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Schweizerisches Bundesblatt.

58. Jahrgang. V.

Nr. 49.

5. Dezember 1906.

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Druck und Expedition der Buchdriickerei Stämpflt & de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Beschwerde der Direktion der Gotthardbahn in Sachen der Erstellung des zweiten Geleises auf der Linie Giubiasco-Chiasso und einer Ausweiche auf der Strecke Luzern-Meggen.

(Vom 1. Dezember 1906.)

Tit.

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend über die Beschwerde der Direktion der Gotthardbahn vom 12. Oktober 1906 betreffend Erstellung des zweiten Geleises auf der Linie Giubiasco-Chiasso und einer Ausweiche auf der Strecke Luzern-Meggen Bericht zu erstatten.

Infolge von Verhandlungen über Zugsverspätungen auf der Monte Cenere-Linie und die Gestaltung des Sommerfahrplans "pro 1905, sowie von direkten Erhebungen über den Zugsverkehr auf den Stationen der Gotthardbahn richtete das Eisenbahndepartement unterm 1. Februar 1905 an die Direktion dieser Bahn das eingangs der Beschwerde erwähnte und als Beilage 1 zu derselben abgedruckte Schreiben. Das Departement wollte nicht unterlassen, die Bahnverwaltung auf die schon damals herrschenden Unregelmässigkeiten in der Durchführung des Fahrplans und die geeigneten Mittel zur Abhülfe aufmerksam zu machen, wobei es allerdings bereits die Absicht hatte, nach Eingang des Berichts der GotthardBundeablatt. 68. Jahrg. Bd. V.

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bahn die Sache weiter zu verfolgen, sofern die im Laufe des Jahres zu machenden Beobachtungen bestimmte Forderungen gegenüber der Bahnverwaltung rechtfertigen sollten.

Im Laufe des Jahres hat dann auf der Gotthardbahn gemäss den monatlichen Nachweisen der Verwaltung die Zahl der durch Kreuzungen in den Stationen entstandenen Zugsverspätungen gegenüber dem Vorjahre eine Zunahme erfahren, welche zu weitern Massnahmen mahnte. Wie aber die Erfahrung längst gezeigt hatte, geben die monatlichen Verspätungsnachweise der Bahnverwaltungen kein auch nur annähernd genaues Bild der Durchführung des Fahrplans, weil in diesen Nachweisen gemäss bestehender Vorschrift in der Regel nur die Schnell- und Personenzüge, welche mit mindestens 10 Minuten, und die Güterzüge mit Personenbeförderung, welche mit mindestens 15 Minuten Verspätung verkehren, aufgeführt sind. Um ein richtiges Bild über die Durchführung des Fahrplans zu erhalten und um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, hat das Departement im Januar 1906 in einer Anzahl Statio neu der Gotthardbahn direkte Erhebungen über den Verkehr der Züge mit Personenbeförderung im Sommer 1905 angeordnet. Das Ergebnis dieser Erhebungen führte dazu, dass das Departement unterm 27. Januar mit der von der Gotthardbahn inzwischen anerbotenen Einlage von zwei Ausweichungen sich nicht befriedigt erklärte (Beilage 3 zum Rekurs) und gleichzeitig dem Bundesrate einen Antrag auf Ausbau der durchgehenden Hauptliuie der Gotthardbahn auf die Doppelspur einbrachte.

Dass der Antrag des Departements vom Januar 1906 und der Bundesratsbeschluss vom 2. Februar 1906 weiter gingen als die Anregung des Departements vom 1. Februar 1905 gegenüber der Gotthardbahn, findet in den inzwischen gemachten Erfahrungen seine Erklärung. Auf der Monte Ceoere-Linie sind durch Kreuzungen in den Stationen während der fünf Sommermonate verspätet worden : a. Gemäss den Nachweisungen der Bahnverwaltung : 1904 = 29 Züge um zusammen 536 Minuten, 1905 = 179 ,, ,, ,, 2569 ,, b. Gemäss direkten Erhebungen in den Stationen: 1904 = 1082 Züge um zusammen 5687 Minuten, 1905=1357 ,, ,, ,, 9173 ,, Dabei ist zu bemerken, dass pro 1905 in zwei Stationen nur unvollständige Angaben erhältlich waren, wodurch das Verhältnis für die Bahngesellschaft sich günstiger gestaltet, als es in Wirklichkeit war. Hätten die Erhebungen sich auf einen längern Zeit-

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räum erstreckt, so wäre das Ergebnis zufolge der eingetretenen Verkehrssteigerung für die Gotthardbahn ohne Zweifel noch ungünstiger ausgefallen.

Auf den Teilstrecken Luzern-Immensee und Brunnen-Flüelen machte sich der Mangel der Doppelspur ebenfalls fühlbar; es begegnet aber auf diesen beiden Strecken die Legung des zweiten Geleises besondern Schwierigkeiten. Wir haben uns daher damit begnügt, mit Beschluss vom 2. Februar diesea Jahres für einmal nur die Legung des zweiten Geleises auf der Linie GiubiascoChiasso und die Einlage einer Ausweiche auf der über 10 Kilometer langen Teilstrecke Luzern-Meggen zu fordern.

Die im Wiedererwägungsgesuche der Bahn Verwaltung vom 5. April dieses Jahres (Beilage 5 zum Rekurs) gemachten Vorhalte haben uns nicht davon überzeugen können, dass unsere Forderung vom 2. Februar zu weit gehe; sie haben uns vielmehr in der Ansicht bestärkt, dass unsere Auflage eine durchaus berechtigte war, weshalb wir unterm 10. August das Wiedererwägungsgesuch ablehnend beschieden haben.

Wenn die Erwägungen, auf welche der Bundesratsbeschluss vom 10. August sich stutzt, wie die Rekurrentin auf Seite 5 ausführt, nicht gleicher Natur sind, sondern auf die Bedürfnisfrage und R e c h t s f r a g e n sich beziehen, so ist darauf hinzuweisen, dass eben die Gotthardbahn selbst in ihrem Wiedererwägungsgesuche die Rechtsfrage aufgegriffen hat. Der Bundesrat konnte in seinem Abweisungsbeschlusse die bezüglichen Vorhalte der Gotthardbahn nicht mit Stillschweigen übergehen.

Mit bezug auf die im Abschnitt I des Rekurses behandelte Bedürfnisfrage ist vorerst zu bemerken, dass die von der Gotthardbahn angeführten und den Geschäftsberichten des Eisenbahndepartements entnommenen prozentualen Verhältnisse der Zugsverspätungen für die vorwürfige Frage keinenfalls ausschlaggebend sein können, und dass es nicht angängig ist, aus der Jahrestabelle der Gotthardbahn ein günstiges Resultat für die Monte CenereLinie herauszukonstruieren. Wie wir bereits gezeigt haben, waren die Verhältnisse auf der Monte Cenere-Linie im Sommer 1905 erheblich ungünstiger als im gleichen Zeiträume des Jahres 1904 und dieses obschon der Prozentsatz der eigenen Zugsverspätungen auf dem Gesamtnetze der Gotthardbahn gemäss Geschäftsbericht wirklich zurückgegangen ist. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich dadurch, dass die
in den Geschäftsberichten angegebenen Prozentsätze sich nur auf die auf den betreffenden Bahnen selbst aus innern Ursachen entstandenen Zugsverspätungen beziehen.

Wenn beispielsweise der Schnellzug 128 Chiasso-Luzern vom ita-

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Herrischen Anschlusszuge eine Verspätung von 30 Minuten übernimmt und diese Verspätung in der Kreuzungsstation Taverne sich auf den Gegenzug 109 überträgt, so fallen diese Verspätungen der Züge 128 und 109 bei Berechnung des Prozentsatzes der eigenen Zugsverspätungen ganz ausser Betracht. Hieraus darf aber nicht gefolgert werden, dass die Bahnverwaltungen die ursprunglich von einer ändern Bahn ausgegangenen Verspätungen, welche den eigenen Fahrplan störend beeinflussen, als etwas selbstverständliches hinnehmen und vorbeugende Massnahmen versäumen dürfen.

Übrigens entstehen auch auf der Gotthardbahn selbst aus innern Ursachen Zugsverspätuugen, und wenn in den beiden letzten Jähren der Prozentsatz der eigenen Verspätungen auf dem Gesamtnetze der Gottbardbahn zurückgegangen ist, so steht diese erfreuliche Erscheinung zum guten Teil mit der auf 1. Mai 1904 eröffneten Doppelspur auf der Strecke Immensee-Brunnen im Zusammenhange.

Richtig ist die Behauptung der Gotthardbahn, dass viele Verspätungen von den italienischen Bahnen übernommen werden, aber auch an den nördlichen Endpunkten der Bahn sind häufig Verspätungen von den Anstössern zu übernehmen. Der Behauptung der Rekurrentin, dass im Jahre 1905 auf der Gotthardbahn nur sieben der von Italien übernommenen Verspätungen nicht hätten eingeholt werden können, halten wir die Angaben der monatlichen Verspätungsnachweise der Verwaltung selbst entgegen, wonach weit über 100 dieser Züge mit Verspätungen von mehr als 10 Minuten und daneben eine ganze Reihe von Zügen mit kleinen Verspätungen am Bestimmungsorte eintrafen, von den durch Kreuzungen verursachten Verspätungen gar nicht zu reden. Die Ansicht der Rekurrentin, dass in der Hauptsache nur die eigenen, nicht aber die von den italienischen Bahnen übernommenen Zugsverspätungen für die Frage, ob auf der Linie Giubiasco-Chiasso ein zweites Geleise notwendig sei, nicht entscheidend sein könne, ist nicht zutreffend, wenn durch diese Verspätungen die Fahrordnung der übrigen Züge gestört wird; die Bahnverwaltung ist gemäss Art. 34 des Eisenbahngesetzes verpflichtet, für genaue Einhaltung der festgesetzten Fahrordnung zu sorgen, und es ist diese Gesetzesbestimmung nicht etwa so zu verstehen, dass die Züge nur am Endpunkte der Linie oder der Bahn selbst fahrplan massig einzutreffen haben. Wir wollen gerne annehmen,
dass die Beschaffung leistungsfähigerer Lokomotiven durch die italienischen Staatsbahnen der Einhaltung des Fahrplans förderlich sein werden, wie aber die Erfahrung anderseits gezeigt hat, werden in der Zeit des stärkern Verkehrs Verspätungen auch hier nicht zu vermeiden sein.

Gegenüber der Behauptung, dass die Aufnahmefähigkeit der einspurigen Monte Cenere-Linie noch keineswegs erschöpft, jeden-

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falls nicht überschritten sei, ist hervorzuheben, dass es unverzeihlich wäre, wenn die Aufsichtsbehörde erst bei Erschöpfung der Aufnahmefähigkeit einer einspurigen Linie die Doppelspur verlangen würde ; denn beim Eintreten dieses Zustandes ist eine auch nur halbwegs ordnungsmässige Durchführung des Fahrplans gar nicht mehr denkbar. Die Gotthardbahn selbst hat unterm 25. Juli 1906 auf ein Begehren der Regierung von Zürich um Einlage eines neuen Zuges ihre Ablehnung unter anderm damit begründet, dass die Bahn bei Tag und bei Nacht mit fahrplanmässigen Zügen stark belegt sei, so dass es immer schwieriger werde, J'ür Extraauge, sei es im Personen-, sei es im Güterverkehr, Durchgang zu finden, und doch sei das Bedürfnis zur Einlage solcher Züge auf der Gotthardbahn, sei es für Pilgerzüge, Extrazüge von Reisegesellschaften, von fürstlichen Personen, sei es bei ausserordentlichem Güterandrang, ein immer wachsendes. Ein jeder neuer fahrplanmässiger Zug beschränke diese Möglichkeit und sei deshalb zu vermeiden, wenn für denselben nicht ein ausgesprochenes Bedürfnis vorliege.

Dass die Doppelspar auf der Monte Cenere-Linie nicht nur erwünscht, sondern wirklich ein Bedürfnis ist, kann von keinem Fachmanne, der mit den Verhältnissen auf dieser Linie nur einigermassen vertraut ist, ernstlich bezweifelt werden ; wenn die Rekurrentin eine gegenteilige Stellung einnimmt, so erklärt sich dieses durch Gründe finanzieller Natur.

Das Bedürfnis der Doppelspur ist nicht nur von der Zahl, sondern auch von der Qualität der Züge und namentlich von der Bedeutung der betreffenden Linie abhängig. Auf grossen internationalen Linien, auf welchen wichtige Schnell- und Expresszüge verkehren, wird die Legung des zweiten Geleises bei gleicher Zugszahl sich schneller aufdrängen als auf einer internen Linie, auf welcher nur Personen- und Güterzüge deu Verkehr vermitteln.

Die internationalen Schnell- und Expresszüge durchlaufen in der Regel sehr lange Strecken, auf denen sie an eine Reihe von Anschlüssen gebunden sind, und es sind deren Fahr- und Aufenthaltszeiten fast durchweg gespannte, demzufolge sie häufig mit kleinern oder grössern Verspätungen verkehren. Gelangt nun ein solcher verspäteter Zug auf eine einspurige Linie, so wird er nicht selten durch Kreuzungen noch mehr verspätet, oder er wird den Kurs anderer Züge stören,
was auf einer grossen internationalen Linie, als welche die Gotthavdbahn gemäss Staatsvertrag betrieben werden muss, nicht vorkommen sollte. Sodann ist daran zu erinnern, dass auf einspurigen Linien der Kreuzungen wegen nicht so schnell wie auf doppelspurigen gefahren werden kann, und

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dass die vielen Kreuzungen auf einspurigen Linien unverkennbar gewisse Gefahren in sich schliessen und dieses namentlich auf den Linien, auf denen wegen Zugsverspätungen die Kreuzungen häufig verlegt werden müssen.

Es darf mit der Legung zweiter Geleise nicht zugewartet werden bis die Einhaltung des Fahrplans verunmöglicht und der Betrieb direkt gefährdet ist. Dass auf einspurigen Linien mit dichtem Zugsverkehr ein gehöriger Bahnunterhalt wegen kurzen lutervallen zwischen den Zügen sehr erschwert ist, muss ohne weiteres einleuchten.

Es kommt oft vor, ' dass bei Ausführung von Supplementzügen zu S c h n e l l z ü g e n andere Züge auf gewissen Strecken verlegt werden müssen, um den Supplementszügen das Durchkommen zu ermöglichen. Ein solcher Supplementschnellzug musate kürzlich während einiger Zeit auf der Strecke Bellinzona-Lugano täglich mit einem Personenzuge zusammengekuppelt werden.

In den europäischen Staaten mit stark entwickeltem Eisenbahnverkehr sind die meisten wichtigern iaternationalen Linien doppelspurig angelegt, und zwar namentlich auch die Linie ChiassoMailand, welche die Fortsetzung der Monte Cenere-Linie bildet.

Auf den im Wiedererwägungsgesuche der Gotthardbahn genannten internationalen Linien, welche nur teilweise doppelspurig angelegt sind, verkehren unseres Wissens weniger regelmässige Züge als auf der Monte Cenere-Linie. Zu einer grossen internationalen Linie gehört unstreitig die Doppelspur, aber ganz abgesehen hiervon, zeigt ein Rückblick auf die Entstehung der doppelspurigen Linien unseres Landes und die Vergleichung dieser Linien mit der Monte Cenere-Linie, dass die Forderung gegenüber der Gotthardbahn eine durchaus berechtigte ist.

Auf den altern Hauptlinien bestand die Doppelspur schon zu einer Zeit als dieselben noch mit einer ganz geringen Zahl von Zügen belegt waren. So verkehrten im Jahre 1880 auf den damals schon doppelspurigen Linien Genf-Lausanne nur 20, BaselOlten 20, Olten-Aarau 18 und Brugg-Winterthur 24 regelmässige Züge. Ferner fuhren, als die doppelspurige Anlage beschlossen wurde, auf der Linie Lausanne-Villeneuve 24, Fratte! n-Stein 22 und Zollikofen-Herzogenbuchsee 24 regelmässige Züge. Die Bundesbahnen haben die Legung des zweiten Geleises Aarburg-Fluhmühle beschlossen, als auf der Strecke Aarburg-Zofingen 29 und auf der Strecke Zofingen-Emmenbrücke
26 regelmässige Züge, ·worunter 8 Schnellzüge verkehrten.

Der Bundesrat hat unterm 1. Mai 1900 für die Linien Palézieux-Bern, Basel-Delsberg, Stein-Brugg, Winterthur-Romanshorn

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und Immensee-Brunnen die Doppelspur verlangt bei einer Zugszahl von 20, worunter 8 Schnellzüge Palézieux-Freiburg, 24 ,, 8 ,, Freiburg-Bern, 44 ,, 10 ,, Basel -Delsberg, 36 ,, 14 ,, Stein-Brugg, 24 ,, 4 ,, Winterthur-Frauenfeld, 22 ,, 4 ,, Frauenfeld-Romanshorn, 46 ,, 10 ,, Immensee-Goldau, 35 ,, 10 ,, Goldau-Brunnen.

Die Rekurrentin wird nicht behaupten können, dass auf einer dieser Linien die Betriebsverhältnisse ebenso schwierige wie auf der Monte Cenere-Linie seien, oder dass im Jahre 1900 die eine oder die andere derselben für den Verkehr eine grössere Bedeutung gehabt habe als gegenwärtig die Monte Cenere-Linie mit 35 regelmässigen Zügen, worunter 13 Schnellzüge, nebst einer grossen Zahl von Bedarfszügen.

Bei der Gotthardbahn scheinen vor Jahren über die Notwendigkeit der Doppelspur andere Ansichten als heute geherrscht zu haben, wenigstens hat der Verwaltungsrat dieser Gesellschaft schon unterm 26. Mai 1894 auf Anregung des Eiseubahndepartements beschlossen, der Aktionärversammlung die Legung des zweiten Geleises auf den Talstrecken Flüelen-Erstfeld und BiascaBellinzona vorzuschlagen, obschon damals nur 26 regelmässige Züge verkehrten.

Wie bereits bemerkt, ist die Legung des zweiten Geleises Aarburg-Fluhmühle bereits beschlossen. Überdies werden sämtliche wichtigern Linien der Bundesbahnen entsprechend dem Bedürfnisse sukzessive auf die Doppelspur auszubauen sein ; es ist daher einleuchtend, dass, wenn auf einen möglichst regelmässigen und sichern Betrieb Wert gelegt wird, die durchgehende Hauptlinie der Gotthardbahn und speziell die Strecke Giubiasco-Chiasso, auf der die schwierigen Betriebsverhältnisse und die zahlreichen Zugsverspätungen das Bedürfnis seit längerer Zeit dargetan haben, nicht zurückbleiben darf.

In der Eingabe der Gotthardbahn vom 5. April d. J. -ist ausgeführt, dass der Verkehr der Gotthardbahn zufolge Eröffnung des Simplons erheblich zurückgehen werde; es ist aber diese Befürchtung nicht eingetroffen. Wenn aber auch jetzt noch eine gewisse Verkehrsablenkung zu erwarten steht, so wird dieselbe keinenfalls die Zahl der regelmässigen Züge auf der Monte CenereLinie herabmindern; es steht im Gegenteil bereits eine Vermehrung um zwei Schnellzuge und zwei Luxuszüge in Aussicht.

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Am Schlüsse von Abschnitt I ist von der Rekurrentin auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass wegen eines östlichen Alpenübergangs das Tracé der Gotthardlinie beim Monte Cenere zu verlegen sein werde, indem man ein Tracé mit günstigeren Steigungsverhältnissen wählen würde. Allein, für diese Eventualität zu sorgen, sei nicht Sache der Gotthardbahn, sondern derjenigen, die nach 2*/a Jahren und später Eigentümer der Bahn sein werden, es wäre aber ein übereilter und die Freiheit der künftigen Gestaltung der Dinge hindernder Schrittt, wenn man jetzt noch grosse Ausgaben für das Berg-Tracé der Monte Cenerelinie anordnen würde, wo doch vorauszusehen sei, dass früher oder später zur Erstellung des Tal-Tracés geschritten werden müsse, gleichviel schliesslich, wo man den dritten Alpendurchstich baue, die Konkurrenz des Gottharddurchstichs mit den ändern, auch auswärtigen Durchstichen werde dazu führen. Hierauf ist zu erwidern, dass die verschiedenen Projekte eines weiteren Alpendurchstiches in zu weiter Ferne liegen, als dass sie bei Behandlung des vorliegenden Geschäftes berücksichtigt werden könnten. Wir haben es heute mit einem aktuellen Bedürfnisse zu tun, dessen Befriedigung nicht mit der Begründung verschoben werden darf, dass vielleicht nach Jahren eine Änderung sich als wünschbar erzeigen könnte. Einstweilen liegen andere Aufgaben viel näher als die Verlegung der Monte Cenere-Linie mit einem Aufwande von ungefähr 30 Millionen. Mit einem solchen Aufwande Hessen sich wohl auch noch andere und notwendigere Verbesserungen im Interesse der schweizerischen Bahnen durchführen.

Im Abschnitt II des Rekurses ist ausgeführt, dass die Forderung des Bundesrats nicht berechtigt sei, weil die Konzession der Gotthardbahn vom 1. Mai 1909 erlösche und bis dahin mit dem Bau der verlangten Anlagen kaum begonnen werden könnte.

Hier ist vorerst hervorzuheben, dass von der Rekurrentin die Aussagen des technischen Direktors anlässlich der Besprechung vom 12. März ungenau wiedergegeben sind, es wurde lediglich zugegeben, dass bis zum Baubeginn 2 bis 3 Jahre schon hingehen können.

Sodann ist zu bemerken, dass nicht genau vorauszubestimmen ist, welche Zeit die Ausarbeitung und die Genehmigung der Baupläne, sowie die Bauausführung der ganzen Linie Giubiasco-Chiasso erfordern werden. Dagegen darf wohl angenommen werden,
dass wenigstens auf der Teilstrecke Lugano-Chiasso, auf welcher der Unterbau für das zweite Geleise zum Teil bereits vorhanden ist, ·mit gutem Willen bis zum Übergang der Bahn an den Bund der Ausbau der Vollendung entgegengeführt werden kann.

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Die Aufsichtsbehörde hat indessen keine Rucksicht darauf zu nehmen, ob der Ausbau noch durch die Gotthardbahn oder erst durch ihre Nachfolgerin vollendet werden kann, nachdem sie die Notwendigkeit der Doppelspur erkannt hat; sie muss vielmehr darauf dringen, dass die Bahngesellschaft die als notwendig erkannte Erweiterung in Angriff nehme und, soweit tunlich, zu fördern trachte. Es könnte ja unter Umständen zu geradezu bedenklichen Zuständen führen, wenn man den Zeitabschnitt zwischen Ankündigung des Rückkaufs und dem Übergang einer Bahn an den Bund unbenutzt verstreichen lassen müsste. Gemäss Art. 31 des Eisenbahngesetzes hat der Bundesrat dafür zu sorgen, dass die Bahnen jederzeit in einem die nötige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten werden; der Bundesrat hat somit ganz im Rahmen seiner Kompetenzen gehandelt. Es ist daran zu erinnern, dass der Bundesrat unterm 1. Mai 1900 den Ausbau einzelner Linien der Jura-Simplon-Bahn, der Gentralbahn und der Nordostbahn auf die Doppelspur verlangt hat, obschon den betreifenden Verwaltungen der Rückkauf damals bereits angekündigt war. Von keiner der betreffenden Verwaltungen wurde damals der Einwand erhoben, dass die Verfügung des Bundesrats wegen vorausgegangener Ankündigung des Rückkaufs nicht berechtigt sei.

Der Umstand, dass auf einzelnen Linien der eben genannten Gesellschaften der Bau sich verzögerte, berechtigt nicht zu der Annahme, dass die Gotthardbahn nun die ihr auferlegte Bauverpflichtung bei Auslauf der Konzession von sich abwälzen dürfe, nachdem das Bedürfnis der Doppelspur nachgewiesen ist.

Die in diesem Abschnitte berührte Frage des Rückkaufspreises glauben wir, weil nicht hierher gehörend, nicht besonders erörtern zu sollen. Indessen sei erwähnt, dass allerdings in der Konferenz vom 12. März 1906 auf die Vorhalte der Delegation der Gotthardbahn vom Vertreter des Bundesrats die Erklärung abgegeben wurde, dass der Bundesrat in keinem Falle anerkenne, dass er bei Verfügung der Doppelspur für die Kosten haftbar werde.

Ob die gemachten Ausgaben zu vergüten seien, weil der Bau am Ende der Lebensdauer der Gotthardbahn ausgeführt werde, sei eventuell gerichtlich festzulegen, aber erst dann, wenn über den Rückkauf verhandelt werde.

Dass wir es ablehnten, die am Schlüsse der Eingabe vom 5. April 1906 unter Ziffer 2 gewünschte
Erklärung abzugeben, bedarf wohl keiner nähern Begründung angesichts des Umstandes, dass die Gotthardbahn die Berechtigung des Bundesratsbeachlusses bestritt, und dass jene Erklärung anscheinend lediglich dazu dienen

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sollte, die Stellung der Bahnverwaltung gegenüber dem Bundesrate zu kräftigen. Es ist hier nicht der Ort, auf die weitern bezüglichen Erörterungen der Rekurrentin einzutreten.

Im Abschnitt III versucht die Rekurrentin nachzuweisen, dass der Art. 14 des Eisenbahngesetzes vom Jahre 1872 bezüglich der zweiten Spur für die Linie Giubiasco-Chiasso nicht anwendbar sei. Sie macht eingangs geltend, dass sie schon in der Eingabe vom 5. April darauf hingewiesen habe, dass durch die Staatsverträge und die darauf basierenden Bundesratsbeschlüsse ausdrücklich zugesichert worden sei, dass die heute in Frage stehenden Strecken e i n s p u r i g b e t r i e b e n werden dürfen. Sodann wird zunächst die Richtigkeit der im Bundesratsbeschlüsse vom 10. August eingeflochtenen Bemerkung, ,,dass die Gotthardbahn an den Staatsverträgen gar nicht Mitkontrahentin seia, angefochten. Um hierüber jeden Zweifel zu beheben, verweisen wir auf Seite lg der bundesrätlichen Botschaft vom 30. Juni 1870 an die Bundesversammlung betreffend den Staatsvertrag vom 15. Oktober 1869, wo ausgeführt ist, dass die fremden Staaten nicht mit der Gotthardbahn selbst, sondern nur mit der ,,Schweiz" einen Vertrag abschliesseu konnten.

Was die Anwendbarkeit des Art. 14 auf die Gotthardbahn anbetrifft, so ist vorerst hervorzuheben, dass dieselbe von der Bahnverwaltung in den Jahren 1894 und 1900, als es sich um die Legung des zweiten Geleises auf den Strecken BellinzonaBiasca, Flüelen-Erstfeld sowie Immensee-Brunnen handelte, nicht bestritten worden ist, woraus geschlossen werden darf, dass die Bahnverwaltung selbst zu jener Zeit unsere Ansicht teilte, dass der erwähnte Gesetzesartikel auf die Gotthardbahn wie auf andere Bahnen anwendbar sei. Es ist dieses ja auch ganz begreiflich, indem weder in den Staatsverträgen noch in den Bundesratsbeschlüssen gegenteilige Bestimmungen zu finden sind.

In den Verträgen und in den Bundesratsbeschlüssen ist mit bezug auf den ,, B a u " der Gotthardbahn gesagt, dass die heute in Betracht kommenden Linien einspurig ,,gebaut werden dürfen".

Nachdem nun die Gotthardbahn längst gebaut ist und in neuerer Zeit der steigende Verkehr eine Erweiterung der bestehenden Anlagen notwendig macht, kann doch kein Zweifel darüber aufkommen, dass das schweizerische Eisenbahngesetz anwendbar ist.

Auf Seite 34 und 35 der zitierten
Botschaft vom 30. Juni 1870 ist gesagt, dass die besondern Rechte, welche den mitkontrahierenden Staaten bezüglich der Bauausführung vorbehalten seien, mit der Vollendung des Baues erlöschen, womit doch wohl fest' gestellt werden wollte, dass nach der Bauvollendung das allge-

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meine schweizerische Recht wieder voll und ganz Geltung haben solle, falls dieses durch die Staatsverträge überhaupt eine Beschränkung erfahren hätte.

Beim Abschluss des Vertrages lag es kaum in der Absicht eines der Kontrahenten, zu statuieren, dass die in Frage stehenden Linien für die ganze Dauer der Konzession nur einspurig gebaut werden dürfen, ansonst dieser Gedanke in den Verträgen jedenfalls ganz bestimmt zum Ausdruck gelangt wäre. Damit hätten sich überhaupt die Mitkontrahenten mit den Vertragsbestimmungen betreffend den ,,Betrieb" der Bahn, auf welche wir noch zurückkommen werden, in direkten Widerspruch gesetzt und eine dem steigenden Verkehr entsprechende weitere Ausbildung der Betriebseinrichtungen gehemmt.

Nach der Natur der Sache war überhaupt keiner der Kontrahenten in der Lage, zu beurteilen, für wie lange die Einspurigkeit einzelner Linien dem Verkehr genügen konnte.

Es sei hier auch auf Seite 55 der mehrerwähnten Botschaft verwiesen, wo gesagt ist, dass der Staatsvertrag der Schweiz Grosses leiste, o h n e sie in i h r e n b u n d e s r e c h t l i c h e n Prinzipien betreffend den Bau und Betrieb von Eisenbahnen zu gefährden.

Durch die Vertragsbestimmungen über den ,,Bau* wollte offenbar lediglich festgelegt werden, was von der zu konstituierenden Gesellschaft als erste Anlage gefordert werden durfte.

Falls hierüber Zweifel aufkommen sollten, so werden dieselben sofort verschwinden, wenn man sich den Fall vergegenwärtigt, dass der Verkehr während der Dauer der Konzession ein so dichter geworden wäre, dass der Fahrplan nicht mehr ordnungsmässig und sicher hätte durchgeführt werden können.

Ein untrüglicher Beweis dafür, dass auch die Bahnverwaltung ursprünglich unsere Ansicht teilte und die spätere Legung des zweiten Geleises speziell auf der sogenannten Monte CenereLinie ins Auge fasste, ist in dem Umstände zu erblicken, dass auf der Strecke Chiasso-Lugano gleich von Anfang an der Unterbau grossenteils doppelspurig angelegt wurde.

Während in der Eingabe vom 5. April und im Rekurs vom 12. Oktober auf die Bestimmungen betreffend den Bau der Gotthardbahn grosses Gewicht gelegt ist und diesbezüglich von Rechtsverletzung die Rede ist, sind die Bestimmungen über den ,,Betrieb" der Bahn kaum oberflächlich gestreift oder willkürlich ausgelegt, indem die Rekurrentin ausführt, dass die heute in Rede stehenden Strecken während der Konzessionsdauer einspurig betrieben werden

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dürfen. Wir suchen aber in den Verträgen und in den Bundesratsbeschlüssen vergeblich nach einer Bestimmung, welche eine solche Auslegung gestatten könnte.

Dagegen ist im Bundesratsbeschlusse vom 4. Juli 1879, Art. 5, unter anderem statuiert, dass die Gotthardbahn nach der B u n d e s g e s e t z g e b u n g ü b e r B a u u n d B e t r i e b d e r Eisenb a h n e n in d e r S c h w e i z zu bauen und zu betreiben sei, von einer Nichtanwendbarkeit von Art. 14 des Eisenbahngesetzes kann somit nicht die Rede sein, dass im gleichen Art. 5 v o n den von der G o t t h a r d b a h n a u s z u f ü h r e n d e n Bauten gesprochen ist, kann an dieser Tatsache nichts ändern. Wenn der Betrieb dem Gesetze unterstellt ist, so muss es auch der Bau sein, denn die mit dem steigenden Verkehr wachsenden Bedürfnisse machen viele Erweiterungen nötig, und wenn man den Bedürfnissen des Betriebs gerecht werden will, so muss man auch die erforderlichen Bauten bewilligen, anders wüssten wir den Bestimmungen von Art. 6 und 7 des Staatsvertrags vom 15. Oktober 1869 nicht Nachachtung zu verschaffen. Art. 6 verlangt, dass der Betrieb gegen jede Unterbrechung gesichert werden und in allen Teilen den Anforderungen entsprechen soll, welche man an eine grosse internationale Linie zu stellen berechtigt ist, und Art. 7 verlangt eine möglichst regelmässige, bequeme und rasche Beförderung von Personen, Waren und Postgegenständen über die Gotthardbahn.

Wie die oben zitierten Bestimmungen zur Zeit des Vertragsabschlusses aufgefasst wurden, darüber belehrt uns wiederum die Botschaft vom 30. Juni 1870, in welcher auf Seite 23 mit bezug auf die dem Bunde zustehenden Rechte folgendes gesagt ist: ,,Differenzen mit den Kantonen, auf deren Gebiet sich die ,,Gotthardbahn befindet, und die für dieselbe Konzession erteilt ,,haben, können für den Bund in bezug auf das erwähnte Recht ,,und dessen Anwendung um so weniger entstehen, als alle diese ,,Kantone dasselbe anerkannt, ja ausdrücklich als Bedingung ihrer ,,Subventionen (vide Ziffer 6 der Verpflichtungsscheine) die Be,,stimmung aufgenommen haben: ,,Der Betrieb der Gotthardbahn ,,,,soll in allen Teilen den Erfordernissen einer grossen interna,,,,tionalen Linie entsprechen, und er wird zu diesem Zwecke der ,,,,Kontrolle des Bundes unterstellt.tt Es ist damit jedes Bedenken, ,,das aus der Souveränetät
der einzelnen Kantone, auf deren Ge,,biete sich die Linien befinden, hergeleitet werden wollte, in for,,mellster Weise beseitigt.

,,Wir können nicht unterlassen, hier auf den grossen Gewinn ,,aufmerksam zu machen, den man sich aus der in Frage stehenden ,,Stellung des Bundes zur Gotthardbahn für das ganze schwei-

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Wir zitieren ferner nachfolgende Stelle auf Seite 36 der nämlichen Botschaft: ,,Nicht nur haben diese Kantone selbst, in ihren Vernehm,,lassungen über die eingangs erwähnten, ihnen mitgeteilten Noten ,,von Norddeutschland, Italien und Baden, die Bundesbehörde er,,sucht, den Wünschen jener Staaten zu entsprechen, um die ,,Angelegenheit von sich aus an die Hand zu nehmen; nicht nur ,,haben die Vertreter dieser Kantone in dem Ständerat bei Bera,,tung ihrer Konzessionen der Gotthardbahn keinen Widerspruch ,,gegen das eingeschlagene Verfahren und den Inhalt des damals ,,schon zur Kenntnis gebrachten Vertrags erhoben; sondern sie ,,haben die Stellung, welche der Vertrag dem Bundesrat zur Gott,,hardbahn zuweist, positiv dadurch gutgeheissen und anerkannt, ,,dass sie in ihre Subventionsverpflichtungserklärungen als Bedingung die bestimmte Forderung niedergelegt haben, dass der Be,,trieb der Gotthardbahn in allen Teilen den Erfordernissen einer ,,grossen, internationalen Linie entsprechen soll und zu diesem ,,Zwecke der Kontrolle des Bundes unterstellt werde. Dieser Satz ,,deckt alle in dem Vertrage dem
Bundesrate zugewiesenen Rechte ,,und Verpflichtungen, auch diejenigen, welche den Bau der ,,Gotthardbahn betreffen; ist es doch einleuchtend, dass Anforde,,rungen an den Betrieb gleichzeitig Anforderungen an den Bau ,,sind und dass, wenn der Bund dafür sorgen soll, dass der Be-

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,,trieb den Erfordernissen einer grossen, internationaler] Linie ent,,spreche, er in erster Linie dafür sorgen muss, dass die technische ,,Anlage der Bahn einen solchen Betrieb überhaupt möglich ,,mache.* Mit dieser Auffassung eines der Kontrahenten, des Bundesrates vom Jahre 1870 steht die heutige Haltung der Bahnverwaltung im Widerspruche. Nicht nur verneint die Verwaltung das Bedürfnis der Doppelspur und will sie somit punkto Ausstattung einzelner ihrer Linien für einen Betrieb, wie der Staatsvertrag ihn fordert, hinter der Linie Luzern-Olten, für welche die Legung des zweiten Geleises beschlossen ist, zurückbleiben; sie bestreitet dem Bundesrat mit Hinweis auf eine etwas unklare und jedenfalls längst gegenstandslos gewordene Vertragsbestimmung, das Recht, das zu fordern, wozu er gemäss Art. 6 und 7 des Staatsvertrags und Art. 14 des Eisenbahngesetzes nicht nur kompetent, sondern geradezu verpflichtet ist, nachdem die erweiterten Verkehrsbedürfnisse die Legung des zweiten Geleises als notwendig dargetan haben.

Für einen Betrieb, wie er durch den Staatsvertrag gefordert ist, muss die Doppelspur als eines der ersten Erfordernisse bezeichnet werden, wenn man die Zahl und die Qualität der auf der Gotthardbahn gegenwärtig verkehrenden Züge gebührend würdigt.

Die Direktion der Gotthardbahn hat bei verschiedenen Anlässen die von den Kantonsregierungen verlangten Zwischenhalte von Expresszügen mit der Begründung abgelehnt, dass die Bahn als grosse, internationale Linie betrieben werden müsse und sie ist dabei von der Aufsichtsbehörde auch wiederholt geschützt worden. Es ist daher befremdend, dass der gleichen Bahn heute eine untergeordnete Rolle zugedacht werden will, obschon der Verkehr in den letzten Jahren eine ungeahnte Steigerung erfahren hat.

In Zusammenfassung des vorstehend Gesagten weisen wir die Andeutungen der Rekurrentin, als wäre in den. Beschlüssen vom 2. Februar und vom 10. August 1906 eine Vertragsverletzung zu erblicken, mit Entschiedenheit zurück. Damit werden weitere Erörterungen der von der Rekurrentin aufgeworfenen Fragen betreffend Schadloshaltung überflüssig, zumal derartige Streitfragen gemäss Art. 14 des Staatsvertrags und Art. 14 des Eisenbahngesetzes eventuell durch das Bundesgericht auszutragen wären.

Die in Absatz 2 auf Seite 13 des Rekurses enthaltenen Ausführungen sind uns nicht verständlich, denn die Aufsichtsbehörde

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konnte vor Jahren ebensowenig als die Bahnverwaltung voraussehen, wie die Dichtigkeit des Zugsverkehrs und die Durchführung des Fahrplans gegen Ende der Konzessionsdauer sich gestalten würden. Die Verhältnisse sind durch das Eisenbahndepartement bereits im Jahre 1900 näher geprüft worden, das Departement unterliess aber eine Antragstellung an den Bundesrat, weil damals weniger Züge als heute verkehrten und weil der Gesellschaft kurz vorher die Legüng des zweiten Geleises Immensee-Brunnen aufgegeben worden war, von welcher eine wesentliche Besserung in der Zugführung erhofft wurde. Da zu jener Zeit auf der Linie Giubiasco-Chiasso nur 28 regelmässige Züge verkehrten, hätte die Bahnverwaltung weit eher Ursache gehabt, gegen eine Auflage der Behörde Einsprache zu erheben, als heute bei 35 regelmässigen und zahlreichen ßedarfszügen.

Wenn die Rekurrentin glaubt, den Nachweis erbracht zu haben, dass unsere Schlussnahme vom 2. Februar und vom 10. August sich nicht rechtfertigen lassen, so haben wir ihr zu erwidern, dass unsere Verfügungen sich durchaus innert der uns in den Art. 6, 7 und 11 des Staatsvertrags und Art. 14 des Eisenbahngesetzes eingeräumten Kompetenzen bewegen, und dass in der ganzen Argumentation der Rekurrentin lediglich das bewiesen ist, dass die Gesellschaft die Kosten der verlangten Erweiterungen nicht zu ihren Lasten nehmen will. Wir sind indessen der Ansicht, dass die Gotthardbahn die sämtlichen Kosten zu tragen habe.

Was endlich das Ausweichgeleise auf der Strecke LuzernMeggen anbetrifft, so ist dasselbe nötig, weil nicht selten durch Kreuzungen mit verspäteten Zügen in Luzern und Meggen neue Verspätungen entstehen und weil diese lange Strecke ohne Ausweichung, wie sie auf keiner ändern schweizerischen Linie von derselben Bedeutung zu finden ist, die freie Gestaltung des Fahrplans hemmt: Diese Ausweichung ist das mindeste, was man zurzeit auf der Strecke Luzern-Immensee verlangen darf und muss.

Was im vorstehenden mit bezug auf die Notwendigkeit der Doppelspur im allgemeinen gesagt ist, hat nicht nur für die Linie Giubiasco-Chiasso, sondern auch für die Linien Luzern-Immensee und Brunnen-Flüelen Geltung. Im Sommer 1905 verkehrten auf der Linie Luzern-Immensee bereits 32 und auf der Strecke BrunnenFlüelen 43 regelmässige Züge, worunter 12 beziehungsweise 13 Schnellzüge.

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Wir beantragen, es wolle die Bundesversammlung den Rekurs in allen Teilen abweisen.

B e r n , den I.Dezember 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsideut:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Beschwerde der Direktion der Gotthardbahn in Sachen der Erstellung des zweiten Geleises auf der Linie Giubiasco-Chiasso und einer Ausweiche auf der Strecke Luzern-Meggen. (Vom 1.

Dezemb...

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1906

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05.12.1906

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