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Bundesblatt 90. Jahrgang.

Bern, den 22. Juni 1938.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 1O Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stampili & Oie. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die 21., 22. und 23. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Vom 13. Juni 1938.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Bundesrat erstattet Ihnen hierdurch Bericht über die 21., 22. und 23. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

A. Die 21. und 22. Tagung.

Diese in Genf abgehaltenen zwei Tagungen der Internationalen Arbeitskonferenz standen in engstem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang miteinander. Die 21. Tagung fand vom 6. bis 24. Oktober 1936. die 22. Tagung vom 22. bis 24. Oktober 1936 statt. Da die beiden Konferenzen ausschliesslich der Behandlung von Fragen gewidmet waren, die sich auf die Arbeitsbedingungen in der Handelsmarine beziehen, liess sich die Schweiz nicht daran vertreten. Die Arbeiten dieser Konferenzen führten zur Annahme der in der Beilage (S. 26--67) abgedruckten Übereinkommensentwurfe und Empfehlungen, die für die Schweiz gegenstandslos sind und zu denen wir uns deshalb auch nicht weiter zu äussern haben.

B. Die 23. Tagung.

l. Zusammensetzung und Tagesordnung der Konferenz.

Die 28. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, die unter dem Vorsitz des irischen Ministers für Handel und Gewerbe, Herrn Seân Lemass, vom 3. bis 23. Juni 1937 in Genf stattfand, wurde von 53 Mitgliedstaaten beschickt. Diese waren mit 431 bevollmächtigten Teilnehmern vertreten; davon waren 175 Delegierte und 256 technische Katgeber. Die Zahl der unvollständigen Delegationen1) betrug 16 gegenüber 19 an der Tagung vom Juni 1936.

*) Siehe namentlich unsern Bericht über die 19. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 756.

Bundesblatt. 90. Jahrg. Bd. II.

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Die schweizerische Delegation setzte sich wie folgt zusammen: Begierungsvertreter: Herr alt Bundesrat Dr. E. Schulthess und Herr Fürsprecher P. Eenggli. Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit; Arbeitgebervertreter: Herr Ch. Tzaut, Ingenieur, Genf; Arbeitnehmervertreter: Herr Ch. Schürch, Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Herr Dr. H. Giorgio, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung, war Ersatzdelegierter der Eegierung und zugleich technischer Eatgeber. Ausserdem war die Delegation von einer Anzahl weiterer Berater begleitet.

Wie immer wurde auch diesmal gegen das Mandat gewisser Delegierter und technischer Eatgeber anderer Staaten Einspruch erhoben, da diese nicht den geltenden Vorschriften gemäss ernannt worden seien. Die in Frage stehende Bestimmung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation besagt, dass die Mitgliedstaaten sich verpflichten, diejenigen Vertreter und technischen Eatgeber, die nicht Begiemngsvertreter sind, im Einverständnis mit den massgebenden Berufsverbändeii der Arbeitgeber und. der Arbeitnehmer des betreffenden Landes zu bezeichnen, vorausgesetzt, dass solche Verbände bestehen.

Besonders zu reden gab die Zusammensetzung der sowjetrussischen Delegation, da hier sowohl die Ernennung des Arbeitnehmervertreters als auch die des Arbeitgebervertreters als unrechtmässig angefochten wurde mit der Begründung, dass diesen die erforderliche Unabhängigkeit fehle und beide in Tat und Wahrheit Vertreter der Eegierung seien. Die bestrittenen Voll-, machten wurden zwar von der Konferenz validiert, doch beschloss diese gemäss dem Antrag ihrer Kommission für die Prüfung der Vollmachten, die verschiedenen Auffassungen bezüglich der Eechtmässigkeit der Ernennung des sowjetrussischen Arbeitgeberdelegierten, wie sie einerseits von der Arbeitgebergruppe an der Konferenz, anderseits vom Eegierungsdelegierten Sowjetrusslands vertreten worden waren, dem Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes zu unterbreiten, «damit dieser die Frage, die sich durch die Schaffung eines für die Urheber der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation nicht voraussehbaren neuen Wirtschaftssystems ergeben habe, einlässlich prüfe und die ihm zweckdienlichen oder notwendigen Massnahmen zu ihrer Lösung treffe».

Die Tagesordnung der Konferenz umfasste
folgende Gegenstände: ·-- Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie; -- Verkürzung der Arbeitszeit im graphischen Gewerbe; -- Verkürzung der Arbeitszeit in der chemischen Industrie; -- Unfallverhütungs^orschriften über Gerüste und Hebezeuge bei Hochbauarbeiten ; -- öffentliche Arbeiten und Beschäftiguugsstand; -- Abänderung des Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit; -- Abänderung des Übereinkommens über das Alter für die Zulassung von Kindern zu nichtgewerblichen Arbeiten.

Daneben hatte sich die Konferenz wie immer mit einer Eeihe weiterer Geschäfte zu befassen. In üblicher Weise legte sie die vorbereitende Behandlung ihrer Traktanden in die Hände von Kommissionen -- es waren diesmal 11 an der Zahl -- die der Vollversammlung ihre Berichte und Anträge unterbreiteten.

II. Hauptbeschlüsse der Konferenz und Stellungnahme der Schweiz.

1. Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie, der chemischen Industrie und im graphischen Gewerbe.

Die Präge einer Verkürzung der Arbeitszeit in der Industrie -- genauer gesagt die .Einführung der 40-Stundenwoche als gesetzliche Norm --· hatte die Internationale Arbeitskonferenz schon seit dem Jahre 1932 beschäftigt.

Wir haben in unsern Berichten über die 16. bis 20. Tagung der Konferenz uns darüber jeweils geäussert -1-). Indem die Konferenz ihr bisheriges Verfahren beibehielt, das darin bestand, durch ein schrittweises Vorgehen von Industriezweig zu Industriezweig .das Problem einer Lösung entgegenzuführen, behandelte sie dieses nunmehr in bezug auf die Textilindustrie, die chemische Industrie und das graphische. Gewerbe. Es lagen ihr dementsprechend drei Übereinkommensentwürfe zur Beratung und Beschlussfassung vor.

Das Traktandum der Arbeitszeitverkürzung in der Textilindustrie gelangte im Sinne des Systems der doppelten Beratung, nachdem eine erste Behandlung schon im Jahre 1936 an der-20. Tagung stattgefunden hatte und inzwischen wie immer die Meinung der Mitgliedstaaten eingeholt worden war, zum zweiten Male vor die Konferenz. Im übrigen hatte im April 1937 in Washington eine vorberatende technische Konferenz stattgefunden, an der die für die Textilindustrie wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Prägen mit Einschluss derjenigen der 40-Stundenwoche ausführlich erörtert worden waren. Der Bericht über diese Verhandlungen lag der Arbeitskonferenz vor. Was die chemische und die graphische Industrie betrifft, hatte die Konferenz darüber zu entscheiden, ob sie in einmaliger Beratung die beiden Übereinkommensentwürfe abschliessend behandeln oder ob sie auch hier am Verfahren der doppelten Beratung festhalten wolle. Von Arbeitnehmerseite wurde geltend gemacht, dass sich eine zweimalige Beratung erübrige, da die Präge auch auf diesen beiden Gebieten durch technische Vorkonferenzen schon eingehend abgeklärt worden sei. Umgekehrt
wurde von Arbeitgeberseite gegen die Absicht, von der reglementarisch vorgeschriebenen doppelten Beratung" abzugehen, Einspruch erhoben. Schliesslich genehmigte die Konferenz zwei Kesolutionen, durch die sie die beiden für die Behandlung der Arbeitszeitverkürzung in der chemischen und in der graphischen Industrie eingesetzten Konimissionen beauftragte, ihr Bericht zu erstatten, zum Zwecke der Annahme je eines Übereinkommensentwurfes im Laufe der Tagung. In den beiden genannten Kom!) 16. Tagung, Bundesbl. 1933, Bd. I, S. 690; 17. Tagung, Bundesbl. 1934, Bd. II, S. 727; 18. Tagung, Bundesbl. 1935, Bd. I, S. 975; 19. Tagung, Bundesbl. 1936, Bd. I,

S. 760; 20. Tagung, Bundesbl. 1937, Bd. I, S. 652.

missionen wie auch in derjenigen, welche die Arbeitszeitfrage in der Textilindustrie zu behandeln hatte, wiederholte sich die von den letzten Tagungen der Internationalen Arbeitskonferenz her bekannte Erscheinung, dass die Arbeitgebervertreter in Anbetracht ihrer grundsätzlichen Gegnerschaft gegen die Einführung der 40-Stundenwoche nahezu geschlossen -- mit Ausnahme der Arbeitgeberdelegierten Frankreichs und der Vereinigten Staaten Nordamerikas --· der artikelweisen Beratung über die Aufstellung der Übereinkommensentwürfe fernblieben.

In allen drei Fällen führten die Kommissions Verhandlungen zur Annahme von Vorentwürfen von Übereinkommen, die dem Plenum der Konferenz zur Abstimmung unterbreitet wurden. Die Konferenz stimmte dem Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie mit 88 gegen 41 Stimmen (bei 40 Enthaltungen) zu. Die für die Annahme erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen wurde somit nur knapp überschritten.

Auch über die entsprechenden Übereinkommen im Gebiete der graphischen und der chemischen Industrie fasste die Konferenz unter Verzicht auf die reglementarische zweite Beratung endgültig Beschluss. Doch wurden diese beiden Übereinkommen nicht angenommen, da sie die notwendige Zweidrittelmehrheit der Stimmen -- dort standen 43 Nein 72 Ja (bei 54 Enthaltungen), hier 42 Nein 76 Ja (bei 51 Enthaltungen) gegenüber -- nicht auf sich vereinigten. Die schweizerischen Eegierungsdelegierten nahmen in allen drei Fällen eine ablehnende Haltung ein. Die Abstimmungen über Konventionen an der Konferenz finden übrigens öfters in einer Weise statt, die nicht unbedenklich ist.

So kommt es immer wieder vor, dass Eegierungsvertreter einem Übereinkommen die Stimme geben, trotzdem sie bestimmt wissen und sogar ausdrücklich erklären, dass ihr Land, auch.wenn es direkt daran interessiert ist, es nicht ratifizieren werde.

Das oben genannte Ergebnis der Abstimmungen über die Arbeitszeitübereinkommen und die Feststellung, dass auf dem im Jahre 1935 erstmals beschrittenen Weg der Aufstellung gesonderter Konventionen über die Verkürzung der Arbeitszeit für einzelne Industriezweige trotz grossem Zeitaufwand nur drei solche Übereinkommen (für die Flaschenglasfabrikation, die öffentlichen Arbeiten und die Textilindustrie) von der Konferenz tatsächlich angenommen worden"
waren, veranlasste die Arbeitnehmervertreter Belgiens und Frankreichs, eine Eesolution einzubringen, durch die der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes eingeladen wird, die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit in allen Wirtschaftszweigen, für die nicht schon Konventionen über die 40-Stundenwoche bestehen, auf die Tagesordnung der nächsten Internationalen Arbeitskonferenz zu setzen. Die Konferenz stimmte dieser Eesolution mit 66 gegen 39 Stimmen zu.

Anlässlich der Diskussion über den Jahresbericht des Direktors des Internationalen Arbeitsamtes hat der Führer der schweizerischen Delegation, Herr

alt Bundesrat Schulthess, ähnlich wie schon zwei Jahre zuvor 1), die grundsätzliche Haltung der Schweiz gegenüber der Frage der Verkürzung der Arbeitszeit dargelegt. Er führte hauptsächlich aus, dass die Lebensbedingungen der Arbeitnehmer wie des ganzen Volkes in der Schweiz vor allem Dank den hohen Löhnen und den zahlreichen sozialen Einrichtungen günstiger seien als in den meisten andern Staaten. Auf der andern Seite sei nicht zu übersehen, dass unser Land eben erst aus einer schweren Krise herausgetreten sei und heute daran gehen müsse, die Schäden wieder gut zu machen, welche ihm die langandauernde ungünstige Lage seiner Wirtschaft zugefügt habe. Dieser Entwicklung dürfe man nicht durch die überstürzte Einführung von Neuerungen in den Arm fallen, welche die erholungsbedürftige Wirtschaft erneut belasten und in ihrer Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen würden. Bei der Herabsetzung der Arbeitsdauer auf 40 Stunden wöchentlich handle es sich nicht um eine unabweisbare sozialpolitische Forderung, und was die Arbeitszeitverkürzung als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit betreffe, so sei angesichts der sich daraus ergebenden Steigerung der Produktionskosten das Gegenteil der erhofften Wirkung zu gewärtigen. In einzelnen Grossstaaten möge das vielleicht anders sein.: Die Schweiz jedenfalls mit ihrer Armut an Eohstoffen, ihrer Exportorientierung und ihrer durch die autarkischen Bestrebungen und die protektionistiscbe Politik des Auslandes ohnehin stark erschwerten Lage müsse den Gedanken einer gesetzlichen Einführung der 40-Stundenwoche ablehnen. Keinesfalls dürfe indessen diese Ablehnung als Prüfstein der sozialen Gesinnung betrachtet werden. Die Vorteile dieser verkürzten Arbeitsdauer, wenn solche für die Arbeiter überhaupt bestehen sollten, seien bei uns durch Besserstellung auf andern wichtigern Gebieten reichlich aufgewogen.

Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie.

Inhalt des Übereinkommens. Der Inhalt der von der Konferenz angenommenen.Konvention über die Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie, deren Wortlaut Sie in der Beilage (S. 84) finden, lässt sich wie folgt zusammenfassen : Personen, die unter das Übereinkommen fallen, dürfen durchschnittlich nicht länger als 40 Stunden (in ununterbrochenen Betrieben 42 Stunden) wöchentlich beschäftigt
werden. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf die Verarbeitung sämtlicher natürlicher und künstlicher Faserstoffe zu Gespinsten und Geweben, mit Einschluss der Herstellung von Kunstseide und andern synthetischen Fasern. Nicht erfasst ist die Herstellung von Kleidern und andern Textilartikeln, ausgenommen die von Wirkwaren und solchen Bekleidungsstücken und Erzeugnissen, die im gemeinsamen Arbeitsvorgang hergestellt werden mit den Stoffen, aus denen sie bestehen. Das Übereinkommen gilt für alle Betriebe, die sich ausschließlich oder vorwiegend mit einer der x ) Siehe Bericht über die 19. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 768.

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genannten Tätigkeiten befassen. Es findet, falls ein Betrieb darunter fällt, auch Anwendung auf Abteilungen dieses Betriebes, die an und für sich die Bedingungen der Unterstellung nicht erfüllen, wie es umgekehrt auch den Teilbetrieb, der diese Bedingungen erfüllt, ohne Bücksicht auf die Natur des Hauptbetriebes erfasst. Im Sinne einer einigermassen elastischen und anpassungsfähigen Gestaltung des Übereinkommens sind verschiedene Ausnahmen und Erleichterungen vorgesehen. So können Familienbetriebe und Personen in besonders verantwortlicher Stellung vom Übereinkommen ausgenommen werden. Für das Beinigen und Schmieren der Maschinen billigt das Übereinkommen wöchentlich anderthalb Zusatzstunden zu, sofern eine ähnliche Begelung schon beim Inkrafttreten des Übereinkommens bestand. Für Vorbereitungs- und Vollendungsarbeiten, für Personen, deren Leistungen zum grossen Teil nur Arbeitsbereitschaft bedeutet, für den Speditions- und Transportdienst, das Auf- und Abladen von Gütern, können die Behörden im Verordnungswege eine längere Arbeitsdauer, als es der Norm entspricht, festsetzen. Vorbehalten sind ferner Überschreitungen der regelmässigen Arbeitszeitgrenze bei Betriebsstörungen, dringenden Unterhaltsarbeiten, beim Ausbleiben von Belegschaftsmitgliedern und wo längeres Arbeiten bestimmter Personen erforderlich ist, um Fabrikationsprozesse, die ohne Schaden nicht abgebrochen werden können, zu beendigen. Ausserdem kann die zuständige Behörde einem Betriebsinhaber auf sein Gesuch hin für Ausnahmefälle ein Überstundenkontingent von nicht mehr als 60 Tagen pro Kopf und Jahr oder nicht mehr als 4 Stunden wöchentlich bewilligen, soweit es sich darum handelt, bestimmte Arbeitergruppen länger zu beschäftigen, damit andere Personen im gleichen Betriebe, deren Arbeit sich anschliesst, ihre zulässige Arbeitszeit voll ausnützen können.

Solche Überzeitarbeit ist mit einem Lohnzuschlag von 25 % zu entschädigen.

Ferner kann die Behörde dem Gesamtbetrieb bis zu 75 Überstunden und, wo die Begrenzung der Arbeitsdauer auf 40, beziehungsweise auf 42 Stunden wöchentlich nicht nur im Durchschnitt eingehalten wird, sondern streng auf jede einzelne Woche Anwendung findet, dazu nochmals bis zu 100 Überstunden pro Kopf und Jahr zubilligen, vorausgesetzt, dass wieder der Lohnzuschlag von 25 % bezahlt und dass von den Überstunden
nicht ständig Gebrauch gemacht wird. Zu erwähnen ist ferner die Gewährung einer Übergangsregelung für die Dauer von höchstens zwei Jahren, währenddessen einerseits die Arbeitsdauer etappenweise auf die 40-Stundenwoche verkürzt, anderseits die An.wendung des Übereinkommens für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern oder Betrieben ganz oder teilweise aufgeschoben werden kann. Schliesslich kann jeder Mitgliedstaat, wenn seine nationale Sicherheit bedroht ist, solange dieser Zustand dauert, die Durchführung des Übereinkommens aussetzen.

Sonderbestimmungen für einzelne Länder. In den Kommissionen für die Arbeitszeitübereinkommen fand besondere Erörterung die Frage, ob nicht Art. 19, Abs. 3, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (Art. 405, Abs. 3, des. Versailler Vertrages) zu berücksichtigen sei. Diese Bestimmung lautet, dass bei Aufstellung einer Empfehlung oder eines Ent-

wurfes eines Übereinkommens von allgemeiner Geltung die Konferenz auf diejenigen Länder Bücksicht zu nehmen habe, in denen das Klima, die unvollkommene Entwicklung der wirtschaftlichen Organisation oder andere Sonderumstände die Verhältnisse der Wirtschaft wesentlich abweichend gestalten.

Sie habe in solchen Fällen die Abänderungen vorzuschlagen, die sie angesichts der besondern Verhältnisse dieser Länder für notwendig erachte. Auf Antrag der betreffenden Kommissionen stimmte die Konferenz zwei Eesolutionen zu, durch die der Verwaltungsrat eingeladen wurde, in bezug auf die Textilindustrie und das graphische Gewerbe die Frage einer gesonderten Regelung der Arbeitszeit in einzelnen Ländern im Wege zusätzlicher Sonderübereinkommen zu prüfen und diese Frage auf die Tagesordnung einer der nächsten Konferenzen zu setzen. Was das graphische Gewerbe anbelangt, wurde die Eesolution allerdings dadurch gegenstandslos, dass schon das primäre Übereinkommen nicht zustande kam. Was dagegen die Textilindustrie betrifft, hatte die Annahme der genannten Eesolution zur Folge, dass im Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit in diesem Industriezweig ein besonderer Artikel Aufnahme fand, wonach, sofern die Konferenz später ein Übereinkommen aufstellen sollte, das an den Bestimmungen des ursprünglichen Übereinkommens Änderungen für einzelne Länder vornimmt, das ursprüngliche und das spätere Übereinkommen als einziges Übereinkommen zu betrachten seien.

Stellungnahme der Schweiz. Die schweizerische Textilindustrie ist zu einem wesentlichen Teil exportorientiert und damit auf dem Weltmarkte der internationalen Konkurrenz ausgesetzt. Diese hat insbesondere von Ostasien her in den letzten Jahren bedrohliche Formen angenommen. Ausserdem wächst in Ländern, die früher Absatzgebiete unserer Textilindustrie waren, eine eigene Inlandsindustrie heran, oder der Absatz wird durch andere Massnahmen erschwert. Nach der Stellungnahme der EegierungsVertreter bei der Abstimmung über die Konvention ist zu schliessen, dass wichtige Textilindustriestaaten wie Grossbritannien, Japan, Indien und die Niederlande sie nicht ratifizieren werden. Dasselbe gilt für Länder wie Italien und Deutschland, die der Internationalen Arbeitsorganisation überhaupt nicht mehr angehören. Wohl hat seit der Abwertung des Schweizerf'rankens die
schweizerische Textilindustrie wieder etwas mehr Bewegungsfreiheit im Export erlangt.

Indessen ist durch andere Vorgänge, wie durch den Preissturz der Baumwolle, bereits wieder ein Bückschlag eingetreten. Dieser Industriezweig steht heute in manchen Teilen keinesfalls derart gefestigt und leistungsfähig da, dass die Möglichkeit bestünde, ihm ohne schwere Gefährdung seiner Existenz neue Fesseln anzulegen. Wir sehen uns infolgedessen nicht in der Lage, Ihnen die Eatifikation des Übereinkommens über die Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie zu. beantragen.

2. Unïallverhutungsvorschriîten über Gerüste und Hebezeuge bei Hochbauarbeiten.

Die Frage der Unfallverhütungsvorschriften über Gerüste und Hebezeuge bei Hochbauarbeiten gelangte zur zweiten und abschliessenden Beratung vor die Konferenz, nachdem, wie wir Ihnen bereits berichtet haben, die Konferenz an ihrer 20. Tagung im Jahre 1936 das erstemal über den Gegenstand beraten hatte. Vom Internationalen Arbeitsamt war in der Zwischenzeit gestützt auf die Ausführungen, mit denen die Mitgliedstaaten den Fragebogen des Amtes beantwortet hatten, ein Bericht mit Entwürfen zu einem Übereinkommen und verschiedenen Empfehlungen ausgearbeitet worden. Die Konferenz wies den Bericht an eine Kommission, in der auch die schweizerische Eegierung vertreten war, und stimmte hernach auf Antrag dieser Kommission dem Übereinkommensentwurf über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten einstimmig zu. Ebenso nahm sie vier Empfehlungen auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes im Hochbau an. Des weitern genehmigte die Konferenz eine Kesolution über die Verantwortlichkeit der Hersteller, Verkäufer und Installateure von Maschinen, soweit es sich um die dabei erforderlichen Sicherheitsvorrichtungen handelt. Durch diese Eesolution wird der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes eingeladen, die notwendigen Untersuchungen durchzuführen und das soeben genannte Problem auf die Tagesordnung einer der nächsten Arbeitskonferenzen zu setzen. Der Wortlaut des Übereinkommens und der Empfehlungen ist in der Beilage (S. 92 ff.) abgedruckt. Im folgenden ist ihr Inhalt zusammengefasst und anschliessend angeführt, welche Stellung wir zu diesen Beschlüssen einzunehmen gedenken.

Übereinkommen über Unfallverhütungsvorschriften

bei Hochbauarbeiten.

Inhalt des Übereinkommens. Das Übereinkommen stellt in einem ersten Abschnitt die Grundsätze auf über die Verpflichtungen der Staaten, welche es ratifizieren. Diese Verpflichtungen erstrecken sich hauptsächlich auf folgende Punkte: Durchführung der Unfallverhütungsvorschriften und Berichterstattung darüber an das Internationale Arbeitsamt, Geltungsbereich der Vorschriften, Aufsichtsdienst, Ausnahmen für Gegenden mit besondern Verhältnissen, Unfallstatistik. Drei weitere Abschnitte enthalten in allgemeiner Form gefasste Bestimmungen über Gerüste, Hebezeuge, sowie über Schutzausrüstung und Bettungsmittel. Das Übereinkommen verlangt von den Mitgliedstaaten, die es ratifizieren, vor allem: 1. dass diese eine Gesetzgebung besitzen, welche die Durchführung der allgemeinen Unfallverhütungsbestimmungen in Teil II bis IV des Übereinkommens sicherstellt und gestützt auf die eine Instanz bezeichnet wird mit der Befugnis zum Erlass von Vorschriften im Sinne der dem Übereinkommen beigegebenen «Empfehlung betreffend Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten»; 2. dass diese Gesetzgebung über die Durchführung der allgemeinen Unfallverhütungsbestimmungen des Übereinkommens sämtliche Neubauten, Eeparaturen, Umbauten, Unterhaltungs- und Abbrucharbeiten umfassen

solle, ausgenommen solche Arbeiten, die in der Kegel unter ausreichend unfallsichern Verhältnissen durchgeführt werden; ; 8. dass die Gesetzgebung einen Aufsichtsdienst vorsieht, der für die Durchführung der Unfallverhütungsvorschriften garantiert. ; Stellungnahme der Schweiz. Für das Übereinkommen treten bei uns in gleicher Weise die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber und die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt ein. Auch wir stimmen ihm zu und gedenken es mit Ihrer Genehmigung zu ratifizieren, sobald unsere Gesetzgebung ihm in allen Teilen entspricht. In dieser Hinsicht ist unter Berücksichtigung der soeben genannten drei wesentlichen Forderungen des Übereinkommens folgendes zu bemerken: Zu Punici I. Die Schweiz besitzt im Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung die gesetzliche Grundlage zur Durchführung des Übereinkommens. Gemäss Art. 65 des genannten Gesetzes hat jeder Betriebsinhaber oder sein Stellvertreter zur Verhütung von Krankheiten und .Unfällen alle Schutzmittel einzuführen, die nach der Erfahrung notwendig und nach dem Stande der Technik und den gegebenen Verhältnissen anwendbar sind. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt ist befugt, nach Anhörung der Beteiligten entsprechende Weisungen ,zu erlassen. Die.

Anstalt hat im Einvernehmen mit den interessierten Berufsverbänden bereits einen Entwurf zu einer Verordnung betreffend die Verhütung von Unfällen bei Hochbauarbeiten ausgearbeitet, der vorläufig in Form der Einzelweisung gemäss Art. 65, Abs. 2, des Gesetzes in den Betrieben eingeführt wird. Es ist beabsichtigt, diesem Entwurf demnächst die Form einer bundesrätlichen Vollziehungsverordnung zu dem eben zitierten Gesetzesartikel zu geben und diese so zu gestalten, dass sie den Forderungen von Teil II bis IV des Übereinkommens gerecht wird.

Zu Punkt 2. Das Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung (Art. 60, Ziff. 3) erfasst das gesamte Baugewerbe ohne Eücksicht auf die Art der ausgeführten Bauarbeiten, so dass sich in bezug auf den Geltungsbereich Widersprüche mit den Forderungen -des Übereinkommens nicht ergeben.

Eine einzige Ausnahme bilden gewisse Eegiearbeiten geringen Umfanges, bei denen die in Art. 33 der Verordnung I über die Unfallversicherung aufgeführten Vorbedingungen für die Versicherungspflicht nicht erfüllt sind. Um
die hier noch bestehende Lücke zu schliessen, müssen wir an die Kantone gelangen und mit ihnen die erforderlichen Vereinbarungen treffen. Eine Lösung dürfte voraussichtlich keinen allzu. grossen Schwierigkeiten begegnen.

. Zu Punkt 3. Das Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung sieht die Schaffung von Bauinspektionen für die Überwachung der Baustellen nicht ausdrücklich vor. Die Organisation einer Baustelleninspektion fällt jedoch in den Kompetenzbereich der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt, deren Unfallverhütungsdienst schon seit Jahren eine solche Inspektion unterhält. Es wird noch zu prüfen sein, inwiefern diese eines weitern Ausbaues bedarf, um den Anforderungen des Übereinkommens zu genügen.

10 Sobald durch, die volle Übereinstimmung unserer Gesetzgebung mit dem Übereinkommen die nötigen Voraussetzungen erfüllt sind, werden wir der Bundesversammlung den formellen Entwurf eines Beschlusses über die Ratifikation des Übereinkommens durch die Schweiz vorlegen.

Empfehlungen betreffend Unfallverhütung im Hochbau.

Inhalt der Empfehlungen. Die «Empfehlung betreffend Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten» stellt eine unmittelbare Ergänzung des soeben besprochenen Übereinkommens dar. Sie besteht zur Hauptsache aus M u s t e r v o r s c h r i f t e n für Hebezeuge, in denen die allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften des Übereinkommens bis in alle technischen Einzelheiten hinein vervollständigt sind. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, diese oder gleichwertige Vorschriften soweit wie möglich durchzuführen und auch für den Fall, dass sie das Übereinkommen nicht ratifizieren, dem Internationalen Arbeitsamt aus freien Stücken periodisch zu berichten, in welchem Umfang die Mustervorschriften Anwendung finden.

Die drei weitern Empfehlungen betreffen die Arbeitsaufsicht bei Hochbauarbeiten, die Zusammenarbeit der beteiligten Organisationen zum Zwecke der Unfallverhütung und die berufliche Ausbildung für Arbeiten im Hochbau.

Die «Empfehlung betreffend die Aufsicht bei Hochbauarbeiten» stellt eine auf den Hochbau zugeschnittene Erweiterung der an der 5. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz aufgestellten allgemeinen Empfehlung betreffend die Gewerbeaufsicht dar. Es handelt sich dabei um gewisse Grundsätze und Eegeln, die von der amtlichen Bauinspektion im Interesse des Unfallschutzes zu beobachten sind, während die «Empfehlung betreffend die Zusammenarbeit in der Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten» die dem gleichen Zwecke dienende Kooperation zwischen Amtsstellen und privaten Organisationen behandelt.

Die «Empfehlung betreffend die berufliche Ausbildung bei Arbeiten im Hochbau» schliesslich befürwortet die Aufnahme bestimmter Gegenstände in die auf das Baufach bezüglichen Lehrpläne der Berufs- und Fachschulen, und zwar ebenfalls im Hinblick auf die Bekämpfung der Unfallgefahr.

Stellungnahme der Schweiz. Die in den Empfehlungen enthaltenen Grundsätze und Vorschläge sind bei uns in einem sehr weitgehenden Masse bereits verwirklicht. Anderseits enthalten die Empfehlungen auch gewisse
Anregungen technischer und organisatorischer Art, die für uns neu sind.

Wir erwähnen beispielsweise, dass die in den Mustervorschriften enthaltenen Unfallverhütungsbestimmungen der an erster Stelle genannten Empfehlung zum Teil über die in unserm Lande gestellten Anforderungen hinausgehen, so bei den Vorschriften über Bauaufzüge und Krane. Als weiteres Beispiel sei genannt, dass die Bildung von paritätischen Unfallverhütungskommissionen in den Betrieben, wie die «Empfehlung über die Zusammenarbeit in der Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten» sie vorschlägt, soviel wir wissen, bei uns nirgends verwirklicht ist. Wir sind im Einvernehmen mit der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt durchaus bereit, solche Vorschläge wohlwollend

11 zu prüfen und ihnen, falls sie sich für unsere Verhältnisse eignen, durch die einfache praktische Anwendung oder, sofern dies nötig ist, beim weitern Ausbau der Gesetzgebung Eechnung zu tragen.

3. Öffentliche Arbeiten und Beschäftigungsstand.

Die Frage einer planmässigen Regelung der öffentlichen Arbeiten als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist von der Internationalen Arbeitskonferenz schon wiederholt zur Diskussion gestellt worden. Bereits anlässlich ihrer ersten Tagung im Jahre 1919 in Washington hat sie in einer Empfehlung die Mitgliedstaaten eingeladen, die Ausführung von öffentlichen Arbeiten so zu regeln, dass diese soweit wie möglich für Zeiten der Arbeitslosigkeit vorbehalten werden !). Die Frage wurde alsdann anlässlich späterer Tagungen wieder aufgegriffen und ist nun an der 23. Tagung eingehend behandelt worden, nachdem das Internationale Arbeitsamt zu diesem Zwecke der Konferenz einen ausführlichen Bericht vorgelegt hatte. Die Behandlung erfolgte im Schosse einer 60köpfigen Kommission, in welcher der schweizerische Regierüngsvertreter, Direktor Eenggli, den Vorsitz führte. In Anbetracht dessen, dass das Problem früher schon wiederholt behandelt worden war, und dem Wunsche Rechnung tragend, möglichst rasch zu praktischen Schlussfolgerungen zu gelangen, beschloss die Konferenz, von einer doppelten Beratung Umgang zu nehmen. In der Folge nahm sie einstimmig zwei Empfehlungen an, die ihr nach eingehenden Beratungen von der genannten Kommission unterbreitet worden waren und deren Text in der Beilage (S. 69, 70) aufgeführt ist.

Empfehlungen betreffend

öffentliche

Arbeiten.

Inhalt der E m p f e h l u n g e n . Die erste der beiden E m p f e h l u n g e n hat die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiete der öffentlichen Arbeiten zum Gegenstand. Diese Zusammenarbeit soll erreicht werden durch regelmässige Berichterstattung der Mitgliedstaaten über die ausgeführten und geplanten öffentlichen Arbeiten und Aufträge. Die Meldungen sollen nach einem möglichst einheitlichen Meldeschema erstattet werden und vor allem über die Kosten und die Finanzierung sowie die Zahl der beschäftigten Arbeiter Aufschluss geben. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, einem internationalen Ausschuss für öffentliche Arbeiten ihre Mitwirkung zu leihen und zu überlegen, welche Massnahmen auf Grund der Berichte zu ergreifen seien, die ihnen der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes als Folge der Beratungen dieses Ausschusses gegebenenfalls übermitteln werde.

Im Anschluss an diese Empfehlung wurde von der Konferenz eine Res o l u t i o n angenommen, wonach der Verwaltungsrat ersucht wird, einen internationalen Ausschuss für öffentliche Arbeiten zu bilden. Aufgabe dieses Ausschusses wird sein, das bereits erwähnte Meldeschema auszuarbeiten, die alljährlich.eingehenden Mitteilungen zu prüfen und dem Verwaltungsrat Be!) Bundesbl. 1920, Bd. V, S. 433.

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richte zu erstatten zwecks Weiterleitung an die Mitgliedstaaten. Zur Mitarbeit in diesem Ausschuss sollen alle Mitgliedstaaten eingeladen werden; ausserdem ist den Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine angemessene Vertretung einzuräumen. Der Verwaltungsrat wird ferner aufgefordert, die zuständigen Instanzen des Völkerbundes ebenfalls zu den Arbeiten der Kommission einzuladen ; auch sollen andere internationale Organisationen sowie Sachverständige gegebenenfalls zur Mitarbeit herangezogen werden.

In einer zweiten E m p f e h l u n g wird den Mitgliedstaaten nahegelegt, gewisse Massnahmen zur planmässigen Durchführung der öffentlichen Arbeiten zu ergreifen. Die Konferenz geht davon ans, dass die Vergebung grosser öffentlicher Arbeiten in Zeiten guter Beschäftigung dazu führt, den Arbeitsmarkt zu verknappen, während .ein Zurückhalten solcher Aufträge in Depressionszeiten die Arbeitslosigkeit vergrössert. Es sei daher darnach zu trachten, die öffentlichen Arbeiten derart zeitlich zu verteilen, dass sie den Schwankungen der wirtschaftlichen Konjunktur bestmöglich entgegenwirken.

Zwecks einer solchen planmässigen Durchführung der öffentlichen Arbeiten empfiehlt die Konferenz den Mitgliedstaaten, eine Stelle zu errichten, die zur Aufgabe hätte, alle Auskünfte über die öffentlichen Arbeiten zu sammeln, für die Vorbereitung gewisser Arbeiten im voraus zu sorgen und dahin zu wirken, dass alle öffentlichen Arbeiten, also nicht nur diejenigen der Zentralbehörden, bei günstiger Wirtschaftslage zurückgestellt und in Krisenzeiten vermehrt werden.

Auch zur Frage der Finanzierung der öffentlichen Arbeiten hat die Konferenz Stellung genommen. Sie empfiehlt vor allem die Bereitstellung von Mitteln für öffentliche Arbeiten, sowie die Bückzahlung von Anleihen in Zeiten guter Konjunktur und die Aufnahme von Anleihen zur Durchführung solcher Arbeiten in Depressionszeiten, wie überhaupt die Befolgung einer Geldpolitik, welche die Beschleunigung öffentlicher Arbeiten in Krisenzeiten ermöglicht.

In bezug auf die Einstellung von Arbeitskräften und die Eegelung der Arbeitsbedingungen empfiehlt die Konferenz die Einstellung der für die öffentlichen Arbeiten benötigten Arbeitskräfte durch die öffentlichen Arbeitsämter, die Gleichbehandlung von Ausländern, die ermächtigt sind, sich im Lande aufzuhalten, mit inländischen
Arbeitskräften, sofern die betreffenden Staaten Gegenrecht halten, und die Anpassung der Lohnsätze bei öffentlichen Arbeiten an das allgemeine Lohnniveau.

Stellungnahme der Schweiz. Die Durchführung öffentlicher Arbeiten zum Zwecke der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist ein Problem, das den Bundesrat seit langem beschäftigt. Schon in der Krise von 1921--1923 hat der Bund durch den Einsatz beträchtlicher Mittel für Arbeitsbeschaffungszwecke eine solche Politik verfolgt. Zu Beginn der Weltkrise erschien vorerst eine Vermehrung der öffentlichen Arbeiten nicht notwendig, da die private Bautätigkeit bis zum Jahre 1934 weit über dem Durchschnitt früherer Jahre

là lag. Erst beim. Nachlassen der privaten Bautätigkeit Ende 1934 wurde angefangen, durch Arbeitsbeschaffungsmassuahmen die öffentliche Bautätigkeit zu .fördern. Wenn im ganzen genommen den öffentlichen Arbeiten in der Schweiz bis vor kurzem keine so entscheidende Bedeutung als ausgleichendem Konjunkturfaktor beigemessen wurde, so ist dies namentlich darauf zurückzuführen, dass .die öffentlichen Arbeiten bisher nur etwa die Hälfte der privaten Bautätigkeit ausmachten und dass wir stets mit einem nicht unbeträchtlichen Kontingent ausländischer Saisonarbeiter bauten, so dass sich die Schwankungen im Beschäftigungsgrad: des Baugewerbes auf dem nationalen Arbeitsmarkt nicht allzu störend bemerkbar machten. Angesichts dessen konnte die Schweiz sich bei der Durchführung öffentlicher Arbeiten bisher von etwas anderen Gesichtspunkten als denjenigen der Empfehlungen der Internationalen Arbeitskonferenz leiten lassen, die sich nicht darauf beschränken, Arbeitsbeschaffungsmassnahmen für Zeiten ungünstiger Wirtschaftsverhältnisse vorzuschlagen, sondern darauf zielen, dass die öffentlichen Arbeiten überhaupt systematisch der Arbeitsbeschaffung und Krisenbekämpfung dienstbar gemacht werden, dadurch, dass solche Arbeiten in guten Jahren zurückgestellt und dafür in Krisenzeiten vermehrt werden. In dieser Beziehung hat sich jedoch in den letzten Jahren bei uns manches geändert. Der prozentuale Anteil der öffentlichen Arbeiten am gesamtschweizerischen Bauvolumen ist als Folge des Bückganges der privaten Wohnbautätigkeit grösser geworden^ Anderseits wirken sich die Schwankungen der privaten Bautätigkeit infolge des Wegfalls der ausländischen Saisonarbeiter unmittelbar auf den. einheimischen Arbeitsmarkt aus. Deshalb verdienen die genannten Vorschläge der Arbeitskonferenz nunmehr auch unserseits Beachtung.

Die erste Empfehlung der Internationalen Arbeitskonferenz befasst sich mit der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der öffentlichen Arbeiten. Von einer solchen Zusammenarbeit wird man sich für die Schweiz vorerst nicht allzu viel versprechen dürfen. Insbesondere zweifeln wir daran, ob es möglich sein wird, auf diesem Wege internationale Projekte, wie Strassen, Flusskorrektionen, Seeregulierungen usw., zu fördern. Dagegen scheint es wertvoll zu sein, einen internationalen Gedanken- und Erfahrungsaustausch
auf diesem wichtigen Gebiet herbeizuführen, um auf diese Weise die Massnahmen und Erfahrungen anderer Länder kennenzulernen. In diesem Sinne begrüssen wir die Empfehlung und. die Eesolution der Internationalen Arbeitskonferenz. Wir werden uns deshalb an der in Aussicht genommenen Zusammenarbeit beteiligen.

Näher berührt uns die zweite Empfehlung betreffend die planmässige Durchführung öffentlicher Arbeiten. Wir sind uns dabei der Schwierigkeiten, die der Verwirklichung dieses Gedankens in unserm föderalistischen Bundesstaat entgegenstehen, durchaus bewusst. Träger der öffentlichen Arbeiten sind vor allem die Kantone und die Gemeinden, so dass der Bund sich darauf wird. beschränken müssen, auf diese in dem Sinne einzuwirken, dass sie bei der Bereitstellung und Durchführung ihrer öffentlichen Arbeiten vermehrt

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den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes Kechnung tragen; auch die Subventionen des Bundes können noch in vermehrtem Masse diesem Gedanken dienstbar gemacht werden. Was .das zentrale Organ betrifft,- das nach dem Vorschlage der Internationalen Arbeitskonferenz zu diesem Zwecke zu schaffen wäre, so besteht ein solches bei uns schon. Es ist dies die.Zentralstelle für Arbeitsbeschaffung. Ihr wurde insbesondere die in Art. l des Bundesbeschlusses vom 21. Dezember .1984 über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung umschriebene Aufgabe zugewiesen: «für eine einheitliche, den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes Eechnung tragende zeitliche und örtliche Verteilung der öffentlichen, und soweit möglich, auch der hiezu geeigneten privaten Arbeitsgelegenheiten zu sorgen». Die Zentralstelle für Arbeitsbeschaffung wird sich weiterhin dieser Aufgabe widmen und dabei auch den oben erwähnten Empfehlungen der Internationalen Arbeitskonferenz, soweit es sich unter Berücksichtigung unserer Verhältnisse als zweckmässig und durchführbar erweist, Eechnung tragen. Neue gesetzliche Grundlagen brauchen hiefür nicht geschaffen zu werden.

4. Mindestalter îiir die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit.

Als eine vom Verwaltungsrat beantragte Revision war die Frage der teilweisen Abänderung des «Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit» vom Jahre 1919 x) eines derjenigen Geschäfte, die in einer einzigen Beratung zu behandeln waren. Als Hauptrevisionspunkt war die Erhöhung der Mindestaltersgrenze von 14 auf 15 Jahre vorgesehen. Ausserdem waren vorn Internationalen Arbeitsamt unter Berücksichtigung der von einer Reihe von Regierungen der Mitgliedstaaten eingegangenen Vernehmlassungen mehrere andere Vorschläge in einem Bericht vorgelegt worden. Die Konferenz überwies diesen Bericht einer Kommission, in welcher auch die schweizerische Regierungsdelegation vertreten war. Entsprechend den vom Bundesrat erteilten Instruktionen und im Hinblick auf die vor den Räten befindliche Gesetzesvorlage vom 11. Mai 1937 über das Mindestalter der Arbeitnehmer konnte schweizerischerseits den meisten Abänderungsvorschlägen zugestimmt werden. Das in Behandlung stehende Übereinkommen ist eines von denjenigen, die unser Land bisher ratifizieren konnte. Ina Hinblick auf die führende Rolle, welche die Schweiz gemeinsam mit England in bezug auf die Einschränkung der Kinderarbeit von jeher inné hatte, wäre es wünschenswert, dass sie auch dem revidierten Übereinkommen wieder beitreten könnte. Unsere Vertreter widersetzten sich daher einem in der Kommission von Arbeitnehmerseite eingebrachten Vorschlag, die Bestimmungen des Übereinkommens auf alle Familienbetriebe auszudehnen, während bisher «Betriebe, in denen lediglich Mitglieder derselben Familie beschäftigt sind», x ) Siehe Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschlüsse der ersten Internationalen Arbeitskonferenz, abgehalten in Washington vom 29. Oktober bis 29. November 1919, vom 10. Dezember 1920 (Bundesbl. 1920, Bd. V, S. 455, 458, 568).

15 von den Vorschriften ausgenommen waren. Das Übereinkommen beschlägt nicht nur Fabrikbetriebe, sondern auch die bei uns durch das Bundesgesetz vom 31. März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben erfassten Betriebe, unter denen sich eine grosse Zahl kleiner und kleinster Unternehmungen befinden. Mit ihren Bemühungen in bezug auf die Beibehaltung der jetzigen Eegelung ist die Schweiz indessen nur teilweise durchgedrungen.

Die Konferenz stimmte dem abgeänderten Übereinkommen, dessen Wortlaut Sie in der Beilage (S. 72) finden, mit 98 gegen 18 Stimmen zu. Auch die schweizerischen Eegierungsdelegierten stimmten dafür. Im Anschluss daran nahm die Konferenz noch eine «Empfehlung betreffend das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in Familienbetrieben» an, deren Wortlaut ebenfalls in der Beilage (S. 84) abgedruckt ist.

Abgeändertes Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit und zugehörige Empfehlung.

Inhalt des Übereinkommens und der Empfehlung. Das Übereinkommen ist in folgenden Punkten geändert worden: a. Das Mindestalter wurde von 14 auf 15 Jahre erhöht (Art. 2, Abs. 1).

6. Die nationale Gesetzgebung kann die Ausnahme von Familienbetrieben gestatten, sofern es sich nicht um Verrichtungen handelt, die für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der Beschäftigten gefährlich sind (Art, 2, .

Abs. 2).

c. In den unterstellten Betrieben ist ein Verzeichnis aller Arbeitnehmer unter 18 Jahren (im bisherigen Übereinkommen 16 Jahren) zu führen (Abs. 4).

d. Die nationale Gesetzgebung muss für Beschäftigungen, die für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit gefährlich sind, ein oder mehrere über 15 Jahre gelegene Altersgrenzen festsetzen oder die Befugnis hiezu einer geeigneten Behörde übertragen (neu Art. 5).

e. Die Spezialbestimmungen für Japan, Indien und China wurden verändert (Art. 6--9).

/. Die auf Eatifikation, Inkrafttreten und Kündigung bezüglichen sogenannten Stilklauseln (Schlussbestimmungen) wurden in ihrer in den Jahren 1929 und 1933 von der Konferenz geänderten Form aufgenommen.

In der anschliessenden Empfehlung wird den Mitgliedstaaten nahegelegt, die Gesetzgebung über das Mindestalter ausnahmslos auf alle Familienbetriebe anzuwenden.

Stellungnahme der Schweiz. Die Frage, ob die Schweiz
auch dem revidierten Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern; zur gewerblichen Arbeit beitreten kann, ist heute noch nicht spruchreif.

Im Bestreben, dies baldmöglichst abklären zu können, haben wir schon im Mai 1937 den Entwurf eines Mindestaltergesetzes den Eäten unterbreitet. Bevor

16 das Schicksal dieser Vorlage entschieden ist, kann ein' Beschluss über eine etwaige Ratifikation nicht gefasst werden.

Der Entwurf entspricht weitgehend dem revidierten Übereinkommen.

Insbesondere erfüllt er die Hauptbedingung der Mindestaltersgrenze von 15 Jahren. Nur in zwei unwichtigen Punkten unterscheidet sich die schweizerische, in Kraft stehende und vorgesehene Eegelung von den internationalen Vorschriften : a. Die Ausnahme für Familienangehörige. Das internationale Übereinkommen beschränkt in Art. 2 die Ausnahme für Familienbetriebe auf diejenigen Unternehmungen bzw. Arbeiten, bei denen die äussern Verhältnisse und die verrichtete Arbeit das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichke't der dabei beschäftigten Personen nicht gefährden. Sofern eine Gefährdung in einer der drei genannten Arten vorliegt, ist auch der Familienbetrieb zu unterstellen.

Die unter das eidgenössische Fabrikgesetz fallenden industriellen Betriebe, unter denen sich in erster Linie solche befinden dürften, die Leben und Gesundheit gefährden, entsprechen dieser Forderung. In diesen Betrieben ist lückenlos alle Kinderarbeit ausgeschlossen, sei es diejenige von eigenen oder von fremden Kindern. Art. 70, Abs. 2, des Fabrikgesetzes verbietet den Aufenthalt von Kindern unter 14 Jahren in den Arbeitsräumen. Auch eigene Kinder des Fabrikinhabers dürfen diese nicht betreten. Im Entwurf für ein Mindestaltergesetz ist vorgesehen: «Der Aufenthalt in den Arbeitsräumen ist Kindern, die das 15. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, nicht gestattet.» Betriebe, in denen atisschliesslich Familienangehörige des Betriebsinhabers arbeiten, sind durch die Vollziehungsverordnung (Art. 3 aWs) von der Unterstellung unter das Gesetz allerdings ausgenommen.

In den dem Fabrikgesetz nicht unterstellten Gewerbebetrieben wurde bisher eine auch dem revidierten Übereinkommen entsprechende Einschränkung nicht gemacht. Das Bundesgesetz über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben nimmt alle Betriebe aus, in denen nur Mitglieder einer und derselben Familie arbeiten (Art. l, 2, Abs. 2). Auch der Entwurf für ein Mindestaltergesetz sieht eine strengere Behandlung der gewerblichen Betriebe mit Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit nicht vor.

Er befreit alle, ohne Eücksicht auf eine allfällige besondere
Gefährdung der Arbeitnehmer. Bei den Gewerbebetrieben, deren Beglernentierung in Ausführung des Übereinkommens durch das erwähnte Bundesgesetz von 1922 erfolgte und die zukünftig unter das Mindestaltergesetz fallen sollen, handelt es sich mehrheitlich um Klein- und Mittelbetriebe, die weniger Unfallgefahr bieten als die Fabrikbetriebe. Immerhin gehören unter dieses Bundesgesetz und, nach seiner allfälligen Annahme, ebenso unter das Mindestaltergesetz auch das Baugewerbe, die nicht mit Fabriken zusammenhängenden Bergwerke und Steinbrüche und der Verkehr (Beförderung von Personen und Gütern). Diese Erwerbszweige sind unterstellt, ohne Eücksicht auf die Arbeiter-

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zahl der Betriebe. Dagegen fallen das Gastgewerbe, der Wanderhandel und die Vergnügungsstätten, deren Betriebe in der Eegel als solche bezeichnet werden, in denen Kinder und Jugendliche sittlicher Gefährdung ausgesetzt sind, nicht unter das vorliegende Übereinkommen und brauchen in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt zu werden. Im Bereich der internationalen Regelung werden diese Erwerbszweige zu den «nichtgewerblichen» gerechnet.

fe. Ausnahmen von der Mindestaltersgrenze. Eine weitere geringfügige Differenz besteht in bezug auf die Unterschreitung der Mindestaltersgrenze bei gewissen Arbeiten. Das Übereinkommen lässt keinerlei Ausnahmen nach unten zu. Auch das Fabrikgesetz enthält keinerlei Einbruch in die Mindestaltersgrenze von 14 oder, bei Annahme des Entwurfes vom Mai 1937, von - ! <5 Jahren. Für die übrigen gewerblichen Arbeiten sieht der Entwurf für ein Mindestaltergesetz dagegen vor, dass Kinder vom vollendeten 13. Altersjahr an in den Gewerbebetrieben, die dem Bundesgesetz über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen. Personen unterstehen, für Botengänge herangezogen werden können (Art. 6, Abs. 1). In den gleichen Betrieben sollen Kinder, die das 14. Altersjahr vollendet haben, während lang andauernden, über das übliche Ferienmass hinausgehenden Unterbrechungen des Schulbesuches zu leichten Hilfsarbeiten zugezogen werden können (Art. 6, Abs. 2).

.In diesem Punkte entspricht unser Gesetzesentwurf den schweizerischen Verhältnissen. Ausläuferarbeit neben der Schule und Ferienarbeit in den Kantonen, wo überaus lange Schulunterbrechungen über den Sommer üblich sind, werden nicht sobald zum Verschwinden gebracht werden können. Eine Änderung ist kaum zu empfehlen, da sonst häufige Umgehungen zu befürchten sind.

Beim vorliegenden wie beim Übereinkommen betreffend die nichtgewerbliche Arbeit hatte sich die von der Arbeitskonferenz eingesetzte Kommission mit einer im Vorentwurf des Internationalen Arbeitsamtes beantragten Bestimmung zu befassen, wonach für Kinder zwischen dem 14. und dem 15. Altersjahr unter besondern Voraussetzungen Zeugnisse ausgestellt werden können, auf Grund welcher eine Beschäftigung, die dem Kinde zum Vorteil gereichen kann, zulässig gewesen wäre. Diese Ausnahme, die eine Anpassung des Übereinkommens an die englischen Verhältnisse darstellte, hätte auch für
die erwähnten Fälle, wo die schweizerische Gesetzgebung Ausnahmen vorsehen muss, eine Lösung gebracht. Sie wäre, mindestens bei den nichtgewerblichen Berufen, im Hinblick auf die Erhöhung des Mindestalters auf 15 Jahre angezeigt gewesen, wurde aber hier wie dort nicht aufgenommen.

Auch bei diesem Punkt handelt es sich um eine sehr geringe Abweichung vom internationalen Übereinkommen, und es muss einmal mehr festgestellt werden, dass es durchaus zu begrüssen wäre, wenn die Internationale Arbeitsorganisation in ihren Erlassen den praktischen Verhältnissen in den Mitgliedstaaten besser Eechnung tragen könnte, als dies manchmal geschieht.

Wichtig ist, dass grundsätzlich die Mindestaltersgrenze von 15 Jahren grösstBundesblatt. 90. Jahrg. Bd. II.

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18 mögliche Verbreitung findet. Geringfügige Abweichungen, wie die eben erwähnte, sollten in die nationale Gesetzgebung aufgenommen werden können.

Auf Grund der vorliegenden Darlegungen beantragen wir, vorläufig von einer Stellungnahme zum abgeänderten «Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit» abzusehen.

Nach dem Entscheid über das Schicksal unserer Mindestaltergesetzesvorlage werden wir Ihnen erneut Bericht erstatten.

5. Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur nichtgewerblichen Arbeit.

Auch die Abänderung des «Übereinkommens über das Alter für die Zulassung von Kindern zu nichtgewerblichen Arbeiten» vom Jahre 1932 bildete ein Traktandum, das in einmaliger Diskussion zu erledigen war. Nach dem Bericht des Internationalen Arbeitsamtes, den die Konferenz derselben Kommission überwies wie den Bericht über das Mindestalter in gewerblichen Betrieben, war auch für das abgeänderte Übereinkommen betreffend die nichtgewerblichen Berufe hauptsächlich eine Erhöhung des Mindestalters von 14 auf 15 Jahre vorgesehen.

Schon in ihrer Antwort auf eine der Konferenz vorausgehende, vom Internationalen Arbeitsamt veranstaltete schriftliche Befragung der Mitgliedstaaten hatte die schweizerische B-egierung vor einer übereilten Eevision gewarnt. Das im Jahre 1932 abgeschlossene Übereinkommen war bis zum 81. Dezember 1936 nur von 6 Staaten (Belgien, Cuba, Niederlande, Österreich, Spanien, Uruguay) ratifiziert worden, und es durfte vermutet werden, dass auch in diesem Falle geringfügige Nebenpunkte den Beitritt anderer Länder verhinderten.

Über die Gründe, die der Schweiz die Ratifikation vorläufig verunmöglichen, haben wir in unserm Bericht vom 25. April 1933 über die 16. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz Aufschluss gegeben1). Wir haben dort das Hauptgewicht auf die formell-rechtlichen Hindernisse gelegt, indem wir geltend machten, dass die verfassungsmässige Grundlage für die Einbeziehung des privaten Hausdienstes vorderhand fehle. Im Laufe der Vorbereitung unseres Entwurfes zum Mindestaltergesetz sind wir jedoch zur Auffassung gelangt, dass auch sachliche Gründe vorliegen, um den privaten Hausdiejnst als Erwerbsmöglichkeit für Kinder, die vor dem vollendeten 15. Altersjahr die Primarschule verlassen, zu erhalten. Ferner erwiesen sich die im
Übereinkommen vorgesehenen Ausnahmen für Kinder unter 15 Jahren und die Reglementierung dieser Ausnahmearbeit für unsere Verhältnisse in einzelnen Punkten als zu starr.

Wir schlugen daher in unserer Antwort an das Internationale Arbeitsamt vor, dass anlässlich einer Änderung des Übereinkommens auf jeden Fall zu prüfen sei, ob nicht die Ratifikation des Übereinkommens durch Beschränkung des Geltungsbereiches und durch die Zulassung gewisser Ausnahmen erleichtert !) Bundeabi. 1933, Bd. I, S. 690.

19 werden könnte. Diesem Vorschlag ist vom Verwaltungsrat und vom Internationalen Arbeitsamt nicht Eechnnng getragen worden.

Nachdem aus dem Bericht des Internationalen Arbeitsamtes hervorging, dass nur wenige Begierungen, die dem Amt auf seine Umfrage geantwortet hatten, der Eevision sympathisch gegenüberstanden oder hoffen konnten, dem revidierten Übereinkommen mit der Mindestaltersgrenze von 15 Jahren beizutreten, machte unsere Begierungsvertretung in der Kommission den Versuch, die Eevision noch ein Jahr hinauszuschieben in der Meinung, dass in der Zwischenzeit weitere Eevisionspunkte geprüft werden könnten, die denjenigen Staaten den Beitritt zum Übereinkommen erleichtern würden, die grundsätzlich bereit wären, das Mindestalter von 15 Jahren einzuführen, sich aber an gewissen Einzelbestimmungen des ziemlich detailliert gestalteten Übereinkommens stossen.

Leider drang der dahingehende Antrag in der Kommission nicht durch.

Das abgeänderte Übereinkommen über das Mindestalter bei nichtgewerblichen Arbeiten wurde von der Konferenz mit 81 gegen 22 Stimmen angenommen.

Die schweizerischen Eegierungsdelegierten enthielten sich der Stimme.

Die Konferenz nahm ferner eine Eesolution an, die in Anlehnung an eine im Jahre 1935 aufgestellte «Empfehlung betreffend die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen»1) einlässliche jährliche Statistiken über die Berufsarbeit von Kindern verlangt, die sich noch in schulpflichtigem Alter befinden. Diese Statistiken sollen Aufschluss geben über Alter und Geschlecht der Kinder, über den Beruf, in dem die Arbeit verrichtet wurde, ferner über Jahreszeit und Wochentage, an denen das Kind tätig war, sowie über Zahl und Verteilung der Arbeitsstunden.

Schon im Jahre 1933 bei Ausarbeitung der erwähnten Empfehlung hatte die schweizerische Eegierungsdelegation versucht, ihren Einfluss dahin geltend zu machen, dass statt jährlicher allgemeiner Statistiken über dieses Gebiet einzelne monographische Erhebungen vorgesehen würden. Zur Begründung dieses Antrages, konnte darauf hingewiesen werden, dass die gewünschten Statistiken auf grosse erhebungstechnische Schwierigkeiten stossen müssen.

Zuverlässige Angaben sind auf diesem Gebiet schwer erhältlich, da auf die Aussagen der Schulkinder selbst nicht abgestellt werden kann und Überprüfungen beim Arbeitgeber und bei den Eltern nötig
werden. Eine Klassifikation und statistische Verarbeitung erteilter Arbeitsbewilligungen hätte zur Voraussetzung, dass gesetzlich das System solcher Arbeitsbewilligungen für schulpflichtige Kinder eingeführt ist, und selbst, wo dieses vorhanden, kann eine Statistik der Bewilligungen nicht die in der.Eesolution gewünschten Erhebungen über die tatsächlich verrichtete Kinderarbeit, die mit der bewilligten nicht identisch ist, ersetzen. Die schweizerische Begierungsvertretung hat sich daher in der Kommission gegen die Besolution ausgesprochen.

!) Bundesbl. 1936, Bd. I, S. 795.

20 Abgeändertes Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern au nichtgewerUichen Arbeiten.

Inhalt des Übereinkommens.

Das abgeänderte Übereinkommen unterscheidet sich vom ursprünglichen in folgenden Punkten: a. Das Mindestalter wurde von 14 auf 15 Jahre erhöht (Art. 2).

b. Die Mindestaltersgrenze für leichte Arbeiten, die neben der Schule gestattet sind, wurde auf 13 Jahre heraufgesetzt (Art. 3, l und 2).

G. Eine Bestimmung, wonach es der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibt, die tägliche Maximalstundenzahl für Kinder von 14--15 Jahren festzusetzen, wurde aufgenommen (Art. 3, 3).

d. Die Umschreibung der «Nacht», die für Kinder unter 14 Jahren schon im Übereinkommen von 1932 auf mindestens 12 aufeinanderfolgende Stunden, welche den Zeitraum zwischen 8 Uhr abends und 8 Uhr morgens in sich schliessen, festgesetzt war, wurde für die Kinder von 14--15 Jahren der Landesgesetzgebung überlassen, wobei aber ebenfalls ein Minimum von 12 Stunden vorgesehen ist. In tropischen Ländern kann diese Dauer verkürzt werden unter der Voraussetzung, dass eine Kompensation während der Tagesstunden eingeräumt wird (Art. 3, 5 b).

e. Ein Arbeiterverzeichnis, welches die Geburtsdaten aller Personen unter 18 Jahren enthalten soll, wurde vorgeschrieben (Art. 7 b).

f. Die Ausnahmebestimmungen für Indien wurden abgeändert (Art. 9).

g. Die Stilklauseln (Schlussbestimmungen) wurden in ihrer in den Jahren 1929 und 1933 von der Konferenz geänderten Form aufgenommen.

Stellungnahme der Schweiz. In unserm Bericht vom 25. April 1933 über die 16. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz *) haben wir darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Grundlagen fehlen, welche die Eatifikation dieses Übereinkommens gestatten würden, und dass in bezug auf den unterstellten privaten Hausdienst auch die Bundesverfassung der Eidgenossenschaft keine Befugnis einräumt.

Der Entwurf für ein Mindestaltergesetz würde, sofern er in Kraft tritt, die gesetzmässige Lücke auch in bezug auf das revidierte Übereinkommen weitgehend ausfüllen. Wir haben schon in der Botschaft vom 11. Mai 1937 zu diesem Gesetz darauf hingewiesen (Abschnitt V) 2). Immerhin dürfte es schwer halten, die Ausnahmen, die wir für leichte Kinderarbeit unter 15 Jahren vorsehen müssten, ganz in Übereinklang zu bringen mit den Vorschriften des internationalen
Erlasses.

Auch würde die verfassungsmässige Grundlage für den Einbezug des privaten Hausdienstes durch Annahme des zurzeit vor den Bäten liegenden neuen Verfassungsartikels geschaffen. Art. 34ter, Abs. l, unseres mit Botschaft -) Bundesbl. 1933, Bd. I, S. 685.

!

) Bundesbl. 1937, Bd. I, S. 853.

21 vom 10. September 1937 den Bäten unterbreiteten Entwurfes überträgt dem Bund die Befugnis, «zum Schutze der Arbeitnehmer... auf dem Wege der Gesetzgebung einheitliche Bestimmungen aufzustellen». Diese Vorschrift gilt ohne Zweifel auch für die Arbeitnehmer im privaten Hausdienst. Wir haben jedoch schon in der Botschaft zum Mindestaltergesetz (Abschnitt IV, Absatz 4)1) darauf hingewiesen, dass auch sachliche Gründe für eine Ausnahme von Haus-, Land-, und Forstwirtschaft von den Mindestaltersbestimmungen sprechen und dass auch aus andern Erwägungen die Eatifikation nicht ohne weiteres möglich sein werde (Abschnitt V, Absatz 1) 2). Indem wir auf jene Darlegungen verweisen, beantragen wir, auch für dieses Übereinkommen die Batifikationsfrage bis zu dem Zeitpunkt zu vertagen, da das Schicksal des Mindestaltergesetzes entschieden sein wird.

III. Die übrigen wichtigeren Traktanden der Konferenz.

Bericht des Direktors. Der Bericht des Direktors war wie in den vergangenen Jahren wieder hauptsächlich den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Fragen gewidmet. Er beleuchtet Umfang und Grenzen der bisherigen Wirtschaftsbelebung, legt die Lehren dar, die sich aus den Erfahrungen der Krise ziehen lassen, befasst sich mit einer Eeihe besonders charakteristischer Gegenwartserscheinungen, wie dem stark ausgeprägten Drang zur Autarkie und der Tendenz zu staatlicher Intervention auf wirtschaftlichem Gebiete.

Ein besonderes Kapitel behandelt wiederum die Entwicklung der Internationalen Arbeitsorganisation im Berichtsjahr. Wie immer gab der Bericht Anlass zu einer ausgiebigen Diskussion im Plenum der Konferenz; es beteiligten sich daran nicht weniger als 73 Eedner, wovon rund die Hälfte Vertreter aussereuropäischer Staaten waren.

Ganz allgemein verdient als bemerkenswerte Tatsache das wachsende Interesse festgehalten zu werden, das die aussereuropäischen Staaten der Internationalen Arbeitsorganisation entgegenbringen. Die Arbeitskonferenz der amerikanischen Länder, die zu Beginn des Jahres 1936 in Santiago in Chile stattfand, haben wir schon in einem früheren Berichte erwähnt. Ebenso wurde oben bereits genannt die Textilkonferenz in Washington vom Jahre 1937 ; sodann ist zu erwähnen eine Eesolution betreffend Arbeitskonferenz und Ausschuss für die asiatischen Länder (s. S. 23). In verschiedenen aussereuropäischen
Staaten, so besonders in den Staaten Südamerikas, geht mit der Entwicklung in der Industrie auch ein starkes Bedürfnis nach einem Ausbau des Arbeitsrechtes Hand in Hand ; bei der Ausarbeitung dieser Gesetzgebung wurde das Internationale Arbeitsamt verschiedentlich um seine Mitwirkung ersucht. In diesem Zusammenhang ist ferner zu nennen eine Einladung der Südafrikanischen Union an den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes, eine !) Bundesbl. 1937, Bd. I, S. 867.

») Bundesbl, 1937, Bd. I, S. 869,

22 Delegation seiner Mitglieder zu entsenden, um an Ort und Stelle die Arbeitsverhältnisse der Eingeborenen kennenzulernen, und eine Reise, die der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, ebenfalls einer Einladung folgend, Ende 1937 nach dem fernen Osten unternommen hat.

Berichterstattung über die ratifizierten Übereinkommen. Zur Prüfung der von den Mitgliedstaaten, auf Grund von Art. 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (Art. 408 des Versailler Vertrages) alljährlich zu erstattenden Berichte über die Durchführung der von ihnen ratifizierten Übereinkommen setzte die Konferenz wie üblich eine besondere Kommission ein, in der auch die schweizerische Regierung vertreten war. Der Bericht der Kommission, der von der Konferenz einstimmig angenommen wurde, und die Ausserungen der Diskussionsredner brachten zu einem guten Teil die Wiederholung dessen, was bei diesem Gegenstande immer wieder festzustellen ist: dass eine grössere Zahl von Berichten überhaupt nicht oder erst verspätet eingetroffen sei (gegenüber dem letzten Jahr war diesmal ein Bückschritt zu verzeichnen), dass der Ratifikation eines Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation dieselbe Bedeutung zukommt wie der-Ratifikation eines andern internationalen Staatsvertrages und dass sie vor allem andern die volle Übereinstimmung der nationalen Gesetzgebung mit dem zu ratifizierenden Übereinkommen voraussetze, dass aber auch diese Übereinstimmung an sich nicht genüge, sondern auch für eine zuverlässige Durchführung der gesetzlichen Vorschriften und deshalb für eine wirksame Arbeitsaufsicht gesorgt werden müsse. Gegenüber der da und dort vertretenen Meinung, dass die Ratifikation eines Übereinkommens an sich schon genüge, um diesem die Wirksamkeit und Durchführung im Gebiete des ratifizierenden Staates zu sichern, wurde schweizerischerseits betont, dass die blosse Ratifikation häufig durchaus ungenügend sei, so namentlich in den Ländern mit bundesstaatlicher Verfassung, und gleichsam wirkungslos in der Luft schwebe, solange nicht durch den Erlass entsprechender gesetzlicher Vorschriften verbunden mit Sanktionen die praktische Verwirklichung des Übereinkommens sichergestellt werde.

Die Bedeutung der Kommission für die Prüfung der Durchführung der Übereinkommen und gewisse organisatorische Mängel, die sich bemerkbar
gemacht hatten -- die Konferenz war meist erst ga.nz am Schlüsse ihrer Tagungen dazu gelangt, den Bericht dieser Kommission zu behandeln --· veranlasste die Konferenz, eine besondere Bestimmung in ihr Reglement aufzunehmen, welche vorsieht, dass die Kommission jeweils so rasch als möglich gebildet werde, um eine Behandlung des Gegenstandes zu ermöglichen, die seiner Wichtigkeit entspricht. .

Beglement. Ausser dieser soeben erwähnten Änderung ihres Reglements beschloss die Konferenz eine zweite Ergänzung betreffend das Verfahren, das bei Einreichung von Vorschlägen zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation einzuschlagen sei.

23

Besolutionen.. -Wie in früheren Jahren -wurde wieder eine Anzahl Besolutionen der Konferenz unterbreitet und von ihr angenommen. Sie betrafen folgende Fragen: Herstellung einer Sammlung internationaler Verträge und einzelstaatlicher Vorschriften durch das Internationale Arbeitsamt betreffend die Sozialversicherung der Wanderarbeiter, Spezialprobleme im Gebiete des sozialen Schutzes der eingeborenen Arbeitnehmer, vermehrter Gesetzesschutz für die Arbeit der Frauen, Durchführung einheitlicher Arbeitsschutzmassnahmen in China, Stellung Birmas im Bahmen der Internationalen Arbeitsorganisation als Folge seiner Abtrennung von Indien, Pflicht zur Vorlage der Konferenzbeschlüsse durch die Mitgliedstaaten an die nach der Landesgesetzgebung zuständigen Stellen, Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Asien (Intensivierung der Bemühungen zur Einberufung einer vorberatenden Arbeitskonferenz und zur Schaffung eines besondern Ausschusses für die asiatischen Länder).

Verschiedene andere Eesolutionen standen im Zusammenhang mit den Haupttraktanden der Konferenz und sind bereits. erwähnt worden.

Erneuerung/ des Verwaltungsrates. Nach -dem reglementarischen dreijährigen Turnus hatte die Konferenz den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes neu zu bestellen. Der seit dem Jahre 1934 geltenden Begelung entsprechend 1) waren 32 Mitglieder zu wählen, wovon 16: Begierungsvertreter und je 8 Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Von den 16 Begierungsdelegierten waren bestimmungsgemäss. 8 durch die Mitgliedstaaten zu ernennen, denen wirtschaftlich die grossie Bedeutung zukommt, und 8: durch die Mitgliedstaaten, die zu diesem Zweck an der Konferenz von den Begierungsvertretern -- unter Ausscbluss der Vertreter der erwähnten 8 Staaten -- bezeichnet werden. Von den 16 Begierungsvertretern müssen mindestens 6 aussereuropäische Staaten vertreten sein. Die 8 Mitgliedstaaten, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung ihren bisherigen ständigen Sitz im Verwaltungsrat behielten, waren: die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Italien, Japan, Kanada, Sowjetrussland (Kanada, das zu Beginn des Jahres 1935 zusammen mit Belgien seinen Verwaltungsratssitz verlor, als die nordamerikanische Union, und Sowjetrussland ', der Internationalen Arbeitsorganisation beigetreten waren,
war schon im selben Jahr wiederum erneut als ständiges Mitglied in den Verwaltungsrat zurückgekehrt, nachdem Deutschland seinen Bücktritt aus der Internationalen Arbeitsorganisation erklärt hatte). Als weitere 8 Staaten mit nicht ständigem Sitze wurden von den stimmberechtigten Begierungsdelegierten die folgenden bezeichnet: Brasilien, Chile, China, Jugoslawien, Mexiko, Norwegen, Polen, Spanien. Die Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Verwaltungsrat -wurden den Vorschriften entsprechend durch die Arbeitgeber- beziehungsweise Arbeitnehraervertreter an der Konferenz gewählt; die Schweiz ist in beiden Gruppen durch ein Ersatzmitglied vertreten.

!) Siehe Bericht über die 18. Tagung, Bundesbl. 1935, Bd. I, S. 982.

24

In Anbetracht dessen, dass die Art der Besetzung der nichtständigen Sitze der Mitgliedstaaten im Verwaltungsrat nach den bisherigen Erfahrungen nicht befriedigte, da dem Gesichtspunkt einer einigermassen gerechten Verteilung viel zu wenig Eechnung getragen wurde, ergriff die schweizerische Begierungsdelegation die Initiative, um womöglich eine Änderung dieses Zustandes herbeizuführen. Mit ihr zusammen unterbreiteten die Begierungsdelegierten einer Eeihe von Staaten, nachdem die Verwaltungsratswahl vollzogen war, der Gruppe der Eegierungsdelegierten an der Konferenz -- mit Ausnahme derjenigen Delegierten, welche die 8 wirtschaftlich bedeutendsten Staaten vertreten -- einen Vorschlag, durch den der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes eingeladen wird, zu prüfen, ob nicht die Frage der Abänderung der Geschäftsordnung der Konferenz in dem Sinne, dass für eine turnusmässige Besetzung der nichtständigen Begierungssitze im Verwaltungsrat gesorgt würde, der nächsten oder übernächsten Internationalen Arbeitskonferenz vorzulegen sei. Der Vorschlag wurde von der soeben genannten Gruppe der Begierungsvertreter einstirnmig angenommen und dem Verwaltungsrate übermittelt.

Es ist zu hoffen, dass er bald seine praktische Verwirklichung finde.

Berichterstattung des Verwaltungsrates über die Übereinkommen. Der Verwaltungsrat hatte der Konferenz über folgende Übereinkommen die in den Formalartikeln vorgesehenen periodischen Berichte erstattet: Übereinkommen über die Entschädigung bei Betriebsunfällen, Übereinkommen über die Entschädigung bei Berufskrankheiten, Übereinkommen über die Vereinfachung der Aufsicht über die Auswanderer an Bord von Schiffen und Übereinkommen über die Zwangs- oder 'Pflichtarbeit. Diese Berichterstattung bezieht sich jeweils auf die Durchführung der betreffenden Konvention und die Frage, ob deren gänzliche oder teilweise Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz zu setzen sei. Der Verwaltungsrat hatte diese Frage im vorliegenden Fall für alle vier Übereinkommen verneint, so dass sich die Konferenz nicht näher damit zu befassen hatte.

Zum Schluss möchten wir noch erwähnen, dass bei Anlass der Konferenztagung, über die wir Ihnen berichtet haben, ein Denkmal zu Ehren des ersten Direktors des Internationalen Arbeitsamtes, Albert Thomas, der am 7. Mai 1932 gestorben ist, in
Anwesenheit der Delegierten an der Konferenz, der Genfer Behörden, des Völkerbundsrates und einer grossen Zahl anderer Persönlichkeiten feierlich eingeweiht wurde.

Nach Art. 22, Abs. 5, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (Art. 405, Abs. 5 des Versaillervertrages) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, nicht später als ein Jahr oder ausnahmsweise spätestens 18 Monate nach Schluss der Konferenz die Entwürfe von Übereinkommen und die Empfehlungen der zur Entscheidung darüber berufenen Behörde zu unterbreiten

25 zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen. Wir legen Ihnen demgemäss die übereinkommen und Empfehlungen der 21., 22. und 23. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz vor und bitten Sie, von den vorstehenden Ausführungen in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen. Dabei möchten wir nicht unterlassen, noch besonders zu erwähnen, dass es uns nicht möglich war, früher Bericht zu erstatten, da die vom Internationalen Arbeitsamt besorgte deutsche Übersetzung der Beschlüsse der 23. Tagung soeben erst erschienen ist.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 13. Juni 1938.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Baumann.

Der Bundeskanzler:

G. Boret.

Beilagen.

26 Beilage.

Einimdzwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Genf, 6. bis 24. Oktober 1936.)

Entwürfe von Übereinkommen und Empfehlungen der Konferenz.

Seite 1. Empfehlung (Nr. 48) betreffend die Verbesserung der Aufenthaltsverhältnisse der Schiffsleute in den Häfen 2. Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 53) über das Mindestmass beruflicher Befähigung der Schiffsführer und Schiffsoffiziere auf Handelsschiffen 8. Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 54) über den bezahlten Jahresurlaub für Schiffsleute 4. Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 55) über die Verpflichtungen des Eeeders bei Krankheit, Unfall oder Tod von Schiffsleuten 5. Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 56) über die Krankenversicherung der Schiffsleute -. . .

6. Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 57) über die Arbeitszeit an Bord von Schiffen und die Besatzungsstärke 7. Empfehlung (Nr. 49) betreffend die Arbeitszeit an Bord von Schiffen und die Besatzungsstärke

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81 36 41 47 52 62

Die nachfolgend abgedruckten deutschen Texte der Entwürfe von Übereinkommen und der Empfehlungen bilden die in Übereinstimmung mit dem § 17 des Artikels 6 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigten offiziellen Übersetzungen der französischen und englischen Urtexte.

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Empfehlung (Nr. 48) betreffend die Verbesserung der Aufeuthaltsverhältnisse der Schifisleute in den Häfen.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwältungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Oktober 1936 zu ihrer einundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Verbesserung der Aufenthaltsverhältnisse der Schiffsleute in den Häfen, eine Frage, die den dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Oktober 1936, folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die Aufenthaltsverhältnisse der Schiffsleute in den Häfen, 1936, bezeichnet wird.

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Die Konferenz geht davon aus, dass die Schiffsleute auf Grand der Eigenart ihres Berufes während oft langer Zeiträume die Vorzüge des Familienlebens entbehren müssen, dass sie während des Aufenthaltes in den Häfen, namentlich im Ausland, unter Umständen besonderen Gefahren und Schwierigkeiten ausgesetzt sind und dass sie nicht immer an den Massnahmen Anteil haben können, die für die Benützung der Freizeit, die Förderung der Wohlfahrt und die Erhaltung der Gesundheit der Arbeitnehmer im allgemeinen getroffen worden sind.

Sie ist sich bewusst, dass bestimmte Eegierungen und verschiedene private Vereinigungen mit Erfolg verschiedene Massnahmen getroffen haben, .um besonders den Schiffsleuten während des Aufenthaltes in den Häfen zu helfen und sie zu schützen, dass aber ein solcher Schutz auf eine möglichst grosse Zahl von Schiffsleuten ausgedehnt werden sollte.

Sie weist darauf hin, dass es bei voller Würdigung der Unterschiede in den einzelstaatlichen und örtlichen Bedürfnissen und Gebräuchen darauf ankommt, die hauptsächlichsten Bestrebungen dieser Art einzel- und zwischenstaatlich auszubauen und zusammenzufassen, ohne dabei zwischen den ver_schiedenen Bässen der Schiffsleute zu unterscheiden.

Die Konferenz empfiehlt deshalb jedem Mitgliede der Internationalen Arbeitsorganisation, die folgenden Grundsätze und Verfahren zur Verbesserung der Aufenthaltsverhältnisse der eigenen und der .ausländischen Schiffsleute in seinen Häfen zu erwägen.

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Teil I. -- Allgemeine Organisation.

1. Es ist erwünscht,
in jedem grossen Hafen eine amtliche oder amtlich anerkannte Stelle zu errichten, umfassend etwa die Vertreter der Beeder, der Schiffsleute, der staatlichen und örtlichen Verwaltungsbehörden und der hauptsächlichen beteiligten Verbände zur Erfüllung^besonders folgender^Aufgaben :

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a. Die Sammlung sämtlicher zweckdienlichen Auskünfte und Anregungen über die Aufenthaltsverhältnisse der Schiffsleute in den Häfen, soweit als möglich im Zusammenwirken mit den verschiedenen beteiligten Behörden und Einrichtungen, einschliesslich der Konsulatsbehörden der schiffahrttreibenden Staaten ; 6. die Beratung der zuständigen Verwaltungsstellen, Behörden und Verbände in bezug auf die Annahme, Anpassung und Zusammenfassung der Massnahmen zur Verbesserung dieser Verhältnisse; c. das Zusammenwirken im gegebenen Falle mit anderen zuständigen Stellen zur Verwirklichung dieser Massnahmen.

2. Um dem Internationalen Arbeitsamte zu ermöglichen, den Eegierungen der schiffahrttreibenden Staaten Auskunft zu erteilen und sie bei der Zusammenfassung ihrer Bestrebungen zu unterstützen, wäre es erwünscht, dass die Regierungen Fühlung mit dem Amte halten und ihm in Abständen von drei Jahren alle zweckdienlichen Angaben über ihre Erfahrungen bei der Verbesserung der Aufenthaltsverhältnisse der Schiffsleute in den Häfen und über die hierbei erzielten Fortschritte zugehen lassen.

Teil II. -- Begelung.

8. Gesetzliche oder Verwaltungsmassnahmen sollten zum Schutze der Schiffsleute vor den Gefahren getroffen werden, denen sie in gewissen Lokalen oder in den Docks selbst ausgesetzt sind. Diese Massnahmen sollten umfassen a. die Begelung des Verkaufes alkoholischer Getränke; b. das Verbot, in Schankstätten jugendliche männliche oder weibliche Personen unter einem bestimmten Alter zu beschäftigen; c. die Anwendung der Bestimmungen der internationalen Abkommen über die Beschränkung des Verkaufes und Genusses von Eauschgiften auf sämtliche Schiffsleute ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit; d. das Verbot des Betretens der Docks und ganz allgemein des Hafengebietes für unerwünschte Personen; e. die Absperrung der Hafenbecken und den Schutz der Bänder der Liegeplätze und Kais sowie der anderen gefährlichen Stellen der Docks durch feste oder bewegliche Umzäunung in allen Fällen, wo dies möglich ist; /. die angemessene Beleuchtung und, soweit dies erforderlich, die Aufstellung von Wegweisern zu den Hafenbecken und Zugängen.

4. Zur Sicherung einer strengen Durchführung und zur Erhöhung der Wirksamkeit der vorstehend bezeichneten Massnahmen sollte eine Aufsicht stattfinden, umfassend a. die Überwachung der Betriebe,
in denen alkoholische Getränke verkauft werden und, soweit es notwendig und möglich ist, der Hotels, Gasthöfe, Herbergen, Pensionen und sonstigen ähnlichen Betriebe in den Hafenvierteln;

29 l. die Überwachung der Personen, die sich an Bord begeben; sie könnte von den Schiffsführern und den Behörden gemeinsam durchgeführt werden und sich auch auf die Bootführer erstrecken, die die Verbindung mit den Schiffen herstellen, um zu verhindern, dass alkoholische Getränke oder Bauschgifte unrechterweise an Bord gebracht oder die Schiffe zu anderen verbotenen Zwecken betreten werden; c. die Unterhaltung angemessener, besonders ausgebildeter und ausgerüsteter Polizeikräfte in den Hafenvierteln, die mit den übrigen Aufsichtsstellen Fühlung halten sollten.

5. Zum besseren Schutz der ausländischen Schiffsleute sollten Massnahmen getroffen werden, um a. den Verkehr dieser Leute mit ihren Konsuln, b. eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den Konsuln und den örtlichen oder staatlichen Behörden zu erleichtern.

Teil III. ·-- Gesundheitliche Massnahmen.

6. Die mittelbare oder unmittelbare Aufforderung und Verleitung zu Ausschweifungen in der Nähe der Häfen und in den von den Schiffsleuten besuchten Stadtteilen sollte nachdrücklich verfolgt werden.

7. Alle geeigneten Massnahmen sollten getroffen werden, um Schiffsleute jeder Staatsangehörigkeit bei Ankunft in den Häfen aufzuklären über a. die Gefahren der Krankheiten, die sie bedrohen, insbesondere der Tuberkulose, der Tropen- und der Geschlechtskrankheiten, und die Mittel zu ihrer Verhütung; b. die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung im Krankheitsfall und die hierfür geschaffenen Erleichterungen; c. die Gefahren der Gewöhnung an den Genuss von Eauschgiften.

8. Die Behandlung kranker Schiffsleute sollte durch geeignete Massnahmen erleichtert werden, insbesondere durch a. möglichst weitgehenden Ausbau der kostenlosen und fortdauernden Behandlung der Geschlechtskrankheiten besonders innerhalb des Hafengebietes, wie sie z. B. durch das in Brüssel am 1. Dezember 1924 unterzeichnete Abkommen über die Erleichterungen für Schiffsleute der Handelsschiffahrt zur Behandlung der Geschlechtskrankheiten vorgesehen ist; b. unbehinderte Aufnahme der Schiffsleute ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit oder des Glaubensbekenntnisses in die Krankenhäuser und Kliniken der Häfen; c. möglichst weitgehende Anwendung der im Lande getroffenen Massnahmen zum Schutze gegen die Tuberkulose auf die ausländischen Schiffsleute ;

30 d. Vorkehrungen, soweit dies möglich ist, zur Ergänzung der den Schiffsleuten zur Verfügung stehenden Einrichtungen des Gesundheitsschutzes, um dadurch, nötigenfalls die Fortdauer der Behandlung zu gewährleisten.

Teil IV. -- Unterbringung und Erholung.

9. Zumindest in den grossen Häfen sollten Anordnungen getroffen werden, um die Schiffsleute während ihres Aufenthaltes sachlich und sittlich zu fördern. Insbesondere werden folgende Massnahmen vorgeschlagen: a. Die Einrichtung oder der Ausbau von « Seemannshäusern», die bei massigen Preisen allen wünschenswerten Anforderungen genügen und angemessene Unterkunft und Verpflegung bieten; b. die Einrichtung oder den Ausbau von «Heimen», gegebenenfalls gesondert von den «Seemannshäusern», aber, soweit als möglich, in Eühlung mit ihnen; sie sollten Versammlungs- und Erholungsräume (Speiseräume, Spielzimmer, Büchereien usw.) umfassen; c. die Veranstaltung, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit den Sportvereinigungen an Bord, von gesundheitsfördernden Unterhaltungen, wie Sport, Ausflüge usw. ; d. die Förderung des Familienlebens der Schiffsleute durch jedes geeignete Mittel.

Teil V. -- Sparrücklagen und Überweisung von Heuerbeträgen.

10. Um die Schiffsleute zum Sparen und zur Überweisung ihrer Ersparnisse an ihre Familien anzuhalten, sollte a. ein einfaches, rasches und sicheres A^erfahren, unter Mitwirkung der · Konsuln, Schiffsführer, Vertreter der Eeeder oder zuverlässiger privater Einrichtungen, angenommen werden, mit dem Ziele, den Schiffsleuten, insbesondere während des Aufenthaltes im Auslande, die Hinterlegung oder Überweisung der Heuer oder eines Teiles davon zu ermöglichen; b. ein Verfahren eingeführt oder verallgemeinert werden, das den Schiffsleuten ermöglicht, auf ihren- Wunsch bei der Anheuerung oder auch während der Dauer der Keise die regelmässige Überweisung eines Teiles der Heuer an ihre Familien sicherzustellen.

Teil VI. -- Aufklärendes Wirken unter den Schiffsleuten.

11. Da der Erfolg der meisten vorstehend empfohlenen Massnahmen weitgehend . von einem geeigneten aufklärenden Wirken unter den Schiffsleuten abhängt, sollte diese Werbetätigkeit durch die Behörden, die in Teil I der Empfehlung bezeichneten Stellen und die dazu geeigneten Vereinigungen veranstaltet und durchgeführt werden, unterstützt, soweit als möglich, durch die Schiffsoffiziere, Schiffsärzte tind Sportvereinigungen an Bord.

31 12. Diese Werbetätigkeit könnte umfassen a. die Verteilung an Land und, die Zustimmung des Schiffsführers vorausgesetzt, an Bord von Druckschriften in den geeignetsten Sprächen mit genauen Auskünften über die Bequemlichkeiten, die die Schiffsleute im Aufenthaltshâfen und in den demnächst anzulaufenden Häfen vorfinden; b. die Errichtung von Auskunftsstellen in den grossen Häfen ·--· sei es bei den öffentlichen Heuerstellen, sei es anderswo --, die für die Schiffsleute leicht zugänglich sein und über ein Personal verfügen müssten, das imstande ist, unmittelbar alle zweckdienlichen Auskünfte und Ratschläge zu erteilen; c. die Aufnahme einiger Leitsätze über den gesundheitlichen und sittlichen Schutz der Schiffsleute in die Heuerbücher oder andere Papiere, die die Schiffsleute bei sich zu tragen pflegen, oder Anschläge über diese Fragen an gut sichtbarer Stelle in den Mannschaftsräumen; d. die häufige Veröffentlichung von belehrenden und erzieherischen Aufsätzen in den von den Schiffsleuten gelesenen Zeitschriften und Zeitungen fachlichen oder allgemeinen Inhalts, sowie zweckdienliche Auswertung der.durch das Lichtspielwesen gebotenen Möglichkeiten; e. die Erteilung von Auskünften über die Preise der örtlichen Verkehrsmittel, die Sehenswürdigkeiten der Aufenthaltsstadt und die 'Unterhaltungsstätten.

Teil VII. -- Gleichbéhandlung.

18. Begierungen, Behörden und sonstigen Einrichtungen, denen die Verwaltung der Mittel zur Verbesserung der Aufenthaltsverhältnisse der Schiffsleute in den Häfen obliegt, wird dringend empfohlen, sich nicht nur der Schiffsleute einer bestimmten Staatsangehörigkeit anzunehmen, sondern sich in möglichst grosszügiger Weise vom Geist internationalen Zusammengehörigkeitsgefühles leiten zu lassen.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 53) über das Mindestmass beruflicher Befähigung der Schiffsführer und Schüfsoffiziere auf Handelsschiffen.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des : Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6! Oktober 1936 zu ihrer einundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Vorschriften, die jedes schiffahrttreibende Land aufzustellen hätte über das Mindestmass beruflicher Befähigung der Schiffsführer, der Wachoffiziere des
Deckdienstes und der wachthabenden Schiffsingenieure auf Handelsschiffen, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

32 Die Konferenz nimmt heute, am 24. Oktober 1936, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über die Befähigungsausweise der Schiffsoffiziere, 1936, bezeichnet wird.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen gilt für alle eingetragenen und der Seeschiffahrt dienenden Schiffe eines Gebietes, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist.

Ausgenommen bleiben a. Kriegsschiffe; fe. staatliche Schiffe und solche im Dienste von Behörden,, die nicht der Handelsschiffahrt dienen; G. einfache Holzfahrzeuge, wie «Dhows» und Dschunken.

2. Die Gesetzgebung kann für Schiffe mit weniger als 200 Tonnen Bruttoraumgehalt vollständige oder teilweise Ausnahmen zulassen.

Artikel 2.

Im Sinne dieses Übereinkommens gelten als a. «Schiffsführer oder Schiffer» jede Person, der die Befehlsgewalt über ein Schiff übertragen ist; b. «Wachoffizier des Deckdienstes» jede Person, mit Ausnahme der Lotsen, der tatsächlich die Leitung der Navigation oder der Steuerung eines Schiffes übertragen ist; G. «leitender Schiffsingenieur» jede Person, der die ständige Leitung des Dienstes für die Antriebsmaschinen eines Schiffes übertragen ist; d. «wachthabender Schiffsingenieur» jede Person, die tatsächlich mit der Führung der Antriebsmaschinen eines Schiffes betraut ist.

Artikel 3.

1. Keine Person darf an Bord eines Schiffes, für das dieses Übereinkommen gilt, die Dienste des Schiffsführers oder Schiffers, eines Wachoffiziers des Deckdienstes, des leitenden Schiffsingenieurs oder eines wachthabenden Schiffsingenieurs ausüben noch zur Ausübung solcher Dienste eingesetzt werden, wenn sie nicht einen Befähigungsausweis besitzt, aus dem sich ihre Eignung zur Ausführung dieser Dienste ergibt. Dieser Ausweis muss von der zuständigen Behörde des Gebietes ausgestellt oder anerkannt sein, in dem das Schiff eingetragen ist.

2. Von den Bestimmungen dieses Artikels darf nur in Fällen höherer Gewalt abgewichen werden.

Artikel 4.

1. Keine Person darf einen Befähigungsausweis erhalten a. wenn sie nicht das Mindestalter erreicht hat, das für die Ausstellung dieses Befähigungsausweises vorgeschrieben ist;

3â b. wenn sie nicht eine berufliche Erfahrung von mindestens der Dauer besitzt, wie sie für die Ausstellung dieses Befähigungsausweises vorgeschrieben ist; c. wenn sie nicht mit Erfolg die Prüfungen bestanden hat, die von der zuständigen Behörde veranstaltet und beaufsichtigt werden, um festzustellen, ob sie die notwendige Eignung für die Erfüllung der Dienste besitzt, die dem Befähigungsausweis, für den sie Anwärter ist, entsprechen.

2. Die Gesetzgebung hat a. ein Mindestalter und eine Mindestdauer der Berufserfahrung zu bestimmen, die von den Anwärtern auf einen Befähigungsausweis für jede Dienstgruppe zu fordern sind; b. die Veranstaltung und Überwachung einer oder mehrerer Prüfungen durch die zuständige Behörde vorzusehen, um festzustellen, ob die Anwärter auf Befähigungsausweise die notwendige Eignung zur Erfüllung der Dienste besitzen, die den beantragten Ausweisen entsprechen.

3. Jedes Mitglied der Organisation kann Personen, die die Prüfungen nach Absatz 2 b dieses Artikels nicht abgelegt haben, während eines Zeitraumes von drei Jahren, gerechnet vom Zeitpunkte seiner Ratifikation, Befäliigungsausweise ausstellen, vorausgesetzt, dass a. diese Personen tatsächlich eine praktische Erfahrung besitzen, die für die Ausübung der dem betreffenden Befähigungsausweis entsprechenden ' Dienste genügt; b. gegen solche Personen kein schwerer technischer Fehler festgestellt worden ist.

Artikel 5.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat seine tatsächliche Durchführung durch eine wirksame Aufsicht sicherzustellen.

2. Die Gesetzgebung bestimmt die Fälle, in denen die Behörden eines Mitgliedes jedes Schiff; das in seinem Gebiet eingetragen ist, wegen einer Übertretung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zurückhalten können.

3. Falls die Behörden eines Mitgliedes, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, eine Übertretung seiner Bestimmungen an Bord eines Schiffes feststellen, welches im Gebiet eines anderen Mitgliedes eingetragen ist, das dieses Übereinkommen gleichfalls ratifiziert hat, so haben sie davon den Konsul des Mitgliedes in Kenntnis zu setzen, in dessen Gebiet das Schiff eingetragen ist.

Artikel 6.

1. Die Gesetzgebung hat Strafen oder Dienststrafmassnahmen für die Fälle festzusetzen, in denen die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht eingehalten worden sind.

Bundesblatt. 90. Jahrg. Bd. II.

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2. Insbesondere sind solche Strafen oder Dienststrafmassnahmen vorzusehen gegen a. den Eeeder oder seinen Vertreter, den Schiffsführer oder den Schiffer, die jemand ohne den in diesem Übereinkommen vorgesehenenBef ähigungsausweis in Dienst nehmen; 6. den Schiffsführer oder Schiffer, der es zulässt, dass jemand einen der in Artikel 2 dieses Übereinkommens bezeichneten Dienste ausübt, ohne einen Befähigungsausweis zu besitzen, der mindestens dem betreffenden Dienst entspricht; c. Personen, die in betrügerischer Weise oder durch Gebrauch gefälschter Papiere eine Anstellung erlangen, ohne den entsprechenden Befähigungsausweis zur- Ausübung einer der in Artikel 2 dieses Übereinkommens bezeichneten Dienste zu besitzen.

Artikel 7.

1. Für die in Artikel 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation genannten Gebiete hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, der Ratifikation eine Erklärung beizufügen, die die Gebiete bekanntgibt, a. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens unverändert durchzuführen sich verpflichtet; b. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Abänderungen durchzuführen sich verpflichtet, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abänderungen; c. in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann und in diesem Falle die Gründe dafür; d. für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l a und b dieses Artikels gelten als integrierender Bestandteil der Eatifikation und sind in gleicher Weise verbindlich.

3. Jedes Mitglied kann die Vorbehalte, die es in seiner früheren Erklärung nach Absatz l ö,. c oder d dieses Artikels gemacht hat, durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

Artikel 8.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 9.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

35 2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

8. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 10.

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 11.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 12.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 13.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das - vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht, das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Rücksicht auf Artikel 11. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

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l. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 14.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 54) über den bezahlten Jahresurlaub für Schiffsleute.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Oktober 1986 zu ihrer einundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend den bezahlten Urlaub für Schiffsleute, eine Frage, die den fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Oktober 1936, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über den bezahlten Urlaub für Schiffsleute, 1986, bezeichnet wird.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen gilt für Schiffsführer, Schiffsoffiziere und Mitglieder der Besatzung, einschliesslich der Bordfunker in Diensten einer Gesellschaft für drahtlose Télégraphie auf allen Schiffen der Seeschiffahrt, gleichviel ob in öffentlichem oder privatem Besitz, die in einem Gebiet eingetragen sind, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, und die der gewerbsmässigen Beförderung von Fracht oder von Fahrgästen dienen.

2. Die Gesetzgebung bestimmt die Voraussetzungen, unter denen ein Schiff als Schiff der Seeschiffahrt im Sinne dieses Übereinkommens zu gelten hat.

3. Dieses Übereinkommen gilt nicht für a. Personen, die auf Schiffen beschäftigt sind, die zur Fischerei, zum Walfischfang und zu ähnlichen Zwecken oder damit unmittelbar zusammenhängenden Arbeiten verwendet werden; b. Personen, die auf Schiffen beschäftigt sind, deren Besatzung ausschliesslich aus Mitgliedern der Familie des Eeeders besteht, nach der Begriffsbestimmung, wie sie durch die Gesetzgebung festgelegt ist;

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c. Personen, die für ihre Dienste keine oder eine Entlohnung nur dem Namen nach erhalten oder ausschliesslich im Wege der Gewinnbeteiligung entlohnt werden; d. Personen, die ausschliesslich oder vorwiegend für eigene, Eechnung arbeiten ; e. Personen an Bord einfacher Holzfahrzeuge, wie «Dhows» und Dschunken; /. Personen, deren Dienst ausschliesslich die an Bord befindliche Fracht betrifft, und die tatsächlich nicht im Dienst des Eeeders oder des Schiffsführers stehen; g. mitfahrende Hafenarbeiter.

Artikel 2.

1. Jede Person, für die dieses Übereinkommen gilt, hat nach einjähriger ununterbrochener Dienstleistung im gleichen Betrieb Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub, dessen Dauer sein soll a. für Schiffsführer, Schiffsoffiziere und Bordfunker mindestens zwölf Werktage ; ' b. für die übrigen Mitglieder der Besatzung mindestens neun Werktage.

2. Für die Berechnung der Zeitdauer, nach deren Ablauf der Urlaub fällig ist a. sind Dienste, die ausserhalb des Heuervertrages geleistet worden sind, in die Zeit der ununterbrochenen Dienstleistungen einzurechnen; b. sollen kurze Unterbrechungen des Dienstes, die nicht einer Handlungsweise oder dem Verschulden des Beteiligten zuzuschreiben sind und insgesamt sechs Wochen nicht überschreiten, nicht so betrachtet werden, als ob sie die ihnen vorausgehende und nachfolgende Dienstzeit unterbrächen; c. soll durch Wechsel im Betrieb oder im Besitz des Schiffes oder der Schiffe, auf dem oder auf denen der Beteiligte gedient hat, die Fortdauer der Dienstleistung nicht als unterbrochen betrachtet werden.

3. In den bezahlten Jahresurlaub werden nicht eingerechnet 'a. öffentliche oder ortsübliche Feiertage; b. durch Krankheit verursachte Dienstunterbrechungen; c. zum Ausgleich gewährter Urlaub für die im Dienst auf See verbrachten wöchentlichen Buhetage und öffentlichen Feiertage.

4. Durch Gesetzgebung oder Gesamtarbeitsverträge können die besonderen Voraussetzungen bestimmt werden, unter denen, vorbehaltlich der durch diese Gesetzgebung oder Gesamtarbeitsverträge festzusetzenden Bedingungen, a. der bezahlte Jahresurlaub gemäss diesem Übereinkommen geteilt oder mit einem späteren Urlaub zusammengezogen werden kann; b. der bezahlte Jahresurlaub, wenn es der Schiffsdienst in Ausnahmefällen erfordert, durch eine der in Artikel 4 genannten Vergütung mindestens gleichwertige Barzahlung abgegolten werden kann.

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Artikel 3.

1. Der Jahresurlaub ist im Gebiet, in dem das Schiff eingetragen ist, in einem der folgenden Häfen zu geben: a. dem Heimathafen; b. dem Anheuerungshafen des Urlaubsberechtigten; c. dem Bndbestimmungshafen des Schiffes.

2. Der Urlaub kann jedoch bei beiderseitiger Zustimmung in jedem sonstigen Hafen gegeben werden.

3. Der zustehende Jahresurlaub soll im gegenseitigen Einvernehmen und unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Dienstes bei der ersten sich bietenden Gelegenheit gegeben werden.

Artikel 4.

1. Jede Person, die Urlaub nach Artikel 2 dieses Übereinkommens nimmt, erhält während der ganzen Urlaubsdauer ihr gewöhnliches Entgelt.

2. Das nach dem vorstehenden Absatz zustehende gewöhnliche Entgelt umfasst ein angemessenes Verpflegungsgeld und ist in einer Weise zu bemessen, die durch die Gesetzgebung oder durch Gesamtarbeitsvertrag zu bestimmen ist.

Artikel 5.

Jede Vereinbarung über die Abdingung des Anspruches auf den bezahlten Jahresurlaub oder über den Verzicht auf solchen Urlaub ist als nichtig anzusehen.

Artikel 6.

Die Gesetzgebung kann bestimmen, dass jeder Person, die während ihres bezahlten Jahresurlaubs eine bezahlte Beschäftigung annimmt, ihr Anspruch auf Entgelt für die ganze Urlaubsdauer entzogen werden kann.

Artikel 7.

Jede Person, die den Dienst verlässt oder die vom Arbeitgeber entlassen wird, bevor sie den ihr zustehenden Urlaub genommen hat, erhält für jeden Urlaubstag, der ihr nach diesem Übereinkommen gebührt, das in Artikel 4 vorgesehene Entgelt.

Artikel 8.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat zur Erleichterung seiner wirksamen Durchführung die Führung eines Urlaubsverzeichnisses durch den Arbeitgeber vorzuschreiben.

Artikel 9.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat Strafvorschriften zu erlassen, um dessen Durchführung sicherzustellen.

39 Artikel 10.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern günstigere Bedingungen gelten, als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht berührt.

Artikel 11.

1. Für die in Artikel 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation genannten Gebiete hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, der Eatifikation eine Erklärung beizufügen, die die Gebiete bekanntgibt, a. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens unverändert durchzuführen sich verpflichtet; b. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Abänderungen durchzuführen sich verpflichtet, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abänderungen ; c. in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann und in diesem Falle die Gründe dafür; d. für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l a und & dieses Artikels gelten als integrierender Bestandteil der Eatifikation und sind in gleicher Weise verbindlich.

3. Jedes Mitglied kann die Vorbehalte, die es in seiner früheren Erklärung nach Absatz Ib, o oder d dieses Artikels gemacht hat, durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

Artikel 12.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 13.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft sechs Monate nachdem die Eatifikationen von fünf Mitgliedern der Organisation, von denen jedes eine Handelsflotte von mehr als einer Million Tonneu Bruttoraumgehalt besitzt, durch den Generalsekretär des Völkerbundes eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied sechs Monate nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

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Artikel 14.

Sobald die Batifikationen von fünf unter den in Artikel 18, Absatz 2, erwähnten Mitgliedern eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt -werden.

Artikel 15.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. - Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 16.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 17.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 15. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkomrnen in Kraft getreten ist.

b. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

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2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

41 Artikel 18.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 55) über die Verpflichtungen des Reeders bei Krankheit, Unfall oder Tod von Schiffsleuten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Oktober 1936 zu ihrer einundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Verpflichtungen des Eeeders bei Krankheit, Unfall oder Tod der Schiffsleute, eine Frage, die den zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Oktober 1936, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der 'als Übereinkommen über die Verpflichtungen des Eeeders bei Krankheit oder Unfall der Schiffsleute, 1936, bezeichnet wird.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf alle Personen, die an Bord eines gewöhnlich der Seeschiffahrt dienenden Schiffes beschäftigt sind, sofern dieses in einem Gebiete, iür das dieses Übereinkommen gilt, eingetragen und kein Kriegsschiff ist.

2. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation kann jedoch in seiner Gesetzgebung die. ihm etwa erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen für .a. Personen, die beschäftigt sind an Bord von (!) Schiffen der Behörden, wenn diese Schiffe nicht der Handelsschiffahrt dienen; (n) Fahrzeugen der Küstenfischerei; (llr) Fahrzeugen mit einem Bruttoraumgehalt von weniger als 25 Tonnen; (IV) einfachen Holzfahrzeugen, wie z. B. «Dhows» und Dschunken; b. Personen, die an Bord für Eechnung eines anderen Arbeitgebers als des Eeeders beschäftigt sind ; c. Personen, die ausschliesslich in Häfen mit Ausbesserungsarbeiten, dem Eeinigen, dem Beladen oder. dem Entladen von Schiffen beschäftigt sind ; d. Familienangehörige des Reeders ; e. Jjotsen.

42 Artikel 2.

1. Die Verpflichtungen des Eeeders erstrecken sich auf folgende Wagnisse: a. Krankheit oder Unfall in der Zeit zwischen dem im Heuervertrage festgesetzten Tage des Dienstantrittes und der Beendigung des Dienstverhältnisse's ; b. Tod infolge einer solchen Krankheit oder eines solchen Unfalles.

2. Die Gesetzgebung kann jedoch Ausnahmen vorsehen für: a. Unfälle ausserhalb des Schiffsdienstes; b. Unfälle oder Krankheiten, die der Kranke, Verletzte oder Verstorbene wissentlich, absichtlich oder grob fahrlässig verschuldet hat; o. Krankheiten oder Gebrechen, die beim Abschluss des Heuervertrages absichtlich verheimlicht worden sind.

3. Die Gesetzgebung kann vorsehen, dass die Verpflichtungen des Eeeders bei einer Krankheit oder bei dem durch die Krankheit unmittelbar verursachten Tod nicht bestehen, wenn es die beschäftigte Person beim Abschluss des Heuervertrages abgelehnt hat, sich ärztlich untersuchen zu lassen.

Artikel 3.

Die zu Lasten des Eeeders gehende Fürsorge im Sinne dieses Übereinkommens umfasst a. ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei und Heilmitteln in ausreichender Beschaffenheit und Menge; b. Verpflegung und Unterkunft.

Artikel 4.

1. Die Fürsorge geht zu Lasten des Eeeders bis zur Heilung des Kranken oder des Verletzten oder bis zur Feststellung des Dauerzustandes der Krankheit oder der Erwerbsunfähigkeit.

2. Die Gesetzgebung kann jedoch vorsehen, dass die Fürsorge des Eeeders auf einen Zeitraum beschränkt wird, der nicht weniger als sechzehn Wochen vom Tage des Unfalles oder des Krankheitsbeginnes an umfassen darf.

3. Wenn für Schiffsleute in dem Gebiet, in dem das Schiff eingetragen ist, eine Pflichtversicherung gegen Krankheit, eine Pflichtversicherung gegen Unfall oder eine Unfallhaftpflicht besteht, so kann die Gesetzgebung ausserdem vorsehen, a. dass der Eeeder von dem Zeitpunkt an, in dem der Kranke oder Verletzte Anspruch auf ärztliche Hilfe auf Grund der Versicherung oder Unfallhaftpflicht hat, nicht mehr leistungspflichtig ist; b. dass der Eeeder von dem Zeitpunkt an, den die Gesetzgebung für die Gewährung der ärztlichen Hilfe auf Grund der Versicherung oder Unfallhaftpflicht für die Bezugsberechtigten vorschreibt, nicht mehr leistungspflichtig ist, auch wenn der Kranke oder Verletzte nicht unter diese Eege-

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lung fällt; Voraussetzung ist, dass er iiicht auf Grund von Beschränkungen ausgenommen wurde, die besonders ausländische Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer betreffen, die nicht in dem Gebiet ihren Wohnsitz haben, in dem das Schiff eingetragen ist.

Artikel 5.

1. Hat die Krankheit oder der Unfall eine Erwerbsunfähigkeit zur Folge, so hat der Eeeder a. die volle Heuer zu zahlen, solange sich der Kranke oder der Verletzte an Bord befindet; b. von dem Zeitpunkte der Ausschiffung bis zur Heilung oder bis zur Feststellung des Dauerzustandes der Krankheit oder der Erwerbsunfähigkeit nach Massgabe der Gesetzgebung die volle oder einen Teil der Heuer zu zahlen, wenn der Kranke oder Verletzte für den Unterhalt von Familienangehörigen zu sorgen hat.

2. Die Gesetzgebung kann jedoch die Verpflichtung des Eeeders zur Zahlung der vollen oder eines Teiles der Heuer an eine ausgeschiffte Person auf einen Zeitraum beschränken, der nicht weniger als sechzehn Wochen vom Tage des Unfalles oder des Krankheitsbeginnes an umfassen darf.

3. Wenn für Schiffsleute in dem Gebiet, in dem das Schiff eingetragen ist, eine Pflichtversicherung gegen Krankheit, eine Pflichtversicherung gegen Unfall oder eine Unfallhaftpflicht besteht, so kann die Gesetzgebung ausserdenl vorsehen, a. dass der Eeeder von dem Zeitpunkt an, in dem der Kranke oder Verletzte Anspruch auf Barleistungen auf Grund der Versicherung oder Unfallhaftpflicht hat, nicht mehr leistungspflichtig ist; 1). dass der Eeeder von dem Zeitpunkt an, den die Gesetzgebung für die Gewährung der Barleistungen auf Grund der Versicherung oder Unfallhaftpflicht für die Bezugsberechtigten vorschreibt, nicht mehr leistungspflichtig ist, auch wenn der Kranke oder Verletzte nicht unter diese Eegelung fällt ; Voraussetzung ist, dass er nicht auf Grund von Beschränkungen ausgenommen wurde, die besonders ausländische Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer betreffen, die nicht in dem Gebiet ihren Wohnsitz haben, in dem das Schiff eingetragen ist.

Artikel 6.

1. Der Eeeder trägt die Kosten der Heimschaffung für jeden während der Eeise wegen Krankheit oder Unfall ausgeschifften Kranken oder Verletzten.

2. Der Heimschaffungshafen hat zu sein a. der Anheuerungshafen oder b. der Ausreisehafen des Schiffes oder

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c. ein Hafen des Heimatstaates des Kranken oder des Verletzten oder des Staates, dem der Kranke oder Verletzte angehört, oder d. ein anderer zwischen dem Betroffenen und dem Schiffsführer oder Eeeder mit Genehmigung der zuständigen Behörde vereinbarter Hafen.

3. Die Kosten der Heimschaffung umfassen alle Ausgaben für Beförderung, Unterkunft und Verpflegung des Kranken oder Verletzten während der Eeise sowie für seinen Unterhalt bis zu dem für seine Abreise festgesetzten Zeitpunkt.

4. Wenn der Kranke oder der Verletzte arbeitsfähig ist, kann der Eeeder seiner Heimschaffungspflicht dadurch nachkommen, dass er ihm eine angemessene Beschäftigung an Bord eines Schiffes verschafft, das sich nach einem der in Absatz 2 dieses Artikels vorgesehenen Bestimmungshäfen begibt.

Artikel 7.

1. Der Eeeder trägt die Bestattungskosten im Todesfalle an Bord oder an Land, wenn der Verstorbene im Zeitpunkte seines Todes Anspruch auf Fürsorge gehabt hätte, die zu Lasten des Eeeders geht.

2. Die Gesetzgebung kann die Eückerstattung der Kosten des Eeeders durch einen Versicherungsträger vorsehen, wenn auf Grund der Sozialversicherung oder der Unfallhaftpflicht Sterbegeld gewährt wird.

Artikel 8.

Die Gesetzgebung bat vom Eeeder oder seinem Vertreter zu fordern, dass sie Massnahmen ergreifen, um die.an Bord zurückgelassene Habe des von diesem Übereinkommen erfassten Kranken, Verletzten oder Verstorbenen sicherzustellen.

Artikel 9.

Die Gesetzgebung hat Bestimmungen vorzusehen, um eine rasche und wenig kostspielige Beilegung von Streitigkeiten zu gewährleisten, zu denen die Verpflichtungen des Eeeders nach diesem Übereinkommen Anlass geben können.

Artikel 10.

Der Eeeder kann von den in den Artikeln 4, 6 und 7 dieses Übereinkommens vorgesehenen Verpflichtungen insoweit befreit werden, als sie vom Staat übernommen werden.

'

Artikel 11.

Dieses Übereinkommen sowie die Gesetzgebung über die nach diesem Übereinkommen zu gewährenden Leistungen sind so auszulegen und anzuwenden, dass allen Schiffsleuten ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Easse die Gleichbehandlung gewährleistet ist. ·

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Artikel 12.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Eeedern und Schiffsleuten günstigere Bedingungen gelten, als "in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht berührt.

Artikel 13.

- 1. Für die in Artikel 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation genannten Gebiete hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, der Eatifikation eine Erklärung beizufügen, die die Gebiete bekanntgibt, a. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens unverändert durchzuführen sich verpflichtet; &. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Abänderungen durchzuführen sich verpflichtet, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abänderungen; c. in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann und in diesem Falle die Gründe dafür; d. für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l a und b dieses Artikels gelten als integrierender Bestandteil der Eatifikation und sind in gleicher Weise verbindlich.

3. Jedes Mitglied kann die Vorbehalte, die es in seiner früheren Erklärung nach Absatz Ib, c oder d dieses Artikels gemacht hat, ganz oder teilweise zurückziehen.

Artikel 14.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 15.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 16.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völker-

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blindes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 17.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 18.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 19.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 17. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 20.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

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Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 56) über die Krankenversicherung der Schiiîsleute.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Oktober 1936 zu ihrer einundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Krankenversicherung der Schiffsleute, eine Frage, die den zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am : 24. Oktober 1936, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über die Krankenversicherung der Schiffsleute, 1936, bezeichnet wird.

Artikel 1.

1. Versicherungspflichtig sind alle Personen, die an Bord eines der Seeschiffahrt oder der Seefischerei dienenden Schiffes als Schiffsführer oder als Mitglied der Besatzung oder in anderer Weise im Dienste des Schiffes beschäftigt sind, sofern dieses in einem Gebiete, für das dieses Übereinkommen gilt, eingetragen und kein Kriegsschiff ist.

2. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation kann jedoch in seiner Gesetzgebung die ihm etwa erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen für a. Personen, die an Bord von Schiffen der Behörden beschäftigt sind, wenn diese Schiffe nicht der Handelsschiffahrt dienen; b. Personen, deren Heuer oder Einkommen eine bestimmte Grenze über schreitet ; c. Personen, die keine Barheuer erhalten; d. Personen, die ihren Wohnsitz nicht im Gebiete des Mitgliedes haben; e. Personen, deren Alter unter oder über einer bestimmten Grenze liegt; /. Familienangehörige des Arbeitgebers; g. Lotsen.

Artikel 2.

1. Der krankheitshalber arbeitsunfähige und seiner Heuer verlustig ge gangene Versicherte hat Anspruch auf Krankengeld während mindestens der ersten sechsundzwanzig Wochen oder der ersten einhundertachtzig Tage der Arbeitsunfähigkeit, gerechnet vom ersten Unterstützungstag an.

2. Der Anspruch auf Krankengeld kann durch eine Mindestdauer der Mitgliedschaft sowie durch eine Wartefrist von einigen Tagen, vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an gerechnet, bedingt werden.

3. Das nach diesem Übereinkommen zu gewährende Krankengeld darf keineswegs geringer sein als das Krankengeld, das in der etwa bestehenden,

48 aber auf Schiffsleute nicht anwendbaren allgemeinen Pflichtversicherung gegen Krankheit festgesetzt ist.

4. Der Anspruch auf Krankengeld kann ruhen a. solange der Versicherte sich an Bord oder im Auslande befindet; T), solange der Versicherte auf Kosten der Versicherung oder aus öffentlichen Mitteln verpflegt wird ; das Krankengeld ruht jedoch nur teilweise, wenn der Versicherte für den Unterhalt von Familienangehörigen zu sorgen hat; ß. solange der Versicherte wegen der gleichen Krankheit aus anderer Quelle von Gesetzes wegen eine andere Entschädigung erhält; in diesem Falle ruht das Krankengeld ganz oder teilweise, je nachdem ob jene Leistung das Ausmass des nach der Krankenversicherung zu gewährenden Krankengeldes erreicht oder nicht.

5. Das Krankengeld kann im Fall einer vom Versicherten absichtlich herbeigeführten Krankheit ganz oder teilweise versagt werden.

Artikel 3.

1. Der Versicherte hat vom Beginne der Krankheit an und mindestens bis zum Ablauf der Frist, die für den Bezug von Krankengeld festgesetzt ist, Anspruch auf unentgeltliche Behandlung durch einen approbierten Arzt sowie auf Versorgung mit Arznei und Heilmitteln in ausreichender Beschaffenheit und Menge.

2. Doch kann dem Versicherten eine Beteiligung an den Kosten der Krankenpflege zu den von der Gesetzgebung festgesetzten Bedingungen auferlegt werden.

3. Der Anspruch auf Krankenpflege kann ruhen, solange sich der Versicherte an Bord oder im Auslande befindet.

4. Der Versicherungsträger kann, wenn die Umstände es erfordern, den Kranken in einer Krankenanstalt unterbringen; in diesem Falle hat er ihm ausser Arzthilfe und der erforderlichen Pflege vollen Unterhalt zu gewähren.

Artikel 4.

1. Wenn der Versicherte sich im Auslande befindet und infolge von Krankheit seinen Heueranspruch ganz oder teilweise verloren hat, ist das Krankengeld, auf das er Anrecht hätte, wenn er nicht im Auslande gewesen wäre, bis zu seiner Eückkehr in das Gebiet des Mitgliedes ganz oder teilweise seiner Familie, auszuzahlen.

2. Die -Gesetzgebung kann die Gewährung folgender Leistungen vorschreiben oder zulassen: a. Zuschüsse zu dem in Artikel 2 vorgesehenen Krankengeld, wenn der Versicherte für den Unterhalt von Familienangehörigen zu sorgen hat ;

49

b, Sach- oder Barleistungen bei Erkrankungen von Familienangehörigen des Versicherten, die in seinem Haushalt leben und-von ihm unterhalten werden.

Artikel 5.

' : . _ 1. Die Gesetzgebung hat die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen eine Versicherte, die sich im Gebiete des Mitgliedes befindet, Anspruch auf Leistungen der Wochenhilfe besitzt.

2. Die Gesetzgebung kann die Voraussetzungen bestimmen, unter denen die Ehefrau des Versicherten,.solange sie sich im Gebiete des Mitgliedes befindet, Leistungen der : Wochenhilfe erhält.

Artikel 6.

1. Beim Tode des Versicherten ist seinen Familienangehörigen ein Sterbegeld in gesetzlich zu bestimmender Höhe auszuzahlen oder zur Deckung der Bestattungskosten zu verwenden.

2. Wenn eine EentenVersicherung -zugunsten der Hinterbliebenen .verstorbener Schiffsleute besteht, ist die Gewährung des im vorstehenden Absatz : vorgesehenen Sterbegeldes keine Pflichtleistung.

Artikel 7.

Die Leistungen der Versicherung sind auch bei Krankheiten zu gewähren, die noch während einer bestimmten Frist nach Beendigung des letzten Heuerverhältnisses eintreten. Diese Frist ist von der Gesetzgebung so festzusetzen, dass sie die Zeitspanne deckt, die gewöhnlich zwischen aufeinanderfolgenden.

Anheuerungen liegt.

. . Artikel 8. .

1. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber tragen zu den Kosten der Versicherung bei.

2. Die Gesetzgebung kann einen Zuschuss aus öffentlichen Mitteln vorsehen.

Artikel 9.

1. Die Krankenversicherung wird durch Versicherungsträger durchgeführt, die Selbstverwaltungsrecht haben, in ihrer Geschäftsführung und in der Verwaltung ihrer Mittel unter. Staatsaufsicht stehen und nicht auf Gewinn abzielen.

· . 2. Die Versicherten -- und bei Versicherungsträgern, die auf Grund des Gesetzes besonders zugunsten der Schiffsleute errichtet word en sind, die Arbeitgeber -- haben nach Massgabe der Gesetzgebung, die auch die Hinzuziehung anderer Beteiligter vorsehen kann, an der Verwaltung der Versicherungsträger' mitzuwirken.

3. Die Versicherung kann jedoch vom Staate selbst durchgeführt werden, wenn und solange die Selbstverwaltung infolge besonderer Verhältnisse erschwert oder unmöglich ist.

" Bundesblatt. 90. Jahrg. Bd. II.

4

50 Artikel 10.

1. Bei Streitigkeiten über Leistungsansprüche steht dem Versicherten ein Bechtsmittel zu.

2. Die Streitigkeiten sind einem raschen und für den Versicherten wenig kostspieligen Verfahren entweder durch Verweisung an besondere Spruchstellen oder ai;f eine andere, nach der Gesetzgebung für zweckmässig erachtete Weise zu unterwerfen.

Artikel 11.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Eeedern und Schiffsleuten günstigere Bedingungen gelten, als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht berührt.

Artikel 12.

1. Für die in Artikel 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation genannten Gebiete hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, der Eatifikation eine Erklärung beizufügen, die die Gebiete bekanntgibt, a. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens unverändert durchzuführen sich verpflichtet; b. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Abänderungen durchzuführen sich verpflichtet, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abänderungen; c. in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann, und in diesem Falle die Gründe dafür; d. für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l a und l dieses Artikels gelten als integrierender Bestandteil der Eatifikation und sind in gleicher Weise verbindlich.

3. Jedes Mitglied kann die Vorbehalte, die es in seiner früheren Erklärung nach Absatz l b, o oder d dieses Artikels gemacht hat, durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

Artikel 13.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 14.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

51 2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

8. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 15.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt-der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 16.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre "Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 17.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 18.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Batifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 16. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

52 b. Vom Inkrafttreten des neugefasstën Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 19.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 57) über die Arbeitszeit au Bord von Schiffen und die Besatzungsstärke.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Oktober 1936 zu ihrer einundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Eegelung der Arbeitszeit an Bord von Schiffen und der Besatzungsstärke in Verbindung mit dieser Arbeitszeit, eine Frage, die den ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Oktober 1986, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über - die Arbeitszeit an Bord und die Besatzungsstärke, 1936, bezeichnet wird.

Teil I. -- Geltungsbereich und

Begriffsbestimmungen.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen gilt für alle Seeschiffe mit Maschinenantrieb, gleichviel ob in öffentlichem oder privatem Besitz, die a. in einem Gebiet eingetragen sind, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist; 6. der gewerbsmässigen Beförderung von Fracht oder von Fahrgästen dienen ; c. zu einer Auslandsfahrt, d. h. jeder Fahrt von einem Hafen des einen Landes nach einem Hafen eines anderen Landes verwendet werden; Kolonien, überseeische Besitzungen, Schutzgebiete, unter Oberhoheit stehende Gebiete oder Mandatsgebiete werden dabei als Länder für sich betrachtet.

2. Dieses Übereinkommen gilt nicht für a. Segelschiffe mit Hilfsmotoren;

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b. Fahrzeuge, die zur Fischerei, zum Walfischfang und zu ähnlichen Zwecken oder damit unmittelbar zusammenhängenden Arbeiten verwendet werden.

3. Jedes Mitglied kann von der Durchführung dieses Übereinkommens die in seinem Gebiet-eingetragenen Schiffe ausnehmen, solange sie ausschliesslich zu Fahrten Verwendet werden, bei denen sie sich vom Ausgangslande nicht weiter als bis zu nahegelegenen Häfen von benachbarten Ländern entfernen. Solche Häfen müssen innerhalb geographischer Grenzen liegen, die a. durch die Gesetzgebung Mär bestimmt sind; &. für die Durchführung aller Bestimmungen dieses Übereinkommens einheitlich festgesetzt sind; e. von dem Mitgliede bei der Eintragung seiner Eatifikation durch eine der Batifikation beigefügte Erklärung mitgeteilt worden sind; d. nach Fühlungnahme mit den anderen beteiligten Mitgliedern festgesetzt worden sind.

.

Artikel 2.

Im Sinne dieses Übereinkommens gelten als a. «Tonnen» der Eaumgehalt an Bruttoregistertonnen; b. «Offiziere» jede Person mit Ausnahme des Schiffsführers, die nach der Gesetzgebung, den Gesamtarbeitsverträgen oder den Gebräuchen den Dienstgrad eines Schiffsoffiziers besitzt; o. «Mannschaft» alle Mitglieder der Besatzung mit Ausnahme der Offiziere; d. «Arbeitszeit» die Zeit, während der ein Mitglied der Besatzung auf Grund der Anordnung eines Vorgesetzten eine Arbeit für das Schiff öder den Eeeder verrichtet oder sich ausserhalb der Wohnräurne der Besatzung zur Verfügung eines Vorgesetzten hält.

Teil II. -- Die Arbeitszeit.

Artikel 3.

Teil II dieses Übereinkommens gilt nicht für a. Schiffsotfiziere, die Dienstleiter, aber nicht Wachthabende sind; b. Bordfunker und Funkfernsprecher; c. Lotsen; d. Ärzte; e. Krankenpflege- oder anderes Krankenpersonal, das ausschliesslich mit der Krankenpflege beschäftigt ist ; /. Personen, die ausschliesslich für eigene Eechnung arbeiten; g. Personen, die ausschliesslich im Wege der Gewinnbeteiligung entlohnt werden ; · h. Personen, deren Dienst ausschliesslich die an Bord befindliche Fracht betrifft und die tatsächlich nicht im Dienste des Eeeders oder des Schiffsführers stehen :

54 i. mitfahrende Hafenarbeiter; j. Besatzungen, die ausschliesslich aus Mitgliedern der Familie des Eeeders bestellen, nach der Begriffsbestimmung, wie sie durch die Gesetzgebung festgelegt Ist.

Artikel 4.

1. Auf Schiffen über 2000 Tonnen darf die Arbeitszeit auf See und an den Tagen der Ankunft und der à bfahrt für die Mannschaft des Deckdienstes, deren Dienst in Wachen eingeteilt ist, 8 Stunden täglich und 56 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

2. Auf Schiffen über 700 Tonnen darf die Arbeitszeit auf See und an den Tagen der Ankunft und der Abfahrt für die Mannschaft des Deckdienstes, die gegen Tagegeld beschäftigt wird, 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

3. An den Tagen der Ankunft und der Abfahrt können die in den Absätzen l und 2 vorgesehenen Arbeitszeitgrenzen überschritten werden. Ob eine solche Verlängerung gestattet -wird oder nicht, und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, ist durch die Gesetzgebung oder durch Gesamtarbeitsverträge zu bestimmen.

Artikel 5.

1. Auf Schiffen über 700 Tonnen darf die Arbeitszeit auf See und an den Tagen der Ankunft und der Abfahrt für die Mannschaft des Maschinen- und Heizdienstes, deren Dienst in Wachen eingeteilt ist, 8 Stunden täglich und 56 Stunden wöchentlich nicht überschreiten ; doch ist Mehrarbeit beim regel mässigen Wachewechsel und zur Beseitigung der Aschenreste zulässig.

2. Auf Schiffen über 700 Tonnen darf die Arbeitszeit auf See und an den Tagen der Ankunft und der Abfahrt für die Mannschaft des Maschinen- und Heizdienstes, die gegen Tagegeld beschäftigt wird, 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

3. An den Tagen der Ankunft und der Abfahrt können die in den Absätzen l und 2 vorgesehenen Arbeitszeitgrenzen überschritten werden. Ob eine solche Verlängerung gestattet wird oder nicht, und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, ist durch die Gesetzgebung oder durch Gesamtarbeitsverträge zu bestimmen.

Art. 6.

1. Auf Schiffen über 2000 Tonnen darf die Arbeitszeit auf See und an den Tagen der Ankunft und der Abfahrt für Offiziere des Deckdienstes 8 Stunden täglich und 56 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

2. Doch ist auf See und an den Tagen der Ankunft und der Abfahrt eine zusätzliche Dienststunde je Tag für Navigations- oder Büroarbeiten zulässig.

3. Ausserdem können gelegentlich weitere Dienststunden geleistet werden, wenn es der Schiffsführer für notwendig hält, dass zwei Offiziere gleichzeitig

55 auf Wache gehen; doch darf der Dienst eines Offiziers auf Grund dieses Absatzes unter keinen Umständen 12 Stunden täglich überschreiten.

4. Auf Schiffen über 700 Tonnen darf die Arbeitszeit auf See und an den Tagen der Ankunft und der Abfahrt der Offiziere des Deckdienstes, die gegen Tagegeld beschäftigt sind, 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

5. An den Tagen der Ankunft und der Abfahrt können die in den Absätzen l und 4 vorgesehenen Arbeitszeitgrenzen überschritten werden. Ob eine solche Verlängerung gestattet wird oder nicht, und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, ist durch die Gesetzgebung oder durch Gesamtarbeitsverträge zu bestimmen.

: 6. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten auch für Offiziersschüler und Offiziersanwärter des Deckdienstes.

Artikel 7.

1. Auf . Schiffen, die nach Artikel 16 mindestens drei Schiffsingenieure an Bord führen müssen, darf die Arbeitszeit dieser Offiziere auf See und an den Tagen der Ankunft und der Abfahrt 8 Stunden täglich und 56 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

2. Auf Schiffen über 700 Tonnen darf die Arbeitszeit auf See der gegen Tagegeld beschäftigten Schiff singenieure 8 Stunden täglich, und 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. , 3. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten auch für Offiziersschüler und Offiziersanwärter des Maschinendienstes.

Artikel 8.

1. Auf den durch dieses Übereinkommen erfassten Schiffen gelten für die Mannschaft des Deck-, Maschinen- und Heizdienstes sowie für die Offiziere des Deckdienstes und die Schiffsingenieure, einschliesslich der Offiziersschüler und Offiziersanwärter des Deck- und Maschinendienstes bei Aufhebung der Wachen im Hafen die folgenden Bestimmungen: a. Die Arbeitszeit darf 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten; &. der wöchentliche Euhetag ist einzuhalten; an diesem Tage darf keine Arbeit angeordnet werden, es sei denn, als Überstunden oder zur Ausführung der laufenden Arbeiten für die Instandhaltung und den Gesundheitsschutz. Jede für solche Zwecke angeordnete Arbeit muss aber in die Wochengrenze von 48 Stunden fallen; c. Ausnahmen von diesen Bestimmungen können in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung oder durch Gesamtarbeitsvertrag zugelassen werden für die Mannschaft, die zur Sicherheit des Schiffes und der an .Bord befindlichen Personen oder zur Bewahrung der Fracht notwendig ist.

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2. Der Wachdienst ist in der Regel auszusetzen, wenn der Aufenthalt des Schiffes im Hafen, von der Ankunft an gerechnet, 24 Stunden übersteigen soll, es sei denn, dass der Schiffsführer die Sicherheit des Schiffes dadurch für gefährdet hält.

..

3. Wird der Wachdienst im Hafen aufrechterhalten, so gelten alle Arbeiten über die nach Absatz l dieses Artikels vorgeschriebenen oder zugelassenen Arbeitsgrenzen hinaus als Überstunden, für die den Offizieren und der Mannschaft eine Vergütung zusteht. Ausgenommen davon ist a. der Wachdienst, der zur Sicherheit des Schiffes aufrechterhalten wird; b. der Wachdienst, der innerhalb von zwölf Stunden nach der Ankunft oder vor der Abfahrt des Schiffes zu leisten ist.

Artikel 9.

1. Auf allen Schiffen, für die dieses Übereinkommen gilt und die a. ein Sicherheitszeugnis nach den Bestimmungen des internationalen Übereinkommens zum Schutze des menschlichen Lebens auf- See, in seiner in dem betreffenden Zeitpunkte geltenden Fassung, oder b. ein zur Beiörderung von Fahrgästen berechtigendes Zeugnis besitzen, ist die Arbeitszeit für das Verpflegungs-, Bedienungs- und Büropersonal auf See so zu gestalten, dass für jedes Mitglied der Mannschaft eine Mindestruhe von zwölf Stunden in j e 24 Stunden, einschliesslich einer Euhezeit von mindestens acht aufeinanderfolgenden Stunden gewährleistet wird.

2. Auf allen Schiffen, für die dieses Übereinkommen gilt und die keines der im vorstehenden Absätze genannten Zeugnisse besitzen, darf die Arbeitszeit für das Verpflegungs-, Bedienungs- und Büropersonal auf See und an den Tagen der Ankunft und der Abfahrt zehn Stunden täglich nicht überschreiten.

3. Auf allen Schiffen, für die dieses Übereinkommen gilt, darf die Arbeitszeit für das Verpflegungs-, Bedienungs- und Büropersonal im Hafen, vorbehaltlich der von der Gesetzgebung gegebenenfalls zugelassenen Ausnahmen, acht Stunden täglich nicht überschreiten.

Artikel 10.

1. Die Mitglieder der Mannschaft sowie die Offiziere des Deckdienstes und die Schiffsingenieure, einschliesslich der Offiziersschüler und Offiziersanwärter können über die in den vorangehenden Artikeln von Teil II dieses Übereinkommens festgesetzten oder zugelassenen Arbeitszeitgrenzen hinaus, vorbehaltlich der folgenden Bedingungen, zum Dienste herangezogen werden: a. Jede solche Dienstleistung'gilt als
Überstundenleistung, für die eine Vergütung zu gewähren ist; .

b. Überstunden dürfen nicht ständig angeordnet werden.

2. Die Art der Vergütung und gegebenenfalls ihr Satz oder ihre Sätze ist durch die Gesetzgebung oder durch Gesamtarbeitsverträge' zu bestimmen.

57 Artikel 11.

1. Mitglieder der Mannschaft unter 16 Jahren dürfen nachts nicht arbeiten.

2. Als «Nacht» im Sinne dieses Artikels gilt ein Zeitraum von mindestens neun aufeinanderfolgenden Stunden, der vor Mitternacht beginnt und nach Mitternacht endet und der von der Gesetzgebung zu bestimmen ist.

Artikel 12.

Die Bestimmungen von Teil II dieses Übereinkommens gelten nicht für a. Arbeiten, die der Schiffsführer für die Sicherheit des Schiffes, der Fracht oder der an Bord befindlichen Personen für notwendig und dringlich hält; b. vom Schiffsführer angeordnete Arbeiten zur Hilfeleistung für andere Schiffe oder Personen; . c. Musterungen. Feuerlösch-, Bettungsbootübungen und ähnliche Übungen nach den Bestimmungen des internationalen Übereinkommens zum Schutze des menschlichen Lebens auf See, in seiner in dem betreffenden Zeitpunkte geltenden Fassung; d. zusätzliche Arbeiten infolge der Erkrankung oder des Unfalls eines Offiziers 'oder eines Mitgliedes der Mannschaft oder einer durch unvorhergesehene Umstände verursachten Verringerung der Anzahl der Offiziere oder der Mannschaft während der Eeise; e. zusätzliche Arbeiten, zur Abwicklung der Zollförmlichkeiten, der Quarantäne oder anderer Förmlichkeiten des Gesundheitsschutzes; /. die Mittagspeilung der Lage des Schiffes durch die Offiziere.

Teil III. -- Besatzungsstärke.

Artikel 13.

Jedes Schiff über 700 Tonnen muss eine nach Zahl und Befähigung ausreichende Besatzung an Bord führen, um a. den Schutz menschlichen Lebens auf See zu gewährleisten; b. die Durchführung der Bestimmungen von Teil II dieses Übereinkommens zu ermöglichen, und muss insbesondere den Mindestbestimmungen über die Besa|tzungsstärke in Teil III dieses Übereinkommens genügen.

Artikel 14.

1. Auf Schiffen über 700, aber nicht über 2000 Tonnen sind neben dem Schiffsführer mindestens zwei Offiziere des Deckdienstes, die einen Befähigungsausweis besitzen, mitzuführen.

2. Auf Schiffen über 2000 Tonnen sind neben dem Schiffsführer mindestens drei Offiziere des Deckdienstes, die einen Befähigungsausweis besitzen, mitzuführerr.

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Artikel 15.

1. Auf Schiffen über 700 Tonnen soll die Mannschaft des Deckdienstes ausreichen, um jeder Navigationswache drei Mann zuteilen zu können.

2. Insbesondere ist an Bord die folgende Mindestzahl an Mitgliedern der Mannschaft einzuschiffen: a. Auf Schiffen über 700, aber nicht über 2000 Tonnen: sechs Personen; b. auf Schiffen über 2000 Tonnen: neun Personen oder eine durch Gesetzgebung oder Gesamtarbeitsvertrag gegebenenfalls festgesetzte höhere Zahl.

3. Von den Mitgliedern der Mannschaft, deren Einschiffung nach Absatz 2 erforderlich ist, soll die nachstehend genannte Mindestzahl den Voraussetzungen über körperliche und berufliche Eignung nach Absatz 4 genügen: a. Auf Schiffen über 700, aber nicht über 2000 Tonnen: vier Personen; l>. auf Schiffen über 2000 Tonnen: fünf Personen oder eine durch Gesetzgebung oder Gesamtarbeitsvertrag gegebenenfalls festgesetzte höhere Anzahl.

4. Die Voraussetzungen über körperliche und berufliche Eignung, die nach Absatz 3 gewisse Mitglieder der Mannschaft erfüllen müssen, sind für jeden von ihnen die folgenden: a. Vollendung des 18. Lebensjahres; b. Leistung von mindestens drei Jahren Fahrdienst auf See als Mitglied des Deckpersonals oder der Besitz eines von der zuständigen Behörde ausgestellten Zeugnisses, nach dem die berufliche Befähigung des Betreffenden der "durchschnittlichen Befähigung eines Matrosen mit drei Jahren Deckdienst entspricht.

5. Durch Gesetzgebung oder Gesamtarbeitsvertrag ist eine Begrenzung der Zahl der Personen mit weniger als einem Jahre Deckdienst auf See vorzusehen, die im Sinne dieses Artikels zum Deckpersonal gezählt werden dürfen.

6. Zur Mannschaft des Deckdienstes im Sinne dieses Artikels darf nicht gezählt werden, wer für zwei verschiedene Beschäftigungen angeheuert ist und zur Arbeit in einem andern Dienst als dem Deckdienst herangezogen werden kann.

7. Durch Gesetzgebung oder Gesarntarbeitsvertrag ist festzulegen, ob die Bordfunker und Funkfernsprecher im Sinne des vorstehenden Absatzes zum Deckpersonal zu zählen sind oder nicht.

Artikel 16.

1. Auf den Schiffen, für die dieser Artikel gilt, sind mindestens drei Schiffsingenieure, die einen Befähigungsausweis besitzen, mitzuführen.

2. Dieser Artikel gilt für a. Schiffe von 700 öder mehr Tonnen oder &. Schiffe mit mehr als 800 PSi.,

09 je nachdem, ob die Gesetzgebung den Tonnenraumgehalt oder die Maschinen^ leistung als Kennzeichen vorgeschrieben hat.

3. Jedoch kann jedes Mitglied die Durchführung der Bestimmungen dieses Artikels für die Dauer von fünf Jahren, gerechnet vom Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Übereinkommens, zurückstellen für vorhandene Schiffe bis zu 1500 Tonnen oder 1000 PSi. --, je nachdem, pb das Mitglied vom Kennzeichen des Tonnenraumgehaltes oder von dem der Maschinenleistung ausgeht.

Artikel 17.

Sinkt die Anzahl der Offiziere oder der Mitglieder der Mannschaft während der Eeise durch Tod, Unfall oder eine sonstige Ursache unter die in den vorstehenden Artikeln festgesetzte Mindestzahl, so hat der Schiffsführer die Besatzung bei der ersten geeigneten Gelegenheit wieder zu ergänzen.

Teil IV. -- Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 18.

Bei der Ausarbeitung aller gesetzlichen oder sonstigen Massnahmen zur Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens sind die beteiligten Berufsverbände der Reeder, der Schiffsoffiziere und der Schiffsleute, soweit dies möglich ist und verwirklicht werden kann, anzuhören.

Artikel 19.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, ist verantwortlich für die Durchführung seiner Bestimmungen auf den in seinem Gebiet eingetragenen Schiffen und für das Vorhandensein gesetzlicher Vorschriften über a. die entsprechende Haftung des Reeders und des Schiffsführers zur Sicherung der Durchführung; l>. angemessene Strafen für jede Verletzung ihrer Bestimmungen; c. die Errichtung einer geeigneten amtlichen Aufsicht, die die Durchführung des Teils III dieses Übereinkommens zu überprüfen hat, bevor das Schiff einen Heimatshafen verlässt, um eine Auslandsfahrt anzutreten; d. die Führung eines Verzeichnisses aller nach Artikel 10 geleisteten Überstunden imd der für sie gewährten Vergütungen; e. die Gewährleistung der gleichen Rechtsmittel für die Schiffsleute zur Eintreibung der Vergütungen für Überstunden, die ihnen zur Eintreibung . sonstiger Heuerrückstände eingeräumt sind.

2. In allen Fällen, in denen die zuständige Hafenbehörde davon Kenntnis erhält, dass ein Schiff, welches in einem Gebiet eingetragen ist, für das dieses Übereinkommen durch die Ratifikation eines anderen Mitgliedes gilt, die Min-

60

destzahl an Offizieren und Mitgliedern der Mannschaft nach Teil III dieses Übereinkommens nicht an Bord führt, verständigt sie den konsularischen Vertreter des genannten Mitgliedes von dem Tatbestande.

Artikel 20.

Soweit durch Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Beedenr und Schiffsleuten günstigere Bedingungen gelten, als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht berührt.

Artikel 21.

1. Die im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Übereinkommens schon vorhandenen Schiffe können vom Geltungsbereiche dieses Übereinkommens ausgenommen werden, wenn die zuständige Behörde des Gebietes, in dem die Eintragung erfolgt ist, nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände zu der Auffassung kommt, dass die Anlage zusätzlicher Quartierräume und der anderen für eine verstärkte Besatzung notwendigen ständigen Einrichtungen nach Lage der Umstände billigerweise nicht zugemutet werden kann.

2. Eine solche Ausnahme wird durch ein an Bord aufzubewahrendes Zeugnis gewährt, durch das das Schiff von der Durchführung der in dem Zeugnis angeführten Bestimmungen dieses Übereinkommens befreit wird.

3. Die Geltungsdauer eines Ausnahmezeugnisses darf jeweils vier Jahre nicht überschreiten.

4. Jedes Mitglied, das von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch macht, hat dem Internationalen Arbeitsamt in seinem Jahresbericht über die Durchführung dieses Übereinkommens folgende Aufschlüsse mitzuteilen: a. Die Wortlaute der Gesetze und sonstigen Bestimmungen über die nach diesem Artikel gewährten Ausnahmen; &. Angaben über die Zahl der Schiffe und den Gesamtraumgehalt, für die Ausnahmezeugnisse in Kraft sind; c. etwaige Bemerkungen der beteiligten Beruf s verbände der Eeeder, der Schiffsoffiziere und der Schiffsleute zu den bewilligten Ausnahmen.

Teil. V. -- Schlussbestimmungen.

Artikel 22.

Für die in Artikel 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation genannten Gebiete hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, der Ratifikation eine Erklärung beizufügen, die die Gebiete bekanntgibt «. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens unverändert durchzuführen sich verpflichtet;

61 b. in denen es die Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Abänderungen durchzuführen sich verpflichtet, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abänderungen ; c. in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann und in diesem Fall die Gründe dafür; d. für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l a und b dieses Artikels gelten als integrierender Bestandteil der Eatifikation und sind in gleicher Weise verbindlich.

3. Jedes Mitglied kann die Vorbehalte, die es in seiner früheren Erklärung nach Absatz Ib., o oder d dieses Artikels gemacht hat, durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

Artikel 23.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 24.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist. .

2. Es tritt in Kraft, sechs Monate nachdem die Eatifikationen von fünf Mitgliedern der Organisation, von denen jedes eine Handelsflotte von mehr als einer Million Tonnen Bruttoraumgehalt besitzt, durch den Generalsekretär des Völkerbundes eingetragen worden sind.

8. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied sechs Monate nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 25.

Sobald die Eatifikationen von fünf unter den in Artikel 24, Absatz 2, erwähnten Mitgliedern eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 26.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von fünf Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

62 2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von fünf Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von fünf Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 27.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 28.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht, auf Artikel 26. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

l. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 29.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Empfehlung (Nr. 49) betreffend die Arbeitszeit an Bord von Schiffen und die Besatzungsstärke.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Oktober 1936 zu ihrer einundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Begelung der Arbeitszeit an Bord von Schiffen und der Besatzungsstärke in Verbindung

63

mit dieser Arbeitszeit, eine Frage, die zum ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Oktober 1936, folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreuend die Arbeitszeit an Bord und die Besatzungsstärke, 1936, bezeichnet wird.

Die Konferenz geht davon aus, dass das Übereinkommen über die Arbeitszeit an Bord und die Besatzungsstärke, 1936, weder die Arbeitszeit noch die Besatzungsstärke auf Schiffen regelt, die ausschliesslich in der heimischen Küstenfahrt verwendet werden.

Sie ist sich bewusst, dass jedes Mitglied nach dem Übereinkommen die Möglichkeit hat, die in Artikel l, Absatz 3, des bezeichneten Übereinkommens genannten Schiffe von der Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens auszunehmen.

Sie weist darauf hin, dass einzelne Bestimmungen des Übereinkommens für Schiffe unter einer bestimmten Tonnenzahl nicht gelten.

Die Konferenz empfiehlt deshalb allen Mitgliedern, die die Arbeitszeit und die Besatzungsstärke an Bord der Schiffe dieser verschiedenen Arten · noch nicht geregelt haben, eine Erhebung über die vorhandenen Verhältnisse auf den genannten Schiffen zu veranstalten und dabei von den Bestimmungen des bezeichneten Übereinkommens auszugehen.

Die Konferenz empfiehlt ferner allen Mitgliedern, die notwendigen Massnahmen zu treffen, um überlangen Arbeitszeiten oder ungenügenden Besatzungsstärken auf Schiffen solcher Art vorzubeugen.

64 Beilage.

Zwciundzwanzigste Tagung der Internationalen Ärbcitskonfcrenz.

(Genf, 22. bis 24. Oktober 1936.)

Entwurf eines Übereinkommens der Konferenz.

Seite

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 58) über das Mindestalter für die Zulassung Von Kindern auf See (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1986) 65 Der nachfolgend abgedruckte deutsche Text des Entwurfes eines Übereinkommens bildet die in Übereinstimmung mit dem § 17 des Artikels 6 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigte offizielle Übersetzung des französischen und englischen Urtextes.

65

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 58 s über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit auf See (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1936).

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 22. Oktober 1936 zu ihrer z weiundzwaiizigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des von der Konferenz auf ihrer zweiten Tagung angenommenen Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit auf See, die Frage, die ihre Tagesordnung bildet, und. hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form, eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Oktober 1936, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens, an, der als abgeändertes Übereinkommen über das Mindestalter (Arbeit auf See), 1936, bezeichnet wird.

Artikel 1.

Im Sinne dieses Übereinkommens umfasst der Ausdruck «Schiff» Schiffe und 'Boote aller Art, die bei der Seeschiffahrt verwendet werden, gleichviel ob sie in öffentlichem oder privatem Besitz sind; Kriegsschiffe gehören nicht dazu.

Artikel 2.

1. Kinder unter fünfzehn Jahren dürfen zur Arbeit an Bord von Schiffen nicht verwendet werden. Dies gilt nicht für Schiffe, auf denen ausschliesslich Mitglieder derselben Familie beschäftigt sind.

2. Die Gesetzgebung kann jedoch die Ausstellung von Zeugnissen zulassen, nach denen Kinder von mindestens vierzehn Jahren beschäftigt werden dürfen, falls eine von der Gesetzgebung bezeichnete Schulbehörde oder andere zuständige Behörde nach angemessener Berücksichtigung des Gesundheitszustandes und der körperlichen Entwicklung des Kindes sowie der zukünftigen und sofortigen Vorteile, die die in Aussicht genommene Beschäftigung für das Kind hat, zur Auffassung kommt, dass die Beschäftigung für das Kind günstig ist.

Artikel 3.

Die Bestimmungen von Artikel 2 finden keine Anwendung auf die Arbeit von Kindern auf Schulschiffen, sofern diese Arbeit behördlich zugelassen und überwacht wird.

Artikel 4.

Zur zuverlässigen Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens werden die Schiffsführer verpflichtet,, ein Verzeichnis aller an Bord Bundesblatt.

90. Jahrg. Bd. II.

5

66

des Schiffes beschäftigten Personen unter sechzehn Jahren zu führen oder sie in der Musterrolle besonders zu verzeichnen, in beiden Fällen unter Angabe des Geburtsdatums.

Artikel 5.

Dieses Übereinkommen tritt erst in Kraft, nach der Annahme eines Entwurfes eines Übereinkommens durch die Internationale Arbeitskonferenz über die Abänderung des Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (1919) und eines Entwurfes eines Übereinkommens über die Abänderung des Übereinkommens über das Alter für die Zulassung von Kindern zu nichtgewerblichen Arbeiten (1932).

Artikel 6.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 7.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Vorbehaltlich der Bestimmungen von Artikel 5 tritt es in Kraft, ein-Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 8.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 9.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen

67 Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 10.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 11.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 9. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das.vorliegende . Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden, 2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 12.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

68 Beilage.

Dreiundzwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Genf, 3. bis 23. Juni 1937.)

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Entwürfe von Übereinkommen und Empfehlungen der Konferenz.

Empfehlung (Nr. 50) betreffend die zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei öffentlichen Arbeiten Empfehlung (Nr. 51) -betreffend die plamnässige Durchführung öffentlicher Arbeiten in den einzelnen Staaten Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 59) über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1937) Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 60) über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zu nichtgewerblichen Arbeiten (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1937) Empfehlung (Nr. 52) betreffend das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in Familienbetrieben Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 61) über die Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 62) über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten Empfehlung (Nr. 53) betreffend Unfallverhütungsvorgchriften bei Hochbauarbeiten Empfehlung (Nr. 54) betreffend die Aufsicht bei Hochbauarbeiten .

Empfehlung (Nr. 55) betreffend die Zusammenarbeit in der Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten Empfehlung (Nr. 56) betreffend die berufliche Ausbildung für Arbeiten im Hochbau

Seite

69 70 72 78 84 84 92 99 126 127 128

Die nachfolgend abgedruckten deutschen Texte der Entwürfe von Übereinkommen und der Empfehlungen bilden die in Übereinstimmung mit dem § 17 des Artikels 6 der Geschäftsverordnung der Internationalen Arbeitskohferenz angefertigten offiziellen Übersetzungen der französischen und englischen Urtexte.

69

Empfehlung (Nr. 50) betreffend die zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei öffentlichen Arbeiten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des. Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreinndzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei öffentlichen Arbeiten, eine Frage, die zum dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 22. Juni 1937, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend öffentliche Arbeiten (zwischenstaatliche Zusammenarbeit), 1987, bezeichnet wird.

Eine vorsorgliche Planung öffentlicher Arbeiten bildet ein nützliches Mittel zur Verhütung der Arbeitslosigkeit und zum Ausgleich wirtschaftlicher Schwankungen.

Ein wirksames Vorgehen auf diesem Gebiete ist nur möglich, wenn es auf ausreichender Berichterstattung und zwischenstaatlicher Zusammenarbeit beruht.

Die Konferenz empfiehlt deshalb: 1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation sollte jährlich dem Internationalen Arbeitsamt im geeignetsten Zeitpunkte statistische und andere Mitteilungen machen über die auf seinem Gebiet unternommenen oder geplanten öffentlichen Arbeiten, einschliesslich der Bestellungen von Werkzeug, Ausrüstungsgegenständen und Material.

2. Die Mitteilungen der Mitglieder gemäss Absatz l sollen soweit als möglich nach einem einheitlichen Plan erstattet werden, der sich insbesondere auf die Kosten der Arbeiten, die Art der Finanzierung und, die Zahl der beschäftigten Arbeiter zu beziehen hätte.

3. Jedes Mitglied sollte in einem internationalen Ausschuss mitarbeiten, den etwa der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes insbesondere zur gemeinsamen Prüfung der gemäss Absatz l gemachten Mitteilungen und zur Vorbereitung eines einheitlichen Planes im Sinne des Absatzes 2 einsetzt.

4. Jedes Mitglied sollte sorgfältig überlegen, welche Massnahmen auf Grund der Berichte zu ergreifen sind, die ihm der Verwaltnngsrat als Folge der Beratungen des in Absatz 3 in Aussicht genommenen Ausschusses gegebenenfalls übermittelt.

70

Empfehlung (Nr. 51) betreffend die planmässige Durchführung öffentlicher Arbeiten in den einzelnen Staaten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die planmassige Durchführung öffentlicher Arbeiten in den einzelnen Staaten, eine Frage, "die zum dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 22. Juni 1937, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend öffentliche Arbeiten (einzelstaatliche Durchführung), 1937, bezeichnet wird.

Die Ausgaben für öffentliche Arbeiten sind gewöhnlich, wenn es an einer vorsorglichen Planung fehlt, in Jahren wirtschaftlichen Wohlstandes am höchsten und vermindern sich in Jahren ungünstiger Wirtschaftsentwicklung.

Dieser Umstand führt dazu, dass die Schwankungen in der Beschäftigung der bei öffentlichen Arbeiten tätigen Arbeitnehmer zu den Schwankungen in der Beschäftigung kommen, die durch privatwirtschaftliche Aufträge hervorgerufen werden, und so in Zeiten des Wohlstandes zunächst den Mangel an bestimmten Gruppen von Arbeitnehmern, in Zeiten ungünstiger Wirtschaftsentwicklung sodann die Arbeitslosigkeit verstärken.

Es erscheint deshalb angebracht, die öffentlichen Arbeiten zeitlich so zu verteilen, dass durch sie die Wirtschaftsschwankungen soweit als möglich abgeschwächt werden.

Die einheitliche Anwendung solcher zeitlicher Verteilung auf sämtliche öffentlichen Arbeiten erfordert, dass die Verfahren der verschiedenen Behörden in Verwaltungs- und Finanzangelegenheiten miteinander in Übereinstimmung gebracht werden.

Sollen deshalb öffentliche Arbeiten als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit voll zur Auswirkung kommen, so erscheint es angebracht, für ihre Ausführung bestimmte, die Einstellung und die Beschäftigung der Arbeitnehmer betreffende Massnahmen vorzusehen.

Die Konferenz empfiehlt deshalb allen Mitgliedern, die folgenden Grundsätze anzuwenden.

Teil I. Zeitliche Verteilung der öffentlichen Arbeiten.

1. 1) Durch zweckentsprechende Massnahmen sollte für eine angemessene zeitliche Verteilung
aller von den Behörden unternommenen oder finanzierten Arbeiten Sorge getragen werden.

2) Durch diese Verteilung sollte in Zeiten ungünstiger Wirtschaftsentwicklung der Umfang dieser Arbeiten erweitert werden; zu diesem Zweck wäre es angebracht, in Zeiten wirtschaftlichen Wohlstandes diejenigen Arbeiten vor-

71 zubereiten, die sich zurückstellen lassen oder die den üblichen Bedarf überschreiten, damit sie im Zeitpunkte des Bedarfes sofort in Angriff genommen werden können.

, 3) Besondere Aufmerksamkeit sollte, je nach den Erfordernissen der jeweiligen Wirtschaftslage, solchen öffentlichen Arbeiten gewidmet werden, die der Schwerindustrie Beschäftigung bringen, oder solchen, die eine unmittelbarere Nachfrage nach Verbrauchsgütern hervorrufen.

2. Die zeitliche Verteilung sollte sich auf alle öffentlichen Arbeiten (einschliesslich der Arbeiten in den Kolonien) erstrecken, mögen sie von Zentral-, Eegional- oder Gemeindebehörden, von Betrieben, die dem Gemeinwphle dienen, oder von Körperschaften oder Privatpersonen, die Zuschüsse oder Darlehen aus öffentlichen Mitteln erhalten, unternommen werden.

3. Es würde sich empfehlen, zum Zwecke eines einheitlichen Vorgehens in jedem Staate eine Stelle zu errichten, deren Aufgabe hauptsächlich darin bestehen sollte, a) alle Auskünfte über die verschiedenen Arten öffentlicher Arbeiten zu sammeln; b) die Vorbereitung gewisser Arbeiten im voraus zu sichern und zu fördern; c) Weisungen oder Gutachten zu erteilen 'über den Zeitpunkt, in dem Arbeiten zurückgestellt oder zurückgestellte Arbeiten ausgeführt werden sollen, unter Berücksichtigung der Schwankungen der Arbeitslosigkeit, des Index der Grosshandelspreise, des Zinsfusses und aller anderen Indexziffern (Messzahlen), die auf eine Veränderung der Wirtschaftslage hindeuten.

Teil II. Finanzierung, der öffentlichen Arbeiten.

4. Unter den Knanzmassnahmen, die sich aus der Verwirklichung der Vorschläge dieser Empfehlung ergeben, sollten vor allem die folgenden in Erwägung gezogen werden: a) Bücklage der erforderlichen Mittel in Zeiten wirtschaftlichen Wohlstandes zur Durchführung der in Aussicht genommenen Arbeiten für Zeiten ungünstiger Wirtschaftsentwicklung; b) Übertragung der nicht verwendeten Kredite von einem Bechnungsjahr auf das andere; c) Begrenzung in der Aufnahme neuer öffentlicher Anleihen und beschleunigte Tilgung früherer Anleihen in Zeiten wirtschaftlichen Wohlstandes; d) Finanzierung der zur Belebung der Wirtschaft geeigneten öffentlichen Arbeiten durch Anleihen in Zeiten ungünstiger Wirtschaftsentwicklung wie überhaupt Befolgung einer Geldpolitik, die die in diesem Zeitpunkte zur Beschleunigung der öffentlichen Arbeiten erforderliche Kreditausweitung erlaubt und einen möglichst niedrigen Zinsfuss für die Anleihen sicherstellt.

72 5. lin Zusammenhang mit der Finanzierung der öffentlichen Arbeiten würde es sich empfehlen, der in Absatz 8 genannten Stelle oder einer anderen, mit ihr in Zusammenarbeit stehenden Stelle alle oder einzelne der folgenden Aufgaben zu übertragen: a) Beratung der Zentralbehörden bei der Finanzpolitik und gegebenenfalls bei der' Steuerpolitik in bezug 'auf öffentliche Arbeiten; T}) Mitwirkung bei der Herstellung einer hinreichenden Übereinstimmung zwischen Kreditpolitik und Eegelung des Geldmarktes durch die Zentralbank oder eine andere Anstalt der gleichen Art und der Politik der Eegierung auf dem Gebiete der öffentlichen Arbeiten; c) Vereinheitlichung der Anleihepolitik der in Absatz 2 bezeichneten verschiedenen öffentlichen Körperschaften; d) Ergreifung aller notwendigen Massnahmen für eine wirksame Darlehensoder Zuschusspolitik der Zentralbehörden.

. , , Teil III. Beschäftigung bestimmter Arbeitnehmergruppen.

6. Bei der Durchführung der in dieser Empfehlung vorgesehenen zeitlichen Verteilung sollte die Möglichkeit erwogen werden, auch Arbeiten zu berücksichtigen, die gewissen Sondergruppen von Arbeitnehmern, z. B. den Jugendlichen, den Frauen und den geistigen Arbeitern, Beschäftigung bieten.

Teil IV. Einstellungs- und Arbeitsbedingungen.

7. Die Einstellung der für die öffentlichen Arbeiten benötigten Arbeitnehmer sollte vorzugsweise durch die öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen erfolgen.

8. Ausländische Arbeitnehmer, die ermächtigt sind, sich im Lande aufzuhalten, sind zu den öffentlichen Arbeiten unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit zu denselben Bedingungen zuzulassen wie inländische Arbeitnehmer.

9. Der Lohnsatz für Arbeitnehmer, die bei öffentlichen Arbeiten beschäftigt sind, sollte nicht niedriger sein als derjenige, der im allgemeinen von den Arbeitgebern und den Organisationen der Arbeitnehmer an dem Ort, an dem die Arbeiten ausgeführt werden, für eine Arbeit der gleichen Art anerkannt ist. Dort, wo keine derartigen allgemein anerkannten Lohnsätze bestehen, .sollte nach dem am nächstgelegenen Orte mit ähnlichen gewerblichen Verhältnissen üblichen Lohnsatz gezahlt werden, vorausgesetzt, dass 'dieser Lohnsatz in jedem Falle den Arbeitnehmern eine nach der Auffassung ihrer Zeit und ihres Landes angemessene Lebenshaltung sichert.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 59) über das
Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1937).

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen

73

.wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreinndzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des von der Konferenz auf ihrer ersten Tagung angenommenen Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass die Anträge die Form eines Entwurf es ' eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 22. Juni 1937, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als abgeändertes Übereinkommen über das Mindestalter (Gewerbe), 1937, bezeichnet wird.

Teil I. Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

Als «gewerbliche Betriebe» im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere: a) Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen ; b) Gewerbe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt oder verkaufsbereit gemacht oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschliesslich des Schiffsbaues, der Abbruchunternehmungen, der Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität und sonstiger motorischer Kraft irgendwelcher. Art; o) der Bau, der Wiederaufbau, die Instandhaltung, die Ausbesserung, der Umbau oder der Abbruch von Bauwerken, Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfen, Docks, Hafendämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiff fahrt, Strassen, Tunnels, Brücken, Strassenüberführungen, Abwässerkanälen, Brunnenschächten, Telegraphen- und Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gas- und Wasserwerken und andere Bauarbeiten sowie die dazu nötigen Vor- und Fundierungsarbeiten ; d) die Beförderung von Personen oder Gütern auf Strassen, Eisenbahnen oder Binnengewässern, einschliesslich des Verkehrs mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen, Werften und in Lagerhäusern, jedoch mit Ausnahme der Handbeförderung.

In jedem Staate bestimmt die zuständige, Behörde die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Handel und Landwirtschaft andererseits.

Artikel 2.

1. Kinder unter fünfzehn Jahren dürfen in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben weder beschäftigt werden noch arbeiten.

74

2. Die Gesetzgebung kann jedoch die Beschäftigung' solcher Kinder in Betrieben zulassen, in denen lediglich Mitglieder der Familie des Arbeitgebers beschäftigt werden, mit Ausnahme von Arbeiten, die wegen ihrer Beschaffenheit oder der Verhältnisse, unter denen sie ausgeführt werden, für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der dabei beschäftigten Personen gefährlich sind.

Artikel 3.

Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden keine Anwendung auf die Arbeit der Kinder in Berufsschulen, sofern diese Arbeit behördlich zugelassen und überwacht wird.

Artikel 4.

Zur zuverlässigen Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens werden die Inhaber gewerblicher Betriebe verpflichtet, ein Verzeichnis aller von ihnen beschäftigten Personen unter achtzehn Jahren zu führen, unter Angabe des Geburtsdatums.

Artikel 5.

1. Für Arbeiten, die wegen ihrer Beschaffenheit oder der Verhältnisse, unter denen sie ausgeführt werden, für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der dabei beschäftigten Personen gefährlich sind, hat die Gesetzgebung entweder a) eine höhere Altersgrenze oder höhere Altersgrenzen als fünfzehn Jahre für die Zulassung von jungen Leuten und Jugendlichen festzusetzen oder b) eine geeignete Behörde zu ermächtigen, eine höhere Altersgrenze oder höhere Altersgrenzen als fünfzehn Jahre für die Zulassung von jungen Leuten und Jugendlichen festzusetzen.

2. Die Berichte, die jährlich nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegen sind, müssen, je nach dem Falle, genaue Angaben über die höhere Altersgrenze oder die höheren Altersgrenzen enthalten, die gemlss Absatz l a) dieses Artikels gesetzlich bestimmt sind, oder über die Massnahrnen, die von der betreffenden Behörde auf Grund der Ermächtigung nach Absatz l b) ergriffen worden sind.

Teil II. Sonderbestimmungen für verschiedene Staaten.

Artikel 6.

. 1. Für Japan gelten an Stelle der Bestimmungen der Artikel 2 und 5 die nachstehenden Bestimmungen.

2. Kinder unter vierzehn Jahren dürfen in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben weder beschäftigt werden noch arbeiten. Die Gesetzgebung kann jedoch die Beschäftigung solcher Kinder in Betrieben zulassen, in denen lediglich Mitglieder der Familie des Arbeitgebers beschäftigt werden.

75 3. Kinder unter sechzehn Jahren dürfen in Bergwerken oder in Fabriken bei Arbeiten, die von der Gesetzgebung als gefährlich oder als ungesund bezeichnet worden sind, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

Artikel 7.

1. Für Indien finden die Bestimmungen der Artikel 2, 4 und 5 keine Anwendung. Statt .dessen gelten die folgenden Bestimmungen für alle Gebiete Indiens, in denen die «Indian Legislature» zu ihrer Durchführung 'zuständig ist.

2. Kinder unter zwölf Jahren dürfen in Fabriken mit motorischer Triebkraft, die mehr als zehn Personen beschäftigen, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

3. Kinder unter dreizehn Jahren dürfen bei der Beförderung von Personen, Gütern oder Postsendungen auf Eisenbahnen oder beim Verkehre mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen und Werften, jedoch mit Ausnahme der Handbeförderung, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

4. Kinder unter fünfzehn Jahren dürfen weder beschäftigt werden, noch arbeiten a) in Bergwerken, Steinbrüchen und anderen Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen; b) bei Arbeiten, auf die dieser Artikel Anwendung findet und die von der zuständigen Behörde als gefährlich oder ungesund bezeichnet;worden sind.

5. Ausser wenn sie durch ein ärztliches Zeugnis als geeignet für die betreffende Arbeit erklärt worden sind, dürfen a) Personen, die das zwölfte Lebensjahr vollendet, aber das siebzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, in Fabriken mit motorischer Triebkraft, die mehr als zehn. Personen beschäftigen, nicht arbeiten; b) Personen, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, aber das siebzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, nicht in Bergwerken arbeiten.

Artikel 8.

1. Für China gelten an Stelle der Bestimmungen der Artikel 2, 4 und 5 die nachstehenden Bestimmungen.

; 2. Kinder unter zwölf Jahren dürfen in Fabriken, die Maschinen mit motorischem Antriebe verwenden und gewöhnlich dreissig oder mehr Personen beschäftigen, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

3. Kinder unter fünfzehn Jahren dürfen weder beschäftigt werden noch arbeiten a) in Bergwerken, die in der Eegel fünfzig oder mehr Personen beschäftigen ; l) in Fabriken, die Maschinen mit motorischem Antriebe verwenden und gewöhnlich dreissig oder mehr Personen beschäftigen, bei Arbeiten, die von der Gesetzgebung als gefährlich oder ungesund bezeichnet worden sind.

76

4. Der Leiter eines jeden gewerblichen Betriebes, für den dieser Artikel gilt, hat ein Verzeichnis aller von ihm beschäftigten Personen unter sechzehn Jahren zu führen und alle von der zuständigen Behörde verlangten Belege zum Nachweis ihres Alters bereitzuhalten.

Artikel 9.

1. Die Internationale Arbeitsorganisation kann auf jeder Tagung, zu deren Tagesordnung die Frage gehört, mit Zweidrittelmehrheit Abänderungsentwürfe zu den in Teil II dieses Übereinkommens enthaltenen Artikeln oder zu einzelnen von ihnen annehmen.

2. Ein solcher Abänderungsentwurf hat das Mitglied oder die Mitglieder zu bezeichnen, für die er gilt, und ist spätestens ein Jahr oder, wo aussergewöhnliche Umstände vorliegen, spätestens achtzehn Monate nach dem Schluss der Tagung der Konferenz von dem Mitglied oder den Mitgliedern, für die er gilt, der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.

3. Das Mitglied, das die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen erlangt hat, teilt seine förmliche Ratifikation der Abänderung dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mit.

4. Sobald ein solcher Abänderungsentwurf von dem Mitglied oder den Mitgliedern, für die er gilt, ratifiziert worden ist, tritt er als Abänderung dieses Übereinkommens in Kraft.

Teil III. Sohlussbestimmungen.

Artikel 10.

Die. förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 11.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 12.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völker-

77

bundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Batifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 13.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 14.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a) Die Batifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 13. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

})) Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorhegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 16.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

78 Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 60) über das Mindestalter ìur die Zulassung von Kindern zu nichtgewerblichen Arbeiten (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1937).

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des von der Konferenz auf ihrer sechzehnten Tagung angenommenen Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zu nichtgewerblichen Arbeiten, eine Frage, die den siebenten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 22. Juni 1937, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als abgeändertes Übereinkommen über das Mindestalter (nichtgewerbliche Arbeiten), 1937, bezeichnet wird.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf jede Arbeit, die nicht den Gegenstand der Regelung durch die folgenden Übereinkommen bildet: Übereinkommen über das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft (Genf, 1921), abgeändertes Übereinkommen über das Mindestalter (Arbeit auf See), 1936, abgeändertes Übereinkommen über das Mindestalter (Gewerbe), 1937.

2. In jedem Staate bestimmt die zuständige Behörde nach Anhörung der wichtigsten beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Grenze zwischen dem Geltungsbereiche dieses Übereinkommens und dem der vorstehend bezeichneten drei Übereinkommen.

3. Dieses Übereinkommen findet keine Anwendung: a) auf die Seefischerei; b) auf die Arbeit in Fach- und Berufsschulen, sofern sie im wesentlichen erzieherischer Art ist, nicht geschäftlichen Gewinn anstrebt und sofern sie durch die Behörde begrenzt, genehmigt und beaufsichtigt wird.

4. In jedem Staat ist die zuständige Behörde befugt, von der Anwendung dieses Übereinkommens auszunehmen: a) Beschäftigung in Betrieben, in denen nur Mitglieder der Familie des Arbeitgebers beschäftigt werden, sofern es sich nicht um eine schädliche, nachteilige oder gefährliche Beschäftigung im Sinne der Artikel 3 und 5 dieses Übereinkommens handelt;

79 b) hauswirtschaftliche Arbeit in der Familie, die von Mitgliedern dieser Familie verrichtet wird.

: Artikel 2.

;

Soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, dürfen Kinder unter fünfzehn Jahren sowie solche, die das fünfzehnte Lebensjahr zwar überschritten haben, aber noch der gesetzlichen Grund- (Primär-) Schulpflicht unterstehen, bei den durch dieses Übereinkommen erfassten Arbeiten nicht beschäftigt werden.

Artikel 3.

1. Kinder, die das dreizehnte Lebensjahr vollendet haben, können ausserhalb der für den Schulbesuch vorgesehenen Stunden mit leichten Arbeiten beschäftigt werden, sofern diese Arbeiten: a) für die Gesundheit oder die normale Entwicklung der Kinder nicht schädlich sind; b) nicht durch ihre Art den Besuch der Schule oder die Möglichkeit, dem Schulunterricht mit Nutzen zu folgen, beeinträchtigen.

2. Kinder unter vierzehn Jahren dürfen a) weder an Schultagen noch an schulfreien Tagen länger als zwei Stunden täglich mit leichten Arbeiten beschäftigt werden; . b) auf die Schulzeit und auf die leichten Arbeiten zusammen nicht mehr als sieben Stunden täglich -verwenden.

3. Die Gesetzgebung wird die Zahl der Stunden bestimmen, während derer Kinder über vierzehn Jahren täglich mit leichten Arbeiten ; beschäftigt werden dürfen.

4. Leichte Arbeiten sind verboten a) an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen; b) während der Nacht.

5. Als «Nacht» im Sinne des vorigen Absatzes gilt: a) für Kinder unter vierzehn Jahren ein Zeitraum von mindestens zwölf aufeinander folgenden Stunden, der die Zeit zwischen acht Uhr abends und acht Uhr morgens in sich schliesst; b) für Kinder über vierzehn Jahren ein von der Gesetzgebung zu bestimmender Zeitraum, der jedoch nicht weniger als zwölf Stunden betragen darf, mit Ausnahme der tropischen Länder, wo Ersatzruhezeiten während des Tages gewährt werden.

6. Die Gesetzgebung wird nach Anhörung der wichtigsten beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer a) bestimmen, welche Arten von Arbeit als leichte Arbeiten im Sinne dieses Artikels· angesehen werden können; b) vorschreiben, welche Sicherungen gegeben sein müssen, bevor Kinder mit leichten Arbeiten beschäftigt werden dürfen.

80 7. Vorbehaltlich der Bestimmungen des Absatzes l a) dieses Artikels a) kann die Gesetzgebung bestimmen, welche Arbeiten während der Ferien von den über vierzehn Jahre alten Kindern im Sinne des Artikels 2 geleistet werden dürfen und welches die tägliche Höchstdauer dieser Arbeiten ist; b) darf in Staaten, in denen keine Bestimmungen über eine gesetzliche Schulpflicht bestehen, die Dauer der Beschäftigung mit leichten Arbeiten viereinhalb Stunden täglich nicht überschreiten.

Artikel 4.

Die Gesetzgebung kann im Interesse der Kunst, der Wissenschaft oder des Unterrichtes Ausnahmen von den Bestimmungen der Artikel 2 und 3 dieses Übereinkommens im Wege der Einzelermächtigüng zulassen, um das Auftreten von Kindern bei öffentlichen Aufführungen jeder Art oder ihre Teilnahme als Schauspieler oder Statisten bei Filmaufnahmen zu ermöglichen.

Jedoch gelten folgende Einschränkungen: a) Solche Ausnahmen dürfen nicht zugelassen werden, wenn es sich um eine Beschäftigung handelt, die gefährlich im Sinne des Artikels 5 dieses Übereinkommens ist, insbesondere uni Darbietungen in Zirkus, Variété oder Kabarett; l>) es sind strenge Sicherungen zu treffen, um Gesundheit, körperliche Entwicklung und Sittlichkeit der Kinder zu schützen und ihnen gute Behandlung, angemessene Buhezeit und Fortsetzung des Unterrichtes zu gewährleisten; c) Kinder, deren Arbeit unter den in diesem Artikel vorgesehenen Voraussetzungen zugelassen ist, dürfen nicht nach Mitternacht beschäftigt werden.

Artikel 5.

Die Gesetzgebung schreibt eine höhere Altersgrenze oder höhere Altersgrenzen als in Artikel 2 dieses Übereinkommens vor 'für die Zulassung von jungen Leuten und Jugendlichen zu Arbeiten, die wegen ihrer Beschaffenheit oder der Verhältnisse, unter denen sie ausgeführt werden, für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der dabei beschäftigten Personen gefährlich sind.

Artikel 6.

Die Gesetzgebung schreibt eine höhere Altersgrenze oder höhere Altersgrenzen aïs in Artikel 2 dieses Übereinkommens vor für die Zulassung von jungen Leuten und Jugendlichen zur Beschäftigung beim Handel im Umherziehen auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten, zu ständiger Beschäftigung bei Auslagen ausserhalb der Läden und zur Beschäftigung in Wanderberufen, sofern diese Tätigkeiten unter Verhältnissen ausgeübt werden, welche die Festsetzung einer höheren Altersgrenze rechtfertigen.

81*

Artikel 7.

' "

. ·:

Um die wirksame Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu gewährleisten, wird die Gesetzgebung a) ein geeignetes Verfahren amtlicher Aufsicht und Überwachung vorsehen; 1}) alle Arbeitgeber zur Führung eines Verzeichnisses verpflichten, in dem die Namen und Geburtsdaten aller Personen unter achtzehn Jahren zu vermerken sind, soweit diese Personen Arbeiten verrichten, für die dieses Übereinkommen gilt, mit Ausnahme der in Artikel 6 erwähnten Arbeiten; c) geeignete Massnahmen treffen, um die Feststellung und Überwachung der Personen unter einem bestimmten Alter zu erleichtern, die bei den in Artikel 6 bezeichneten Beschäftigungen und Berufen verwendet werden; ä) Strafen vorsehen für die Verletzung der gesetzlichen Vorschriften, die der Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens dienen.

Artikel S.

.

. .

Die Jahresberichte gemäss Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation sollen vollständige Mitteilungen enthalten über die Massnahmen der Gesetzgebung zur Durchführung dieses Übereinkommens. Diese Mitteilungen sollen insbesondere einschliessen : a) ein Verzeichnis der Arten von Arbeit, welche die Gesetzgebung als leicht im Sinne des Artikels 3 bestimmt; b) ein Verzeichnis der Arten von Arbeit, für welche die Gesetzgebung gemäss Artikel 5 und 6 höhere Altersgrenzen als in Artikel 2 vorschreibt; c) vollständige Angaben über die Voraussetzungen, unter denen auf Grund des Artikels 4 Ausnahmen von den Bestimmungen der Artikel 2 und 3 gewährt werden.

Artikel 9.

:

1. Für Indien finden die Bestimmungen der Artikel 2, 3, 4, 5, 6 und 7 dieses Übereinkommens keine Anwendung. Statt dessen gelten die folgenden Bestimmungen für alle Gebiete Indiens, in denen die «Indian Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

2. Kinder unter dreizehn Jahren dürfen nicht beschäftigt werden a) in Läden, Büros, Hotels und Gastwirtschaften; b) in öffentlichen Unterhaltungsstätten; c) in anderen nichtgewerblichen Berufen, auf die die Bestimmungen dieses Absatzes von der zuständigen Behörde etwa erstreckt werden.

8. Die Gesetzgebung kann, im Interesse der Kunst, der Wissenschaft oder des Unterrichtes Ausnahmen von den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes Bundesblatt. 90. Jahrg. Bd. II.

-

ß

82 im Wege der Einzelermächtigung zulassen, um das Auftreten von Kindern bei öffentlichen Aufführungen jeder Art oder ihre Teilnahme als Schauspieler oder Statisten hei Filmaufnahmen zu ermöglichen.

4. Personen unter siebzehn Jahren dürfen nicht beschäftigt werden bei nichtgewerblichen Arbeiten, die die zuständige Behörde nach Anhörung der wichtigsten beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer als gefährlich für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit erklärt.

5. Die Internationale Arbeitskonferenz kann auf jeder Tagung, zu deren Tagesordnung die Frage gehört, mit Zweidrittelmehrheit Abänderungsentwürfe zu den vorstehenden Absätzen dieses Artikels annehmen.

6. Ein solcher Abänderungsentwurf ist spätestens ein Jahr oder, wo aussergewöhnliche Umstände vorliegen, spätestens achtzehn Monate nach dem Schluss der Tagung der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen in Indien zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.

7. Wenn Indien die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen erlangt hat, teilt es seine förmliche Eatifikation der Abänderung dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mit., 8. Sobald ein solcher Abänderungsentwurf von Indien ratifiziert worden ist, tritt er als Abänderung dieses Übereinkommens in Kraft.

Artikel 10.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 11.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 12.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit.

83

Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 13.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generälsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2; Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze "genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 14.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen : a) Die Batifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 13. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

i) Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

.

' Artikel 16.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

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Empfehlung (Nr. 52) betreffend das Miudestalter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in Familienbetrieben.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes, nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, .

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet.

Nach Annahme eines Entwurfes eines Übereinkommens über die Abänderung des bezeichneten Übereinkommens hat die Konferenz beschlossen, das abgeänderte Übereinkommen durch eine Empfehlung zu ergänzen.

Die Konferenz nimmt heute, am 22. Juni 1937, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung über das Mindestalter (Familienbetriebe), 1937, bezeichnet wird.

Das abgeänderte Übereinkommen über das Mindestalter (Gewerbe), 1937, begrenzt zwar den Umfang der im.Übereinkommen von 1919 enthaltenen Ausnahme für die Eamilienbetriebe, es lässt aber den Ausschluss dieser Betriebe von seinem Geltungsbereiche noch zu mit Ausnahme von Arbeiten, die wegen ihrer Beschaffenheit oder der Verhältnisse, unter denen sie ausgeführt werden, für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der dabei beschäftigten Personen gefährlich sind.

Vernünftigerweise darf man hoffen, dass es möglich sein wird, diese Ausnahme in naher Zukunft vollständig zu beseitigen.

Die Konferenz empfiehlt deshalb den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation, alle Anstrengungen zu machen, um ihre Gesetzgebung über das Mindestalter auf alle gewerblichen Betriebe, einschliesslich der Familienbetriebe, anzuwenden.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 61) über die Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die am 3. Juni 1937 in Genf zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, geht von der Erwägung aus, dass die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit in der Textilindustrie den zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet.

Sie bestätigt den durch das Übereinkommen über die Vierzigstundenwoche von 1935 festgelegten Grundsatz, der auch die Aufrechterhaltung des Standes der Lebenshaltung der Arbeitnehmer umfasst und hält es für erwünscht, durch eine internationale Vereinbarung diesen Grundsatz in der Textilindustrie durchzuführen.

'85

Die Konferenz nimmt heute, am 22. Juni 1937, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit (Textilindustrie), 1987, bezeichnet wird.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen gilt a) für Personen, die in einem Betriebe beschäftigt sind, der die in Absatz 2 dieses Artikels gestellte Voraussetzung erfüllt, einschliesslich der Personen, die in irgendeinem Teil eines solchen Betriebes beschäftigt sind, selbst wenn dieser Teil des Betriebes diese Voraussetzung nicht erfüllt; T}) für Personen, die in einem Teil eines Betriebes beschäftigt sind, der die in Absatz 2 dieses Artikels gestellte Voraussetzung erfüllt, selbst wenn der Betrieb, zu dem dieser Teil gehört, diese Voraussetzung nicht erfüllt.

2. Die im vorigen Absatz erwähnte Voraussetzung besteht darin, dass der Betrieb oder der Teil des Betriebes ausschliesslich oder überwiegend eine oder mehrere,der in Absatz 3, 4 und 5 dieses Artikels näher bezeichneten Arbeiten ausführt zur Herstellung aller Arten von Zwirnen, Garnen, Bindfäden, Schnüren, Seilen, Filets, Filzen oder von gewebten, gewirkten oder geflochtenen Waren jeder Art aus einem oder mehreren der nachgenannten Stoffe : Baumwolle, Wolle, Seide, Flachs, Hanf, Jute, Kunstseide und anderen synthetischen Faserstoffen, sowie allen sonstigen Textilien pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs.

3. Die unter Absatz 2 dieses Artikels fallenden Arbeitsvorgänge beginnen a) für die Baumwolle mit der Übernahme der Ballen entkörnter Baumwolle zum Öffnen der Ballen und zum Beinigen der Baumwolle; b) für die Wolle mit der Übernahme der Eohwolle zum Sichten und Beinigen (mit Ausnahme der Vernichtung von Milzbrandkeimen); c) für die Seide mit dem Abhaspeln der Kokons oder mit dem Einweichen der Abfälle; .

d) für Flachs, Jute und Hanf mit dem Bösten, soweit diese Arbeit nicht als Nebenarbeit eines landwirtschaftlichen Betriebes verrichtet wird; e) für Kunstseide und andere synthetische Fasern mit der Übernahme der Stoffe für die chemische Herstellung der Faser; f) für Lumpen mit dem Sichten der Lumpen oder mit der Übernahme der gesichteten Lumpen; g) für alle sonstigen Textilien mit dem Arbeitsvorgang, der von der zuständigen Behörde als den vorstehend genannten Arbeiten entsprechend bezeichnet wird.

4. Die unter Absatz 2 dieses Artikels
fallenden Arbeitsvorgänge schliessen das Bleichen, das Färben, das Bedrucken, das Fertigmachen und ähnliche Arbeiten ein und enden mit dem Verpacken und dem Versand der in jenem Absatz genannten Erzeugnisse.

86

5. Die unter Absatz 2 dieses Artikels lallenden Arbeitsvorgänge erstrecken sich ganz oder teilweise auf die Herstellung von Kleidern oder sonstigen Waren nur irn Falle von a) Wirkwaren; b) Kleidern und sonstigen Waren, die im gemeinsamen Arbeitsvorgang hergestellt werden mit den Stoffen, aus denen sie bestehen.

6. Ist es zweifelhaft, ob ein Betrieb oder ein Teil eines Betriebes die in Absatz 2 dieses Artikels gestellte Voraussetzung erfüllt, so entscheidet die zuständige Behörde nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen.

7. Wenn und solange der Grundsatz der Vierzigstundenwoche für Personen, die unter dieses Übereinkommen fallen, auf Grund der Bestimmungen eines anderen internationalen Arbeitsübereinkommens gilt, kann die zuständige Behörde die betreffenden Personen vom Geltungsbereiche des vorliegenden Übereinkommens ausnehmen.

8. Dieses Übereinkommen gilt sowohl für Personen, die in öffentlichen, als auch für solche, die in privaten Betrieben beschäftigt sind.

Artikel 2.

Die zuständige Behörde kann nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, vom Geltungsbereiche dieses Übereinkommens ausnehmen: a) Personen in Betrieben, in denen nur Angehörige der Familie des Arbeitgebers beschäftigt sind; l>) Gruppen von Personen, die wegen ihrer besonderen Verantwortlichkeit nicht unter die allgemeinen Vorschriften über die wöchentliche Arbeitszeit fallen.

Artikel 3.

1. Im Sinne dieses Übereinkommens gilt als «Arbeitszeit» die Zeit während der das Personal zur Verfügung des Arbeitgebers steht; sie umfasst nicht die Euhepausen, in denen das Personal nicht zur Verfügung des Arbeitgebers steht.

2. Wenn es im Zeitpunkte der Annahme dieses Übereinkommens üblich ist, die zum Beinigen oder zürn Schmieren von Maschinen benötigte Zeit nicht als Teil der regelmässigen Arbeitszeit anzusehen, so kann die zuständige Behörde zulassen, dass im Sinne dieses Übereinkommens die für diese Arbeiten benötigte Zeit nicht in die Arbeitszeit der beteiligten Personen eingerechnet wird, soweit sie eine und eine halbe Stunde wöchentlich nicht überschreitet.

Artikel 4 .

.

.

.

1. Die Arbeitszeit der Personen, für die dieses Übereinkommen gilt, darf durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

.87

2. Für Personen, die in aufeinanderfolgenden Schichten mit Arbeiten beschäftigt, sind, die ihrer Natur nach zu keinem Zeitpunkte des Tages, der Nacht oder der Woche unterbrochen werden können, darf diei .wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich zweiundvierzig Stunden erreichen.

3. Die zuständige Behörde bestimmt nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, die unter Absatz 2 dieses Artikels fallenden Arbeiten.

4. Wenn die Arbeitszeit nach einer Durchschnittsdauer berechnet wird, bestimmt die zuständige Behörde nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, die Zahl der Wochen, die der Berechnung dieser Durchschnittsdauer zugrunde gelegt werden darf, sowie die wöchentliche Höchstzahl der Arbeitsstunden.

Artikel 5.

Die zuständige Behörde kann nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, durch Verordnungen eine Überschreitung der im vorigen Artikel zugelassenen Arbeitszeitgrenzen in einem durch diese Verordnungen festgesetzten Ausmasse gestatten für a) Personen, die mit Vofbereitungs- oder Ergänzungsarbeiten beschäftigt sind, die notwendigerweise ausserhalb der allgemeinen Arbeitszeit des Betriebes, des Betriebsteiles oder der Schicht ausgeführt werden müssen; b) Personen bei Beschäftigungen, die ihrer Natur nach längere Zeiten der Untätigkeit mit sich bringen, während deren diese Personen weder körperliche Arbeit leisten, noch eine dauernde Aufmerksamkeit aufwenden, oder während deren sie nur auf ihrem Posten bleiben, um im Bedarfsfalle zur Verfügung zu stehen; c) Personen, die mit dem Befördern, Liefern, .Verladen oder Ausladen von Waren beschäftigt sind.

- Artikel 6.

*

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:

1. Die in den vorigen Artikeln zugelassenen Arbeitszeitgrenzen können überschritten werden, jedoch nur soweit es erforderlich ist, um eine ernstliche Störung des regelmässigen Betriebes zu verhüten, .

a) wenn eine Betriebsstörung eingetreten ist oder droht, wenn dringliche Arbeiten an den Maschinen oder an den Betriebseinrichtungen vorzunehmen sind, oder -wenn höhere Gewalt vorliegt; b) um das unvorhergesehene Ausbleiben eines oder mehrerer Mitglieder einer Schicht auszugleichen.

2. Der Arbeitgeber hat der zuständigen Behörde unverzüglich alle auf Grund' dieses Artikels geleisteten Überstunden und die Gründe, die sie veranlasst haben, bekanntzugeben,

Artikel 7.

1. Die in den vorigen Artikeln vorgesehenen Arbeitszeitgrenzen dürfen für bestimmte Personen überschritten werden, deren ununterbrochene Anwesenheit notwendig ist zur Beendigung des Bleichens, Färbens, Zurichtens oder sonstiger Arbeiten oder einer Folge solcher Arbeiten, die aus technischen Gründen nicht ohne Schädigung der in Verarbeitung befindlichen Stoffe unterbrochen werden können und die infolge aussergewöhnlicher Umstände nicht innerhalb der regelmässigen Arbeitszeit beendet werden konnten.

2. Die zuständige Behörde bestimmt nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, die unter den vorigen Absatz fallenden Arbeiten und die Bedingungen, unter denen jener Absatz Anwendung finden soll, sowie die Höchstzahl der Stunden, während derer die betreffenden Personen auf Grund des vorigen Absatzes arbeiten dürfen.

Artikel 8.

1. Auf Ansuchen eines Arbeitgebers kann.die zuständige Behörde nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, für bestimmte Personengruppen eine bestimmte Zahl von Überstunden in Ausnahmefällen bewilligen, in denen Überstunden notwendig sind, um eine oder mehrere Arbeiten auszuführen, damit die im gleichen Betriebe mit ansehliessenden Arbeiten beschäftigten Personen die zugelassene Arbeitszeit voll ausnützen können.

2. Die zuständige Behörde bestimmt nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, die Höchstzahl der nach Absatz l dieses Artikels zulässigen Überstunden.

Dabei gilt jedoch der Vorbehalt, dass auf Grund einer solchen Bestimmung keine Person mehr als sechzig Überstunden im Ja.hr oder mehr als vier Überstunden in der Woche leisten darf, 3. Die auf Grund dieses Artikels geleisteten Überstunden sind mit einem Zuschlage von mindestens 25 v. H. des Normallohnes zu vergüten.

4. Die zuständige Behörde kann die Bewilligung einer bestimmten Zahl von Überstunden an Bedingungen knüpfen, von denen sie annimmt, dass sie zu einer fortschreitenden Verringerung der Überstunden führen werden.

: Artikel 9.

1. Die zuständige Behörde kann die Überschreitung der in den vorigen Artikeln zugelassenen Arbeitszeitgrenzen unter den folgenden Voraussetzungen gestatten : a) Jede auf Grund dieses Artikels geleistete Arbeitsstunde ist als Überstunde zu betrachten und mit einem Zuschlage von mindestens 25 v. H, des Normallohnes zu vergüten;

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b) niemand darf auf Grund dieses Artikels jährlich während mehr als 75 Überstunden beschäftigt werden.

2. Wenn die Gesetzgebung die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit streng auf jede Woche anwendet, kann die zuständige Behörde bis zu hundert zusätzlichen Überstunden jährlich unter der Voraussetzung bewilligen, dass für diese Überstunden ein Zuschlag von mindestens 25 v. H. des Normallohnes gewährt wird.

8. Bei der Erteilung einer Erlaubnis auf Grund der vorigen Absätze hat die zuständige Behörde sich zu vergewissern, dass von den Überstunden nicht ständig Gebrauch gemacht wird.

4. Die zuständige Behörde darf die Erlaubnis zur Leistung von Überstunden auf Grund dieses Artikels nur geniäss Verordnungen erteilen, die sie nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sofern solche bestehen, erlassen hat.

5. Die im vorigen Absatz genannten Verordnungen müssen bestimmen a) das Verfahren, nach dem Arbeitgebern die Erlaubnis, Überstunden leisten : zu lassen, auf Grund dieses Artikels zu erteilen ist; b) die Höchstzahl der Überstunden, für die die zuständige Behörde eine solche Erlaubnis erteilen kann, und den Mindestzuschlag für solche Überstunden.

Artikel 10.

Um die Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu erleichtern, wird jeder Arbeitgeber verpflichtet, a) in einer von der zuständigen Behörde genehmigten Weise durch Anschläge oder auf andere Art bekanntzugeben (I) die Zeit des Beginnes und der Beendigung der Arbeit; (n) bei Schichtarbeit die Zeit des Beginnes und der Beendigung jeder Schicht; (m) bei turnusweiser Beschäftigung eine Beschreibung der Eegelung einschliesslich eines Arbeitsplanes für jede Person oder Personengruppe; (Iv) die Anordnungen in den Fällen, in denen der Berechnung der wöchentlichen Durchschnittsdauer der Arbeitszeit mehrere Wochen zugrunde gelegt werden; (v) die wirklichen Euhepausen im Sinne des Artikels 3; b) alle auf Grund der Artikel 7, 8 und 9 geleisteten Überstunden sowie die für solche Überstunden gewährte Vergütung in ein Verzeichnis einzutragen, dessen Form die zuständige Behörde genehmigt hat.

Artikel 11.

Jedes Mitglied kann die Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens für die Dauer eines die Landessicherheit gefährdenden Notstandes aussetzen.

90

Artikel 12.

Für die Dauer von höchstens zwei Jahren, gerechnet vom Inkrafttreten dieses Übereinkommens für dag betreffende Mitglied an, kann die zuständige Behörde eine Übergangsregelung zulassen, wonach a) die Arbeitszeit während dieses Zeitraumes schrittweise auf die in den vorigen Artikeln festgesetzten Arbeitszeitgrenzen verkürzt werden kann; b) während dieses Zeitraumes bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern oder von Betrieben von einzelnen oder allen Bestimmungen dieses Übereinkommens befreit werden können.

Artikel 13.

Die Jahresberichte der Mitgliedstaaten über die Durchführung dieses Übereinkommens, die auf Grund des Artikels 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegen sind, haben insbesondere über folgende Punkte vollständige Angaben zu enthalten: a) die Entscheidungen nach Artikel l, Absatz 3 g) ; b) die Ausnahmen nach Artikel 2 und die Bedingungen, unter denen sie zugelassen worden sind; c) jede Beanspruchung der Bestimmungen von Artikel 3, Absatz 2; d) die Bestimmungen nach Artikel 4, Absatz 4; e) die Verordnungen nach Artikel 5: f) die Bestimmungen nach Artikel 7, Absatz 2; g) die Überstunden nach Artikel 8; h) die Umstände, unter denen von den Bestimmungen des Artikels 9 Gebrauch gemacht wurde.

Artikel 14.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern günstigere Bedingungen für die Arbeitnehmer gelten, als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese gemäss Artikel 19, Absatz 11 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation durch die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht berührt.

Artikel 15.

Sollte die Konferenz später ein Übereinkommen annehmen, das an den Bestimmungen dieses Übereinkommens Änderungen vornimmt, wie sie sich als notwendig erweisen könnten, um den Verhältnissen der unter Artikel 19, Absatz 3 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation fallenden Länder zu entsprechen, so gelten dieses Übereinkommen und das erwähnte spätere Übereinkommen zusammen als ein einziges Übereinkommen.

Artikel 16.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen,

91 Artikel 17.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses .Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 18.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 19.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 20.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 21.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

92

,

a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied sohliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 19. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

1}) Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

, . ; ·' .'

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

, ;.

Artikel 22.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Entwurf eines Übereinkommens (Nr. 62) über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, ; ,: hat in der Erwägung, dass die Hochbauarbeiten mit schweren Unfallgefahren verbunden.sind, die es aus allgemein menschlichen wie aus wirtschaftlichen Gründen zu vermindern gilt, beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Unfallverhütungsvorschriften zum Schutze der Arbeitnehmer in bezug auf Gerüste und Hebevorrichtungen bei Hochbauarbeiten, eine Frage, die den ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet.

Da es wünschenswert erscheint, die Mindestvorschriften über Unfallverhütung zu vereinheitlichen, ohne aber ihre allgemeine Durchführung durch eine allzu starre Fassung zu erschweren, ist es am zweckmässigsten, diesen Anträgen die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens zu gebeUj begleitet von einer. Empfehlung mit Mustervorschriften über Unfallverhütung.

. :: Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1937, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, der als Übereinkommen über Unfallverhütüngsvorschriften (Hochbau), 1937, bezeichnet wird.

Teil I: Pflichten der Parteien des Übereinkommens.

Artikel 1.

1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich zu einer Gesetzgebung,

as; a) die die Durchführung der allgemeinen Bestimmungen der Teile II--IV dieses· Übereinkommens sicherstellt; b) nach der eine geeignete Behörde ermächtigt ist, Verordnungen zu erlassen, um, soweit es unter den gegebenen Verhältnissen des betreffenden .Staates möglich und erwünscht ist, Vorschriften Geltung zu verschaffen, die mit den der Empfehlung über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, beigefügten Mustervorschriften oder mit allen abgeänderten -Mustervorschriften, welche die Internationale Arbeitskonferenz später etwa empfiehlt, übereinstimmen oder ihnen gleichwertig sind.

2. Jedes dieser Mitglieder verpflichtet sich ferner, alle drei Jahre dem Internationalen Arbeitsamt einen Bericht zu übersenden, aus dem ersichtlich ist, in welchem Masse den Mustervorschriften. Geltung verschafft worden ist, die der Empfehlung über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, beigefügt sind, oder allen abgeänderten Mustervorschriften, welche die Internationale Arbeitskonferenz später etwa empfiehlt.

Artikel 2.

1. Die Gesetzgebung zur Sicherung der Durchführung der allgemeinen Bestimmungen der Teile II--IV dieses Übereinkommens muss für alle Arbeiten gelten, die auf Baustellen im Zusammenhang mit der Errichtung, der Ausbesserung, dem Umbau, der Instandhaltung und dem Abbruch von Gebäuden aller Art ausgeführt werden.

2. Diese Gesetzgebung kann die zuständige Behörde ermächtigen, nach Befragung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, soweit solche bestehen, Ausnahmen von allen oder einzelnen dieser Bestimmungen für Arbeiten zuzulassen, die in der Eegel unter ausreichend unfallsicheren Verhältnissen durchgeführt werden.

Artikel 3.

Die Gesetzgebung zur Sicherung der Durchführung der allgemeinen Bestimmungen der Teile II--IV dieses Übereinkommens und die Verordnungen, die von der geeigneten Behörde erlassen worden sind, um den der Empfehlung betreffend Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, beigefügten Mustervorschriften Geltung zu verschaffen, haben , a) vorzuschreiben, dass der Arbeitgeber diese Gesetzgebung und diese Verordnungen allen davon betroffenen Personen in einer von der zuständigen Behörde genehmigten Weise bekanntzumachen hat; b) .die für ihre Durchführung verantwortlichen Personen zu bezeichnen; c) für den Fall der Verletzung der auferlegten Pflichten angemessene Strafen vorzusehen.

94 Artikel 4.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, einen Aufsichtsdienst zu unterhalten oder sich davon zu überzeugen, dass ein solcher vorhanden ist, der Gewähr für die wirksame Durchführung der Gesetzgebung über die Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten bietet.

Artikel 5.

1. Umfasst das Gebiet eines Mitgliedes ausgedehnte Gegenden, in denen wegen der Spärlichkeit der Bevölkerung oder des Standes der wirtschaftlichen Entwicklung die zuständige Behörde die Bestimmungen dieses Übereinkommens für undurchführbar hält, so kann sie diese Gegenden von der Durchführung des Übereinkommens entweder allgemein oder mit den ihr für bestimmte Orte oder für bestimmte Gebäudearten angebracht erscheinenden Ausnahmen befreien.

2. Jedes Mitglied hat in dem ersten Jahresberichte, den es auf Grund des Artikels 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung dieses Übereinkommens vorzulegen hat, die Gegenden zu bezeichnen, für die es von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch zu machen beabsichtigt. In der Folgezeit dürfen die Mitglieder von den Bestimmungen dieses Artikels nur für die in dieser Weise bezeichneten Gegenden Gebrauch machen.

3. Jedes Mitglied, das von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch macht, hat in den späteren Jahresberichten die Gegenden zu bezeichnen, für die es auf das Recht, sich auf die genannten Bestimmungen zu berufen, verzichtet.

Artikel 6.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, dem Internationalen Arbeitsamt jährlich die neuesten statistischen Angaben über Zahl und Art der Unfälle mitzuteilen, von denen Personen betroffen wurden, die bei Arbeiten im Rinne dieses Übereinkommens beschäftigt waren.

Teil II: Allgemeine Bestimmungen über Gerüste.

Artikel 7.

1. Für alle Arbeiten, die nicht mit einer Leiter oder mit anderen Mitteln gefahrlos ausgeführt werden können, sind den Arbeitern zweckmässige Gerüste zur Verfügung zu stellen.

2. Die Herstellung, der Abbruch oder die wesentliche Änderung eines Gerüstes darf nur ausgeführt werden a) unter der Leitung einer fachkundigen und verantwortlichen Person; b) soweit als möglich durch fachkundige und mit dieser Art von Arbeiten .vertraute Arbeiter.

95 8. Sämtliche Gerüste, alle damit verbundenen Vorrichtungen und sämtliche Leitern müssen a) aus Werkstoffen von guter Beschaffenheit bestehen; . .

b) unter Berücksichtigung der Belastung und der Beanspruchung, denen sie ausgesetzt werden, genügende Festigkeit besitzen; , c) in gutem Zustand erhalten werden.

4. Gerüste sind so zu bauen, "dass sich bei gewöhnlicher Benutzung kein Teil von ihnen verschieben kann.

5. Gerüste dürfen nicht überladen werden, und ihre Belastung ist möglichst gleichmässig zu verteilen.

6. Vor Anbringung von Hebevorrichtungen auf Gerüsten sind besondere Vorsichtsmassnahnien zur Sicherung der Widerstandsfähigkeit und der Standfestigkeit dieser Gerüste zu treffen.

7. Gerüste sind regelmässig von einer fachkundigen Person zu überprüfen.

8. Bevor der Arbeitgeber seinen Arbeitern die Benutzung eines Gerüstes gestattet, hat er sich, mag.das Gerüst von seinem oder einem anderen Unternehmen errichtet worden sein, zu vergewissern, dass es den Bestimmungen dieses Artikels vollkommen entspricht.

Artikel 8.

1. Arbeitsbühnen, Lauf brücken und Treppen müssen a) so gebaut werden, dass keiner ihrer Teile sich übermässig oder ungleich durchbiegen kann; b) so gebaut und erhalten werden, dass unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse soweit als möglich die Gefahr vermieden wird, dass Personen stolpern oder ausgleiten; c) von allen unnötigen Hindernissen treigehalten werden.

2. Bei Arbeitsbühnen, Lauf brücken, Arbeitsstellen und · Treppen, deren Höhe ein durch die Gesetzgebung festzusetzendes Mass überschreitet, a) ist jede Arbeitsbühne und jede Laufbrücke mit einem dicht verlegten Boden zu versehen, sofern nicht andere geeignete Sicherheitsmassnahmen getroffen werden; b) muss jede Arbeitsbühne und jede Laufbrücke genügend breit sein; c) ist jede Arbeitsbühne, Lauf brücke, Arbeitsstelle oder Treppe in geeigneter Weise zu umzäunen.

Artikel 9.

1. Jede Öffnung in einem Fussboden eines Gebäudes oder in einer Arbeitsbühne muss, ausser für die Zeit und in dem Ausmass, die erforderlich sind, um den Zugang von Personen und die Beförderung und "Urnlagerung von Material zu gestatten, mit geeigneten Vorrichtungen zur Verhütung des Absturzes von Personen oder Material versehen sein.

96.

2. Müssen Personen auf einem Dach beschäftigt werden, auf dem die Gefahr des Absturzes aus einer Höhe besteht, die ein durch die Gesetzgebung festzusetzendes Mass überschreitet, so sind geeignete Massnahmen zur Verhütung des Absturzes von Personen oder Material zu treffen.

8. Durch geeignete Massnahmen ist dafür zu sorgen, dass Personen nicht durch Gegenstände getroffen, werden, die von Gerüsten oder anderen Arbeitsstellen herabfallen können.

Artikel 10.

1. Zu allen Arbeitsbühnen und sonstigen Arbeitsstellen sind sichere Zugangswege vorzusehen.

2. Jede Leiter muss sicher befestigt und so lang sein, dass sie in allen Stellungen, in denen sie benutzt wird, für Hände und Fusse eine sichere Stütze bietet.

.

3. Alle Orte, an denen Arbeiten ausgeführt werden, sowie ihre Zugänge sind ausreichend zu beleuchten.

4. Um eine Gefährdung durch elektrische Anlagen zu verhüten, sind geeignete Vorsichtsmassregeln zu treffen.

5. Das auf der Baustelle befindliche Material darf nicht so aufgestapelt oder gelagert werden, dass dadurch Personen gefährdet werden können.

Teil III: Allgemeine Bestimmungen über Hebevorrichtungen.

Artikel 11.

1. Hebemaschinen und Hebegeräte, einschliesslich ihrer Befestigungsmittel, Verankerungen und Tragteile, müssen a) von guter mechanischer Bauart und aus einwandfreiem Werkstoff sein, genügende Festigkeit besitzen und dürfen keine offensichtlichen Mängel auf weisen; b) in gutem, betriebsfähigem Zustand erhalten werden.

2. Alle zum Heben oder Senken von Material oder als Aufhängemittel verwendeten Seile müssen von guter Beschaffenheit, stark genug und frei von offensichtlichen Mängeln sein.

Artikel 12.

1. Hebemaschinen und Hebegeräte sind nach ihrer Aufstellung auf der Baustelle und vor Gebrauch zu untersuchen und in geeigneter Weise zu erproben; die Untersuchungen sind an Ort und Stelle in Zeitabständen zu wiederholen, die durch die Gesetzgebung vorzuschreiben sind.

2. Alle für das Heben oder das Senken von Material oder als Aufhängemittel verwendeten Ketten, Einge, Haken, Schäkel, Kettenwirbel und Flaschenzüge sind regelrnässig zu überprüfen.

97 Artikel 13.

.

1. Alle Führer von Kranen und anderen Hebevorrichtungen müssen die erforderliche Befähigung besitzen.

2. Keine Person unter einem von der Gesetzgebung vorzuschreibenden Alter darf mit der Bedienung von Hebemaschinen, einschliesslich der Gerüstwinden, oder mit der Signalgebuug an den Führer betraut werden.

Artikel 14.

1. Bei allen Hebemaschinen und bei allen Ketten, Eingen, Haken, Schäkeln; Kettenwirbeln und Flaschenzügen, die für das Heben oder Senken oder als Aufhängemittel verwendet werden, ist das zulässige Ladegewicht durch geeignete Mittel festzustellen.

2. Auf sämtlichen Hebemaschinen und an allen sonstigen im vorigen Absatz genannten Vorrichtungen ist das zulässige Ladegewicht deutlich sichtbar anzugeben.

3. Bei Hebemaschinen mit veränderlichem zulässigem Ladegewicht sind die einzelnen Ladegewichte und die Bedingungen, unter denen sie zugelassen sind, klar anzugeben.

4. Kein Teil einer Hebemaschine oder einer der in Absatz l dieses Artikels erwähnten Vorrichtungen darf, ausser zu Prüfungszwecken, über das zulässige Ladegewicht hinaus belastet werden.

Artikel 15.

:

1. Motoren, Triebwerke, Transmissionen, elektrische Leitungen und andere gefährliche Teile der Hebevorrichtungen sind mit wirksamen Schutzvorrichtungen zu versehen.

2. Hebevorrichtungen sind so auszustatten, dass die Gefahr eines zufälligen Niedergehens der Last auf ein Mindestmass beschränkt viird.

3. Um die Gefahr jeder zufälligen Verschiebung eines Teiles einer hängenden Last auf ein Mindestmass zu beschränken, sind geeignete Vorsichtsmassnahmen zu treffen.

Teil IV: Allgemeine Bestimmungen über Schutzausrüstung und erste Hilfe.

Artikel 16.

'

:

1. Für die auf der Baustelle beschäftigten Personen sind alle erforderlichen Ausrüstungsgegenstände zum persönlichen Unfallschutz bereitzuhalten; diese Ausrüstungsgegenstände müssen sich stets in sofort gebrauchsfähigem Zustande befinden.

2. Die Arbeitnehmer sind zur Benutzung der in dieser Weise bereitgestellten Ausrüstungsgegenstände verpflichtet, und der Arbeitgeber hat durch geeignete Bundesblatt. 90. Jahrg. Bd, II.

7

98

Massnahmen dafür zu sorgen, dass sie von den Personen, für die sie bestimmt sind, zweckentsprechend benutzt werden.

Artikel 17.

Werden Arbeiten in der Nähe eines Ortes ausgeführt, an dem die Gefahr des Ertrinkens besteht, so müssen alle erforderlichen Ausrüstungsgegenstände bereitgestellt und in gebrauchsfähigem Zustand erhalten werden, sowie leicht erreichbar sein; ferner müssen alle Massnahmen ergriffen werden, die für die sofortige Bettung in Gefahr befindlicher Personen notwendig sind.

Artikel 18.

Für die sofortige erste Hilfe bei allen Verletzungen, die während der Arbeit vorkommen können, sind geeignete Vorkehrungen zu treffen.

Teil V: Schlussbestimmungen.

Artikel 19.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 20.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generalsekretär eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem, die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 21.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation eingetragen worden sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 22.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes

99 kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge-kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 23.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 24.

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen : a) Die Batifikation des neu gefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 22. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder,,-die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 25.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Empfehlung (Nr. 53) betreffend Unîallverhutungsvorschriîten bei Hochbauarbeiten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen

100 wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Unfallverhütungsvorschriften zum Schutze der Arbeitnehmer in bezug auf Gerüste und Hebevorrichtungen, bei Hochbauarbeiten, eine Frage, die den ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen, der ergänzt werden soll durch eine Empfehlung mit Mustervorschriften über Unfallverhütung.

Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1937, folgende Empfehlung an.

die als Empfehlung betreffend Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, bezeichnet wird.

Zur Förderung der von den Mitgliedern der Organisation unternommenen Bemühungen, die Unfallgefahr bei Hochbauarbeiten zu vermindern, ist es erwünscht, ihnen Mustervorschriften über Unfallverhütung zur Prüfung vorzulegen und auf internationaler Grundlage einen Austausch der bei der Durchführung dieser Vorschriften gewonnenen Erfahrungen einzurichten.

Das Übereinkommen über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, enthält eine Eeihe allgemeiner Grundsätze, die durch eingehende Bestimmungen über Unfallverhütung ergänzt werden müssen.

Infolgedessen ist es erwünscht, dass den Mitgliedern der Organisation, die dieses Übereinkommen ratifizieren, Mustervorschriften zu ihrer Verfügung stehen, die sich durch die Erfahrung als zweckdienlich zur Verminderung der Unfallgefahren erwiesen haben.

Es ist auch erwünscht, dass solche Mustervorschriften als Eichtlinien den Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden, die sich nicht in der Lage sehen, sofort das Übereinkommen über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, zu ratifizieren.

Die Konferenz empfiehlt deshalb: 1) Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation sollte die beigefügten Mustervorschriften oder gleichwertige Vorschriften so vollständig durchführen, als dies unter den gegebenen Verhältnissen des betreffenden Staates möglich und erwünscht ist.

2) Die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, die das Übereinkommen über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, nicht ratifiziert haben, sollten dem Internationalen Arbeitsamt alle drei Jahre freiwillig einen Bericht darüber erstatten, in welchem Ausmasse sie die Mustervorschriften durchgeführt haben.

101

Anhang MusteiTorschriften I. Teil: Gerüste.

§ 1. Arbeiten, die Gerüste erfordern.

Für alle Arbeiten, die nicht mit einer Leiter oder mit anderen Mitteln gefahrlos ausgeführt werden können, sind den Arbeitern geeignete und ausreichende Gerüste zur Verfügung zu stellen.

§ 2. Errichtung von Gerüsten.

Die Herstellung, der Abbruch oder die wesentliche Änderung von Gerüsten darf nur unter der Leitung einer fachkundigen und verantwortlichen Person erfolgen und muss, soweit als möglich, von fachkundigen und mit dieser Art von Arbeiten vertrauten Arbeitern ausgeführt werden.

§ 3. Beschaffenheit

der

Werkstoffe.

1. Alle Gerüste, die damit verbundenen Vorrichtungen und sämtliche Leitern müssen aus Werkstoffen von guter Beschaffenheit bestehen und unter Berücksichtigung der Belastung und der Beanspruchung, denen sie ausgesetzt werden, genügende Festigkeit besitzen.

2. Die für Gerüste, Laufbrücken, Laufgänge und Leitern verwendeten Holzteile müssen von guter Beschaffenheit, langfaserig und in gutem Zustande sein und dürfen weder angestrichen noch in anderer Weise so behandelt sein, dass ihre Mängel verdeckt werden.

3. Das für Gerüste verwendete Holz muss vollkommen entrindet sein.

4. Wenn es 'notwendig ist, sind die für Gerüste verwendeten Bretter und Bohlen gegen Bisse zu schützen.

5. Gerüstteile aus Metall dürfen keine Bisse auf weisen und nicht verrostet, angefressen oder mit sonstigen Mängeln behaftet sein, die ihre Festigkeit beeinträchtigen können.

; 6. Nägel aus Gusseisen dürfen nicht, verwendet werden.

i § 4. Prüfung und Lagerung der Materialien.

1. Alle Teile eines Gerüstes, einschliesslieh der Winden, Hanf- und Drahtseile, sind vor jeder Aufstellung durch eine fachkundige Person zu prüfen und dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie in jeder Beziehung die für ihre Bestimmung erforderlichen Eigenschaften besitzen.

102 2. Hanf- und Drahtseile, die mit Säuren oder anderen ätzenden Stoffen in Berührung gewesen sind oder sonstige Mängel aufweisen, dürfen nicht verwendet werden.

3. Alle für die Errichtung von Gerüsten verwendeten Materialien sind sachgemäss und getrennt von denen zu lagern, die für Gerüste ungeeignet sind.

§ 5. Lieferung und Verwendung der Materialien sowie Erhaltung der Gerüste.

1. Für den Bau der Gerüste ist ausreichendes Material zu liefern und zu verwenden.

2. 1) Jedes Gerüst ist in gutem, gebrauchsfähigem Zustande zu erhalten, und seine sämtlichen Teile müssen so befestigt oder gesichert bleiben, dass sie sich bei gewöhnlicher Benutzung nicht verschieben können.

2) Kein Gerüst darf teilweise abgebrochen und so belassen werden, dass es verwendet werden kann, wenn nicht der stehengebliebene Teil diesen Vorschriften entspricht.

§ 6. Feste Standgerüsle.

1. Die Eüststangen (Langtennen), Standbäume und Stempel der festen Gerüste müssen a) senkrecht stehen oder leicht nach eleni Gebäude zu geneigt sein und b) so nahe aneinander aufgestellt sein, dass die Standfestigkeit des Gerüstes, unter Berücksichtigung aller vorkommenden Umstände, gesichert ist.

2. Die Standfestigkeit der Eüststangen ist zu sichern a) durch Eingraben der Stangen in die Erde auf die notwendige Tiefe, je nach der Bodenbeschaffenheit, oder b) durch Aufsetzen der Stangen auf geeignete Bohlen oder andere ausreichende Eussplatten derart, dass ein Ausgleiten verhindert wird oder G) auf andere zweckmässige Weise.

3. Stossen an der Ecke eines Baues zwei Gerüste zusammen, so ist an der Ecke, und zwar an der Aussenseite der Gerüste, eine Eüststange anzubringen.

4. 1) Die Streichstangen (Längsriegel) müssen möglichst waagerecht liegen und an den Eüststangen mit Bolzen, Klammern, Seilen oder anderen wirksamen Mitteln sicher befestigt sein.

2) Die Enden zweier in gleicher Höhe aufeinanderfolgender Streichstangen müssen an einer Eüststange fest miteinander verbunden sein, sofern nicht besondere Vorrichtungen verwendet werden, die die gleiche Festigkeit gewährleisten.

5. 1) Die Netzriegel (Gerüsthebel, Querriegel) müssen gerade und an den Streichstangen sicher befestigt sein.

103

2) Werden keine Streichstangen verwendet, so sind die Netzriegel an den Eiiststangen zu befestigen und durch sicher befestigte Knaggen zu unterstützen.

3) Netzriegel, die an einem Ende v on einer Mauer getragen werden, müssen an diesem Ende eine ebene, mindestens 10 cm lange Auflagefläche haben.

4) Die Abmessungen der Netzriegel müssen zu der von ihnen zu tragenden Last in passendem Verhältnis stehen.

5) Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Netzriegeln, die eine Bühne tragen, ist unter Berücksichtigung der vorgesehenen Belastung und der Art des Bretterbelages der Bühne zu bestimmen.

6) Im allgemeinen soll dieser Abstand l m bei Brettern ;unter 40 mm Dicke, 1,50 m bei Brettern unter 50 mm Dicke und 2 m bei Brettern von 50 mm Dicke und darüber nicht überschreiten.

7) Die Bestimmungen des Absatzes o, 6) dieses Paragraphen gelten nicht für Bühnen, die ausschliesslich leichtes Baumaterial zu tragen haben, doch soll in diesem Falle der Abstand zwischen den Netzriegeln 2 m nicht überschreiten.

6. Kein Brett, das für eine Bühne verwendet wird, soll unter 30 mm Dicke haben.

§ 7. Feste Leitergerüste.

1. Leitergerüste dürfen nur für leichte Arbeiten mit geringem Bedarf an Materialien (Verputz-, Anstrich- und ähnliche Arbeiten) verwendet werden.

2. Die für diese Gerüste als Ständer verwendeten Leitern a) müssen genügende Festigkeit besitzen und b) sind entweder (i) entsprechend der Bodenbeschaffenheit auf die notwendige Tiefe in die Erde einzugraben oder (n) auf Leiterschuhen oder Bretterunterlagen so aufzustellen, dass die beiden Holme jeder Leiter gleichmässig auf der Unterlage ruhen, und an den Füssen gut zu befestigen, so dass sie nicht ausgleiten können.

3. Wird eine Leiter durch eine andere verlängert, so müssen sich beide auf eine Länge von mindestens 1,50 m überdecken und sind fest miteinander zu verbinden.

§ 8. Standfestigkeit von Stangen- und Leitergerüsten.

1. Jedes Gerüst ist ausreichend und sachgemäss zu verstreben.

2. Jedes Gerüst ist, soweit es sich nicht um ein freistehendes Gerüst handelt, in angemessenen Abständen in senk- und waagerechter Eichtung fest mit dem Bauwerk zu verankern.

104

3. Bei einem freistehenden Gerüst niuss mindestens ein Drittel der Netzriegel bis zum endgültigen Abbruch des Gerüstes an Ort und Stelle belassen werden und je nach dem Falle fest mit den Streichstangen oder mit den Eüststangen verbunden bleiben.

4. Jedes Zimmerwerk und jede Vorrichtung, die als Träger für Arbeitsbühnen verwendet wird, muss von kräftiger Bauart sein und eine gute Unterlage haben. Die Standfestigkeit ist durch zweckmässige Versteifungen oder Verstrebungen zu sichern.

5. Lose Ziegelsteine, Kanalisationsröhren, Schornsteinaufsätze oder andere ungeeignete Materialien dürfen als Unterlage oder zum Bau von Gerüsten nicht verwendet werden.

§. 9. Feste Ausleger- (Ausschuss-) Gerüste.

1. Auslegergerüste müssen a) im Innern des Gebäudes sicher befestigt und verankert sein; b) Ausleger von ausreichender Länge und genügendem Querschnitt haben, so dass die Haltbarkeit und die Standfestigkeit gesichert sind; c) zweckentsprechend verstrebt und gestützt sein.

2. Als Stützpunkte für Gerüstteile sind nur feste Teile des Bauwerkes zu verwenden.

3. Wenn Arbeitsbühnen auf Trägern ruhen, die in der Mauer befestigt sind, so sind die Träger in wirksamer Weise zu verstreben; sie müssen ferner durch die Mauer hindurchgehen und auf der anderen Seite sicher befestigt sein.

§ 10. Konsolgerüste.

Konsolgerüste, die durch in die Mauer getriebene Klammern oder Haken getragen oder gehalten werden, dürfen nur Verwendung finden, wenn die Konsolen genügende Festigkeit haben, aus geeignetem Metall bestehen und in der Mauer sicher verankert sind.

§ 11. Schwere Hängegerüste mit beweglichen Arbeitsbühnen.

1. Die schweren Hängegerüste mit beweglichen Arbeitsbühnen'müssen den Vorschriften dieses Paragraphen entsprechen.

2. Die Ausleger müssen a) von genügender Festigkeit und genügendem Querschnitt sein, um die Haltbarkeit und die Standfestigkeit des Gerüstes zu sichern; b) im rechten Winkel zur Gebäudefassade angebracht sein; c) in Abständen angebracht sein, die dem Abstand zwischen den Netzriegeln' oder den Tragbügeln der Arbeitsbühne entsprechen,"

105 - 3. Die Länge des über die Gebäudefassade hinausragenden Teiles der Ausleger ist so zu bemessen, dass die Bühne höchstens 10 cm :von der Gebäudofassade befestigt ist.

4. 1) Die Ausleger sind durch Bolzen oder andere gleichwertige Vorrichtungen sicher am Gebäude zu befestigen.

2) Die Ankerbolzen sind sorgfältig anzuziehen; sie müssen, die Ausleger mit dem Bahmenwerk des Gebäudes fest verbinden.

5. Zur Befestigung der Ausleger dieser Gerüste dürfen keinerlei Gegengewichte verwendet werden, 6. Am Ende eines jeden Auslegers sind Anschlagbolzen anzubringen.

7.. Die oberen, zur Befestigung der Seile an den Auslegern dienenden Bügel sind lotrecht über der Mitte der Windentromrneln der beweglichen Bühnen anzubringen. Die mit Seilkauschen versehenen Ösen der Tragseile sind in der Mitte des gebogenen Bügelbolzens anzubringen.

8. Als Träger für die Arbeitsbühnen sind geeignete Netzriegel oder Tragbügel zu verwenden; sie sind zweckentsprechend zu befestigen, so dass jedes Verschieben verhindert wird. Die Tragbügel sind zweckentsprechend mit Hilfe von Verbindungsstücken zusammenzufügen.

9. Die für die Aufhängung verwendeten Seile müssen a) jederzeit in bezug auf die für die Seile in Betracht kommende Höchstlast eine mindestens zehnfache Sicherheit besitzen; b) so lang sein, dass bei der tiefsten Stellung der Bühne noch mindestens zwei Seilwindungen auf jeder Windentrommel verbleiben.

10. Die Gerüstwinden müssen so gebaut und angebracht sein, dass ihre beweglichen Teile leicht überprüft werden können.

§ 12. Leichte Hängegerüste mit beweglichen Bühnen.

1. Die leichten Hängegerüste mit beweglichen Arbeitsbühnen müssen den Vorschriften dieses Paragraphen entsprechen.

2. Die Ausleger müssen von ausreichender Länge und genügendem Querschnitt und zweckentsprechend angebracht und gestützt sein.

3. 1) Die inneren Enden der Ausleger sind sicher zu befestigen.

2) Wenn die Ausleger durch Belastungssäcke oder andere aus losem Material bestehende Gegengewichte festgehalten werden, so sind die Säcke oder die Gegengewichte sicher an die Ausleger anzubinden.

3) Die Tragseile müssen eine mindestens zehnfache Sicherheit besitzen.

4. Die Länge der Büline darf höchstens 8 rn betragen.

5. Die Bühne muss an mindestens drei Seilen hängen, deren Abstand nicht mehr als 3 m betragen darf. Kein mittleres Seil darf jemals stärker gespannt sein als die beiden Endseile.

106 6, Die Flaschenzüge sind durch gut befestigte, um die Seiten und unter den Boden der Arbeitsbühne geführte starke Eisenbügel, die mit Ösen zur -Aufnahme der Seile versehen sind, mit der Arbeitsbühne zu verbinden.

7. Auf Hängebühnen, auf denen Arbeiter sitzend arbeiten, sind Vorrichtungen vorzusehen, die die Bühne mindestens 30 cm von der Mauer halten und verhindern, dass die Arbeiter beim Schaukeln der Bühne mit den Knien gegen die Mauer stossen.

§ 13. Ändere Hängegerüste.

1. Kübel, grosse Körbe, Hängesitze oder ähnliche Geräte dürfen nur in Ausnahmefällen, für Arbeiten von kurzer Dauer und unter der Aufsicht einer verantwortlichen Person, als Hängegerüste verwendet werden.

2. Werden solche Geräte als Hängegerüste verwendet, so müssen a) sie durch Seile mit mindestens zehnfacher Sicherheit, berechnet in bezug auf die Gesamtlast einschliesslich des toten Gewichts gehalten werden; b) die notwendigen Vorsichtsmassnahmen getroffen werden, um das Herausfallen der Arbeiter zu verhindern.

3. Wird ein Kübel oder ein grosser Korb als Hängegerüst verwendet, so muss er a) wenigstens 75 cm tief sein; b) durch zwei gut befestigte, um die Seiten und unter den Boden geführte starke Bisenbügel getragen werden, die mit Ösen zur Aufnahme der Seile versehen sind.

§ 14. Beförderung und Lagerung von Materialien auf Gerüsten. -- Verteilung der Lasten.

1. Beim Befördern und Absetzen schwerer Lasten ist vorsichtig vorzugehen, damit nicht plötzliche Stösse auf das Gerüst übertragen werden.

2. Die Lasten sind auf dem Gerüst möglichst gleichrnässig und immer so zu verteilen, dass keine gefährlichen Störungen des Gleichgewichtes entstehen.

3. Während der ganzen Verwendungsdauer eines Gerüstes ist ständig darauf zu achten, dass es nicht überlastet wird und dass keine Materialien unnötigerweise darauf belassen werden.

§ 15. Anbringung von Hebevorrichtungen auf Gerüsten.

1. Wird auf einem Gerüst eine Hebevorrichtung angebracht, so sind a) die Gerüstteile sorgfältig zu prüfen und erforderlichenfalls genügend zu verstärken ; b) die Netzriegel vor jedem Verschieben zu sichern;

107 0) die Eüststangen, wenn möglich, an der Stelle, an der die Hebevorrichtung angebracht wird, starr mit einem festen Teil des Gebäudes zu verbinden.

2. Wenn die Ladebühne der Hebevorrichtung nicht in Führungen läuft oder wenn die Last beim Aufziehen oder beim Herablassen das Gerüst berühren kann, so sind senkrechte Bretterverschläge über die ganze Höhe des Gerüstes anzubringen, damit sich die Lasten nicht im Gerüst festhängen.

§ 16. Regelmässige Überprüfung der Gerüste.

Die Gerüste sind durch eine fachkundige Person zu überprüfen, und zwar a) mindestens einmal jede Woche; 1) jedesmal nach schlechtem AVetter und nach jeder längeren Arbeitsunterbrechung.

§ 17. Untersuchung von Gerüsten vor der Benutzung, besonders von Gerüsten, die von anderen Unternehmern errichtet wurden.

Jedes Gerüst, mag es von dem Arbeitgeber, dessen Arbeiter es gerade benutzen wollen, errichtet sein oder nicht, ist a) vor, seiner Benutzung von einer fachkundigen Person zu untersuchen, die insbesondere darauf zu achten hat, dass (i) das Gerüst standfest ist; ·(n) das verwendete Gerüstmaterial sich in gutem Zustande befindet; (in) das Gerüst für den bestimmten Verwendungszweck geeignet ist; (rv) die vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen an Ort und Stelle sind; b) während der ganzen Dauer seiner Benutzung in gutem Zustande zu erhalten.

§ 18. Arbeitsbühnen.

1. Jede Arbeitsbühne, die sich mehr als 2 m über dem Boden oder dem Stockwerk befindet, muss mit einem dicht verlegten Boden versehen sein.

2. 1) Die Breite der Bühnen muss unter Berücksichtigung der Art der Arbeit genügend sein und stets so, dass überall auf den Bühnen ein von festen Hindernissen oder gelagerten Materialien freier Durchgang von mindestens 60 cm verbleibt.

2) In keinem Fall dürfen die Bühnen schmäler sein als a) 60 cm, wenn sie nur zum Stehen und nicht zum Abstellen von Material benutzt werden; b) 80 cm, wenn sie zum Abstellen von Material benutzt werden;, c) 110 cm, wenn sie eine darüberliegende Bühne zu tragen haben; d) 130 cm, wenn darauf Steine zugerichtet oder behauen werden;

108

e) 150 cm, wenn sie eine dariiberliegende Bühne zu tragen haben und gleichzeitig darauf Steine zugerichtet oder bebauen werden.

8. Die Breite der auf Netzriegeln ruhenden Bühnen darf im allgemeinen höchstens 160 cm betragen.

4. Jede Arbeitsbühne, die einen Teil eines Standgerüstes bildet, muss sich wenigstens l m unter den oberen. Enden der Eüststangen befinden.

5. Bretter und Bohlen, die als Teile einer Arbeitsbühne oder als Bordbretter verwendet werden, müssen a) eine Dicke haben, die unter Berücksichtigung des Abstandes der Netzriegel ausreichende Sicherheit bietet und die in keinem Falle unter 80 mm sein darf; b) mindestens 15 cm breit sein.

6. Keine Bretter oder Bohlen einer Arbeitsbühne dürfen an den Enden über ihre Unterlagen um mehr als eine ihrer vierfachen Dicke entsprechenden Länge hinausragen.

7. Bretter oder Bohlen dürfen nur übereinandergreifen, wenn Vorsichtsmassregeln -- wie das Anbringen von Keilstücken -- getroffen sind, um die Gefahr des Stolperns auf ein Mindestmass herabzusetzen und das Fahren der Schubkarren zu erleichtern.

8. Sämtliche Bretter oder Bohlen der Arbeitsbühnen müssen auf mindestens drei Netzriegeln aufliegen, sofern nicht der Abstand zwischen zwei Netzriegeln oder die Dicke der Bretter oder Bohlen jede Gefahr des Kippens oder übermässigen Durchbiegens ausschliesst.

9. Die Bühnen sind so zu bauen, dass sich die Bretter oder Bohlen bei gewöhnlicher Benutzung nicht verschieben können.

10. Die Bühnen müssen überall, wo dies möglich ist, mindestens 60 cm über die Mauerecken des Gebäudes hinausragen.

11. Jeder Teil einer Arbeitsbühne oder einer Arbeitsstelle, von dem eine Person aus einer Höhe von mehr als 2 m abstürzen kann, muss erhalten a) ein geeignetes Geländer mit einer oder mehreren Stangen von mindestens 30 cm2 Querschnitt, die mindestens l m über der Bühne oder über jedem erhöhten Standplatz auf derselben befestigt und so angebracht sind, dass unter keiner Stange eine freie lotrechte Öffnung von mehr als 85 cm verbleibt ; b) Bordbretter von einer Höhe, die genügt, um den Absturz von Materialien und Werkzeugen von der Bühne zu verhindern, und die in keinem Falle weniger als 15 cm betragen darf. Diese Bordbretter sind so nahe als möglich an der Bühne anzubringen.

12. Geländer, Bordbretter und andere Schutzvorrichtungen einer Gerüstbühne sind an ihrem
Platze zu belassen ausser in der Zeit und in dem Ausrnass, die erforderlich sind, um den Zugang von Personen und die Beförderung oder Umlagerung von Material zu ermöglichen.

109 13. Geländer und Bordbretter einer Gerüstbühne sind an der. Innenseite der Büststangen zu befestigen.

14. Die Bühnen der Hängegerüste müssen auf allen Seiten mit Geländern und Bordbrettern versehen sein, vorbehaltlich folgender Ausnahmen: a) Auf der Mauerseite braucht das Geländer nur 70 cm hoch zu sein, wenn die Arbeit kein höheres Geländer zulässt; b) Geländer und Bordbretter sind an der Mauerseite nicht erforderlich, wenn die Arbeiter sitzend auf der Bühne arbeiten; in diesem Falle muss jedoch die Bühne mit Seilen, Stricken oder Halteketten versehen sein, die den Arbeitern feste Stützpunkte bieten und stark genug sind, um einen abgleitenden Arbeiter zu halten.

15: Der Abstand zwischen der Mauer und der Bühne muss so gering als möglich sein, sofern nicht- die Arbeiter sitzend auf der Bühne arbeiten; in diesem Falle darf der Abstand 45 cm nicht übersteigen.

§ 19. 'Laufbrücken, Gänge und Treppen.

1. Jede Laufbrücke und jeder Gang, von denen irgendein Teil höher als 2 m über.dem Boden oder dem Stockwerk liegt, muss a) mit einem dicht verlegten Boden versehen sein; b) eine Breite von mindestens 50 cm haben.

2. Die Höchstneigung einer Laufbrücke oder eines Ganges darf 60 cm auf l m nicht übersteigen.

3. Wenn die Laufbrücke oder der Gang für die Beförderung von Materialien verwendet wird, muss ein freier Verkehrsweg vorhanden sein, der a) so breit ist, dass die Materialien ohne Entfernung der Geländer und der Bordbretter befördert werden können; b) in keinem Falle weniger als 60 cm breit ist.

4. Alle Bretter einer Laufbrücke oder eines Ganges sind so zu befestigen und zu stützen, dass jedes übermässige oder ungleiche Durch biegen verhindert wird.

5..Wenn die Neigung weitere Fusstützen nötig macht, und in jedem Falle, in dem sie 25 cm auf l m übersteigt, sind geeignete Trittleisten vorzusehen, die a) in zweckmässigen Abständen anzubringen sind; b) sich über die ganze Breite der Laufbrücke erstrecken müssen; jedoch können diese Trittleisten in einer Breite von 10 cm unterbrochen werden, um das Befahren mit Schubkarren zu erleichtern.

6. Treppen sind auf ihrer ganzen Länge mit Geländern zu versehen.

7. Laufbrücken, Gänge und Treppen, von denen Personen aus einer Höhe von mehr als 2 m abstürzen können, · müssen erhalten a) ein geeignetes Geländer mit einer oder mehreren Stangen von mindestens 80 cm2 Querschnitt, die mindestens l m über der Laufbrücke, dem

110

Gang oder der Treppe befestigt und'so angebracht sind, dass unter keiner Stange eine freie lotrechte Öffnung von mehr als 85 cm verbleibt ; l) Bordbretter von einer Höhe, die genügt, um den Absturz von Materialien und Werkzeugen von der Laufbrücke, dem Gang oder der Treppe zu verhindern, und die in keinem Falle "weniger als 15 cm betragen darf.

Diese Bordbretter sind so nahe als möglich an der Laufbrücke, dem Gang oder der Treppe anzubringen.

§ 20. Allgemeine Bestimmungen über Bühnen, Laufbr-ücken, Gänge und Treppen.

1. Bühnen, Lauf brücken, Gänge oder Treppen sind jederzeit von allen unnötigen Hindernissen, Abfällen usw. freizuhalten.

2. Es sind geeignete Vorsichtsmassnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass Bühnen, Laufbrücken, Gänge oder Treppen glatt werden.

3. Kein Teil von Arbeitsbühnen, Gängen oder Laufbrücken darf auf lose Ziegelsteine, Kanalisationsröhren, Schornsteinaufsätze oder anderes loses oder dazu ungeeignetes Material gestützt werden.

4. Arbeitsbühnen, Lauf brücken oder Gänge dürfen nicht auf Dachrinnen, Balkone oder ihre Geländer, Blitzableiter oder andere ungeeignete Teile eines Gebäudes aufgelegt werden.

5. Arbeitsbühnen, Laufbrücken oder Gänge dürfen zur Arbeit erst benutzt werden, wenn sie unter Einhaltung dieser Vorschriften fertiggestellt und die vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen sachgemäss angebracht sind.

§ 21. Bock- (Schrägen-) Gerüste.

1. Es dürfen keine Bockgerüste verwendet werden, die a) aus mehr als zwei Lagen bestehen: b) höher als 3 m über dem Boden oder dem Stockwerk liegen; o) auf der Bühne eines Hängegerüstes stehen.

2. Die Breite eines auf einer Bühne errichteten Bockgerüstes ist so zu bemessen, dass ein genügender Teil der Bühne für die Beförderung von Material oder den Durchgang von Personen frei bleibt.

3. Die Böcke sind gut zu befestigen, damit sie sich nicht verschieben können.

§ 22. Leitern.

1. Jede als Verkehrsweg verwendete Leiter muss um wenigstens l m über den höchsten Punkt hinausragen, der von irgendeiner die Leiter verwendenden Person erreicht werden soll, oder einer der Holme muss bis zu dieser Höhe verlängert werden, um an der Austrittsstelle als Handleiste zu dienen.

2. Leitern dürfen nicht auf losen Ziegelsteinen oder, anderem losen Material stehen, sondern müssen einen ebenen und festen Stand haben.

Ili 3. Jede Leiter muss a) sicher befestigt sein, so dass sie sich nicht von ihrem oberen oder unteren Stützpunkt fortbewegen kann; 1)) wenn sie nicht am oberen Ende gesichert werden kann, sicher am Fussende befestigt sein; c) wenn eine Befestigung auch am Müssende unmöglich ist, hat ein Mann am Fussende zu stehen, um ihr Ausgleiten zu verhindern.

4. Jedes übermässige Durchbiegen von Leitern muss verhindert werden.

5. Leitern müssen mit beiden Holmen gleichmässig und in zweckmässiger Weise auf der Unterlage stehen.

6. Wenn verschiedene Stockwerke durch Leitern miteinander verbunden werden, so a) müssen die Leitern gegeneinander versetzt sein; b) ist auf jedem Stockwerk eine Schutzbühne mit möglichst kleinem Durchgang einzurichten.

7. Leitern, bei denen eine Sprosse fehlt oder schadhaft ist, dürfen nicht verwendet werden.

8. Leitern, bei denen irgendeine Sprosse durch Nägel, Haken oder ähnliche Mittel befestigt ist, dürfen nicht verwendet werden.

9. Hölzerne Leitern sind zu bauen a) mit genügend kräftigen Holmen aus Holz, das keine sichtbaren Fehler aufweist und dessen Fasern in der Längsrichtung laufen; b) mit Sprossen aus Holz, das keine sichtbaren Fehler aufweist ; die Sprossen müssen in die Holme eingezapft sein und dürfen nicht nur mit Nägeln befestigt werden.

10. Dachdecker- und Malerleitern dürfen von Arbeitern anderer Berufszweige nicht benutzt werden.

§ 23. Schutz der

Öffnungen.

1. Jede Öffnung in einem Fussboden eines Gebäudes oder in einer Arbeits.bühne für einen Aufzugsschacht oder eine Treppe, für .das Aufziehen von Material, den Zugang der Arbeiter oder für irgendeinen anderen Zweck muss erhalten · a) ein.geeignetes Geländer mit einer oder mehreren Stangen von mindestens 30 cm2 Querschnitt, die mindestens l ni über dem Boden oder der Bühne befestigt und so angebracht sind, dass unter keiner Stange eine freie lotrechte Öffnung von mehr als 85 cm verbleibt; b) Bordbretter von einer Höhe, die genügt, um den Absturz von Materialien und Werkzeugen von dem Boden oder der Bühne zu verhindern, und die in keinem Falle :weniger als 15 cm betragen darf. Diese Bordbretter sind so nahe als möglich an dem Boden oder der Bühne anzubringen.

112 2. Jede Maueröffnung, die sich weniger als l m über einem Fussboden oder einer Bühne befindet, muss erhalten a) ein geeignetes Geländer mit einer oder mehreren Stangen von mindestens 30 cm2 Querschnitt, die mindestens l m über dem Boden oder der Bühne zu befestigen und so anzubringen sind, dass unter keiner Stange eine freie lotrechte Öffnung von mehr als 85 cm verbleibt; i)) falls notwendig Bordbretter von einer Höhe, die genügt, um den Absturz von Materialien und Werkzeugen zu verhindern, und.die in keinem Falle weniger als 15 cm betragen darf. Diese Bordbretter sind so nahe als möglich am Fussboden oder an der Bühne oder an der Unterkante der Öffnung anzubringen.

3. Die Schutzvorrichtungen an Öffnungen sind, mit Ausnahme der im Absatz 4 erwähnten Fälle, an Ort und Stelle zu belassen, bis sie zur endgültigen Schliessung der Öffnung entfernt werden müssen.

4. Die Schutzvorrichtungen an Öffnungen dürfen nur in dem Ausmass und für die Zeit entfernt werden, die erforderlich sind, um den Zugang von Personen und die Beförderung oder Unilagerung von Material zu ermöglichen; hierauf sind sie sofort wieder anzubringen.

5. Werden Arbeiten auf oder über offenen Balkenlagen ausgeführt, so müssen die Balkenlagen mit einer sicheren Bretterlage überdeckt sein, oder es müssen andere wirksame Massnahnien getroffen werden, um den Absturz von Personen zu verhindern.

§ 24. Dacharbeiten.

1. Niemand darf auf einem Dach beschäftigt werden, das wegen seiner Neigung oder der Art seiner Oberfläche oder der Witterung die Gefahr eines Absturzes in sich birgt, sofern nicht geeignete Schutzrnassnahmen zur Verhütung des Absturzes von Personen oder von Materialien getroffen werden.

2. Auf Glasdächern oder Dächern, die mit leicht brechendem Material eingedeckt sind, sind besondere Vorsichtsmassnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass die Arbeiter sich versehentlich darauf stützen oder darauf treten, und um die gefahrlose Ausführung von Ausbesserungsarbeiten zu erleichtern.

3. 1) Nur erfahrene Arbeiter, die die erforderlichen körperlichen und psychologischen Eigenschaften besitzen, dürfen bei grösseren Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 34° (1:1,5) oder auf glatten Dächern beschäftigt werden.

2) Werden Arbeiter bei solchen Arbeiten beschäftigt, so müssen a) so weit als möglich, die folgenden Behelfe beigestellt werden: (i) geeignete Geländer; (n) eine geeignete, sicher befestigte Arbeitsbühne von mindestens 40 cm Breite ;

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(in) geeignete und sicher befestigte Leitern, Dachdeckerleitern oder Dachschlitten.

])) Können die unter a) genannten 'Behelfe nicht beigestellt werden, (i) so müssen den Arbeitern Sicherheitsgürtel mit Seilen zur Verfügung stehen, die ihnen gestatten, sich an einem festen Teil des Gebäudes anzuseilen; diese Gürtel müssen von den Arbeitern benutzt werden; (n) so ist, wenn das Sicherheitsseil nicht an einem festen Teil des Gebäudes befestigt werden kann, eine zweite Person zu bestimmen, die das Seil so zu halten hat, dass volle Sicherheit geboten wird.

§ 25. Verschiedene

Vorschriften.

1. Jeder Teil der Baustelle, an dem. arbeitende oder vorübergehende Personen Gefahr laufen, von herabfallenden Materialien, Werkzeugen oder anderen Gegenständen aus einer Höhe von mehr als 3,5 m getroffen zu werden, ist so zu überdecken, dass diese Personen geschützt sind, es sei denn, dass andere wirksame Massnahmen getroffen werden, um den Absturz von Gegenständen aus einer solchen Höhe zu verhindern.

2. Gerüstmaterial, Werkzeuge oder andere Gegenstände dürfen nicht herabgeworfen werden, sondern sind vorsichtig herabzulassen.

8. Zu allen Arbeitsbühnen und sonstigen Arbeitsstellen sind sichere Zugangswege vorzusehen.

4. Sämtliche Arbeitsstellen und andere Stellen, zu denen Personen Zutritt haben müssen, und sämtliche Zugänge zu ihnen, sind ausreichend zu beleuchten.

5. Wenn erforderlich, ist eine besondere Beleuchtung an allen Gerüst- und Gebäudeteilen, wo Materialien aufgezogen werden, anzubringen.

6. Während aller Bau-, Ausbesserungs-, Umbau-, Instandhaltungs- oder Abbrucharbeiten an Gebäuden sind die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um zu verhüten, dass. die Arbeiter mit elektrischen Leitungen oder Geräten in Berührung kommen, selbst wenn es sich um Niederspannungsleitungen-oder -gerate handelt.

7. Vorstehende Nägel sind aus allen für Gerüste oder Schalungen verwendeten Teilen zu entfernen oder einzuschlagen.

8. Die auf der Baustelle befindlichen Materialien dürfen nicht so aufgestapelt oder gelagert werden, dass dadurch Personen gefährdet werden können.

II. Teil: Hebevorrichtungen.

§ 26. Allgemeine Bestimmungen.

1. Alle Teile des Eahmenwerkes, der Getriebe und der Verankerungsund Befestigungsmittel von Kranen, Haspeln, Winden und anderen Hebemaschinen und -geraten müssen Bundesblatt.

90. Jahrg. Bd. II.

8

114 a) von guter mechanischer Bauart, aus einwandfreiem Werkstoff hergestellt, von entsprechender Festigkeit und Beschaffenheit sowie frei von Mängeln sein; b) in gutem, betriebsfähigem Zustand erhalten werden; c) soweit es die Bauart erlaubt, wenigstens einmal wöchentlich vom Kranführer oder einer anderen fachkundigen Person an Ort und Stelle überprüft werden.

2. Es sind geeignete Massnahnien zu treffen, um das höchstzulässige Ladegewicht jeder Hebevorrichtung festzustellen.

8. Das höchstzulässige Ladegewicht ist deutlich anzugeben a) auf allen zum Heben oder Senken von Lasten benutzten Haspeln, Winden oder Flaschenzügen; b) auf allen zum Heben oder Senken von Lasten von mindestens 1000 kg Gewicht benutzten Derrickbäumen oder -mästen; c) auf sämtlichen Kranen.

4. Bei Kranen mit heb- und senkbaren Auslegern ist das zulässige Ladegewicht bei den verschiedenen Neigungswinkeln des Auslegers deutlich auf diesem anzugeben.

5. Ausser den in Absatz 6 genannten Fällen dürfen Krane, Haspeln, Winden ~und sonstige Hebevorrichtungen oder irgendwelche Teile davon nicht über das zulässige Ladegewicht hinaus belastet werden.

6. Zur Prüfung eines Kranes oder einer sonstigen Hebevorrichtung darf das zulässige Ladegewicht so weit überschritten werden, als es der zur Vornahme der Prüfling bestellte Sachverständige bestimmt.

7. Während der Hebearbeiten ist durch wirksame Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass niemand unter den Lasten stehen oder durchgehen kann.

8. Keine Last darf an einer Hebevorrichtung aufgehängt bleiben, wenn die Hebevorrichtung, solange die Last schwebt, nicht durch eine fachkundige Person wirksam beaufsichtigt wird.

9. Alle Führer von Kranen oder anderen Hebevorrichtungen müssen die erforderliche Befähigung besitzen.

10. Personen unter 18 Jahren dürfen nicht mit der Bedienung von Hebemaschinen, einschliesslich der Gerüstwinden, oder mit der Signalgebung an den Führer einer Hebemaschine betraut werden.

11. Unter gewöhnlichen Arbeitsbedingungen darf nur eine einzige Person mit der Verantwortung für die gesamte Signalgebung an den Kranführer betraut werden.

12. Wenn irgendwelche Gegenstände mit einem Kran gehoben oder gesenkt werden und der Kranführer oder die den Kran bedienende Person die Last nicht in allen ihren Lagen sehen kann, müssen ein oder mehrere Beobachter oder Signalleute so aufgestellt werden, dass sie die Last auf ihrem ganzen

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Wege sehen und dem Kranführer oder der den Kran bedienenden Person die erforderlichen Signale geben können.

18. 1) Für jede auszuführende Bewegung muss es ein bestimmtes Signal geben, das von der Person, für die es bestimmt ist, leicht gehört oder gesehen werden kann.

2) Wird ein Hör-, Farben- oder Lichtsignal verwendet, so ist es durch eine wirksame. Vorrichtung zu erzeugen.

3) Alle Signaldrähte sind gegen zufällige Einwirkungen ausreichend zu schützen.

'' .14. Motoren, Triebwerke, Transmissionen, elektrische Leitungen und andere .gefährliche Teile der Hebevorrichtungen sind mit wirksamen Schutzvorrichtungen zu versehen, die während der Benutzung der Hebevorrichtungen nicht entfernt werden dürfen. Wenn die Schutzvorrichtungen entfernt werden müssen, sind sie so bald als möglich, jedenfalls aber, bevor die Maschine oder das Gerät wieder in normale Benutzung genommen wird, von den Personen, die sie entfernt haben, wieder anzubringen.

15. Der Führer jedes Kranes oder ähnlicher . Hebevorrichtungen muss einen sicheren .und gedeckten Führerstand haben.

.

.

16. 1) Der Fuhrerstand jedes Kranes oder einer sonstigen Hebemaschine muss, sofern dies vernünftigerweise durchführbar ist, vollständig montiert sein, ehe der Kran oder die Maschine in Dienst gestellt wird, oder es sind andere ausreichende Massnahmen zum Schutze des Führers gegen die Unbilden der Witterung zu treffen.

2) Bei kaltem Wetter ist der Führerstand jedes maschinell angetriebenen Kranes oder jeder anderen Hebevorrichtung auf geeignete Weise zu heizen.

- § 27. Winden, Haspeln und Seilscheiben.

1. Alle Teile des Gestells jeder Haspel oder Winde, einschliesslich der Träger, müssen aus Metall sein.

2. Werden Drahtseile verwendet, so müssen die Durchmesser der Seilscheiben oder Trommeln mindestens dem vierhundertfachen Durchmesser der das Seil bildenden Drähte entsprechen; die Seele des Seiles ist dabei nicht zu berücksichtigen.

· 3. Sind die Windentrommeln mit Eillen versehen, . a) so muss der Eadius der Eillen dem Eadius des Seiles ungefähr entsprechen; er darf aber in keinem Falle kleiner sein; b) so darf die Steigung der Seilrillen niemals kleiner sein als der Durchmesser des Seiles.

4. Die Windentrommeln sind mit Seitenflanschen zu versehen, um das Abgleiten des Seiles zu verhindern.

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5. Alle Krane, Haspeln und Winden müssen mit einer oder mehreren wirksamen Bremsen und mit allen sonstigen zur Verhütung des Sturzes schwebender Lasten erforderlichen Schutzvorrichtungen versehen sein.

6. Die Steuerhebel sämtlicher Haspeln und Winden sind mit einer geeigneten Sperrvorrichtung zu versehen.

7. Bei Kranen mit Dampfantrieb muss der Steuerhebel für die Umsteuervorrichtung mit einer geeigneten Federsperrung versehen sein.

§ 28. Aufhänge- und Befestigungsmittel.

1. Alle bei Hebevorrichtungen für das Heben oder Senken von Material verwendeten Draht- oder Hanfseile müssen so lang sein, dass bei jeder Betriebsstellung der Hebevorrichtung noch wenigstens zwei Seilwindungen auf der Trommel verbleiben.

2. Auf einer mit Eillen versehenen Trommel oder Scheibe darf kein Seil verwendet werden, dessen Durchmesser die Steigung der Trommelrillen oder die Breite der Scheibenrille übersteigt.

3. Die Drahtseile müssen unter der Höchstlast eine mindestens sechsfache Sicherheit aufweisen. Bei der Berechnung der Sollstärken, wird angenommen, dass die Seile nur auf Zug beansprucht werden.

4. Ketten und Drahtseile mit einem Knoten dürfen nicht zum Heben oder Senken von Lasten verwendet werden.

5. Alle Hebeseile und -ketten, einschliesslich der Hubseile und -ketten der einstellbaren beweglichen Ausleger der Derrickkrane müssen an den Trommeln der Krane, Haspeln oder Winden, an denen sie verwendet werden, sicher befestigt sein.

6. Jede vorübergehende Befestigung oder Verbindung eines Seiles, einer Kette oder einer anderen beim Montieren oder Abmontieren eines Kranes benutzten Vorrichtung muss für den Zweck ausreichend sein und volle Sicherheit bieten.

7. Alle zum Heben oder Senken von Lasten oder als Aufhängemittel verwendeten Seile müssen von geeigneter Beschaffenheit und genügender Festigkeit sein und sich in gutem Zustande befinden.

8. Alle Ketten, Einge, Haken, Schäkel, Kettenwirbel und Flaschenzüge, die für das Heben oder Senken von Lasten oder als Aufhängemittel verwendet werden, müssen geprüft sein und in deutlichen Ziffern und Buchstaben die Angabe des zulässigen Ladegewichtes und eine Kennmarke tragen.

9. Aufhänge- oder Befestigungsmittel dürfen, ausser bei Prüfungen, nicht über ihre zulässige Höchstlast hinaus belastet werden.

10. Ketten, Einge, Haken, Schäkel und Kettenwirbel, die für das Heben oder Senken von Lasten oder als Aufhängemittel verwendet werden und die verlängert, abgeändert oder durch Schweissen ausgebessert wurden, sind ein-

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gehend zu untersuchen und auszuproben, bevor sie wieder in Gebrauch genommen werden.

11. Jeder zum Heben oder Senken von Material verwendete Haken muss entweder a) mit einer wirksamen Sperrfeder zur Verhinderung des Abgleitens der Schlinge oder der Last vom Haken versehen sein oder b) eine solche Form haben, dass die Gefahr eines · solchen Abgleitens soweit als möglich verringert wird.

12. Die Hakenteile, die während des Hebens oder Senkens der Lasten mit Seilen, Stricken oder Ketten in Berührung kommen können, sind abzurunden.

13. Werden zum Heben oder Senken von Material doppelte oder mehrfache Schlingen verwendet, so müssen ihre oberen Enden durch einen Schäkel oder einen Eing zusammengehalten sein und dürfen nicht jedes für sich in den Haken gehängt werden. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn das Gesamtgewicht der zu hebenden oder zu senkenden Lasten weniger als die Hälfte des zulässigen Ladegewichtes des Hakens beträgt.

14. Beim Heben oder Senken umfangreicher Gegenstände ist das zulässige Ladegewicht der Schlingen nicht nur unter Berücksichtigung ihrer Festigkeit, sondern auch unter Berücksichtigung des Winkels zwischen den Schenkeln zu bestimmen.

.15. Schlingen, Stricke oder Ketten dürfen nicht mit scharfen Kanten der Lasten in Berührung kommen.

16. Alle Ketten, Seile, Schlingen und sonstigen zum Heben, Senken oder Tragen von Lasten verwendeten Geräte müssen von einer fachkundigen Person regelmässig überprüft werden. Die von dieser Person gemachten Feststellungen sind in eine Bescheinigung oder in ein besonderes Verzeichnis einzutragen.

§ 29. Krane.

1. Der Unterbau eines jeden Kranes muss aus einwandfreiem Werkstoff hergestellt und von guter mechanischer Bauart sein, wobei die Höhe, die Lage, die Tragfähigkeit und die Eeichweite des Kranes zu berücksichtigen sind.

a) i>) c) d)

2. Die Bühne eines jeden Kranes ist mit einem dicht verlegten B'oden aus Holz oder Blech zu versehen; ausreichend nach diesen Vorschriften zu umwehren; mit sicheren Zugängen zu versehen; so gross anzulegen, dass genügend Baum vorhanden ist (i) in allen Fällen für den Kranführer oder Maschinisten und den Signalmann;

118

(n) bei einem Seilderrickkran auch für den Bedienungsmann des Drehmechanismus.

3. 1) Jeder feststehende Kran rnuss entweder sicher verankert oder zur Sicherung der Standfestigkeit durch eine geeignete und gut befestigte Last ausreichend beschwert sein.

2) Ist ein Kran durch eine Last beschwert, so ist ein Diagramm, das die Lage und Grosse der Gegengewichte bezeichnet, im Führerstand des Kranes anzuschlagen.

3) Jeder fahrbare Kran ist mit einer Vorrichtung zur Verankerung am Krangeleise zu versehen.

4. Auf jedem Unterbau oder Gerüst und an jedem anderen Ort, an dem ein Kran läuft, ist, soweit als möglich, ein bei jeder Stellung des Kranes freibleibender Durchgang vorzusehen, dessen Breite zwischen den beweglichen Teilen des Kranes und den feststehenden Teilen des Unterbaues, des Gerüstes oder des Ortes, an dem der Kran läuft, wenigstens 60 cm betragen muss.

5. Wenn zu irgendeiner Zeit des Fahrens oder des Drehens dieser Durchgang von 60 cm Mindestbreite an irgendeiner Stelle oder irgendeinem Punkte nicht freigehalten werden kann, sind alle geeigneten Massnahmen zu treffen, um zu dieser Zeit den Zutritt von Personen zu der Stelle oder dem Punkte zu verhindern.

' 6. Alle Schienen, auf denen ein fahrbarer Kran läuft, müssen einen geeigneten Querschnitt und eine ebene Gleitoberfläche haben.

7. Die folgenden Bestimmungen gelten für alle Geleise fahrbarer Krane, mögen sie am Boden oder über dem Boden liegen: a) Die ganze Kranbahn muss Ordnungsgemäss verlegt sein; l>) alle Stützen müssen ausreichend fest sein und in gutem Zustand erhalten werden ; c) an den Enden der Bahn müssen Hemmschuhe oder Prellböcke vorhanden sein.

8. Falls nicht andere geeignete Massnahmen getroffen wurden, um die richtige Verbindung der Schienen zu sichern und jede merkliche Veränderung der Spurweite zu verhindern, müssen alle Schienen, auf denen fahrbare Krane laufen, a) durch Laschen oder Doppelstühle verbunden sein; b) an Schwellen sicher befestigt sein.

9. Die Kranbahn und der Drehkranz aller fahrbaren Drehkrane sind mit grösster Sorgfalt und baugerecht anzulegen.

§ 30. Untersuchung und Prüfung von Kranen. -- Bescheinigungen.

1. Bin Kran darf erst benutzt werden, wenn er durch einen im Auftrage der Aufsichtsbehörde handelnden Sachverständigen untersucht und erprobt

119 worden ist und von diesem eine Prüfungsbescheinigung in der vorgeschriebenen Form ausgestellt wurde, in der das zulässige Ladegewicht bei den verschiedenen Neigungswinkeln des Auslegers, einschliesslich des : grössten Neigungswinkels, bei dem der Ausleger verwendet werden kann, angegeben ist.

2. Die in diesem Paragraphen vorgeschriebenen Prüfungen sind zu wiederholen a) in regelmässigen Zeitabständen, die von der zuständigen Behörde festzusetzen sind; 1)) nach jeder grösseren Änderung oder Ausbesserung des Kranes.

3. Das in der letzten Prüfungsbescheinigung angegebene zulässige Ladegewicht für die einzelnen Neigungswinkel darf a) nicht mehr als 80 v. H. der Höchstbelastung betragen, der der Kran bei dem betreffenden Neigungswinkel während der Prüfung ausgesetzt war; b) die vom Erbauer angegebene Höchstlast nicht übersteigen.

§ 31. Derrickhrane.

1. Auf jedem Derrickkran muss der grösste Neigungswinkel, bei dem der Ausleger des Kranes verwendet werden darf, deutlich angegeben sein.

2. Wenn der Ausleger auf seinen grössten Neigungswinkel eingestellt ist, müssen mindestens noch zwei Seilwindungen auf der Derricktrommel verbleiben.

3. Bei schottischen Derrickkranen darf der Ausleger nicht zwischen die rückwärtigen Streben des Kranes angebracht werden.

4. Jeder Kran mit heb- und senkbarem Ausleger muss mit einer wirksamen Verriegelung zwischen der Kupplung und der Sperrklinke der Derricktrommel versehen sein, es sei denn, dass a) die Aufziehtrommel und die Derricktrommel unabhängig voneinander angetrieben werden oder b) die Antriebsvorrichtung der Derricktrommel selbstsperrend ist.

5. Können die Abspannseile eines Derrickkranes nicht in annähernd gleicher Entfernung verankert werden, so müssen andere Vorkehrungen getroffen werden, um die Sicherheit des Kranes zu gewährleisten.

6. Sämtliche Verankerungsteile eines Kranes sind vor jeder Aufstellung zu überprüfen.

7. Die Aufstellung von Kranen ist von einem Sachverständigen zu überwachen.

8. Bei jedem Krane muss nach jeder Aufstellung auf einer Baustelle die Verankerung vor der Benutzung durch einen Sachverständigen an Ort und Stelle überprüft werden.

9. Die Verankerungen der Krane sind so zu überprüfen, dass man jede Verankerung [der höchsten Beanspruchung oder Zugkraft aussetzt, die ausgeübt wird

120 a) durch eine Last von 25 v. H. über der Höchstlast,- die der Kran, so wie er aufgestellt ist, heben muss, oder 1}) durch eine geringere, aber so angeordnete Last, dass die Beanspruchung der Verankerung die gleiche ist.

10. Wenn die-Kugkraft, die auf irgendeine Verankerung während der Prüfung ausgeübt wird, die unter der zulässigen Höchstlast entstehende Zagkraft um weniger als 25 v. H. übersteigt, so ist an einer für den Kranführer leicht sichtbaren Stelle ein Lastdiagramm anzuschlagen, das der vorhandenen Kranverankerung entspricht.

§ 32. Selbsttätige Höchstlastanzeiger.

1. Kein Auslegerkran mit festem oder heb- und senkbarem Ausleger darf benutzt werden, wenn er nicht mit einem selbsttätigen Zeigerwerk versehen ist, das a) dem Kranführer oder der den Kran betätigenden Person genau anzeigt, wann sich die bewegte Last der zulässigen Höchstlast für den Kran bei einer gegebenen Neigung des Auslegers nähert; l>) ein besonderes, leicht wahrnehmbares Hörsignal gibt, sobald die bewegte Last die zulässige Höchstlast für den Kran bei einer gegebenen Neigung des Auslegers überschreitet.

2. Die Vorschriften des Absatzes l gelten nicht a) für Derrickkrane, die durch Seile verankert sind; b) für Handkrane, die nur bei der Aufstellung und beim Abtragen eines anderen Kranes verwendet werden; o) für Krane, deren zulässige Höchstlast nicht mehr als 1000 kg beträgt.

In allen diesen Fällen ist jedoch auf dem Kran eine Übersichtstafel über die zulässigen Höchstlasten bei den verschiedenen Neigungswinkeln des Auslegers anzuschlagen.

§ 33. Verschiedene Vorschriften für die Benutzung von Kranen.

1. 1) Kein Kran darf anders als zum unmittelbaren Heben oder Senken einer Last verwendet werden, es sei denn, dass seine Standfestigkeit dadurch nicht gefährdet würde.

2) Keine Last, die im Winkel zwischen den rückwärtigen Streben eines schottischen Derrickkranes liegt, darf durch diesen Kran bewegt werden.

2. Sind zum Heben oder Senken einer Last mehrere Krane oder Winden erforderlich, so a) sind die verwendeten Maschinen, Anlagen und Geräte so anzuordnen, dass diese Krane oder Winden zu keiner Zeit über ihre zulässige Höchstlast hinaus belastet werden oder durch das Heben oder Senken der Last ihre Standfestigkeit verlieren;

121 b) ist eine besondere Person zu bezeichnen, die darüber zu wachen hat, dass die zusammenwirkenden Hebevorrichtungen bei ihren Arbeiten übereinstimmen.

3. Wird bei einer Last angenommen, dass sie dem zulässigen Höchstladegewicht nahekommt, so ist sie vorerst versuchsweise auf geringe Höhe zu heben, um festzustellen, ob die verwendete Hebevorrichtung sie mit voller Sicherheit zu tragen vermag.

§ 34. Aufzüge.

1. Aufzüge (d. h. Hebevorrichtungen, bei denen ein Fahrkorb oder eine Ladebühne zwischen Führungen läuft), die für das Heben und Senken von Material verwendet werden, müssen den Vorschriften dieses Paragraphen entsprechen.

2. 1) Die Aufzugschächte sind mit dichten Schutzwänden oder anderen ebenso wirksamen Umfassungen zu versehen, und zwar a) zu ebener Erde auf allen Seiten; b) bei allen Stockwerken auf allen Seiten, zu denen ein Zugang vorgesehen ist.

2) Die Wände der Aufzugschächte müssen, ausgenommen an den Zugängen, mindestens 2 m über den Boden oder die Gerüstbühne oder sonstige Stellen, zu denen ein Zugang vorgesehen ist, hinaufreichen.

3. Die Zugänge zu den Aufzügen sind mit dichten Türen oder anderen ebenso wirksamen Abschlussvorrichtungen zu versehen, die a) mindestens l m hoch sind: b) sich selbsttätig schliessen, sobald die Ladebühne das betreffende Stockwerk verlässt.

4. Die Zugänge zu den Aufzügen müssen ausreichend beleuchtet sein.

5. Die Führungen der Ladebühnen müssen starr genug sein, um sich nicht zu biegen; sie müssen genügende Knickfestigkeit besitzen, um bei einem etwaigen Festklemmen der Ladebühne durch eine Fangvorrichtung standzuhalten.

6. Die Ladebühne muss so gebaut sein, dass eine sichere Beförderung gewährleistet ist.

7. Auf Ladebühnen, die für den Wagentransport eingerichtet sind, müssen die Wagen auf der Bühne in wirksamer Weise und in sicherer Lage festgehalten werden können.

8. Aus mehreren Teilen zusammengesetzte Gegengewichte müssen aus besonders dafür bestimmten und unverrückbar miteinander verbundenen Teilen .

bestehen.

9. Das Gegengewicht muss in Führungen laufen.

10. Bei Anwendung von zwei oder mehr Tragseilen muss die Belastung auf sie gleichmässig verteilt sein.

122

11. Jedes Tragseil muss aus einem Stück bestehen.

12. Die Seilenden müssen durch Spleissung und feste Umwicklung mit Stahldraht, durch Vergiessen oder durch Festklemmen mit Hilfe von Seilklemmen befestigt sein; soweit als möglich sind Seilkauschen zu verwenden.

18. Die Tragseile sind in geeigneter und sicherer Weise an der Seiltrommel zu befestigen.

14. Die Seile müssen so lang sein, dass bei der tiefsten Stellung des ·Fahrkorbes oder der Ladebühne noch wenigstens zwei Seilwindungen auf der Trommel verbleiben ; ihr Durchmesser muss so sein, dass sie unter der Höchstlast eine mindestens achtfache Sicherheit aufweisen.

15. Werden Drahtseile verwendet, so müssen die Durchmesser der Seilscheiben oder Trommeln mindestens dem vierhundertfachen Durchmesser der das Seil bildenden Drähte entsprechen.

16. Sind die Windentrommeln mit Rillen versehen, a) so muss der Eadius der Eillen ungefähr dem Eadius des Seiles entsprechen; er darf aber in keinem Falle kleiner sein; b) so darf die Steigung der Seilrillen niemals kleiner sein als der Durchmesser des Seiles.

17. Die Windentrommeln sind mit Seitenflanschen zu versehen, um das Abgleiten des Seiles zu verhindern.

18. Es darf nicht möglich sein, die Fahrtrichtung des Aufzuges zu ändern, ohne dass dieser zuerst zum Stillstand gebracht wird.

19. Der Aufzug darf nicht von der Ladebühne aus in Gang gesetzt werden können.

20. Sperräder, bei denen die Sperrklinke vor dem Senken der Ladebühne ausgerückt werden muss, dürfen nicht verwendet werden.

21. Wenn die die Maschine bedienende Person die Ladebühne nicht in jeder Lage deutlich sehen kann, so ist dafür zu sorgen, dass dem Aufzugswärter von einer verantwortlichen Person, die die Ladebühne in jeder Lage zu sehen vermag, zuverlässige Signale gegeben werden können.

22. 1) Beim Stillstand der Ladebühne muss die Bremse selbsttätig wirken.

2) Während des Auf- und Abiadens ist das Stillstehen der Ladebühne ausserdem durch eine Absetzvorrichtung oder durch ähnliche Vorrichtungen zu sichern.

23. Die Aufzüge sind mit Endausschaltern zu versehen, die die Winde selbsttätig stillsetzen, sobald die Ladebühne ihre oberste Haltestelle erreicht.

24. Über der obersten Haltestelle ist ein freier Baum vorzusehen, der hoch genug sein muss, um im Falle von Übertreiben dem Fahrkorb oder der Ladebühne einen genügend freien Fahrweg zu bieten.

25. 1) Ein Aufzug darf erst benutzt werden, wenn er von einem Sachverständigen untersucht und erprobt worden ist und von diesem eine Be-

123 scheinigung in der vorgeschriebenen Forin über die erfolgten Untersuchungen und Prüfungen ausgestellt worden ist.

2) Diese Untersuchungen und Prüfungen sind zu wiederholen a) in regelmässigen Zeitabständen, die von der zuständigen Behörde festzusetzen sind; l>) nach jeder grösseren Änderung oder Ausbesserung des Aufzuges.

26. 1) Die vorstehenden Bestimmungen gelten ausschliesslich für Aufzüge, die für das Heben und Senken von Materialien benutzt werden.

2) Ein Aufzug darf für die Beförderung von Personen nur verwendet werden, wenn a) eine solche Verwendung von der zuständigen Behörde zugelassen worden ist; b) der Aufzug den Bedingungen entspricht, die für die Errichtung und den Betrieb von Aufzügen für Personenbeförderung in gewerblichen Betrieben festgelegt sind.

27. Die nachstehenden Anschläge müssen gut sichtbar und leicht leserlich angebracht sein a) bei. allen Aufzügen: (i) auf der Ladebühne: die Tragfähigkeit in Kilogramm oder einer anderen üblichen Gewichtseinheit; (n) auf der Winde: die Hebekraft in Kilogramm oder einer anderen üblichen Gewichtseinheit ; b) an Aufzügen, die zur Personenbeförderung zugelassen oder als dafür verwendbar bescheinigt sind: auf der Ladebühne oder im Fahrkorb: die Höchstzahl von Personen, die gleichzeitig befördert werden darf; c) an Aufzügen, die nur der Lastenbeförderung dienen: bei jedem Zugang des Aufzuges: «Lastenauf zug ! Personenbeförderung verboten.» § 35. Verschiedene

Vorschriften.

1. Für Arbeiter, die Krane oder Aufzüge zu prüfen und zu schmieren haben, sind die erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen.

2. Mit Ausnahme von Personen auf dem Führerstand dürfen keine Personen durch einen Kran befördert werden; auch ist es verboten, in einem Schubkarren- oder Mörtelaufzug zu fahren.

3. Jeder Teil einer zu hebenden oder zu senkenden Last ist in geeigneter Weise so aufzuhängen und zu befestigen, dass jede Gefahr vermieden wird.

4. 1) Jedes für das Aufziehen von Mauer- oder Dachziegeln, Dachschieferplatten oder anderem Material verwendete Gefäss muss so verschlossen sein, dass kein Teil des Materials abstürzen kann.

124 2) Werden lose Materialien oder beladene Schubkarren unmittelbar auf der Ladebühne gehoben oder gesenkt, so muss die Ladebühne mit Wänden versehen sein.

3) Gegenstände oder Materialien dürfen nicht so gehoben, gesenkt oder verschoben werden, dass plötzlich ein Bück entsteht.

5. Beim Heben von Schubkarren darf das Ead nicht zum Aufhängen verwendet werden, es sei denn, dass durch wirksame Vorkehrungen das Herausgleiten der Achse aus den Lagern verhindert würde.

6. Wird ein besonderer Hebebaum verwendet, so ist er durch Seile so zu befestigen, dass er nicht gegen das Gerüst schlagen kann.

7. Dreharme zum Heben von Material dürfen nicht an Eüst- oder Verlängerungsstangen befestigt werden.

8. Wenn kein Dreharm, sondern nur eine Seilscheibe verwendet wird, so kann diese an einem Querbalken aufgehängt werden, wenn dieser a) stark genug und mit mindestens zwei Eüst- oder Verlängerungsstangen so verbunden ist, wie dies für die Streichstangen vorgeschrieben ist; b) nicht gleichzeitig als Streichstange des Gerüstes verwendet wird.

9. Wenn sich eine Hebevorrichtung oder ein Teil davon an einem Gerüst entlang bewegt, so sind die erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit die auf dem Gerüst befindlichen Personen nicht durch die Hebevorrichtung oder einen ihrer Bestandteile getroffen werden können.

10. Das Heben von Lasten an Stellen, an denen ein regelmässiger Verkehr stattfindet, hat in einem umschlossenen Eaume zu erfolgen. Wenn dies nicht möglich ist (z. B. beim Aufziehen umfangreicher Lasten), sind die erforderlichen Massnahmen zur zeitweiligen Einstellung oder Umleitung des Verkehrs zu treffen.

11. Durch geeignete Massnahmen ist zu verhindern, dass eine im Heben oder im Senken befindliche Last mit einem Gegenstand so in Berührung kommt, dass ein Teil der Last oder des Gegenstandes verschoben werden kann.

III. Teil: Schutzausrüstung und erste Hilfe.

§ 86. Schutzausrüstung.

1. Im Bedarfsfalle hat der Arbeitgeber den Arbeitern eine genügende Zahl von Atemschutzgeräten, Schutzbrillen und Sicherheitsgürteln nach zugelassenen Mustern zur Verfügung zu stellen.

2. Die Sicherheitsgürtel müssen mit Seilen von genügender Länge und Stärke versehen ' sein.

§ 37. Bettungsgeräte.

Werden Arbeiten in der Nähe eines Ortes ausgeführt, an dem die Gefahr des Ertrinkens besteht, so müssen alle erförderlichen Ausrüstungsgegenstände

125 bereitgestellt und in gebrauchsfähigem Zustand erhalten werden und leicht erreichbar sein; ferner müssen alle Massnahmen ergriffen werden, die für die sofortige Bettung in Gefahr befindlicher Personen notwendig sind.

§ 38. Ausrüstung für erste Hilfe.

1. Auf jeder Baustelle sind geeignete Vorkehrungen für die sofortige Behandlung aller Verletzungen, die während der Arbeit vorkommen können, zu treffen, wie die Bereitstellung von leicht erreichbaren und deutlich gekennzeichneten Verbandkisten oder, -schränken.

2. Diese Verbandkisten oder -schränke sind einer verantwortlichen Person anzuvertrauen, die vorzugsweise in der ersten Hilfeleistung ausgebildet sein muss.

IV. Teil: Verschiedene Vorschriften.

§ 39. Bekanntgabe der Vorschriften an die Arbeiter.

Diese Vorschriften oder die von der zuständigen Behörde festgesetzten Auszüge davon sind den Arbeitern auszuhändigen oder an geeigneten Stellen in sichtbarer und dauerhafter Weise anzuschlagen.

§ 40. Pflicht der Arbeitgeber zur Einhaltung der Teile I--ZII.

Es ist Sache der Arbeitgeber, die Teile I--III dieser Vorschriften einzuhalten.

§ 41. Zusammenarbeit der Arbeiter und anderer Personen mit dem Arbeitgeber.

1. Alle Arbeitnehmer und sämtliche Personen auf der Arbeitsstelle sollen mit dem Arbeitgeber bei der Durchführung dieser Vorschriften zusammenarbeiten.

2. Jeder auf der Baustelle beschäftigte Arbeitnehmer hat alle von ihm in der Anlage oder an den Geräten entdeckten Mängel und alle von irgendwelchen Personen vorgenommenen Handlungen, die zu einem Unfälle führen können, sofort dem Arbeitgeber oder dem Betriebsführer zu melden.

3. Niemand darf in irgendwelche der in den vorstehenden Bestimmungen vorgeschriebenen Anlagen oder Schutzvorrichtungen eingreifen, sie verstellen, entfernen, beschädigen oder vernichten, ohne hierzu vom Arbeitgeber oder seinem verantwortlichen Betriebsführer ermächtigt zu sein.

4. Jeder auf der Baustelle beschäftigte Arbeitnehmer hat alle Sicherheitsund Schutzvorrichtungen und anderen zu seinem Schutze beigestellten Geräte richtig zu gebrauchen und sämtliche auf seine Arbeit bezüglichen Sicherheitsvorschriften einzuhalten.

5. Jeder Arbeitnehmer hat die für seine eigene Sicherheit und für die Sicherheit der anderen auf der Baustelle befindlichen Personen notwendige

126 Vorsicht walten zu lassen und sich jeder Handlung zu enthalten, die ihn selbst oder andere Personen gefährden könnte.

6. Kein Arbeitnehmer darf die Arbeitsstelle auf andere Weise als auf den vorgesehenen sicheren Zugangs- und Abgangswegen betreten oder verlassen.

Empfehlung (Nr. 54) betreffend die Aufsicht bei Hochbauarbeiteu.

Die Allgemeine Konferenz · der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Aufsicht bei Hochbauarbeiten, eine Frage, die zum ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1937, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die Aufsicht (Hochbau), 1937, bezeichnet wird.

Das Übereinkommen und die Empfehlung über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, enthalten gewisse Bestimmmungen über die Arbeitsaufsicht, und die Konferenz hat auf ihrer fünften Tagung (1923) eine Empfehlung betreffend die Arbeitsauf sieht angenommen.

Für Hochbauarbeiten erscheint es jedoch erwünscht, die Aufmerksamkeit der Mitglieder noch auf gewisse andere Bestimmungen zu lenken, die nicht kudem erwähnten Übereinkommen und den erwähnten Empfehlungen enthalten sind.

Die Konferenz empfiehlt deshalb allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation, hinsichtlich der Aufsicht bei Hochbauarbeiten'die folgenden Grundsätze und Begeln in Erwägxmg zu ziehen: 1. Alle bei der Errichtung, der Ausbesserung, dem Umbau, der Instandhaltung und dem Abbruch von Gebäuden aller Art vorkommenden Arbeiten sollten der Aufsicht unterstehen.

2. Die mit dieser Aufsicht betraute Behörde (im weiteren kurz «Aufsichtsbehörde» genannt) sollte ein öffentliches Organ sein und alle erforderlichen Befugnisse haben, um die gewissenhafte Durchführung der geltenden Gesetze und Verordnungen sicherzustellen.

3. Die Aufsichtsbeamten sollten durch ihre berufliche Vorbildung und durch abgelegte Prüfungen, die sich auf alle einschlägigen technischen und verwaltungsrechtlichen Gegenstände erstrecken müssen, Gewähr dafür bieten, dass sie die Sachkenntnis besitzen, die erforderlich ist, um die Durchführung der zum Schutze der Arbeitnehmer bei Hochbauarbeiten erlassenen Unfallverhütungsyorschriften wirksam zu überwachen.

127 4. Zur Herbeiführung einer wirksamen Zusammenarbeit zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Leiter des Unternehmens sollte die Gesetzgebung diesem die Pflicht auferlegen, a) für eine ständige und ausreichende Überwachung der Arbeiten zu sorgen, damit die geltenden Unf'allverhütungsvorschriften beachtet werden; b) alle sonstigen zur Verhütung von Unfällen möglichen und notwendigen Massnahmen zu ergreifen und insbesondere bei Arbeiten, mit denen Unfallgefahren verbunden sein können, keine Personen zu beschäftigen, die · ihm als schwerhörig, schwachsichtig oder nicht, schwindelfrei bekannt sind; c) der Aufsichtsbehörde den Beginn sämtlicher von ihm übernommenen .Bauarbeiten nach den gesetzlich festgesetzten Bedingungen anzuzeigen; d) der zuständigen Behörde die in seinem Unternehmen vorkommenden Unfälle nach den gesetzlich festgesetzten Bedingungen anzuzeigen.

Empfehlung (Nr. 55) betreffend die Zusammenarbeit in der Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen.Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, !

.

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Zusammenarbeit in der Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten, eine Frage, die zum ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1937, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die Zusammenarbeit in der Unfallverhütung (Hochbau), 1937, bezeichnet wird.

Neben dem Übereinkommen und der Empfehlung über Unfallverhütungsvorschriften (Hochbau), 1937, der Empfehlung betreffend die Aufsicht (Hochbau), 1937, und der Empfehlung von 1929 betreffend die Verhütung von Arbeitsanfällen ist es erwünscht, eine besondere Empfehlung über die Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten mit Hilfe von Unfallverhütungsorganisationen anzunehmen, .

Die Konferenz empfiehlt deshalb allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation, hinsichtlich der Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten die folgenden Grundsätze und Eegeln in Erwägung zu ziehen: 1. Es sollten für den Hochbau Organisationen zur Verhütung von Unfällen gebildet werden, um die Zusammenarbeit aller sicherzustellen, die sich um eine Verringerung der Zahl und der Schwere der Unfälle bemühen, besonders

128 soweit es sich um Unfallgefahren handelt, für die keine gesetzlichen Vorschriften bestellen.

2. Um diese Zusammenarbeit wirksam zu machen, sollte in jedem Unternehmen, wo dies möglich ist, eine besondere, aus Vertretern des Arbeitgebers und des Personals bestehende Organisation für Unfallverhütung geschaffen werden.

3. Es wäre auch erwünscht, dass in den von der Aufsichtsbehörde festgesetzten Formen und Grenzen eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem zuständigen Aufsichtsbeamten, dein Arbeitgeber und den Vertretern des Personals des Unternehmens herbeigeführt würde.

4. Die Wirksamkeit der Aufklärung über Unfallverhütung bei Hochbauarbeiten würde erhöht werden durch eine ständige Zusammenarbeit zwischen der Aufsichtsbehörde und allen in Frage kommenden Vereinigungen: den (gemeinsamen oder getrennten) Unfallverhütungsvereinigungen der Arbeitgeber tmd der Arbeitnehmer, den Berufsverbänden der Arbeiter und der Arbeitgeber, den Architekten- und Ingenieurvereinen, den Normenvereinigungen usw., den (öffentlichen, halbamtlichen oder privaten) Unfallversicherungsanstalten.

5. 1) Es sollten regelmässige Zusammenkünfte von Vertretern der im vorigen Absatz bezeichneten Vereinigungen, Vertretern der Aufsichtsbehörde sowie Vertretern anderer in Frage kommenden öffentlichen Körperschaften veranstaltet werden.

2) Die Aufgabe dieser Zusammenkünfte sollte in der gemeinsamen Prüfung der zur Verbesserung des Unfallschutzes bei Hochbauarbeiten geeigneten Verfahren bestehen.

6. Die Aufsichtsbehörde sollte die Unfallverhütung dadurch fördern, dass sie gemeinsam mit allen Beteiligten an der notwendigen Aufklärung mitarbeitet, beispielsweise durch Unterricht über Unfallverhütung (Lehrgänge, Vorführungen, Versammlungen, Vorträge und Darbietung von Filmen), Verteilung von Handbüchern, Broschüren, Zeitschriften oder Veröffentlichungen, in denen Unfallstatistiken wiedergegeben oder erläutert werden, und durch Verteilung von Unfallverhütungsbildern und Anschlägen, die soweit als möglich mit Abbildungen versehen sein sollten.

Empfehlung (Nr. 56) betreffend die berufliche Ausbildung für Arbeiten im Hochbau.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1937 zu ihrer dreiundzwanzigsten Tagung
zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die berufliche Ausbildung für Arbeiten im Hochbau, eine Frage, die zum ersten Gegen-

.,

·

·

129

stand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge ·die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1937, die folgende Empfehlung . .an, die als Empfehlung betreffend die berufliche Ausbildung (Hochbau), 1937, bezeichnet wird.

Die Konferenz hat bereits auf ihrer zwölften Tagung (1929) eine Empfehlung betreffend die Verhütung von Arbeitsunfällen angenommen, in der auch ·ein Abschnitt der : beruf liehen Ausbildung gewidmet ist.

Im Hinblick auf die im Hochbau bestehenden Unfallgefahren ist die berufliche Ausbildung in diesem Gewerbe besonders wichtig.

Die Konferenz empfiehlt deshalb, dass die den Hochbau betreffenden Lehrpläne der Fach- und Berufsschulen einen theoretischen und praktischen Unterricht umfassen sollten a) über die für den Gerüstbau verwendeten Materialien und über die beim Bau und bei der Instandhaltung von Gerüsten zu beachtenden Grundsätze; b) über den Bau und die Instandhaltung der im Hochbau .verwendeten Hebevorrichtungen ; e) über die Einrichtung und Überwachung des Unfallschutzes auf Baustellen; .

· .

d) über die für Hochbauarbeiten erlassenen Unfallverhütungsvorschriften.

Bundesblatt. 90. Jahrg. Bd. II.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 21., 22. und 23. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz. (Vom 13. Juni 1938.)

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1938

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25

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3726

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22.06.1938

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