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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über eine Änderung des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei (Vom 12. August 1970)

Herr Präsident, Hochgeachtete Herren, Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft einen Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes vom 11. Oktober 1902 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei zu unterbreiten.

Es handelt sich darum, für die bisher den Kantonen lediglich auf Grund eines Kreisschreibens zustehende Kompetenz zur Bewilligung von kleinern Rodungen im Schutzwald eine sichere Rechtsgrundlage zu schaffen.

Artikel 31 des Forstpolizeigesetzes vom 11. Oktober 1902 (BS 9 521) bestimmt, dass Ausreutungen im Nichtschutzwaldungen der Bewilligung der Kantonsregierung bedürfen, solche in Schutzwaldungen einer Bewilligung des Bundesrates.

Der Nichtschutzwald stellt in rechtlicher und vor allem in prozessualer Hinsicht für den Bundesrat keine besondern Probleme. Verfahren und Erteilung der Rodungsbewilligungen sind Sache der Kantone. Der Bundesrat war lediglich, gestützt auf Artikel 125 Absatz l des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege, Beschwerdeinstanz gegen die letztinstanzlichen kantonalen Entscheide. Seit dem 1. Oktober 1969, mit der Inkraftsetzung der Novelle vom 20. Dezember 1968 zum Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege, ist auch dafür der Beschwerdeweg an das Bundesgericht vorgesehen (Art. 98 ff. des BG vom 20. Dezember 1968 über die Änderung des BG über die Organisation der Bundesrechtspflege AS 1969 767).

Die dem Bundesrat vorbehaltenen Rodungsbewilligungen für Schutzwald waren Gegenstand einer doppelten Delegation: Einerseits durch ein Kreisschreiben des Bundesrates vom 24. Dezember 1909 (BB11910 I 20), anderseits durch die Delegationsverordnung (BRB vom 17. November 1914, BS l 289, be-

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treffend die Zuständigkeit der Departemente und der ihnen unterstellten Amtsstellen zur selbständigen Erledigung von Geschäften).

Mit dem Kreisschreiben vom 24. Dezember 1909 wird den Kantonen die Kompetenz übertragen, über Rodungen im Schutzwald bis zu 30 Aren selbst zu entscheiden. Durch die Delegationsverordnung wird das Eidgenössische Oberforstinspektorat ermächtigt, über Rodungen bis zu 2 Hektaren selbständig zu entscheiden (Art. 10 Ziff. 4). Für Rodungsbewilligungen im Ausmass von mehr als 2 Hektaren wird die Ermächtigung dem Eidgenössischen Departement des Innern übertragen (Art. 5 Ziff. 3).

Während die in der Delegationsverordnung vom 17. November 1914 normierten Kompetenzdelegationen unbestritten sind, ist die Rechtmässigkeit der auf 30 Aren beschränkten kantonalen Rodungskompetenz, die lediglich auf dem zitierten Kreisschreiben vom 24. Dezember 1909 basiert, wiederholt angezweifelt worden. Der Bundesrat hat sich dieses Problems im Zusammenhang mit mehreren Beschwerden, die in der letzten Zeit beurteilt werden mussten, eingehend angenommen. Er ist dabei zum Schluss gekommen, dass sich die im Jahre 1909 beschlossene Kompetenzdelegation an die Kantone für diese Rodungsbewilligungen geringeren Ausmasses im allgemeinen bewahrt hat und dass es infolgedessen angezeigt erscheint, dafür eine definitive Rechtsgrundlage zu schaffen.

Die Konferenz der kantonalen Forstdirektoren hat die Frage der Überführung der provisorischen Delegation auf eine feste gesetzliche Basis ebenfalls geprüft und ist ihrerseits zum Schluss gekommen, dass die Kompetenz der Kantone im heutigen Ausmass erhalten bleiben sollte.

Ausmass der bewilligten Rodungen

Auf Grund der geltenden Bestimmungen sind in den letzten 10 Jahren von den zuständigen eidgenössischen und kantonalen Behörden folgende Waldflächen zu Rodungszwecken - grösstenteils mit der Auflage einer Ersatzaufforstung - freigegeben worden: Rodungsflache ha

Schutzwald Nichtschutzwald Total 1960/69 oder pro Jahr

1910 784 2694 269

Vorgesehene Ersatzaufforstung ha

1617 503 2120 212

Die Entscheide über Rodungsgesuche von Bund und Kantonen lehnen sich seit 1966 insbesondere an die Richtlinien des Schweizerischen Forstvereins zur Behandlung von Rodungsgesuchen an; damit konnte die für die gesamte Schweiz angestrebte Vereinheitlichung der Rodungspraxis weitgehend erreicht werden.

496 Zusammenarbeit von Bund und Kantonen

Die auf Grund des Kreisschreibens vom 24. Dezember 1909 eingeführte Teilung der Rodungskompetenzen zwischen dem Bund und den Kantonen hat sich auch in administrativer Hinsicht bewährt. Die direkte Erledigung der Gesuche von oft geringer Bedeutung durch die Kantone bewahrt das Eidgenössische Oberforstinspektorat vor einer Flut von Gesuchen, die von den mit den örtlichen Verhältnissen besser vertrauten kantonalen Behörden rascher erledigt werden können. Im Falle eines Zurückkommens auf die den Kantonen delegierte Kompetenz hätte das Eidgenössische Oberforstinspektorat jährlich rund 500 Gesuche mehr zu behandeln. Und diese Zahl droht noch zu wachsen, da immer mehr Wald zu Schutzwald erklärt wird.

Die neue Kompetenznorm

Voraussetzung einer rechtlich einwandfreien Neuordnung der Verhältnisse ist die Ergänzung des eidgenössischen Forstpolizeigesetzes durch eine Ermächtigung des Bundesrates, ihm gemäss Gesetz zustehende Rodungskompetenzen auch an die Kantone zu delegieren.

In der Praxis hat sich ferner gezeigt, dass ausser der Rodungskompetenz noch weitere Zuständigkeiten im Sinne einer sachlich ausgewogenen Arbeitsteilung den Kantonen zur Ausübung übertragen werden sollten, weshalb es angezeigt erscheint, die Delegationsermächtigung so zu fassen, dass der Bundesrat auch weitere Aufgaben an die Kantone delegieren kann. Dazu gehören insbesondere die beiden folgenden Bestimmungen des eidgenössischen Forstpolizeigesetzes : a. Gemäss Artikel 23 können öffentliche Waldungen nur mit Bewilligung des Bundesrates und der zuständigen Kantonsregierung durch neue, einer guten Waldwirtschaft nachteilige Rechte und Dienstbarkeiten belastet werden.

Diese Bestimmung hat sich in der Praxis als höchst umständlich erwiesen.

Auch hier sollte deshalb die Voraussetzung einer Übertragung der Bundeskompetenz auf die Kantone geschaffen werden. Die Aufsicht der eidgenössischen Forstpolizeibehörden bleibt damit gewahrt.

Es ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass gemäss der eidgenössischen Betriebszählung 1965 von den insgesamt 684 000 Hektaren öffentlichen Wäldern nur noch rund 7200 Hektaren mit schädlichen Nebennutzungen belastet sind (ausser 81 186 Hektaren beweidetem Wald).

b. Auch auf dem Gebiet des Forstschutzes (Art. 32Ms des eidgenössischen Forstpolizeigesetzes) drängt sich eine ähnliche Kompetenzdelegation auf. Es ist denkbar, dass Krankheiten und Schädlinge nur regional auftreten und deshalb der Bund einen oder mehrere Kantone beauftragen könnte, in seinem Namen die erforderlichen Vorschriften über die Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen zu erlassen. Die Kantone hätten dem Bund in solchen Fällen Bericht zu erstatten, insbesondere dann, wenn Beiträge für Abwehrmassnahmen beansprucht würden.

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Nach Fühlungnahme mit den Kantonen schlagen wir auf Grund der vorstehenden Ausführungen vor, es sei dem Artikel 50 der Übergangs- und Schlussbestimmungen des eidgenössischen Forstpolizeigesetzes ein zweiter Absatz beizufügen, in welchem dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben wird, ihm zukommende Befugnisse ganz oder teilweise auf die Kantone zu übertragen.

Die Ausführungsvorschriften sind alsdann an der entsprechenden Stelle der Vollziehungsverordnung zu verankern, wobei für die Delegation der Kompetenz zur Bewilligung von Rodungen im Schutzwald an einer maximalen Fläche von 30 Aren im Einzelfall festgehalten werden soll.

Die verfassungsmässigen Grundlagen sind die nämlichen wie für das Bundesgesetz vom 11. Oktober 1902 (Art. 24 Bundesverfassung).

In diesem Sinne empfehlen wir Ihnen, dem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen, und wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 12. August 1970 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Tschudi

Der Bundeskanzler: Huber

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Entwurf

Bundesgesetz über die Änderung des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 12. August 19701), beschliesst:

Das Bundesgesetz vom 11. Oktober 19022> betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei wird wie folgt geändert :

Art. 50 Abs. 2 (neu) Der Bundesrat kann einzelne, ihm auf Grund dieses Gesetzes zustehende Befugnisse ganz oder teilweise auf die Kantone übertragen.

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II Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

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V BEI 1970 II > BS 9 521; AS 1952 339, 1956 1215, 1969 500

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1970

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11.09.1970

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