473 # S T #

Aus den Verhandlungen de Schweizerischen Bundesrathes.

(Vom 4. gebruar 1854.)

Der schweizerische Konsul in Sivorno, Herr .5 e l) r* ·Schmöle, übermachte mit Depesche vom 28. v. M, dem Bundesrathe nachstehenden Bericht: ,,Das Iahr 1853 war sur ..-toscana ein sehr trau* riges. Es gesellte sich zu der seit einigen Iahren hier herr# schenden Traubenkrankheit eine sehr bedeutende Mißarnte an Getraide; hier ersezt zwar der Wein theilweise das Brod, d. h. mit Wein, der so stärkend ist, bedarf man nur ein kleines Quantums Brod. Dieses Iahr sehlte beides und steigerte die Noth im Innern Toseanas aus einen selten gekannten Grad, die jedoch weniger fühlbar in L i v o r n o wurde, wo es der nieder« Klasse nie an Arbeit fehlte. Die erste golge hievon war, die Stokung des Absazes von Manufakturwaaren, besonders der Schweizerprodukte; aber die Lage war abnormal und mit bessern Aernten wird auch wieder mehr Verbrauch zurük kehren. Die romischen Staaten leiden unter dem gleichen Uebel, sind zudem außer unsern Bereich gekommen, durch die hemmenden Zolltraktate und Erschwerung des Schmuggelhandels.

,,Jn Erzeugung von glatten Baumwollenstoffen geht Toscana stark voran und hat die Konkurrenz unserer Produkte beinahe ganz aus dem Wege geräumt. In Mado.öolams stehen uns die Engländer gegenüber, nur find unsere weißen Cambriks vorgezogen, deren Verschleiß jedoch nicht sehr bedeutend ist, wegen ihres höhern ·Preises. In glatten gestikten, so wie damasztrten MousBundtsblatf. Ishrg. VI. Bd. I.

38

474 selinfkffen behielten wir den Vorrang. Die Engländer suchen für Vorhänge den Tüll einzuführen, was ihnen aber bis jezt nicht sehr geglükt ist.

,,Von Rothgarn verfertigt Toscana die geringern .Dualitäten selbst, die guten mit Vorliebe aus Rheinpreußen und weniger aus der Schweiz beziehend.

,,Der Absaz von Schweizerleinwand bleibt sehr unbedeutend. Seidenschirmstosse hingegen find beliebt, so Wie überhaupt alle glatten schweizerischen Seidenstoffe, während die bunten noch immer in Eleganz, Lebhaftigfeit und Dauerhaftigkeit der Farben von den franzöfifchen übertrossen werden und hier weniger begehrt find.

,,Schweizerische Cigaren von jeher beliebt, werden jlets in ziemlichem ..Quantum eingeführt.

"Unsere Uhren, Häute, Leder, Käse, Extrait d'A6fönthe,chemischeProdukte und Holzschnizerwaaren hatten den gewöhnlichen regelmäßigen Absaz, während tr fich für Strohwaaren vermindert zu haben scheint.

,,Ueber Exporten Sivorno's nach der Schweiz ist zu Berichten, daß fie fortwährend abnehmen, da Genua unsere Waaren beim Tranfit mit Kosten belastet, daaegen trachtend, die Konsumenten direkte billiger zu bedienen.

,,Ein Schauspiel sehr regen Lebens bot Sivorno's .Hafen in der zweiten Hälfte des Iahres dar, durch die Bedeutenden Zufuhren an Getraide, die von hier aus über ganz Toscana, die Herzogthümer, den Kirchen-

itaat und bis nach Sizilien vertheilt wurden. Ein großer Theil, ja beinahe die Hälfte der eingetroffenen Schiffsladungen wurde aber ohne Löschung nach Genua und hauptsä'chTich nach Marseille befordert, so daß unser .Vorrafh iHde Dezember an Waizen allein

475 640,000 Säfe gleich circa 480,000 Hektoliter, an an-

dern Getraideforten bloß 51,000 Säke oder 38,300 Hektoliter betrug.

,,Dieser Vorrath, vereint mit den noch zu erwartenden Zufuhren, wäre nicht unbedeutend, und hinreichend zur Berechtigung einer Hoffnung auf billigere Preife, wenn nicht erwartete Nachfrage aus England oder politifche Verwiklungen dazwifchen treten, weßhalb es nicht mög-

lich ist, eine gegründete Meinung über deren zukünftigen Gang auszudrüken.

,,Für die Schweiz kann übrigens unfer Getraidemarkt kein Interesse haben, wegen dem längern und theurern Transport, und weil unsere Preffe gewöhnlich eher eine Kleinigkeit über jene von Marseille stehen. Die Impor# teurs sind nämlich beinahe ausschließlich reiche Griechen, die Filialhäuser in Marseille haben und wie oben gesagt, einen guten Theil ihrer Zufuhren nach jenem Hafen senden, in der Hoffnung, dort einen bedeutendern und raschern Verschleiß zu finden. Dieß ist häufig auch der gall und Marseille ist für schnelle Steigerungen empfäng* licher, wogegen die einmal dort eingetroffenen Ladungen, in flauen Augenbliken oder bei unveränderten Preifen, felbft etwas billiger als hier erlassen werden, wie unnatürlich diejj auch erscheinen mag.

"Für das Manufakturenfach war das Iahr 1853, auch in Hinsicht der vielen Fallimente im Inlande fowoC als hier, ein ungünstiges. In andern Zweigen, ja im Allgemeinen, bewährte jedoch Livorno feinen alten Ruf von Solidität, felbst Anzeichen eines zunehmenden Wohlstandes=gebend. Der Zinsfuß war bei der Bank immer 5 %, bei Partiten abwechfelnd zwischen 4y2 % bis 5 °/o, ja selbst in diesem Augenblike, wo er auf allen Haupt-

476

märkten Europa'« außergewöhnlich hoch steht, ist bei der Bank zu 5 °/0/ bei Privaten zu 4'/2 % bis 43A °/o tteberfluß an Baarschaft.

,,Einem längst schon empfundenen und mehrmals gerügten Bedürfniß Rechnung tragend, wurde endlich mit den Vorarbeiten zur Erweiterung und bessern SicheTung des hiefigen Hafens unter der Direktion des sran» îofischen Genie-Ingenieurs Poirel der Anfang gemacht.

Am 1. August 1853 legte der Großherzog mit großem Pomp, in Gegenwart des Konfularkorps und allen Notabilitäten der Stadt, den Grundstein zu einem neuen ins Meer hinaus ragenden Hafendamm, an dem alsobald eifrig gearbeitet wurde. Nachher ließ man aber etwas nach, da diese Arbeit mit der lezten Sommer ebenfalls begonnenen Auströknung des sumpfigen Sees von Bientina den Staatsfchaz allzusehr in Anspruch nehmen, während die im Iahre 1852 nur theilwese ·placirte, und wie es hieß, dem Hause Rothschild in Kommisfion gegebene 3 % Anleihe nur sehr wenig Lieb"haber fand, und jezt unter dem Emisfionspreis steht.

,,Die Mifjärnten konnten auch die regelmäßigen Einkünfte nur vermindern, und man weiß noch nicht, wie der dießfällige Ausfall gedekt werden wird.

,,Im Fache der Eisenbahnen erfolgte nichts besonderes Bemerkenswerthes.

,,Die längst eröffnete Linie von Florenz nach 'Pisa und Livorno, Leopold a benannt, ist unausgese-jt stark frequentirt, ohne besondere Unfälle und gab für die 12 Monate eine Dividende »on L. 455/6 Per Aktie von S. 1000, obwol die Aufführung einer passenden Waaren* ·station in Livorno wegen den Veränderungen am See%afen immer noch ausgesezt ist. Die Aktien fielen jüngst ·von 89 auf 85-84 zurük.

477

,,Jene von Siena bis zur 8eo»olda steht auf 54%, arbeitet sehr wenig, nur eine äufjerji schwache Dividende gebend, gleich jener von Pisa über Lucca nach Pescia und von Pistoja über Prato nach Florenz. Seztere auf 45 % stehend, wird mehr Jnteresse gewinnen, so* bald fie von Pisa-Lueea nach Florenz fertig, durch Aussüllung der Litîe zwischen Peseia und Pistoja.

,,Die dießfälligen, durch Hügel und Bergfiröme erschwerten Arbeiten wurden aus Mangel an Mitteln fuspendirt, nun aber mittelst einer Zinsengarantie von Seite der Regierung, obwol etwas langsam, wieder aufgenommen.

,,Der Bau, der in meinem lezten Berichte weitläufig erwähnten italienifchen Zentralbahn, zum Anschluß der ioseanischeu Linien an die lombardischen, mit Zinsengarantie. Seitens der verschiedenen betheiligten Staaten wurde schwach begonnen; doch scheinen die Mittel auch da nur spärlich vorhanden zu sein. Die Aktien stehen

auf 95 bis 94 % und zahlten bis .jezt 10
,,Für die Linie von Florenz über Arejîo bis zur römischen Gränze, um durch die Romer zu deren Hauptstadt geführt zu werden, verlieh der ®roßherzog die Konzesfion mit 3 % Zinsengarantie, 8£9cn eine sehr kleine Baarschaftshinterlage dem englischen HauseGebrüd e r G a n d e l l . Da aber dieses die eingegangenen Ver-

.pflichtungen nicht erfüllte, und die zur Vervollständigung

sestgesezte Frist längst verstreichen ließ, so erwartet man täglich Veröffentlichung des Deeadenzdckrets und glaubt, die Regierung werde jene Linie fallen lassen, dagegen den frühern Plan der Verlängerung der Sicnabahn bis nach Rom wieder aufnehmen.

478 ,,Ueber den viel besprochenen Anschluß .Toseana's an den österreichischen Zollverband verlautete noch nichts Näheres; aber man ist immmer noch der Meinung, daß Lezteres stark an der italienijchen Zentralbahn und an Livorno's Hafen-Arbeiten mit Befestigungen dränge, um den Handel der Lombardie eher L i v o r n o als Genua zuzuwenden.

,,Die Taxen des Telegraphen find für das Inund Ausland immer noch sehr hoch und es scheint, man wolle, wo immer möglich, den Weg über die Schweiz umgehen.

,,Der Briefpostendienst bleibt, der mehrfeitig aögeschlosscnen Verträge ungeachtet, sehr mangelhaft."

Auf den Antrag des schweiz. Poftdepartements hat der Bundesrath beschlossen, i n A e f c h , Kts. Bafel-Landschaft, ein Postbüreau und in D o r n e k , Kts. Solothurn, eine Postablage zu errichten.

(Vom

6. Februar 1854.)

Mit Schreiben vom 2. dieß macht der noramerikanifche Konsul in Basel, Herr Lee, dem Bundesrathe die Anzeige, daß er zu feinem Vizekonsul den Herrn Eduard Brüst lein in Bafel an der Stelle des Herrn A. Z w i l c h e n b a r t daselbst ernannt habe.

Da der Herr Ministerrefident der Vereinsstaaten ÜJlordamerika's die an ihn gestellte Anfrage: ,,ob die dortseitigen Konsuln ermächtigt feien, von fich aus Vizekonfuln zu ernennen und zu akkreditiren," mit Zuschrift vom 6. dieß b e j a h e n d beantwortete, so anerkannte der Bundesrath die gedachte Ernennung des Herrn Brüstlein.

479

(Vom 7. gebruflr 1854.)

Die großbrittanische Gesandtschaft bei der schweiz.

Eidgenossenschast macht dem Bundesrathe die Mitthei* Jung, daß oft Engländer mit Pässen in die Schweiz kommen, welche nicht von englischen Behörden, sondern bloß von fremden, in England refidirenden Konsuln

(gewöhnlich französischen, deutschen oder belgi« scheu) ausgestellt seien, die nicht überall, wie z. B. in Oesterreich und Preußen, respektirt werden und daher die Träger derselben vielen Unannehmlichkeiten aussezen.

Die gedachte Gesandtschaft, welche von ihrer Regierung beauftragt wurde, dahin zu wirken, daß fremde Pässe bei Angehörigen Großbrittaniens außer Gebrauch kommen, ersuchte nun den Bundesrath utn seine Vermittlung dafür, daß die fchweiz. Kantonspolizeien angehalten werden möchten, die in der Schweiz sich aufhaltenden Britten aufzufordern, ihre f r e m d e n Pässe gegen solche von der g r o ß b r i t t a n i s c h e n Gef a n d t f c h a f t in Bern auszutaufchen.

Diesem Wunsche entsprechend, hat der Bundesrath sein Justiz- und Polizeidepartement ermächtigt, die obern Polizeibehörden der Kantone durch ein Kmsschreibeit von dem Inhalte gedachter Note in Kenntniß zu sezen, mit der Einladung, den Engländern, welche f r e m d e Reiseschriften befizen möchten, die Unannehmlichkeiten bekannt zu machen, denen sie deßwegen ausgefezt seien, und sie zu ersuchen, ihre unregelmäßigen Pässe gegen solche auszutauschen, die von der großbrittanischen Gesandtschaft in der Schweiz ausgestellt seien.

480

$err Louis Slubert in Gens wurde vom Bundes* rathe zum Oberfilieutenant im eidg. Geniejtabe ernannt.

Mit Zuschrift vom 1. dieß macht die Regierung des Kantons Genf dem Bundesrathe, in Erwiderung auf dessen Schreiben vom 27. v. M., die Anzeige, daß nicht nur die im Art. 4 der Gensereisenbahnkonzesfion

(S. Bundesblatt v. J. 1853, Band I, Seite 4IO)

sestgesezte Kaution von Fr- 150,000, sondern sogar die Summe von Fr. 161,250 deponirt sei, wodurch bas Unternehmen als gefichert erscheine, um so mehr, da auch der Staatsrath mit der Vollziehung des Art. 5 der Konzesfion, betreffend die Unterstüzung von 2 Millionen granken an die Gesellschaft, fich beschäftige.

Diese Ausweise hat der Bundesrath genügend und den Anforderungen von Art. 3 des Bundesbeschlusses vom 2. Hornung 1853 (S. amtl. Samml. III. Bund, Seite 263) vollkommen entsprechend gefunden.

In golge eingegebener Demisfionen, hat der Bundes* rath die Entlassung aus dem eidg. Stabe in allen Elren und unter Verdankung der geleisteten Dienste ertheiltt dem $errn Artilleriemajor Joh. Moll von Biel, in Münster (Bern); ,,

,,

Major im Kriegskommissariatsjtabe Joh.

Weber von Langwies, in Chur;

..

,,

S t ab s h a u p t m a n n A. Em. v. ©raffen-- 3 ried von Bern, in Wien.

481 ...Stahlen des Bundesrathes.

Militärs : 7. Februar, Herr Louis A u b e r t in Genf, zum Ober* instruktor des Genie für die Zentralmilitärfchnle in Thun.

,, ,, Herr Friedrich S c h u m a c h e r in Bern, ©enie-Stabshauptmann, zum Instruktor I. Klasse beim Genie. Iahresgehalt

gr. 2600.

Postbeamte :

2. gebruar, Herr I. H on e g g e r , Friedensrichter in Wald, Kts. Zürich, zum Posthalter dafelbst. Iahresbefoldung gr. 480.

7.

,, Herr I. I. g r e i d i g von Genf, bisheriger L Sekretär des eidg. Kursbüreau, zum Adjunkten des Kursinfpektors bei der Generalpostdirektion. Iahresgehalt Fr. 3000.

Herr Ioh. Gotti. Geifer »on Langenthal, Kommis auf dem Hauptpoftbüreau in Bern, ist am 8. Februar an eine besser besoldete Stelle auf gedachtem Bureau gewählt worden.

Batidesblatt. Jahrg. VI. Bd. I.

39

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1854

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

07

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.02.1854

Date Data Seite

473-481

Page Pagina Ref. No

10 001 347

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.