zu 15.456 Parlamentarische Initiative Heraufsetzung der periodischen vertrauensärztlichen Kontrolluntersuchung für Senioren-Autofahrer vom 70. auf das 75. Altersjahr Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 21. März 2017 Stellungnahme des Bundesrates vom 17. Mai 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 21. März 20171 betreffend die parlamentarische Initiative 15.456 «Heraufsetzung der periodischen vertrauensärztlichen Kontrolluntersuchung für SeniorenAutofahrer vom 70. auf das 75. Altersjahr» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. Mai 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Ausgangslage

Am 18. Juni 2015 reichte Nationalrat Maximilian Reimann die parlamentarische Initiative 15.456 «Heraufsetzung der periodischen vertrauensärztlichen Kontrolluntersuchung für Senioren-Autofahrer vom 70. auf das 75. Altersjahr» ein. Er fordert, dass sich Führerausweisinhaber und -inhaberinnen nichtberufsmässiger Kategorien erst ab dem vollendeten 75. Altersjahr alle zwei Jahre einer verkehrsmedizinischen Untersuchung unterziehen müssen und nicht wie heute ab 70 Jahren.

Sowohl der National- als auch der Ständerat gaben der Initiative ­ entgegen den Anträgen ihrer Kommissionen ­ am 16. Dezember 2015 beziehungsweise am 8. Juni 2016 Folge.

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF-N) verabschiedete am 31. Oktober 2016 einen Vorentwurf zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes. Im Auftrag der KVF-N führte das Bundesamt für Strassen (ASTRA) dazu vom 4. November 2016 bis am 3. Februar 2017 eine Vernehmlassung durch.

Am 21. März 2017 nahm die KVF-N Kenntnis von den Ergebnissen der Vernehmlassung. Sie beschloss mit 15 zu 7 Stimmen, die Vernehmlassungsvorlage unverändert zu lassen und ihrem Rat den Erlassentwurf und den Kommissionsbericht zu unterbreiten. Diese sehen vor, die Altersgrenze für die Kontrolluntersuchung vom vollendeten 70. Altersjahr auf das vollendete 75. Altersjahr zu erhöhen. Die Kommissionsminderheit möchte, dass sich Führerausweisinhaber und -inhaberinnen nichtberufsmässiger Kategorien weiterhin mit 70 Jahren einer ersten Kontrolluntersuchung unterziehen. Die nächste Untersuchung soll neu aber erst im Alter von 75 Jahren stattfinden, danach alle zwei Jahre. Mit Schreiben vom 11. April 2017 unterbreitete die KVF-N ihren Erlassentwurf und ihren Kommissionsbericht dem Bundesrat zur Stellungnahme.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Hinaufsetzung der Alterslimite für die verkehrsmedizinische Untersuchung

Die Ergebnisse der Vernehmlassung zeigen, dass sich Befürworter und Gegner der Erhöhung der Alterslimite für die verkehrsmedizinische Untersuchung die Waage halten.

Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Eigenverantwortung der Senioren und Seniorinnen beim Entscheid, wann sie mit dem Autofahren aufhören, gestärkt werden soll. Er unterstützt deshalb den Vorschlag der Mehrheit der KVF-N, die Altersgrenze für die obligatorische verkehrsmedizinische Untersuchung vom vollendeten 70. auf das vollendete 75. Altersjahr zu erhöhen. Damit können bei der Regelung der Fahreignungsabklärung auch die höhere Lebenserwartung und die bessere Gesund3834

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heit der heutigen Senioren und Seniorinnen berücksichtigt werden, wie dies die Befürworter der Erhöhung der Altersgrenze fordern.

Der Bundesrat erachtet es aber als zwingend, dass bei einer Erhöhung der Alterslimite mit flankierenden Massnahmen sichergestellt wird, dass sich der spätere Beginn der obligatorischen Untersuchung nicht negativ auf die Verkehrssicherheit auswirkt. Die flankierenden Massnahmen sollen die Senioren und Seniorinnen bei der Wahrnehmung ihrer Eigenverantwortung unterstützen.

So soll mit regelmässigen Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen erreicht werden, dass sich die Senioren und Seniorinnen weiterhin spätestens im Alter von 70 Jahren mit ihrer Fahreignung und der Frage befassen, ab wann sie auf das Autofahren verzichten sollen. Denkbar ist beispielsweise, dass die Senioren und Seniorinnen bei Vollendung des 70. Altersjahres ein Schreiben mit Informationen und Hinweisen zu Beratungs- und Kursangeboten rund um das Thema Fahreignung erhalten.

Dies aus folgenden Gründen: ­

Heute bewirkt das Aufgebot zur Untersuchung ab 70 Jahren, dass sich Senioren und Seniorinnen mit ihrer Fahreignung befassen. Zahlreiche Betroffene geben den Führerausweis im Rahmen dieser Kontrolluntersuchungen freiwillig ab.

So verzichteten im Jahr 2016 in der Schweiz schätzungsweise 9800 Personen2 im Alter von 70 bis 74 Jahren freiwillig auf den Ausweis. Zahlen der Kantone zeigen, dass sie dies meist anlässlich einer Kontrolluntersuchung taten. Von diesen 9800 freiwilligen Ausweisverzichten erfolgten schätzungsweise 60 Prozent (5800 Verzichte3) anlässlich der ersten Untersuchung im Alter von 70 Jahren. Bei den weiteren Untersuchungen bis zum 75. Altersjahr nehmen die freiwilligen Abgaben des Ausweises stark ab, ebenso die Entzüge. Dieser Schwelleneffekt legt den Schluss nahe, dass bei der ersten Untersuchung mit 70 Jahren viele Personen erfasst werden, die seit Längerem nicht mehr fahrgeeignet waren. Es ist deshalb wichtig, dass sich Senioren und Seniorinnen auch künftig spätestens mit 70 Jahren mit ihrer Fahreignung befassen.

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Die geplanten Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen sollen ermöglichen, dass Senioren und Seniorinnen allenfalls mit Hilfe ihres Arztes oder ihrer Ärztin verkehrsrelevante Veränderungen frühzeitig erkennen.

Somit kann in geeigneter Weise darauf reagiert werden, und unter Umständen lassen sich durch eine rechtzeitige Behandlung der Verlust der Fahreignung und damit ein späterer Ausweisentzug vermeiden. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung verkehrsrelevanter gesundheitlicher Veränderungen ist sehr wichtig, um die Mobilität der Senioren und Seniorinnen so lange wie möglich zu erhalten.

Quelle: Hochrechnung gestützt auf die Zahlen der Kantone BE und ZH sowie des automatisierten Fahrberechtigungsregisters.

Quelle: Hochrechnung gestützt auf die Zahlen der Kantone BE und ZH sowie des automatisierten Fahrberechtigungsregisters.

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Das Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 19584 (SVG) sieht vor, dass der Bund sicheres Fahren durch Sensibilisierungskampagnen und andere präventiv wirksame Aktivitäten fördert (Art. 2a Abs. 1). Die Bundesverwaltung führt derzeit selbst kaum Kampagnen durch, da diese Aufgabe auf Bundesebene dem Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) übertragen ist. Der FVS ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes. Er hat den gesetzlichen Auftrag, freiwillige Massnahmen zur Unfallverhütung im Strassenverkehr bei allen Altersgruppen und Verkehrsteilnehmenden zu fördern und zu koordinieren (Unfallverhütungsbeitragsgesetz vom 25. Juni 19765). Der FVS untersteht der Aufsicht des Bundesrates.

Die Stärkung der Eigenverantwortung von Senioren und Seniorinnen ist bereits ein Schwerpunkt der Präventionsaktivitäten des FVS. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) wird deshalb beim FVS darauf hinwirken, dass mit Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen sichergestellt wird, dass sich Senioren und Seniorinnen auch nach Erhöhung der Alterslimite für die obligatorische Untersuchung spätestens im Alter von 70 Jahren mit ihrer Fahreignung befassen. Sorgt der FVS nicht dafür, dass Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen durchgeführt werden, kann auch das ASTRA solche Massnahmen ergreifen, Dritte damit beauftragen oder Dritte dabei unterstützen (Art. 2a SVG).

Weiter wird sich das ASTRA dafür einsetzen, dass die Mitglieder des Schweizerischen Fahrlehrerverbandes Ausbildungen zum Umgang mit Assistenzsystemen anbieten, insbesondere zu solchen, die älteren Fahrzeugführern und -führerinnen das sichere Fahren erleichtern.

Dies aus folgendem Grund: ­

Immer mehr Fahrzeuge sind mit Assistenzsystemen ausgerüstet. Diese werden den Senioren und Seniorinnen künftig das sichere Fahren erleichtern und ihre altersbedingten Defizite kompensieren. Es ist deshalb wichtig, dass die älteren Menschen den Umgang mit diesen Hilfsmitteln lernen und von deren Vorteilen profitieren können.

2.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

2.2.1

Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen

Sorgt der FVS dafür, dass die geforderten Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen durchgeführt werden, entstehen dem Bund keine neuen Kosten. Die vom FVS dafür zu verwendenden Mittel stammen aus den obligatorischen Beiträgen der Motorfahrzeughalter und -halterinnen zur Unfallverhütung im Strassenverkehr.

Diese Beiträge werden von den Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherungen erhoben und betragen 0,75 Prozent der Nettoprämie, derzeit insgesamt rund 20 Millionen Franken pro Jahr. Der Bundesrat kann die Höhe der Beiträge bei Bedarf auf höchs4 5

SR 741.01 SR 741.81

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tens 1 Prozent der Nettoprämie erhöhen (Art. 1 Abs. 2 des Unfallverhütungsbeitragsgesetzes). Sorgt der FVS für die Durchführung der Massnahmen, gibt es auch keine personellen Auswirkungen auf den Bund.

Sollte das ASTRA selbst Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen durchführen, entstehen ihm jährlich Kosten in der Höhe von schätzungsweise 1­3 Millionen Franken, je nach Art der Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen (z. B.

Informationsschreiben an die Über-70-Jährigen, Plakat- und Fernsehkampagne).

Diese Kosten können über das ordentliche Budget des ASTRA finanziert werden.

Die in diesem Fall benötigten personellen Ressourcen können durch eine Umstrukturierung des bestehenden Personalbestandes des ASTRA und eine entsprechende Prioritätensetzung gewonnen werden.

2.2.2

Anpassung der Datensysteme

Zur Hinaufsetzung der Alterslimite für die verkehrsmedizinische Untersuchung müssen beim Bund das Fahrberechtigungsregister und das Administrativmassnahmenregister beziehungsweise das neue Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ) angepasst werden. Die dadurch entstehenden Kosten können über das ordentliche Budget des ASTRA finanziert werden, das für die Systeme zuständig ist. Die dafür benötigten personellen Ressourcen können durch eine entsprechende Prioritätensetzung mit dem bestehenden Personalbestand des ASTRA abgedeckt werden.

2.3

Zeitpunkt des Inkrafttretens der Erhöhung der Alterslimite für die verkehrsmedizinische Untersuchung

Die Hinaufsetzung der Alterslimite hat Auswirkungen auf das IVZ. Dieses soll an Ostern 2018 (30. März 2018 bis 2. April 2018) eingeführt werden und das heutige Datensystem MOFAD, das Daten zur Fahrzeug- und Führerzulassung sowie zu Administrativmassnahmen beinhaltet, ablösen. Um die Einführung des IVZ an Ostern 2018 nicht zu gefährden, sollte die Erhöhung der Alterslimite frühestens im zweiten Quartal 2019 umgesetzt werden. Ein früheres Inkrafttreten der neuen Regelung hätte eine Verschlechterung der Datenqualität zur Folge und würde die Einführung des IVZ insgesamt gefährden.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Eintreten auf die Vorlage und Zustimmung zum Vorschlag der Mehrheit der KVF-N. Den Antrag der Minderheit lehnt er ab.

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