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10399 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Unterstützung der Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek» (Vom 29. Oktober 1969)

Herr Präsident, Hochgeehrte Herren, Wir beehren uns, Ihnen hiermit eine Botschaft samt Entwurf zu einem neuen Bundesbeschluss über die Unterstützung der Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek» zu unterbreiten.

1. Kurze Übersicht

Zur Zeit ist für die Beitragsleistungen des Bundes an die genannte Institution der Bundesbeschluss vom 4. März 1959 über die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek» (BB11959 l 568) massgebend. Dieser bestimmt, dass die Stiftung jedes Jahr eine Subvention in der Höhe der ihr jährlich aus allen anderen Quellen zufliessenden Mittel erhält, höchstens jedoch 200 000 Franken. Seit Erlass des Bundesbeschlusses wurde stets der Höchstbetrag ausbezahlt. In einer Eingabe vom 26. Juni 1969 hat nun die Stiftung um eine Erhöhung des Bundesbeitrages von 200 000 auf 500 000 Franken nachgesucht. Zu diesem Gesuch, in dem die Bedeutung der Schweizerischen Volksbibliothek, ihre schwierige finanzielle Lage und die Notwendigkeit grösserer öffentlicher Zuwendungen zum Ausdruck kommen, soll in den folgenden Abschnitten Stellung genommen werden.

2. Ausgangstage

a. Die Tätigkeit der Schweizerischen Volksbibliothek Die unzulänglichen Bibliotheksverhältnisse ausserhalb der grösseren Städte veranlassten die Vereinigung schweizerischer Bibliothekare im Jahre 1919, die Gründung einer Schweizerischen Volksbibliothek anzuregen. Diese wurde 1920 als gemeinnützige Stiftung errichtet und konnte im darauffolgenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Die Stiftung hat ihren Sitz in Bern, wo

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auch ihre Hauptstelle domiziliert ist. Als Grundlage standen ihr zunächst die Bücher (rd. 40 000 Bände) und Kisten (300 Stück) der vom Armeestab während des Aktivdienstes 1914/18 geschaffenen Soldatenbibliothek zur Verfügung. Obwohl die Tätigkeit der Stiftung stets in erster Linie auf die bibliothekarisch nicht oder nur unzureichend betreute Berg- und Landbevölkerung ausgerichtet war, zeigte sich doch immer wieder, dass auch andere Kreise vorübergehend oder dauernd auf die Dienste der Volksbibliothek angewiesen sind. Zu ihren Benutzern gehören heute neben Berg- und Landgemeinden, die meist nicht über eigene Bibliotheken verfügen, vor allem Schulen, Jugend- und Ferienkolonien, industrielle Betriebe, Spitäler, Heime und Fürsorgestellen sowie Bibliotheken, Lesevereine und private Lesegruppen. Allen diesen «Lesestationen» vermittelt die Schweizerische Volksbibliothek gegen eine bescheidene Gebühr, in wandernden Bücherkisten von 10 bis 100 Bänden, Unterhaltungs- und Bildungsliteratur. Um den besonderen Verhältnissen der verschiedenen Landesgegenden gebührend Rechnung tragen zu können, wurde der Versand der Wanderbüchereien sieben Kreisstellen (Bellinzona, Bern, Chur, Freiburg, Lausanne, Luzern und Zürich) anvertraut, die in bezug auf die Anschaffung von Büchern volle Selbständigkeit geniessen. Die Berufs- und Fachliteratur dagegen wird direkt von der Hauptstelle in Bern ausgeliehen.

Die Leitung der Schweizerischen Volksbibliothek, die als Stiftung unter der Aufsicht des Bundes steht, obliegt einem aus Vertrauenspersonen aller Landesteile zusammengesetzten Stiftungsrat, der heute 36 Mitglieder zählt, und dem von ihm bestellten Vorstand. Es steht ausser Zweifel, dass die Institution in den nunmehr fünf Jahrzehnten ihres Bestehens eine äusserst segensreiche Tätigkeit im Dienste der Bildung unseres Volkes geleistet hat.

Ein Bild ihrer äusseren Entfaltung gibt die nachstehende Übersicht über die Zahl der Lesestationen der Stiftung und die ihnen zur Verfügung gestellten Wanderbüchereien und Bände: Jahr

Lesestalionen

Wanderbuchereien

Bande

1921 1927 1938 1951 1961 1965 1966 1967 1968

122 811 1100 l 502 2055 1979 1919 2108 2174

220 1407 2229 3 774 5852 6442 6975 7029 7488

18 189 66493 90284 123 751 187067 196793 203262 200276 207613

!

In diesen Zahlen ist die direkt von der Hauptstelle in Bern besorgte Ausleihe von Fachbüchern an einzelne Leser, die in den letzten Jahren rd. 8000 Bände umfasste, nicht berücksichtigt. Im Jahre 1968 gingen insgesamt 93 118 Bände an Schulen, Jugendbibliotheken, Jugendorganisationen und Ferienkolonien ; das sind mehr als zwei Fünftel der Gesamtausleihe. Da nach einer langjährigen Erfahrung mit einer dreimaligen Weitergabe der Bücher in einer Lese-

1222 station gerechnet werden kann, kamen somit etwa 280 000 Bände in die Hände von Jugendlichen.

b. Die bisherigen Leistungen des Bundes Seit Beginn ihrer Tätigkeit ist die Schweizerische Volksbibliothek auf regelmässige Zuwendungen der öffentlichen Hand (Bund, Kantone und Gemeinden) angewiesen. Durch Bundesbeschluss vom 23. Juni 1921 wurde ihr ein jährlicher Höchstbeitrag von 60 000 Franken zugesprochen, der durch Bundesbeschluss vom 1. April 1949 eine Erhöhung auf 120 000 Franken und gemäss Bundesbeschluss vom 4. März 1959 - wie erwähnt - auf 200 000 Franken erfuhr. Die Ausrichtung der Beiträge wurde jeweils an die Voraussetzung geknüpft, dass die Stiftung aus allen ändern Quellen mindestens die gleich hohe Summe aufbringt. Praktisch konnten stets die Höchstsubventionen ausbezahlt werden. Die Herkunft sämtlicher Einnahmen in den zehn Jahren 1959-1968 verteilt sich wie folgt : Franken

Prozent

-Bund 2000000 = 39,3 - Kantone, Gemeinden, Firmen und Private 2 018 055 = 39,6 - Betriebseinnahmen (Gebühren usw.)

919 235 = 18,0 - Einnahmen aus Fonds (Bundesfeierspende, Reserven).

157209 = 3,1 Total 5094499 = 100 Wie diese Übersicht zeigt, hat sich die Volksbibliothek mit Erfolg um die Mittelbeschaffung seitens der Gemeinden, der Kantone und Privaten bemüht.

Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre beliefen sich die Beiträge des Bundes wie sich aus der Zusammenstellung ergibt - auf nur 39 Prozent der Einnahmen der Stiftung, während sie in früheren Jahren rund die Hälfte ausmachten.

c. Eingabe der Schweizerischen Volksbibliothek Die Schweizerische Volksbibliothek weist zunächst auf den erfreulichen Aufschwung der kommunalen Volksbibliotheken in verschiedenen Städten unseres Landes hin. Weniger finanzkräftige Gemeinden vermögen allerdings mit dieser Entwicklung nicht Schritt zu halten. Der Schweizerischen Volksbibliothek, die hier einen Ausgleich schaffen möchte, fehlen aber, wie sie darlegt, immer mehr die Mittel, diese Aufgabe wirklich zu erfüllen. Während einzelne Gemeinden die Zuwendungen an ihre Büchereien in den letzten Jahren stark erhöht hätten, könne die Schweizerische Volksbibliothek nur eine relativ geringe Steigerung der Einnahmen verzeichnen, obwohl die Aufwendungen für Bücher, Einrichtungen und Personal infolge der Teuerung sehr stark angestiegen seien. Die finanzielle Situation sei heute derart, dass eine erspriessliche Fortsetzung der Tätigkeit nur dann möglich sei, wenn die Bibliothek sofort über weit grössere Mittel verfügen könne, die ihr erlauben, den in den letzten Jahren entstandenen Nachholbedarf einigermassen zu decken. Eine wesentliche Erhöhung der Bundeshilfe erscheine daher als unumgänglich.

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3. Würdigung des Begehrens um Erhöhung der Bundeshilfe a. Die Bedeutung der Volksbibliotheken Unsere Gegenwart ist durch eine gewaltige Vermehrung von Kenntnissen und Fertigkeiten gekennzeichnet. Bei dieser rasch voranschreitenden Entwicklung in fast allen Bereichen unseres Wissens kommt dem Informationsaustausch eine ganz besondere Bedeutung zu. Alle technisch fortgeschrittenen Länder haben deshalb in den letzten Jahren dem Ausbau ihres Informations- und Dokumentationswesens grosse Beachtung geschenkt.

Es kann nun aber nicht übersehen werden, dass nicht nur der hochqualifizierte Wissenschafter auf ein leistungsfähiges Informationssystem angewiesen ist ; auch der Facharbeiter, der Verwaltungsbeamte, der Kaufmann, wie überhaupt jedermann, der sich bemüht, die durch den Einfluss von Technik und Wissenschaft immer schneller sich ändernde Umwelt zu verstehen, erfährt in seinem beruflichen wie privaten Bereich täglich die Notwendigkeit, sich unablässig zu informieren und weiterzubilden. Zu den wichtigsten Einrichtungen einer solchen «éducation permanente» gehören die modernen Volksbibliotheken, die breitesten Bevölkerungskreisen die Mittel zur Verfügung stellen, die der einzelne zu seiner dauernden Weiterbildung benötigt. Sie sind freie Informationszentren, die dem jugendlichen wie dem erwachsenen Menschen durch die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen helfen, den Anforderungen des Berufes und des Lebens besser gerecht zu werden. Immei deutlicher zeigt sich, dass heute der Berufstätige neben seinen spezifischen Fachkenntnissen auch über ein breites Allgemeinwissen verfügen muss ; man spricht in diesem Zusammenhang nicht zu Unrecht von einer zunehmenden «Intellektualisierung der Berufe». Die Arbeit der Volksbibliotheken im Dienste der Allgemeinbildung ist so von wesentlicher Bedeutung für unsere moderne Industriegesellschaft. Die Kenntnis der kompliziert gewordenen Zusammenhänge der modernen Welt ist zudem eine wichtige Voraussetzung für die Bewahrung der persönlichen Freiheit und Unabhängigkeit, die durch das Übergreifen von Technik und Wissenschaft auf alle Bereiche unseres Daseins bedroht werden. Als Stätten der Meinungsbildung leisten die Volksbibliotheken auch staatspolitisch einen bedeutenden Beitragendem sie dem Bürger dieMöglichkeit bieten, sich über die Aufklärungstätigkeit der Massenmedien,der
Parteien und Verbände hinaus frei und unbeeinflusst zu informieren und zu dokumentieren.

Schliesslich üben die Volksbibliotheken eine wichtige kulturelle Funktion aus.

Sie lassen ungezählte Menschen an den geistigen und künstlerischen Schätzen der Vergangenheit und Gegenwart teilhaben. Sie gewähren Zugang zum Reichtum der menschlichen Erfahrungen und zu den Leistungen der schöpferischen Phantasie, soweit sie in Büchern und Schriften ihren Niederschlag finden. Volksbibliotheken sind so auch eines der wichtigsten Mittel zur «Demokratisierung der Kultur».

b. Zum Stand des schweizerischen Volksbibliothekswesens Die letzte umfassende schweizerische Bibliotheksstatistik stammt aus dem Jahre 1960. Damals zählte man in der Schweiz 4571 nichtwissenschaftliche

1224 Bibliotheken mit einem Gesamtbestand von über 9,5 Millionen Bänden. Jährlich wurden über 6 Millionen Bücher ausgeliehen. Diese Zahlen mögen zunächst beachtlich erscheinen; sie können aber nicht über die grossen Mängel des schweizerischen Volksbibliothekswesens hinwegtäuschen. Mehr als die Hälfte aller Büchereien weist einen Bestand von weniger als 500 Bänden auf.

Über ein Drittel unserer Gemeinden verfügt überhaupt über keine Bibliothek.

Verglichen mit angelsächsischen und skandinavischen Verhältnissen, aber auch mit denen in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland, muss der Entwicklungsstand des Volksbibliothekswesens in der Schweiz im ganzen gesehen als bescheiden gelten. Die Ursachen dieser wenig erfreulichen Verhältnisse sind oft analysiert worden. Fachleute weisen darauf hin, dass das Vertrauen des Schweizers vor allem der geführten, schulmässigen Erziehung gelte. Die freie, unkontrollierte Selbstbildung des einzelnen könne deshalb nicht im gleichen Masse mit dem Wohlwollen der öffentlichen Hand rechnen. Daneben werden Gründe geltend gemacht, die in der föderalistischen Struktur unseres Staatswesens liegen. Erwähnung finden in diesem Zusammenhang auch die weite Verbreitung der Buchgemeinschaften sowie der gut ausgebaute Buchhandel in unserem Lande, die mit dazu beitragen, dass der Förderung des Volksbibliothekswesens bisher nicht jene Beachtung geschenkt wurde, die seiner Bedeutung für die moderne Industriegesellschaft entspricht.

Die letzten Jahre haben insofern eine neue Entwicklung gebracht, als einzelne grössere Städte - wie etwa Bern, Genf und Zürich - die Aufwendungen für ihre kommunalen Büchereien in erheblichem Ausmasse steigerten. Gesamthaft gesehen ist die Schweiz jedoch noch weit entfernt von einem das ganze Land umfassenden Büchereinetz - wie es etwa Dänemark kennt -, innerhalb dessen die einzelnen lokalen Bibliotheken so miteinander verbunden wären, dass alle gewünschten Bücher, Zeitschriften, Dias und Schallplatten an jedem Ort innerhalb nützlicher Frist zur Verfügung ständen. Ansätze zu einer systematischen regionalen und überregionalen Zusammenarbeit sind zwar auch bei uns vorhanden und vereinzelt, wie etwa im Kanton Zürich, der über ein beacht- L liches Netz von Volksbibliotheken verfügt, bereits recht weit fortgeschritten.

Eine vom Regierungsrat des Kantons
Bern eingesetzte Studienkommission hat einen Plan zur umfassenden bibliothekarischen Betreuung des ganzen Kantonsgebietes erarbeitet, der im letzten Frühjahr veröffentlicht wurde. Immer deutlicher zeigt sich aber, dass viele Probleme wirksam und rationell nur auf gesamtschweizerischer Ebene zu lösen sind. Seit 1965 besteht die «Arbeitsgemeinschaft schweizerischer Volksbibliothekare». Am 17. September 1969 ist in Bern der Schweizer Bibliotheksdienst gegründet worden, der sich zum Ziele setzt, die im öffentlichen Interesse stehenden Bibliotheken vor allem durch Planung und Förderung von Rationalisierungsmassnahmen in gemeinsamer Selbsthilfe zu fördern. Im Rahmen einer gesamtschweizerischen Zusammenarbeit aller in unserem Lande bestehenden Volksbibliotheken muss auch die zukünftige Tätigkeit der Schweizerischen Volksbibliothek, von der im folgenden Abschnitt die Rede sein soll, beurteilt werden.

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e. Die Notwendigkeit der Schweizerischen Volksbibliothek Die sich gegenwärtig abzeichnende Bewegung im Bereiche des Volksbibliothekswesens unseres Landes wird nicht ohne Rückwirkungen auf die zukünftige Tätigkeit der Schweizerischen Volksbibliothek sein. Eine Neukonzeption ihrer Aufgabe im Sinne einer Konzentrierung ihrer Kräfte und gewisse strukturelle Änderungen zur Anpassung an die veränderten Verhaltnisse dürften sich als unumgänglich erweisen. Es steht aber ausser Zweifel, dass die Schweizerische Volksbibliothek nach wie vor einem dringenden Bedürfnis entspricht und dass manche Gegenden und verschiedene Bevölkerungsgruppen auch in Zukunft auf ihre Dienste angewiesen sind.

Zunächst sind jene zahlreichen Berg- und Landgemeinden zu nennen, die sich auch in absehbaier Zukunft keine eigene Bücherei leisten können. Hier zu helfen ist eine Aufgabe, der um so grössere Bedeutung zukommt, als sich nicht übersehen lässt, dass das schon seit jeher bestehende Gefalle zwischen den verschiedenen Regionen unseres Landes in bezug auf ihre kulturelle Ausstattung wie ihre Bildungseinrichtungen sich in den letzten Jahren eher noch vergrössert hat. Indem die Schweizerische Volksbibliothek sich bemüht, wenigstens im Bereiche des Volksbibliothekswesens, dessen grosse Bedeutung für das Bildungswesen dargetan wurde, einen gewissen Ausgleich zu schaffen, erfüllt sie eine Aufgabe, die im gesamtschweizerischen Interesse hegt.

Ein wichtiges Anliegen, dem die Volksbibliothek weiter ihre besondere Aufmerksamkeit schenken wird, ist sodann die Versorgung mobiler Bevölkerungsgruppen mit geeignetem Lesestoff. Neben den Militärstellen und den Patienten in Spitälern und Pflegeheimen sind hier vor allem die Jugend- und Ferienkolonien zu nennen, die bereits heute in beachtlichem Umfange die Dienste der Stiftung in Anspruch nehmen. Im Jahre 1968 bezogen 233 Ferienkolonien in 328 Kisten 14560 Bände. Diese Wanderbüchereien sind als wertvolle Hilfe für die Lagerleitung sehr geschätzt; sie ermöglichen es, den Jugendlichen in der entspannten Atmosphäre der Ferienzeit eine reiche Auswahl von Büchern zur freien und ungezwungenen Lektüre zur Verfügung zu stellen. Zum Kreis jener Personen, die infolge ihrer Mobilität durch lokale Bibliotheken nicht odernur ungenügend bedient werden können, gehören insbesondere auch die ausländischen
Arbeitskräfte. Kleinere Gemeindebüchereien zumal auf dem Lande sind oftmals nicht in der Lage, für sie in ausreichender Zahl Bücher in ihrer Muttersprache anzuschaffen. Die Schweizerische Volksbibliothek möchte deshalb ihre recht beachtliche Auswahl fremdsprachiger Literatur, die sie für ausländische Arbeiter zur Verfügung hält und die rege benützt wird, weiter ausbauen. Damit trägt sie auch dem in der letzten Zeit von verschiedener Seite geäusserten Wunsch nach einer Einbeziehung der ausländischen Arbeitskräfte in Massnahmen der Erwachsenenbildung Rechnung. Die Tätigkeit der Schweizerischen Volksbibliothek wird dergestalt weiterhin in erster Linie auf die bibliothekarisch wenig erschlossenen Regionen, besonders die Berggebiete, ausgerichtet sein sowie auf die Bedürfnisse von Bevölkerungsgruppen - zu denen auch die sprachlichen Minderheiten in den verschiedenen Landesgegcnden

1226 gehören -, die durch lokale Institutionen nicht hinreichend berücksichtigt werden können. Daneben wird Sie sich auch ganz allgemein um die Förderung des Volksbibliothekswesens in unserem Lande bemühen. Geplant ist in diesem Zusammenhang u. a., einzelnen Gemeinden, die an sich in der Lage wären, eine eigene Bibliothek zu unterhalten, im Sinne einer Initialzündung für die Gründung einer eigenen Bücherei einen grösseren Bestand von Büchern zur Verfügung zu stellen. Die Schweizerische Volksbibliothek würde sich dann schrittweise zurückziehen, um die Führung der neugegründeten Bibliothek nach und nach ganz der Gemeinde zu überlassen.

Wesentlich für die Zukunft der Schweizerischen Volksbibliothek wird in jedem Falle eine enge Zusammenarbeit mit ihren kommunalen Schwesterinstitutionen sein. Wie sie im einzelnen zu verwirklichen ist, bildet zur Zeit Gegenstand einer eingehenden Untersuchung, in der zunächst die konkreten Bedürfnisse all jener Bevölkerungskreise, Regionen und Kantone möglichst vollständig erfasst werden sollen, die auf die Dienste der Volksbibliothek angewiesen sind. Auf Grund dieser Standortbestimmung soll dann bis 1972 im Einvernehmen mit allen interessierten Stellen, namentlich den Gemeinden und Kantonen, eine Gesamtkonzeption für eine umfassende Intensivierung der bibliothekarischen Tätigkeit erarbeitet werden. Die Verwirklichung dieses Plans wird allerdings davon abhängen, ob es der Stiftung gelingt, ihre Einnahmen ganz erheblich zu steigern. Ihre finanziellen Verhältnisse sind, wie aus den nachstehenden Ausführungen hervorgeht, nämlich bereits heute so, dass selbst die blosse Weiterführung der Tätigkeit im bisherigen Rahmen nur dann gewährleistet ist, wenn die öffentlichen Zuwendungen sofort erhöht werden.

d. Die finanzielle Lage Die gegenwärtige finanzielle Lage der Volksbibliothek ist dadurch gekennzeichnet, dass sich bei steigenden Ausgaben und ungenügend wachsenden Einnahmen das Defizit der Rechnungen ständig vergrössert. So schloss die Rechnung 1967 bei Ausgaben von rund 564000 Franken und Einnahmen von 521 000 Franken mit einem Ausgabenüberschuss von 43 000 Franken.

Im Jahre 1968 standen Ausgaben von 592 000 Franken Einnahmen von nur 530000 Franken gegenüber, womit sich ein Fehlbetrag von rund 62000 Franken ergab. Das Defizit der Rechnung für 1969 wird noch höher sein;
der Voranschlag sieht einen Ausgabenüberschuss von beinahe 100000 Franken vor. Auch bei Inanspruchnahme sämtlicher Fonds und Reserven wird sich ein ungedeckter Fehlbetrag von etwa 33 000 Franken ergeben, was um so schwerer ins Gewicht fällt, als für die unmittelbare Zukunft eine weitere Kostensteigerung zu erwarten ist.

Der provisorische Voranschlag 1970 rechnet mit Ausgaben von insgesamt 980 000 Franken. Für Gehälter und Sozialleistungen sind 448 000 Franken vorgesehen, was gegenüber den Personalleistungen des laufenden Jahres eine Erhöhung um rund 100000 Franken bedeutet. Dieser erhebliche Mehraufwand ist bedingt durch die Neuanstellung von Arbeitskräften sowie durch eine

1227 teilweise Lohnanpassung, Massnahmen, die unaufschiebbar geworden sind, da in dieser Beziehung ein grosser Nachholbedarf besteht. Schon seit vielen Jahren konnte kein voller Teuerungsausgleich ausgerichtet werden. Die Gehälter sollten wenn immer möglich auf die Höhe der bei vergleichbaren Institutionen geltenden Ansätzen aufgebessert werden können, da es nur so gelingt, gut ausgewiesenes Personal zu gewinnen und zu erhalten. Um das Budget einigermassen im Gleichgewicht zu halten, musste in den vergangenen Jahren bei den Bücheranschaffungen eine nicht mehr zu verantwortende Kürzung vorgenommen werden. Für die Erneuerung des Buchbestandes sind im kommenden Jahr 270 000 Franken vorgesehen, während im laufenden Jahr dafür nur 130 000 Franken ausgegeben werden können, was ganz ungenügend ist. Für die dringend notwendige Neuauflage des Katalogs sind 30000 Franken aufzuwenden. Die dafür angelegten Fonds mussten im vergangenen Jahr vollständig zur teilweisen Deckung des Defizits herangezogen werden. 14000 Franken sind schliesslich für Neueinrichtungen in Kreisstellen budgetiert. Die übrigen hauptsächlichen Ausgaben sind: Lokalmieten (90000 Franken), Mobiliar (15 000 Franken), Büro und Spedition (50 000 Franken), Propaganda, Behörden, Verschiedenes (30000 Franken).

Den stark gestiegenen Ausgaben stehen keine entsprechenden Mehreinnahmen gegenüber. Die Gesamteinnahmen - ohne die zur teilweisen Defizitdeckung nötige Fondsentnahme - machten im Jahre 1968 rund 530 000 Franken aus ; diese Summe setzt sich zusammen aus dem Bundesbeitrag von 200 00fr Franken, aus den Beiträgen von Kantonen und Gemeinden von insgesamt 180 500 Franken, den Zuwendungen von Firmen, Verbänden, Vereinen und Einzelpersonen von insgesamt 54100 Franken und aus Betriebseinnahmen (Gebühren usw.) von 95 000 Franken.

Die Leistungen der Leserschaft in Form von Leih- und Transportgebühren u. a. m. machen also fast einen Fünftel der Einnahmen aus, was mehr ist, als jede andere Bibliothek in unserem Lande von ihren Lesern bezieht. Der Vorschlag der Expertenkommission zur allgemeinen Überprüfung der Bundessubventionen (KommissionStocker),zusätzlicheKosten durch eine Erhöhung der Leihgebühren auszugleichen, scheint deshalb der Leitung der Schweizerischen Volksbibliothek weder grundsätzlich richtig zu sein noch praktisch Erfolg zu versprechen. Die
Erfahrung zeigt nämlich, dass Gebührenerhöhungen rasch zu einer Abnahme der Ausleihe führen und damit zu Einbussen, die schwer wettzumachen sind. Nach Empfehlungen der UNESCO, die im Ausland weitgehend befolgt werden, sollten Volksbibliotheken überhaupt keine Leihgebühren erheben. Schliesslich ist nicht ausser acht zu lassen, dass die Nutzniesser der Volksbibliothek weitgehend weniger bemittelte Leserschichten sind. Es steht demnach ausser Frage, dass das Unternehmen ohne eine den veränderten Verhältnissen entsprechende Erhöhung der Beiträge vonBund, Kantonen und Gemeinden in seiner Existenz gefährdet ist. Der Bund ist deshalb ersucht worden, seinen jährlichen Beitrag von bisher 200 000 auf 500 000 Franken zu erhöhen.

1228 4. Schlussfolgerungen Mit den vorstehenden Darlegungen hoffen wir gezeigt zu haben, dass die Voraussetzungen für eine Weiterführung und Erhöhung der jährlichen Bundesbeiträge gegeben sind. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Schweizerische Volksbibliothek nach wie vor einem grossen Bedürfnis entspricht. Wir erachten es daher für angezeigt, dass der Bund durch vermehrte Leistungen zur Weiterführung der bedeutsamen Tätigkeit dieser Institution beiträgt.

Was die Höhe der zukünftigen Bundesbeiträge anbelangt, so ist wie bisher darauf Bedacht zu nehmen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Zuwendungen der Kantone und Gemeinden stehen, da diese gemäss der föderalistischen Struktur unseres Landes die primären Träger der kulturpolitischen Aufgaben sind. Wir beantragen Ihnen deshalb, am bisherigen Grundsatz, dass die Stiftung eine Bundessubvention im Höchstbetrag der ihr jährlich aus allen ändern Quellen zufliessenden Mittel erhält, festzuhalten. Es erscheint aber weiterhin als gerechtfertigt, ein Beitragsmaximum festzulegen. Wir beantragen, dieses von bisher 200 000 Franken auf 500 000 Franken zu erhöhen. Nach dieser Regelung stehen der Stiftung dann die erforderlichen Mittel zur Verfügung, wenn es ihr gelingt, von dritter Seite, insbesondere von den Kantonen und Gemeinden, bedeutend grössere Beiträge zu erhalten. Da es aber kaum möglich sein dürfte, erhebliche zusätzliche Mittel von dritter Seite bereits im nächsten Jahr zu bekommen, erscheint es als angezeigt, zur Deckung des dringendsten Nachholbedarfs und im Sinne einer Überbrückungsbeihilfe für 1970 einen einmaligen Beitrag in der Höhe von 250 000 Franken zu bewilligen.

Abschliessend möchten wir hervorheben, dass in den letzten Jahren in den eidgenössischen Räten wiederholt auf die Notwendigkeit einer stärkeren Förderung der Erwachsenenbildung durch den Bund hingewiesen worden ist. Wir erwähnen insbesondere die Interpellationen von Nationalrat S. Kohler, Bern, und Ständerat J. Ulrich, Schwyz, aus dem Jahre 1968, in denen der Bundesrat eingeladen wurde, diejenigen Massnahmen bekanntzugeben, die in Zusammenarbeit mit den Kantonen zur Intensivierung der Erwachsenenbildung ergriffen werden könnten. In seiner Antwort hat der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern u. a. auch auf die Leistungen des Bundes für die
Schweizerische Volksbibliothek hingewiesen. Mit einer Erhöhung der jährlichen Bundessubvention zugunsten dieser Institution soll dem berechtigten Wunsch nach einer vermehrten Förderung der Erwachsenenbildung auf einem wichtigen Teilgebiet Rechnung getragen werden.

5. Die finanziellen Auswirkungen Bei Annahme unserer Vorlage werden sich die jährlichen Mehraufwendungen des Bundes bei Zugrundelegung der gegenwärtigen Leistungen der Kantone, Gemeinden und Privaten im ersten Jahr auf rund 35 000 Franken belaufen. Dazu kommt noch ein zusätzlicher einmaliger Beitrag von 250 000 Franken im Jahre 1970.

1229 Personelle Auswirkungen für die Verwaltung ergeben sich durch die in Aussicht genommene Erhöhung der Bundessubvention nicht.

6. Der Entwurf des Bundesbeschlusses

Der Entwurf enthält in Artikel l die Bestimmung über die Regelung des jährlichen Bundesbeitrages. Sein Maximum ist auf 500000 Franken festgesetzt. Artikel 2 und 3 geben uns zu keinen Bemerkungen Anlass.

7. Verfassungsrechtliche Grundlage

Seit 1921 leistet der Bund jährliche Beiträge an die Schweizerische Volksbibliothek. Eine ausdrückliche Verfassungsbestimmung, die ihn zu diesen Zuwendungen ermächtigt, liegt nicht vor. Der Bund kann sich aber gewissen Aufgaben gerade im Bereiche der Kulturförderung nicht entziehen. Die eidgenössischen Räte haben deshalb von jeher zahlreiche Subventionen zugunsten kultureller Anliegen bewilligt, auch wenn sich dafür aus der Bundesverfassung eine Zuständigkeit nicht unmittelbar ableiten liess. Die Kompetenz zur Übernahme solcher Aufgaben gehört nach Auffassung der Rechtswissenschaft gewissermassen zu den Persönlichkeitsrechten des Staates. Die Frage der Verfassungsmässigkeit der Vorlage ist deshalb zu bejahen.

Gestützt auf die obigen Ausführungen empfehlen wir Ihnen, den nachstehenden Beschlussesentwurf anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 29. Oktober 1969 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: L. von Moos

Der Bundeskanzler: Huber

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über die Unterstützung der Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek»

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 29. November 1969, beschliesst: Art. l

Der Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek» wird ein jährlicher Bundesbeitrag in der Höhe der ihr jährlich aus allen ändern Quellen zufliessenden Mittel, jedoch im Höchstbetrage von 500 000 Franken, ausgerichtet.

Art. 2

Für das Jahr 1970 erhält die Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek» zusätzlich einen Beitrag von 250 000 Franken.

Art. 3 1

Dieser Beschluss ersetzt den Bundesbeschluss vom 4. März 19591) über die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek ».

3 Er ist nicht allgemeinverbindlich und tritt am 1. Januar 1970 in Kraft.

3 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

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> BB1 1959 I 568

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Unterstützung der Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek» (Vom 29. Oktober 1969)

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1969

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21.11.1969

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