09.056 Botschaft zur Änderung des Gentechnikgesetzes (Verlängerung des GVO-Moratoriums in der Landwirtschaft) vom 1. Juli 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen einen Entwurf zur Teilrevision des Gentechnikgesetzes mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Juli 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-1115

5435

Übersicht Im Zentrum der Änderung des Gentechnikgesetzes, die der Bundesrat mit dieser Botschaft beantragt, steht die Verlängerung des GVO-Moratoriums in der Landwirtschaft um weitere drei Jahre.

Im Gentechnikgesetz vom 21. März 2003 (GTG; SR 814.91) sollen zwei neue Bestimmungen eingeführt werden: Hauptsächlich soll mit einer neuen Übergangsbestimmung des GTG das gemäss Artikel 197 Ziffer 7 der Bundesverfassung (BV; SR 101) geltende Moratorium für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Landwirtschaft um drei Jahre, d.h. bis zum 27. November 2013, verlängert werden. Mit der Verlängerung will der Bundesrat sicherstellen, dass das laufende Nationale Forschungsprogramm 59 über «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59) ohne übermässigen politischen Druck weitergeführt und abgeschlossen werden kann und dass für den allfälligen gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Hinblick auf das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Pflanzen, Saatgut und Tieren in der Landwirtschaft die notwendigen wissenschaftlichen Entscheidgrundlagen vorliegen.

Für die erforderliche Umsetzung der neuesten Forschungsergebnisse und die Beantwortung noch offener Fragen im Gentechnikrecht soll ausreichend Zeit zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt will der Bundesrat auch dem Umstand Rechnung tragen, dass weder in der Landwirtschaft noch bei den Konsumentinnen und Konsumenten ein dringlicher Bedarf nach GVO im Lebensmittelbereich besteht.

Ausserdem soll das Einsprache- und Beschwerderecht im Rahmen der Bewilligungsverfahren für die Freisetzung von GVO und für das Inverkehrbringen von GVO zur bestimmungsgemässen Verwendung in der Umwelt neu auf Gesetzesstufe geregelt werden. Parallel dazu soll auch das Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983 (USG; SR 814.01) angepasst werden.

Im Übrigen sollen die Systematik und Terminologie des neuen Strafensystems gemäss der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Änderung des Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) in die Strafbestimmungen des GTG und des USG übertragen werden. Gleichzeitig sollen die Strafbestimmungen derjenigen Umweltgesetze, die dem neuen Strafensystem noch nicht entsprechen, angepasst werden.

5436

Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Gentechnik in der Schweiz

1.1.1

Gentechnik in geschlossenen Systemen

Die gentechnische Forschung hat in der Schweiz eine lange Tradition. Bereits in den 1970er-Jahren fanden an den Schweizer Hochschulen die ersten gentechnischen Veränderungen an Bakterien statt. Die Anzahl Projekte mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) hat seit dieser Zeit stetig zugenommen.

Seit den frühen 1980er-Jahren werden Projekte mit GVO in der Schweiz registriert.

Ursprünglich nahm im Auftrag der Schweizerischen Akademie für Naturwissenschaften die Interdisziplinäre Schweizerische Kommission für biologische Sicherheit in Forschung und Technik (SKBS) diese Aufgabe wahr. Seit dem Inkrafttreten der Einschliessungsverordnung vom 25. August 1999 (ESV; SR 814.912) müssen Meldungen und Bewilligungsgesuche für Tätigkeiten mit GVO in geschlossenen Systemen an die Kontaktstelle Biotechnologie des Bundes gerichtet werden.

Die Daten der SKBS und der Kontaktstelle Biotechnologie belegen, dass in der Schweiz seit etwa 1990 eine grosse Anzahl Projekte mit GVO in geschlossenen Systemen (Laboratorien, Produktionsanlagen, Gewächshäusern usw.) durchgeführt wird (vgl. auch Ziff. 3.2). In den letzten Jahren sind bei der Kontaktstelle Biotechnologie im Durchschnitt jährlich rund 160 Meldungen und Bewilligungsgesuche für neue Tätigkeiten mit GVO eingegangen. Diese werden von den Bundesämtern für Gesundheit und für Umwelt beurteilt und, sofern sämtliche rechtlichen Anforderungen erfüllt sind, bestätigt bzw. bewilligt. Insgesamt werden derzeit über 1000 Tätigkeiten mit GVO als Forschungsprojekte, Produktionsprozesse oder diagnostische Analysen durchgeführt, die meisten davon im Raum Basel, in den Kantonen Zürich und Bern sowie im Genferseegebiet.

1.1.2

Gentechnik in der Umwelt

Im Vergleich zu den zahlreichen Tätigkeiten mit GVO in geschlossenen Systemen gibt es in der Schweiz im Umweltbereich, d.h. ausserhalb geschlossener Systeme, nur wenige Aktivitäten. Gesuche für Freisetzungsversuche sind bisher nur sporadisch eingegangen.

­

Im Jahr 2003 ist ein Gesuch der ETH Zürich für einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen in Lindau (ZH) bewilligt und in den Jahren 2004/2005 durchgeführt worden.

­

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 59 über «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59) sind im Jahr 2007 ein Gesuch der ETH Zürich und zwei Gesuche der Universität Zürich für dreijährige Versuche mit gentechnisch verändertem Weizen sowie mit Hybridpflanzen von GVO-Weizen und einem Wildgras (Aegilops cylindrica) bewilligt worden. Am Standort Zürich-Reckenholz haben diese

5437

Freisetzungsversuche im Jahr 2008 begonnen, am Standort Pully (VD) wegen Verzögerung infolge einer Beschwerde erst im Jahr 2009.

Die Anzahl Produkte mit GVO, deren Inverkehrbringen bewilligt worden ist, nimmt sich derzeit ebenfalls relativ gering aus. Bewilligt sind vier GVO-Produkte als Lebens- und Futtermittel (Soja Linie 40-3-2, Mais Mon810, Mais Bt11 und Mais Bt176), ein Produkt im Arzneimittelbereich (Lebendimpfstoff gegen Cholera) und zwei Produkte im Veterinärbereich (Impfstoff gegen Pferde-Influenza sowie Impfstoff gegen Katzenleukose). Derzeit sind gentechnisch veränderte Lebensmittel in den Verkaufsregalen jedoch nicht anzutreffen; auch sind seit Ende 2007 keine gentechnisch veränderten Futtermittel mehr importiert worden.

Bewilligungsgesuche für das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Saatgut und anderem Vermehrungsmaterial oder für das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Tiere sind in der Schweiz bisher keine eingegangen. Gentechnisch veränderte Zierfische sind schon vereinzelt in Tierhandlungen entdeckt und mangels Bewilligung aus dem Handel genommen worden.

1.2

Heutige Rechtslage

1.2.1

Geltendes Gentechnikrecht

Gemäss Artikel 120 der Bundesverfassung (BV), der auf das Jahr 1992 zurückgeht, sind der Mensch und seine Umwelt vor Missbräuchen der Gentechnologie geschützt (Abs. 1). Der Bund hat den Auftrag, Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen zu erlassen; dabei muss er der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung tragen und die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten schützen (Abs. 2).

In Erfüllung dieses Auftrags haben die eidgenössischen Räte am 21. März 2003 das Gentechnikgesetz beschlossen. Dieses wurde vom Bundesrat auf den 1. Januar 2004 in Kraft gesetzt, zusammen mit verschiedenen Änderungen von Gesetzen und Verordnungen, die den Umgang mit Organismen in der Umwelt regeln. Für den Umgang mit GVO sieht das Gentechnikgesetz verschiedene Prinzipien vor: Nach dem Vorsorgeprinzip sind Gefährdungen und Beeinträchtigungen durch GVO frühzeitig zu begrenzen (Art. 2 Abs. 1 GTG). Das Stufenprinzip legt fest, dass das Inverkehrbringen eines bestimmten GVO für den bestimmungsgemässen Umgang in der Umwelt erst dann zulässig ist, wenn im geschlossenen System und anschliessend mittels Freisetzungsversuchen die erforderliche Vertrautheit mit dem betroffenen GVO gewonnen werden konnte und die biologische Sicherheit gewährleistet ist (Art. 6 GTG). Für gentechnisch veränderte Wirbeltiere gilt zudem eine Sonderregelung: Sie dürfen nur für Zwecke der Forschung, Therapie und Diagnostik an Menschen oder Tieren erzeugt und in Verkehr gebracht werden (Art. 9 GTG).

Gemäss dem Stufenprinzip müssen Tätigkeiten mit nicht bereits bewilligten GVO in geschlossenen Systemen stattfinden (Art. 10 Abs. 1 GTG). Je nach Beurteilung des mit der jeweiligen Tätigkeit verbundenen Risikos unterliegt diese einer Melde- oder Bewilligungspflicht (Art. 10 Abs. 2 GTG), wobei Einzelheiten und Verfahren in der Einschliessungsverordnung geregelt sind.

Können angestrebte Erkenntnisse nicht durch Versuche in geschlossenen Systemen gewonnen werden, so dürfen GVO im Versuch freigesetzt werden, sofern die 5438

Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt einschliesslich der biologischen Vielfalt gewährleistet ist (Art. 6 Abs. 2 GTG). Freisetzungsversuche bedürfen einer Bewilligung des Bundes (Art. 11 Abs. 1 GTG), wobei Einzelheiten und das Verfahren in der kürzlich totalrevidierten Freisetzungsverordnung vom 10. September 2008 (FrSV; SR 814.911) geregelt sind.

Schliesslich bedarf auch das Inverkehrbringen von GVO einer Bewilligung des Bundes (Art. 12 Abs. 1 GTG), deren Einzelheiten und Verfahren ebenfalls in der Freisetzungsverordnung geregelt sind. Eine Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn für einen bestimmten GVO belegt ist, dass er sich nicht in unerwünschter Weise auf die Umwelt auswirkt, insbesondere dass er schützenswerte Populationen nicht beeinträchtigt, nicht zum unbeabsichtigten Aussterben einer Art führt, nicht den Stoffhaushalt der Umwelt oder wichtige Funktionen des betroffenen Ökosystems schwerwiegend oder dauernd beeinträchtigt und sich oder seine Eigenschaften nicht in unerwünschter Weise verbreitet (Art. 6 Abs. 3 GTG). Darüber hinaus müssen beim Inverkehrbringen von GVO jederzeit der Schutz der Produktion von Erzeugnissen ohne GVO und die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten gewährleistet sein (Art. 7 und 15­17 GTG).

Bereits heute konkretisiert Artikel 9 FrSV den Schutz der Produktion von Erzeugnissen ohne GVO und regelt gewisse Voraussetzungen für den Anbau von GVO nach Ablauf des Moratoriums in groben Zügen: So müssen insbesondere die erforderlichen Abstände zwischen Feldern mit und ohne GVO eingehalten werden (Abs. 1 Bst. a), Vorkehrungen zur Verhinderung von Verlusten von GVO getroffen werden (Abs. 1 Bst. c), die Qualitätssicherung beim Inverkehrbringen von GVO gewährleistet sein (Abs. 3) sowie zahlreiche Dokumentationspflichten eingehalten werden (Abs. 1­5). Untersagt ist der direkte Umgang mit und insbesondere der Anbau von GVO in besonders empfindlichen oder schützenswerten Lebensräumen und Landschaften, d.h. in Natur- und Landschaftsschutzgebieten nach eidgenössischem oder kantonalem Recht, an Gewässern, in Wäldern sowie in Jagdbanngebieten (Art. 8 FrSV).

1.2.2

Geltendes Moratorium

Vor dem Hintergrund der geschilderten Rechtslage haben Volk und Stände am 28. November 2005 der Verfassungsbestimmung von Artikel 197 Ziffer 7 BV zugestimmt, welche die schweizerische Landwirtschaft während fünf Jahren für gentechnikfrei erklärt und für diese Dauer Teile des Gentechnikgesetzes ausser Kraft setzt.

Dieses Moratorium untersagt bis zum 27. November 2010 das Einführen und Inverkehrbringen von: ­

gentechnisch veränderten vermehrungsfähigen Pflanzen, Pflanzenteilen und Saatgut, welche für die landwirtschaftliche, gartenbauliche oder forstwirtschaftliche Anwendung in der Umwelt bestimmt sind, sowie

­

gentechnisch veränderten Tieren, welche für die Produktion von Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestimmt sind.

Vom Moratorium nicht betroffen ist die Forschung, d.h. sowohl Versuche mit GVO in geschlossenen Systemen als auch Freisetzungsversuche mit GVO sind unter den Voraussetzungen des Gentechnikrechts zulässig. Die Verfassungsbestimmung lässt offen, ob bei einer «gentechnikfreien» Landwirtschaft auch Futtermittel, Dünger, 5439

Pflanzenschutzmittel und Tierarzneimittel unter das Moratorium fallen. Der Bundesrat ist bisher immer davon ausgegangen, dass dies nicht der Fall ist (vgl. Botschaft vom 18. Aug. 2004 über die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft», BBl 2004 4937, 4941).

Mit dem Moratorium wollten die Initianten in erster Linie der schweizerischen Landwirtschaft eine Profilierung und Positionierung als Erzeugerin von Produkten ohne GVO ermöglichen, der mehrheitlich ablehnenden Haltung in der Bevölkerung gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln Rechnung tragen sowie die nötige Zeit schaffen, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu sammeln und optimale Bestimmungen zum Schutz der herkömmlichen Landwirtschaft zu erlassen (vgl. Botschaft, BBl 2004 4937, 4941).

1.3

Die beantragte Neuregelung (Verlängerung des Moratoriums)

Das geltende Moratorium nach Artikel 197 Ziffer 7 BV soll um drei Jahre verlängert werden und in seiner materiellen Tragweite unverändert in das Gentechnikgesetz übergeführt werden (vgl. Art. 37a GTG). Allerdings soll der Wortlaut der Bestimmung von Unklarheiten befreit und mit der Terminologie sowie der Systematik des Gentechnikgesetzes in Einklang gebracht werden; insbesondere soll das direkte Verbot des Inverkehrbringens durch ein an die Bewilligungsbehörden gerichtetes Verbot, Bewilligungen für das Inverkehrbringen von GVO zu land-, garten- und waldwirtschaftlichen Zwecken zu erteilen, ersetzt werden (siehe dazu unten Ziff. 2.5).

1.4

Begründung der Moratoriumsverlängerung

Am 14. Mai 2008 hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beauftragt, für eine Änderung des Gentechnikgesetzes eine Botschaft auszuarbeiten mit dem Ziel, das Moratorium nach Artikel 197 Ziffer 7 BV um drei Jahre, d.h. bis zum 27. November 2013, zu verlängern.

1.4.1

Abschluss des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 59

Das Nationale Forschungsprogramm 59 über «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59) wurde kurz nach Annahme der Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» am 2. Dezember 2005 lanciert, um bestehende Wissenslücken zu schliessen. Der Start des NFP 59 wurde daraufhin umgehend an die Hand genommen (Konstituierung eines Leitungsgremiums, Erarbeitung und Genehmigung des Ausführungsplans usw.). Zudem wurde für das NFP 59 vorgesehen, zu gegebener Zeit, d.h. noch vor dem Vorliegen der Gesamtsynthese (laut geltender Planung Mitte 2012), der Politik mit Blick auf die Diskussionen um das Moratorium Zwischenergebnisse aus dem Programm in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen.

5440

Die Untersuchungen im Rahmen des NFP 59 umfassen eine Reihe von Projekten zu Themen wie ­

Biosicherheit: z.B. Nebeneffekte und Auskreuzung von GVO-Erdbeeren, Ökologie und Genfluss von transgenem Weizen, Auswirkungen von transgenem Mais auf Bodenorganismen;

­

Koexistenz: z.B. Distanzen zwischen GVO und gentechnikfreiem Anbau, Nutzen und Kosten des Anbaus von GVO in der Schweiz, Vereinbarkeit von Gentechnik und Nachhaltigkeit;

­

Rechtsetzung: Koexistenz von Pflanzenproduktion mit und ohne Gentechnik;

­

Kommunikation: Gestaltung des Dialogs mit der Bevölkerung, Analyse der Gründe für die Skepsis der Konsumentinnen und Konsumenten.

Mit der Verlängerung des Moratoriums um drei Jahre will der Bundesrat sicherstellen, dass das NFP 59 ohne übermässigen politischen Druck abgeschlossen werden kann, dass für den allfälligen gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Hinblick auf das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Pflanzen, Saatgut und Tieren in der Landwirtschaft die notwendigen wissenschaftlichen Entscheidgrundlagen in Form von Schlussergebnissen vorliegen und dass für die erforderliche Umsetzung der Forschungsergebnisse im Gesetzes- und Verordnungsrecht ausreichend Zeit zur Verfügung steht.

1.4.2

Erarbeitung erforderlicher Rechtsgrundlagen

Bei der landwirtschaftlichen Produktion von GVO müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein, um unerwünschte Vermischungen mit konventionell oder biologisch produzierten Erzeugnissen zu vermeiden, die Warenflüsse getrennt zu halten, die Information und Dokumentation über den Anbau von GVO sicherzustellen sowie die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten zu gewährleisten. Auch müssen besonders empfindliche oder schützenswerte Lebensräume vor Eintrag von GVO bzw. vor möglichen Auskreuzungen der Flora solcher Lebensräume mit GVO geschützt werden. Viele dieser Voraussetzungen sind erst in groben Zügen (Art. 9 FrSV) und noch nicht im Detail geklärt bzw. geregelt. Sie müssen bis zum Ablauf des verlängerten Moratoriums formuliert werden und Niederschlag im Gentechnikrecht des Bundes finden.

Insbesondere der gleichzeitige Anbau von GVO und herkömmlichen Nutzpflanzen (Koexistenz) bedarf geeigneter, auf wissenschaftliche Grundlagen abgestützter Vorschriften zu Abständen, Warenflusstrennung sowie Information und Dokumentation. Basierend auf den Ergebnissen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 59 ist der Entwurf vom 3. Oktober 2005 einer Verordnung über Koexistenzmassnahmen beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und beim Umgang mit daraus gewonnenem Erntegut (Koexistenz-Verordnung) anzupassen. Kreuzen sich gentechnisch veränderte mit nicht veränderten Pflanzen, so gilt das Erntegut letzterer ebenfalls als gentechnisch verändert. Solche Vermischungen sind grundsätzlich unerwünscht, gefährden die Wahlfreiheit beim Konsum und können bei Überschreitung des Schwellenwertes für die Kennzeichnung unbeabsichtigter Spuren von GVO namentlich in Betrieben mit biologischem Landbau zu Einbussen für die betroffenen Landwirte führen.

5441

In diesem Zusammenhang stellt sich für die Zeit nach Ablauf des Moratoriums die Frage nach der Zweckmässigkeit, gewisse Gebiete oder Zonen als gentechnik- oder GVO-frei auszuscheiden. Insbesondere muss die Rechtslage betreffend gentechnikfreie Zonen in den Nachbar- und anderen Mitgliedstaaten der EU berücksichtigt werden. In der Schweiz gelten bereits heute gemäss Artikel 8 der Freisetzungsverordnung besonders empfindliche oder schützenswerte Lebensräume und Landschaften als vor GVO geschützt. Dies betrifft Natur- und Landschaftsschutzgebiete nach eidgenössischem oder kantonalem Recht, ober- und unterirdische Gewässer inkl. Ufer, Wald sowie Jagdbanngebiete; allgemeine Mindestabstände eines GVOAnbaus gegenüber diesen Gebieten wurden bisher keine festgelegt. Die Ausscheidung weiterer gentechnikfreier Gebiete ist insbesondere zum Schutz der Saatgutvermehrung, des biologischen bzw. integrierten Landbaus oder weiterer naturnaher Lebensräume und Landschaften denkbar.

Schliesslich gilt es die Zuständigkeiten für Koexistenzregelungen und die allfällige Ausscheidung weiterer gentechnikfreier Gebiete zu prüfen. Es stellt sich insbesondere die Frage, wie weit die Kantone zuständig sein sollen, spezifische, auf ihr Kantonsgebiet zugeschnittene Abstandsregelungen zu erlassen bzw. gentechnikfreie Gebiete auszuscheiden, welche nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen dabei beachtet werden müssen und ob es für kantonale Regelungen auf diesem Gebiet gegebenenfalls einer Kompetenzdelegation im Bundesrecht bedarf. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf Artikel 1 Absatz 3 des Landwirtschaftsgesetzes des Kantons Tessin hinzuweisen, der den Kanton dazu verpflichtet, im Rahmen der Förderung des Schutzes der Biodiversität die Verwendung von GVO in der Lebensmittelproduktion, in Futtermitteln, im Pflanzenanbau und in der Viehzucht zu verbieten.

1.4.3

Einstellung von Landwirtschaft und Konsumentenschaft

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass weder in der Landwirtschaft noch bei den Konsumentinnen und Konsumenten ein dringlicher Bedarf nach GVO im Lebensmittelbereich besteht.

Diese Einschätzung wird durch die Haltung der vom Moratorium zentral betroffenen Kreise vollumfänglich bestätigt. So unterstützt beispielsweise die Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren die Verlängerung des Moratoriums einstimmig, und sämtliche bäuerlichen Organisationen, die sich im Rahmen der Vernehmlassung geäussert haben, sind ausdrücklich der Ansicht, dass kein Bedarf nach GVO bestehe und dass das bisherige Moratorium der Schweizer Landwirtschaft sicher keinen Nachteil gebracht habe.

Die klare Haltung der Landwirtschaftsorganisationen wird durch die ablehnende Einstellung der Konsumentenorganisationen gegenüber GVO-Produkten noch verstärkt. Es besteht gemäss Stellungnahmen von Konsumentenseite nicht nur kein Bedarf an GVO-Produkten, der Verzicht auf solche wird gar als Vorteil wahrgenommen. Gewünscht werden naturnahe, gentechnikfreie und qualitativ hochstehende Lebensmittel.

5442

1.5

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

1.5.1

Grundsatzfrage der Moratoriumsverlängerung

Die Grundsatzfrage der Verlängerung des Moratoriums steht erwartungsgemäss in allen Stellungnahmen im Zentrum. Die Antworten belegen, dass das bekannte Muster der Ansichten zur Gentechnik sich gegenüber früheren Debatten nicht nennenswert verändert hat.

Ausdrückliche Unterstützung findet die Vorlage des Bundesrates bei den Kantonen.

Sämtliche Kantonsregierungen sind im Ergebnis für eine Verlängerung des Moratoriums, einige allerdings mit dem Hinweis, dass für die Zeit nach 2013 keine weitere Verlängerung, sondern wieder ein dauerhaftes Rechtsumfeld angestrebt werden sollte. Der Kanton Luzern schlägt vor, als Alternative die Möglichkeit eines faktischen oder zeitlich flexiblen Moratoriums zu prüfen.

Für die Verlängerung des Moratoriums sind schliesslich der Schweizerische Bauernverband und alle weiteren bäuerlichen Organisationen sowie sämtliche Konsumenten- und Umweltorganisationen. Sie weisen darauf hin, dass starke Mehrheiten der Bevölkerung ein langfristiges Moratorium unterstützten, dass aufgrund der Entwicklung von GVO-Produkten im Ausland damit zu rechnen sei, dass diese der schweizerischen Qualitätsstrategie widersprächen, während ein Moratorium mit der schweizerischen Agrarpolitik gut vereinbar sei. Ohne eine praktikable Lösung des Koexistenz-Problems dürfe das Moratorium nicht aufgehoben werden.

Klar abgelehnt wird das Moratorium hingegen in einzelnen Stellungnahmen aus Forschungskreisen (Akademien der Wissenschaften Schweiz, ETH-Rat, Institute für Pflanzenbiologie der ETHZ bzw. Pflanzenwissenschaften der Universität Zürich).

Sie erachten die im Gentechnikgesetz verankerten Bestimmungen als streng und ausreichend und ein Moratorium somit für unnötig. Eine Verlängerung des Moratoriums bringe keine erhöhte biologische Sicherheit, keinen wissenschaftlichen Nutzen und weder für die Land- und Forstwirtschaft noch für Konsumentinnen und Konsumenten irgendeinen positiven Effekt. Eine Verlängerung tangiere hingegen den Forschungs- und Technologiestandort Schweiz in negativer Weise. Zwar können diese Effekte nach Ansicht der Akademien der Wissenschaften Schweiz nicht mit statistischen Erhebungen belegt werden, doch würden sie in Diskussionen mit Betroffenen immer wieder durchscheinen.

Dezidiert gegen eine Verlängerung des Moratoriums äussert sich auch ein Teil der Wirtschaft. Er umfasst
verschiedene grössere Wirtschaftsverbände (z.B. Economiesuisse, SGCI Chemie Pharma Schweiz, die Dachorganisation der schweizerischen KMU) und einen Teil der Hersteller landwirtschaftlicher Produktionsmittel und Lebensmittel (z.B. Internutrition, Fial, Verband der Futtermittelfabrikanten). Sie begründen ihre Ablehnung damit, dass das Moratorium nicht nötig sei, weil die erforderlichen wissenschaftlichen Grundlagen für einen Entscheid bereits vorlägen und weil ein Bewilligungsverfahren für das Inverkehrbringen von GVO ohnehin länger dauere als die geplante Verlängerung des Moratoriums. Darüber hinaus erachten sie ein Moratorium auch nicht für vereinbar mit der Bundesverfassung und mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Sie sind überzeugt, dass die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft durch Verbote nicht gewährleistet werden könne und dass Technologieverbote gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein falsches Zeichen setzten. Auch Syngenta als grösster schweizerischer Saatguthersteller sieht in der Verlängerung ein falsches Signal und eine nicht 5443

begründete Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit. Der Schweizerische Arbeitgeberverband verzichtet auf eine Stellungnahme; einzelne Arbeitgeberverbände aus der Westschweiz befürworten hingegen eine Verlängerung des Moratoriums (Centre patronal, Fédération des entreprises romandes). Zustimmung zur Verlängerung äussern auch verschiedene Gewerbeverbände (Getreideproduzentenverband, Bäckermeisterverband, Fleischfachverband, Gastrosuisse).

Unter den politischen Parteien gibt es befürwortende und ablehnende Stellungnahmen. Gegen eine Verlängerung sind FDP und SVP. Auch die CVP äussert sich eher ablehnend. Für eine Verlängerung votieren SP, GPS, GLP, EVP, KVP sowie die CSP. Ihre Argumente decken sich weitgehend mit denjenigen der das Moratorium ablehnenden bzw. befürwortenden Organisationen.

1.5.2

Dauer der Moratoriumsverlängerung

In der Frage der Dauer der Moratoriumsverlängerung sind sich auch die Befürworterinnen und Befürworter der Verlängerung nicht einig. Während die Kantone und einzelne Landwirtschaftsorganisationen (Schweizerischer Bauernverband) die Vorlage des Bundesrates unterstützen und eine Begrenzung auf Ende November 2013 für richtig erachten, beantragen die Organisationen der Konsumentinnen und Konsumenten, die Umweltverbände und die meisten Landwirtschaftsverbände ein fünfjähriges Moratorium.

Die Befürworterinnen und Befürworter eines fünfjährigen Moratoriums machen geltend, dass ein langfristiges Moratorium von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt werde und dass eine konstruktive Diskussion über die NFP59-Forschungsergebnisse mehr Zeit als bis 2013 beanspruche. Sie orten noch erheblichen Klärungsbedarf im Bereich der Koexistenz von GVO-Anbau und gentechnikfreier Produktion, in der Abstandsregelung zum Schutz sensibler Naturschutzbereiche und erachten das im Aufbau begriffene Umwelt-Überwachungsprogramm des Bundes noch nicht als praxisreif. Die Schweiz sei im Übrigen in guter Gesellschaft, weil auch auf europäischer Ebene noch keine Einigkeit bestehe und verschiedene EU-Mitgliedstaaten eine Schutzklausel in Anspruch genommen hätten, um den Anbau von GVO vorübergehend oder definitiv zu verbieten.

1.5.3

Weitere Anliegen

Die Umwelt-, Konsumenten- und gewisse bäuerliche Organisationen, die an der Vernehmlassung teilgenommen haben, verlangen eine Ausdehnung des Verbandsbeschwerderechts auf Freisetzungsversuche. Wie insbesondere das jüngste Bewilligungsverfahren für Freisetzungsversuche im Rahmen des NFP 59 gezeigt habe, verfügten die beschwerdeberechtigten Organisationen über die erforderlichen Kompetenzen, um Freisetzungsversuche zu prüfen und zu beurteilen.

Dieselben Organisationen regen eine Ausweitung des Kreises der im Rahmen des Gentechnikgesetzes beschwerdeberechtigten Organisationen auf Bauern- und Konsumentenorganisationen an, da die Entscheide der Behörden über Sachverhalte des GTG neben der Umwelt auch die Land- und Waldwirtschaft sowie die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten beträfen.

5444

Andererseits wird seitens der Forschung (Universität und ETH Zürich) verlangt, die bisherigen Vollzugserfahrungen bei der GTG-Teilrevision zu berücksichtigen. So sei die Frage der Parteilegitimation zu konkretisieren, da Forschungsvorhaben oft ohne vernünftigen sachlichen Grund durch Beschwerden um Jahre verzögert und dadurch erheblich verteuert würden. Auch biete das GTG weder griffige Ansatzpunkte, um ideelle Gruppierungen, die Störaktionen oder Vandalenakte fördern, in die Verantwortung zu nehmen, noch sehe es Strafbestimmungen zur Prävention von Vandalenakten oder anderen innovationsschädlichen Aktionen vor.

1.6

Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht

Das in der Schweiz geltende Moratorium ­ und damit auch dessen Verlängerung ­ entspricht grundsätzlich nicht dem geltenden Recht der Europäischen Gemeinschaft (hierzu näher unter Ziff. 5.2.2). Allerdings galt auch in der EG zwischen 1998 und 2004 vorübergehend ein faktisches Zulassungsmoratorium für GVO (vgl. Botschaft, BBl 2004 4937, 4950). Auch heute sind in der EG die Zulassung und das Inverkehrbringen von GVO, insbesondere von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, weiterhin umstritten. So ist in sämtlichen EG-Nachbarstaaten der Schweiz, d.h.

Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich, die Anbauerlaubnis für den Bt-Mais MON810, der unter den in der EG als Saatgut zugelassenen GVO als einziger für die landwirtschaftliche Nutzung relevant ist, zurzeit ausgesetzt, und zwar unter Anrufung einer im EG-Recht vorgesehenen Schutzklausel und mit dem Hinweis auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und das Vorsorgeprinzip. Auch in den EG-Mitgliedstaaten Griechenland, Luxemburg, Polen und Ungarn herrscht zurzeit ein Anbauverbot für den Bt-Mais MON810. Die Europäische Kommission hat dem Rat der EG-Umweltminister im Rahmen eines Komitologieverfahrens (Regelungsverfahren) bereits mehrmals die Aufhebung solcher nationaler Verbote vorgeschlagen; diese Vorschläge sind im Rat jedoch bisher mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt worden.

1.7

Umsetzung

Die Umsetzung der Moratoriumsverlängerung um drei Jahre bedarf keiner neuen bzw. besonderen Massnahmen. Die neue Regelung im Gentechnikgesetz entspricht materiell der bisherigen Übergangsbestimmung der Bundesverfassung und bedeutet, dass die zuständigen Behörden für den Anbau von GVO bis zum 27. November 2013 keine Bewilligungen erteilen dürfen. Die Verlängerung des Moratoriums ermöglicht einen lückenlosen und sicheren Übergang zu einer angemessenen, langfristig angelegten Regelung.

1.8

Standesinitativen und parlamentarische Vorstösse

Die Haltung des Bundesrates wird durch Standesinitiativen der Kantone Genf, Bern, Jura und Neuenburg, eingereicht am 2. Mai, 14. Mai und 18. Dezember 2008 sowie 30. März 2009, unterstützt. Auch sie verlangen eine mindestens dreijährige Verlängerung des Moratoriums mit dem Hinweis auf den Abschluss des NFP 59. Darüber 5445

hinaus halten die vier Kantone den Verzicht auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen sowohl aus Sicht der Landwirtschaft als auch der Konsumentinnen und Konsumenten für positiv. Unter Hinweis auf die kleinräumigen landwirtschaftlichen Strukturen wird vor allem für die Klärung der Koexistenzfrage von GVO- und konventionellem Anbau mehr Zeit gefordert.

Am 9. Juni 2008 hat die Freisinnig-Demokratische Fraktion eine Interpellation (08.3291) zum Thema Gefährdung des Forschungsstandorts Schweiz durch das Gentech-Moratorium eingereicht. Nach Auffassung der Interpellanten wird die Forschung im grünen Bereich der Gentechnologie durch das Moratorium in der Schweizer Landwirtschaft stark behindert. Das vorhandene Potenzial für gentechnische Forschung könne nicht genutzt und längerfristig nicht erhalten werden. Der Bundesrat teilt gemäss seiner Antwort vom 10. September 2008 die Befürchtung nicht, dass der Forschungsstandort Schweiz durch das Moratorium gefährdet sei. Er ist vielmehr überzeugt, dass insbesondere die Risikoforschung mit GVO in der Schweiz in den letzten Jahren von erhöhten finanziellen Ressourcen hat profitieren können (vgl. Ziff. 3.2). Er wird beim Auslaufen des NFP 59 prüfen, wie das vorhandene Knowhow längerfristig gesichert werden kann.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Art. 12a GTG (neu)

Gleichzeitig mit der Verlängerung des Moratoriums soll das Gentechnikgesetz mit einer Bestimmung zum Einsprache- und Beschwerderecht im Rahmen der Bewilligungsverfahren betreffend die Freisetzung von GVO und das Inverkehrbringen von GVO für die bestimmungsgemässe Verwendung in der Umwelt ergänzt werden.

Eine solche Ergänzung wurde vom Bundesgericht bereits im Jahr 2003 angeregt; sie drängt sich wegen des Legalitätsprinzips auf. Es handelt sich nicht um eine eigentlich neue Regelung, sondern um eine Anhebung der bestehenden Regelung des Einspracheverfahrens (Art. 36 Abs. 2 und 3, Art. 42 Abs. 2 FrSV) von Verordnungsauf Gesetzesstufe.

Grundsätzlich kann gegen eine Verfügung Beschwerde erheben, wer am bisherigen Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch die Verfügung besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 48 des Bundesgesetzes vom 20. Dez. 1968 über das Verwaltungsverfahren, VwVG; SR 172.021) bzw. wer Partei ist (Art. 6 VwVG).

Gibt jemand auf die Publikation eines Gesuchs um Freisetzung von GVO oder das Inverkehrbringen von GVO für die bestimmungsgemässe Verwendung in der Umwelt hin im Rahmen eines allgemeinen Anhörungsverfahrens eine Stellungnahme ab (Art. 36 Abs. 4 bzw. Art. 42 Abs. 3 FrSV), so kann dies alleine noch keine Parteirechte begründen. Die betroffene Person muss ihre Parteistellung vielmehr ausdrücklich und begründet geltend machen, damit sie später Parteirechte beanspruchen und beispielsweise Beschwerde erheben kann (Art. 36 Abs. 3 bzw. Art. 42 Abs. 3 FrSV). Auch sollen Einwendungen bereits vor der Bewilligungsbehörde, d.h.

möglichst früh und nicht erst vor der Beschwerdeinstanz, geltend gemacht werden.

Die Ausschlusswirkung liegt folglich in erster Linie in der Prozessökonomie begründet. Der Verfahrensausschluss darf als grundlegende Bestimmung über die Rechte und Pflichten von Personen nach Artikel 164 Absatz 1 BV nicht auf Verordnungsstufe, sondern muss in der Form des Bundesgesetzes geregelt werden. Dass 5446

eine Verankerung der Ausschlusswirkung auf Verordnungsstufe nicht genügt, hat das Bundesgericht mit Urteil vom 12. März 2003 betreffend einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen in Lindau (ZH) festgehalten (BGE 129 II 286 296): «Es wäre im Interesse der Rechtssicherheit und der Klarheit des Verfahrensablaufs sinnvoll, durch einen formellen Erlass für Freisetzungsversuche ein Einsprache- oder besonderes Einwendungsverfahren mit Ausschlusswirkung festzulegen». Diese Feststellung gilt analog auch für das bestimmungsgemässe, d.h.

direkte Inverkehrbringen von GVO in der Umwelt, womit die Ausschlusswirkung auch für Verbände gilt, denen nach Artikel 28 GTG ein Beschwerderecht zusteht.

Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, die öffentliche Auflage von Gesuchen um Freisetzung von GVO bzw. um das Inverkehrbringen von GVO für die bestimmungsgemässe Verwendung in der Umwelt, die Einsprachefrist sowie die Ausschlusswirkung ausdrücklich im Gentechnikgesetz zu verankern. Entsprechende Ausschlussbestimmungen sind auch in vielen anderen Bundesgesetzen enthalten, z.B. in Artikel 62e des Wasserrechtsgesetzes vom 22. Dezember 1916 (WRG; SR 721.80), in Artikel 27d des Bundesgesetzes vom 8. März 1960 über die Nationalstrassen (NSG; SR 725.11) und in Artikel 37f des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 1948 (LFG; SR 748.0). Von der Ausschlusswirkung nicht betroffen sind die Bewilligungsverfahren für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Arznei-, Lebens- und Futtermitteln. In diesen Bereichen erfolgt kein bestimmungsgemässer Umgang in der Umwelt (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. j FrSV), und die Gesuchsunterlagen müssen nicht öffentlich aufgelegt werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 FrSV e contrario).

Was die von Umwelt-, Konsumenten- und gewissen bäuerlichen Organisationen verlangte Ausdehnung des Verbandsbeschwerderechts auf Freisetzungsversuche sowie zugunsten von Bauern- und Konsumentenorganisationen betrifft, so hat das Parlament entsprechende Anträge sowohl anlässlich der Änderung vom 21. Dezember 1995 des USG als auch bei der Verabschiedung des GTG vom 21. März 2003 abgelehnt. Der Bundesrat sieht keinen Grund, diese Entscheide des Gesetzgebers in Frage zu stellen. Was andererseits die Kriterien für die Parteilegitimation von Privaten betrifft, so werden diese weitgehend vom allgemeinen Verwaltungsrecht bestimmt und müssen nicht, wie aus Forscherkreisen angeregt, konkretisiert werden.

2.2

Art. 15 Abs. 3 GTG

Der im Waldrecht veraltete Begriff «forstwirtschaftlich» soll durch den zeitgemässen Begriff «waldwirtschaftlich» ersetzt werden (Abs. 3). Die Bestimmung bleibt materiell unverändert.

2.3

Art. 30 Abs. 2 GTG

Im Landwirtschaftsrecht ist der veraltete Begriff der «Hilfsstoffe» durch denjenigen der «Produktionsmittel» ersetzt worden (vgl. Art. 158 Landwirtschaftsgesetz, LwG; SR 910.1); diese Anpassung soll auch in Artikel 30 Absatz 2 GTG übernommen werden. Auch soll, wie soeben unter Ziff. 2.2 ausgeführt, der Begriff «forstwirtschaftlich» durch «waldwirtschaftlich» ersetzt werden. Die Bestimmung bleibt materiell unverändert.

5447

2.4

Art. 35 GTG

Die Strafbestimmungen des GTG müssen der neuen Strafensystematik des Strafgesetzbuchs angepasst werden (vgl. Art. 333 Abs. 2 Bst. b und c StGB). Statt mit Gefängnis oder Busse werden Vergehen heute mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe geahndet (Abs. 1). Mit dem neuen Strafensystem wird auch das für die schwere Gefährdung von Menschen, Tieren oder der Umwelt ursprünglich strengere Strafmass von Absatz 2 demjenigen von Absatz 1 angeglichen; entsprechend kann Absatz 2 aufgehoben werden. Neu wird die schwere Gefährdung ausschliesslich im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung nach den Artikeln 47­51 StGB berücksichtigt. Schliesslich wird für fahrlässig begangene Vergehen Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, statt bisher Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Busse, angedroht (Abs. 3).

Gleichzeitig werden die Strafbestimmungen des Gentechnikgesetzes, d.h. Artikel 35 Absätze 1 Buchstaben d und g sowie 3 GTG im Deutschen geschlechtergerecht formuliert, entsprechend der sonstigen Praxis in diesem Erlass. Die Bestimmungen werden materiell nicht verändert.

Was die im Vernehmlassungsverfahren angeregten Strafbestimmungen zur Prävention von Vandalenakten betrifft, so sind die besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere betreffend Tätlichkeiten, Sachbeschädigung, Drohung und Nötigung, nach Auffassung des Bundesrates im Sinne der Generalprävention ausreichend.

2.5

Art. 37a GTG (neu)

Das bisherige Moratorium nach Artikel 197 Ziffer 7 BV soll in seiner materiellen Tragweite unverändert in das Gentechnikgesetz übergeführt werden. Allerdings soll der Wortlaut der Bestimmung von Unklarheiten befreit und mit der Terminologie sowie der Systematik des Gentechnikgesetzes in Einklang gebracht werden. Da es sich beim Moratorium um eine Regelung handelt, welche gewisse Bestimmungen des Gesetzes für eine bestimmte Zeit als nicht anwendbar erklärt, wird die neue Gesetzesbestimmung als Artikel 37a in die Schlussbestimmungen aufgenommen.

Gemäss der unbestrittenen Auslegung des Bundesrates (vgl. oben Ziff. 1.2.2 und Botschaft, BBl 2004 4937, 4941) und der Praxis beschränkt sich das Moratorium auf die in Artikel 197 Ziffer 7 Buchstaben a und b BV explizit genannten Verbote.

Somit kann auf die Übernahme des auslegungsbedürftigen Begriffs der «gentechnikfreien schweizerischen Landwirtschaft» in das Gentechnikgesetz verzichtet werden.

Das Verbot von Artikel 197 Ziffer 7 Buchstabe a BV wird durch den Begriff des gentechnisch veränderten pflanzlichen Vermehrungsmaterials ergänzt, um eine klare Abgrenzung gegenüber anderen landwirtschaftlichen Produktionsmitteln zu schaffen. Die massgeblichen landwirtschaftlichen Produktionsmittel sind in Artikel 158 Absatz 1 des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 1998 (LwG; SR 910.1) aufgezählt. Der Fachbegriff «pflanzliches Vermehrungsmaterial» wird in Artikel 2 Buchstabe a der Saatgut-Verordnung vom 7. Dezember 1998 (SR 916.151) umschrieben.

Er umfasst Saatgut, Pflanzgut, Edelreiser, Unterlagen und alle anderen Pflanzenteile, einschliesslich des in vitro hergestellten Materials, die zur Vermehrung, Saat, Pflanzung oder Wiederpflanzung vorgesehen sind. Auch wurde der in Buchstabe a der 5448

Verfassungsbestimmung verwendete Begriff «Anwendung» durch «Zweck» ersetzt, um allfälligen Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber dem Begriff «Umgang» von Artikel 5 Absatz 4 GTG vorzubeugen. Ferner wurde der im Waldrecht veraltete Begriff «forstwirtschaftlich» durch «waldwirtschaftlich» ersetzt.

Mit der Einschränkung gemäss Artikel 9 GTG betreffend die gentechnische Veränderung von Wirbeltieren ist das Verbot von Artikel 197 Ziffer 7 Buchstabe b BV weitgehend gegenstandslos; von der Verfassungsbestimmung, nicht aber von Artikel 9 GTG betroffen sind einzig noch die in der Schweiz für gentechnische Veränderungen im Landwirtschaftsbereich bisher noch nie verwendeten wirbellosen Tiere, z.B. Muscheln und Honigbienen (vgl. Botschaft, BBl 2004 4937, 4942f. und 4947).

Trotz der kaum bestehenden praktischen Relevanz soll das vorübergehende Verbot des Inverkehrbringens von gentechnisch veränderten Tieren in der Landwirtschaft jedoch der Vollständigkeit halber in Artikel 37a GTG übernommen werden.

Weiter kann auf die ausdrückliche Erwähnung des Einfuhrverbots verzichtet werden, da die Einfuhr gemäss Artikel 5 Absatz 5 GTG ohnehin unter das ebenfalls verbotene Inverkehrbringen fällt. Der Verzicht auf ein ausdrückliches Einfuhrverbot verdeutlicht zudem, dass die Einfuhr von GVO für Tätigkeiten in geschlossenen Systemen und für Freisetzungsversuche nicht vom Moratorium betroffen sind.

Schliesslich wird das direkte Verbot des Inverkehrbringens ersetzt durch ein an die Bewilligungsbehörden gerichtetes Verbot, Bewilligungen für das Inverkehrbringen von GVO zu den erwähnten Zwecken zu erteilen, was materiell gleichbedeutend ist.

Ein Bewilligungsverbot entspricht der Systematik des Gentechnikgesetzes, welches das Inverkehrbringen von GVO einer Bewilligungspflicht unterstellt (Art. 12) und das Inverkehrbringen ohne Bewilligung mit Strafe bedroht (Art. 35 Abs. 1 Bst. c).

Mit dieser Terminologie wird sichergestellt, dass die Sanktionierung der Verletzung des Moratoriums über die geltenden Strafbestimmungen klar geregelt ist. Auch wird klargestellt, dass sowohl die allfällige Durchführung eines Bewilligungsverfahrens während des Moratoriums als auch die Ausstellung einer Bewilligung für die Zeit nach Ablauf des Moratoriums bereits vor dem 27. November 2013 zulässig sind. Die Einführung eines bloss faktischen oder zeitlich flexiblen Moratoriums ist mangels Rechtssicherheit für die Betroffenen abzulehnen.

2.6

Art. 29d bis USG (neu)

Da das Verfahren für Freisetzungsversuche bzw. für das Inverkehrbringen von pathogenen Organismen und gebietsfremden wirbellosen Kleintieren analog zu demjenigen für GVO ausgestaltet ist (vgl. die Art. 36­41 und 42­48 FrSV), soll das Umweltschutzgesetz mit einer Artikel 12a GTG entsprechenden Bestimmung für diese Organismen ergänzt werden (vgl. oben unter Ziff. 2.1). Der Bundesrat hat das Freisetzen und Inverkehrbringen von gebietsfremden wirbellosen Kleintieren gestützt auf Artikel 29f Absatz 2 Buchstabe b USG für bewilligungspflichtig erklärt (vgl. Art. 17 und 25 FrSV). Deshalb soll im neuen Artikel 29d bis Absatz 1 direkt auf jene Bestimmung verwiesen werden. Damit soll auch in diesen Bereichen das Einsprache- und Beschwerderecht einschliesslich Ausschlusswirkung im Rahmen der Bewilligungsverfahren neu auf Gesetzesstufe geregelt werden.

5449

2.7

Art. 60 und 61 USG

Auch im Umweltschutzgesetz sollen gleichzeitig mit der Einführung des neuen Artikels 29d bis die Strafbestimmungen der Artikel 60 und 61 USG der neuen Strafensystematik des Strafgesetzbuchs angepasst werden (vgl. Art. 333 Abs. 2 Bst. b und c sowie Abs. 3 und 4 StGB). Statt mit Gefängnis oder Busse wird heute ein vorsätzlich begangenes Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe geahndet (Art. 60 Abs. 1 USG). Mit dem neuen Strafensystem wird auch das für die Verursachung einer schweren Gefahr ursprünglich strengere Strafmass von Artikel 60 Absatz 1 USG dem grundsätzlichen Strafmass von Absatz 1 angeglichen, weshalb die Qualifizierung aufgehoben werden kann. Neu wird der Umstand, dass durch die Tathandlung Menschen oder die Umwelt in schwere Gefahr gebracht worden sind, ausschliesslich im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung nach den Artikeln 47­51 StGB berücksichtigt. Weiter wird für fahrlässig begangene Vergehen Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen (statt bisher Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Busse) angedroht (Art. 60 Abs. 2 USG).

Was die Übertretungen betrifft, so wird für vorsätzlich begangene Straftaten neu Busse bis zu 20 000 Franken (und nicht mehr Haft oder Busse) angedroht (Art. 61 Abs. 1 USG). Die Höhe der Busse ist angesichts der weiterhin erforderlichen Abgrenzung gegenüber fahrlässig begangenen Straftaten und angesichts analoger Bestimmungen ­ z.B. in Artikel 43 des Waldgesetzes vom 4. Oktober 1991 (WaG; SR 921.0) oder in Artikel 50 des Chemikaliengesetzes vom 15. Dezember 2000 (ChemG; SR 813.1) ­ angemessen. Für die fahrlässige Begehung wird Busse angedroht, wobei der Höchstbetrag seit der Teilrevision des StGB per 1. Januar 2007 10 000 Franken und nicht mehr wie vorher 5000 Franken beträgt (Art. 106 Abs. 1 StGB). Versuch und Gehilfenschaft bleiben strafbar (Art. 61 Abs. 3 USG). Unverändert bleibt auch die Androhung von Busse bis zum Fünffachen der hinterzogenen oder gefährdeten Abgabe oder des Vorteils in Artikel 61a Absatz 1 USG.

Abweichend von der bisherigen Anordnung, aber wie im Nebenstrafrecht heute allgemein üblich soll die Sanktion (Rechtsfolge) in den Artikeln 60 und 61 USG neu vom Ende in den Einleitungssatz von Absatz 1 verschoben werden. Dabei handelt es sich um eine rein redaktionelle Änderung. Die bisherigen Straftatbestände (Art. 60 Abs. 1 Bst. a­q und Art. 61 Abs. 1 Bst. a­p) bleiben unverändert.

2.8

Art. 70 und 71 GSchG

Die Teilrevision von GTG und USG soll benützt werden, um sämtliche umweltrechtlichen Strafbestimmungen, die mit dem neuen Strafensystem des StGB noch nicht übereinstimmen, anzupassen. Die Anpassung ist für diejenigen Bundesgesetze noch nicht erfolgt, in denen der Übergang vom alten zum neuen Strafensystem über ein blosses Umrechnen gemäss Artikel 333 StGB hinausgeht und mit untergeordneten materiellen Fragen verbunden ist. Im Gewässerschutzgesetz müssen die Artikel 70 und 71 angepasst werden (vgl. Art. 333 Abs. 2 Bst. b und c sowie Abs. 3 und 4 StGB). Statt mit Gefängnis oder Busse wird heute ein vorsätzlich begangenes Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe geahndet (Art. 70 Abs.

1 GSchG). Liegt Fahrlässigkeit vor, so wird statt Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Busse eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen angedroht (Art. 70 Abs. 2 GSchG).

Was die Übertretungen betrifft, so kommt als Strafe für vorsätzlich begangene 5450

Straftaten neu nur noch Busse bis zu 20 000 Franken und nicht mehr Haft in Frage (Art. 71 Abs. 1 GSchG). Für die fahrlässige Begehung wird weiterhin Busse bis zu 10 000 Franken angedroht (Art. 71 Abs. 2 GSchG i.V.m. Art. 106 Abs. 1 StGB); auch Gehilfenschaft bleibt strafbar (Art. 71 Abs. 3 GSchG). Die Verjährungsbestimmungen schliesslich sollen wieder in Übereinstimmung mit Artikel 109 StGB gebracht werden, wie dies seit Inkrafttreten des GSchG bis zum 30. September 2002 bereits der Fall war; aufgrund der direkten Anwendbarkeit von Artikel 109 StGB kann Artikel 71 Absatz 4 GSchG aufgehoben werden.

2.9

Art. 27a LwG

Im Landwirtschaftsrecht ist der veraltete Begriff der «Hilfsstoffe» durch denjenigen der «Produktionsmittel» ersetzt worden (vgl. Art. 158 LwG und oben Ziff. 2.3); diese Anpassung soll auch in Artikel 27a LwG betreffend die Gentechnik übernommen werden, wo sie aufgrund von Überschneidungen im Gesetzgebungsverfahren bisher unberücksichtigt geblieben ist.

2.10

Art. 16 und 17 BGF

Im Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über die Fischerei (BGF; SR 923.0) bedeutet die neue Strafensystematik des Strafgesetzbuchs (Art. 333 Abs. 2 Bst. c sowie Abs. 3 und 4 StGB), dass für vorsätzlich begangene Vergehen statt Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Busse eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätze angedroht wird (Art. 16 Abs. 1 BGF); für fahrlässig begangene Vergehen entfällt die Haft als Strafe, dafür soll der Bussenrahmen auf 20 000 Franken erhöht werden (Art. 16 Abs. 2 BGF), um eine im Vergleich zu den Übertretungstatbeständen von Artikel 17 BGF und dem übrigen Umweltstrafrecht angemessene Strafe anzudrohen (vgl. Ziff. 2.8 vorne). Für vorsätzlich begangene Übertretungen wird neu Busse bis zu 20 000 Franken (und nicht mehr Haft oder Busse) angedroht (Art. 17 Abs. 1 BGF), wobei der Vorsatz in Abgrenzung von der Fahrlässigkeit (Art. 17 Abs. 3 BGF) neu ausdrücklich erwähnt wird. Für die neu explizit abgestuften Höchstbeträge von 20 000 Franken für Vorsatz und 10 000 Franken für Fahrlässigkeit sei wiederum auf das übrige Umweltstrafrecht sowie die Begründung zur Strafandrohung in Artikel 61 USG verwiesen (vgl. Ziff. 2.7 vorne).

2.11

Änderung des Ingresses von GTG, USG, GSchG und BGF

Gemäss Beschluss der Redaktionskommission des Parlaments soll der Ingress von Bundesgesetzen, die vor dem Inkrafttreten der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) erlassen worden sind, anlässlich von Teilrevisionen formell angepasst werden. Im vorliegenden Fall betrifft dies die Ingresse des Umweltschutzgesetzes (USG), des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) und des Bundesgesetzes über die Fischerei (BGF). Gemäss geltender Praxis werden im Ingress eines Bundesgesetzes einzig die kompetenzbegründenden, zur Rechtsetzung ermächtigenden Bestimmungen der BV aufgeführt; ist dies nicht der ganze Artikel, sondern sind es nur einzelne Absätze oder Buchstaben davon, werden nur diese aufgeführt. Die materiellen 5451

Verfassungsbestimmungen, die konkretisiert werden sollen oder für den betroffenen Rechtsbereich gelten, werden nicht zu den Rechtsgrundlagen gezählt. An diese Praxis ist auch das Gentechnikgesetz (GTG), welches nach Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung verabschiedet worden ist, anzupassen. Kompetenzbegründende Bestimmungen sind, angesichts des Regelungsgegenstands der betroffenen Bundesgesetze, die Artikel 74 Absatz 1, 118 Absatz 2 Buchstabe a sowie 120 Absatz 2 BV für das GTG, Artikel 74 Absatz 1 BV für das USG, Artikel 76 Absätze 2 und 3 BV für das GSchG sowie die Artikel 78 Absatz 4 sowie 79 BV für das BGF.

3

Auswirkungen der Moratoriumsverlängerung

3.1

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Durch die Verlängerung des Moratoriums bleiben die Vorschriften über das Inverkehrbringen von GVO für die bestimmungsgemässe Verwendung in der Umwelt für weitere drei Jahre faktisch ausser Kraft. Es dürfen für die Zeit bis zum 27. November 2013 keine Bewilligungen für das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem pflanzlichem Vermehrungsmaterial zu landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder waldwirtschaftlichen Zwecken erteilt werden.

3.1.1

Notwendigkeit

Die Verlängerung des Moratoriums schafft Rechtssicherheit während einer Periode, in der noch nicht alle rechtlichen Aspekte auf Verordnungsebene geregelt sind und verschiedene Instrumente des Vollzugs noch nicht vorliegen. Im Bereich des Umweltschutzes wird beispielsweise das Umweltmonitoring im Jahr 2010 erst in Entwicklung und noch nicht in der Praxis erprobt sein. Die genauen Ziele, Methoden, Indikatoren und Beurteilungskriterien eines solchen Monitorings sind noch auszuarbeiten. Im Bereich Landwirtschaft wird bis im Jahr 2010 der Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft durch Bestimmungen zur Koexistenz noch nicht ausreichend geregelt sein. Die Entwicklung von Kriterien und die Festlegung von Mindestabständen zu andern Kulturen oder zu schützenswerten Gebieten ohne GVO setzt die Kenntnis wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Fakten voraus. Studien haben gezeigt, dass ein grossflächiger Anbau von GVO verbunden mit einer geänderten Bewirtschaftungsweise zu indirekten negativen Folgen auf die Ackerbegleitflora und die davon abhängige Fauna (z.B. Käfer, Vögel) führen kann. Es ist zu erwarten, dass nach Abschluss des Nationalen Forschungsprogramms über «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59) weitere Erkenntnisse vorliegen und damit bessere Entscheidgrundlagen für eine Regelung dieser Themenbereiche vorliegen.

3.1.2

Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen

Von einer Moratoriumsverlängerung unmittelbar und zentral betroffen ist die Schweizer Landwirtschaft. Für die Landwirtinnen und Landwirte ergeben sich nach heutigem Wissensstand bei einem Verzicht auf Gentechnik während 3 weiteren 5452

Jahren keine Nachteile. Zum einen will deren Mehrheit gemäss den bäuerlichen Organisationen zumindest in den kommenden Jahren ohnehin auf einen Einsatz von GVO verzichten, zum andern liegt derzeit kein Gesuch für eine Bewilligung für das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Saatgut vor, sodass vor Ablauf des verlängerten Moratoriums kaum mit einer zugelassenen GVO-Sorte zu rechnen ist.

Nach Ansicht der genannten Verbände und Betriebe hat sich das bestehende Moratorium für sie sowohl auf dem Schweizer Markt wie auch beim Export als vorteilhaft erwiesen, weil es Vertrauen in die Schweizer Produkte geschaffen habe. Diese Angaben sind indessen nicht mit Zahlen belegt.

Zu den von einer Moratoriumsverlängerung unmittelbar betroffenen Kreisen zählen auch die Saatgutunternehmen, die GVO in ihrem Angebot haben. Es handelt sich dabei um rund 10 international tätige Grossunternehmen, wovon eines, die Syngenta, seinen Hauptsitz in der Schweiz hat. Mit signifikanten wirtschaftlichen Einbussen müssen diese Unternehmen im Falle einer Moratoriumsverlängerung nicht rechnen, weil im globalen Vergleich der Schweizer Markt klein ist. Für Syngenta ist jedoch der Umstand, dass der «Heimmarkt Schweiz» weitere 3 Jahre verschlossen bleibt, vom Image her ungünstig. Diese Situation führt für das Schweizer Unternehmen zu Erklärungsbedarf gegenüber ausländischen Behörden und gemäss eigenen Angaben auch zu entsprechenden Nachteilen in diesen Märkten.

KMU der übrigen Biotechbranche sind von einer Verlängerung kaum direkt betroffen, da sie im grünen Gentechnikbereich nicht aktiv sind. Einzelne Verbände und Firmen im Ernährungsbereich (Bäckereien, Fleischfachverband, Gastrosuisse) befürchten im Falle eines Anbaus von GVO in der Schweiz hingegen einen Qualitätsverlust ihrer Produkte, verbunden mit einem längerfristigen Verlust ihrer GVOskeptischen Kundschaft.

Die Konsumentinnen und Konsumenten müssen für den Fall einer Verlängerung des Moratoriums keine wirtschaftlichen Folgen befürchten. Die von ihnen in Umfragen immer wieder gewünschte Qualitätsstrategie der Schweizer Landwirtschaft wird weitergeführt werden. Gleichzeitig bleibt während des Moratoriums die Einfuhr bewilligter GVO-Lebensmittel rechtlich zulässig, sodass bei einem allfälligen Meinungswechsel Alternativangebote mit GVO grundsätzlich möglich wären.

3.1.3

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Insgesamt betrachtet sind die beschriebenen positiven und negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Moratoriumsverlängerung sehr klein; sie dürften sich zudem etwa die Waage halten. Trotz Moratorium dürfen Bewilligungsgesuche für gentechnisch veränderte Sorten eingereicht und von den zuständigen Stellen geprüft werden. Einzig eine Bewilligung für das Inverkehrbringen während der Zeit des Moratoriums ist nicht möglich.

Längerfristig betrachtet hat eine dreijährige Verlängerung des Moratoriums keine Folgen für die Gesamtwirtschaft. Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation oder auf die Standortattraktivität der Schweiz als Gesamtwirtschaft sind nicht zu erwarten.

5453

3.1.4

Alternative Regelungen

Grundsätzlich stehen zwei alternative Regelungen zur Diskussion: ein Verzicht auf eine Verlängerung oder eine fünfjährige Verlängerung des geltenden Moratoriums.

Im Falle eines Verzichts auf eine Verlängerung gilt nach Ablauf des geltenden Moratoriums für das Inverkehrbringen wieder das bestehende Gentechnikrecht.

Konkret würden damit insbesondere die nach Ansicht der Befürworterinnen und Befürworter einer Verlängerung notwendige praktikable Koexistenzlösung, das GVO-Monitoring und die Abstandregelung für Schutzgebiete fehlen; auch die erwarteten Erkenntnisse des NFP 59 stünden Ende 2010 noch nicht vollumfänglich zur Verfügung. Immerhin bestehen mit Artikel 9 FrSV bereits Grundsätze zum Schutz der Produktion von Erzeugnissen ohne GVO. Obwohl das schweizerische Gentechnikrecht auch ohne Moratorium zu den weltweit strengsten zählt und aufgrund ausländischer Quellen schon heute viele allgemeine Informationen zum Einsatz von GVO in der Landwirtschaft zur Verfügung stehen, besteht ein Mangel an Daten zur spezifisch schweizerischen Situation (z.B. bezüglich der Kleinräumigkeit der Schweizer Landwirtschaft).

Eine fünfjährige Verlängerung wird von vielen Befürworterinnen und Befürwortern einer Verlängerung ausdrücklich gewünscht. Eine solche Verlängerung würde nach dem Vorliegen der Ergebnisse des NFP 59 mehr Zeit als mit der jetzigen Vorlage geplant für die öffentliche und parlamentarische Diskussion und für die Ausarbeitung der noch fehlenden komplexen und aufwendigen Regelung einräumen.

Ein dreijähriges Moratorium hat gegenüber beiden Alternativen den Vorteil, dass es zwar eine zusätzliche, aber möglichst kurze Frist einräumt, in der die monierten Lücken in der Gesetzgebung geschlossen werden sollen. Im Falle einer dreijährigen Verlängerung sind die volkswirtschaftlichen Auswirkungen zudem besser abzuschätzen als bei längeren Fristen.

3.1.5

Zweckmässigkeit im Vollzug

Der Vollzug der geplanten Übergangsbestimmung im Gentechnikgesetz ist sehr einfach. Für die Zeit bis zum Ablauf des Moratoriums werden vom Bund keine Bewilligungen für den Anbau von GVO in der Umwelt erteilt. Trotz Moratorium können jedoch Bewilligungsgesuche für gentechnisch veränderte Sorten eingereicht, von den zuständigen Stellen geprüft und gegebenenfalls für die Zeit nach Ablauf des Moratoriums bewilligt werden.

3.2

Auswirkungen auf die Forschung

Der Bundesrat hat in seiner Botschaft vom 18. August 2004 keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Forschung erwartet, weil diese vom Moratorium nicht direkt betroffen ist. Er ist hingegen davon ausgegangen, dass ­

der Forschungsstandort Schweiz international an Ansehen verlieren könnte,

­

die Investitionen der Wirtschaft in die Forschung reduziert werden könnten, und

5454

­

unsichere Perspektiven für die Forschenden zu Abwanderungen und damit zu einem Wissensverlust führen könnten (BBl 2004 4937 4947 f.).

Nicht zuletzt um solchen indirekten Auswirkungen so weit als möglich vorzubeugen, hat der Bundesrat kurz nach Beginn des Moratoriums ein nationales Forschungsprogramm über «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59) lanciert. Der Schwerpunkt ist dabei so gelegt worden, dass gerade für die in der öffentlichen Diskussion stehenden Bereiche wie Wechselwirkungen mit der Umwelt, biologische Sicherheit und Koexistenz ausreichende finanzielle Mittel zur Förderung der Forschung zur Verfügung stehen. Im Mai 2007 hat der Nationale Forschungsrat eine Reihe von Projekten zu den erwähnten Themen bewilligt.

Für drei Projekte des NFP 59 sind beim BAFU Gesuche für Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen eingegangen. Im September 2007 hat das BAFU diese Gesuche und damit die Freisetzung von gentechnisch verändertem Weizen beziehungsweise von Hybriden Weizen/Wildgras Aegilops an den Standorten Zürich-Reckenholz und Pully (VD) bewilligt. Damit werden ­ trotz Moratorium in der Landwirtschaft ­ erstmals in der Schweiz während dreier Jahre mehrere Freisetzungsversuche gleichzeitig durchgeführt. Nicht ganz unerwartet sind bei der Durchführung dieser Freisetzungsversuche Verzögerungen bzw. Widerstände (Beschwerden, Demonstrationen usw.) aufgetreten. Diese sind indessen nicht dem Moratorium anzulasten, sondern sind eine Folge der ablehnenden Haltung von Teilen der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnologie.

Der Grossteil der gentechnischen Forschung in der Schweiz findet im geschlossenen System (Laboratorien, Gewächshäuser, Produktionsanlagen) statt. Alle Forschungsprojekte mit gentechnisch veränderten Organismen werden der Kontaktstelle Biotechnologie des Bundes gemeldet und von den Bundesämtern für Gesundheit und für Umwelt überprüft. Die statistischen Daten der Kontaktstelle Biotechnologie des Bundes (Tabelle 1) zeigen, dass die Zahl der pro Jahr eingegangenen Meldungen mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen und Tieren (Tabelle 1 Spalte 1) seit Beginn des Moratoriums (Jahre 2006­2008) gegenüber den 3 vorangehenden Jahren höher liegt. Auch die Anzahl der Meldungen von Forschungsprojekten mit gentechnisch veränderten Pflanzen (Tabelle 1 Spalte 2) ist seit dem Beginn des Moratoriums Ende 2005 leicht höher als in den Jahren vor dem Moratorium. Eine mögliche
negative Auswirkung des Moratoriums auf die Forschung in geschlossenen Systemen ist somit durch die in den letzten Jahren erhöhten finanziellen Ressourcen mehr als kompensiert worden.

5455

Tabelle 1 Gemeldete Forschungsprojekte mit GVO in der Schweiz im geschlossenen System (Anzahl Meldungen an die Kontaktstelle Biotechnologie des Bundes; der Balken markiert den ungefähren Moratoriumsbeginn) Jahr

Meldungen mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen und Tieren

Meldungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen

2008 2007 2006

173 218 217

15 21 9

2005 2004 2003 2002

126 103 120 123

9 10 13 5

Forschungskreise befürchten indessen, dass eine Verlängerung des Moratoriums für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein falsches Signal setzen und die Pflanzenbiotechnologie als Wissenschaftszweig unattraktiv machen könnte. Sie sind zudem der Auffassung, dass die Lancierung des NFP 59 zwar richtig gewesen sei, die an die Forschenden gestellten Erwartungen aber zu hoch seien.

Im Hinblick auf die 2005 vom Bundesrat befürchtete Abnahme der Investitionen der Wirtschaft in die gentechnische Forschung gibt es für den Bereich der grünen Biotechnologie keine öffentlich verfügbaren Daten. Gemäss den Angaben in den Biotech-Reports 2007­2009 sind die Gesamtinvestitionen der Wirtschaft für alle Bereiche der Forschung der Biotechnologie zusammen von 1533 Millionen (2005) auf 2070 Millionen Franken (2008) angestiegen.1 Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Anteil der Investitionen in den grünen Biotechnologiebereich klein ist.

3.3

Personelle und finanzielle Auswirkungen auf Bund und Kantone

Das Moratorium hatte, wie erwartet, keine erwähnenswerten Auswirkungen auf Finanzen und Personal von Bund und Kantonen. Dasselbe wird auch für die Verlängerung des Moratoriums gelten.

1

Vgl. http://www2.eycom.ch/media/mediareleases/releases/20090331/de.aspx

5456

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 2008 über die Legislaturplanung 2007­2011 (BBl 2008 753) noch im Bundesbeschluss vom 18. September 2008 über die Legislaturplanung 2007­2011 (BBl 2008 8543) angekündigt. Der Bundesrat hat erst nach Verabschiedung seiner Botschaft zur Legislaturplanung beschlossen, den eidgenössischen Räten aus den unter vorstehender Ziffer 1.4 genannten Gründen eine dreijährige Verlängerung des Moratoriums zu beantragen.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzesmässigkeit, Erlassform

Materiell stützt sich die Vorlage auf Artikel 120 Absatz 1 BV: Das Moratorium hat zum Ziel, Menschen, deren Eigentum und die Umwelt vor Missbräuchen der Gentechnologie zu schützen. Es handelt sich um ein befristetes und partielles, einzig die Landwirtschaft betreffendes Verbot, das sachlich begründet werden kann (vgl.

insbes. Ziff. 1.4). Der Schutz vor Missbrauch bedeutet nicht nur, dass GVO weder gesundheits- noch umweltgefährdend sind, sondern auch, dass das Nebeneinander der landwirtschaftlichen Produktion mit und ohne GVO jederzeit gewährleistet ist, gerade auch im Hinblick auf den Eigentumsschutz. Im Gegensatz zu einem generellen Moratorium sprengt die Vorlage den Rahmen der Bundesverfassung, welche die Gentechnologie als solche grundsätzlich billigt, nicht.

Formell stützt sich die Vorlage auf Artikel 120 Absatz 2 BV, der dem Bund die Kompetenz gibt, Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen zu erlassen. Als wichtige rechtsetzende Bestimmung ist das Moratorium in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV). Das Gentechnikgesetz ist aufgrund seines regulativen Bezugspunktes ­ das technische Verfahren der Gentechnologie ­ das richtige Gefäss für die Verlängerung des Moratoriums, das aufgrund einer Volksinitiative ursprünglich in der Verfassung verankert worden ist. Die Verfassung soll nach Möglichkeit jedoch nicht mit Regelungen von kurzfristigem, temporärem Bestand belastet werden.

Als dreijähriges Verbot, Bewilligungen für das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem pflanzlichem Vermehrungsmaterial sowie von gentechnisch veränderten Tieren zu landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder waldwirtschaftlichen Zwecken zu erteilen, schränkt das Moratorium die Wirtschaftsfreiheit nach Artikel 27 BV ein (vgl. Botschaft, BBl 2004 4937 4951). Diese Einschränkung ist unter den Voraussetzungen von Artikel 36 BV zulässig. Mit dem neuen Artikel 37a GTG wird die erforderliche gesetzliche Grundlage zur Einschränkung von Grundrechten geschaffen (Art. 36 Abs. 1 BV). Da das Verbot zum Schutz von Mensch, Tier, Umwelt und biologischer Vielfalt sowie zum Schutz der Produktion von Erzeugnissen ohne GVO erlassen wird, liegt ein hinreichendes öffentliches Interesse für die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit vor (Art. 36 Abs. 2 BV). Diese Einschränkung ist aufgrund des befristeten und nur partiellen Verbots verhältnismässig (Art. 36 Abs. 3 BV).

5457

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

5.2.1

Welthandelsorganisation (WTO)

Der Bundesrat hat das Verhältnis des Moratoriums zum Regelwerk der WTO bereits in seiner Botschaft vom 18. August 2004 ausgeleuchtet (BBl 2004 4937 4948f.). Er kam dabei zum Schluss, dass nicht abschliessend gesagt werden könne, ob das Moratorium für gentechnisch verändertes pflanzliches Vermehrungsmaterial in der Landwirtschaft mit dem WTO-Recht vereinbar sei oder nicht. Die dortigen Ausführungen sind auch heute noch zutreffend und werden an dieser Stelle nicht wiederholt.

Was den im Jahr 2004 noch offenen, mittlerweile jedoch entschiedenen WTORechtsstreit (WT/DS291­293, European Communities ­ Measures Affecting the Approval and Marketing of Biotech Products) zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und Argentinien einerseits und der Europäischen Gemeinschaft (EG) andererseits betrifft, so ist dessen Ergebnis nicht unbedingt und unmittelbar auf das schweizerische Moratorium betreffend den landwirtschaftlichen Anbau von GVO übertragbar. Die zuständige WTO-Sondergruppe konstatierte in ihrem Bericht vom 29. September 2006 zwei Verletzungen des WTO-Übereinkommens über die Anwendung gesundheitlicher und pflanzenschutzrechtlicher Massnahmen (SPSÜbereinkommen, Anhang 1A.4 zum WTO-Abkommen; SR 0.632.20), das in erster Linie Durchführungsbestimmungen zu Artikel XX Buchstabe b des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 (GATT; SR 0.632.21) enthält: Einerseits hat die EG durch ihr faktisches Moratorium betreffend die Zulassung von GVO inklusive Lebens-, Futter- und Saatmittel gegen das Verzögerungsverbot bei Zulassungsverfahren (Art. 8 und Anhang C Ziff. 1 Bst. a SPS-Übereinkommen) verstossen, andererseits haben etliche Mitgliedstaaten Schutzmassnahmen (Produktverbote) ohne genügende Risikobewertung beziehungsweise wissenschaftliche Abstützung getroffen (Verstoss gegen Art. 2 Ziff. 2 sowie Art. 5 Ziff. 1 und 7 SPS-Übereinkommen). Die Frage, ob es sich bei gentechnisch veränderten Produkten um gleichartige Produkte wie herkömmliche Produkte im Sinne von Artikel III Ziffer 4 GATT handelt, hat die zuständige WTO-Sondergruppe ausdrücklich offen gelassen.

Die Ausgangslage beim schweizerischen Moratorium ist insofern anders, als sich dieses einzig auf das Inverkehrbringen, d.h. insbesondere den Anbau, von gentechnisch verändertem pflanzlichem Vermehrungsmaterial bezieht und nicht allgemein auf GVO
inklusive Lebens- und Futtermittel. Für diesen Bereich ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Schweiz während einer begrenzten Zeit rechtmässig auf das Vorsorgeprinzip von Artikel 5 Ziffer 7 des SPS-Übereinkommens berufen kann, bis die notwendigen zusätzlichen Informationen und Forschungsresultate für eine objektivere Risikobewertung vorliegen. Im Übrigen ist es weiterhin möglich, jederzeit mit den vom Moratorium betroffenen gentechnisch veränderten Organismen Forschung im geschlossenen System und mittels Freisetzungen gemäss den einschlägigen Rechtsvorschriften zu betreiben sowie nach erfolgreichem Abschluss der Forschung das Bewilligungsverfahren für die Freisetzung nach Moratoriumsablauf durchzuführen.

Was das bereits durchgeführte WTO-Notifikationsverfahren betrifft, so haben die USA und Kanada Bedenken betreffend die Moratoriumsverlängerung angemeldet.

Sie monierten, dass Bewilligungsverfahren betreffend GVO einzelfallweise und einzig auf der Basis von wissenschaftlichen Risikoanalysen durchgeführt werden 5458

müssten, was auch für den Miteinbezug der Öffentlichkeit zu gelten habe. Kanada stellte zudem Fragen mit Bezug auf die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verlängerung des Moratoriums, auf mögliche weitere Studien nach Abschluss des NFP 59 und auf die strafrechtlichen Konsequenzen eines Inverkehrbringens von GVO ohne vorgängige Bewilligung. Die Schweiz hat die Fragen der Notifikanten beantwortet und dabei bekräftigt, dass auch während der Dauer des Moratoriums ein Bewilligungsverfahren durchgeführt werden könne, die Moratoriumsverlängerung jedoch insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich sei.

5.2.2

Europäische Gemeinschaft

Wie bereits in der Botschaft vom 18. August 2004 (BBl 2004 4937 4950 f.) sowie oben (Ziff. 1.6) erwähnt, entspricht das schweizerische Moratorium grundsätzlich nicht dem geltenden EG-Recht. Die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (EG-Freisetzungsrichtlinie; ABl. L 106 vom 17.4.2001, S. 1) sieht Entscheidungen über das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem pflanzlichem Vermehrungsmaterial nach fallweiser Prüfung vor. Obwohl einige Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet verbieten (siehe Ziff. 1.6), kennt die EG seit 2004 kein faktisches GVO-Zulassungsmoratorium mehr.

Vor diesem Hintergrund gilt auch heute noch, dass das schweizerische Moratorium von der EG als nichttarifäres Handelshemmnis im Sinne von Artikel 13 des Freihandelsabkommens vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (SR 0.632.401) betrachtet werden könnte (vgl. Botschaft, BBl 2004 4937 4950 f.). Ein solches Handelshemmnis könnte jedoch dadurch gerechtfertigt werden, dass die Schweiz, nachdem verschiedene EG-Mitgliedstaaten den Anbau von bewilligtem gentechnisch verändertem Saatgut gestützt auf die Schutzklausel von Artikel 23 der EG-Freisetzungsrichtlinie ebenfalls verboten haben (vgl. Ziff. 1.6), ihrerseits zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren oder von Pflanzen von der Ausnahmeklausel des Artikels 20 des Freihandelsabkommens von 1972 Gebrauch macht.

Schliesslich steht auch das zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossene bilaterale Abkommen vom 21. Juni 1999 über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Landwirtschaftsabkommen; SR 0.916.026.81) einer Moratoriumsverlängerung nicht im Weg: Gemäss dessen Anhang 6 ist der bilaterale Verkehr von Saatgut zwar grundsätzlich liberalisiert, genetisch veränderte Sorten sind von den diesbezüglichen Bestimmungen jedoch ausdrücklich ausgenommen (Anhang 6 Art. 5 Abs. 3).

5.2.3

Cartagena-Protokoll

Im Weiteren ist das Verhältnis zwischen dem Moratorium und dem Protokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (SR 0.451.431), das in erster Linie Aspekte des grenzüberschreitenden Verbringens von GVO regelt, zu beachten (vgl. Botschaft, 5459

BBl 2004 4937 4951). Gesuche um Einfuhrbewilligungen für GVO kann die Schweiz als Vertragspartei entweder nach ihrem eigenen Regelwerk, das mit dem Protokoll vereinbar ist, oder nach einem vom Protokoll vorgegebenen Verfahren behandeln (vgl. Art. 9 Ziff. 2 Bst. c und Ziff. 3, Art. 10 und Art. 14 Ziff. 4). Zumindest im Rahmen des Letzteren ist aufgrund wissenschaftlicher Risikobeurteilungen zu entscheiden, wobei bei der Entscheidfindung auch Raum für die Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips besteht (vgl. Art. 1 und 10 Ziff. 6 sowie Anlage III des Protokolls). Auf dieses könnte sich die Schweiz beim befristeten Einfuhrverbot insbesondere von Saatgut berufen.

5460