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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den zwischen der Regierung des Kantons Neuenburg und der Société d'exploitation du chemin de fer du Jura Neuchâtelois abgeschlossenen Vertrag über den Betrieb der Eisenbahn im Neuenburger Jura.

(Vom 24. November 1885.)

Tit.

Am 10. Oktober dieses Jahres hat sieh in Neuenburg eine Gesellschaft, mit einem Aktienkapital von Fr. 250,000, unter dem Namen Société d'exploitation du chemin de fer du Jura Neuchâtelois, und mit dem Zweck konstituirt, den Betrieb der Eisenbahn zu übernehmen, welche der Kanton Neuenburg durch Vertrag vom 25. Mai 1885 von der Gesellschaft der Berner Jurabahnen erworben hat, und welche die Linie von Neuenburg nach Convers, Chauxdefonds, Locle und Col des Roches (Landesgrenze) in sieh begreift, deren Rechtsgrundlage die folgenden Konzessionen a. vom 23. November 1853, für die Unternehmung einer Eisenbahn von les Brenets über Locle und Chauxdefonds in der Richtung nach les Convers etc. (Eisenbahnaktensammlung II, 187, 206, III. 102, 118); b. vom 20. Oktober 1855, für die Linie zwischen Neuenburg und Chauxdefonds (E. A. S. Ili, 168, 187), sowie die Bestimmungen sind, welche anläßlich der Uebertragung dieser Konzessionen an den Kanton Neuenburg im Bundesbeschluß vom 25. Juni 1885 (E. A. S. n. F., VIII, 165) aufgestellt wurden.

320 Der Vertrag, durch welchen die Regierung des Kantons Neuenburg den Betrieb dieser Eisenbahn der genannten Gesellschaft übergibt, datirt vom 16. Oktober 1885 und ist vom Großen Rathe des Kantons am 26. Oktober und am 19. Oktober von der Generalversammlung der Aktionäre der Betriebsgesellschaft genehmigt worden. Durch diesen Vertrag übernimmt die letztere Gesellschaft die Bahn in ihrem gegenwärtigen Zustand sammt Zubehörden und mit dem vorhandenen und dem vom Kanton noch anzuschaffenden Rollmaterial (Art. 3 und 4) vorläufig bis zum 31. Dezember 1888 für ihre eigene Rechnung und Gefahr in Betrieb (Art. l und 2).

Der Kanton muß das vorhandene Rollmaterial in guten Stand stellen und soweit nöthig auf seine Kosten ergänzen, auch die Bahn selbst in gutem Zustand übergeben (Art. 4 und 5); derselbe hat auch, wenn es nöthig würde, für die Erstellung einer Reparaturwerkstätte zu sorgen (ib.)- Die Gesellschaft übernimmt den Betrieb in allen Theilen; sie tritt während der Vertragsdauer an Stelle des Kantons in Hinsicht auf alle gesetzlichen und vertraglichen Rechte und Verpflichtungen (Art. 6, 7 und 8); sie soll den regionalen Anschlußbahnen billige Anschlußbedingungen gewähren (Art. 9). In Art. 10 und 11 wird präzisirt, was die Kontrahenten betreffend Fahrplan und Fahrtaxen unter sich vereinbart haben; Art. 12 enthält die Aufzählung der Rechte, welche der Kanton sich vorbehält; Art. 13 die Bestimmung des Pachtzinses, die Betriebsgesellschaft soll jährlich 4 % der vom Kanton Neuenburg auf den Ankauf der Bahn, die Vollendung derselben und die Ergänzung des Rollmaterials verwendeten Gelder bezahlen. Im Art. 13 endlich wird in Uebereinstimmung mit Art. 27, Ziff. 4, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874 (Amtl. Samml.

n. F., I, 136) die Entscheidung vorkommender Streitigkeiten dem.

Bundesgericht vorbehalten, beziehungsweise einem Schiedsgericht, wo das Bundesgericht wegen der Geringfügigkeit des Streitwertes nicht kompetent sein sollte.

Von den Bestimmungen des Vertrags geben die folgenden zu Bemerkungen Anlaß: 1) Im Art. 4 ist nicht gesagt, wie viel Lokomotiven der Kanton zu den vorhandenen noch anschaffen müsse, um die Bahn betriebsfähig auszurüsten. Das kann auch nicht, wenigstens nicht abschließlieh, Sache privatrechtlicher Vereinbarungen sein, und es muß das
im Art. 31 des Eisenbahngesetzes von 1872 dem Bund vorbehaltene Recht gewahrt werden, zu verlangen, daß die Bahn mit demjenigen Betriebsmaterial versehen werde, welches das Vei-kehrsbedilrfniß erheischt. Derselbe Vorbehalt gilt auch hinsichtlich der Wagen; die Bestimmung, daß der Kanton der Gesellschaft 25 neue

321 Personenwagen zu übergeben habe, kann die Bundesbehörde nicht hindern, im Bedürfnißfall weitergehende Forderungen zu stellen.

2) Die Minimalgeschwindigkeit der Züge ist konzessionsmäßig für die Strecke Chauxdefonds Locle auf 24 und für die Linie Neuenburg-Chauxdefonds auf 20 Kilometer per Zeitstunde festgestellt. Die abweichenden Bestimmungen im Art. 10 des Vertrags werden den Bundesrath nicht hindern, die Fahrpläne der Betriebsgesellschaft auf Grund der konzessionsmäßigen Vorschriften zu prüfen, namentlich wo durchgehende Verbindungen iu Frage kommen.

Ebenso wenig kann der Vorbehalt im Art. 12 betreffend die Genehmigung der Pahrpläae und der Tarife durch den StaatsTMth des Kantons Neuenburg die in den Art. 33 und 35 dem Bundesrath .zugewiesenen Rechte beschränken.

3) Die im Art. 11 enthaltenen Vereinbarungen betreffend die von der Betriebsgesellschaft zu erhebenden Taxen bewegen sich in den Schranken der Konzessionen und der Bestimmungen, welche anläßlich der Uebertraguns; der ersteren an die Berner Jurabahngesell«ehaft am 29. März 1875 vom Bundes rath (E. A. 8. n. F., III, 56) festgestellt und beim Uebergang dieser Konzessionen an den Kanton Neuenburg (E. A. S. n. F., VIII, 165) auch für diesen verbindlich erklärt worden sind. Immerhin soll zur Vermeidung von Mißverständnissen konstatirt werden, daß die im Art. 11 genannten Personentaxen sich auf die e f f e k t i v e n Bahnkilometer beziehen. Ferner ist es wohl nur ein Uebersehen, wenn ebendaselbst bei der Aufzählung der Spezialtarife derjenige betreffend die Miethe von Personenwagen vom 1. April 1885 weggelassen ist.

Bei den Gepäcktaxen wird der Gesellschaft die Erhebung eines etwas größern Zuschlages (50 --· 60 °/o) gestattet, als die Berner Jurabahnen bisher bezogen (40%); es kann aber nichts dagegen ·eingewendet werden, da dieser Zuschlag laut dem die Konzessionen «rgänzenden Bundesbeschluß vom 29. März 1875 bestätigt in dem Bundesbeschluß vom 25. Juni 1885, 60-- 70 °/o beiragen dürfte.

Umgekehrt ist bei den Vieh- und Gütertaxen wenigstens für das aweite und die folgenden Betriebsjahre eine etwelche Ermäßigung '(von 60 auf 50 °/o des Zuschlags) vorgesehen.

Bndlich ist es selbstverständlich, daß die Rechtsverhältnisse, in denen der Kanton Neuenburg als Koncessionär des Jura Neuchâtelois steht, durch die Uebergabe des Betriebes an
eine Gesellschaft Dritten gegenüber keine Aenderung erleiden. Es gilt dies sowohl für die Beziehungen des Kantons /um Bund, soweit sie dem öffentlichen Recht angehören, als auch für alle privatrechtlichen Schuldverhältnisse, welche aus gesetzlichen Bestimmungen entstehen, z. B. in Folge von Unfällen für Entschädigungen, für Guthaben anderer Bahnen aus dem direkten Verkehr u. dgl.

322 Wir beantragen, unter den Vorbehalten, welche diesen Bemerkungen entsprechen, dem eingangsgenannten Betriebsvertrag die Genehmigung zu ertheilen.

Gleichzeitig benutzen wir diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 24. November 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

den zwischen der Regierung des Kantons Neuenburg und der Société d'exploitation du chemin de fer du Jura Neuchâtelois abgeschlossenen Vertrag betreffend den Betrieb der Eisenbahn im Neuenburger Jura.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Zuschrift des Staatsraths des Kantons Neuenburg, vom 6. November 1885, 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 24. November 1885,, beschließt: 1. Die durch den Vertrag vom 16. Oktober dieses Jahres zwischen dem Kanton Neuenburg, als Konzessionär des Jura Neuchâtelois und der ,,Société d'exploitation du chemin de fer Jura Neuchâtelois" erfolgte Uebertragung des Betriebes der genannten Linie wird unter dem Vorbehalt aller dem Kanton Neuenburg gesetzlich und konzessionsgemäß obliegenden Verpflichtungen genehmigt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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28.11.1885

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