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Bericht und Antrag der

Minderheit der Kommission der vereinigten Bundesversammlung über die Motion Ziegler, betreffend Begnadigung der laut Art. 1 des Bundesgesetzes d. d. 30. Juli 1859 .Bestraften.

(Vom 27. Juli. 186l.)

Tit.!

Die Minderheit der .kommission geht mit der Mehrheit einig, dass die drei Gesuchstelle..., als .Iean Pierre Peri. i n (Waadt), Joseph .Leo S p u h l e r (Aargau) und Samuel Wyssmann (Bern), begnadigt werden sollen. Ebenso ist sie mit der Mehrheit einverstanden , dass Burkhardt K a u f m a n n , Kantons Aargau, nicht zu begnadigen sei, weil er sieh der Uebertretuug des Werbverbots schuldig gemacht und zudem schon früher wegen . gleichem Vergehen bestraft worden ist. Endlich geht sie auch mit der Mehrheit einig, dass Soldat Bauchaud von Genf

nicht zu begnadigen sei.

Die Minderheit differii von der Kommissionsmehrheit grundsätzlich einzig in der Frage, ob die Begnadigung nur auf diejenigen, welche mit einem daherigen Gesuche eingelangt sind, oder aber auf alle Verurtheilten, deren Strafe noch nicht ihr Ende erreicht hat, auch wenn solche kein spezielles Bittgesuch eingereicht haben, ausgedehnt werden solle. Wahrend die Mehrheit diese Frage verneint, bejahen wir selbe, und wollen nun diese unsere abweichende Ansicht in Kürze begründen.

Wir vermogen hier vorab der Besnrehtung nieht Raum zu geben, dass der Entscheid des Nationalrathes von. 23. d. M. und der gestrige des Ständerathes mit Beziehung von 57 Bürgern des Kantons St. Gallen

ein ungünstiges Bräjndiz sür unfern Antrag bilde. Während es sich dort

um Amnestie oder Niederschlagung des U..tersnchungsverfahre..s aller derjenigen handelte, welche unter Art. 1 des Bundesgesetzes vom 30. Juli 1859 fallen, und diese Zahl nach der amtliehen Ausmittlung des Bundes-

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rathes mindestens 1071 Gemeine und 4 Ostiere beträgt, handelt es sich hier höchstens um 194 Jndividuen, von welchen hinwieder viele die Strafe bereits erstanden haben und die daher keiner Begnadigung mehr bedürfen. Wir glauben diessfalls mit Sicherheit annehmen zu konnen, dass die Zahl solcher, wel.^e eine über sie verhängte Freiheitsstrafe noch

nicht abgebüsst haben, eine^ sehr geringe ist; dagegen wird es allerdings

noch viele haben, denen die Mackel der Ehrlosigkeit jetzt noch anklebt.

Man dürste diesssalls kaum unsicher gehen, wenn man unter letztere Kategole wenigstens diejenigen 95 Versonen rechnet,^ welche erstem lau^ den Jahre .verurtheilt worden sind. Doch nicht bl.oss we^en der grossen Verschiedenheit in der Zahl derjenigen, um deren ^lmuestie es sieh letzthin ^ im Rationalrathe handelte, und jener heute, mit deren B e g n a d i g u n g wir uns in .^olge der Motion des Hrn. Oberst Ziegler zu befassen haben, konnen wir eine vollständige Analogie zwischen dem Entscheide der getrennten Räthe über die Amnestiesrage und der von der Commissionsminderheit beantragten Begnadigung aller bis dahin wegen Uebertretnng von Art. l des Bundesweites vom 3.). Juli 185.) nicht zugeben. Die.

Amnestie bezweckte, wie oben bemerkt, die Niederschlagung, beziehungsweise Richtanhebm.g des Strasversahrens, sie hätte somit zur ^.olge gehabt, dass wegen verbotenem Eintritt in sremden Kriegsdienst Niemand irgendwie belästiget worden wäre, die Begnadigung bezweckt hingegen nur, dass die ausgefällte Strafe abgekürzt wird. Das Unangenehme, welches mit einer Strafuntersuchnug, selbst aneh dann, wenn eine Freisprechung erfolgt, immer verbunden ist, haben die Betreffenden beides abgehalten und somit für ihre Gesetzesübertretung in dem Akt der Voruntersuchung selbst eine Strase erduldet. ^udem haben die Meisten im gegenwärtigen Mo.^ mente die Strafe wenigstens theilweise erstanden, indem unseres Wissens nur wenige Kantone. eine gleiche Bestimmung in. ^ihrer Strasgesetzgebnng haben, wie der Kanton Bern , wo bei Einreichung eines Begnadigung^gesuehes die ausgefällte Strafe sistirt wird. Dieses Moment, dass jene, deren. Begnadigung .vir beantragen, entweder die Strafe theilweise bereits erstanden oder doch wenigstens eine für sie unangenehme Untersuchung dur.h^ema.ht haben, sollte nach unserer Ansieht aueh diejenigen für nnsern Antrag bestimmen, welche letzthin eine Amnestie nicht aussprechen zu dürfen glaubten.

Jndem ....ir. uns für eine allgemeine B e g n a d i g u n g ^r bis jetzt Verurteilten aussprechen, beabsichtigen wir keineswegs, das Gefe^ gegen die Werbnngen weder aus...rnckli^, noch implieite abzuändern. Wenn Hr. Oberst .^iegler bei Begründung seiner Motion in der Bundesversammluug auch d.e Ansieht ausspraeh, und wenn mit ihm in diefer Anficht Manche in und ausser unserm R.^the einig gehen mogen, dass da^ Gesetz

von. 30. Jnli 185.) baldmoglichst revidirt werden sollte, ^o^ ist hieu^t nicht g^agt, dass der ^.r....dsatz des Gesetzes ab^uän.^ern, dass das Verbot der Werb^.uge.. wieder ^urü..^u..ehme.. wäre. ^s scheint hn Gegentheile

72^ in der Absicht des Herrn Ziegler gelegen zu haben, nur die Ungleichh e i t e n , welche aus diesem Geseze in seiner dermalen Fassung hex vorgehen , aufzuheben und eine gleichmäßige Anwendung des geglichen Grundsatzes aus alle fremden Militärdienste herbeizuführen. Sei dem aber wie ihm wolle, so enthält die Motion, deren Berathung uns dermalen obliegt, keinen formellen Antrag auf Abänderung des Gesetzes, und durch die Ausübung des Begnadigungsrechtes, das Einzige, was gegenwärtig in Frage steht, kann anch implizite. der Bestand des Gesezes nicht g...^ fährdet werden, so wenig als der Bestand irgend eine^ Strafgesetzes durch Begnadigung der nach Massgabe desselben verürtheilten Bersonen gefährdet wixd. Eine solche Gefährde konnte nur dann eintreten, wenn die Begnadigung Verurtheilten zur Regel würde.

Jm gegenwärtigen Falle liegen aber ganz ausserordentliche Verhältnisse vor, welche nicht wiederkehren können. Es war der Moment der Auflösung der Regimenter, welche seit vielen Jahren eine vertragsund gesetzmässig berechtigte Stellung gehabt haben. Die aus ihren Resten hervorgegangenen neuen Korps schienen nichts anderes, als eine Fortsetzung derselben. Die bisher gestattete Freiheit hörte gesetzlich, nicht aber in der Vorstellung des Volkes plotzlich auf. Es kann darin allerdings kein .Motiv für den Richter, der das Gesetz angenommen hat, liegen, um Kontravenienten loszusprechen, wohl aber sür den Gesetzgeber, üm Vexurtheilte zu begnadigen. Dadurch erklärt der letztere nicht, dass das Gesetz keine bindende Kraft habe oder haben solle, sondern nur, dass Umstände vorhanden seien, welche für den gegebenen Fall die Anwendung der Milde rechtfertigen. Diese Umstände sind eben der Zustand des Uebergangs aus einem Rechtszustande in den andern, und die darin liegende entschuldbare Rechtsunwissenheit hegt die grosse Zahl der ..^erurtheilungen, welche die Exekution schwierig macht, endlich auch das ohnehin traurige Schicksal der meisten unter den ^ernrtheilten, welche nach einem unglücklichen Feldzuge nicht nur ihre Ex^isten^.uelle verloren, sondern auch ihres Eigenthums beraubt wurden. Es liegt ausser ^weifel, dass die grosse Mehrzahl dieser Leute , auch wenn sie die über sie ausgefällte Strafe nicht ganz auszuhalten haben, sich in einem bedauerns.verthen Zustande befindet,^ der um so mehr unsere Theilnahme
verdient, als, wie bereits letzthin von Herrn Oberst Ziegler hervorgehoben wurde, sie es waren, welche den alten Ruf schweizerischer Tapferkeit wieder neu bekräftigten. Es ist unbestrittene Thatsaehe, dass die Schweizer nicht nur bei der langen und muthigen Verteidigung Gaeta^s, sondern auch bei der Jnvasion Biemonts in den Kirchenstaat unter deu päpstlichen Truppen sieh auszeichneten. Mag auch der befangene Bericht des päpstlichen Oberbesehlshabers letztere Thatsache nicht zugestehen, so ist es glei^wohl notorisch und in jüngste... Zeit auch von solchen, die dem Schweizer-.^oldnerdienft keineswegs geneigt sind, anerkannt, dass bei Eastelfidardo fast nur Schweizer waren, welehe den piemontefischen Truppen Stand hielten. Dnrch diese militärische Bravour habe.. sie deu alten R.chm schweizerischer Tapferkeit erneuert und dadurch

Bun^blatt. ...^hrg. ^.^. Bd. n.

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724 ^tch ^d^ekte ihrem Vaterlande Vorteil ^bracht, auf den Fall, daß d.^sse^ ^helt ^nd ^elbstständie.keit pon Aussen her je ernstlich bedroht

^e.^den sollte.

E^in anderà U.nstand seheint un.... noch ganz besonders dazu angethan.

uns zu bewegen. ..Ausnahmsweise Milde eintreten ^u lassen, und es ist dafür die Zweifache Ungleichheit zwischen unfern Mitbürgern, welche im fremden .^riegsd^nste in jüngster Zeit gestanden haben. Während jene, welehe nach Auflosung der kapitulirten Schweizerregimenter in Reapel entweder im Bataillon M e eh e l oder unter den neu formirten Regimentern in Rom Dienste nahmen, unter die Bestimmungen des Gesezes fallen, sind Andere.

die gleichfalls in Jtalien unter . den Sehaaren Garibaldi stunden, von der Strafe frei. Art. 1 des .^t eitirten Bnndesgesetzes von ^185..) gestattet em^ig ^en Eintritt unter die Rationaltruppen eines sremden Staates.

.....^ix vermogen nun nicht Anzusehen, dass das Bataillon Mechel und die Fremdenregimenter m Rom nicht mindestens mit gleichem Rechte als Rationaltruppen angesehen werden müssen, wie das Eorps Garibaldi.^, welches den Einfall in Sizilien und Reapel machte. Wissen wir doch, dass Biemont, und namentlich dessen unlängst verstorbener grosses Staatsmann selbst in der Kammer zu ......nrin wiederholt erklärte, dass dieser Einsall gegen den Willen und ohne irgend welche Unterstützung von ..^eite der pie^ontesischen Regierung erfolgt sei. Gleichwohl aber sollen nun jene, welche unter dem Bataillon Mechel oder in romischen fremdenregimentern stunden, bestrast werden, während die Theilnehmer an der

Expedition Garibaldis ungestraft bleiben l ^ Eine zweite Ungleichheit

finden wir in der Behandlung der Ossifere und gemeiuen Soldaten.

Erstere wurden bei ihr.^r Rückkehr ins Vaterland nicht einmal mit emer Straseinleitu^ bedroht, sondern sogar oft zu militärischen Anstellungen verwendet, ja eine Kantons-Regierung erklärt ausdrücklich in ihrem Bexiehte ^.^m 11. Juli abhin an den Buudesrath, ,,dass au Bestrafung der Offiziere Riemand denke. ^ Dagegen wurden diejenigen, welche unter dem Befehle dieser gleichen Offiziere dienten und selbst sehr oft auf deren dixekte oder indirekte Veranlassung hin in den verbotenen Militärdienst teaten, theils. schon bestrast, theils sollen sie noch bestraft werden. Die ungleiche Behandlung der unter den. gleichen Gesetze steheudeu Bürger des gleichen Landes ist allzu auffallend, mu nicht vielseitig zu verletzen und

bei Manchem, der personlieh unbetheiliget ist, das bittere Gefühl der Un-

Gleichheit por de.1.. Gesetze wach ^u rnfeu. Diese ^var nicht gesetzlieh, aber faktisch bestehende Unterscheidung ^vischen den ^fsi^iereu und Soldaten, die Rachsicht bei den Einen und die Bestrafung der ...ludern, die doch das nämliche Gesetz verletzt haben, sollte Sie unsers Dafürhaltens bestimmen, auch den in der Wirklichkeit reuiger Strafbaren Gnade zu gewähren, nachdem die Bestrafung der ...^.chuldigern unter obwaltenden Verhältnissen und Anschauungen in den einzelnen Kantonen eine Unmogliehkeit ist.

Roch wollen wir aus ein.^n andern, mehr moralischen Gesichtspunkt Jhre Aufmerksamkeit lenken, der nach unserer Ansicht gleichfalls für die

725 ^we.^mässigkeit unseres .Antrages spricht. Es ist notorisch, dass so oft einer wegen verbotenen ..^ienstnehmens in Untersuchung gezogen wurde, dieser sich vor der Bestrafung sichern konnte, wenn ex behauptete, das ost angerufene Bundes^ese.^ sei ihm im Momente ^des ......iensteintrittes unbe^ kannt gewesen, selbst dann, wenn er seine Behauptung durch keinen plausibeln Grund unterstützen konnte. Wie wir aus der Botschaft des Bundesrathes ^entnehmen, ertheilte dieser selbst unterm 11. Marz l. J. der Regierung des Kantons .Zürich die Weisung, ,,dass die Klage gegen solche ..Jndividuen fallen gelassen werde, welche behaupten, dass ihnen von dem ,, Geseze niemals Kenntniss gegeben worden sei, zumal sehon verschiedene ^ ,, Gerichte aus Grund wirklicher oder auch nur behaupteter Riehtkenntniss ,,des angezeigten Bundesgese^es freisprechende Urtheile erlassen haben. ^ ..^ie Folge einer solchen Gesel^esauslegung von Seite der Kantonalgerichte und des Bundesrathes kann nun aber keine andere sein, als dass diejenigen, welche den Untersuchungsrichter weniger l.^al behandeln und mit oder ohne ^rund Gese^esunkenntniss vorschütten,^ von der Jnstanz entlassen, beziehungsweise freigesprochen werden, wahrend die, welche die Wahrheit dem Verhornter gegenüber bekennen und zugestehen , . dass sie zwar das Verbot gekannt, aber durch persönliche Verhältnisse, wie z. B.

Mangel an Aussicht auf ein anderweitiges ehrliches Unterkommen u. d. gl., zur Uebertretung des Gesezes gleichsam gezwungen worden seien, mit einer Freiheitsstrafe und zeitweiligem Verluste ihrer bürgerlichen Rechte belegt werden. Ob ein solches Versahren die offentliehe Moral fordern und daher auch ferner fortbestehen solle, wollen wir ruhig Jhrem weisen Ermessen ....heimgehen; .^ie Antwort kann nicht zweifelhast sein.

Wenn sodann von der Kommissionsmehrheit

gesagt wird, dass die

Minderheit Begnadigung auch da aussprechen wolle, wo kein diessfalliges Gesuch .^.gekommen sei, so ist diese Bemerkung allerdings richtig, sie findet aber in ^en e^eptio..ellen ..Verhältnissen der vorwürfigen Frage ihre polle Rechtfertigung. Nachdem schon seit Monaten bekannt geworden, dass der verehrte Hr. Oberst Regler int Rationalrathe ^eine Motion aus Amnestie der Uebertreter des ^lrt. 1 des Werbverbots stellen werde; nachdem dieses Vorhaben in der Vresse ohne Rücksicht auf die sonst divergirenden politisehen Ansichten günstig benrtheilt worden, dursten die Bestraften wohl mit Grund sich der Hoffnung hingeben, es werde von den eidgenössischen Räthen diese .Amnestie ausgesprochen werden, wodurch selbstverstandlich auch ungleich die Begnadignngsfrage eine für sie günstige Erledigung gefunden hatte, und daher unterließen alle Verurtheilten bis aus vier die Einreibung eines speziellen Bittgesuches. Leider vermochte nun aber die Motion Regler im Nationalrath^ nicht durehzudringen, und so bleibt uns, da wir heute am Ende der ersten ^lbtheilung unserer Zession stehen, nichts anderes übrig, als entweder die Begnadigung heute auszuspreehen, oder dann aber, wenn auch nieht ansdrücklich, doch indirekte für i^nmer abzu.^ weisen, indem bis zu unserem nächsten Zusammentritt, na.h beinahe seehs

726 Monaten, die grosse Mehrzahl der Verurtheilten die Strafe erstanden haben wird, und daher dann^umal einer Begnadigung nicht mehr bedarf.

Jndem wir in dieser gedrängten Auseinandersetzung die Wünsehbarkeit und ^weckmässigkeit einer a l l g e m e i n e n Begnadigung hervorgehoben zu haben glauben, erübriget uns nur noch, mit wenigen Worten die Bereehtigung der .Bundesversammlung zu einer solchen gewissermaßen ausserordeutlichen Massregel nachzuweisen. Art. 74 des Bundesgese^es über das Bundesstrasrecht reservirt sur alle diesem ....^se^e zuwiderlaufenden Vergehen und Verbrechen das Recht der Begnadigung. Art. 80 der Bundesver^ fassuug zählt unter die Attribute der vereinigten Räthe auch dasjenige der Begnadigung auch für Ueberlretung von Bundesgesetzen. Nirgends ist irgend welche. Restriktion diesen Bestimmungen beigefügt, noch ist gesagt, dass dieses Recht nur aus das speziell. Ansuchen des Betretenden ausgeübt werden konne. Auch nach allgemeinen Rechtsanschau.mgen ist das Reeht der Begnadigung für den ..^ese^geber ein illimitirtes. Stehen ausnahmsweise Verhältnisse ^u, wo der Gesetzgeber findet, das Begnadigung^ recht aus besondern Rücksichten möglichst ausdehnen zu sollen, so ist er hiezu besngt, und diese Ansnahmsverhaltnisse glauben wir in dem Gesagten nachgewiesen zu haben. Bedürste es zur Begründung des Sa^es, dass der Gesetzgeber auch ohne ein an ihn gelangtes Gesuch Begnadigung aussprechen konne, der Beispiele. so konnten wir aus einen Nachbarstaat hinweisen, wo das Staatsoberhaupt vor wenigen Jahren die Begnadigung eines Verurtheilteu ausspra^ und auch vollziehen liess. obsehon der Betreffende formlich dagegen sieh verwahrte, dass er die über ihn verhängte Gefängnissstrase ni..ht aushakten konnte ; wir sprechen hier von der Verurtheilung Montalemberts in Frankreich. Doch wir brauchen uns nicht nach Vorgängen im Auslande umzuseheu, hatte doch schon die Bundes.^rsammlung während ihres kaum ^vorjährigen Bestandes Begnadigung oder, was in Bezug auf die Kompetenz ^u einer solchen aufs Gleiche herauskommt, Amnestie ausgesprochen, da, wo ei.^e solche nicht naehge^ sueht wurde. Wir erinnern an die ^rledignng der Reuenbnrgerangelegenheit, au den s. g. Bariseroertrag, den die Bundesversammlung, so weit wir uns entsinnen, einstimmig genehmigt hat, der in Art. 5 also lautet : ,,^ür alle politischen
und militärischen Vergehen und Verbrechen, welche zu ,,.^en legten Ereignissen in Beziehung stehen, wird volle und gänzliche ,, Amnestie ertheilt, und zwar zu Gunsten aller Reueuburger, Schweizer ,,oder Fremden, und namentlich auch ^u Gunsten der Milizen, welche sieh ,,durch Entfernung ins Ausland der Wassenpslu.ht enthoben habend Wir wiederholen hier, dass eine solche Amnestie von den Betheiligten nieht ..angesucht worden ist, sondern die Bundesversammlung von si^.h aus, ohne Veranlassung von Seite der Amneftirteu so gehandelt hat. Durfte die Bundesversammlung damals die Jnitiative ergreiseu, eben weil hohere Rückst.hten es erheischten, so kann sie auch heute die Begnadigung der Uebertreter von Art. 1 des oft eitirten Gesezes ausspähen , auch wenn

727 dieselbe nicht ausdrücklich nachgesucht worden ist, wenn ausnahmsweise Verhaltnisse einerseits und Uebelstände, welche mit der Richtgewähruug verbunden sind, anderseits eine solche rechtfertigen, was wir nun dargethan zu haben glauben. Wir stellen daher m erster .Linie. den Antrag , die Bundesversammlung wolle beschließen : Es sei die Begnadigung aller derjenigen anzusprechen, welche bis zum heutigen Tage wegen Uebertretung

des ^rt. 1 des Bundesgesetzes vom 30. Juli 1859, betreffend die .Wer-

bung und den Eintritt in den fremden Kriegsdienst, von den kantonalen Berichten verurtheilt worden sind.

Auf den ^all, .dass obiger Eintrag nicht angenommen werden sollte, stellt die .^ommissionsminderheit in z w e i t e r Linie folgenden Antrag, der als ein selbstständiger ausgefasst, oder auch als Zufatz znm Antrage der .^ommissionsmehrheit betrautet werden kann.

,,Jnsosern Jndividuen, gegen welche Strasurtheile nach Art. t des

Gesetzes vom 30. Juli l 859 ausgefällt, aber noch nicht, oder nur theilweise vollzogen sind, sieh an di.. Gnade der Bundesversammlung wenden zu wollen erklaren, sind die Cantone eingeladen, die Vollziehung bis zum Entscheide der Bundesversammlung einzustellen.

,,Das Gleiche soll stattfinden in .Ansehung solcher, auf .Anwendung

des Art. 1 beruhender Urtheile, die erst künftig ausgefällt werden.^ Was den ersten Theil diesem .Antrages betrifft, so findet derselbe

schon in unserem Raisonnement seine Begründung. Eben desshalb, weil bei der allgemeinen Zustimmung, welche die schon seit Monaten angekündete Motion Regler sowohl .bei den Behorden ^vergleiche diessfalls das bei den .^lkt.^u liegende Schreiben des Juftizdepartemeuts von ^t. Gallen, betreffend die ..^ Bürger des dortigen Kantons und die Antworten verschiedener .^antonsregierungen an den Bundesrath vom 1l ..--18. Juli letzthin) als bei der Bevölkerung und der Vrefse aller Kantone gefunden, durften die Verurteilten n..ohl mit voller Berechtigung annehmen, es werde die Motion Ziegler beschlossen, daher den n auch ein weiterer Schritt von ihrer ^eite überflussig sei. ..^eit nun der Entscheid der. eidgenössischen Räth.... gegen diese Erwartung ausgefallen ist, sind die Bestrasten ausser Stande, das ihnen versassungsgemäss zugesicherte Recht ^- die Begna.^ gung der Bundesversammlung anrusen zu dürsen - auszuüben , wosern das über sie verhängte Urtheil von jetzt an keine Sistirung findet, wenn sie auch erklären^ da.^ si.. nun eine selbststäudige Petition für Begnadigung der Bundesversammlung einreichen wollen. Es scheint uns daher nach dem .Gange, den die Angelegenheit von .Anfang bis zum Ende, hohere allgemeine Billigung der kantonalen Behörden und der Bevölkerung, und endliche Verwerfung der Motion durch die Bundesbehörden, genommen, unerläßlich den ersten Theil unsers zweiten Antrages anzunehmen.

.Anbelangend den zweiten Theil desselben, dass die Vollziehung der künstig auszusägenden Urtheile sistirt werden, wofern die Betheiligten die

728 Gnade der Bundesversammlung anrufen zu .vollen si.h erkläre.., so findet derselbe in der Ratur de.. Sache und in .msern konstitutionellen Verhältnissen seine unumstossliche Begründung. Rach dem Berichte des Bundes-

rathes sind noch 851 Jndividuen, welche alle seit Erlass des Bund^sge^

gesezes in Dienst traten, nicht vernrth.ult und bestraft. .^.iezu kommt noch die vielleicht kaum geringere Zahl derjenigen, welche von den eidgenossischen Kommissarien an der Grenz.... nicht kontrolirt werden konnte, wofern diese, was dem eifrigen bemühen der kantonalen ^olizeibehorden wohl gelten wird, noch nachträglich ausgesun^en werden kann. Bleiben wir aber nur bei den 851 Versonen stehen, welche nun in nächster ^eit, und jedenfalls vor dem Wieder^usammentritt der Bundesversammlung bestrast werden müssen, so ist diese ^ahl dock.. immer so ^ross , dass unser Antrag sich rechtfertiget, um einer so grossen Anzahl von Mitbürgern ein versassn..g...gemäss ihnen zugesichertes Recht nicht bloss illusorisch, sondern in oer Wirklichkeit zn wahren. Wir haben oben gesagt, dass unseres Wissens im Kanton Bern die gestehe Vorsehrist bestehe, dass, sobald einer ^die Gnade des Grossen Rathes, im eonereten Falle ^er Bundesversammlung, anrnst, die

Vollziehung des Urtheils eingestellt wird. Mag eine ahnliche Bestimmung auch noch in einzelnen andern Kantonen bestehen, so kennt dagegen die Gesetzgebung vieler andern Stände eine solche nicht. Jn vielen , ja ich darf wohl sagen, in den meisten Kantonen wird das Urtheil sofort in

Vollziehuug gefegt, ohne Rücksicht darauf, ob eine Begnadigung nachge-

sueht werden wolle o^er nicht; ja in mehrern Kantonen besteht sogar die Bestimmung, dass ein gewisser ..^heil der Strafe ausgestanden sein mnss, bevor l..ie Gnade nachgesucht werden darf. D... nun na.h ihrem Beschlösse die . Bundesversammlung erst im Januar 18^2 wieder zusammentritt, ihr aber ...u.ss..hliesslich die Begnadigung jener, welche wegen Verlang eines Bundesgese^es bestrast werden, Ansteht, fo wird Vielen der in näck^ ster ^eit wegen Dienstnehmens zu Vernrtheilenden die Ausübung eine.^ versassungsgemässen Rechtes gerade unmoglich, wenn ^ie dem ^aehsal^e unsers zweiten Antrages Jl^re Zustimmung verweigern. Rach unserer Bundesgese^gebnng kann .^ie Anrufung der Gna^e sofort naeh ausge^ sproehenem Urtheile erfolgen ; die oben eitirten gesel.^lichen Bestiu.m^ngen der einzelnen Kantone, wonach ein gewisser ^heil der Strafe ausgehalten sein muss, treffen hier nicht zu. Die Bundesversammlung übt anch nach

Art. 80 der Bundesverfassung dieses Re.ht ausschliesslieh an^, und es ^arf

dasselbe an keine andere Behorde delegirt werden. Wenn nun unter diesen nicht abzuändernden Verhältnissen z. B. jene 57 Bürger des Kantons St. Gallen, deren Amnestiegesueh gestern im ..^täuderathe abgewiesen wurde, deren Strafversetzung schon eingeleitet war und nur w.^en ^in^ reiehung dieses Ges^hes ststirt wurde, in ..^n nächsten Wochen mit l ^5 Monaten ^esängnissstrase belegt werden, und es findet sofortige Voll-

ziehung des Urtheils statt, selbst ^ann, wenn ste .erklären, die Guade der

nach .. Monaten wieder zusammentretenden Bundesversammlung aurusen zu wollen, so ist sur sie die .Ausübung eines versassungsgemäss ihnen ga.^

^ rantirten Rechtes eine reine Jllusion, ein lockendes Vild, das man ihnen vorhält, aber sobald sie darnach Reifen wollen , wieder entzieht. Wir konnten das angeführte Beispiel noch mit andern vermehren, um dar.zuthun, dass die Annahme unsers Antrages eine Notwendigkeit ist, wofern nicht eine grosse Zahl Sehweizerbürger eines versassungsgemässen Rechtes verlustig gehen soll. Wir glauben aber auf das Gesagte uns beschränken und uns der Hoffnung hingeben zu dürfen , Sie , Tit. , werden , wenn auch nicht den ersten, doch jedenfalls unfern zweiten Antrag zum Beschlusse erheben.

Genehmigen Sie anbei die Versicherung Vollkommenster Hochachtung.

Bern, den 27. Juli 1861.

R. Germann, St...nderath.

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Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrathe.....

(Vom 23. September 1861.)

Der Bundesrath ernannte den Herrn eidgenossischen Obersten Kurz, in Bern , zum Jnfpekto.. der Offizier-Aspirantenschule zu .Luzern , in Ersezung des Herrn eidg. Obersten Bourgeois-Doyat, der wegen seiner Mission nach dem Danton Tefsin die Jnspektion nieht vornehmen kann.

.Herr F. Cosby, aus Rentuth, welcher unterm 12. August d. J.

vom Präsidenten der Rordamerikanischen Vereinsstaaten zum dortseitigen Konsul in der Schweiz, mit Residenz in G e n f , ernannt wurde, hat in dieser Eigenschaft .....om Bundesrathe das Exequatur erhalten.

Als Pulververkäuferin wurde patentât : Frau Marie Betite, in Erster, Kts. Genf. ^

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Bericht und Antrag der Minderheit der Kommission der vereinigten Bundesversammlung über die Motion Ziegler, betreffend Begnadigung der laut Art. 1 des Bundesgesetzes d. d.

30. Juli 1859 Bestraften. (Vom 27. Juli. 186l.)

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27.09.1861

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