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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Ankauf eines neuen Gesandtschaftsgebäudes in Paris.

(Vom 16. März 1938.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wie überall, stellt auch in Frankreich die Nachkriegszeit mit ihren mannigfachen und schwierigen Problemen unsere Gesandtschaft in Paris jedes Jahr vor neue und heikle Aufgaben. Die starke Zunahme der Arbeit bedingte eine entsprechende Vermehrung des Gesandtschaftspersonals. Angesichts der beschränkten Bureauräumlichkeiten im bisherigen Gesandtschaftsgebäude in der Avenue Hoche 51 bot die Unterbringung dieses Personals immer grössere Schwierigkeiten, und es bestand schon seit längerer Zeit mit Bezug auf die Arbeitsverhältnisse ein sehr unerfreulicher und auf die Dauer unhaltbarer Zustand. Durch Aufteilung von Bureaux sind die Arbeitsräume ausserordentlich klein geworden. Selbst qualifizierte Mitarbeiter sind kaum in der Lage, mehr als einen Besucher gleichzeitig zu empfangen, obschon selbstverständlich häufig Delegationen von zwei, drei und mehr Personen beim zuständigen Beamten vorsprechen. Die ganze Anordnung der Bureaux ist ausserordentlich unübersichtlich und eng. Auch die Lichtverhältnisse lassen sehr viel zu wünschen übrig. In einzelnen Eäumen wird zudem nicht mit Unrecht über Feuchtigkeit geklagt.

Mit zahlreichen Besuchern aus der Schweiz hat sich auch Herr Minister Dunant schon seit längerer Zeit über die Unhaltbarkeit dieses Zustandes Rechenschaft gegeben und nach Abhilfe gesucht. Da die Gesandtschaft selber kaum weitere Entwicklungsmöglichkeiten bietet, suchte man nach andern Lösungen, ohne aber befriedigende Vorschläge machen zu können. Doch war man zur bestimmten Überzeugung gekommen, dass anlässlich eines Ministerwechsels die Frage von Grund auf geprüft und eine endgültige Verbesserung der Unterbringung unserer diplomatischen Vertretung angestrebt werden müsse. Diese Notwendigkeit wurde denn auch durch die Untersuchung vollauf

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bestätigt, die Herr Minister Stucki und Herr Baudirektor Jungo im Einverständnis mit dem Politischen Departement im Spätherbst vorigen Jahres an Ort und Stelle durchführten. Es musste einmal mehr die Feststellung gemacht werden, dass die jetzigen Eäumlichkeiten schon zur Bewältigung der bisherigen Aufgaben der Gesandtschaft durchaus ungenügend sind und dass neue Aufgaben schlechterdings nicht übernommen werden können. Ganz besonders zeigte eine durch den eidgenössischen Baudirektor vorgenommene Vergleichung der Verhältnisse in Paris mit denjenigen in Berlin, Born und London, inwieweit in Paris die Verhältnisse ganz wesentlich schlechter waren als bei den drei andern Gesandtschaften. Nach diesen Berechnungen verfügt der Beamte im Durchschnitt über eine Fläche von 17 m2 in Berlin, 16 m2 in London, 14 m2 in Born und 10 m2 in Paris. In der eidgenössischen Verwaltung beträgt der entsprechende Durchschnitt 14 m2. Es war um so notwendiger, in Paris neue Bureaulokalitäten zu beschaffen, als bereits ein Teil der Gesandtenwohnung für Bureauzwecke hatte zur Verfügung gestellt werden müssen.

In ihrem Berichte legte die Baudirektion dar, dass die bisherige Gesandtschaft ohne unverhältnismässig hohe Kosten unmöglich weiter ausgebaut werden könne und dass deshalb nur zwei Lösungen in Frage kommen: Entweder die Gesandtschaftstätigkeit durch Verlegung eines Teils der Bureaux nach auswärts zu zersplittern "oder aber ein neues Gesandtschaftsgebäude zu erwerben und die 1918 erworbene Liegenschaft an der Avenue Hoche zu veräussern, Die erste dieser beiden Lösungen könnte man sich entweder so denken, dass für die Unterbringung eines Teils der Dienste auswärts neue Lokalitäten gemietet werden oder dass die Wohnung des Gesandten für Bureauzwecke verwendet werde und sich der Gesandte anderswo eine Wohnung miete. Beide Lösungen zeigen so grosse Nachteile, dass sie unmöglich vorgeschlagen werden können. Mehr als in irgendeiner andern Stadt besteht in Paris die unbedingte Notwendigkeit, die Schweizerische Gesandtschaft als Einheit zu besitzen und jede räumliche Trennung zu vermeiden. Dazu kommt, dass jede derartige Lösung mit direkten und namentlich indirekten erheblichen Mehrkosten verbunden wäre, indem nicht nur die Auslagen für Miete und Heizung zu berechnen sind, sondern auch bei Zusammenfassung vermeidbare Mehrauslagen
für Keinigung, Verbindungsdienst, Concierge usw. Angestellte Berechnungen haben gezeigt, dass diese direkten und indirekten Mehrauslagen kapitalisiert zu Summen führen, die eine Neuerwerbung finanziell unter Umständen nicht ungünstiger, sondern eventuell noch vorteilhafter machen können.

Aus diesen Erwägungen setzte sich immer mehr die Überzeugung durch, dass die Lösung, wenn irgendwie möglich, im Erwerb eines neuen Gesandtschaftsgebäudes gesucht werden sollte. Die Verhältnisse auf dem Liegenschaftsmarkte in Paris sowohl wie der Kursstand des französischen Frankens waren in dieser Beziehung sehr günstig. Es wurde daher die Besichtigung einer sehr grossen Anzahl von Liegenschaften und Gebäuden in Angriff genommen.

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Es handelte sich um die Liegenschaft Nr. 142, rue de Grenelle.

Diese Strasse liegt mitten im klassischen Quartier der Ministerien und Gesandtschaften auf dem linken Seineufer. Ganz in der Nähe befinden sich die Deputiertenkammer, das Begierungspräsidium, das Ministerium des Auswärtigen, die Ministerien für Krieg, Handel, Landwirtschaft, Arbeit, soziale Fürsorge, Unterricht, öffentliche Arbeiten und Kolonien, sowie die Botschaften Deutschlands, Italiens, Polens und Argentiniens. Die Liegenschaft hat eine Gesamtoberfläche von ca. 4200 m2. Von der rue de Grenelle führt der Eingang in einen ziemlich grossen Hof, der rechts begrenzt wird von einem kleineren Gebäude, das gegenwärtig an einen früheren amerikanischen Botschafter vermietet ist, links von den frühern Unterkunftsräumen für Stallungen und Ähnliches.

In der Mitte liegt das grosse Hauptgebäude, das zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbaut worden ist und das gegen Ende des Jahrhunderts der solothumische General von Bésenval innehatte. Es besteht aus Erdgeschoss und zwei Stockwerken und wurde seit 1920 bis Ende des letzten Jahres benützt als Sitz der verschiedenen internationalen Schiedsgerichte," die in den Friedensverträgen vorgesehen worden sind und nun ihre Tätigkeit beendet haben. Die Hauptfassade des Gebäudes geht auf einen grossen Garten und ist vom Ministerium, der schönen Künste als nationales Kunstwerk klassiert. Das gleiche trifft übrigens zu für zwei der Empfangsräume wegen ihres bemerkenswert schönen alten Getäfels. Der Garten besteht aus einer grossen Easenfläche mit alten Bäumen und ist begrenzt von der Polnischen Botschaft, dem Gebäude des geographischen Dienstes der Armee und einem Privatgarten. Er ist durch keinerlei Servituten belastet und bietet deshalb unbeschränkte Baumöglichkeiten.

Im Erdgeschoss können sehr zweckmässig eingerichtet werden das Arbeitszimmer des Gesandten, zwei ineinandergehende mittelgrosse Salons, ein mittelgrosses Esszimmer und eine kleinere Bibliothek. Ferner ist, mit separatem Eingang, das Bureau des Militärattaches vorgesehen. Der erste Stock würde räumlich
getrennt in die Gesandtenwohnung, durch eine innere Privattreppe mit den untern Bäumen verbunden, einerseits und 5 grössere Bureaux für die diplomatischen Mitarbeiter anderseits. Im zweiten Stock könnten mit einigen Umänderungen 5 Dienstbotenzimmer und 10 Bureaux eingerichtet werden.

Der Zugang zu allen Bureaux wäre vollständig getrennt vom Zugang zu den Empfangsräumen und der Privatwohnung.

Ein besonderer Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass die gerade in Paris sehr zahlreiche Besucher anziehenden Abteilungen für Militärsteuer und Passfragen im linken Seitengebäude sehr zweckmässig und übersichtlich untergebracht werden könnten, die übrigen Bureaux also nicht, wie bisher, ständig durch die zahlreichen Besucher wesentlich in der Arbeit gestört würden.

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Das Gebäude gehörte zuletzt einer Schweizerbürgerin, Frau Baumann, die die Liegenschaft angesichts der auf ihr lastenden hohen Steuern zu veräussern suchte, und zwar wenn möglich an den schweizerischen Staat. So konnte der ursprünglich auf 8 Millionen französische Franken bezifferte Kaufpreis sukzessive auf ca. 4,55 Millionen französische Franken reduziert werden.

Ganz abgesehen von dem effektiven und auch künstlerischen Wert des Hauptgebäudes ergibt dieser Kaufpreis pro m2 eine Summe von 1080 französischen Franken oder zum damaligen Kurse etwa 155 Schweizerfranken, was für eine mitten in einem der besten Quartiere von Paris gelegene Liegenschaft als ganz ausserordentlich tief zu bezeichnen ist.

Gerade in der Zeit, wo unsere Gesandtschaft mit Frau Baumann mitten in diesen Verhandlungen über den Erwerb und den Preis der Liegenschaft an der rue de Grenelle stand, gingen der Dame von anderer Seite beträchtlich höhere Kaufangebote zu. Das veranlasste die Eigentümerin, dem Bund für einen allfälligen Ankauf einen Termin von nur wenigen Tagen zu setzen. Bei solcher Sachlage sah sich der Bundesrat vor die Alternative gestellt, entweder eine.einzig günstige Gelegenheit zum Erwerb eines zweckentsprechenden Gesandtschaftsgebäudes in Paris vorbeigehen zu lassen oder von sich aus unverzüglich den Ankauf zu beschliessen. Nach reiflicher Erwägung zog er das letztere vor, da er überzeugt war, dass diese Massnahme im Interesse unseres Landes liege. Er war sich hierbei selbstverständlich bewusst, dass er durch einen solchen Beschluss die ihm ordentlicherweise zustehenden finanziellen Kompetenzen erheblich zu überschreiten gezwungen war. Doch liess er sich von der Erwartung leiten, dass die eidgenössischen Bäte für ein Vorgehen, das ihm durch besondere Umstände aufgenötigt war, volles Verständnis haben und die von ihm vorläufig bewilligte Ausgabe nachträglich gutheissen würden.

Der Bundesrat hat daher in seiner Sitzung vom 28. Januar das Politische Departement zum Erwerb der Liegenschaft 142, rue de Grenelle zum ungefähren Kaufpreis von 4 550 000 französischen Franken ermächtigt. Da das Eigentum an dieser Liegenschaft formalrechtlich nicht auf den Namen von Frau Baumann, sondern auf denjenigen einer ad hoc konstituierten Aktiengesellschaft (Société Immobilière Pompadour) lautete, bestand der Ankauf vorläufig im
Erwerb der Aktien dieser Gesellschaft durch den Bund. Für diese Aktien, die sich zurzeit sämtlich in unseren Händen befinden, ist ein Betrag von 642 804 Schweizerfranken (das entspricht ziemlich genau den vorgenannten 4 550 000 französichen Franken) bezahlt worden.

Die am neuerworbenen Gesandtschaftsgebäude vorzunehmenden Umbauten und Neueinrichtungen betreffen in der Hauptsache folgendes: Abbruch und Neubau des linken Seitengebäudes und eines Teils der den Hof von der Strasse trennenden Mauer, Neueinrichtung einer Küche im Erdgeschoss (die jetzige ist im Keller untergebracht und könnte infolge ihres Zustandes nicht ohne vollständige Neueinrichtung benutzt werden), Anlage einer Ölheizung, eines Badezimmers, Maurerarbeiten zur Trennung der Bureaux- und Privaträumlichkeiten im 1. und 2. Stock usw.

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Der Architekt der Gesandtschaft und die Baudirektion schätzen, gestützt auf Erhebungen und Berechnungen, die Gesamtkosten der Neueinrichtungen auf ca. l 950 000 französische Franken. Hierin sind indessen nicht nur die baulichen Veränderungen, sondern auch die Innenausstattung der Bureau- und Kanzleiräumlichkeiten sowie der Empfangsräume (einschliesslich Mobiliar) inbegriffen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das kleinere Seitengebäude rechts vom Eingange nicht gebraucht wird und deshalb gegen eine Jahresmiete von rund 30 000 französischen Franken abgegeben werden kann, wie dies gegenwärtig der Fall ist.

Was das bisherige Gesandtschaftsgebäude an der Avenue Hoche anbelangt, das Gegenstand unserer Botschaft vom 8. März 1922 bildet, so sind Bestrebungen im Gange, um dasselbe so bald und so günstig als möglich zu veräussern. Der Erlös für diese Liegenschaft wird natürlich die Ausgabe, welche der Ankauf und die Instandstellung des neuen Gebäudes erheischen, entsprechend vermindern. Unsere Gesandtschaft ist mit einigen Interessenten bereits in engere Verhandlungen eingetreten. Der Verkauf erweist sich als nicht gerade leicht, und er wird kaum ohne buchrnässigen Verlust zu tätigen sein, was hauptsächlich auf die Entwertung des französischen Frankens seit dem Jahr 1918 zurückzuführen ist.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass der von ihm beschlossene Ankauf eines neuen Gesandtschaftsgebäudes in Paris einer Notwendigkeit entspricht und dass er unter den gegebenen Verhältnissen als eine besonders zweckmässige und günstige Lösung bezeichnet werden darf. Wenn er sich dabei leider genötigt sah, über die ihm ordentlicherweise zustehenden Kompetenzen in Finanzsachen hinauszugehen, so geschah dies nicht allein im Interesse der diplomatischen Vertretung der Schweiz in Paris, sondern vorab zur Wahrung der finanziellen Belange des Bundes. Er zweifelt nicht daran, dass die eidgenössischen Bäte den von ihm gefassten Beschluss gutheissen werden, und bittet daher, von diesem Berichte in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 16. März 1938.

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Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Banmann.

Der Bundeskanzler:

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G. Bovet.

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1938

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3676

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23.03.1938

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324-328

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