Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 30. März 2012

2012-0840

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Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

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1 Einleitung 1.1 Konzept der strategischen Steuerung 1.2 Zweck der strategischen Steuerung

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2 Feststellungen und Empfehlungen 2.1 Allgemeine Feststellungen 2.2 Strategische Analyse 2.3 Strategische Planung 2.4 Information über die strategische Analyse und Planung 2.5 Erlass von Ausführungsbestimmungen 2.6 Rolle des Bundesrats

8904 8904 8905 8907 8909 8909 8910

3 Schlussbemerkungen

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Anhang Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat.

Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates

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Abkürzungsverzeichnis AHV ALV BSV BV EDI Eidg.

EO EL GPK GPK-S GS IV KV MV PVK UV UVEK

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Alters- und Hinterlassenenversicherung Arbeitslosenversicherung Bundesamt für Sozialversicherungen Berufliche Vorsorge Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössische Erwerbsersatzordnung Ergänzungsleistungen zu AHV und IV Geschäftsprüfungskommissionen Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Generalsekretariat Invalidenversicherung Krankenversicherung Militärversicherung Parlamentarische Verwaltungskontrolle Unfallversicherung Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehrt, Energie und Kommunikation

Bericht 1

Einleitung

Die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) beauftragten im Januar 2010 die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation über die Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat. Hintergrund dieses Auftrags war die hohe finanzielle und politische Bedeutung der Sozialversicherungen für den Bundeshaushalt wie auch die Bedeutung der anstehenden Herausforderungen. Die Subkommission EDI/UVEK der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPKS) wurde dabei mit den entsprechenden Arbeiten betraut.

Die zuständige Subkommission hat im Oktober 2010 entschieden, dass die Untersuchung hauptsächlich anhand von Fallstudien zur Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), zur Invalidenversicherung (IV), zur beruflichen Vorsorge (BV) und zur Krankenversicherung (KV) vorgenommen werden soll. Ergänzend wurde für die übrigen Sozialversicherungen1 eine Grobanalyse durchgeführt. Die Untersuchung schloss an die Ergebnisse von früheren Inspektionen der GPK und der PVK an, welche sich mit der strategischen Steuerung des Bundesrates befasst hatten.2 Am 28. Oktober 2011 verabschiedete die PVK ihren Bericht zur Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat zuhanden der GPK-S3.

Ziel der PVK-Evaluation war die Beurteilung der strategischen politischen Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat in den letzten beiden Legislaturperioden (1. Dez. 2003 bis 31. März 2011). Gegenstand der Untersuchung waren die strategische Analyse und die strategische Planung der einzelnen Sozialversicherungen durch den Bundesrat als Teil des gesamten politischen Steuerungsprozesses.

Neben der Erarbeitung von Grundlagen zur Weiterentwicklung der Gesetzgebung wurde untersucht, wie der Bundesrat seinen Handlungsspielraum beim Erlass von strategisch relevanten Ausführungsbestimmungen in seinem Kompetenzbereich (Verordnungen, Weisungen) ausgeschöpft hat.

Seit der von der PVK untersuchten Periode wurden bezüglich der Steuerung der Sozialversicherungen diverse Arbeiten an die Hand genommen. Diese wurden von der PVK so weit als möglich als Beispiele von Weiterentwicklungen in ihre Evaluation aufgenommen.4 Der vorliegende Bericht stützt sich auf die PVK-Evaluation und 1

2 3

4

Arbeitslosenversicherung (ALV), Erwerbsersatzordnung (EO), Ergänzungsleistungen zu AHV und IV (EL), Familienzulagen, Unfallversicherung (UV) und Militärversicherung (MV).

Z.B. «Die strategische politische Steuerung des Bundesrates», Bericht der PVK zuhanden der GPK-N vom 15.10.2009.

«Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat, Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 28. Oktober 2011» (im Folgenden: «PVK-Evaluation»), Anhang 1, und Materialienband dazu, 314 Seiten.

Z.B. Vermehrte Forschungsprojekte des BSV zur AHV seit Mitte 2011, PVK-Evaluation Ziff. 3.1 Fussnote 25, Ziff. 3.2 Fussnote 34; «Strategie des Bundesrates in der Gesundheitspolitik», vom 22. Juni 2011 des GS-EDI, PVK-Evaluation Ziff 5 Fussnote 62. Informationsplattform des BSV zur AHV: www.ahv-gemeinsam.ch, Sprechnotiz des Departementsvorstehers des EDI zur Kommunikation der KV-Prämien 2012 «Les primes 2012: une hausse modérée pour mieux préparer les réformes» und Übersichtspapier «Gesundheitspolitische Prioritäten» vom 30.9.2011, alles auf www.edi.admin.ch.

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somit auf den darin berücksichtigten Zeitraum. Die GPK-S ist sich bewusst, dass sich die Sozialversicherungen in stetigem Wandel befinden und dass seit dem Abschluss der PVK-Evaluation erneut Veränderungen stattgefunden haben.5 Der GPK-S ist es im Rahmen des vorliegenden Berichtes jedoch nicht möglich, alle seither eingeleiteten Veränderungen inhaltlich zu würdigen.

Die Schlussfolgerungen, welche die GPK-S aus der Evaluation der PVK zieht, tragen dem Umstand der Veränderungen und Neuerungen Rechnung. Die GPK-S versteht denn ihre Schlussfolgerungen auch nicht als Momentaufnahme, sondern als einen langfristigen Beitrag für eine systematische und einheitliche Weiterentwicklung in allen Sozialversicherungen.

Um Wiederholungen mit der Evaluation der PVK zu vermeiden, beschränkt sich die GPK-S in diesem Bericht auf die wichtigsten Feststellungen und die Darlegung ihrer Schlussfolgerungen und Empfehlungen. Die GPK-S hat beschlossen, sowohl ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen als auch die PVK-Evaluation zu veröffentlichen.

1.1

Konzept der strategischen Steuerung

Das Konzept der strategischen Steuerung, wie es der Evaluation der PVK zugrunde liegt, beinhaltet die drei Hauptelemente der strategischen Analyse, Planung und Umsetzung:6

5 6 7 8 9

­

Strategische Analyse: Identifikation der politisch relevanten Herausforderungen und die Beurteilung der Auswirkungen geplanter oder vorgeschlagener (prospektive Analyse) sowie umgesetzter Massnahmen (retrospektive Analyse).

­

Strategische Planung (mehrere, aufeinander bezogene Entscheidungsprozesse): ­ Festlegung von strategischen Zielen anhand der Ergebnisse der strategischen Analyse. Strategische Ziele beschreiben den Zustand, der aus der Sicht des Bundesrates in einem zu planenden Bereich mittel- bis langfristig erreicht werden soll.7 ­ Definition der Strategie zur Bewältigung der Herausforderungen. Eine Strategie beschreibt die Stossrichtung und skizziert die mittel- und längerfristigen Massnahmen, mit denen die Ziele erreicht werden sollen.8 Dabei ist insbesondere zu entscheiden, ob die Massnahmen über Ausführungsbestimmungen umgesetzt werden können, die in der Kompetenz des Bundesrates liegen,9 oder ob sie Gesetzesrevisionen bedingen.

Dabei ist der Handlungsspielraum, welcher das geltende Recht dem Bundesrat lässt, zu berücksichtigen.

Z.B. der Bericht über die Zukunft der 2. Säule», seit 4.1.2012 in Anhörung.

PVK-Evaluation Ziff. 1.1 insbesondere Abbildung «Strategische politische Steuerung».

Z.B. mittel- bis langfristige Finanzierung der Sozialwerke, Flexibilisierung Rentenalter, PVK-Evaluation Ziff 1.1.

Z.B. die längerfristige Finanzierung der AHV durch Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der Lohnbeiträge, PVK-Evaluation Ziff.1.1.

Z.B. im Bereich der Tarife und Preise für Arzneimittel, Mittel und Gegenstände und Laboranalysen in der KV, PVK-Evaluation Ziff 1.1.

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­

­

Politische Planung: Die politische Planung konkretisiert die Strategie, indem sie die zu ergreifenden Massnahmen definiert und deren Umsetzung zeitlich plant. Dabei sind auch die Aufträge und Diskussionen des Parlaments einzubeziehen. Die politische Planung umfasst die Planung der politischen Geschäfte (Gesetzesrevisionen und Ausführungsbestimmungen)10 und die Vorbereitung von Gesetzesrevisionen zuhanden des Parlaments, wobei die politische Planung laufend anzupassen ist.11

Die strategische Planung wird über den Erlass von generell-abstrakten Normen konkretisiert beziehungsweise umgesetzt, wobei die Kompetenz des Bundesrates hier im Erlass von Ausführungsbestimmungen besteht.

Die Information über die Grundlagen und Entscheide der strategischen Steuerung gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen (Parlament, Kantone, Öffentlichkeit) spielt bei allen drei Elementen eine wichtige Rolle.

Die strategische Steuerung im hier erläuterten Sinne ist als ein kontinuierlicher Prozess zu verstehen. Das heisst, die drei Elemente bauen inhaltlich aufeinander auf und ergeben einen Steuerungskreislauf und sind nicht als eine lineare Kausalkette zu verstehen.

1.2

Zweck der strategischen Steuerung

Die strategische Steuerung wird durch externe Faktoren wie zum Beispiel die Wirtschaftsentwicklung und die demografische Entwicklung beeinflusst. Die eigentliche Kernaufgabe der strategischen Steuerung ist, über den Umgang mit derartigen Veränderungen zu entscheiden. Zweck der strategischen Analyse ist es, diese Umfeldentwicklungen zu beobachten und daraus den richtigen Handlungsbedarf und konkrete Massnahmen abzuleiten.

Die strategische Steuerung entspricht im Wesentlichen der Staatsleitungsfunktion des Bundesrates. Sie dient der langfristig ausgerichteten, koordinierten, ziel- und wirkungsorientierten Weiterentwicklung der Bundespolitik. Dabei sollen Bundesrat und Verwaltung aktuelle und zukünftige Herausforderungen erkennen, eine Vorstellung darüber formulieren, wie diesen Herausforderungen zu begegnen ist sowie entsprechende Massnahmen einleiten. Strategie in diesem Sinne ist also nicht als langfristige Detailplanung mit einer mechanistischen Umsetzung zu verstehen, sondern als ein kontinuierlicher Prozess, in welchem Ziele, Stossrichtungen und Massnahmen definiert werden und laufende Anpassungen aufgrund aktueller Analyse und politischer Dynamik möglich bleiben.

Die Orientierung an einem strategischen Ordnungsrahmen, welcher zwar langfristig ausgerichtet, gleichzeitig aber flexibel ist, bildet einen wichtigen Erfolgsfaktor in einem Umfeld, das von Komplexität, Ungewissheit und Dynamik geprägt ist. Eine solche strategische Steuerung ist erst recht erforderlich, wenn anspruchsvolle institutionelle und politische Rahmenbedingen vorliegen, wie dies bei den Sozialversiche-

10 11

Mit dem Ergebnis der Legislaturplanung mit Richtliniengeschäften, Legislaturfinanzplan, Jahresziele etc., PVK-Evaluation Ziff.1.1.

Z.B. hat der Bundesrat nach Scheitern der 11. AHV-Revison rasch ein angepasstes Gesetzgebungspaket geplant, PVK-Evaluation Ziff.1.1 und 3.2.

8903

rungen der Fall ist (Abhängigkeit von Entscheiden des Parlaments und des Volkes, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen usw.).12 Die GPK-S ist vom Nutzen der strategischen Steuerung überzeugt und erachtet es als wichtig, dass die dazu bestehenden Instrumente angewendet, verbessert und ergänzt werden. Die strategische Steuerung sollte nicht hauptsächlich als Bestandteil von Revisionsvorlagen vorgenommen werden, sondern es sollte umgekehrt eine Strategie am Anfang stehen, aufgrund derer dann Gesetzesvorlagen ausgearbeitet werden. Wenn die vorhandenen Planungsinstrumente (z.B. Legislaturplaung) mehr Inhalt erhalten, kann gestützt darauf eine vorausschauende Steuerung stattfinden, welche auf die Entwicklungen des Umfeldes vorbereitet ist und schnell auf Veränderungen reagieren kann. Eine übergeordnete Gesamtsicht sollte als Grundlage für die Steuerung in den einzelnen Sozialversicherungen dienen, damit sich u.a. das Parlament einfacher einen Überblick über die Entwicklungen in den Sozialversicherungen verschaffen kann.

2

Feststellungen und Empfehlungen

2.1

Allgemeine Feststellungen

Gestützt auf die Ergebnisse der PVK-Evaluation erachtet die GPK-S die strategische Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat insgesamt als positiv. Sie erkennt die Stärken der strategischen Steuerung bei den untersuchten Sozialversicherungen vor allem in folgenden Punkten:

12 13

14

15 16 17 18

­

Für die strategische Analyse lag bei allen untersuchten Versicherungen ein breites, geeignetes und kohärentes Instrumentarium vor,13 welches kontinuierlich ausgebaut und verfeinert wurde.14 Die Akteure wurden verstärkt in die Analyse mit einbezogen (das EDI kündigte an, dies v.a. bei der AHV und der KV in Zukunft noch intensiver zu tun) und die strategischen Herausforderungen15 wurden mehrheitlich rechtzeitig und angemessen erkannt.16

­

Bei der Planung und Vorbereitung von Gesetzesrevisionen reagierte der Bundesrat schnell auf neue Entwicklungen.17 Er übte aktiv einen grossen Einfluss auf die Ausrichtung, den Inhalt und die Etappierung einzelner Vorlagen aus (v.a. in der KV und der AHV) und bezog die Akteure angemessen mit ein18. Die Revisionsvorlagen waren auf die zu erreichenden Ziele ausgePVK-Evaluation Ziff. 1.1.

Z.B. Statistiken, Monitorings, Modellrechnungen, Forschung, verwaltungsinterne Analysen und Berichte, internationale Berichte und Indikatorensysteme, parlamentarische Vorstösse, Gerichtsentscheide, Rückmeldungen aus der Verwaltung usw., PVK-Evaluation Ziff. 3.1.

Z.B. statistische Grundlagen in der BV und KV; Monitoring, Kostenentwicklung, Kostenprognosenmodell und Qualitätsindikatoren in der KV; Perspektivenrechungen der AHV; Forschung in der IV und der KV, PVK-Evaluation Ziff. 3.1.

Z.B. demografische Entwicklungen für AHV und BV, finanzielle Herausforderungen bei der IV, das Kostenwachstum in der KV, PVK-Evaluation Ziff. 3.2.

PVK-Evaluation Ziff. 3 und 5.

Z.B. nach dem Scheitern der 11. AHV-Revision im Parlament (1. Oktober 2010) und auf wirtschafltiche Entwicklungen bei der BV, PVK-Evaluation Ziff. 4.1.2..

Z.B. Berücksichtigung parlamentarischer Vorstösse, von Expertenkommissionen (v.a.

BV), der Eidg. AHV/IV-Kommission, der Eidg. BVG-Kommission und diverser Akteure des Gesundheitswesens bei der KV, PVK-Evaluation Ziff. 4.1.4.

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richtet, bauten auf früheren Vorlagen auf, waren auf andere Reformvorlagen abgestimmt und wiesen die finanziellen Folgen aus.19 ­

Der Bundesrat hat eine systematische Information und Kommunikation betrieben, indem er über seine Entscheide und Ergebnisse unter anderem in Medienmitteilungen und Fachartikeln berichtete, systematisch die Grundlagen zur strategischen Analyse und zu Gesetzesvorlagen veröffentlichte20 und direkten Kontakt21 mit den wichtigen Akteuren pflegte.22 Von den Kantonen wurde dies positiv aufgenommen, wobei sich diese wünschen, noch stärker einbezogen zu werden.

Die GPK-S ist der Ansicht, dass der Bundesrat seine Führungsverantwortung in wichtigen Steuerungsaufgaben überwiegend wahrgenommen und seinen Handlungsspielraum in der Weiterentwicklung der Gesetzgebung angemessen ausgeschöpft hat. Sie würdigt die positiven Entwicklungen, welche insbesondere in den letzten Jahren stattgefunden haben, und erachtet es als wichtig, dass der Bundesrat die oben erwähnten Massnahmen weiterführt und so weit als möglich systematisiert und gezielt verstärkt.

Neben der grundsätzlich positiven Beurteilung erkennt die GPK-S gestützt auf die PVK-Evaluation jedoch auch gewisse Schwachpunkte in der strategischen Steuerung. Die folgenden Empfehlungen der GPK-S konzentrieren sich auf das dementsprechende Optimierungspotenzial.

2.2

Strategische Analyse

Die GPK-S stuft die strategische Analyse grundsätzlich als positiv ein (Ziff. 2.1). Sie sieht gestützt auf die PVK-Evaluation jedoch noch Verbesserungsmöglichkeiten in folgenden Gebieten:23 ­

19 20 21 22 23 24

25

Bei den Datengrundlagen und in der Forschung besteht bei allen Sozialversicherungen noch Verbesserungspotenzial. In der BV wurden Forschungsund Evaluationsaktivitäten eher ad hoc und punktuell durchgeführt.24 Sie sind ausserdem zu wenig systematisiert und ungenügend ausgebaut. In der AHV wurden zum Beispiel von 2004 bis 2010 nur sehr wenige Forschungsprojekte durchgeführt, wobei sich dies seit Anfang 2011 geändert hat.25 In der KV liegen, speziell für den ambulanten Bereich, keine ausreichenden Datengrundlagen vor, um die Kosten und die Qualität der Leistungen zu analysieren. Ausserdem sind die verfügbaren Datengrundlagen zu fragmen-

PVK-Evaluation Ziff. 4.1.2, 4.2.1f.und 5.

V.a. mit Statistiken, Monitorings, Analysen, Berichten und Botschaften.

Z.B. im Rahmen von parlamentarischen Beratungen, Anhörungen und Dialogen.

PVK-Evaluation Ziff. 3.2, 4.1.5 und 5.

PVK-Evaluation Ziff. 3 und 5.

Z.B. wurden die Verwaltungskosten sehr spät analysiert, und zwar erst nach der verlorenen Referendumsabstimmung zur Senkung des Umwandlungssatzes, PVK-Evaluation Ziff. 3.2.

Das BSV hat einige Forschungsprojekte geplant und teilweise schon in Auftrag gegeben, PVK-Evaluation Ziff. 3.2.

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tiert, um eine Gesamtsicht der Kostenentwicklung zu ermöglichen.26 Bei der IV bestehen insbesondere Lücken bei der systematischen Erfassung der Wirkungen im Bereich der Eingliederung.

­

Es sollten, vermehrt gezielt prospektive, also nach vorne gerichtete Wirkungsanalysen von konkret geplanten und längerfristig in Betracht gezogenen Massnahmen vorgenommen werden.27 Dass dies gewünscht ist, zeigen zum Beispiel die von den parlamentarischen Kommissionen im Zusammenhang mit Gesetzesrevisionen respektive den Botschaften des Bundesrates verlangten Zusatzberichte (v.a. zu AHV und KV), welche die Auswirkungen der geplanten Massnahmen betreffen28.

­

Die wichtigen Akteure können noch stärker und systematischer in die Erarbeitung der strategischen Analyse einbezogen werden. Dies würde den Dialog fördern und dazu dienen, einen Konsens betreffend die strategische Analyse zu erzielen, was wiederum eine breiter abgestützte Grundlage für die Erarbeitung von Gesetzesrevisionen schaffen würde. Die jeweils wichtigen Akteure werden zwar schon heute vermehrt in die Erarbeitung von Grundlagen für die strategische Analyse miteinbezogen und das EDI hat für die Zukunft dementsprechende Absichten geäussert,29 bei einzelnen Sozialversicherungen30 sieht die GPK-S jedoch nach wie vor Verbesserungsbedarf.

Die GPK-S stellt fest, dass für die verschiedenen Sozialversicherungen kein übergeordnetes, systematisches Konzept für die Durchführung der strategischen Analyse besteht.31 Sie erachtet die Weiterentwicklung der Instrumente der strategischen Analyse als elementar, da die Behörden damit die Herausforderungen und die Auswirkungen von Massnahmen genauer und umfassender analysieren können. Die GPK-S begrüsst die Schritte, welche bisher in diese Richtung unternommen wurden, auch wenn gewisse Massnahmen noch nicht zu Ende geführt sind32 und die Auswirkungen deshalb noch nicht beurteilt werden können.

26

27

28 29 30 31 32

Mit der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung wurden die Voraussetzungen wesentlich verbessert, um die wichtigsten Datenlücken in Zukunft zu schliessen (am 21.12.2007 vom Parlament mit einem vom Bundesrat abweichenden Vorschlage angenommen), PVK-Evaluation Ziff. 3.2. Die Auswirkungen können jedoch noch nicht beurteilt werden.

Z.B. wurden die möglichen Auswirkungen der neuen Spitalfinanzierung im Voraus nicht ausreichend untersucht, PVK-Evaluation Ziff. 3.2 und 4.2.2. und Fallstudie zur KV, Ziff. 3.11.

PVK-Evaluation Ziff. 3.2.

Insbesondere in der KV und bei der geplanten AHV-Reform, PVK-Evaluation Ziff. 3.1.

Insbesondere bei der KV die gesundheitspolitischen Akteure (Kantone, Versicherer, Leistungserbringer), PVK-Evaluation Ziff. 3.2.

PVK-Evaluation Ziff. 3.2.

Z.B. Forschungsprojekte, welche das BSV geplant und in Auftrag gegeben hat (siehe Fussnote 31); Absicht des EDI, die politischen Akteure noch stärker einzubeziehen (siehe Fussnoten 21 und 36), insbesondere bei der geplanten neuen AHV-Reform und allgemein bei der KV. PVK-Evaluation Ziff. 3.1.

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Empfehlung 1

Systematische strategische Analyse

Die GPK-S lädt den Bundesrat ein, die bestehenden Ansätze zur Verbesserung und Systematisierung der strategischen Analyse weiterzuführen und gezielt zu verstärken. Auf der Basis eines übergreifenden Konzepts über Instrumente, Organisation und Ressourcen der strategischen Analyse im Sozialversicherungsbereich verbessert er die Datengrundlagen, führt vermehrt prospektive Wirkungsanalysen durch und zieht die wichtigen Akteure noch stärker in die Erarbeitung der strategischen Analyse mit ein.

2.3

Strategische Planung

Die GPK-S beurteilt die strategische Planung des Bundesrates als grundsätzlich positiv. Sie begrüsst insbesondere das Strategiepapier des EDI vom 22. Juni 2011 zur Gesundheitspolitik des Bundesrates.33 Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, insbesondere zu mehr Transparenz. Zum Beispiel enthält das Papier Massnahmen auf der Ebene der Ausführungsbestimmungen und der damit verfolgten Stossrichtungen. Die GPK-S ist jedoch der Ansicht, dass für das Strategiepapier noch Verbesserungen möglich sind, denn die Ziele sind darin nicht sehr klar definiert und es fehlen weitgehend Angaben zu den Prioritäten, den konkret geplanten Massnahmen und den Fristen.

Die GPK-S sieht auf der Ebene der strategischen Planung noch folgende Verbesserungsmöglichkeiten:34 Strategische Ziele Die vom Bundesrat gesetzten strategischen Ziele waren im Untersuchungszeitraum auf die Herausforderungen abgestimmt und in sich kohärent. Sie sind aber bei allen untersuchten Sozialversicherungen grösstenteils allgemein formuliert, nicht weiter konkretisiert und es werden wenige Schwerpunkte gesetzt.35 Die strategischen Ziele sollen beschreiben, welcher Zustand in welchem Bereich angestrebt wird (siehe Ziff. 1.1) Die GPK-S erachtet es deshalb als wichtig, die strategischen Ziele konkreter als bisher zu formulieren, und die Prioritäten klarer zu setzen.

Strategien Während die kurz- und mittelfristigen Schwerpunkte grösstenteils klar sind, sind die Strategien zur längerfristigen Weiterentwicklung der Gesetzgebung zum Teil nicht geklärt (v.a. in der AHV, z.B. für die längerfristige Finanzierung). Die GPK-S ist der Ansicht, dass der Bundesrat hier seine Führungsverantwortung noch besser wahrnehmen kann.

33 34 35

«Strategie des Bundesrates in der Gesundheitpolitik» des GS EDI vom 22.6.2011, www.edi.admin.ch.

PVK-Evaluation Ziff. 4.1.1, 4.2.1 und 5.

Z.B. fehlte in der BV die Vorgabe einer klaren strategischen Richtung. In der IV fehlten Wirkungsziele wie das anzustrebende Leistungsniveau oder der bei den Begünstigten anvisierte Zustand, PVK-Evaluation Ziff. 4.2.1.

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Die strategisch relevanten Dokumente (z.B. Legislaturplanung, Richtungsentscheide und Botschaften) sollten mehr Aussagen dazu machen, welche wichtigen Ziele und Massnahmen auf der Basis der bestehenden Gesetzgebung im Rahmen von Ausführungsbestimmungen umgesetzt werden sollen.36 Der Bundesrat konzentrierte sich hauptsächlich auf die Weiterentwicklung der Gesetzgebung (welche als positiv bewertet wird, Ziff. 2.1).

Politische Planung Im Gegensatz zur Planung von Gesetzesrevisionen sind bei der Planung auf der Ebene der Ausführungsbestimmungen durch den Bundesrat gewisse Schwächen ersichtlich. Letztere wurden meist im Anschluss an Gesetzesrevisionen erlassen.37 Ansonsten verhielt sich der Bundesrat mehrheitlich passiv und reagierte vor allem auf politischen Druck des Parlaments.38 Hinweise auf eine gewisse Planung auf Ebene der Ausführungsbestimmungen finden sich vor allem in der KV und der ALV,39 wobei der Bundesrat in der KV seine Möglichkeiten noch nicht systematisch ausgeschöpft hat.

Grundsätzlich plant der Bundesrat die politischen Geschäfte über die Legislaturplanungen, in welcher die laufenden und die geplanten Gesetzesrevisionen aufgeführt sind, und davon abgeleitet über die Jahresziele des Bundesrates und der Departemente. Bei den bisherigen Legislaturplanungen sind die Ziele jedoch überwiegend allgemein formuliert, womit sie die Anforderungen an eine ziel- und wirkungsorientierte Planung nicht erfüllen. Die Legislaturplanungen enthalten ausserdem kaum Angaben zu den Ausführungsbestimmungen und dazu, welche Massnahmen prioritär umgesetzt werden sollen.40 Die GPK-S ist der Ansicht, dass dies nötig ist, wenn die Legislaturplanung die strategische Steuerung konkretisieren und planen soll was auf der anderen Seite aber nicht heisst, dass alle laufenden Projekte abschliessend und bis ins letzte Detail geplant werden sollen.

Empfehlung 2

Strategische Planung

Die GPK-S lädt den Bundesrat ein, in allen Bereichen der Sozialversicherungen längerfristige Ziele zum angestrebten Zustand und eine explizite, aktualisierte Strategie zu definieren, welche auch den finanziellen Aspekten Rechung trägt.

Dazu gehört, dass der Bundesrat die strategischen Ziele konkretisiert und priorisiert, insbesondere in der Legislaturplaung. Ausserdem soll er die Ausführungsbestimmungen in der strategischen Planung explizit berücksichtigen.

36 37

38

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40

PVK-Evaluation Ziff. 4.2.1.

Z.B. bei der IV die Umsetzung der mit der 4. und 5. IV-Revision eingeführten Instrumente und Vorgaben und in der BV die Anpassung des Mindestzinssatzes, PVK-Evaluation Ziff. 4.2.3.

Z.B. in der KV bei den Medikamentenpreisen, der Qualitätssicherung und der Transparenz der Aufsicht, in der IV zur Erarbeitung einer Gesamtstrategie für eine verstärkte Aufsicht, PVK-Evaluation Ziff. 4.1.4.

Z.B. Jahresziele des Bundesrates und des EDI mit Massnahmen auf Verordnungsebene zur Kosteneindämmung und Themen der Erhaltung der Solidarität zwischen den Versicherern und der Qualitätssicherung, PVK-Evaluation Ziff. 4.1.1 Siehe dazu auch «Die strategische politische Steuerung des Bundesrates», Bericht der PVK zuhanden der GPK-N vom 15.10.2009, und den Mitbericht der GPK vom 27.1.2011 zu 01.080 Zusatzbotschaft zur Regierungsreform, Ziff. 2, letzter Absatz.

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2.4

Information über die strategische Analyse und Planung

Die GPK-S stellt fest, dass der Bundesrat bis 2011 über keine expliziten und öffentlich zugänglichen Strategiepapiere verfügte, welche inhaltliche Ziele, Stossrichtungen und Massnahmen definierten und periodisch den Umfeldentwicklungen angepasst wurden. Auch dem Parlament wurden keine solchen Strategiepapiere zur Verfügung gestellt. Die GPK-S wünscht diesbezüglich mehr Transparenz, so dass die Strategie des Bundesrates in den Sozialversicherungen nicht aus verschiedenen Dokumenten (v.a. Botschaften zu einzelnen Gesetzesrevisionen) erschlossen werden muss.41 Die GPK-S erachtet die periodische Erstellung einer systematischen Übersicht zur strategischen Planung wie auch zu den Ergebnissen der entsprechenden strategischen Analyse als wünschenswert (z.B. im Rahmen der weiteren Entwicklung des Jahresberichts zu den Sozialversicherungen gemäss Art. 76 ATSG).

Eine Gesamtsicht, die auch die Bezüge zwischen den einzelnen Sozialversicherungen und zu anderen Politikbereichen aufzeigt, dürfte es dem Bundesrat und interessierten Kreisen erleichtern, sich ein aktuelles Bild über die strategischen Herausforderungen und die Erkenntnisse zu den Auswirkungen von beschlossenen und geplanten Massnahmen zu machen. Dabei kann der Bundesrat auf das Strategiepapier zur Gesundheitspolitik aufbauen.42 Empfehlung 3

Information über strategische Analyse und Planung

Die GPK-S lädt den Bundesrat ein, im Sinne einer Gesamtübersicht periodisch über alle Resultate der strategischen Analyse und über die entsprechende strategische Planung zu informieren.

2.5

Erlass von Ausführungsbestimmungen

Der strategische Handlungsspielraum des Bundesrates zum Erlass von Ausführungsbestimmungen ist in den diversen Sozialversicherungen unterschiedlich.43 Insbesondere in der KV sind die Kompetenzen des Bundesrates jedoch von grosser Bedeutung (in diesem Bereich war der Bundesrat denn auch am aktivsten). Die PVKEvaluation zeigt auf, dass der Bundesrat seinen Handlungsspielraum wenig aktiv, relativ spät und wenig umfassend ausgeschöpft und oft erst auf politischen Druck reagiert hat.44 Anders als bei den Gesetzesrevisionen (Ziff. 2.1) ist die GPK-S der Ansicht, dass der Bundesrat seinen strategisch relevanten Handlungsspielraum für den Erlass von

41 42 43 44

PVK-Evaluation Ziff. 4.1.1 und 4.2.1.

«Strategie des Bundesrates in der Gesundheitpolitik» des GS EDI vom 22.6.2011, www.edi.admin.ch.

Bei der AHV sehr gering, bei der BV gering, bei der IV etwas grösser und bei der KV am grössten, PVK-Evaluation Ziff. 2.

PVK-Evaluation Ziff. 4.1.3, 4.2.3 und 5.

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Ausführungsbestimmungen nach Möglichkeit noch früher, aktiver und umfassender ausschöpfen sollte.

Empfehlung 4

Handlungsspielraum bezüglich Ausführungsbestimmungen

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, seinen Handlungsspielraum zum Erlass von Ausführungsbestimmungen aktiv, systematisch und so umfassend als möglich zu nutzen.

2.6

Rolle des Bundesrates

Angesichts der grossen finanziellen und politischen Bedeutung der Sozialversicherungen für den Bund, drängt sich eine aktive Rolle des Bundesratskollegiums in der strategischen Steuerung derselben auf. Die PVK hat zwar die Rolle des Bundesrates nicht vertieft analysiert, da die damaligen Informationsrechte nicht ausreichten, um zu allen dazu nötigen Dokumenten Zugang zu erhalten.45 Die Informationen, welche für die PVK-Evaluation vorlagen, weisen darauf hin, dass der Bundesrat als Kollegialbehörde die Weiterentwicklung der untersuchten Sozialversicherungen aktiver hätte vorantreiben können. Es macht den Anschein, dass er vielmehr hauptsächlich auf Antrag des Vorstehers des EDI Grundsatzfragen diskutiert und entsprechende Entscheide gefällt hat. Dem Vorsteher des EDI kam dementsprechend eine wichtige Rolle zu, insbesondere bei der Planung und Erarbeitung der Gesetzesvorlagen. Er stand laufend in Kontakt mit den zuständigen Ämtern und brachte strategische Fragen in den Gesamtbundesrat ein.46 Die GPK-S sieht es als Aufgabe des Bundesrates, dass er die strategische Steuerung der Sozialversicherungen als Kollegialbehörde vorantreibt. Sie weist darauf hin, dass der Bundesrat seine Aufgabe aktiv, kontinuierlich und systematisch wahrnehmen soll.

Empfehlung 5

Rolle des Bundesrates als Kollegium

Die GPK-S fordert den Bundesrat dazu auf, ihr mitzuteilen, wie er sich als Kollegium heute für die strategische Steuerung der Sozialversicherungen einbringt respektive sich in Zukunft einzubringen gedenkt. Die GPK bittet den Bundesrat zu erläutern, wie er dabei seine Verantwortung als oberste leitende Behörde des Bundes in diesem zentralen Bereich der Bundespolitik wahrzunehmen gedenkt.

45 46

Duch die Änderung des Parlamentsgesetzes, in Kraft seit 1.11.2011, erhielten die GPK betreffend ihre Informationsrechte mehr Handlungsspielraum.

PVK-Evaluation Ziff. 4.1.4 und 5.

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3

Schlussbemerkungen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, bis zum 14. September 2012 zu den Feststellungen und Empfehlungen im vorliegenden Bericht sowie zur erwähnten PVKEvaluation Stellung zu nehmen. Zudem bittet sie ihn, aufzuzeigen, wie und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

30. März 2012

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Der Präsident: Paul Niederberger Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Der Präsident der Subkommission EDI/UVEK: Claude Hêche Die Sekretärin der Subkommission EDI/UVEK: Ines Stocker

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