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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Karl Weber in Delsberg.

(Vom 17. März 1899.)

Tit.

Montag den 27. September 1897, nachmittags, fand auf der Station Delsberg ein Zusammenstoß statt, zwischen einer Lokomotive, die einen mit 10 Bahnarbeitern besetzten Materialwagen vor sich her schob, und zwei stationierenden Wagen.

Durch den sehr heftigen Anprall wurden vier der Bahnarbeiter verletzt; zwei davon erlitten Bein- und Armbrüche.

Bei dieser Eisenbahngefährdung haben verschiedene Ursachen mitgewirkt; die Hauptschuld traf jedoch den Lokomotivführer Karl W e b e r , der in vorschriftswidriger Geschwindigkeit in den Bahnhof einfuhr und so den Znsammenstoß veranlaßte. Laut Urteil der Polizeikammer des Kantons Bern, d. d. 6. August, 1898, wurde Weber der fahrlässigen Gefährdung von Eisenbahnzügen schuldig erklärt und zu einer Gefängnisstrafe von 8 Tagen, einer Geldbuße von Fr. 20, sowie zur Tragung der Kosten verurteilt.

Mit Eingabe vom 21. Januar sucht der Anwalt des Verurteilten im Namen desselben um Begnadigung nach mit der Begründung, daß an dem fraglichen Eisenbahnzusammenstoß andere Leute als Weber die größte Schuld tragen und unter den Schuldigen der am wenigsten Schuldige der einzige war, welcher verurteilt wurde.

865 Das Gericht hat nun aber die Thatsache, daß auch andere gefehlt haben, bereits gewürdigt, wie ans der Motivierung des Urteils hervorgeht, wo gesagt ist: ,,Der Zusammenstoß vom 27. September ist also vier verschiedenen begangenen Fehlern zuzuschreiben, von denen nur einer dem Weber zur Last gelegt werden kann. Dieser Fehler ist aber auch der schwerste. Wäre die vom Angeklagten befolgte Geschwindigkeit eine normale gewesen, so hätte der Zug angehalten werden können, so daß die drei anderen Fehler zusammengenommen, so schwer sie auch an und für sich waren, nicht genügt hätten, um den Unfall herbeizuführen. Weber ist also schuldig ·/u erklären, doch bilden die anderen begangenen Fehler, für die er nicht verantwortlich ist, einen Milderungsgrund. tt Auch wurde der Umstand, daß Weber nicht als der einzig Schuldige betrachtet wird, bei Ausmessung der Strafe in ausreichendem Maße berücksichtigt,. namentlich wenn man erwägt, daß nach Inhalt der Akten die Fahrlässigkeit des Weber keine leichte war und ziemlich schwere Folgen eingetreten sind. Andere Gründe, die eine Begnadigung rechtfertigen könnten, werden nicht geltend gemacht und liegen auch nicht vor.

Wir stellen deshalb den Antrag: Es sei auf das Begnadigungsgesuch des Karl Weber nicht einzutreten.

B e r n , den 17. März 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: · Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Karl Weber in Delsberg. (Vom 17. März 1899.)

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1899

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22.03.1899

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864-865

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