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Bundesblatt 90. Jahrgang.

Bern, den 5. Oktober 1988.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis HO Franken im Jahr, IO Franken im Hanjahr, gusiiglich Nachnahme- and Postiestellangsgebtthr.

Einritcknngsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfll £ Cle. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verlängerung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 23. Dezember 1936 über Massnalimen zum Schutze des Schuhmachergewerbes.

(Vom 4. Oktober 1938.)

Herr Präsident!

\ Hochgeehrte Herren!

Die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 23. Dezember 1936 über Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes läuft am 31. Dezember 1938 ab. Es stellt sich daher die Frage seiner Erneuerung. Wir beehren uns hiemit, Ihnen hierüber Bericht und Antrag zu unterbreiten.

I.

1. Der Bundesbeschluss enthält zur Hauptsache folgende Vorschriften: a. Die Eröffnung neuer und die Erweiterung bestehender Schuhreparaturwerkstätten und Annahmestellen für Schuhreparaturen ist von einer Bewilligung durch die zuständige kantonale Behörde abhängig. Die Bewilligung für die Eröffnung, Verlegung und Übernahme handwerklicher Betriebe kann in der Eegel Gesuchstellern, die zur Führung des Meistertitels berechtigt sind, nicht verweigert werden, eine Bestimmung, die eine Neuerung gegenüber dem Bundesbeschluss vom 28. September 1984 darstellt. Ebenso soll die Bewilligung ohne ·weiteres gewährt werden für eine Verlegung auf kurze Entfernung ohne wesentliche Veränderungen des Kundenkreises, für geringfügige Vergrösserungen und für eine vorübergehende, unwesentliche Vermehrung des Personals. In allen andern Fällen sind Bewilligungen dagegen nur zu erteilen, wenn der Gesuchsteller ein Bedürfnis nachweist, oder wenn besondere Verhältnisse ihre Verweigerung als unbillig erscheinen lassen; nur diese Entscheide sind mit Beschwerde an den Bundesrat weiterziehbar, während die Kantone zur Beurteilung der Gesuche, die ohne weiteres zu bewilligen sind, abschliessend zuständig Bundesblatt.

90. Jahrg.

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sind. Nach dem frühem Bundesbeschluss vom 4. Juni 1934 konnte gegen alle kantonalen Entscheide Beschwerde geführt werden.

1. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat zur Begutachtung der Fragen, die das Schuhmachergewerbe betreffen, eine Fachkommission zu bestellen. Auf Vorschlag dieser Kommission und nach Anhörung der interessierten Berufsverbände kann der Bundesrat allgemeinverbindliche Vorschriften über Qualitätsbezeichnungen der Schuhreparaturen und des Bodenleders aufstellen. Von dieser Befugnis ist indessen kein Gebrauch gemacht worden.

2. Zufolge der unter Abschnitt l a erwähnten Einschränkungen des Eekursrechtes nahm die Zahl der Beschwerden ab; während wir in den Jahren 1935 und 1936 vierundneunzig Entscheide zu fällen hatten, fielen auf die Zeit vom 1. Januar 1937 bis 30. Juni 1938 nur noch deren vierundzwanzig. Von dieser Zahl wurden zwölf Eekurse, elf ganz und einer teilweise, gutgeheissen, zehn wurden abgewiesen, auf einen wurde nicht eingetreten und einer wurde gegenstandslos erklärt.

3. Seit dem Inkrafttreten des Bundesbeschlusses vom 23. Dezember 1936 hat die Fachkommission laut ihrem an das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement gerichteten Bericht vom 8. Juni 1938 9 Sitzungen abgehalten.

In ihrem ersten Bericht vom 12. August 1936 *), hatte diese Kommission nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die durch die Verlängerung des Bundesbeschlusses gewonnene Schutzfrist benutzt werden müsse, um einerseits die Schuhmachermeister in ihrer Betriebsführung zu beraten und anderseits das Publikum aufzuklären über die Ansprüche, die es an eine gute Eeparatur stellen kann. Zur Verwirklichung dieser Forderung beschloss die Fachkommission, mit einem Aufklärungsfilm an das Publikum zu gelangen, um die Bedeutung der Fusshygiene und den Wert von Qualitätsschuhwerk für die Fusse nachzuweisen. Dieser Film soll in öffentlichen Vorführungen, in Schulen, in Vereinen, in Ausstellungen und im Militärdienst gezeigt werden. Die Fachkommission hat ferner Schritte unternommen, um die Ausstellung «Der Schuh», die bereits in Zürich und Basel mit gutem Erfolg veranstaltet wurde, auch in andern Städten zu organisieren. Ausserdem sollen Badiovorträge die Aktion unterstützen.

Auf die Durchführung einer Beratungs- und Weiterbildungsaktion für Schuhmacher durch individuelle Betriebsberatung und
Veranstaltung von Einzelvorträgen und Kursen, wie sie von der Fachkommission vorgeschlagen wurde, wurde verzichtet, weil die nötigen Mittel hierfür nicht zur Verfügung standen. Um wenigstens einen Teil des Beratungsprogramms durchzuführen, beschloss die Fachkommission «Merkblätter für den Aufbau der Schuhmacherbetriebe» herauszugeben, um den Schuhmachern auf schriftlichem Wege nützliche Eatschläge über Betriebsführung, Kalkulation, Kundenbedienung, rationelle Arbeitsmethoden, Werkstatteinrichtung usw. zu vermitteln. Diese «Merkblätter», von denen bisher 7 Nummern erschienen sind, wurden anfäng*) Bundesbl. 1936, III, 68.

479 lieh gratis in einer Auflage von 8000 Exemplaren an die Schuhmacher der deutschen und französischen Schweiz versandt. Als zur Deckung der Kosten ein bescheidener Abonnementsbeitrag von Fr. l pro Jahr eingeführt werden musste, verringerte sich die Zahl der Bezüger, so dass der Zweck dieser «Merkblätter» nur zum Teil erreicht werden konnte.

Die Fachkommission befasste sich in Verbindung mit der eidgenössischen Materialprüfungs- und Versuchsanstalt in St. Gallen und unter Fühlungnahme mit den interessierten Verbänden mit der Frage der Einführung von Vorschriften über die Qualität des Bodenleders und der Schuhreparaturen. Sie arbeitete auch einen Entwurf zu einer bezüglichen Verfügung aus, die jedoch zurückgelegt wurde, da noch keine Gewissheit über die Fortsetzung der staatlichen Schutzmassnahmen bestand.

Die Kommission hat ausserdem ein Sanierungsprogramm für das Schuhmacherhandwerk, welches der Schweizerische Schuhmachermeisterverband ihr vorgelegt hat, durchberaten, ohne dazu endgültig Stellung zu beziehen.

Da der Nationalrat im Dezember 1937 ein Postulat angenommen hat, worin der Bundesrat eingeladen wird, die Frage zu prüfen: «ob nicht bis zum Ablauf des Beschlusses über die Schuhmacherhilfe eine rechtliche Grundlage zu schaffen sei, nach welcher Vereinbarungen zwischen der Schuhfabrikation und dem Schuhmachergewerbe über die Abgrenzung der gegenseitigen Tätigkeitsgebiete verbindlich gemacht werden könnten», nahm die Fachkommission Verhandlungen mit dem Verbände Schweizerischer Schuhindustrieller auf, um ein solches Abkommen vorzubereiten.

II.

Vernehmlassungen.

a. Der kantonalen Eegierungen. Mit Kreisschreibendes eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 28. April 1938 wurden die Kantonsregierungen eingeladen, sich grundsätzlich zu der Verlängerung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses betreffend Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes zu äussern, und für den Fall der Zustimmung zur Fortsetzung dieser Schutzmassnahmen allfällige Abänderungsvorschläge einzureichen. Von den 22 Kantonen, von welchen Antworten eingetroffen sind, haben 20 die Notwendigkeit einer Verlängerung des staatlichen Schutzes für das Schuhmachergewerbe anerkannt, darunter auch die Kantone Zürich und Luzern, die sich im Jahre 1936 gegen eine Verlängerung des bezüglichen Bundesbeschlusses vom 28. September 1934 ausgesprochen hatten. Einzig der Eegierungsrat des Kantons W a a d t hält an seiner Ablehnung fest. Er anerkennt immerhin, dass der Bundesbeschluss wenigstens den Vorteil gehabt habe, die Grossunternehmungen einzuschränken und die missbräuchliche Einführung von Maschinen zu verhindern ; irn übrigen findet er den Beschluss wenig wirksam zufolge seines Art. 7, Abs. l, und kritisiert den Umstand, dass die höchsten Verwaltungsinstanzen des Bundes und der Kantone durch den Beschluss genötigt werden,

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sich mit ausgesprochenen Detailfragen zu befassen. Ohne ausdrücklich für oder gegen die Verlängerung Stellung zu beziehen, gibt der Eegierungsrat des Kantons N e u e n b u r g seiner Auffassung Ausdruck, dass den Kantonen die Kompetenz eingeräumt werden sollte, im Eahmen der Ordnung des Berufswesens solche Schutzmassnahmen zu treffen. Unter den Kantonen, die sich zugunsten einer Verlängerung aussprechen, haben einzelne die günstigen Auswirkungen des Bundesbeschlusses ausdrücklich hervorgehoben. So erklärt beispielsweise der Eegierungsrat des Kantons Uri, dass er mehrfach gestützt auf den Bundesbeschmss habe Eröffnungen verhindern können, die sich sowohl zum Nachteil des Gesuchstellers selbst wie auch der bereits vorhandenen Werkstätten hätten auswirken müssen. Die Fassung des Bundesbeschlusses biete aber auch die Möglichkeit, besondern Verhältnissen, namentlich in den Fällen von Unbilligkeit, Eechnung zu tragen, von welcher der Eegierungsrat des Kantons Uri ebenfalls einige Male Gebrauch gemacht habe. Es müsse angenommen werden, dass bei einer Nichtemeuerung des Bundesbeschlusses die Vermehrung kleiner Betriebe gefährliche Ausmasse annehmen würde. Der Kanton St. Gallen betont, dass der Bundesbeschluss sich für das notleidende Schuhmacherhandwerk insofern günstig ausgewirkt habe, als sich die Vermehrung der sogenannten Grosssohlereien und die Eröffnung neuer Betriebe durch Berufsfremde und durch ungelernte Schuhmacher auf ein Minimum beschränken liess, ohne dass für die Bevölkerung irgendwelche Nachteile entstanden seien. Eine Aufhebung der Schutzmassnahmen würde die bisher erreichten Eesultate gefährden.

Die grosse Mehrzahl der Kantone spricht sich für eine Verlängerung des Bundesbeschlusses in seiner jetzigen Fassung aus. Die Bestimmung des Art. 7, Abs. l, nach welcher in der Eegel Gesuchstellern, die das Meisterdiplom erworben haben oder gemäss Art. 61 des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung zur Führung des Meistertitels berechtigt sind (selbständige Berufsausübung vor der Einführung des Meisterprüfungsreglements vom 21. Juli 1934), die Eröffnung, Verlegung und Übernahme einer Schuhreparaturwerkstätte handwerklichen Charakters nicht verweigert werden darf, wird von den Kantonen Solothurn, Basel-Stadt und St. Gallen als zu weitgehend kritisiert. Während die Kantonsregierungen
von Solothurn als zusätzliches Erfordernis die Absolvierung einer gehörigen Lehrzeit durch den Gesuchsteller verlangt, regt der Kanton Basel-Stadt die Prüfung der Frage an, ob in Zukunft die Erleichterung des Art. 7, Abs. l, nur noch Absolventen der Meisterprüfungen eingeräumt werden sollte. Der Kanton St. Gallen beantragt, nur noch die gelernten Schuhmacher neben den Inhabern des Meistertitels in die Bestimmung des Art. 7, Abs. l, einzubeziehen. Ohne sich auf einen bestimmten Artikel zu beziehen, bezeichnet es der Kanton Uri als empfehlenswert, für die Eröffnung neuer Werkstätten die abgeschlossene Lehrzeit (Fähigkeitsausweis) und eventuell eine gewisse Ausbildungszeit als Geselle zu verlangen, immerhin mit der Möglichkeit, in ausserordentlichen Fällen Ausnahmen zu bewilligen. Im Gegensatz dazu beantragt die Eegierung des Kantons Zur ich eine neue Erleichterung durch vorbehaltlose Bewilligung von Neueröffnungen von

481 Werkstätten, in welchen der Schuhmacher ohne Arbeiter und mechanische Betriebseinrichtungen arbeitet. Nach Ansicht des Eegierungsrates des Kantons Wallis sollte sich der Bewilligungszwang für die Eröffnung von Beparaturwerkstätten nur auf diejenigen erstrecken, die keinen Lehrausweis erworben haben. Der Eegierungsrat des Kantons Genf stellt verfahrensrechtliche Fragen zur Diskussion.

Was die Dauer der Verlängerung anbetrifft, beantragt die Mehrzahl der Kantone eine solche von 2 oder l--2 Jahren. Einige würden es vorziehen, keinen bestimmten Zeitpunkt in Aussicht zu nehmen, sondern den Beschluss zu verlängern, bis die neuen Wirtschaftsartikel beziehungsweise ein sich auf diese stützendes Ausführungsgesetz in Kraft getreten sind.

fe. Der Verbände. Das Kreisschreiben vom. 28. April 1938 wurde auch mehreren Spitzenverbänden zur Vernehmlassung zugestellt. Der Vorort des schweizerischen Handels- und Industrievereins spricht sich trotz den seinerzeitigen grundsätzlichen Bedenken gegen den Erlass des Bundesbeschlusses nunmehr für dessen Verlängerung aus, indem er es vor einem Entscheid über das Schicksal der Eevision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung nicht für angezeigt hält, Bnndesbeschlüsse über wirtschaftliche Massnahmen ausser Kraft treten zu lassen. Aus Gründen der Eechtssicherheit sollte dieser Bundesbeschluss unverändert verlängert werden.

Ebenfalls zugunsten einer Verlängerung äussert sich der Schweizerische Gewerbeverband, welcher beantragt, die Geltungsdauer soweit zu erstrecken, bis eine endgültige Schutzgesetzgebung für das Schuhrnacherhandwerk gestützt auf eine vom Volke angenommene Eevision der Wirtschaftsartikel in Kraft gesetzt werden könne. Zu Art. 7, Abs. l, schlägt der Gewerbeverband vor, nur die gelernten Schuhmacher, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Meisterprüfungsreglements vom 21. Juli 1934 für das Schuhmachergewerbe mindestens 3--5 Jahre ununterbrochen tätig waren, den geprüften Meistern gleichzustellen.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund beantragt eine Verlängerung des Bundesbeschlusses ohne Abänderungen für die Dauer von zwei Jahren.

c. Der eidgenössischen Fachkommission für das Schuhmachergewerbe. Die eidgenössische Fachkommission für das Schuhmachergewerbe, welche zur Vernehmlassung eingeladen wurde, sprach sich nach Fühlungnahme mit interessierten
Verbänden für eine Beibehaltung der bisherigen Schutzmassnahmen aus, da das Schuhmachergewerbe ans sozialen, wirtschaftlichen und militärischen Gründen schutzbedürftig und schutzwürdig sei. Im Hinblick auf die im Gange befindliche Eevision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung empfiehlt die Fachkommission eine Verlängerung der Geltungsdauer um 2 Jahre, das heisst bis zum 31. Dezember 1940. Eine Abänderung der geltenden Vorschriften hält sie im Hinblick auf die im Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1936 verwirklichte Lockerung der einschränkenden Bestimmungen und Vereinfachung der Verfahrensvorschriften nicht für notwendig.

482 Die Fachkommission erachtet eine Fortsetzung ihrer Arbeiten im Interesse des Schuhmacherhandwerks für gegeben.

Ihrem vorerwähnten Bericht vom 8. Juni 1938 fügt die Fachkommission einige Betrachtungen über die Erneuerung des Bundesbeschlusses an, aus welchen wir die folgenden hier wiedergeben: «Die getroffenen Schutzmassnahmen mussten sich darauf beschränken, der weiteren Expansion der Schnellsohlereien eine Schranke zu setzen und gleichzeitig die ungeregelte Vermehrung neuer handwerklicher Werkstätten einzudämmen. Obschon diese Massnahmen die tieferen Ursachen der Notlage nicht zu beseitigen vermochten, so muss doch mit allem Nachdruck festgestellt werden, dass sich ohne diesen Schutz die Lage im Schuhmacherhandwerk noch viel schlimmer gestaltet hätte und das Gewerbe einem raschen Zerfall entgegengegangen wäre. Eine Aufhebung der Schutzmassnahmen im gegenwärtigen Zeitpunkt würde das bisher Erreichte wieder zerstören und zahlreiche Neugründungen von Schnellsohlereien und Schuhmacherbetrieben rufen, wodurch die Notlage erneut verschärft würde.»

III.

1. Nach Prüfung der allgemeinen Sachlage und der in Abschnitt II dargelegten Vernehmlassungen kommen wir dazu, nochmals die Verlängerung des Bundesbeschlusses zum Schutze des Schuhmachergewerbes zu befürworten.

Wir erinnern daran, dass seinerzeit die Überhandnähme mechanischer Schnellsohlereien den Hauptanlass für die Schutzbestimmungen bildete. Die Ausdehnung des Bewilligungsverfahrens auf alle Reparaturwerkstätten war nur nötig, weil es unmöglich schien, praktische und einfache Kriterien zu finden, anhand welcher die mechanischen Betriebe von den handwerklichen unterschieden werden konnten. Es sollte und konnte nicht Zweck der temporär gedachten Notmassnahmen sein, das Gewerbe durchgehend zu sanieren. Es wurde lediglich der eidgenössischen Fachkommission für das Schuhmachergewerbe die Aufgabe gestellt, nach Mittlen und Wegen zu suchen, um die handwerklichen Betriebe fachlich zu heben und wirtschaftlich widerstandsfähiger zu gestalten. Die angeführten Äusserungen einzelner Kantone haben gezeigt, dass dieser Hauptzweck des Beschlusses in den letzten Jahren erreicht worden ist.

Die wirtschaftliche Lage hat sich inzwischen nicht so gebessert, dass es angängig wäre, den Kleinhandwerker der Konkurrenz uneingeschränkter Grossreparaturwerkstätten auszusetzen. Zwar dürften die verschiedenen Bestrebungen der eidgenössischen Fachkommission, daneben aber auch die Massnahmen auf Grund des Bundesgesetzes über die berufliche Ausbildung (Verbesserung des Lehrlingswesens, Durchführung von Meisterprüfungen) seit Bestehen der Schutzmassnahmen wesentlich zur fachlichen Ertüchtigung des Schuhmachergewerbes beigetragen haben. Dennoch halten wir diesen Gewerbe-

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stand nicht für so widerstandsfähig, dass die Bestimmungen aufgehoben werden könnten.

Die nahezu einstimmigen Antworten der Kantone bestärken uns in dieser Stellungnahme.

Dem auf S. 479 erwähnten Postulat des Nationalrates, das darauf hinzielte, den Vorliegenden Bundesbeschluss ganz oder teilweise zu ersetzen durch eine allgemein verbindlich zu erklärende Vereinbarung zwischen der Industrie und dem Schuhmachergewerbe über die Abgrenzung ihrer Tätigkeitsgebiete, kann zurzeit nicht entsprochen weïden. Die Frage der Allgemeinverbindlicherklärung derartiger "Wirtschaftsvereinbarungen bildet einen wichtigen Teil in der Eevision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung, und es wäre unzweckmässig, einen Schritt auf diesem Gebiet zu tun. solange das Parlament und das Volk nicht über die Angelegenheit entschieden haben.

2. Ohne auf alle Anregungen einzugehen, die in den verschiedenen Eingaben gemacht wurden, halten wir es doch für nötig, uns mit den Bemerkungen auseinanderzusetzen, die zu Art. 7, Abs. l, des Bundesbeschlusses vom 23. Dezember 1986 eingegangen sind. Jener Artikel lautete: «Art. 7. l Sofern der Gesuchsteller das Meisterdiplom auf Grund des Réglementes vom 21. Juli 1934 für die Durchführung von Meisterprüfungen erworben hat oder nach Massgabe von Art. 61 des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung zur Führung des Meistertitels berechtigt ist, darf die Bewilligung für die Eröffnung einer Schuhreparaturwerkstätte, in der mit Einschluss des Meisters höchstens zwei Personen beschäftigt sind und nur die allgemein gebräuchlichen Hilfsmaschinen (Art. 4, lit. è) zur Verwendung kommen, in der Eegel nicht verweigert werden.» Diese Bestimmung, gegen die sich hauptsächlich die vorgetragenen kritischen Äusserungen richten, ist in der Absicht eingeführt worden, für die Kategorie von Schuhmachern, die zur Führung des Meistertitels berechtigt sind und die kleinere handwerkliche Werkstätten führen wollen, eine grössere Bewegungsfreiheit zu schaffen. Diese Lockerung erwies sich nach den Erfahrungen der früheren Praxis als notwendig ; sie wurde gestützt auf die sorgfältigen Untersuchungen und den Vorschlag der eidgenössischen Fachkommission für das Schuhmachergewerbe eingeführt. Wir halten diese Lösung auch weiterhin für richtig. Dem Vorschlag, den Gesuchstellern, die das Meisterdiplom
erworben haben, nur diejenigen Schuhmacher gleichzustellen, die nicht nur vor dem 21. Juli 1934 selbständig eine Schuhreparaturwerkstätte betrieben haben, sondern sich ausserdem über eine bestimmte qualifizierte berufliche Ausbildung ausweisen können, kann nicht gut entsprochen werden. Zwar darf ihm sachlich eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden, doch ist seine Verwirklichung im gegenwärtigen Augenblick nicht angezeigt. Da die allgemeine Tendenz der Wirtschaftspolitik eine allmähliche Bückbildung der Fesseln, die in der Krisenzeit der Wirtschaft auferlegt wurden mussten, verfolgt

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[vgl. den Bericht der begutachtenden Kommission für Wirtschaftsgesetzgebung vom 4. Juni 1937*)] und das Schicksal der Eevision der Wirtschaftsartikel sich seiner Entscheidung nähert, ist der Zeitpunkt nicht geeignet, von der eingeschlagenen Eichtung abzuweichen und einschränkendere Massnahmen als im Jahre 1936 zu beschliessen. Die jetzige Lösung ist aber auch deshalb vorzuziehen, weil sie, ohne andere Voraussetzungen umschreiben zu müssen, sich auf das durch das Bundesgesetz vom 26. Juni 1930 über die berufliche Ausbildung geschaffene Kriterium stützen kann, nach welchem Personen, die vor der Einführung einer höheren Eachprüfung ihren Beruf selbständig ausgeübt haben, das Eecht zusteht, den Meistertitel zu führen, ohne dass das Berufsbildungsgesetz eine Untersuchung der wirklichen Berufskenntnisse verlangt. Die Auswirkung des Art. 7, Abs. l, darf übrigens nicht überschätzt werden. Eür die Schuhmachermeister ohne Meisterdiplom erleichtert diese Bestimmung vor allem die Bewilligung der Betriebsverlegung. Es wäre in der Tat stossend, die Berufskenntnisse des selbständigen Handwerkers anlässlich von Gesuchen um Verlegung seiner Werkstatt prüfen zu müssen. Obschon niemand daran gedacht hat, würde die vorgeschlagene Abänderung des Art. 7, Abs. l, diese Folge nach sich ziehen, da der Bundesbeschluss die Verlegung einer Werkstatt einer Eröffnung gleichstellt. Die Neueröffnung und die Verlegung verschiedenen Bestimmungen zu unterwerfen, würde eine vollständige Umarbeitung des Bundesbeschlusses notwendig machen, eine Aufwendung, die in keinem Verhältnis zum erreichten Erfolg stehen würde.

Die Verlegungen sind, wie wir ausführten, das Hauptanwendungsgebiet des Art. 7, Abs. 1. Das will indessen nicht sagen, dass sich nicht auch Gesuchsteller dieser Erleichterung bedienten, um eine neue Werkstatt zu eröffnen.

Aber die Fälle, die in den ersten Monaten des Jahres 1937 ziemlich zahlreich waren, werden natürlicherweise immer seltener. Es wird bald nicht mehr zahlreiche Schuhmacher geben, die gestützt auf die Tatsache einer selbständigen Berufsausübung vor dem 21. Juli 1934 das Gesuch um Bewilligung einer Neueröffnung stellen können. Es dürfen sodann zwei wichtige Tatsachen nicht übersehen werden. Einmal ist die in Art. 7, Abs. l, vorgesehene Erleichterung nur «in der Eegel» zu gewähren. Die Behörden sind demnach
in der Lage, in aussergewöhnlichen Fällen die Bewilligung zu verweigern, obschon der Gesuchsteller sich auf das Eecht, den Meistertitel führen zu dürfen, berufen kann.

Diese Ermächtigung, von der Eegel abzuweichen, ist nicht nur theoretischer Natur ; selbst wir haben von ihr in einigen Fällen Gebrauch gemacht. Im übrigen ist uns kein Fall zur Kenntnis gelangt, in welchem ein wirklich unfähiger Schuhmacher gestützt auf Art. 7, Abs. l, eine Werkstatt eröffnete. Wenn man ferner den unter Abschnitt III, Ziffer l, erwähnten ursprünglichen Zweck des Bundesbeschlusses im Auge hält und sich daran erinnert, dass die Beschlüsse vom 28. September 1934 und vom 23. Dezember 1936 hauptsächlich erlassen wurden, um der Überhandnähme mechanischer Schnellsohlereien zu *) Bundesbl. 1937, II, 903.

485 steuern, muss man die Lockerung der anfänglich sehr weitgehenden Vorschriften begrüssen und mit dem Zweck des Bundesbeschlusses vereinbar bezeichnen, um so mehr, als sich diese Erleichterung nur auf Werkstätten bezieht, in welchen mit Einschluss des Meisters höchstens zwei Personen beschäftigt sind und in denen nur die gebräuchlichen Hilfsmaschinen zur Verwendung gelangen, also um Betriebe rein handwerklichen Gepräges.

Aus diesen Gründen zögern wir nicht, die Beibehaltung des gegenwärtigen Art. 7, Abs. l, vorzuschlagen, um so mehr, als die grosse Mehrheit der Kantone dieser Lösung zustimmt.

3. Der Umstand, dass die Entscheide der Kantonsregierungen über die Eröffnung von Schuhreparaturwerkstätten bis an den Bundesrat weitergezogen werden können, hat wiederholt Anlass zu Kritik gegeben. Es wurde als unangemessen bezeichnet, dass sich der Bundesrat in den gegenwärtigen schwierigen Zeiten mit derartigen Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung zu befassen habe. Auch wurde es in einzelnen Kantonen als stossend empfunden, dass Entscheide der obersten Kantonsbehörde über Fragen, die vielfach Ermessenscharakter tragen, noch der Überprüfung durch den Bundesrat unterliegen.

Die Einräumung eines Bekursrechtes an den Bundesrat war, worauf wir bereits in der früheren Botschaft vom 3. November 1936 hingewiesen haben, für den Anfang ohne Zweifel unerlässlich, da das Bewilligungsverfahren für Schuhreparaturwerkstätten für die Kantone eine durchaus neue Materie war, so dass Erfahrungen fehlten. Die bundesrätlichen Bekursentscheide haben wesentlich zur Ausbildung und Vereinheitlichung der kantonalen. Bewilligungspraxis beigetragen. Dieser Zweck kann heute zur Hauptsache als erreicht gelten, nachdem der Bundesbeschluss schon seit 4 Jahren in Kraft steht und sich in der Verwaltungspraxis der Kantone gut eingeführt hat.

Bereits der Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1936 hatte, gleichzeitig mit der Neuregelung des Bewilligungsverfahrens, eine Vereinfachung des Beschwerdeverfahrens eingeführt, indem die Entscheide der Kantone in gewissen Fällen als endgültig erklärt wurden. So entscheiden schon heute die Kantone letztinstanzlich über die Eröffnung und Verlegung handwerklicher Betriebe, wenn der Gesuchsteller das Meisterdiplom erworben hat oder nach dem Berufsbildungsgesetz das Eecht zur Führung des Meistertitels
besitzt ; dasselbe gilt für Verlegungen auf kurze Distanz, für geringfügige räumliche Vergrösserungen und vorübergehende Vermehrung des Personals, ohne Bücksicht auf die Qualifikation des Gesuchstellers. Dagegen blieben kantonale Entscheide, welche eine Prüfung der Bedürfnisfrage oder der besonderen Verhältnisse des Gesuchstellers notwendig machten, nach wie vor der Überprüfung durch den Bundesrat unterstellt.

Wir möchten nun einen Schritt weiter gehen und die Entscheidungsbefugnis vollständig in die Hand der Kantone legen. Anlässlich der Diskussion über die neuen Wirtschaftsartikel wurde immer wieder der Wunsch nach vermehrten Kompetenzen der Kantone auf dem Gebiete der Wirtschaft geäussert

486 und verlangt, dass den Kantonen zum mindesten der Vollzug eidgenössischer Erlasse übertragen werde.

4. Um den Bedenken einzelner Kantone gegen die Weiterführung der Schutzmassnahmen auf diesem Gebiete Bechnung zu tragen, schlagen wir ferner vor, eine Bestimmung aufzunehmen, wonach vom Bundesrat auf Antrag einer Kantonsregierung für das betreffende Kantonsgebiet eine allgemeine Bewilligung zur Eröffnung oder Erweiterung von Schuhreparaturwerkstätten erteilt werden kann. Eine analoge Bestimmung ist bereits im Bundesbeschluss vom 28. Oktober 1937 über Warenhäuser und Filialgeschäfte enthalten. Diese allgemeine Bewilligung durfte sich allerdings nur auf Schuhreparaturwerkstätten handwerklichen Charakters beziehen, während Schnellsohlereien davon ausgenommen wären.

5. Die Kantone und Interessenten empfehlen mehrheitlich eine Verlängerung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses um zwei Jahre. Über das Schicksal der in parlamentarischer Beratung befindlichen neuen Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung dürfte zwar binnen dieser Frist entschieden sein. Nach ihrer Annahme bleibt jedoch noch zu prüfen, ob und in welchem Bahmen die Schutzmassnahmen für das Schuhmachergewerbe in Gesetzesform übergeführt werden sollen, ferner die Ausarbeitung und Annahme eines Gesetzeserlasses und der Ablauf der Beferendumsfrist. Wir bezweifeln, ob dies innerhalb einer Frist von zwei Jahren möglich sein wird. Da eine nochmalige Verlängerung der Notmassnabme in der gegenwärtigen Form unter allen Umständen vermieden werden sollte, halten wir es deshalb für zweckmässiger, die Geltungsdauer auf drei Jahre zu bemessen.

*

*

*

Alle diese Überlegungen führen uns dazu, Ihnen zu beantragen, den Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1936 über Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes mit den vorgeschlagenen Abänderungen um drei Jahre zu verlängern.

Wir ersuchen Sie daher, dem beiliegenden Bundesbeschluss zuzustimmen, und versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4. Oktober 1938.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Baumann.

Der Bundeskanzler:

G. Boret.

487 (Entwurf.)

ßundesbeschluss über

die Verlängerung des Bundesbeschlusses über Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Oktober 1938, beschliesst :

Art. 1.

Die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 23. Dezember 1936 über Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes wird bis zum 81. Dezember 1941 unter folgenden Vorbehalten verlängert: 1. Art. 6 erhält folgende Fassung: Art. 6. l Zur Erteilung von Bewilligungen sind die Kantone zuständig; sie entscheiden endgültig.

ä Auf Antrag einer Kantonsregierung kann der Bundesrat für das betreffende Kantonsgebiet eine allgemeine Bewilligung für die Eröffnung und Erweiterung handwerklicher Schuhreparaturwerkstätten, in denen mit Einschluss des Inhabers höchstens zwei Personen unter Verwendung der allgemein gebräuchlichen Hilfsmaschinen arbeiten, erteilen.

2. Die Geltungsdauer des Art. 10 wird nicht verlängert.

Art. 2.

Dieser Beschluss wird dringlich erklärt; er tritt am 1. Januar 1939 in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verlängerung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 23. Dezember 1936 über Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes. (Vom 4. Oktober 1938.)

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05.10.1938

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477-487

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