Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 6. Oktober 2015 betreffend die Sicherstellung der Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden der dezentralen Bundesverwaltung Stellungnahme des Bundesrates vom 18. Dezember 2015

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 6. Oktober 2015 betreffend die Sicherstellung der Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden der dezentralen Bundesverwaltung nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. Dezember 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2015-3266

1763

BBl 2016

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) haben am 27. Januar 2013 die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) beauftragt, die Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden der dezentralen Bundesverwaltung zu untersuchen. Im Rahmen der Evaluation wurde geprüft, was der Bundesrat im Rahmen seiner Kompetenzen unternimmt, um die Unabhängigkeit dieser Behörden zu gewährleisten.

Am 2. Februar 2015 hat die PVK ihren Bericht zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) verabschiedet. Die GPK-S hat ihren Bericht am 6. Oktober 2015 veröffentlicht und den Bundesrat ersucht, bis spätestens am 15. Januar 2016 zu ihren Feststellungen und Empfehlungen sowie zur Evaluation der PVK Stellung zu nehmen und dabei darzulegen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Generelle Bemerkungen

Der Bundesrat teilt die Meinung der Kommission, dass eine uneinheitliche und teilweise lückenhafte Normierung der Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden bzw. der Aufsicht über diese Behörden auf die Dauer nicht hingenommen werden kann. Des Weiteren nimmt der Bundesrat zur Kenntnis, dass er nach Ansicht der GPK-S seine Einflussmöglichkeit zur Sicherung der Unabhängigkeit durch die Wahl geeigneter Personen in die Leitungsgremien nicht genügend wahrnimmt.

Für den Bundesrat bestehen in beiden Themenbereichen die notwendigen Vorgaben, um die von der Kommission angestrebten Ziele erreichen zu können. Allerdings hält er ­ auch im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen ­ eine sofortige Umsetzung dieser Vorgaben im Rahmen von umfassenden Gesetzesrevisionen nicht für sinnvoll. Wie die Kommission selbst festgestellt hat, haben sich aus den offenbar bestehenden Lücken in der Praxis keine Schwierigkeiten ergeben, und der Bundesrat hat in mehreren Gesetzesrevisionen dem Aspekt der Unabhängigkeit der Aufsichtsund Regulierungsbehörden bereits Rechnung getragen.

Der Bundesrat ist deshalb bereit, die Empfehlungen 1, 2 und 3 anzunehmen. Er erachtet sie aber bereits als weitgehend erfüllt, was die konzeptionellen Grundlagen betrifft. Die Umsetzung der Corporate-Governance-Leitsätze soll, wie im Bericht des Bundesrates vom 13. September 20061 zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (Corporate-Governance-Bericht, CG-Bericht) vorgesehen, sukzessive in anstehenden Teilrevisionen der einzelnen Organisationserlasse erfolgen. In 1

BBl 2006 8233

1764

BBl 2016

seinem Bericht vom 28. November 20142 zu den «Lösungsansätzen für Interessenkonflikte im Bundesrecht» hat der Bundesrat seine Praxis bestätigt. Allfällige Massnahmen, um die Sensibilisierung für die Unabhängigkeit in den Aufsichts- und Regulierungsbehörden zu stärken, sind, gerade im Hinblick auf die Unabhängigkeit dieser Institutionen, von den verantwortlichen Organen zu treffen und nicht vom Bundesrat im Rahmen seiner Aufsicht. Er hat im Rahmen seiner Möglichkeiten Massnahmen getroffen und betrachtet daher die Empfehlung 4 als bereits erfüllt.

Die Stellungnahme beschränkt sich deshalb auf die Feststellungen und Empfehlungen der GPK-S. Zu den in der Evaluation ausgewiesenen Abweichungen bei einzelnen Organisationen äussert sich der Bundesrat in der Folge nicht.

2.2

Zu den Empfehlungen 1 und 2

Empfehlung 1 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, ein Konzept zu erarbeiten, um die Normierung der Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden zu vereinheitlichen.

Empfehlung 2 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, bei zukünftigen Gesetzesvorlagen dafür zu sorgen, dass die Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden stufengerecht und ausreichend detailliert gemäss einem einheitlichen Konzept normiert wird.

Dabei sind insbesondere die explizite Verankerung der Unabhängigkeit der Behörden gegenüber dem Bund und gegenüber den Beaufsichtigten sowie die Verpflichtung der Behörden zur Selbstregulierung zu prüfen.

Die Kommission fordert den Bundesrat zudem auf, im Rahmen seiner Verordnungs- und Aufsichtskompetenzen gegenüber Aufsichts- und Regulierungsbehörden auf eine verstärkte Selbstregulierung der personellen Unabhängigkeit hinzuwirken.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlungen anzunehmen. Wie nachfolgend dargelegt wird, geht er davon aus, dass es ein Konzept zur einheitlichen und stufengerechten Normierung der Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden bzw. der Aufsicht über diese Behörden bereits gibt. Soweit bei schon länger bestehenden Behörden die notwendigen gesetzlichen Grundlagen noch fehlen, besteht im Rahmen der Umsetzung des CG-Berichts der Auftrag, diese bei passender Gelegenheit zu schaffen und dabei u. a. auch die Frage der personellen Unabhängigkeit zu ordnen. Der Nationalrat hat in der Frühlingssession 2008 vom CG-Bericht Kenntnis genommen. Ausserdem hat er mit vier Postulaten einen Zusatzbericht verlangt, den 2

BBl 2015 1265

1765

BBl 2016

der Bundesrat am 25. März 2009 vorgelegt hat.3 Gleichzeitig ist der Bundesrat der Forderung des Parlaments nach einer konsequenten Umsetzung nachgekommen und hat in einer Umsetzungsplanung vom 25. März 20094 festgelegt, wie die Leitsätze des Corporate-Governance-Berichts umgesetzt werden sollen: ­

Wo Leitsätze ohne Gesetzesänderungen umgesetzt werden können, sollen die Anpassungen sofort vorgenommen werden.

­

Andere Leitsätze, beispielsweise zur Anzahl und Grösse von Organen sowie zur Steuerung und Kontrolle, sollen mit punktuellen Anpassungen der Organisationserlasse umgesetzt werden.

­

Wo die Zahl der Änderungen oder ihre Bedeutung (z. B. Änderung der Rechtsform) eine Totalrevision des jeweiligen Organisationsgesetzes bzw.

der organisationsrechtlichen Struktur einer Einheit bedingt, sollen die Änderungen im Rahmen separater Revisionen geprüft werden.

Neben etlichen anderen Organisationen wurden insbesondere auch Einheiten, die dem Typus der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht zuzuordnen sind, analysiert (u. a. die WEKO, das ENSI, die Swissmedic, die FINMA und die RAB), ein allfälliger Anpassungsbedarf wurde ausgewiesen und das weitere Vorgehen für jede Einheit festgelegt. So wurde beim ENSI kein Anpassungsbedarf ausgewiesen, da das Gesetz weitgehend schon dem CG-Bericht entsprechend ausgestaltet war. Bei der Swissmedic wurde auf die anstehende Revision5 des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 20006 verwiesen, mit der u. a. die Anpassung des Organisationsrechts der Swissmedic an die Leitsätze des CG-Berichts vorgesehen ist. Bezüglich der RAB wurde festgehalten, dass die damaligen Regelungen erhebliche Abweichungen von den Leitsätzen aufwiesen. Mit der Anpassung des Revisionsaufsichtsgesetzes vom 16. Dezember 20057 wurde aber zugewartet, bis eine allfällige Integration der RAB in die FINMA geprüft und entschieden war. Bei der WEKO sollte von einer rechtlichen Verselbstständigung vorläufig abgesehen werden.

3 4

5 6 7

Zusatzbericht des Bundesrates vom 25. März 2009 zum Corporate-Governance-Bericht ­ Umsetzung der Beratungsergebnisse des Nationalrats, BBl 2009 2659 Die Umsetzungsplanung vom 25. März 2009 zum Corporate-Governance-Bericht des Bundesrates ist abrufbar unter www.efv.admin.ch > Themen > Finanzpolitik, Grundlagen > Corporate Governance > Grundlagen Botschaft vom 7. Nov. 2012 zur Änderung des Heilmittelgesetzes (BBl 2013 131, Geschäftsnummer 12.080) SR 812.21 SR 221.302

1766

BBl 2016

Zwischenzeitlich sind sowohl bei der RAB wie bei der WEKO Revisionen erfolgt bzw. vorgeschlagen worden, mit denen diese Einheiten an die Vorgaben des CG-Berichts angepasst wurden bzw. werden sollten.8 Die Änderungen des Heilmittelgesetzes9 befinden sich nach wie vor in parlamentarischer Beratung.10 Bei neueren Erlassen bzw. den erwähnten Teilrevisionen hat der Bundesrat die Corporate-Governance-Praxis weiterentwickelt und zwei Abweichungen von seinen Leitsätzen (LS 4 und 17) eingeführt. Es hat sich gezeigt, dass der Bundesrat angesichts seiner Gewährleistungsverantwortung auch bei Einheiten der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht auf eine vorausschauende Einflussmöglichkeit (ex ante) angewiesen ist. Deshalb sollen die strategischen Ziele solcher Einheiten durch den Bundesrat genehmigt werden.11 Diese Praxis nahm ihren Anfang mit der Gründung der FINMA. Zudem gilt bei Einheiten mit Dienstleistungen mit Monopolcharakter und bei Einheiten der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht für die Begründung und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Direktorin oder dem Direktor nun eine einheitliche Lösung:12 Diese Entscheide des Verwaltungsrats bedürfen der Genehmigung durch den Bundesrat.13 Die neue Praxis wurde in den Botschaften entsprechend ausgewiesen und begründet.

Das Bundesamt für Justiz und die Eidgenössische Finanzverwaltung haben in enger Zusammenarbeit einen Mustererlass für «Anstalten mit Dienstleistungen mit Monopolcharakter» ausgearbeitet. Der Mustererlass steht seit 2012 zur Verfügung14 und dient seither als Grundlage für alle Auslagerungsprojekte und Revisionen von bestehenden Organisationserlassen. Der Mustererlass bietet kommentierte Regelungs8

9 10

11

12

13

14

Änderung vom 20. Juni 2014 des Revisionsaufsichtsgesetzes (Bündelung der Aufsichtskompetenz über Revisionsunternehmen und Prüfgesellschaften), AS 2014 4073, in Kraft seit dem 1. Januar 2015; Botschaft vom 22. Febr. 2012 zur Änderung des Kartellgesetzes und zum Bundesgesetz über die Organisation der Wettbewerbsbehörde (BBl 2012 3989, Geschäftsnummer 12.028); der NR ist am 17. Sept. 2014 nicht darauf eingetreten.

Botschaft vom 7. Nov. 2012 zur Änderung des Heilmittelgesetzes (BBl 2013 131, Geschäftsnummer 12.080).

Ein weiteres Beispiel bildet die Vernehmlassungsvorlage vom 26. Aug. 2015 zur Organisation Bahninfrastruktur (OBI) (vgl. dort Art. 9f Abs. 6 und 7 Eisenbahngesetz [betr. Unabhängigkeit und Meldung von Interessenbindungen der Mitglieder des Verwaltungsrates]); www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen und Anhörungen Der Bundesrat kann die strategischen Ziele als Ganzes genehmigen oder im Sinne eines Vetorechts die Genehmigung verweigern. Er kann aber die vom Verwaltungsrat beschlossenen strategischen Ziele nicht in einem Beschluss direkt abändern.

Gemäss Leitsatz 4 wäre bei Einheiten, die Dienstleistungen mit Monopolcharakter erbringen, für die Wahl und Abwahl der ganzen Geschäftsleitung die Genehmigung des Bundesrats einzuholen. Demgegenüber würde nach Leitsatz 4 die entsprechende Genehmigung bei Anstalten mit Aufgaben der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht ganz entfallen.

Die zentrale Stellung und Verantwortlichkeit dieser Funktion rechtfertigt es, dem Bundesrat auch bei Anstalten, die Aufgaben der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht wahrnehmen, ein entsprechendes Aufsichtsinstrument in die Hand zu geben. Die Abwahl eines dem Verwaltungsrat nicht genehmen Direktors bzw. einer ihm nicht genehmen Direktorin und die Wahl eines neuen Direktors bzw. einer neuen Direktorin allein durch den Verwaltungsrat sind demzufolge nicht möglich. Hingegen liegen Vertragsänderungen in der alleinigen Kompetenz des Verwaltungsrats.

Fundstellen: www.bj.admin.ch > Staat & Bürger > Legistik > Legistische Hauptinstrumente; www.efv.admin.ch > Themen > Finanzpolitik, Grundlagen > Corporate Governance > Grundlagen

1767

BBl 2016

beispiele, die den Leitsätzen des CG-Berichtes entsprechen bzw. diese umsetzen. So enthält er insbesondere auch Regelungsvorlagen betreffend die Zusammensetzung und Wahl der Organe, deren Aufgaben, wie etwa die Pflicht des Verwaltungsrates, die Interessen der Anstalt zu wahren und die organisatorischen Vorkehren zur Wahrung der Interessen der Anstalt und zur Verhinderung von Interessenkollisionen zu treffen.15 Der Bundesrat hat zudem die Motion Gilli vom 2. Dezember 2013 (13.4040) befürwortet, die die Veröffentlichung der Interessenbindungen von Mitgliedern der Leitungsorgane von Anstalten des Bundes fordert.

Im Zusammenhang mit der Wahrung der Unabhängigkeit stehen auch die (im Mustererlass vorgesehene) Amtszeitbeschränkung des Verwaltungsrates und ­ als Instrumente der Aufsicht des Bundesrates ­ dessen Recht zur jederzeitigen Abberufung von Mitgliedern des Verwaltungsrats aus wichtigen Gründen oder die Verweigerung der Entlastung des Verwaltungsrates.

Bereits im Dezember 2013 hatte der Bundesrat zudem für die Verwaltungsratspräsidentin oder den Verwaltungsratspräsidenten der FINMA eine Karenzfrist (sog.

«Cooling-off-Period») beschlossen16 und in der Folge die Verordnung vom 11. August 200817 über das Personal der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMAPersonalverordnung) angepasst18. Eine solche Karenzfrist ist insbesondere gerechtfertigt, wenn ein unmittelbarer Wechsel in den beaufsichtigten oder regulierten Bereich wegen eines möglichen Interessenskonflikts die Glaubwürdigkeit und Reputation der Aufsichts- oder Regulierungsbehörde beeinträchtigen könnte. Ende 2014 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement, die Möglichkeit von Karenzfristen auch für andere Bereiche zu regeln. Mit der Karenzfristverordnung vom 25. November 201519 hat der Bundesrat die Rechtsgrundlagen geschaffen, damit mit Mitarbeitenden mit Leitungsfunktionen der zentralen Bundesverwaltung sowie mit Personen in Bundesanstalten und ausserparlamentarischen Kommissionen mit Aufsichts- und Regulierungsaufgaben bei Bedarf eine Karenzfrist vereinbart werden kann. Dabei wurden auch die Verordnung vom 28. September 200120 über das Personal des Schweizerischen Heilmittelinstituts und das Personalreglement vom 17. Oktober 200821 des Eidgenössischen Nuklearsicher-

15

16

17 18 19 20 21

Der Bundesrat wird (vermutlich ab 2016) im Rahmen der vierten Evaluationsrunde der GRECO, die sich mit der Korruptionsprävention bei Mitgliedern von Parlamenten, Gerichten und Strafverfolgungsbehörden befasst, Regelungen im Bereich der Interessenkonflikte und der Korruptionsbekämpfung überprüfen und wo nötig deren Anpassung einleiten. Offenlegungspflichten und Nebentätigkeiten könnten hier erneut zum Thema werden (vgl. den Bericht des Bundesrates vom 28. Nov. 2014 zu den Lösungsansätzen für Interessenkonflikte im Bundesrecht [in Beantwortung des Postulats 12.3114 Recordon vom 8. März 2012], BBl 2015 1265).

Vgl. die Medienmitteilung vom 9. Dez. 2013 «Bundesrat erlässt Bedingungen zur Ausübung des Amts als FINMA-Verwaltungsratsmitglied», Fundstelle: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Medienmitteilungen des Bundesrates SR 956.121 Änderung vom 25. Febr. 2015 der FINMA-Personalverordnung, vom Bundesrat genehmigt am 13. Mai 2015 (AS 2015 2035) SR 172.010.1; AS 2015 5019 SR 812.215.4 SR 732.221

1768

BBl 2016

heitsinspektorats (ENSI-Personalreglement) entsprechend ergänzt22. Bei der RAB sind die entsprechenden Arbeiten im Gang.

Das BJ und die EFV sind ausserdem daran, gemeinsam einen Mustererlass für «Anstalten mit Aufgaben der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht» zu erarbeiten. In diesem Mustererlass wird den Pflichten zur Offenlegung der Interessenbindungen23 und zur Regelung von Interessenkonflikten aufgrund der gemachten Erfahrungen noch stärker Rechnung getragen, um insbesondere auch die Reputation der Aufsichtsbehörde wahren zu können. Weiter werden die fachliche und die organisatorische Unabhängigkeit in einer entsprechenden Bestimmung klar festgeschrieben, ebenso die rechnungsmässige Selbstständigkeit der Anstalt. Mit diesen Konkretisierungen sollen die Unabhängigkeit der Anstalt in der Aufgabenerfüllung und die Aufsichtspflichten und -instrumente des Bundesrates24 klarer abgegrenzt werden.

Diese Abgrenzungen müssen dem Grundsatz nach bereits im Gesetz erfolgen. Die Pflicht zur «Selbstregulierung» im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere zur personellen Unabhängigkeit, trägt der organisatorischen Selbstständigkeit der Anstalt Rechnung. Der Mustererlass soll ­ zusammen mit einer Aktualisierung des Mustererlasses für «Anstalten mit Dienstleistungen mit Monopolcharakter» ­ bis zum 31. Juli 2016 zur Verfügung stehen. Der Bundesrat kann seine Verantwortung bezüglich der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung nur wahrnehmen, wenn insbesondere geeignete Aufsichtsstrukturen und -mittel vorhanden sind, die es erlauben, Probleme rechtzeitig zu erkennen und auf Fehlentwicklungen zu reagieren. Gerade bei der Auslagerung von Verwaltungsaufgaben im Sicherheitsbereich (Sicherheitsaufsicht) darf es nicht dazu kommen, dass zusammen mit der eigentlichen Aufgabenerfüllung (Aufsichtstätigkeit) auch gleich die Verantwortung für das ordnungsgemässe Funktionieren der verselbstständigten Behörde ausgelagert wird.25 Weder kann die parlamentarische Oberaufsicht im Bereich der gesetzlichen Unabhängigkeitsgarantie mit Hinweis auf diese ausgeschlossen werden 26, noch kann mit Hinweis auf eine solche Garantie die verfassungsmässige und gesetzliche Aufsichtspflicht des Bundesrates eingeschränkt werden. Allerdings beschränkt sich diese Aufsicht, wie auch die Oberaufsicht, auf einen ordnungsgemässen, vor allem äusseren
Geschäftsgang. Dazu gehören namentlich die Bereitstellung der erforderlichen Sachmittel, das Personal- und Finanzwesen, die (strategische) Leitung, die Wahrnehmung der innerbetrieblichen Organisation und der organisationsinternen Aufsicht (wie interne Regelung der Organisation, interne Geschäfts- und Arbeitsverteilung)

22 23

24 25

26

Die vom ENSI-Rat am 31. Aug. 2015 beschlossene Änderung des Personalreglements hat der Bundesrat am 25. Nov. 2015 genehmigt (AS 2015 5079).

Auch im Sinne der am 12. Febr. 2014 vom Bundesrat zur Annahme beantragten Motion Gilli vom 2. Dez. 2013 (13.4040), welche die Veröffentlichung sämtlicher Interessenbindungen von Mitgliedern der Leitungsorgane von Anstalten des Bundes fordert.

Art. 187 Abs. 1 Bst. a der Bundesverfassung, BV (SR 101), und Art. 8 Abs. 4 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG, SR 172.010) Giovanni Biaggini, Rechtsgutachten vom 26. Aug. 2013 im Auftrag der GPK zur Frage der Möglichkeiten und Grenzen parlamentarischer Oberaufsicht im Bereich des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI), insb. Ziff. III/6. Fundstelle: www.parlament.ch > Organe und Mitglieder > Kommissionen > Aufsichtskommissionen > Die Geschäftsprüfungskommissionen > Publikationen und Grundlagendokumente Giovanni Biaggini, a. a. O., Ziff. IV/3, S. 43.

1769

BBl 2016

und nicht zuletzt das gute Funktionieren überhaupt.27 Nur Tätigkeiten, die unter die gesetzliche Garantie der fachlichen Unabhängigkeit fallen, sind inhaltlich sowohl der Aufsicht des Bundesrates als auch der parlamentarischen Oberaufsicht entzogen.

Dazu gehört insbesondere die inhaltliche Überprüfung von aufsichtsrechtlichen Anordnungen, Prüfungen und Feststellungen.28 Diese Beurteilung ist Sache der zuständigen Gerichte.

Auch bei den Regulierungsbehörden kann weitgehend auf die Grundsätze der Corporate-Governance-Praxis zurückgegriffen werden. Die Anpassung bestehenden Rechts erfolgt sinngemäss nach den gleichen Grundsätzen und sukzessive, nach dem gleichen pragmatischen Ansatz. Die Kommissionen unterscheiden sich von ihrer Grösse und ihren Aufgaben her teils stark voneinander. Im Einzelfall sind auch die vorhandenen Ressourcen und mögliche Synergien mit der Zentralverwaltung zu berücksichtigen. Als neustes Beispiel sei auf die Regulierung der Postkommission verwiesen. Sowohl für deren Mitglieder als auch für die Kommission selbst wurden anlässlich der Neuordnung im Postbereich29 Unabhängigkeitserfordernisse ins Postgesetz vom 17. Dezember 201030 aufgenommen.

2.3

Zu Empfehlung 3

Empfehlung 3 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, bei der Wahl der Leitungsorgane von Aufsichts- und Regulierungsbehörden die Festlegung von präzisen und transparenten Anforderungsprofilen sicherzustellen sowie seiner Steuerungs- und Aufsichtskompetenz mittels Wahl der Leitungsorgane vermehrt Gewicht beizumessen.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlung anzunehmen. Der Bundesrat erachtet sie als teilweise bereits umgesetzt.

Mit der Revision 200931 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 199832 (RVOV) wurde Artikel 8j eingefügt. Danach wählt der Bundesrat die Leitungsorgane von Anstalten des Bundes und Vertretungen des Bundes in Organisationen des öffentlichen und privaten Rechts. Er erstellt für jede Organisation ein Anforderungsprofil mit den persönlichen und fachlichen Voraussetzungen einer Vertretung. Er übt sein Wahl- und Bestimmungsrecht gestützt auf dieses Anforderungsprofil aus. Aufgrund der Umsetzungsplanung von 2009 wurden die Departemente verpflichtet, für alle Verwaltungsräte der Organisationen und 27 28 29 30 31 32

Vgl. auch Giovanni Biaggini, a. a. O., Ziff. III/5 ­ zur parlamentarischen Oberaufsicht gegenüber den richterlichen Behörden des Bundes.

Giovanni Biaggini, a.a.O., Ziff. IV/3, S. 43 Vgl. Art. 20 Abs. 1 und 2 des Postgesetzes in der Fassung vom 17. Dez. 2010 (AS 2012 4993).

SR 783.0 AS 2008 5949 SR 172.010.1

1770

BBl 2016

Unternehmungen des Bundes in ihrem Zuständigkeitsbereich je ein Anforderungsprofil zu erstellen, es auf aktuellem Stand zu halten und künftigen Wahlen zugrunde zu legen. In einigen Organisationserlassen wurde die Pflicht zur Erstellung eines Anforderungsprofils sogar auf Gesetzesstufe verankert oder in der Botschaft erwähnt, was im Hinblick auf die angeführte Regelung in der RVOV nicht einmal zwingend notwendig wäre. Seit 2010 ist ein vom Bundesrat verabschiedetes MusterAnforderungsprofil für Verwaltungs- und Institutsräte publiziert.33 In Bezug auf die Auswahl der höchsten Führungskräfte hat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates dem Bundesrat empfohlen, für Wahlverfahren, die in seine Zuständigkeit fallen, eine Liste mit Grundelementen zu erstellen, die im Normalfall von allen Departementen und der Bundeskanzlei einzuhalten sind (vgl.

Bericht der GPK-N vom 15. Nov. 201334 betreffend «Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat»). Diese Empfehlung hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 19. Februar 201435 angenommen. Er hat am 28. November 201436 eine «Weisung über die Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat (Grundelemente für die Vorbereitung von Wahlgeschäften durch die Departemente und die Bundeskanzlei)» erlassen und darin die Grundelemente für die Vorbereitung von Wahlgeschäften definiert, die in seine Wahlzuständigkeit fallen. Diese Weisung ist am 1. Januar 2015 in Kraft getreten. Auf denselben Zeitpunkt wurde die Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 200137 (BPV) im Sinne der GPK-Empfehlungen angepasst.38 Die dezentralen Verwaltungseinheiten werden aber vom Geltungsbereich dieser Weisung des Bundesrates nicht erfasst. Ob für die Wahlverfahren von Leitungsorganen analoge Regelungen erlassen werden sollen, wird vom Bundesrat noch geprüft. Er hat dem EFD (EPA, EFV) einen entsprechenden Prüfauftrag erteilt.

2.4

Zu Empfehlung 4

Empfehlung 4 Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, Massnahmen zu prüfen, um in den Aufsichts- und Regulierungsbehörden die Sensibilisierung für die Unabhängigkeit zu stärken.

Wie unter Ziffer 2.2 ausgeführt wurde, beschränkt sich die Aufsicht des Bundesrates, wie die Oberaufsicht des Parlaments, im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Organisationen auf einen ordnungsgemässen äusseren Geschäftsgang. Der Bundesrat hat demzufolge insbesondere die rechtlichen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen zu schaffen, um ein ordentliches Funktionieren der Einheiten zu 33 34 35 36 37 38

Fundstelle: www.efv.admin.ch > Themen > Finanzpolitik, Grundlagen > Corporate Governance > Grundlagen BBl 2014 2787 BBl 2014 2841 BBl 2014 9737 SR 172.220.111.3 Änderung vom 28. Nov. 2014 der Art. 2 und 22 der BPV (AS 2014 4567)

1771

BBl 2016

ermöglichen. Es ist aber nicht seine Aufgabe, und er verfügt auch nicht über die entsprechenden Mittel, um in den Behörden direkt Sensibilisierungsmassnahmen, wie Schulungen und dergleichen, durchführen zu können bzw. die Unternehmenskultur zu stärken. Dies ist Sache der entsprechenden Organe und Teil ihrer Zuständigkeit und ihrer Verantwortlichkeit. Der Bundesrat hat aber in seinem Bericht vom 28. November 201439 zu den Lösungsansätzen für Interessenkonflikte im Bundesrecht (in Beantwortung des Postulats 12.3114 Recordon vom 8. März 2012) zugesagt, dass er die zuständigen Stellen der Bundesverwaltung, aber auch die verselbstständigten Einheiten des Bundes, anhalten wird, ihre Anstrengungen zur kontinuierlichen Information, Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zusammenhang mit potenziellen oder bestehenden Interessenkonflikten und der Korruptionsprävention fortzuführen.40 In diesem Sinne betrachtet der Bundesrat die Empfehlung 4 bereits als erfüllt.

39 40

BBl 2015 1265 Im Hinblick auf die Umsetzung der Motion Gilli vom 2. Dez. 2013 (13.4040) und wie im Bericht vom 2. Febr. 2015 der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der GPK-S zur Evaluation der Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden der dezentralen Bundesverwaltung, Ziff. 3.3.1, S. 21 f. erwähnt, wurde der Bundesrat bereits tätig. So hat das EDI bei der Anpassung des internen Reglements von Swissmedic interveniert und angeregt, die Interessenbindungen offenzulegen, um die Unabhängigkeit und die Transparenz zu stärken.

1772