Zweckmässigkeit der Bevölkerungsszenarien des Bundesamtes für Statistik Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 19. Oktober 2018 Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Dezember 2018

Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der GPK-S vom 19. Oktober 20181 betreffend die Zweckmässigkeit der Bevölkerungsszenarien des Bundesamtes für Statistik nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Dezember 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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BBl 2019 1951

2018-3486

2015

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) haben an ihrer Sitzung vom 28. Januar 2016 beschlossen, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit der Überprüfung der Zweckmässigkeit der Bevölkerungsszenarien des Bundesamtes für Statistik (BFS) zu beauftragen. Das Mandat wurde der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) zugewiesen. Die für das Eidgenössische Departement des Innern und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation zuständige Subkommission der GPK-S (Subkommission EDI/UVEK) entschied an ihrer Sitzung vom 18. November 2016, den Fokus bei der Überprüfung auf die Genauigkeit, den Erarbeitungsprozess und die Angemessenheit der Szenarien des BFS zu legen.

Die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S befasste sich an ihrer Sitzung im Februar 2018 mit dem zuhanden der GPK-S erstellten Evaluationsbericht der PVK vom 8. Februar 2018 und erarbeitete gestützt darauf einen Berichtsentwurf. Die GPK-S beriet und genehmigte diesen Entwurf sowie die darin formulierten Empfehlungen an ihrer Sitzung vom 19. Oktober 2018 und liess ihren Bericht zusammen mit dem PVK-Evaluationsbericht dem Bundesrat zukommen, mit der Bitte, zu den Feststellungen und Empfehlungen der GPK-S bis zum 17. Januar 2019 Stellung zu nehmen.

Der Bundesrat nimmt wie folgt Stellung zum Bericht der GPK-S.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Einleitung

Der Bundesrat nimmt den positiven Gesamteindruck der GPK-S in Bezug auf die Szenarien des BFS zur Bevölkerungsentwicklung zur Kenntnis. Zufrieden stellt er fest, dass die Kommission keine gravierenden Fehler identifiziert hat. Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-S, dass die Szenarien der Bevölkerungsentwicklung für verschiedene Bereiche der Schweizer Politik ein grundlegendes Planungsinstrument darstellen. Er nimmt zufrieden zur Kenntnis, dass die verwendeten Berechnungsmethoden sowie das bestehende Modell von den betroffenen Akteuren als angemessen betrachtet werden und dass das BFS die in diesem Tätigkeitsbereich erforderliche Neutralität und Unabhängigkeit gewährleistet.

Der Bundesrat stimmt den Feststellungen der Kommission im Zusammenhang mit den Abweichungen zwischen den Szenarien und den nachträglich beobachteten Entwicklungen zu. Diese Abweichungen sind, wie im Bericht beschrieben, in erster Linie auf die Hypothesen zur Migration zurückzuführen. Wie die Kommission festgestellt hat, ist die Entwicklung der Migration äusserst schwierig einzuschätzen, da sie von zahlreichen wirtschaftlichen und politischen Faktoren abhängt, die zu kurzfristigen Schwankungen bei der Migration führen können. Seit der Jahrtausendwende wurde in den «mittleren» Szenarien die Bevölkerungsentwicklung unter2016

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schätzt, obwohl das BFS seine Hypothesen zur Migration regelmässig nach oben angepasst hatte. Die entsprechenden Abweichungen wurden vom BFS berechnet und jeweils mit der Veröffentlichung einer neuen Reihe von Szenarien präsentiert. Es gilt jedoch zu erwähnen, dass die «hohen» Szenarien des BFS beinahe der realen Bevölkerungsentwicklung entsprachen.

2.2 Empfehlung 1

Empfehlungen der GPK-S Verbesserung der Qualität der Hypothesen zur Migration

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass die Hypothesen zur Migrationsentwicklung, die als Grundlage für die Erarbeitung der nationalen und kantonalen Szenarien dienen, kontinuierlich optimiert werden und dass der Erfahrungsaustausch mit anderen Ländern zu diesem Thema gepflegt wird.

Der Bundesrat teilt die Feststellung der Kommission, dass die Migration ein äusserst schwierig einzuschätzender Faktor ist. Er akzeptiert daher die Empfehlung.

Für die Erarbeitung der Hypothesen zur Migration der 2015 publizierten Szenarien zur künftigen Bevölkerungsentwicklung konsultierte das BFS eine Reihe von Expertinnen und Experten in der Schweiz mittels schriftlichem Fragebogen. Dabei handelte es sich um Vertreterinnen und Vertreter von Bundesämtern und regionalen statistischen Ämtern sowie Fachpersonen aus akademischen Kreisen. Darüber hinaus wurden einige dieser Expertinnen und Experten zu einer Sitzung eingeladen, um die Hypothesen zur Migration zu diskutieren. Für die Erarbeitung der nächsten Szenarien, die 2020 veröffentlicht werden, wird das BFS dieses Verfahren wiederholen. Zudem wird es sich auf die Arbeiten des Nationalen Forschungsschwerpunkts «nccr ­ on the move» stützen, die sich mit Themen rund um Migration und Mobilität befassen, und seine Beziehungen zu anderen Ländern festigen, etwa durch die Mitwirkung in der Arbeitsgruppe des Statistischen Amtes der Europäischen Union (EUROSTAT), das sämtliche Länder der EU und der EFTA vereint. Das Verfahren zur Erarbeitung der Hypothesen wird vom BFS im Rahmen der Publikation der Szenarien 2020­2050 präsentiert, die für November 2020 geplant ist.

Empfehlung 2

Entwicklung von digitalen Tools zu den veröffentlichten Szenarien

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, zu prüfen, ob die Entwicklung von interaktiven digitalen Tools als Ergänzung zu den veröffentlichten Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung zweckmässig ist.

Der Bundesrat nimmt die Beurteilung der GPK-S in Bezug auf die Publikation der Szenarien zur Kenntnis. Im Rahmen der Erarbeitung der nächsten Szenarien wird das BFS zusätzlich zu den bereits auf seinem Internetportal verfügbaren Instrumenten neue interaktive digitale Tools entwickeln, die den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer entgegenkommen. Sie werden zusammen mit der Publikation der nächs2017

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ten Szenarien 2020­2050, die für November 2020 geplant ist, zur Verfügung gestellt. Folglich wird die Empfehlung 2 der Kommission umgesetzt.

Empfehlung 3

Präzisierung der Modalitäten zur Nutzung der Szenarien durch die Bundesämter

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, die Modalitäten zur Nutzung der Szenarien des BFS durch die Bundesämter zu präzisieren, um sicherzustellen, dass Letztere sich künftig damit auseinandersetzen, welche Szenarien oder Varianten zur Bevölkerungsentwicklung sie in ihre Arbeit einbeziehen wollen.

In diesem Zusammenhang wird der Bundesrat aufgefordert, zu prüfen, ob die Bundesämter dazu verpflichtet werden können, ihre Wahl der Szenarien oder Varianten zu begründen bzw. eine Mindestzahl an Szenarien oder Varianten parallel zu berücksichtigen.

Der Bundesrat erachtet es als wichtig, bei zukünftigen Vorausberechnungen mehrere Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung einzubeziehen, um der Unsicherheit, die die Erstellung von Prognosen mit sich bringt, Rechnung zu tragen. Das BFS hat an den Sitzungen der Begleitgruppe für die Erarbeitung der nationalen und kantonalen Szenarien, die sich unter anderem aus Vertreterinnen und Vertretern der Bundesämter zusammensetzt, mehrfach auf die Wichtigkeit des Einbezugs mehrerer Szenarien bei der sektoriellen Planung hingewiesen. Bei der Erarbeitung der nächsten Szenarien wird das BFS diese Notwendigkeit noch stärker betonen. Im Rahmen der Veröffentlichung der nächsten Szenarien 2020­2050, die für November 2020 geplant ist, wird das BFS in seinen Publikationen wie auch auf seinem Internetportal ausdrücklich darauf hinweisen, wie wichtig es ist, mehrere Szenarien zu berücksichtigen oder die jeweilige Wahl gut zu begründen.

Der Bundesrat will die Bundesämter jedoch nicht zwingen, mehrere Szenarien oder Varianten zu verwenden, um ihre Arbeit nicht zu erschweren.

Empfehlung 4

Besserer Einbezug der Kantone bei der Erarbeitung der kantonalen Szenarien

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, sicherzustellen, dass die Kantone stärker und frühzeitig in die Erarbeitung der kantonalen Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung einbezogen werden, und zu prüfen, wie diese Zusammenarbeit verbessert werden könnte. Der Bundesrat wird zudem ersucht, zu prüfen, ob die Einbindung zusätzlicher Akteure (Bundesämter, Sachverständige, Dritte) in die Erarbeitung der kantonalen Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung zweckmässig ist.

Der Bundesrat teilt die Ansicht, dass die Kantone von Anfang an in den Erarbeitungsprozess der Szenarien einbezogen werden sollten. Bei der Erarbeitung der früheren Szenarien hatten die Kantone bei der Erstellung der kantonalen Szenarien mitgewirkt. Der Einbezug der Kantone gleich zu Beginn des Erarbeitungsprozesses war bereits nach der Publikation der Szenarien von 2015 geplant. Für die nächste Reihe von Szenarien, die im November 2020 publiziert wird, wird das BFS die 2018

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Vertreterinnen und Vertreter der regionalen statistischen Ämter dazu einladen, sich von Beginn weg an der Erarbeitung der nationalen Szenarien und (wie früher) der kantonalen Szenarien zu beteiligen. Erste Diskussionen zu diesem Thema wurden bereits im Frühjahr 2018 zwischen dem BFS und dem Gremium zur Förderung der statistischen Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden (REGIOSTAT) geführt. Das BFS wird zudem ein Mitglied der Schweizerischen Kantonsplanerkonferenz (KPK) dazu einladen, an der Begleitgruppe zur Erarbeitung der nationalen und kantonalen Szenarien teilzunehmen, um die Bedürfnisse der Kantone im Bereich Raumplanung einfliessen zu lassen. Gemäss Artikel 5a Absatz 2 der Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 20002 (RPV) müssen sich die Kantone bei der Erarbeitung ihres Richtplans auf die kantonalen Szenarien des BFS berufen.

Empfehlung 5

Bereitstellung regionalisierter statistischer Daten zur Bevölkerungsentwicklung

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, zu prüfen, inwieweit die regionalisierten Daten des ARE zur Bevölkerungsentwicklung (sowie allfällige andere regionale Daten, die von den Bundesämtern produziert werden) für die Kantone nützlich sein könnten.

Der Bundesrat befürwortet den Grundsatz, regionalisierte Daten der Bundesämter unter Vorbehalt sonstiger bindender Vorschriften den Kantonen zur Verfügung zu stellen. Die regionalisierten Daten zur Bevölkerungsentwicklung des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) wurden für die Verkehrsmodellierung erarbeitet. Sie sind auf der Website des ARE auf Ebene der MS-Regionen («mobilité spatiale», räumliche Mobilität) dokumentiert. Detailliertere Daten sind auf Anfrage beim ARE erhältlich.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Bundesrat vier der fünf Empfehlungen der GPK-S akzeptiert. Was die Empfehlung 3 betrifft, ist er zwar bereit, die betroffenen Nutzerinnen und Nutzer zu sensibilisieren, möchte ihnen aber keine Einschränkungen auferlegen.

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SR 700.1

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