich können kroatische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger von diesem Augenblick an eine Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikationen verlangen, auch wenn sie nicht über eine der kontingentierten Bewilligungen verfügen. Eine genaue Beurteilung der zusätzlichen Mittel wird zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden.

8

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 27. Januar 201646 zur Legislaturplanung 2015­ 2019 nicht direkt angekündigt. Es wird aber explizit auf die hohe Bedeutung einer Lösung im Zusammenhang mit dem Freizügigkeitsabkommen und dessen Ausdehnung auf Kroatien zur Sicherung der Bilateralen I hingewiesen 47.

9

Rechtliche Aspekte

9.1

Genehmigungsbeschluss und Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsmässigkeit des Beschlussentwurfs zur Genehmigung des Protokolls III zum FZA stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, der dem Bund in den auswärtigen Angelegenheiten eine weitgehende Zuständigkeit einräumt. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die Genehmigung des Bundesbeschlusses ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1­3 BV unterstehen internationale Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtssetzende Rechtsbestimmungen enthalten, deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert, dem fakultativen Referendum.

45 46 47

SR 832.10 BBl 2016 1105 BBl 2016 1167

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Das Protokoll III sieht die Ausdehnung des zwischen der Schweiz einerseits und der EU und den damaligen 15 EU-Mitgliedstaaten andererseits abgeschlossenen Abkommens von 1999 über den freien Personenverkehr auf Kroatien vor. Dieses Abkommen ist kündbar und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Hingegen macht die Umsetzung des Protokolls die Änderung mehrerer Bundesgesetze erforderlich.

Im Übrigen sieht Artikel 2 des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 199948 zur Genehmigung der Bilateralen I vor, dass die Bundesversammlung mit einem Bundesbeschluss, der dem fakultativen Referendum untersteht, über die Ausdehnung des Abkommens über die Freizügigkeit auf Staaten, die bei dessen Genehmigung nicht zur EU gehörten, zu entscheiden hat.

9.2

Rechtliche Umsetzungsmassnahmen

Die Umsetzung des Protokolls III erfordert die Anpassung von elf Bundesgesetzen:

48 49 50 51 52 53 54 55

1.

Artikel 153a des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG);

2.

Artikel 80a des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195949 über die Invalidenversicherung (IVG);

3.

Artikel 32 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200650 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG;);

4.

Artikel 89a des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198251 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge (BVG);

5.

Artikel 25b des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 199352 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG);

6.

Artikel 95a des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG);

7.

Artikel 115a des Bundesgesetzes vom 20. März 198153 über die Unfallversicherung (UVG);

8.

Artikel 28a des Bundesgesetzes vom 25. September 195254 über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (EOG);

9.

Artikel 23a des Bundesgesetzes vom 20. Juni 195255 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG);

AS 2002 1527 SR 831.20 SR 831.30 SR 831.40 SR 831.42 SR 832.20 SR 834.1 SR 836.1

2254

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10. Artikel 121 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198256 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG).

11. Bundesgesetz vom 23. Juni 200057 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, Ergänzung der Liste der Berufsbezeichnungen in den Mitgliedstaaten der EU und der EFTA gemäss den Richtlinien 77/249/EWG und 98/5/EG (BGFA).

Die Änderungen der oben genannten Bundesgesetze erfolgen gestützt auf die Artikel 95, 104, 110, 111, 112, 113, 114, 117, 121 und 196 Ziff. 11 BV.

10

Bericht über die Auswirkungen der Weiterführung der bilateralen Verträge

Mit Artikel 4 des Bundesbeschlusses vom 2. Oktober 200858 über die Genehmigung der Weiterführung und Ausdehnung des FZA auf Bulgarien und Rumänien wurde der Bundesrat beauftragt, der Bundesversammlung spätestens vor der nächsten Erweiterung einen Bericht über die Auswirkungen der Weiterführung der bilateralen Verträge (insbesondere der Personenfreizügigkeit) und der flankierenden Massnahmen sowie Vorschläge für vertragliche oder autonome Verbesserungen zu unterbreiten, sofern dies im Interesse der Schweiz notwendig ist.

Der Bundesrat hat seither bereits verschiedene Berichte in diesem Themenbereich verfasst. Im Bericht des Bundesrates über die Evaluation der schweizerischen Europapolitik (in Beantwortung des Postulats Markwalder [09.3560] «Europapolitik.

Evaluation, Prioritäten, Sofortmassnahmen und nächste Integrationsschritte») vom 17. September 201059 wurden verschiedene Szenarien und Instrumente für den weiteren europapolitischen Weg der Schweiz erörtert und daraus geschlossen, dass die Schweiz zur Wahrung ihrer Interessen ihr Verhältnis zur EU weiterhin über bilaterale sektorielle Abkommen gestalten soll.

In seinem Bericht vom 4. Juli 201260 über die Personenfreizügigkeit und die Zuwanderung in die Schweiz (in Beantwortung der Postulate Girod [09.4301], Bischof [09.4311] und der Motion Brändli [10.3721]) zeigte der Bundesrat die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit und der Zuwanderung in die Schweiz auf, indem er die Auswirkungen auf verschiedene Bereiche, etwa auf den Arbeitsmarkt, den Wohnungsmarkt, die Sozialversicherungen oder die Bildung analysierte und Steuerungsmöglichkeiten in der Migrationspolitik aufzeigte. Basierend auf dieser Analyse kam der Bundesrat zum Schluss, dass sich das duale Zulassungssystem bewährt hat und sich die Zuwanderung der letzten Jahre in weiten Teilen positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz ausgewirkt hat. Gleichzeitig hat er mehrere 56 57 58 59 60

SR 873.0 SR 935.61 BBl 2008 5323 BBl 2010 7239 Bericht des Bundesrates über die Personenfreizügigkeit und die Zuwanderung in die Schweiz vom 4. Juli 2012, siehe unter: www.sem.admin.ch/dam/data/sem/aktuell/news/2012/2012-07-040/ber-br-d.pdf.

2255

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Aufträge erteilt, um konkrete Massnahmen in den genannten Politikbereichen zu prüfen.

Nebst diesen zwei umfassenden Berichten zur Europapolitik einerseits und zur Zuwanderung andererseits wird jährlich ein Bericht zu den Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt erstellt (Berichte des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU, erstellt von SECO, SEM, BFS und BSV). In diesen Berichten wird unter anderem die Entwicklung der Zuwanderung, der Arbeitslosigkeit, des Lohn- und Bildungsniveaus sowie der Auswirkungen auf die Sozialversicherungen analysiert.

Spezifisch in Bezug auf die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit wird jährlich ein Bericht zur Umsetzung der flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr Schweiz ­ Europäische Union veröffentlicht, in welchem auf die Entwicklungen der flankierenden Massnahmen, die Kontrolltätigkeit der Vollzugsorgane und die festgestellten Verstösse eingegangen wird. Diese Berichte erfüllen die Anforderungen des mit Bundesbeschluss vom 2. Oktober 2008 geforderten Berichts über die Auswirkungen der Weiterführung der bilateralen Verträge und insbesondere der Personenfreizügigkeit und der flankierenden Massnahmen. Aus diesem Grund wird auf die Erarbeitung eines separaten Berichts verzichtet.

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