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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Verwaltungsverfahren (Bundesverwaltungsverfahren) (Vom 24. September 1965)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf für ein Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren zu unterbreiten.

I. Begriff des Verwattungsverfahrens Der Gegenstand des vorliegenden Entwurfes umfasst einerseits das sogenannte nicht streitige Verwaltungsverfahren, in dem die Bundesverwaltung in erster Instanz (Abschnitt II des Entwurfes) und der Bundesrat in erster oder einziger Instanz (Abschnitt IV in Verbindung mit Abschnitt II) Verfügungen erlassen oder rechtskräftige Verfügungen vollstrecken; anderseits das sogenannte streitige Verwaltungsverfahren oder Beschwerdeverfahren, in dem Bundes Verwaltung (Abschnitt III in Verbindung mit Abschnitt II) und Bundesrat (Abschnitt IV in Verbindung mit Abschnitt III und II) als Beschwerdeinstanzen über Beschwerden gegen in einem nichtstreitigen Verwaltungsverfahren erlassene Verfügungen entscheiden, soweit darüber nicht Verwaltungsgerichte urteilen. Es handelt sich bei diesen Verfügungen und Beschwerdeentscheiden um diejenigen Akte der Bundesverwaltungsbehörden, die man etwas zu eng als Verwaltungsakte bezeichnet; gemeint sind Verwaltungsakte, die jemanden konkret und individuell zu etwas verpflichten oder berechtigen, was das materielle Verwaltungs- und - im Falle der staatsrechtlichen Beschwerde an den Bundesrat - Verfassungsrecht des Bundes abstrakt und generell normiert (Abschnitt I). Das materielle Recht regelt, ob die Bundesverwaltungsbehörden Anordnungen treffen dürfen und um was für Anordnungen es sich dabei handle.

Das formelle Verwaltungsrecbt bestimmt, welche Bundesbehörden und wie sie die Anordnungen treffen und vollstrecken sollen. Die Organisation sagt, welche Bundesverwaltungsbehörden, das Verwaltungsverfahren sagt, wie sie zu handeln haben. Das Verwaltungs verfahren unterscheidet sich daher von den ver-

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schiedenen, ihm benachbarten Rechtsgebieten, wie dem erwähnten materiellen Verwaltungsrecht, der Organisation der Bundesverwaltung nach dem Bundesgesetz vom 26. März 1914 (Verwaltungsorganisationsgesetz) und den ergänzenden Erlassen, dem Verfahren der Bundesverwaltungsbehörden in den durch privat- oder öffentlich-rechtlichen Vertrag und anderen nicht durch Verfügung zu erledigenden Verwaltungssachen, dem Verwaltungsstrafverfahren und der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts, des Eidgenössischen Versicherungsgerichts und der eidgenössischen Rekurskommissionen beurteilt Beschwerden gegen bestimmte Verwaltungsakte und knüpft insofern an ein nichtstreitiges oder streitiges Verwaltungsverfahren an. Ihr Ausbau entsprechend der Motion Glasson von 1957 und der Motion der parlamentarischen Untersuchungskommissionen von 1964 bildet Gegenstand der parallelen Vorlage für die Revision von Artikel 97 ff. des Bundesgesetzes vom 16,Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG). In Vorbereitung befindet sich auch die Revision des Bundesbeschlusses vom 28. März 1917 über die Organisation und das Verfahren des Eidgenössischen Versicherungsgerichts und, entsprechend der Motion Borei von 1956, der Ausbau des Verwaltungsstrafverfahrens in einem neuen Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht.

Eine umfassende Reform der Verwaltungsrechtspflege steht also bevor. Der vorliegende Entwurf für eine Kodifikation des Verwaltungsverfahrens, historisch aus den Vorarbeiten für den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit herausgewachsen (dazu unten Abschnitt V), hängt auch insofern mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammen, als ein kodifiziertes Verwaltungsverfahren die Ausübung einer ausgebauten Verwaltungsgerichtsbarkeit erleichtert und entlastet (dazu unten Abschnitt III).

II. Darstellung und Kritik des geltenden Rechtsznstandes Es verhält sich nicht so, dass der Bund heute überhaupt kein Verwaltungsverfahrensrecht tesasse. Das geschriebene Verfahrensrecht charakterisiert sich aber als mehr oder weniger fragmentarisch und ohne festen Zusammenhang, besonders im nichtstreitigen Verwaltungsverfahren, ohne dass das ungeschriebene Recht alle Lücken auszufüllen vermöchte. Das geltende Verfahrensrecht umfasst folgende Regelungen : a. Artikel 124-134 und 158 OG, mit den
Verweisungen in Artikel 130, Absatz l und Artikel 133, Absatz 2 OG, über das streitige und nichtstreitige Verwaltungsverfahren des Bundesrates; b. Artikel 23bis des Verwaltungsorganisationsgesetzes, mit der Verweisung in Absatz l, Buchstabe g auf Artikel 32-35 OG, über das streitige Verwaltungsverfahren der Bundesverwaltung, soweit sich die Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesverwaltung richten; c. Spezialverwaltungsrecht des Bundes mit Verfahrensbestimmungen; d. Verwaltungsgewohnheitsrecht.

1350 Die Bestimmungen im Sinne von Buchstabe a über das Verwaltungsverfahren des Bundesrates erscheinen zwar als geschlossen und abschliessend, aber dieser Eindruck ist unvollständig; um sich davon zu überzeugen, genügt ein Blick auf die Abschnitte II und HI des Entwurfes, die zusammen mit Abschnitt IV das Verwaltungsverfahren des Bundesrates regeln sollen. Auch bilden Artikel 124-134 und 158 OG im Rahmen des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, das die Rechtspflege des Bundesgerichts ausser der Strafrechtspflege organisiert, dort eher einen Fremdkörper.

Diese Bemerkungen über das Verwaltungsverfahren des Bundesrates treffen in noch höherem Masse auf das streitige Verwaltungsverfahren der Bundesverwaltung im Sinne von Buchstabe b zu. Obwohl dieses Verwaltungsbeschwerdeverfahren nach dem Wortlaut des Ingresses von Artikel 23blB des Verwaltungsorganisationsgesetzes nur Anwendung auf Beschwerden innerhalb der Bundesverwaltung findet, erklären Bestimmungen des Spezialverwaltungsrechts es auch anwendbar auf Beschwerden gegen letzte kantonale oder andere Instanzen ausserhalb der Bundesverwaltung, wenn sie nicht endgültig entscheiden; beispielsweise auf Beschwerden an das Volkswirtschaftsdepartement: Artikel 31, Absatz 2 des Kriegsvorsorgegesetzes vom 30. September 1955 (AS 1956, 95), Artikel 5 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland (AS 1956, 1955), Artikel 4, Absatz l des Bundesbeschlusses vom 17. Dezember 1952 über die Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (AS 1953, 1241) und Artikel 32, Absatz 2 der Verordnung vom 25. Oktober 1960 über die BTJTYRA (AS 1960, 1201), während Artikel 36, Absätze l und 2 und Artikel 38, Absatz l des Milchbeschlusses vom 29.September 1953 (AS 1953, 1124) sich darüber ausschweigen. Wenn die Beschwerdeinstanz endgültig entscheidet, beispielsweise das Justiz- und Polizeidepartement nach Artikel 24, Absätze 2 und 3 und Artikel 89, Absatz 3 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (AS 1959, 687, 708) und nach Artikel 20, Absatz l des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (AS 1949, I 224/225), so befolgt sie neben den Verfahrensbestimmungen des einschlägigen Spezialverwaltungsrechts auch die Bestimmungen von Artikel 124 ff. OG über das
streitige Verwaltungsvcrfahren des Bundesrates. Der Bundesrat hätte von der Ermächtigung in Artikel 23bl8, Absatz 2 des Verwaltungsorganisationsgesetzes, ergänzende Bestimmungen über das Verfahren aufzustellen, Gebrauch machen können. Wenn er darauf verzichtete, so in erster Linie aus dem Bedenken, solche Bestimmungen, die nicht nur den internen Dienstbetrieb der Bundesverwaltung als BeschwerdeInstanz, sondern prozessuale Grundrechte und -pflichten des Bürgers gegenüber der Bundesverwaltung berühren, in die Form einer blossen Verordnung zu kleiden. Eine Verordnung wäre eine gesetzestechnisch unbefriedigende Behelfslösung gewesen; drei verschiedene Erlasse hätten sich dann mit dem streitigen Verfahren der Bundesverwaltung beschäftigt, da Artikel 23blB, Absatz l, BuchStabe g des Verwaltungsorganisationsgesetzes seinerseits auf die Artikel 32-35 und 158 OG verweist.

1351 Was die zahllosen Bestimmungen des Spezialverwaltungsrechts über das Verwaltungsverfahren im Sinne von Buchstabe c anbelangt, gleichen sie einem bunten Mosaik. Sie drehen sich entweder um das streitige Verwaltungsverfahren und verweisen dann meistens auf die Bestimmungen im Sinne von Buchstaben a und b, z.B. Artikel 55 ff. des Arbeitsgesetzes vom 13.März 1964 (BEI 1964 I 573), Artikel 108-110 des Landwirtschaftsgesetzes vom S.Oktober 1951 (AS 1953, 1102), Artikel 61 der Allgemeine Landwirtschaftsverordnung vom 21.Dezember 1953 (AS 1953, 1152), Artikel 58 des Getreidegesetzes vom 20. März 1959 (AS 1959,1012), Artikel 11 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (AS 1958, 338), Artikel 14, Absatz 3 des Nationalstrassengesetzes vom S.März 1960 (AS 1960, 527/528). Oder sie drehen sich um das nichtstreitige Verwaltungsverfahren und sind auf das materielle Verwaltungsrecht zugeschnitten, dessen Anwendung sie dienen. Sie können dann eine gewisse Breite und Geschlossenheit erreichen, beispielsweise Artikel 29 ff. des Zollgesetzes vom l. Oktober 1925 und Artikel 41 ff. der Vollziehungsverordnung vom l O.Juli 1926 (BS 6, 475, 542), Artikel 89 ff., 104 ff-, 125 ff. des Armeeverwaltungsbeschlusses vom 30. März 1949 (AS 1949,1116; 1954,1331/1332), Artikel 32 des Beamtengesetzes vom 30. Juni 1927, Artikel 28 ff. der Beamtenordnung I, Artikel 24 ff der Beamtenordnung II vom lO.November 1959 (BS 7, 498/499; AS 1959, 1115, 1155) und Artikel 40 ff. der Beamtenordnung III vom 29. Dezember 1964 (AS 1965, 171). Meistens aber sind sie im materiellen und organisatorischen Verwaltungsrecht eingebettet, beispielsweise in Artikel 49 ff. des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (BB119641 571), Artikel 6, 9, Absatz 2 in fine und Artikel 48 des Rohrleitungsgesetzes vom 4. Oktober 1963 (AS 1964, 101), Artikel 7 des Atomenergiegesetzes vom 23.Dezember 1959 (AS 1960, 543), Artikel 9, 22, 44 und 45 des Milchbeschlusses vom 2. September 1953 (AS 1953, 1113), Artikel 29, 30, 56-58,65 und 68 des Milchlieferungsregulativs vom 29. Dezember 1954 (AS 1954, 1384; 1963, 382), Artikel 7, 8, 11, 27, 42-44, 63, 69, 78, 85, 87, 93 und 118-121 der Vollziehungsverordnung vom 6. April 1962 zum Alkoholgesetz (AS 1962, 321), Artikel 72 ff. der Verordnung vom 16.November 1962 über die Beförderungen im Heere (AS 1962 , 1545), Artikel 142 ff. der
VollziehungsVerordnung vom 5. Juni 1950 zum Luftfahrtgesetz (AS 1950, l 532/533), Artikel 23 der Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1958 zum Eisenbahngesetz (AS J959, 1375; 1964, 1181), Artikel 6, 21 und 23 der Vollziehungsverordnung II vom 28. Dezember 1962 zum Filmgesetz (AS 1962, 1722). Diese verstreuten Bestimmungen entsprechen keinem Gesamtplan.

Die Lücken, unter denen das geschriebene Verfahrensrecht leidet, füllt Verwaltungsgewohnheitsrecht im Sinne von Buchstabe d aus, soweit sich die Verwaltungspraxis, in erster Linie die Praxis von Bundesrat und Bundesverwaltung als Beschwerdeinstanzen, zu Gewohnheitsrecht verdichtet. In den letzten Jahren beschäftigte sich die Praxis mit folgenden offenen Fragen des Verwaltungsverfahrens und konnexen Fragen des allgemeinen Verwaltungsrechts, stichwortartig aufgezählt: Handlungsfähigkeit der Partei, Rechtskraft des Verwaltungsaktes, Revision und Wiedererwägung desselben; rechtliches Gehör, im besonderen mündliche Anhörung; Akteneinsicht; sogenanntes Novenrecht; Exper-

1352 tise; Rechtsmittelbelehrung; Zustellung; sogenannte Gabelung des Beschwerdeweges zwischen Bundesrat und Bundesgericht; sogenannte Kompetenzattraktion; sogenannter Sprungrekurs und Aoschlussrekurs; Aufsichtsbeschwerde; Bindung der Beschwerdeinstanz an Vorfrageentscheid des Strafrichters; reformatio in pejus; Evokation einer mit der Beschwerdesache konnexen Verwaltungssache durch die Beschwerdeinstanz.

Diese Praxis orientiert sich ihrerseits an der reichen Praxis des Bundesgerichts in Fällen staatsrechtlicher Beschwerden. Als Verwaltungsgericht kommt das Bundesgericht selten dazu, Fragen des Verwaltungsverfahrens anzuschneiden, obwohl das Verfahrensrecht Bundesrecht im Sinne von Artikel 104, Absatz l OG darstellt, dessen Verletzung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden kann. Beispiele bilden Archiv für schweizerisches Abgaberecht (= AS A), Bd. 22, 1953/54, S.408 (Beweislast); BGE 83 l 325/326 (Rechtskraft); ASA Bd. 21, 1952/53, S.440 (Sprache, in der die Verfügung zu eröffnen ist); BGE 87 l 423, 85 1174 (Gabelung des Beschwerdeweges); BGE 711468 (Sistierung des Disziplinarverfahrens wegen Gesuch um Revision des Strafurteils). Ausserdem lehnt sich die Praxis natürlich an die Doktrin an, in erster Linie an die verfahrensrechtlichen Kapitel der Lehr- und Handbücher des allgemeinen Verwaltungsrechts und an die Kommentare des Verfahrensrechts, heute vor allem Giacometti (Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, Bd.I, 1960), Imboden (Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 2. A., 1964) und Birchmeier (Handbuch der Organisation der Bundesrechtspflege, 1950). Trotz der wertvollen Impulse, die sie von der Rechtswissenschaft empfängt, vermag die Praxis nicht voll za befriedigen. Sie konzentriert sich auf die Schwerpunkte der Beschwerdelegitimation, der Rechtskraft und der Kompetenzattraktioii und bleibt im übrigen eher spärlich, besonders was das nichtstreitige Verwaltungsverfahren und das rechtliche Gehör anbelangt; ob sie sich hier überhaupt zu Gewohnheitsrecht entwickelt, an das im Verwaltungsrecht strenge Anforderungen gestellt werden (BGE 89 l 270 und dort zit. Präjudizien), weckt Zweifel.

Ihre Schwäche erklärt sich aus einer gewissen Abneigung der Beschwerdeinstanzen, von Amtes wegen mehr als die Beschwerdevoraussetzungen und im übrigen die Rügen und Begehren der
Beschwerdeführer zu prüfen. So bewegt man sich letzten Endes im Kreise : die Praxis befriedigt als Quelle des Verfahrensrechtes nicht, da sie weitgehend fehlt. Wo sie nicht fehlt, kann sie von Behörde zu Behörde und manchmal innerhalb einer und derselben Behörde schwanken; die Schwierigkeiten der verfahrensleitenden Beamten, sich in der Praxis zurecht zu finden, sind nicht zu unterschätzen. Vollends sieht sich der interessierte Bürger dieser Schwierigkeit gegenübergestellt, III. Zweck und Grenzen der Kodifikation Die Zersplitterung und Lückenhaftigkeit des Rechtsstoffes, unter welcher der geltende Rechtszustand leidet, rufen nach Abhilfe in Form einer Kodifikation, die sich auf das streitige und nichtstreitige Verwaltungsverfahren erstreckt.

Die Einbeziehung des streitigen Verwaltungsverfahrens erübrigt sich nicht etwa im Hinblick auf den geplanten Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Letztere

1353 schränkt zwar den Bereich des streitigen Verwaltungsverfahrens ein, wird ihn aber nicht völlig ausschliessen; dieses wird auch neben einer ausgebauten Verwaltungsgerichtsbarkeit seinen Platz finden. Entweder geht das streitige Verwaltungsverfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit voran oder es tritt teilweise an ihre Stelle, beispielsweise in reinen Ermessenssachen, die sich für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht eignen. Eignen sich solche auch nicht für die Verwaltungsrechtspflege des Bundesrates, dann entscheiden die Departemente endgültig: Artikel 69, Buchstabe c des Entwurfes (= Art. 124, Buchst, a OG, der mit Art. 124-131 und 158 OG und mit Art.23blB des Verwaltungsorganisationsgesetzes in Art.75, Abs. l, Buchst, a und b des Entwurfes aufgehoben werden soll).

Einer solchen Kodifikation sind allerdings Grenzen gesteckt, soll sie nicht ins Uferlose geraten. Sie muss sich damit bescheiden, das normale Verwaltungsverfahren zu kodifizieren; wo dieses ausnahmsweise nicht passt, kann es keine Anwendung finden, und wo es nicht genügt, kann es nicht allein Anwendung finden. Die Artikel 2 und 3 des Entwurfes entspringen dieser Abgrenzung.

Ausserdem verzichten wir darauf, allgemeines materielles Verwaltungsrecht in die Kodifikation einzubeziehen. Unser Entwurf beruht auf dem Prinzip der Trennung zwischen dem materiellen und dem Verfahrensrecht. Auch konnexe Materien werden nicht einbezogen, beispielsweise die Nichtigkeit und die sogenannte materielle Rechtskraft der Verfügungen. Noch zum Verfahrensrecht gehören der Begriff der Verfügung in Artikel 4 und die Revision der Beschwerdeentscheide in Artikel 60 ff. des Entwurfes. Die Artikel 60 ff. regeln jedoch weder die Revision der übrigen in materielle Rechtskraft erwachsenden noch die Wiedererwägung der nicht in materielle Rechtskraft erwachsenden Verfügungen, welch letztere in Artikel 22, Absatz 3, Artikel 53 und 63 nur am Rande gestreift wird. Die Wünschbarkeit und Möglichkeit, materielles allgemeines Verwaltungsrecht zu kodifizieren, brauchen wir hier nicht näher zu erörtern. Erfolg verspräche höchstens die Kodifikation des allgemeinen Steuerrechts, Wir erinnern daran, was wir über einen Allgemeinen Teil des Bundessteuerrechts und im Zusammenhang damit über die Kodifikation des Verfahrensrechts in unserer Botschaft vom 22. Januar 1948 über die
verfassungsmässige Neuordnung des Finanzhaushaltes (BB1 1948 I 437, 479, 520/521, 594/595,610) bemerkt haben; das damals angekündigte Bundesgesetz über einen Allgemeinen Teil des Bundessteuerrechts gedieh nicht über einen Vorentwurf 1955 hinaus.

Auch für sich allein, ohne Einziehung allgemeinen Verwaltungsrechtes, bietet die Kodifikation des Verfahrensrechtes folgende Vorteile, die zugleich die Mängel des geltenden Verfahrensrechts beleuchten: a, für den Bürger mehr Rechtssicherheit und b, mehr Rechtsschutz; c. für die Verwaltung ebenfalls Rechtssicherheit und damit Rationalisierung; d. für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgenchts eine Entlastung.

Rechtssicherheit im Sinne von Buchstabe a bedeutet, dass der Rechtsgenosse weiss oder wissen kann, was für ihn Rechtens ist. Ein zersplittertes und

1354 lückenhaftes Recht beeinträchtigt die Rechtssicherheit. Gefahr droht der Rechtssicherheit dann, wenn kein ungeschriebenes Recht dem lückenhaften und zersplitterten geschriebenen Recht unter die Arme greift; dann bedarf es gesetzgeberischer Massnahmen, um die Rechtssicherheit wieder herzustellen. Die gestörte Rechtssicherheit wieder zu gewährleisten, ist das erste Ziel der Kodifikation.

Die Kodifikation will im Sinne von Buchstabe b den Rechtsschutz des Bürgers gegenüber der Verwaltung verstärken, indem sie dem Bürger als Partei des Verwaltungsverfahrens subjektive Rechte einräumt, die er noch nicht oder nur rudimentär geniesst, die aber den modernen Anschauungen über die Erfordernisse des Rechtsstaates entsprechen. Als wichtigste Beispiele für diese Rechte erwähnen wir Artikel 23 ff. des Entwurfes über die Akteneinsicht, Artikel 26 ff.

über das rechtliche Gehör, Artikel 33 über die Rechtsmittelbelehrung, Artikel 58 über die Parteientschädigung für den Beschwerdeführer, Artikel 59 über die unentgeltliche Beschwerdeführung. Ihre Zubilligung soll nicht schrankenlos und nicht ohne das Gegenstück prozessualer Pflichten geschehen. Unter den letzteren erwähnen wir die in Artikel 12 des Entwurfes festgelegte Mitwirkungspflicht der Partei. Dazu gesellen sich die in Artikel 13 ff. vorgeschriebene Zeugnis- und Editionspflicht von Drittpersonen und die Pflichten der Verwaltung, beispielsweise die in Artikel 9 statuierte Ausstandspfiicht. Diese Institute zielen nicht darauf ab, das Verwaltungsverfahren um jeden Preis dem gerichtlichen Prozess anzugleichen, d.h. dem Verfahren vor einem unabhängigen Richter zwecks Erledigung eines Rechtsstreites zweier Parteien. Eine solche Prozessualisierung des Verwaltungsverfahrens wäre unmöglich und nicht sachgemäss.

Für die Verwaltung bedeutet die Kodifikation nicht nur keinenHemmscbuh, vielmehr positiv einen Schritt zur Rationalisierung, also der Wirtschaftlichkeit in der Abwicklung des Ver waltun gs Verfahrens im Sinne von Artikel l, Absatz l des Bundesgesetzes vom O.Oktober 1954 über die Zentralstelle für Organisationsfragen (AS 7955, 263). Je weniger Zweifel über die Rechte und Pflichten im Verwaltungsverfahren herrschen, desto weniger Zeit und Arbeit gehen mit der Überwindung solcher Zweifel verloren. Die Gleichung «Verfahrensfreiheit -- Vereinfachung» und
«Verfahrensrecht -- Komplizierung» haftet an der Oberfläche. «Si paradoxal que cela puisse paraître, une certaine sorte de formalisme constitue un moyen de simplifier l'administration. En effet, on ne peut demander à chaque fonctionnaire de réinventer, en présence de chaque problème particulier, toutes les mesures qui doivent être prises. Lui indiquer qu'il doit accomplir tel acte, prendre telle ou telle garantie, établir des consignes applicables à chaque type déterminé d'opérations, c'est éviter que le fonctionnaire n'oublie une prescription ou ne soit obligé de réfléchir trop longtemps. C'est lui faciliter sa tâche . . . » (Ardant, Technique de l'Etat, 1953, S. 106). Wir wiegen uns allerdings nicht in der Illusion, dass eine Kodifikation alle Prozedurfragen beantworte; Interpretationsfragen werden sich immer stellen. Aber diese Anfangsund anderen Schwierigkeiten ändern nichts daran, dass die Kodifikation auf die Dauer das Verwaltungsverfahren rationalisiert. Ihr Nutzen erstreckt sich darüber hinaus auf die Vorbereitung neuen Spezialverwaltungsrechts im Schosse

1355 der Verwaltung. Die Verwaltung braucht sich dann bei der Vorbereitung neuen Spezialverwaltungsrechts nicht mehr jedesmal über das Verfahren der rechtsanwendenden Behörden den Kopf zu zerbrechen, mit der Gefahr der Rechtszersph'tterung, die dieses Bemühen jeweils heraufbeschwört; eine Globalverweisung auf das allgemeine Verwaltungsverfahren nach Artikel 75, Absatz 2 des Entwurfes wird dann im Normalfall genügen.

Eine Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Sinne von Buchstabe d erwarten wir davon, dass die Kodifikation dank der in Artikel 12 des Entwurfes statuierten Mitwirkungspflicht der Partei bei der Feststellung des Sachverhaltes, ihren in Artikel 23 ff. vorgesehenen Rechten auf Akteneinsicht und Gehör, der in Artikel 13 ff. geordneten Zeugnis- und Editionspflicht von Drittpersonen und der in Artikel 11 bestimmten Offizialmaxime die einwandfreie Abklärung des Sachverhaltes auf der Ebene der Verwaltung erleichtert. Je einwandfreier diese Abklärung, desto seltener ihre Nachholung auf der Ebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit, nach Artikel 103, Buchstabe b des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG auf Rüge des Beschwerdeführers, nach Artikel 104, Absatz l von Amtes wegen. Die Verwaltungsgcrichtsbarkeit kann sich dann auf ihre Domäne der umstrittenen Rechtsfragen konzentrieren, anstatt zeitraubende Beweiserhebungen, u.a. Expertisen über umstrittene oder unklare Tatfragen zu veranstalten.

IV. Rechtsvergleichung Der vorliegende Entwurf führt nicht in gesetzgeberisches Neuland, nachdem schon mehrere Kantone und ausländische Staaten den Weg der Kodifikation beschritten haben. Wir nennen die Republik Österreich, die zuerst in ihren Verwaltungsverfahrensgesetzen - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Verwaltungsvollstreckungsgesetz (diese vergleichbar mit unserem Entwurf) und Verwaltungsstrafgesetz - vom 21. Juli 1925, wiederverkündet am 23.Mai 1950 und in der Zwischenzeit geringfügig geändert, das aus der Monarchie ererbte Verfahrensrecht in klassischer Perfektion kodifizierte. Die dortige Rechtswissenschaft widmet dieser Kodifikation grosse Aufmerksamkeit. Es überrascht nicht, dass andere Staaten im Räume der früheren Monarchie trotz der politischen Umwälzungen nach dem zweiten Weltkrieg dem Kodifikationsgedanken bis heute treu blieben, beispielsweise in den neuesten Kodifikationen
Polens von 1960, Ungarns von 1957, Jugoslawiens von 1956, der Tschechoslowakei von 1955.

Im übrigen Europa kennen Spanien eine Kodifikation von 1958 und die Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene die Teilkodifikationen des Verwaltungszustellungsgesetzes vom S.Juli 1952, des Verwaltungsvollstrcckungsgesetzes vom 27. April 1953 und des Ordnungswidrigkeitengesetzes vom 25. März 1952, auf Landesebenc die Verwaltungsverfahrensgesetze des Landes Berlin vom 2.Oktober 1958 und der Freien Hansestadt Bremen vom I.April 1960.

Diese lieferten zusammen mit dem Bericht der Expertenkommission des Bundesinnenministeriums für die Vereinfachung der Verwaltung von 1960 (S. 55 ff., S. 179 ff.) und mit der umfangreichen rechtswissenschaftlichen Literatur die

1356 Bausteine zum Musterentwurf für Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder von 1964, den ein Ausschuss aus Vertretern der Bundes- und Länderinnenministerien ausarbeitete (dazu Ule/Becker, Verwaltungsverfahren im Rechtsstaat, 1964,8.28 ff.). Die lebhafte rechtswissenschaftliche Diskussion erlebte in der Tagung der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer von 1958 in Wien mit den Referaten Bettermann und Melichar über das Verwaltungsverfahren (und mit Diskussionsvotum Imboden, Veröffentlichungen der Vereinigung, Bd. 17, S. 214 ff.) und im Deutschen Juristentag von 1960 in München mit den Gutachten Spanner und Werner und den Referaten von der Groeben und Weber über die Wünschbarkeit einer Kodifikation des allgemeinen Verwaltungsrechts ihre Höhepunkte ; die Resolution des Deutschen Juristentages lautete dahin, wenigstens das Verwaltungsverfahrensrecht mit konnexen Materien des allgemeinen Verwaltungsrechts zu kodifizieren.

In den Niederlanden enthält ein Gesetz vom 20.Juni 1963 das streitige Verwaltungsverfahren der Zentralbehörden, d. h. das Verfahren der Beschwerde an die Krone, faktisch an den Staatsrat, dessen Rat die Krone, die Königin mit dem zuständigen verantwortlichen Minister, immer einholt und fast immer befolgt.

In Italien hat der Abgeordnete Lucifredi am 3I.Mai 1963 der Kammer einen Entwurf für «Norme generali sull'azione amministrativa» eingereicht, dessen parlamentarisches Schicksal noch offen ist. In Belgien ist eine ähnliche, aber bescheidenere parlamentarische Initiative der Senatoren Neybergh, Roiin, Duvieusart und Claeys vom 9. April 1957 - «proposition de loi relative à Ja forme des actes des autorités administratives» - infolge Ablaufs der Legislaturperiode ausser Abschied und Traktanden gefallen.

Auch Frankreich und Grossbritannien kennen noch kein kodifiziertes Verwaltungsverfahrensrecht. Grossbritannien sucht mit dem (Administrative) Tribunals and inquiries Act von 1958 den Rechtsstaat in der Verwaltung eher durch den Ausbau einer Quasi-Verwaltungsgerichtsbarkeit als durch eine Kodifikation des Verwaltungsverfahrens zu realisieren, aber die kontinentalen Kodifikationen des Verwaltungsverfahrens erregen doch Interesse (dazu Sisson, The spirit of British administration and some European comparisons, 1959, S. 60 ff.).

Das Interesse daran steigt auch in Frankreich
(Langrod, Procedure administrative et droit administratif, Revue du droit public, Bd. 54, 1948, S. 549 ff., und Revue internationale des sciences administratives, Bd.22, 1956, S.55 ff.; Quelques problèmes de la procédure administrative non contentieuse, dieselbe Revue, Bd. 25, 1959, S. 5 ff., mit Bemerkungen zu unserem Entwurf), wo «entre le système de la garantie préalable à la décision . . . et celui de la garantie postérieure à la décision, l'évolution française a, sans hésiter, opté pour la seconde solution. Le trait qui caractérise le mieux cet état des choses, du point de vue juridique, c'est l'absence de toute obligation, pour l'autorité administrative, de faire connaître les motifs de ses décisions individuelles. Certes, le juge administratif a fait de méritoires efforts pour assurer aux administrés, le bénéfice des garanties de forme prévue par les textes, et même pour leur ajouter celles que lui paraissent imposer les principes généraux; dans cette voie, il est allé très

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loin en ce qui concerne les décision présentant un caractère de sanction. Mais sa hardiesse se limite à ce domaine ...» (Rivero, Le système français de protection des citoyens contre l'arbitraire administratif à l'épreuve des faits, Mélanges en l'honneur de Jean Dabin, 1963, Bd.I, S. 820/821). «Ont été reconnus comme principes [généraux du droit]... le droit du citoyen à un recours juridictionnel contre tous les actes de l'administration [et]... le droit au respect des droits de la défense (règle audi alteram partem)...» (Letourneur, l'évolution de la jurisprudence administrative..., Revue internationale des sciences administratives, Bd. 31, 1965,8.26; dazu im einzelnen Auby, La procédure administrative non contentieuse, Recueil Dalloz et Sirey 1956, S. 27 ff.).

Wichtigstes Beispiel für eine Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts in den aussereuropäischen Staaten ist der Federai administrative procedure Act der Vereinigten Staaten von 1946.

Die sich in mehreren ausländischen Staaten zeigende und insofern übernationale Neigung zur Kodifikation beginnt sich auch in den Kantonen Bann zu brechen. Die kantonalen Vorläufer unseres Entwurfes sind vielleicht ein noch stärkeres rechtsvergleichendes Argument als die ausländischen; sie sind übrigens in der ausländischen Literatur nicht unbemerkt geblieben (Becker, Das allgemeine Verwaltungsverfahren in Theorie und Gesetzgebung, 1960, S. 105 ff.).

Folgende Kantone haben zurzeit Gesetze oder Verordnungen über das Verwaltungsverfahren erlassen : über das streitige und nichtstreitige Verwaltungsverfahren Zürich in §§ 5-31 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (kommentiert von Bosshardt), Basel-Land in § § 11-17 und 72-78 des Organisationsgesetzes vom 28. April 1958 und St. Gallen in Artikel 6 ff. und 40 ff. des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 3. Februar 1965; über das streitige Verwaltungsverfahren Bern in Artikel 31-92 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 22. Oktober 1961 (kommentiert von Gygi/Stucki), Schwyz im Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 18. Juli 1951, Graubünden in der Verordnung vom I.Dezember 1942 über das Verfahren in Verwaltungsstreitsachen vor dem Kleinen Rat und Waadt in der Verordnung vom 15. September 1952, fixant la procédure pour les recours administratifs.

V. Vorgeschichte des Entwurfes Unser Entwurf geht auf
die Vorarbeiten für den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit zurück. Nachdem schon die dem Juristentag 1947 erstatteten Referate Imboden und Zwahlen über die Verwaltungsrechtspflege in Bund und Kantonen ausser dem Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit einen solchen des verwaltungsinternen Rechtsschutzes befürwortet hatten (Verhandlungen 1947 = ZSRBd. 66, S. 31 a ff., 80a ff,, 105 a ff,, 150a ff.), stimmte dieser Anregung seither auch der Juristentag 1950 in einer die Diskussion der Referate Nef und Panchaud über den Ausbau der Bundesverfassungs- und Verwaltungsrechtspflege abschliessenden Resolution zu (Verhandlungen 1950 = ZSR Bd. 69, S.442a/443a). Die Resolution fand ein parlamentarisches Echo in den 1950

1358 eingereichten und 1951 beantworteten Interpellationen Obrecht und SchmidZürich. Den Vorschlag, ausser der Verwaltungsgerichtsbarkeit den verwaltungsinternen Rechtsschutz auszubauen, unterstützten 1950 der Schweizerische Anwaltsverband und 1951 der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste in Eingaben an den Bundesrat. Das Justiz- und Polizeidepartement erachtete es als zweckmässig, zu dem in den Referaten Nef und Panchaud nicht bis in alle Einzelheiten erörterten Ausbau der Bundesverwaltungsrechtspflege noch zwei andere Experten in der Person von Prof. Max Imboden und Prof.

Marcel Bridel zu konsultieren, die ihre Gutachten 1951 erstatteten. Prof. Max Imboden, der in seinem Gutachten anregte, das streitige und nicht streitige Verwaltungsverfahren in einem neuen Verwaltungsverfahrensgesetz zu regeln, erhielt den Auftrag, einen entsprechenden Vorentwurf auszuarbeiten. Als dieser Vorentwurf 1952 vorlag, wurden zunächst die Departements zur Stellungnahme eingeladen. Die Bereinigung im Lichte dieser Vernehmlassungen erfolgte 1954 bis 1961 durch insgesamt 9 Konferenzen von Prof. Imboden mit den Vertretern der wichtigsten Rechtsdienste der Bundesverwaltung unter dem Vorsitze des Chefs des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ; seit 1956 waren jeweils auch zwei Bundesrichter als Berater anwesend. Die Mitarbeit der Verwaltung hatte in der Vorbereitung dieses Gesetzesentwurfes ihren besonderen Wert. Aus den Beratungen gingen zunächst ein Vorentwurf Imboden 1956 und, nachdem die Departemente sich dazu wiederum hatten vernehmen lassen, ein umgearbeiteter Vorentwurf Imboden 1958 hervor, zu dem das Justiz- und Polizeidepartement Ende 1958 die Vernehmlassungen der Kantonsregierungen, des Schweizerischen Juristenvereins, des Schweizerischen Anwaltsverbandes und der Vereinigung Rechtsstaat einholte. Aus der Auswertung dieser Vernehmlassungen ging der Vorentwurf 1960/61 hervor, mit dem sich unser Entwurf im wesentlichen deckt.

Die Verzögerung seit 1961 hängt vor allem damit zusammen, dass parallel zu diesem Vorentwurf der Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichtes auf Grund eines Vorentwurfes Imboden von 1956 für die Revision von Artikel 97 ff. OG zu beraten war. Die Ergebnisse dieser Bearbeitung, die in einem den Kantonsregierungen und Spitzenverbänden zur Vernehmlassung
unterbreiteten Vorentwurf 1962 gipfelten, vermochten allerdings nicht zu überzeugen, so dass 1963 das Justiz- und Polizeidepartement Prof. Max Imboden damit betraute, den Vorentwurf 1962 für den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit einer verwaltungsunabhängigen Expertenkommission zu überarbeiten.

Weder dieser Vorentwurf für die Revision von Artikel 97 ff. OG noch der Entwurf, den wir heute unterbreiten, präjudiziert einen eventuellen späteren Ausbau der repressiven Verfassungsgerichtsbarkeit; darüber holte das Justizund Polizeidepartement im Anschluss an den Juristentag 1950 ein Gutachten von Prof. Hans Nef ein. Was die präventive Verfassungskontrolle anbelangt, so dürfen wir an das Schicksal der Artikel 44 und 45 unseres Entwurfes vom 25. April 1960 für das Geschäftsverkehrsgesetz erinnern (BEI 1960 I 1486 ff., 1521/1522; Sten. Bull. Nationalrat 1961, S.291 ff.; Ständerat 1961, S.272).

1359 VI. Verfassungsgrundlage Der Entwurf stützt sich in seinem Ingress auf Artikel 103 der Bundesverfassung. Dass der Bund die Kompetenz besitzt ausser der Organisation auch das Verfahren der nicht in Artikel 71 ff. und 106 ff. der Bundesverfassung verankerten Bundesbehörden im Sinne von Artikel l, Absätze l und 2 des Entwurfes zu regeln, bedarf keiner langen Erörterung. Der Entwurf statuiert zwar in Artikel l, Absatz 3, ferner in Artikel 57, Absatz 2 ( = Art. 3, Abs. 3 Bundesratsbeschluss vom 16. Februar 1960 über Beschwerdekosten und Kanzleigebühren, AS 1960, 246, Art. 158, Abs. 3 in Verbindung mit Art. 156, Abs. 3 OG) sowie in Artikel 58, Absatz 2, Buchstabe c verfahrensrechtliche Verpflichtungen zulasten der Kantone. Diese Verpflichtungen dienen aber einer zweckmässigen Regelung des streitigen Verfahrens jener Bundesbehörden und sprengen den Rahmen des Zulässigen nicht. Das Spezialverwaltungsrecht des Bundes kennt denn auch heute schon da und dort für seinen Vollzug durch kantonale Behörden ähnliche verfahrensrechtliche und organisatorische Bestimmungen, die teilweise weitergehen. Wir erwähnen beispielsweise die Bestimmungen der Artikel 95, 105 und 111 des Wehrsteuerbeschlusses (BS 6, 383; AS 1958, 407), Artikel 28 und 31 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1959 über den Militärpflichtersatz (AS 1959, 2044/2045), Artikel 41, Absatz l, Artikel 50, 56 und 58 des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (BEI 19641 570), Artikel 51 und 53, Absatz l des Berufsbildungsgesetzes vom 20, September 1963 (AS 1965, 337), Artikel 19 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (BS l, 127/128), Artikel 47 des Bundesgesetzes vom 23. März 1962 über Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft (AS 1962,1291).

VII. Erläuterung des Entwurfes Titel

Der Kurztitel «Bundesverwaltungsverfahren» präzisiert, dass der Entwurf das Verfahren von Bundesbehörden regelt; daran ändert nichts, dass er im Zusammenhang mit ihrem streitigen Verfahren vereinzelte Verpflichtungen für die Kantone statuiert, wie wir soeben unter Abschnitt VI erwähnt haben.

Hingegen ist in einem anderen Punkte der Kurztitel etwas enger als der Geltungsbereich des Entwurfes. Dieser erstreckt sich nach Artikel l, Absatz 2, Buchstabe d und Artikel 2, Buchstabe b, Ziffer 2 auch auf das Verfahren eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen, also Spezialverwaltungsgerichten mit nebenamtlichen Richtern; solche Kommissionen lassen sich begreiflich nur bedingt Bundesverwaltungsbehörden gleichstellen, und ihr Verfahren lässt sich nur bedingt als Bundesverwaltungsverfahren bezeichnen.

Art. l Absatz l umschreibt den grundsätzlichen Geltungsbereich des EntwurfesDieser regelt darnach das Verfahren in Verwaltungssachen, die durch Bundes, behörden ausser der Bundesversammlung und den höchsten Gerichten zu behandeln und durch Verfügung zu erledigen sind; den Begriff der Verfügung

1360 definiert Artikel 4. Die Behandlung von Verwaltungssachen, die nicht durch Verfügung zu erledigen sind, wird nicht im vorliegenden Entwurf geregelt und entzieht sich übrigens weitgehend einer rechtlichen, jedenfalls einer verfahrensrechtlichen Regelung. Die Regelung des vorliegenden Entwurfes bezieht sich also nur auf einen, allerdings den für den Einzelnen wichtigsten Teil der Verwalungstätigkeit. Und zwar ist sein Abschnitt II anwendbar auf das nichtstreitige Verfahren oder Verfahren erster Instanz und, zusammen mit Abschnitt III, auf das streitige oder Beschwerdeverfahren, nach Artikel 72 auch des Bundesrates, neben den dafür in Abschnitt IV figurierenden Sonderbestimmungen. Auf das Einspracheverfahren als ein atypisches, streitiges Verfahren erster Instanz ist nur Abschnitt II anwendbar.

Absatz 2 zählt die Bundesbehörden im Sinne von Absatz l in Anlehnung an Artikel 98 des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG auf; wir verweisen auf unsere dortigen Bemerkungen. Hier bemerken wir nur so viel, dass jener Artikel 98, Buchstabe d die eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen, die zu den Kommissionen im Sinne von Artikel l, Absatz 2, Buchstabe d des vorliegenden Entwurfes gehören, grundsätzlich zu Vorinstanzen des Bundesgerichts macht, ohne jedoch ihr Verfahren zu regeln; dieses wird heute in Verfahrensreglementen - Verordnungen des Bundesrates - mehr oder weniger eingehend geregelt, für jede Rekurs- oder Schiedskommission getrennt und für keine gleich. Eine Angleichung dieser Regelungen drängt sich auf, weshalb wir in Absatz 2, Buchstabe d das Verfahren des vorliegenden Entwurfes auf die Rekurs- oder Schiedskommissionen, in Artikel 2, Buchstabe b, Ziffer 2 auch auf die endgültig entscheidenden anwendbar erklären, und dafür auf eine Regelung ihres Verfahrens in Artikel 97 ff. OG verzichten. Die Expertenkommission für die Verwaltungsgerichtsbarkeit begrüsste eine Regelung und befürwortete diese Lösung. Auf die Schiedskommissionen, die streitige Verwaltungssachen in erster oder einziger Instanz entscheiden, sind Abschnitt II, und auf Rekurskommissionen, die als Beschwerdeinstanzen entscheiden, Abschnitt III und ergänzend Abschnitt II des Entwurfes anwendbar, Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 2, Buchstabe b, Ziffer 2 verpflichtet letzte kantonale Instanzen, die Verwaltungssachen
im übertragenen Wirkungskreis der Kantone nicht endgültig behandeln, auf Artikel 31 ff. und 55, Absatz 2 und 3 über die Eröffnung von Verfügungen und Beschwerdeentscheiden. Die reibungslose Abwicklung des streitigen Verfahrens von Bundesbehörden soll damit gewährleistet werden.

Art. 2 Buchstabe a, Ziffer l behält für die erstinstanzliche Behandlung von Verwaltungssachen, die nach ihrer Natur ohne vorgängiges schriftliches Verfahren durch mündlich oder schriftlich eröffnete und ohne Rücksicht auf die Rechtskraft sofort vollstreckbare Verfügung zu erledigen sind, ein summarisches Verfahren vor. Gemeint sind beispielsweise Verfügungen gegen Anstaltsbenützer in Ausübung der Anstaltspolizei, gegen Militärpersonen in Ausübung der militärischen Kommandogewalt, die Einschätzung militärisch gemieteter oder requi-

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rierter Objekte, die Übernahme von Inlandgetreidc, die Zollabfertigung von Reisenden : alles Verwaltungssachen, für die das normale Verwaltungsverfahren nicht passt. Auch die Artikel 27 und 31, Absatz 2 sowie Artikel 38 eignen sich kaum restlos dafür. Immerhin kann der Adressat sich nach Abschnitt III gegen eine solche Verfügung beschweren, wenn sie nicht endgültig ist, gegen eine irreversibel vollstreckte Verfügung nach Artikel 22, Absatz 2 mit dem Begehren um Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung. Dringt er durch und hat er einen Schaden erlitten, so hat er nach Artikel 3 ff. des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958 (AS 1958, 1414) Anspruch auf Schadenersatz. Die Ausnahme zugunsten dieser Verwaltungssachen besagt also nicht, dass dringende Verfügungen oder Verfügungen gegen Personen, die wie Anstaltsbenutzer in einem sogenannten besonderen Gewaltverhältnis zu einer Bundesbehörde stehen, überhaupt nicht Verfügungen im Sinne von Artikel 4 wären.

Buchstabe a, Ziffer 2 behält das zurzeit in Artikel 279 ff. des Bundesstrafprozessgesetzes (BStP) als ein Stück des Strafverfahrens erschöpfend geregelte erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren vor. Auf das streitige Verwaltungsstrafverfahren nach Artikel 295, Absatz 2 BStP sollen Abschnitt III und ergänzend Abschnitt II des Entwurfes zur Anwendung gelangen, bis das Vorbereitung befindliche neue Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht in Kraft tritt, das Artikel 279 ff. und damit auch Artikel 295, Absatz 2 BStP aufheben wird.

Buchstabe a, Ziffer 3 behält teilweise das Steuerverfahren vor, nämlich soweit das normale Verwaltungsverfahren für die Steuerverwaltung nicht passt und das Bundessteuerrecht ein abweichendes, besser auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Verfahren kennt, beispielsweise in Artikel 37 ff. des zukünftigen Verrechnungssteuergesetzcs (Botschaft vom 18. Oktober 1963, BB1 1963 II 979/980, 999). Auch andere Kodifikationen kennen diese Ausnahme, beispielsweise Zürich, § 4, Buchstabe a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959; Österreich, Artikel II, Absatz 5 EGVG 1950; Bundesrepublik Deutschland, § 85, Absatz 2, Ziffer l des Musterentwurfes 1963.

Buchstabe a, Ziffer 4 behält das Verfahren der Schätzungskommissionen in der Enteignung vor. Diese stehen nach Artikel 63 des Enteignungsgesetzes
vom 20. Juni 1930 (BS 4, 1147) unter der Aufsicht des Bundesgerichts, welches ihr Verfahren in einer Verordnung vom 22. Mai 1931 (BS 4, \ 162) geregelt hat und in deren Artikel 3 den Bundeszivilprozess ergänzend anwendbar erklärt.

Buchstabe b, Ziffer l bestätigt Artikel 4 des PTT-Organisationsgesetzes vom 6-Oktober 1960 (AS 196], 18) und Artikel 14 ff. der Vollziehungsverordnung vom 26. Mai 1961 (AS 1961,415), die für die PTT-Betriebe, ausgenommen deren Generaldirektion, ein abweichendes, nicht so formenstrenges Verfahren vorsehen.

Buchstabe h, Ziffer 2 behält ein abweichendes Verfahren auch für Behörden ausserhalb der Bundesvcrwaltung vor, soweit sie endgültig entscheiden. Diese Endgültigkeit, die nach Artikel 41, Buchstabe a und Artikel 69, Buchstabe c, gesetzlicher Verankerung bedarf, fliesst aus der Autonomie jener Behörden, und Bundesblau. 117. Jabrg. Bd.n,

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1362 diese Autonomie soll sich auch auf ihr Verfahren erstrecken ; immer mit Artikel 4 Bundesverfassung als Richtschnur, so dass mindestens der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Artikel 26 und das Verbot der Rechtsverweigerung oder -Verzögerung nach Artikel 66 trotzdem rechtens sind. Auch ist die Aufsichtsbeschwerde nach Artikel 65 immer möglich. Die Ausnahme zu Gunsten jener Behörden soll jedoch nicht für endgültig entscheidende eidgenössische Rekursoder Schiedskommissionen gelten, für die wir an das unter Artikel l, Absatz 2 Gesagte erinnern.

Art. 3 Der Entwurf ist nach Artikel l auf ein Verfahren anwendbar, soweit nicht Artikel 2 ausnahmsweise ein abweichendes Verfahren vorbehält. Nicht in Artikel 2 vorbehaltene abweichende Verfahrensbestimmungen des geltenden Bundesrechts sind nach Artikel 75, Absatz l, Buchstabe c aufgehoben. Eventuelle neue Verfahrensbestimmungen könnte ein späteres Bundesgesetz aufstellen; der Ausnahmekatalog von Artikel 2 sollte dann entsprechend erweitert werden.

Andernfalls wäre der kodifikatorische Zweck des Entwurfes vereitelt. Dieser ist schon etwas beeinträchtigt, indem der Entwurf sich nach hierzulande herrschender gesetzestechnischer Übung in Artikel 75, Absatz l, Buchstabe c auf die Aufhebung materiell abweichender Verfahrensbestimmungen beschränkt und nicht auch inhaltsgleiche und nur im Wortlaut abweichende aufhebt; er merzt insofern nicht alle Überschneidungen und Doppelspurigkeiten mit den Verfahrensbestirnmungen des geltenden Spezialverwaltangsrecbts aus, wie es denkbar gewesen wäre. Keine abweichende sind bloss ergänzende Verfahrensbestimmungen, die diesen oder jenen Punkt besonderer Verfahren eingehender als der Entwurf regeln, ohne von ihm abzuweichen, oder die im Entwurf nicht geregelte Punkte besonderer Verfahren normieren und die der Entwurf, als eine Minimalkodifikation mit einem möglichst breiten Geltungsbereich, unmöglich kodifizieren kann. Der Schwerpunkt dieser zahlreichen, den Entwurf ergänzenden Verfahrenbestimmungen liegt auf dem nichtstreitigen Verfahren; das Zollverfahren, das Militärverwaltungsverfahren - soweit diese nicht unter die Ausnahme von Artikel 2, Buchstabe a, Ziffer l fallen - und die verschiedenen Bewilligungs- und Konzessionsverfahren Hefern dafür die Hauptbeispiele. Die Verfahrensreglemente der eidgenössischen Rekurskommissionen
bieten die Hauptbeispiele für ergänzende Verfahrensbestimmungen im streitigen Verfahren; so ergänzt, um ein neueres Beispiel zu erwähnen, die Verordnung vom S.November 1963 über die Zivilschutzrekurskommission (AS 1963, 955) den Entwurf in mehreren Punkten.

Art. 4 Absatz l, Buchstaben a und b definieren Verfügungen als rechtsgestaltende - Befehl, Erlaubnis, Genehmigung usw. (dazu BGE 89 l 258/259) - oder feststellende Anordnungen, welche das objektive öffentliche Recht mit seinen generell und abstrakt umschriebenen Verpflichtungen oder Vergünstigungen im individuellen und konkreten Einzelfall zur Anwendung bringen. Es spielt keine Rolle, ob sie von Amtes wegen oder auf Begehren ergehen. Die Abweisung oder

1363 das Nichteintreten auf ein Begehren, beispielsweise auch auf ein Begehren um Wiedererwägung, ist nach Buchstabe c Verfügung. Der Begriff der Verfügung umfasst also auch die sogenannten mitwirkungsbedürftigen Anordnungen; bedarf es zu ihrer Vollständigkeit der Einwilligung des Adressaten, so kann sich das Merkmal der Einseitigkeit, das der Anordnung begrifflich innewohnt und das sie von den zweiseitigen Rechtsgeschäften, nämlich den Verträgen der Öffentlichen Hand unterscheidet, etwas verwischen (dazu Referate Imboden und Zwahlen über den verwaltuiigsrechtlichen Vertrag für den Juristentag 1958, Verh. 1958 = ZSR Bd. 77, S. la ff., 460a ff.). Das Verfahren des Abschlusses öffentlich-rechtlicher - und a fortiori privatrechtlicher - Verträge bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Entwurfes, im Unterschied beispielsweise zu §§ 8 und 40 ff. des deutschen Musterentwurfes 1963. Es ist schwer zu normieren, und die Vertragspartei ist nicht so sehr auf ein durchnormiertes Verfahren angewiesen wie der Adressat einer Verfügung, Immerhin findet sich auch hier das streitige Verfahren insofern geregelt, als Artikel 111, Absatz l, Buchstabe b des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG bei streitigen Ansprüchen aus öffentlichrechtlichen Verträgen die verwaltungsrechtliche Klage an das Bundesgericht zulässt.

Individuelle oder generelle Ermahnungen oder Belehrungen an die Adresse des Publikums, nicht zu verwechseln mit Verwarnungen, entbehren des der Anordnung begrifflich innewohnenden Merkmals der Verbindlichkeit (Recevabilité d'un recours contre un avertissement, Revue de droit administratif et fiscal, Bd.20, 1964, S. 209). Nicht mit der Anordnung, auch nicht mit der Allgemeinverfügung nach Artikel 32, Buchstabe c zu verwechseln ist die Verordnung. Diese ist zwar wie die Anordnung verbindlich, die Verwaltungsverordnung für die Verwaltung, die Rechtsverordnung ausserdem für den Richter und für das Publikum; aber es handelt sich um generelle und abstrakte Erlasse, nicht um individuelle und konkrete Anordnungen. Individuelle und konkrete Anordnungen im innerdienstlichen oder in einem anderen sogenannten besonderen Gewaltverhältnis, die Konsequenzen für die persönlichen Ansprüche des Adressaten involvieren, sind im Unterschied zu Verwakungsverordnungen grundsätzlich Verfügungen. Zu ihnen gehören in
erster Linie Verfügungen über nichtvermögensrechtliche Ansprüche des Bundespersonals im Sinne der Artikel 58 und 59 des Beamtengesetzes vom 30. Juni 1927 (BS l, 510), auch in Ausübung von Ermessen (VE Heft 30, 1961, Nr.21), beispielsweise die administrative Versetzung (VE Heft 28, 1958, Nr. 23), die Weigerung, der Wahlbehörde eine nachgesuchte Beförderung zu beantragen (VE Heft 25, 1955, Nr. 33), die Weigerung der Wahlbehörde, eine nachgesuchte Beförderung vorzunehmen (VE Heft 27, 1957, Nr. 27), und nach Artikel 15 des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958 (AS 1958, 1417) die Ermächtigung oder die Verweigerung der Ermächtigung zu Strafverfolgung, nicht aber nach der Praxis die blosse Einleitung eines Disziplinarverfahrens; gegen diese lässt die Praxis nur die Aufsichtsbeschwerde nach Artikel 65 des Entwurfes zu, auch wenn die Behörde sieals Verfügung bezeichnet (Imboden, Verwaltungsrechtsprechung, 2. A. 1964, Nr.ll2/V/a).

1364 Die Verfügungen der Bundesbehörden und der als ihre Vorinstanzen verfügenden letzten kantonalen Instanzen stützen sich auf öffentliches Bundesrecht, in erster Linie Verwaltungsrecht, materielles und Verwaltungsverfahrensrecht, internes und Völkervertragsrecht, aber auch auf Verfassungsrecht, beispielsweise Beschwerdeentscheide des Bundesrates nach Artikel 68 ; die nach Artikel 68 mit Beschwerde an den Bundesrat anfechtbaren Verfügungen letzter kantonaler Instanzen können sich auch auf kantonales öffentliches Recht stützen.

Das Verwaltungsstrafrecht, wie das ordentliche Strafrecht öffentliches Recht, bildet nach Artikel 2, Buchstabe a, Ziffer 2 nur in geringem Umfang Gegenstand des Entwurfes, ähnlich wie das Verwaltungsrecht des Strafvollzuges, der nach Artikel 374, Absatz l des Strafgesetzbuches kantonale Sache ist; er fällt daher als Gegenstand des Entwurfes nur nach Artikel l, Absatz 3 und, solange gegen letztinstanzliche kantonale Verfügungen in dieser Materie die Beschwerde an den Bundesrat zulässig ist, nach Artikel 68, Absatz l, Buchstabe b in Betracht.

Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht setzt nach Artikel 97 des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG u. a.

eine auf öffentliches Bundesrecht gestützte Verfügung voraus, für deren Begriff jener Artikel 97 auf Artikel 4 des vorliegenden Entwurfes verweist.

Absatz 2 zählt die wichtigsten atypischen Anordnungen auf, die der vorliegende Entwurf erwähnt und die sich als Verfügungen im Sinne von Absatz l qualifizieren, ohne die bereits in Absatz l, Buchstabe b und c und wieder in Artikel 22 erwähnten Feststcllungsverfügungen.

Absatz 3 zählt einseitige und verbindliche Willenserklärungen von Behörden auf, die sich nicht als Verfügungen im Sinne von Absatz l qualifizieren sollen, vorab die Stellungnahmen nach Artikel 114 des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG und andere Parteierklärungen zu nicht durch Verfügung zu erledigenden, auf dem Klagewege verfolgbaren Ansprüchen, beispielsweise die Androhung, solche Ansprüche einzuklagen. Die Erledigung von Beschwerdesachen nach Artikel 65 kann sich nach dem dort Gesagten in Verfügungen niederschlagen, und die Erledigung von Beschwerdesachen nach Artikel 66 schlägt sich in Beschwerdeentscheiden nieder, die sich Zwischenverfügungen nähern. Diese
verfügungsähnlichen Beschwerdeentscheide gelten jedoch nach Artikel 4, Absatz 3 nicht als Verfügungen ; wir verweisen auf das unter Artikel 66 Gesagte.

Art. 5 Handelnde Subjekte des Verfahrens sind einerseits die Behörden, die verfügen sollen, anderseits die Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und die diesen Personen vergleichbaren Behörden, denen gegen die verfügenden Behörden ein Rechtsmittel zusteht. Diese potentiell beschwerdeberechtigten Behörden und jene, meistens privaten Personen heissen Parteien.

Die Parteiqualität deckt sich nicht ganz mit der teils engeren, teils weiteren Beschwerdelegitimation nach Artikel 43. Ganz allgemein unterstreicht der Entwurf die Rolle der Parteien als Subjekte und nicht bloss als Objekte des Verfahrens.

1365 Art, 6-8 Verfügungen müssen von der sachlich, funktionell und örtlich zuständigen Behörde ausgehen, ansonst sie nach den allgemeinen Lehren des Verwaltungsrechts nichtig sind. Erste Operation des Verfahrens ist daher nach Artikel 6, Absatz l die Prüfung der Zuständigkeit durch die verfügende Behörde, und zwar von Amtes wegen, gleichgültig ob die Partei die Zuständigkeit bestreitet oder anerkennt. Eine Vereinbarung der Zuständigkeit zwischen Partei und Behörde, analog der im Zivilprozess möglichen Gerichtsstandsprorogation und Schiedsabrede, ist nach Artikel 6, Absatz 2 wie im Strafprozess ausgeschlossen. Im besonderen schliesst dies den sogenannten Sprungrekurs, d.h. das Überspringen einer zuständigen Beschwerdeinstanz durch den Beschwerdeführer, und die Evokation, d.h. das Ansichziehen einer noch nicht streitigen Sache durch die Beschwerdeinstanz oder einer Beschwerdesache durch die obere Beschwerdeinstanzaus, auch wenn die Partei oder der Beschwerdeführer zu dieser Evokation Hand bieten sollte.

Artikel 7 schreibt, über Artikel 23bls, Absatz l, Buchstabe b des Verwaltungsorganisationsgesetzes und Artikel 130, Absatz l in Verbindung mit Artikel 96, Absatz l OG hinausgehend, den Meinungsaustausch der Behörden über die zweifelhafte Zuständigkeit, die Überweisung der Sache von der unzuständigen an die zuständige Behörde und den Fristenlauf vom Zeitpunkte der Anhängigkeit bei der unzuständigen Behörde an auch für das nicht streitige Verfahren vor. Mit der Behörde ist natürlich eine Bundesbehörde im Sinne von Artikel l, Absatz l und 2 gemeint; das gilt auch für die folgenden Bestimmungen, wo von Behörden die Rede ist.

Behauptet die Partei die Zuständigkeit einer Behörde, die sich als unzuständig erachtet, ohne die Sache nach Artikel 7, Absatz l einer anderen Bundesbehörde überweisen zu können, oder bestreitet die Partei die Zuständigkeit einer Behörde, die sich gegebenenfalls nach Artikel 7, Absatz l und 2 als zuständig erachtet, so trifft die Behörde darüber nach Artikel 8, Absatz l und 2 von Amtes wegen ejne nach Artikel 42, Buchstabe a beschwerdefShige feststellende Zwischenverfügung. Etwas anderes als Kompetenzstreitigkeiten zwischen Behörden und Parteien sind Kompetenzkonflikte zwischen Behörden; diese Konflikte schlichtet nach Artikel 8, Absatz 3 die gemeinsame vorgesetzte oder Aufsichtsbehörde,
ausgenommen Konflikte mit dem Bundesgericht und dem Eidgenössischen Versicherungsgericht, die nach Artikel 85, Ziffer 13 der Bundesverfassung die Bundesversammlung, und mit kantonalen Behörden, die nach Artikel 83, Buchstabe a OG das Bundesgericht schlichtet.

Artikel 9 Ausser den verfügenden Amtspersonen - Mitgliedern von Kollegialbehörden oder zeichnungsberechtigtem leitendem Personal anderer Behörden - hat auch das übrige Personal dieser Behörden, soweit es die Erledigung der Sache mit Rat oder Tat massgeblich vorbereiten hilft, die Ausstandsgründe nach Absatz l, Buchstabe a bis d zu respektieren. Diese Ausstandsgründe gelten für

1366 das nichtstreitige und das streitige Verfahren, für das streitige Verfahren zusammen mit den Ausstandsgründen der Artikel 54 und 71 des Entwurfes und Artikel 11 des Verwaltungsorganisationsgesetzes (BS /, 263) ; und zwar präzisieren die Artikel 54 und 71 des Entwurfes den Ausstandsgrund von Artikel 9, Absatz l, Buchstabe d. Die Ausstandgründe sind nicht zu verwechseln mit den Ausschluss- und Unvereinbarkeitsgründen nach Artikel 2 und 3 des Verwaltuugsorganisationsgesetzes und 14 und 15 des Beamtengesetzes. Die in Artikel 9, Absatz 2 des Entwurfes näher geregelte Ablehnung des Ansstandsbegehrens einer Partei ist nach Artikel 42, Buchstabe b eine beschwerdcfähige Zwischenverfügung.

Artikel 10 Nach Absatz l kann sich die Partei durch jemanden, der nicht patentierter Rechtsanwalt zu sein braucht, vertreten lassen, muss es aber nicht, auch nicht im streitigen Verwaltungsverfahren. Lässt sie sich vertreten, so muss der Vertreter nach Absatz 2 auf Verlangen eine schriftliche Vollmacht beibringen.

Das bedeutet eine Milderung gegenüber Artikel 130, Absatz l in Verbindung mit Artikel 29, Absatzl OGund gegenüber Artikel 231"8, Absatzl, Buchstabe/ des Verwaltungsorganisationsgesetzes. Auch wenn auf die schriftliche Vollmacht verzichtet wird, läuft der Verkehr mit der Partei, solange diese die Vollmacht nicht widerruft, über den Vertreter.

Artikel 11-17 Die in Artikel 11 für die Feststellung des Sachverhalts anwendbar erklärte Omzialmaxime wäre unrationell, wenn nicht nach Artikel 12 die Parteien und in Artikel 13-17 Drittpersonen zur Mitwirkung bei der Abklärung des Sachverhaltes verpflichtet wären. Die Mitwirkungspflicht der Partei, in erster Linie ihre Auskunfts- und Editionspflicht, richtet sich nach den Spezialverwaltungsgesetzen, beispielsweise Artikel 19 des Rohrleitungsgesetzes vom 4, Oktober 1963 (AS 1964, 104) und Artikel 39, Absatz l des Atomenergiegesetzes vom 23,Dezember 1959 (AS 1960, 554). Schweigen sich die Spezialverwaltungsgesetze darüber aus, so ist nach Artikel 12 des Entwurfes ein Gesuchsteller, im streitigen Verfahren nach Artikel 46, Absatz l und 2 der Beschwerdeführer zur Mitwirkung verp fliehtet, und die Behörde braucht auf das Gesuch, die Beschwerde oder ein selbständiges Begehren in einem schwebenden streitigen oder nichtstreitigen Verfahren nicht einzutreten, wenn der
Verpflichtete die notwendige und zumutbare Mitwirkung verweigert. Zwischenverfügungen über die Verpflichtung einer Partei zu Auskunft und Edition sind nach Artikel 42, Buchstabe d beschwerdefähig und nach Artikel 36, Buchstaben c-e erzwingbar. Eine qualifizierte Auskunft der Partei in Form des Parteiverhörs mit beeidigter oder nicht beeidigter Parteiaussage nach Artikel 306 des Strafgesetzbuches kommt für das Verwaltungsverfahren nicht in Frage. Von den übrigen für das Verwaltungsverfahren in Betracht fallenden Beweismitteln - Auskünfte und Urkunden von Drittpersonen, Augenschein und EAPCJ lise - müssen die qualifizierte Auskunft von Drittpersonen, das Zeugnis, und die Edition ihrer Urkunden besonders geregelt werden. Diese in Artikel 13-17 des Entwurfes nor-

1367 mierte Zeugnis- und Editionspflicht von Drittpersonen, auf die nach Artikel 14, Absatz 2 und Artikel 17 die einschlägigen Bestimmungen des Bundeszivilprozesses ergänzend anwendbar sind - mit der Abweichung in Artikel 14, Absatz 3, Satz 2 zugunsten des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses, namentlich des Bankgeheimnisses - greift nur subsidiär Platz, wenn nämlich nach dem Ingress von Artikel 13, Absatz l der Sachverhalt sich auf andere Weise nicht genügend abklären lässt. Nur die in Artikel 13, Absatz l, Buchstaben a-c aufgezählten Behörden können Drittpersonen zu Zeugnis und Edition verpflichten. Die Verpflichtung dazu und der Ausschluss der Partei von der Zeugeneinvernahme nach Artikel 15, Absatz 2 sind nach Artikel 42, Buchstabe d beschwerdefähige Zwischenverfügungen. Diese mehrfachen Kautelen sollen vor einer rechtsstaatüch - nicht zuletzt im Hinblick auf die strenge Strafsanktion gegen falsches Zeugnis in Artikel 307-309 des Strafgesetzbuches - unerwünschten Überspannung der Zeugnis- und Editionspflicht schützen.

Artikel 18-21 Die Bestimmungen über die Fristen decken sich im wesentlichen mit Artikel 32-35 OG und Artikel l des Bundesgesetzcs vom 21. Juni 1963 über den Fristenlauf an Samstagen (AS 1963, 819), die heute im streitigen Verwaltungsverfahren nach Artikel 130, Absatz l OG und Artikel 23bls, Absatz l, Buchstabe g des Verwaltungsorganisationsgesetzes anwendbar sind. Sie sind selbstverständlich nur auf Verwirkuugsfristen anwendbar, deren Versäumung den Ausschluss der Partei zur Folge hat, nicht auf gesetzliche Ordnungsfristen. Ihre Anwendbarkeit auch im nichtstreitigen Verfahren lässt es als wünschbar erscheinen, auf Artikel 34, Absatz l OG über die Gerichtsferien zu verzichten.

Artikel 22 Die für eine Verfügung zuständige Behörde kann nach Artikel 22, Absatz l von Amtes wegen und muss nach Absatz 2 auf Begehren der interessierten Partei verbindlich feststellen, ob und in welchem Umfang die Partei als Adressat jener Verfügung in Frage kommt oder ob und in welchem Umfang jene Verfügung die Partei berechtigt oder verpflichtet ; die Erläuterung nach Artikel 64 ist ein Anwendungsfall. Diese Feststellung, ihrerseits eine beschwerdefähige Verfügung ähnlich den Feststellungsurteilen im Zivilprozess und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (BGE 891418), kann wie andere Verfügungen in sogenannte
materielle Rechtskraft erwachsen. Absatz 3 bestätigt das für den Fall, dass die Partei im gutgläubigen Vertrauen auf die Feststellungsverfügung etwas vorgekehrt hat.

Artikel 23-25 Die Aktencinsicht bildet eine Voraussetzung für die Ausübung des Äusserungsrechts, das seinerseits den Kern des in Artikel 4 der Bundesverfassung garantierten und für das Verwaltungsverfahren in Artikel 26-30 des Entwurfes näher normierten Rechtes auf Gehör bildet (dazu Referate Tinner und Darbellay für den Juristentag 1964, Verh. 1964 = ZSR Bd. 83, S. 346 ff., 551 ff.).

Eine Partei ohne Recht auf vorgängige Anhörung nach Artikel 27 besitzt daher

1368 auch kein Recht auf vorgängige Akteneinsicht, und die Bestimmungen der Artikel 23-25 finden insofern nicht in jedem Verwaltungsverfahren Anwendung.

Die Verweigerung der Aktencinsicht ist eine nach Artikel 42, Buchstabe e beschwcrdefähige Zwischenverfügung.

Art. 26-30 Kern des Rechtes auf Gehör nach Artikel 26 bildet das in den Artikeln 28, 48, 52 und 56, Absatz 2 für spezifische Fälle bestätigte Äusserungsrecht, nämlich das Recht der Partei, sich schriftlich oder unter Anwesenden mündlich zu äussern, mit den Korrelaten der Prüfungspflicht der Behörde nach Artikel 29 und 30 - zugleich dein Korrelat der Offizialmaxime nach Artikel U - und des Rechtes der Partei auf Akteneinsicht nach Artikel 23-25, ohne welche die Anhörung illusorisch wäre. Die Prüfungspflicht nach Artikel 29 ist nicht absolut.

Die Behörde braucht nur erhebliche Vorbringen und diese je nach ihrer Erheblichkeit zu würdigen, und sie braucht erhebliche Vorbringen nicht zu würdigen, wenn die Partei eine für ihr diese Vorbringen eingeräumte Frist versäumt und keinen Wiederherstcllungsgrund nach Artikel 21 auf ülirt. Auf Vorbringen eines Beschwerdeführers nach Ablauf der Beschwerdefrist braucht die Beschwerdeinstanz daher nur im Rahmen von Artikel 48 und 52, Absatz 2 einzutreten. Die Anhörung geht der Verfügung im streitigen und in einem auf Begehren der Partei eingeleiteten nichtstreitigen Verfahren automatisch voraus, in einem von Amtes wegen eingeleiteten nichtstreitigen Verfahren nur unter den Bedingungen von Artikel 27 : wenn die Verfügung belastend oder nicht voll begünstigend, nicht dringend und nicht aufhebbar, d.h. nicht beschwerdefähig oder wiedererwägbar und keine Vollstrcckungsmassnahme ist ; für die Vollstreckungsmassnahmen tritt nach Artikel 38 die Androhung an die Stelle der Anhörung. Alles unter Vorbehalt ergänzenden Spezialverwaltungsrechts im Sinne von Artikel 3 ; dieses kann die Anhörung weitergehend als Artikel 26-30 gewährleisten.

Artikel 31-34 Verfügungen sind nach Artikel 31, Absatz l schriftlich und in der Amtssprachenach Absatz3 zn eröffnen, soweit nicht nach Absatz! eine mündliche oder nach Artikel 32 eine Ediktalverfügung in Frage kommt. Ediktalverfügungen kommen nach Artikel 32, Buchstabe c auch in Frage für sogenannte Allgemeinverfügungen, beispielsweise nach Artikel 22, Absatz 3 in Verbindung mit
Artikel 22 quintes KUVG (AS 1964, 974) oder in Prüfungssachen (BB1 1960 H 185, 19611 1118, II 665; dazu VE Heft 29, 1959/60, Nr. 53). Belastende oder nicht voll begünstigende, nach Artikel 31 schriftlich zu eröffnende Verfugungen sind nach Artikel 33 als solche zu bezeichnen und zu begründen und, ausser im Falle ihrer Endgültigkeit, mit Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Eine in erster Instanz verfügende Behörde kann, im Unterschied zur Beschwerdeinstanz nach Artikel 55, Absatz 2, ihre Verfügungen in Briefform eröffnen; die Briefform dispensiert jedoch nicht von den Formerforderrvissen nach Artikel 33, wie schon Artikel 14, Absatz 3 der Vollziehungsverordnung vom 26. Mai 1961 zum PTT-Organisationsgcsetz (AS 1961, 415) im Interesse des Adressaten in Erin-

1369 nerung ruft. Die Eröffnung setzt eine Verfügung voraus. Amtliche Verlautbarungen, die nach Artikel 4 des Verfügungscharakters entbehren, werden durch formgerechte Eröffnung nach Artikel 31-33 nicht zu Verfügungen. Umgekehrt entfalten Verfügungen, die gar nicht eröffnet werden, keine Rechtswirkungen. Mangelhaft eröffnete Verfügungen entfalten Rechtswirkungen, sobald die Partei von der Verfügung Kenntnis erhalt. Die Mängel der Eröffnung dürfen der Partei aber nach Artikel 34 nicht zum Nachteil gereichen, beispielsweise wenn sie gegen eine ohne Rechtsmittelbelehrung oder ohne Begründung eröffnete schriftliche beschwerdefähige Verfügung verspätet oder unsubstantiiert Beschwerde führt. Die Bcschwerdetrist nach Artikel 45 beginnt erst mit der Rechtsmittelbelehrung, die Begründungspflicht des Beschwerdeführers nach Artikel 47, Absatz l erst mit der Begründung der Verfügung durch die verfugende Behörde. Auf endgültige Verfügungen von Behörden im Sinne von Artikel 2, Buchstabe b, Ziffer 2, im besonderen auf nur noch mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbare Verfügungen letzter kantonaler Instanzen (BGE 91I 48), sind ausser Artikel 33, Absatz l und 2 über die Rechtsmittelbelehrung auch die übrigen Bestimmungen des Entwurfes über die Eröffnung von Verfügungen nicht anwendbar.

Artikel 35-39 Welche von den Vollstreckungsmassnahmen, die Artikel 36 - immer unter Vorbehalt ergänzenden Spezialverwaltungsrechts im Sinne von Artikel 3 und daher insofern nicht erschöpfend - aufzählt, die jeweils geeignetste und gelindeste nach Artikel 37 ist, hängt von den Verhältnissen des Verfügungsadressaten ab, ohne dass sich dafür eine allgemeine Formel aufstellen lässt (Imboden, Verwaltungsrechtsprechung, 2.A. 1964, Nr.72 H/a). Die Anordnung der Ersatzvornahme und des unmittelbaren Zwanges, nicht schon deren Androhung nach Artikel 38 (BGE 881270), sind ihrerseits nach Artikel 4, Absatz 2 Verfügungen und als solche beschwerdefähig, nur dass der Beschwerdeführer im Rahmen einer Beschwerde gegen eine solche Verfügung nicht die zu vollstreckende Verfügung anfechten kann, gleichgültig ob diese nach Artikel 35 rechtskräftig ist oder nicht.

Die Verpflichtung der Kantone zur Rechtshilfe nach Artikel 39 zeigt, dass Artikel 35 ff, nur Massnahmen von Bundesbehörden zur Vollstreckung ihrer Verfügungen und nicht auch Vollslreckungsmassnahmen
von kantonalen Behörden regeln wollen; diese richten sich nach kantonalem Recht, soweit das Spezialverwaltungsrecht des Bundes sich darüber ausschweigt. Buchstabe a ist im Zusammenhang mit dem in Kraft bleibenden Artikel 162 OG zu lesen.

Artikel 40 und 41 Artikel 40 ff. regeln, zusammen mit Artikel 6 ff. das Beschwerdeverfahren, nach Artikel 72 auch jenes vor dem Bundesrat. Auf das Einspracheverfahren nach Artikel 41, Buchstabe c, das ein atypisches, streitiges Verfahren erster Instanz ist, sind nur Artikel 6 ff., nicht auch Artikel 41 ff. anwendbar. Buchstabe d bestätigt die Endgültigkeit von Verfügungen der militärischen Schatzungsorgane nach Artikel 66, Absatz 2, Artikel 67, Absatz 3, Artikel 70, Absatz 2 und Arti-

1370 kel 94 des Armeevcrwaltungsbesghlusses der Bundesversammlung (AS 1949, 1109), Artikel 140, Absatz 4 und 5 des gleichnamigen Bundesratsbeschlmses (AS 1949, 1171), Artikel 23 der Requisitionsverordnung (AS 1951, 1341), Artikel 14 der Verordnung über die Miete und Requisition von Baugeräten (AS 1953, 1009) und Artikel 7 der Verordnung über die Militärhunde (AS 1951, 818).

Artikel 42 Eine wichtige Neuerung ist die Beschwerdefähigkcit von Zwischenverfügungen in einem schwebenden Verfahren, nicht zu verwechseln mit den Feststellungsverfügungen nach Artikel 22, die schon nach Artikel 40 beschwerdefähig sind. Die Praxis schweigt sich darüber aus, vermutlich unter dem Einfluss der Praxis des Bundesgerichts, das die Beschwerdefähigkeit von Zwischenvcrf ügvmgen bis jetzt eher verpönt (BGE 851198). Die Aufzählung der beschwerdefähigen Zwischenverfügungen in Artikel 42, Buchstaben a-g ist nicht erschöpfend, so dass auch andere Verfügungen in einem schwebenden Verfahren beschwerdefähig sein können, beispielsweise Verfügungen nach Artikel 57, Absatz 5.

Artikel 43 Buchstabe a deckt sich mit Artikel 102, Buchstabe a des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG und füllt eine Lücke in Artikel 124 ff. OG und Artikel 23bis, Absatz l des Verwaltungsorganisationsgesetzes aus. Die Praxis und vereinzelt das Spezialverwaltungsrecht, beispielsweise Artikel 110 des Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951 (AS 1953, 1102), füllten bisher diese Lücke aus, jeweils in ausdrücklicher oder stiEschweigender Anlehnung an den redaktionell immer mehr als unbefriedigend empfundenen und daher in Artikel 102, Buchstabe a jenes Entwurfs revidierten Artikel 103, Absatz l OG. Die Formel von Artikel 43, Buchstabe a des vorliegenden Entwurfs soll an der Praxis nichts ändern, beispielsweise was die Bcschwerdelegitimation von Verbänden anbelangt (VE Heft 29, 1959/60, Nr.34; Heft 27, 1957, Nr.29; Heft 25, 1955, Nr. 146; Heft 19/20,1948-1950, Nr.28, 30). Eine erleichterte Beschwerdelegitimation, beispielsweise nach Artikel 58, Absatz l des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (BBI19641 574), ist durch Artikel 43, Buchstabe b, des Entwurfes gedeckt. Auch an der Beschwcrdelegitimation der Behörden soll sich nichts ändern. Nach Buchstabe c ist die Behörde jedenfalls dort zur Beschwerde legitimiert und damit nach Artikel 5 Partei des
vorausgehenden, nicht streitigen Verfahrens, wo das Spezialverwaltungsrecht es ausdrücklich statuiert. Als Beispiele für- solches Spezialverwaltungsrecht erwähnen wir Artikel 52 des Bürgerrechtsgesetzes vom 29. September 1952 (AS 1952,1099), Artikel 6, Absatz 5 des Milchbeschlusses vom 29. September 1953 (AS J953,1112), Artikel 57 und 60. Absatz 4 der Vollziehungsverordnung vom 5. Juni 1950 zum Luftfahrtgesetz (AS .79501 511). Die Beschwerdelegitimation einer der verfügenden Behörde nicht hierarchisch untergeordneten Behörde oder der von ihr repräsentierten öffentlichen Körperschaft oder Anstalt kann sich auch aus Artikel 43, Buchstabe a des Entwurfes ergeben (dazu VE Heft 29, 1959/60, Nr.32; Heft 27, 1957, Nr. 119;

1371 Heft 24,1954, Nr. 15; Heft 19/20,1948-1950, Nr. 185; BGE 72155). Die Kostenpflicht einer beschwerdef ühreuden Behörde richtet sich nach Artikel 57, Absatz 2.

Artikel 44 Buchstaben a-c lehnen sich an die Forme] von Artikel 103 des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG an. Die Gleichstellung von Rechtsverletzung, Ermessensüberschreitung und Ermessensmissbrauch, welch letzterer eine Spielart der Willkür ist (BGE 89118,464; 881177 ; 871249), in Buchstabe a kodifiziert eine im In- und Ausland herrschende bewährte Lehre und Praxis.

Sie interessiert vor allem im Zusammenhang mit Buchstabe c (= Art. 127, Abs.2 OG); darnach kann in einer Beschwerde gegen die Verfügung einer letzten kantonalen Instanz der Beschwerdeführer nicht Unangemessenheit rügen. Es versteht sich von selbst, dass die Verletzung von Verfahrensrecht eine Rechtsverletzung nach Buchstabe a ist.

Artikel 45^18 Artikel 45-47 lehnen sich an Artikel 105 und 107 des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG an. In Milderung der Formenstrenge von Artikel 107, Absatz 2 und 3 jenes Entwurfes und der bisherigen Praxis, wonach die Beschwerdeinstanz auf eine Beschwerde ohne Rechtsbegehren, Begründung oder Unterschrift nicht einzutreten braucht (VE Heft 30,1961, Nr. 23,24 ; Heft 29, 1959/60, Nr.39, Heft 28, 1958, Nr.26; Heft 27, 1957, Nr.31; Heft 25, 1955, Nr. 40), setzt nach Artikel 47, Absatz 3 und 4 des vorliegenden Entwurfes das Nichteintreten auf eine mangelhafte Beschwerde voraus, dass der Beschwerdeführer sie nicht innert einer ihm einzuräumenden kurzen Nachfrist verbessert.

Immerhin muss er die Beschwerde innert der Beschwerdefrist von Artikel 45 mindestens anmelden. Versäumt er dies, ohne einen Wiederherstellungsgrund nach Artikel 21 namhaft zu machen, so braucht die Beschwerdeinstanz auf seine Beschwerde nicht einzutreten. In Artikel 48 verankern wir die heute schon stillschweigend geübte Praxis, dem Beschwerdef ührer für die Ergänzung der Begründung einer ordnungsgemäss eingereichten Beschwerde eine Nachfrist einzuräumen.

Artikel 49-56 Artikel 53 über die Wiedererwägung der angefochtenen Verfügung durch die Vorinstanz schwächt den sogenannten Devolutiveffekt der Beschwerde nach Artikel 49, d.h. die ausschliessliche Zuständigkeit der Beschwerdcinstanz, in der hängigen Beschwerdesache zu verfügen, ab und nähert damit
die Beschwerde zunächst einer Einsprache an. Im Hinblick darauf dürfte es sich erübrigen, das Institut der Einsprache zu verallgemeinern, obwohl es sich im Steuerveranlagungsverfahren bewährt hat und auch in anderen Materien manches für sich hätte.

Artikel 50 ruft in Absatz 5 die Haftpflicht nach Artikel 3 ff. des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958 (AS 1958, 1414) in Erinnerung und präzisiert in den Absätzen 1-4 die Artikel 128 OG und Artikel 23W, Absatz l,

1372 Buchstabe c des Verwaltungsorganisationsgesetzes. Verweigerung oder Erteilung der aufschiebenden Wirkung und andere vorsorgliche Verfügungen nach Artikel 51 sind nach Artikel 42, Buchstabe / des Entwurfes beschwerdefähige und nach Artikel 70, Absatz 3 im Beschwerdeverfahren des Bundesrates dem instruierenden Departement delegierte Zwischenverfügungen.

Artikel 54 präzisiert Artikel 9, Absatz l, Buchstabe d und Artikel 55, Absatz 2 verschärft Artikel 33, Absatz 1.

Die Beschwerdeinstanz, die nach Artikel 55, Absatz l entweder selbst entscheidet oder die Sache mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurückweist, kann nach Artikel 56, Absatz l und 3 über die Rechtsbegchren des Beschwerdeführers hinausgehen (ire ultra peata), zu seinen Gunsten oder zu seinen Lasten (reformatio in melius aut in pejus), und zwar in Abgabesachen stets und in anderen Verwaltungssachen dann, wenn sie vorgesetzte oder Aufsichtsbehörde über die Vorinstanz ist. Dies ist nicht der Fall, wenn Vorinstanz eine letzte kantonale Instanz oder wenn Beschwerdeinstanz eine eidgenössische Rekurskommission ist. Aufsicht heisst hier - wie auch in Artikel 8, Absatz 3, Artikel 40, Absatz 2, Artikel 65, 66 und 67, Buchstabe b des Entwurfes - Dienstaufsicht im Sinne von Artikel 102, Ziffer 15, nicht Bundesaufsicht im Sinne von Artikel 102, Ziffer 13 der Bundesverfassung. Die eidgenössische Rekurskommissionen gemessen also diesbezüglich das gleiche Statut wie das Bundesgericht, das nach Artikel 110, Absatz l des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen darf, ausser in Abgabestreitigkeiten. Soweit die Beschwerdeinstanz über die Begehren der Parteien hinausgehen darf, dürfen die Parteien selbstverständlich von der Beschwerdeinstanz mehr oder etwas anderes begehren als von der Vorinstanz. Neue Tatsachen und andere neue Vorbringen der Parteien würdigt die Beschwerdeinstanz nach Artikel 29, was auf eine gewisse Lockerung der Praxis zum sogenannten Novenrecht hinausläuft (VE Heft 30, 1961, Nr.36-38; Heft 27, 1957, Nr.25, 35, 36; Heft 26, 1956, Nr. 39; Heft 19/20, 1948-50, Nr. 89).

Artikel 57-59 Artikel 57 über die Kostenpflicht übernimmt im wesentlichen Artikel 158 OG, auf den auch Artikel 23Ma, Absatz l, Buchstabe b des Verwaltungsorganisationsgesetzes verweist, und Artikel 3
ff. des Bundesratbeschlusses vom 16. Februar 1960 über Beschwerdekosten und Kanzleigebühren (AS 1960,245). Etwas Neues bringt der Entwurf in Artikel 58 über die Parteientschädigung und Artikel 59 über die unentgeltliche Prozessführung. Diese beiden prozessualeo, für das Bundesgericht in Artikel 152, 159 und 160 OG geregelten Institute unterstreichen, zusammen mit Artikel 60 ff. des Entwurfes über die Revision der Beschwerdeentscheide, die angestrebte Justizförmigkeit des streitigen Verfahrens.

Artikel 60-63 Artikel 60 ff. kodifizieren in Anlehnung an Artikel 136 ff. OG die herrschende Praxis, wonach Beschwerdeentscheide in sogenannte materielle Rechts-

1373

kraft erwachsen, zwar «nicht in gleicher Weise wie in der Zivilrechtspflege» (Botschaft vom 9. Februar 1943, BEI 1943, 114), aber jedenfalls in der Weise, dass sie sich wie Zivil- und Strafurteile nur aus bestimmten Gründen in Revision und nicht wie die Verwaltunsverfügungen erster Instanz, die nur ausnahmsweise in materielle Rechtskraft erwachsen, aus jedem Grunde des öffentlichen Wohls in Wiedererwägung ziehen lassen (Imboden, Verwaltungsrechtsprechung, 2. A. 1964, Nr.44/II/c; BGEP/195/96; 891 434; VE Heft 25, 1955, Nr.

37 ff.). Die Wiedererwägung von Verfügungen erster Instanz bestimmt sich ausnahmsweise, beispielsweise in Artikel 51 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes vom 20. September 1963 (AS 1965, 338), nach Spezialverwaltungsrecht und im übrigen nach allgemeinem, ungeschriebenem Verwaltungsrecht, das der Enwurf nach dem oben in Ziffer III Gesagten nicht ohne Not kodifizieren soll, Er regelt denn auch in Artikel 63, 53 und 22, Absatz 3 nur das Nötigste darüber in Artikel 22, Absatz 3, indem er in einem spezifischen Fall die Wiedererwägung verbietet, in Artikel 63 und 53, indem er sie erlaubt.

Artikel 64 «Gegenstand der Erläuterung ist grundsätzlich nur das Dispositiv, der Rechtsspruch; die Erwägungen sind es nur dann, wenn Sinn und Tragweite des Dispositivs erst durch den ßeizug der Entscheidungsgründe ermittelt werden können» (Birchmeier, Handbuch, S. 516).

Artikel 65 und 66 Die Aufsichtsbeschwerde nach Artikel 65, ein Ausfluss des in Artikel 57 der Bundesverfassung gewährleisteten Petitionsrechts, erschöpft sich in einer blossen Anzeige. Der Anzeiger rügt damit die Tätigkeit einer Behörde in seiner eigenen oder in einer fremden Sache, in der er nicht förmliche Beschwerde führen kann. Er steht nicht in den Rechten und Pflichten einer Partei. Ein nichtstreitiges oder streitiges Verfahren kommt erst dann in Frage, wenn das Einschreiten der vorgesetzten oder Aufsichtsbehörde eine Verfügung auslöst. Diese Verfügung gilt dann als Verfügung von Amtes wegen, nicht als Beschwerdeentscheid. So kann beispielsweise die vorgesetzte oder Aufsichtsbehörde eine rechtskräftige, aber wiedererwägbare Verfügung der Vorinstanz auf Aufsichtsbeschwerde hin kassieren oder durch die Vorinstanz kassieren lassen (Imboden, Verwaltungsrechtsprechung, 2. A. 1964, Nr.105/111 und 112/III). Tritt sie auf eine förmliche
Beschwerde nicht ein und behandelt sie diese im Nichteintretensentscheid als Aufsichtsbeschwerde, ohne ihr jedoch Folge in Form einer Verfügung zu geben (VE Heft 30, 1961, Nr. 58), so wird die Erledigung der Aufsichtsbeschwerde nicht zum Beschwerdeentscheid. Wird einer Aufsichtsbeschwerde keine Folge in Form einer Verfügung gegeben, so ist gegen die Erledigung der Aufsichtsbeschwerde wiederum nur eine Aufsichtsbeschwerde zulässig.

Die einerseits mit der Aufsichtsbeschwerde verwandte Rechtsverweigerungsoder Rechtsverzögerungsbeschwerde nach Artikel 66, mit welcher die Partei eines

1374 Verfahrens eine im Lichte von Artikel 4 der Bundesverfassung rechtswidrige Untätigkeit der zuständigen Behörde rügt, nähert sich anderseits einer Beschwerde gegen die Sistierung des Verfahrens nach Artikel 42, Buchstabe c und insofern einer förmlichen Beschwerde (dazu Imboden, Verwaltungsrechtsprechung, 2. A. 1964, Nr. 113/II/a). Die Erledigung in Form eines Beschwerdeentscheides, auf die der Beschwerdeführer daher Anspruch besitzen soll, gilt jedoch nach Artikel 4, Absatz 3 nicht als Verfügung, so dass dagegen höchstens eine Aufsichtsbeschwerde zulässig ist.

Die Beschwerdeinstanz nach Artikel 40, Absatz 2 ist nicht unbedingt identisch mit der vorgesetzten oder Aufsichtsbehörde nach Artikel 65 und 66.

Artikel 67-74 Abschnitt IV übernimmt Artikel 124-134 OG, soweit sich diese nicht dank Artikel 72 und Abschnitt II des Entwurfes oder wie die in Artikel 130, Absatz l OG anwendbar erklärten Artikel 30, Absatz 3 und Artikel 31, Absatz 2 OG sonst erübrigen, und bringt zwei materielle Neuerungen. Die erste davon, eine Präzisierung von Artikel 9, Absatz l Buchstabe d des Entwurfes, ist die Ausstandspflicht nach Artikel 71. Wichtiger ist Artikel 68, Absatz 2, der die Zuständigkeit des Bundesgerichts für die Beurteilung von staatsrechtlichen Beschwerden gegen kantonale Erlasse und gegen Verfügungen der letzten kantonalen Instanz in Anwendung dieser Erlasse ausdehnt. Anstatt des Bundesrates soll darnach das Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerden beurteilen, in denen die Beschwerdeführer rügen, jene Erlasse verletzten Bundesrecht nach Artikel 68, Absatz l, Buchstaben b und c, und damit das in Artikel 2 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung als Individualrecht garantierte Prinzip der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, d.h. des Grundsatzes, dass Bundesrecht kantonales Recht bricht. Der Streit um die Vereinbarkeit von kantonalem und Bundesrecht eignet sich als typischer Staatsrechtsstreit besser für die Beurteilung durch das Bundesgericht. Dieses beurteilt denn auch schon heute die staatspolitisch heiklen Streitigkeiten um die Vereinbarkeit von kantonalem Recht mit Bundeszivil- und Strafrecht und nach Artikel 68, Absatz l, Buchstabe a und Artikel 83, Buchstabe a OG ähnliche Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Kantonen. Die Befürchtung, dass Artikel 68, Absatz 2 des Entwurfes die
Gefahr einer Rechtszersplitterung in sich berge, indem dann die Auslegung desselben materiellen Bundesverwaltungsrechts einerseits Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht nach Artikel 68, Absatz 2 und anderseits Gegenstand einer Beschwerde an den Bundesrat nach Artikel 68, Absatz l, Buchstabe b bilde, verliert unseres Erachtens im Hinblick auf den bevorstehenden Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts an Gewicht.

Artikel 75 und 76 Artikel 75, Absatz l, Buchstabe c hebt nur inhaltlich abweichende, nicht auch inhaltsgleiche und nur im Wortlaut abweichende Bestimmungen des Spe-

1375 zialverwaltungsrechts auf. Nicht als abweichend gelten die ergänzenden Bestimmungen im Sinne von Artikel 3.

Artikel 75, Absatz 2 über die künftige Anpassung des abweichenden Spezialverwaltungsrechts und die Übergangsbestimmung von Artikel 76, Absatz 2 decken sich mit Ziffer IV, Absatz 2 und Ziffer V, Absatz 2 des Entwurfes für die Revision von Artikel 97 ff. OG.

Gestützt auf diese Darlegungen beantragen wir Ihnen, den beiliegenden Entwurf zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 24. September 1965.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Tschudi Der Bundeskanzler : Ch.Oser

1376

(Entwurf)

Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (Bundesverwaltungsverfahren)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 103 der Bundcsverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 24. September 1965, beschtiesst:

Erster Abschnitt: Geltungsbereich und Begriffe

A. Geimngsi'ctaf

Art. l Dieses Gesetz findet Anwendung auf das Verfahren in den durch Verfügung zu erledigenden Verwaltungssachen, die andere Bundesbehörden als die Bundesversammlung, das Bundesgericht oder das Eidgenössische Versicherungsgericht in erster Instanz oder auf Beschwerde behandeln.

2 Als Bundesbehörden gelten : a. der Bundesrat; b. seine Departemente und die ihnen unterstellten Dienstabteilungen, Betriebe, Anstalten oder anderen Anitstellen der Bundesverwaltung; c. autonome eidgenössische Anstalten oder Betriebe; d. eidgenössische Kommissionen ; e. andere Instanzen, Körperschaften, Anstalten oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, soweit sie in Ausübung ihnen übertragener öffentlich-rechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen.

1

1377 3

Auf das Verfahren letzter kantonaler Instanzen, die gestutzt auf offentliches Recht des Bundes verfugen, flnden lediglich die Artikel 31 bis 33 und 55, Absatz 2 und 3 dieses Gesetzes iiber die Eroffnung von Verf iigungen Anwendung.

Art. 2 Keine Anwendung finden: a. Abschnitt II dieses Gesetzes: 1. auf das Verfahren erster Instanz in Verwaltungssachen, die nach ihrer Natur ohne schriftliches Verfahren durch sofort vollstreckbare Verfiigung zu erledigen sind; 2. auf das Verfahren erster Instanz in Verwaltungsstrafsachen; 3. seine Artikel 12 bis 17 und 27 bis 30 auf das Verfahren in Steuersachen; 4. auf das Verfahren der Schätzungskommissionen nach Artikel 57 ff. des Bundesgesetzes vom 20. Juni 19301) iiber die Enteinung; b. Abschnitte II und III dieses Gesetzes: 1. auf das Verfahren in Verwaltungssachen der PTT-Betriebe, ausgenommen deren Gcneraldirektion; 2. auf das Verfahren von Behorden im Sinne von Artikel 1, Absatz 2, Buchstaben c bis e und Absatz 3, ausgenommen eidgenossische Rekurs- oder Schiedskommissionen, in den Verwaltungssachen, in denen diese Behorden endgultig verfugen.

Art. 3 Bestimmungen des Bundesrechts, die ein Verfahren ganz oder teilweise eingehender regeln als die Bestimmungen dieses Gesetzes, ohne von ihnen abzuweichen, finden neben ihnen erganzend Anwendung.

Art. 4 1 Als Verfiigungen gelten Anordnungen der Behorden, die sich auf offentliches Recht des Bundes stiitzen und zum Gegenstand haben: a. Begriindung, Anderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten im Einzelfall; b. Feststelhmg des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten im Einzelfall c. Abweisung von Begehren auf Begriindung, Anderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten im Einzelfall oder Nichteintreten auf solche Begehren.

II. Ausnahmen zugunsten besondcrcr Verwaltuugssachen

HI Erganzende Besiimmungen zugunsten bcsonderer Verwaliungssachcn

B. Begrifle I, Verfugung

1)BS4, 1133.

Bundeeblatt. 117. Jahrg. Bd.n.

92

1378 2 Als Verfügungen gelten auch Vollstreckungsverfügungen (Art. 36, Buchstaben b und c), Einspracheentscheide (Art. 41, Buchstabe c), Zwischenverfügungen (Art. 42), Beschwerdeentscheide (Art. 55), Entscheide im Rahmen einer Wiederaufnahme (Art. 62) oder Wiedererwägung (Art. 63) und die Erläuterung (Art. 64).

3 Die Erledigung von Rechtsverweigerungs- oder Rechtsverzögerungsbeschwerden (Art. 66) und die Stellungnahmen oder anderen Erklärungen von Behörden zu Ansprüchen, die nicht durch Verfügung zu erledigen sind, gelten nicht als Verfügungen.

n. Partei

Art. 5 Als Parteien gelten Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht.

Zweiter Abschnitt: Allgemeine Verfahrensgrundsätze A. Zuständigkeit I. Prüfling

n. Überweisung und Meinungsaustausch

m. Streitigkeiten

Art. 6 Die Behörde prüft ihre Zuständigkeit von Amtes wegen.

2 Die Begründung einer Zuständigkeit durch Einverständnis zwischen Behörde und Partei ist ausgeschlossen.

1

Art. 7 Die Behörde, die sich als unzuständig erachtet, überweist die Sache ohne Verzug der als zuständig erachteten anderen Behörde.

2 Die Behörde, die ihre Zuständigkeit als zweifelhaft erachtet, pflegt darüber ohne Verzug einen Meinungsaustausch mit der anderen Behörde, deren Zuständigkeit in Frage kommt.

3 Eine Frist gilt für die Partei, die rechtzeitig an eine Behörde gelangt, auch dann als gewahrt, wenn die Sache in die Zuständigkeit einer anderen Bundesbehörde fällt.

1

Art. 8 Die Behörde, die sich als zuständig erachtet, stellt dies durch Verfügung fest, wenn eine Partei die Zuständigkeit dieser Behörde bestreitet.

2 Die Behörde, die sich als unzuständig erachtet, tritt durch Verfügung auf die Sache nicht ein, wenn eine Partei die Zuständigkeit dieser Behörde behauptet.

3 Kompetenzkonflikte zwischen Behörden, ausgenommen Kompetenzkonflikte mit dem Bundesgericht, dem Eidgenössischen 1

1379 Versicherungsgericht und kantonalen Behorden, beurteilt die gemeinsame vorgesetzte oder Aufsichtsbehorde, im Zweil'el der Bundesrat.

Art. 9 1 Behordemitglieder oder Bedienstete, die eine Verfiigung treffen oder diese massgeblich vorbereiten sollen, treten in Ausstand, wennsie: a. in der Sache ein personliches Interesse haben; b. mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder verschwagert oder durch Ehe,Verlobung oder Kindesannahme verbunden sind; c. Vertreter einer Partei sind oder f iir eine Partei in der gleichen Sache tatig waren; d. aus anderen Griinden in der Sache befangen sein konnten.

2 1st der Ausstand streitig, so entscheidet dariiber die vorgesetzte Behorde oder, wenn es sich um den Ausstand des Mitgliedes einer Kollegialbehorde handelt, diese Behorde unter Ausschluss des Mitgliedes, dessen Ausstand streitig ist.

Art. 10 Die Partei kann sich, soweit sie nicht personlich zu handehi hat, auf jeder Stufe des Verfahrens vertreten lassen.

2 Die Behorde kann den Vertreter auffordern, sich durch schriftliche Vollrnacht auszuweisen.

3 Solange die Partei die Vollmacht nicht widerruft, macht die Behorde ihre Mitteilungen an den Vertreter.

1

Art. 11 Die Behorde stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest.

Art. 12 Die Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, soweit ihnen nach einem anderen Bundesgesetz eine Auskunfts- oder Offenbarungspflicht obliegt oder soweit sie ein Verfahren durch ihr Begehren einleiten oder in einem Verfahren selbstandige Begehren stellen; die Behorde braucht auf diese Begehren nicht einzutreten, wenn die Parteien die notwendige und zumutbare Mitwirkung verweigern.

Art. 13 LSsst sich ein Sachverhalt auf andere Weise nicht hinreichend abklaren, so konnen folgende Behorden eine formliche Zeugeneinvernahme anordnen: 1

B. Ausstand

C. Vertietung

D. Feststcllung] des Sachverhalies I. Grundsatz II. Mitwirfcung der Parteien

E. Zeugeneinvernahme I. Zuatandigkeit

1380 a. die eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen; b. der Bundesrat und seine Departemente; c. die Justizabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements.

8 Die Behörden im Sinne von Absatz l, Buchstaben b und c beauftragen mit der Zeugeneinvernahme einen dafür geeigneten, juristisch geschulten Beamten.

a Die Behörden im Sinne von Absatz l, Buchstabe b können Personen ausserhalb einer Behörde, die mit einer amtlichen Untersuchung beauftragt sind, zur Zeugeneinvernahme ermächtigen.

II. ZeugnisPflicht

Art. 14 Jedermann ist zur Ablegung des Zeugnisses verpflichtet.

2 Das Recht zur Zeugnisverweigerung bestimmt sich nach Artikel 42 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 19471) über den Bundeszivüprozess.

3 Abweichend davon ist der Träger eines Berufs- oder Geschäftsgeheimnisses nur insoweit zum Zeugnis verpflichtet, als ihn ein anderes Bundesgesetz als auskunftspflichtig erklärt.

1

Art. 15 III. Rechte der Parteien

1

Die Parteien haben Anspruch darauf, den Zeugeneinvernahmen beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen.

2 Zur Wahrung wesentlicher öffentlicher oder privater Interessen kann die Zeugeneinvernahme in Abwesenheit der Parteien erfolgen und diesen die Einsicht in die Einvernahmeprotokolle verweigert werden.

3 Wird ihnen die Einsicht in die Einvernahmeprotokolle verweigert, so rindet Artikel 25 sinngemäss Anwendung.

IV. Aktenedition

Art. 16 Wer verpflichtet ist, Zeugnis abzulegen, hat auf Anordnung der zur Zeugeneinvernahme zuständigen Behörde dieser die in seinen Händen befindlichen Akten herauszugeben.

V, Ergänzende Bestimmungen

Art. 17 Die Artikel 43 bis 48 und 51 bis 54 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 19471) über den Bundeszivilprozess finden sinngemäss Anwendung,

F. Fristen I. Berechnung

Art. 18 Gesetzlich bestimmte Fristen, die der Mitteilung an die Parteien bedürfen, und behördlich bestimmte Fristen, die sich nach 1

*) AS 1948, 485.

1381 Tagen berechnen, beginnen an dem auf ihre Mitteilung folgenden Tage zu laufen.

a Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen am Wohnsitz der Partei oder am Geschäftssitz des Vertreters vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endigt die Frist am nächsten Werktag.

Art. 19 Eine Frist ist gewahrt, wenn die Handlung vor Fristablauf n. Einhaltung erfolgt.

2 Schriftliche Eingaben müssen am letzten Tage der Frist der Behörde eingereicht oder zu deren Händen der schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben sein.

1

Art. 20 Rechtsmittel- und andere gesetzlich bestimmte Fristen kön- in. Erstreknen nicht erstreckt werden.

2 Behördlich bestimmte Fristen können auf Begehren aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn die Partei vor Ablauf der Frist darum nachsucht.

1

Art. 21 Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumnis einer rv. WiederFrist kann auf Begehren erteilt werden, wenn der Gesuchsteller hetsleUTM& oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln, und binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses unter Angabe desselben die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Rechtshandlung nachholt.

Art. 22 Die in der Sache zuständige Behörde kann über den Bestand, G. Fatsteiden Nichtbestand oder den Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte 1UDesverfahien oder Pflichten von Amtes wegen oder auf Begehren eine Feststellungsverfügung treffen.

a Einem Begehren um Erlass einer Feststellungsverfügung ist zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges eigenes Interesse nachweist.

8 Keiner Partei dürfen daraus Nachteile erwachsen, dass sie im berechtigten Vertrauen auf eine Feststellungsverfügung gehandelt hat.

Art. 23 1 Die Partei oder ihr Vertreter hat Anspruch darauf, in ihrer H. Awenzu erledigenden oder erledigten Sache folgende Akten am Sitze der ""Grandsatz verfügenden oder einer kantonalen Behörde einzusehen: 1

1382 a. eigene Eingaben, Eingaben von Gegenparteien und Vernehmlassungen von Behörden; b. als Beweismittel dienende Urkunden, Protokolle und Expertenberichte; c. Niederschriften eröffneter Verfügungen.

a Die verfügende Behörde kann eine Gebühr für die Einsichtnahme in die Akten einer rechtskräftig erledigten Sache beziehen; der Bundesrat regelt die Bemessung der Gebühr.

II. Ausnahmen

JII. Massgeblichkeii geheimer Akten

J. Rechtliches Gehör I. Grundsatz II. Vorgängige Anhörung

Art. 24 Die Behörde darf die Einsichtnahme in die Akten nur verweigern : a. wenn wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft, die Geheimhaltung erfordern; b. wenn wesentliche private Interessen, insbesondere von Gegenparteien, die Geheimhaltung erfordern; c. im Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen Untersuchung.

2 Die Verweigerung der Einsichtnahme darf sich nur auf die Aktenstücke erstrecken, für die Geheimhaltungsgründe bestehen.

3 Die Einsichtnahme in eigene Eingaben der Partei, ihre als Beweismittel eingereichten Urkunden und ihr eröffnete Verfügungen darf in keinem Fall, die Einsichtnahme in Protokolle über eigene Aussagen der Partei nur bis zum Abschluss der Untersuchung verweigert werden.

1

Art. 25 Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.

Art. 26 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.

Art. 27 Vor dem Erlass von Verfügungen, ausgenommen Vollstreckkungsmassnahmen, hört die Behörde die Parteien an, wenn ihnen Nachteile erwachsen könnten, die durch nachträgliche Aufhebung der Verfügungen nicht wiedci zu beseitigen wären.

2 Ist Gefahr im Verzüge, so kann die Behörde auf die Anhörung nach Absatz l verzichten.

1

1383 Art. 28 In einer Sache mit widerstreitenden Interessen mehrerer Parteien hort die Behordejede Partei zu Vorbringen einer Gegenpartei an, die erheblich erscheinen und nicht ausschliesslich zugunsten der anderen lauten.

Art. 29 Alle erheblich erscheinenden Vorbringen, die eine Partei anfuhrt, bevor die Behorde verfiigt, wurdigt diese je nach Erheblichkeit der Vorbringen.

a Sie braucht jedoch Vorbringen nicht zu wurdigen, welche die Partei innert einer fiir ihre Vorbringen gesetzlich oder unter Hinweis auf die Saumnisfolgen behordlich bestimmten Frist nicht anfuhrt.

Art. 30 1 Die Behorde nimmt Beweise ab, welche die Partei anbietet, wenn die Beweise zur Abklarung des Sachverhaltes tauglich erscheinen und ihre Abnahme nicht mit unverhaltnismassigem Aufwand verbunden 1st.

2 1st ihre Abnahme mit verhaltnismassig hohen Kosten verbunden und die Partei fiir den Fall einer ihr ungiinstigen Verfiigung kostenpflichtig, so kann die Behorde die Abnahme der Beweise davon abhangig machen, dass die Partei die Kosten vorschiesse.

s Die Behorde braucht Beweise nicht abzunehmen, welche die Partei innert einer ihr fur die Bezeichnung von Beweismitteln unter Hinweis auf die Saumnisfolgen eingeraumten Frist nicht anbietet.

1

Art. 31 Die Behorde eroffnet Verfiigungen den Parteien schriftlich.

2 Anwesenden Parteien kann sie Verfiigungen mundlich eroffnen, muss sie aber auf Verlangen der Parteien schriftlich bestatigen; eine Rechtsmittelfrist beginnt in diesem Falle erst von der schriftlichen Bestatigung an zu laufen.

8 Bundesbehorden eromien Verf iigungen in den Amtssprachen, in denen die Parteien ihre Begehren gestellt haben oder stellen wiirden, letzte kantonale Instanzen rn der nach kantonalem Recht vorgeschriebenen Amtssprache.

1

HI. AnhSren der Gegenpartei

IV. Priifung der Partei-" vorbringen

V. Btweisanerbleten

K. Eröffnung I. SchriftUche

Art 32 Die Behorde kann ihre Verfiigungen durch Veroffentlichung in cinem amtlichcn Elatte eroffnen: a. gegenilber einer Partei, die unbekannten Aufenthaltes ist und keinen erreichbaren Vertreter hat;

JI. In cinem amtlichen Biatte

1384

b. gegenüber einer Partei, die sich ohne erreichbaren Vertreter im Ausland aufhält, wenn die Zustellung an ihren Aufenthaltsort unmöglich ist; c. in einer Sache mit einer grossen Anzahl von Parteien, die sich ohne unverhältnismässigen Aufwand nicht oder nicht vollzählig bestimmen lassen.

in. Form im übrigen

Art. 33 Schriftliche Verfügungen sind, auch wenn die Behörde sie in Briefform kleidet, als solche zu bezeichnen, zu begründen und, wenn die Behörde nicht endgültig verfügt, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.

2 Die Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen.

3 Die Behörde kann auf Begründung und Rechtsmittelbelehrung verzichten, wenn sie dem Begehren der Partei voll entspricht und keine Gegenpartei ein abweichendes Begehren stellt.

1

Art. 34 IV. Mangelhafte Eröffnung

L. VoUstrekJamg I. Voraussetzungen

II, Zwangsmittel

Aus mangelhafter Eröffnung darf den Parteien kein Nachteil erwachsen.

Art. 35 Die Behörde kann ihre Verfügungen vollstrecken, wenn: a. die Verfügung endgültig oder durch unbenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen ist; b. die Verfügung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist und das zulässige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung geniesst; c. die einem Rechtsmittel zukommende aufschiebende Wirkung entzogen wird.

Art. 36 Um ihre Verfügungen zu vollstrecken, kann die Behörde zu folgenden Zwangsmitteln greifen: a. Schuldbetreibung nach dem Bundesgesetz vom 11. April 18891) über Schuldbetreibung und Konkurs für Verfügungen, die auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung lauten; b. Ersatzvornahme durch die verfügende Behörde selbst oder einen beauftragten Dritten auf Kosten des Verpflichteten, die durch besondere Verfügung festzusetzen sind; *) ES 3, 3; AS 1949, 802; 1950, 57; 1951,1184; 1952,1030; 1953,1100; 1959, 851; 1962,1064; 1964, 984.

1385

c. unmittelbarem Zwang gegen den Verpflichteten oder an Sachen, die dieser besitzt; d. Bestrafung, soweit ein anderes Bundesgesetz die Strafe vorsieht; e. wenn keine andere Strafbestimmung zutrifft, Bestrafung wegen Ungehorsams nach Artikel 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21.Dezember 19371).

Art. 37 Die Beborde bedient sjch des gelindesten jeweils geeigneten Zwangsmittels, um ihre Verfugungen zu vollstrecken.

Art. 38 Bevor die Behorde zu einem Zwangsmittel im Sinne von Artikel 36, Buchstaben b bis d greift, droht sie dieses dem Verpflichteten an und raumt ihra eine angemessene Erf iillungsfrist ein.

2 Sie kann darauf im Falle eines Zwangsmittels-im Sinne von Artikel 36, Buchstaben b und c verzichten, wenn Gefahr im Verzug 1st.

Art. 39 Die Kantone leisten den Bundesbehorden Rechtshilfe in der Vollstreckung.

1

HI. Verhältnismassigkeit

IV. Zwangsaudiohung

V. Rechtshilfe

DritterAbschnitt: Das Beschwerdeverfahren im allgemeinen Art. 40 1 Die Zulassigkeit dcr Beschwerde an den Bundesrat bestimmt sich nach Artikel 67 bis 69.

a Im iibrigen ist die Beschwerde gegen Verfugungen an die Behorde zulassig, die das Bundesrecht als Beschwerdeinstanz vorsieht, im Zweifel an die vorgesetzte oder Aufsichtsbehorde.

a.

6.

c.

d.

Art. 41 Die Beschwerde ist unzulassig gegen Verf iigungen: die ein anderes Bundesgesetz als endgultig erklart; gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder ein Rechtsmittel an das Eidgenossische Versicherungsgericht zulassig ist; gegen welche zunachst eine Einsprache zulassig ist; der Schatzungsorgane des Eidgenossischen Militardepartements, soweit es sich urn die Abschatzung von Land- oder Sachschaden imter 1000 Fraoken oder um die Einschatzung gemieteter oder requirierter Sachen handelt.

1) BS 3, 203.

A. Zulassigkeit aet Beschweide I. Grundsatz

II. Unzulksalgkeit

1386

III. Beschwerdefähige Zwischcnvcrfugungen

B. Beschwcrdelegltimaiion

C. Beschwerdegründe

D. Beschwerdefrist

B. Einreichung.

Inhalt und Form der Beschwerde I, Elnreichung

Art. 42 Soweit die Beschwerde gegen Verfügungen zulässig ist, ist sie auch zulässig gegen verfahrensleitende und andere Zwischenverfügungen in einem schwebenden Verfahren, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können, insbesondere gegen Zwischenverfügungen über: a. die Zuständigkeit (Art. 8, Abs. l und 2) ; b. den Ausstand (Art. 9, Abs. 2); c. die Sistierung des Verfahrens; d. die Auskunfts-, Zeugnis- oder Editionspflicht oder den Ausschluss einer Partei von der Zeugeneinvernahme (Art. 12,14, 15, Abs. 2 und Art. 16); e. die Akteneinsicht (Art. 24) ; / vorsorgliche Massnahmen (Art. 50 und 51); g. die unentgeltliche Rechtspflege (Art. 59).

Art. 43 Zur Beschwerde sind berechtigt : a. wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges eigenes Interesse an deren Aufhebung oder Änderung geltend macht; b. andere Personen oder Organisationen, die das Bundesrecht zur Beschwerde berechtigt ; c. Behörden, die das Bundesrecht zur Beschwerde berechtigt.

Art. 44 Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen : a. Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung des Ermessens, dessen Missbrauch und jede andere Willkür im Gebrauch des Ermessens; b. unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhaltes; c. Unangemessenheit ; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn sich die Beschwerde gegen die Verfügung einer letzten kantonalen Instanz richtet.

Art. 45 Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, gegen eine Zwischenverfügung innert 10 Tagen seit Eröffnung der Verfügung einzureichen.

Art. 46 Die Beschwerde ist der Beschwerdeinstanz mindestens im Doppel einzureichen.

2 Fehlt die zweite Ausfertigung oder benötigt die Beschwerdeinstanz nach Artikel 52, Absatz l mehr als zwei Ausfertigungen, so 1

1387 kann die Beschwerdeinstanz den Beschwerdefiihrer auffordern, ihr diese Ausfertigungen sofort nachzuliefern.

s Sie verbindet diese Aufforderung mit der Androhung, sonst auf Kosten des Beschwerdef iihrers Abschriften anfertigen zu lassen.

Art. 47 Die Beschwerde hat die Begehren, deren Begriindung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdefuhrers oder seines Vertreters zu enthalten.

a Eine Ausfertigung der angefochtenen Verfiigung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit der Beschwerdef iihrer sie in Handen hat.

3 Geniigt die Beschwerde den Anforderungen nach AbsStzen 1 und 2 nicht, oder lassen die Begehren des Beschwerdefiihrers oder deren Begriindung die notige Klarheit vermissen und stellt sich die Beschwerde nicht als offensichtlich unzulassig heraus, so ra\imt die Beschwerdeinstanz dem Beschwerdefuhrer eine kurze Nachfrist zur Verbesserung ein.

* Sie verbindet diese Nachfrist mit der Androhung, nach unbenutztem Fristablauf auf Grund der Akten zu entscheiden oder, wenn Begehren, Begriindung oder Unterschrift fehlen, auf die Beschwerde nicht einzutreten.

1

Art. 48 Die Beschwerdeinstanz kann einem Beschwerdefiihrer, dessen Beschwerde den Erfordernissen nach Artikel 47, Absatze 1 und 2 geniigt, auf Gesuch gestatten, die Begriindung der Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist zu erganzen, und ihm zu diesem Zwecke eine angemessene Nachfrist einraumen.

Art. 49 Die Behandlung der Sache, die Gegenstand der mit Beschwerde angefochtenen Verfiigung bildet, geht mit Einreichung der Beschwerde auf die Beschwerdeinstanz iiber.

Art, 50 Die Beschwerde, ausgenommen jene gegen die Verpflichtung zu einer vermogensrechtlichen Leistung, hat ohne entsprechende vorsorgliche Massnahme der Beschwerdeinstanz kerne aufschiebende Wirkung.

s Die Beschwerdeinstanz oder, wenn als Beschwerdeinstanz eine Kollegialbehorde entscheidet, deren Vorsitzender kann von 1

II. Inhalt und Form

IH. ErgSnzung derBcschwerdebegrundnng

F. Befugnissc der Beschwerdeinstanz I. Grundaatz

H, Vonorgliqhe MassoaJimcn 1. AufschiebendeWirkuag

1388 Amtes wegen oder auf Begehret» einer Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilen oder einer Beschwerde gegen die Verpflichtung zu einer Sicherheitsleistung die aufschiebende Wirkung entziehen.

3 Einer angekündigten, aber noch nicht eingereichten Beschwerde kann auf Begehren aufschiebende Wirkung erteilt werden, wenn der Gesuchsteller die Verfügung, auf die sich sein Begehren bezieht, genau bezeichnet ; die in diesem Falle erteilte aufschiebende Wirkung entfällt, wenn die Beschwerde in der Folge nicht eingereicht wird.

4 Über ein Begehren um aufschiebende Wirkung ist in jedem Falle ohne Verzug zu entscheiden.

5 Wird einem Begehren um aufschiebende Wirkung willkürlich nicht oder verspätet entsprochen und die Beschwerde in der Folge gutgeheissen, so haftet der Bund für den daraus erwachsenden Schaden. , z. im übrigen

G, SchriftenWechsel

H. Neue Verfugung

j. Ausstand

Art. 51 Nach Einreichung der Beschwerde können von Amtes wegen oder auf Begehren auch andere vorsorgliche Massnahmen ergriffen werden, um einen tatsächlichen oder rechtlichen Zustand einstweilen unverändert zu erhalten.

Art. 52 Die Beschwerdeinstanz bringt eine ihr eingereichte und nicht zum vornherein unzulässige, gegebenenfalls nach Artikel 47, Absätze 3 und 4 verbesserte Beschwerde ohne Verzug der Vorinstanz, Gegenparteien des Beschwerdeführers und allfälligen anderen Beteiligten zur Kenntnis und räumt ihnen Frist zur Vernehmlassung und zur Vorlage ihrer Akten ein.

2 Sie kan'n die Beteiligten auf jeder Stufe des Verfahrens zu einem weiteren Schriftenwechsel einladen oder eine mündliche Verhandlung mit ihnen veranstalten.

1

Art. 53 Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.

2 Sie teilt ihre neue Verfügung ohne Verzug der Beschwerdeinstanz mit.

3 Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist.

1

Art. 54 Die Beschwerdeinstanz darf mit der Behandlung der Beschwerdesachj; nicht die Vorinstanz oder einen bei der Vorberei-

1389 tung der angefochtenen Verfügung massgeblich tätig gewesenen Bediensteten der Beschwerdeinstanz betrauen.

Art. 55 Die Beschwerdeinstanz entscheidet in der Sache nach K. BeschwerdeMöglichkeit selbst; andernfalls weist sie die Sache mit verbindli- Höhs«TM!

chen Weisungen an die Vorinstanz zurück.

Form 3 Der Beschwerdeentscheid muss eine Entscheidungsformel (Dispositiv), die Begründung (Erwägungen) eine Zusammenfassung des erheblichen Sachverhaltes enthalten.

3 Er ist ausser dem Beschwerdeführer allen zur Vernehmlassung eingeladenen Beteiligten zu eröffnen.

1

Art. 56 Die Begehren des Beschwerdeführers binden die Beschwer- n. Bedeutung deinstanz nicht, die vorgesetzte oder Aufsichtsbehörde der Vor- dcrBcsehlTM instanz ist; diese Beschwerdeinstanz kann die angefochtene Verfügung zum Nachteil des Beschwerdeführers abändern oder über dessen Begehren hinausgehen, a Beabsichtigt sie, die angefochtene Verfügung zum Nachteil des Beschwerdeführers abzuändern, teilt sie dies dem Beschwerdeführer mit und räumt ihm eine Frist zur Gegenäusserung ein.

a Ist die Beschwerdeinstanz nicht vorgesetzte oder Aufsichtsbehörde der Vorinstanz, so binden die Begehren des Beschwerdeführers die Beschwerdeinstanz, ausgenommen in Abgabesachen.

1

Art. 57 Die Beschwerdeinstanz auferlegt in der Entscheidungsformel die Verfahrenskosten, bestehend aus Spruchgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen, in der Regel der unterliegenden Partei; unterliegt diese nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt.

2 Keine Verfahrenskosten werden Bundesbehörden, die Beschwerde führen und unterliegen, oder unterliegenden Vorinstanzen auferlegt; anderen als Bundesbehörden, die Beschwerde führen und unterliegen, werden Verfahrenskosten auferlegt, soweit sich der Streit um vermögensrechtliche Interessen von Körperschaften oder Anstalten dreht.

3 Ausnahmweise kann aus wichtigen Gründen darauf verzichtet werden, der unterliegenden Partei die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

1 Einer obsiegenden Partei dürfen nur Verfahrenskosten auferlegt werden, die sie durch Verletzung von Verfahrenspflichten verursacht hat.

1

m

- Verfatrens-

1390 5

Einen Beschwerdeführer ohne festen Wohnsitz, mit Wohnsitz im Ausland oder im Verzug mit der Bezahlung früherer Verfahrenskosten kann die Beschwerdeinstanz unter der Androhung, auf die Beschwerde nicht einzutreten, zu einem Vorschuss an die Verfahrenskosten verpflichten; vorbehalten bleibt die Vorschusspflicht der Partei nach Artikel 30, Absatz 2.

6 Der Bundesrat regelt die Bemessung der Gebühren.

Art. 58 IV. Partelcutschädigiuig

1

Heisst die Beschwerdeinstanz die Beschwerde ganz oder überwiegend gut, so kann sie von Amtes wegen oder auf Begehren dem Beschwerdeführer für ihm erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten eine Entschädigung zubilligen.

2 Billigt sie ihm eine Entschädigung zu, so wird diese in der Entscheidungsformel beziffert und auferlegt : ö. der unterliegenden Gegenpartei je nach deren Leistungsfähigkeit; b. im übrigen dem Bund, wenn Vorinstanz eine Bundesbehörde ist; c. dem Kanton, wenn Vorinstanz eine kantonale Behörde ist.

3 Der Bundesrat regelt die Bemessung der Entschädigung.

Art. 59

V. Unentgeltliche Rechtspflege

1

Die Beschwerdeinstanz oder, wenn als Beschwerdeinstanz eine Kollegialbehörde entscheidet, ihr Vorsitzender kann nach Einreichung der Beschwerde eine bedürftige Partei, deren Begehren nicht zum vornherein aussichtslos erscheinen, auf Gesuch davon befreien, Verfahrenskosten zu bezahlen.

2 Dreht sich der Streit um eine schwierige Rechtsfrage oder um einen verwickelten Sachverhalt, so kann der bedürftigen Partei ausserdem ein Anwalt beigegeben werden, 3 Wird ihr ein Anwalt beigegeben, so beziffert die Beschwerdeinstanz in der Entscheidungsformel des Beschwerdeentscheides das Honorar und die Kosten des Anwalts und auferlegt sie der unterliegenden Gegenpartei je nach deren Leistungsfähigkeit oder im übrigen dem Bund.

4 Gelangt die bedürftige Partei später zu hinreichenden Mitteln, so ist sie verpflichtet, Honorar und Kosten des Anwalts dem Bund zu vergüten, soweit dieser sie bezahlt hat.

* Der Bundesrat regelt die Bemessung von Anwaltshonorar und -kosten.

1391 Art. 60 Die Beschwerdeinstanz nimmt in einer durch rechtskräftigen L wiederaufund, im Falle von Buchstaben c bis e, endgültigen Beschwerde- ""Q^^ entscheid erledigten Sache auf Begehren einer Partei oder, im Falle von Buchstabe a, auch von Amtes wegen das Verfahren wieder auf, wenn sich zeigt, dass : a. ein auf dem Wege des Strafverfahrens oder, falls dieses unmöglich ist, auf andere Weise nachweisbares Verbrechen oder Vergehen ihren Beschwerdeentscheid beeinflusst hat; b. neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die der Beschwerdeführer im früheren Verfahren nicht kennen oder vorbringen konnte; c. ihr Beschwerdeentscheid vorgebrachte und aktenkundige Tatsachen versehentlich unberücksichtigt lässt; d. ihr Beschwerdeentscheid einzelne Begehren des Beschwerdeführers unberücksichtigt lässt; e. die Beschwerdeinstanz Artikel 9,54 oder 71 über die Ausstandspflicht verletzt hat.

Art. 61 1 Das Begehren um Wiederaufnahme ist der Beschwerdein- n. Begehren stanz innert neunzig Tagen seit Entdeckung des Wiederaufnahmegrundes, spätestens aber innert zehn Jahren seit Eröffnung des Beschwerdeentscheides schriftlich einzureichen; Artikel 46 findet sinngemäss Anwendung.

8 Nach Ablauf von zehn Jahren seit Eröffnung des Beschwerdeentscheides ist ein Wiederaufnahmebegehren nur aus dem Grunde von Artikel 60, Buchstabe a zulässig.

3 Auf Inhalt, Form, Verbesserung und Ergänzung des Wiederaufnahmebegehrens finden Artikel 47 und 48 sinngemäss Anwendung; die Begründung hat insbesondere den Wiederaufnahmegrund und die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmebegehrens darzutun, und dieses hat auch die Begehren für den Fall eines neuen Beschwerdeentscheides zu enthalten.

Art. 62 Tritt die Beschwerdeinstanz auf das Wiederaufnahmebe- m. im übrigen gehren ein und erachtet sie es als unbegründet, so entscheidet sie auf dessen Abweisung.

a Erachtet sie es als begründet, so hebt sie den Beschwerdeentscheid auf und fällt einen neuen Beschwerdeentscheid.

3 Im übrigen finden auf die Behandlung des Wiederaufnahmebegehrens die Artikel 50 bis 52 und 57 bis 59 sinngemäss Anwendung.

1

1392

M Neue Verfügung

N. Erläuterung

0. Besondere Beschwerdearten 1. Aufsichtsbeschwerdo

n. Rechtsvetweigerung und -verzögerung

Art. 63 Die in erster Instanz verfügende Behörde kann auch eine durch rechtskräftigen Beschwerdeentscheid bestätigte oder abgeänderte Verfugung in Wiederwägung ziehen, soweit das Bundesrecht die Wiedererwägung ihrer Verfügung zulasst.

Art. 64 Die Beschwerdeinstanz erläutert auf Begehren einer Partei den Beschwerdeentscheid, der unter Unklarheiten oder Widersprüchen in seiner Entscheidungsformel oder zwischen dieser und der Begründung leidet.

2 Eine Rechtsmittelfrist beginnt mit der Erläuterung neu zu laufen.

J Redaktions- oder Rechnungsfehler kann die Beschwerdeinstanz jederzeit berichtigen.

1

Art. 65 Jedermann kann jederzeit Tatsachen, die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten von Amtes wegen gegen eine Behörde erfordern, der vorgesetzten oder Aufsichtsbehörde anzeigen.

2 Der Anzeiger hat nicht die Rechte einer Partei.

1

Art. 66 Eine Partei kann jederzeit gegen die Behörde, die eine Verfügung unrechtmässig verweigert oder verzögert, Beschwerde wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung an die vorgesetzte oder Aufsichtsbehörde führen.

2 Heisst diese die Beschwerde gut, so weist sie die Sache mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück.

3 Die Artikel 46, 52, 54, 55, Absatz 2 und 3 und Artikel 57 rinden auf dieses Beschwerdeverfahren sinngemäss Anwendung.

1

Vierter Abschnitt: Das Verfahren des Bundesrates

A. Als Beschwerdeinstanz I, Ztdässigkcit der Beschwerde I. Im allgemeinen

Art. 67 Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig gegen Verfügungen: a. seiner Departemente ; b. anderer Bundesbehörden, deren unmittelbar vorgesetzte oder Aufsichtsbehörde der Bundesrat ist; c. letzter kantonaler Instanzen nach Artikel 68.

1393 Art. 68 Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig gegen Verfü- 2. Kantonale gungen letzter kantonaler Instanzen und gegen kantonale Erlasse : unafEtïassen a. wegen Verletzung folgender Bestimmungen der Bundesverfassung und entsprechender Bestimmungen der Kantonsverfassungen : 1. Artikel 18, Absatz 3 über die unentgeltliche Ausrüstung der Wehrmänner; 2. Artikel 27, Absatz 2 und 3 über das kantonale Schulwesen; 3. Artikel 51 über das Jesuitenverbot; 4. Artikel 53, Absatz 2 über die Begräbnisplätze; b. wegen Verletzung anderer als privat- oder strafrechtlicher Erlasse des Bundes ; c. wegen Verletzung von Staatsverträgen mit dem Ausland, soweit deren Bestimmungen Handels- oder Zollverhältnisse, Patentgebühren, Freizügigkeit oder Niederlassung zum Gegenstand haben.

2 Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Bestimmungen des Bundesrechts über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit kantonaler Behörden oder von Artikel 2 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung rügt, beurteilt das Bundesgericht die Beschwerde.

1

Art. 69 Die Beschwerde an den Bundesrat ist unzulässig gegen Ver- n. Unzulässigfügungen: £'"?"

_.

Beschwerde a, des Eidgenössischen Militärdepartements in Ausübung der militärischen Kommando- und Disziplinargewalt; b. des Verwaltungsrates und der Generaldirektion der Bundesbahnen, soweit nicht ein anderes Bundesgesetz die Beschwerde an den Bundesrat zulässt ; c. die ein anderes Bundesgesetz als endgültig erklärt; d, gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, ein Rechtsmittel an das Eidgenössische Versicherungsgericht oder nach Artikel 40, Absatz 2 die Beschwerde an eine andere Bundesbehörde zulässig ist.

Art. 70 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement besorg, m. Instruktion die Instruktion der Beschwerde.

Buchwerte a Der Bundesrat betraut mit der Instruktion von Beschwerden die sich gegen das Justiz- und Polizeidepartement richten, ein anderes Departement.

1

Bundesblatt. 117. Jahrg. Bd. H.

93

1394 3

Das instruierende Departement stellt dem Bundesrat Antrag über den Beschwerdeentscheid und übt zu diesem Zwecke die der Beschwerdeinstanz bis zum Entscheid zustehenden Befugnisse aus, 4 Es kann eine Partei, die den durch die gute Sitte gebotenen Anstand verletzt oder den Geschäftsgang stört, mit Verweis oder mit Ordnungsbusse bis zu 100 Franken bestrafen.

IV. Ausstand

V. Im übrigen

B. AIS einzige irotlnz"'6

C, Beschwerde an Bundesversammlung

Art. 71 Das Mitglied des Bundesrates, gegen dessen Departement sich die Beschwerde richtet, hat in der Beschlussfassung über den Antrag des instruierenden Departementes nur beratende Stimme.

Art. 72 Im übrigen finden Artikel 42 bis 64 Anwendung, Art. 73 Das in der Sache zuständige Departement stellt dem Bundesrat Antrag über die Verfügungen, die er als einzige oder als erste Instanz trifft.

a Es übt zu diesem Zwecke die der verfügenden Behörde bis zur Verfügung zustehenden Befugnisse aus.

1

Art. 74 Die Beschwerde an die Bundesversammlung ist zulässig gegen Beschwerdeentscheide des Bundesrates nach Artikel 68, Absatz l, Buchstaben a und c und gegen andere Beschwerdeentscheide oder Verfügungen, gegen die ein Bundesgesetz die Beschwerde an die Bundesversammlung zulässt.

2 Die Beschwerde ist der Bundesversammlung innert dreissig Tagen seit Eröffnung des Beschwerdeentscheides oder der Verfügung einzureichen.

3 Die Beschwerde hat ohne entsprechende vorsorgliche Verfügung des Bundesrates keine aufschiebende Wirkung.

1

Fünfter Abschnitt: Schluss- und Übergangsbestimmungen Art. 75 1

A. Aufhebung und Anpassung von Bestimmungen

Folgende Bestimmungen sind mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgehoben: a. Artikel 231)1B des Bundesgesetzes vom 26. März 19141) über die Organisation der Bundesverwaltung; ^BSl, 261.

1395

b, Artikel 124 bis 134,158 und 164 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 19431) iiber die Organisation der Bundesrechtspflege; c. Bestimmungen des Bundesrechts, die ein Verfahren ganz oder teilweise abweichend regeln; vorbehalten bleiben ergSnzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 3.

2 Ganz oder teilweise aufgehobene Bestimmungen sind bei sich bietender Gelegenheit durch einen einheitlichen Hinweis auf dieses Gesetz zu ersetzen.

Art. 76 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

2 Dieses Gesetz findet Anwendung auf die nach seinem Inkrafttreten zu treffenden Verfiigungen und auf die Beschwerdesachen, in denen die Beschwerdefrist nach seinem Inkrafttreten zu laufen beginnt.

1

') BS 3, 531; AS 1959, 902, 8454

B. Inkrafcireten

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Verwaltungsverfahren (Bundesverwaltungsverfahren) (Vom 24. September 1965)

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1965

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

9314

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.10.1965

Date Data Seite

1348-1395

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