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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Ermächtigung des Bundesrates zur Übertragung und Abänderung der Konzessionen für die Schweizerische Seethalbahn.

(Vom 22. Juni 1894.)

Tit.

Am 16. Mai 1894 ist unter der Firma ,, S c h w e i z e r i s c h e Seethalbahn-Gesellschaft und mit Sitz in Hochdorf eine Aktiengesellschaft gegründet worden zum Zwecke: 1. der Erwerbung und des Betriebes der bestehenden Seethalbahnlinie von Emmen brücke nach Lenzburg, mit Abzweigung von Beinwyl nach Reinach-Menziken; 2. des Baues und Betriebes einer Eisenbahn von Lenzburg-Stadt über Niederlenz nach Wildegg, mit Anschluß an die Stammlinie ; 3. des Betriebes anderer von der Gesellschaft eventuell zu bauender, zu erwerbender oder in Pacht zu nehmender weiterer Linien, sowie von Dampfbootunternehmungen im Verkehrsgebiet der Seethalbahn.

Zur Erfüllung dieses Zweckes beschafft die neue Gesellschaft ein Kapital von Fr. 1,850,000, und zwar Fr. 500,000 in Aktien und Fr. 1,350,000 in Obligationen. Sie erwirbt im Wege des Kaufes die unter Ziff. i bezeichnete, im Betrieb stehende Seethalbahnlinie und die Konzession der von ihr zu erstellenden, in Ziff. 2 aufgeführten Linie von der Bankfirma Burkhardt & Cie. in Zürich,.

«o ·welche das Unternehmen ihrerseits von der gegenwärtigen Eigentümerin, der ,,Lake valley of Switzerland railway Company limited" in London, durch Kauf an sich bringt.

Schon mit Eingabe vom 25. Mai 1894 stellte dann die Direktion ·der neuen Gesellschaft das Gesuch, es möchten die für die Seethalbahn bestehenden Konzessionen auf sie übertragen werden, und ergänzte diese Eingabe später durch Vorlage der auf den Übergang des Unternehmens bezüglichen Verträge uud weitern Akten.

Über diese Erwerbsakte ist in Kürze folgendes zu bemerken.

Mittelst Übereinkunft vom 20. März 1894 verkaufte der Vertreter der Schuldscheininhaber der englischen Seethalbahn-Gesell^ehaft in Verbindung mit dieser selbst den Herren Burkhardt & Cie.

in Zürich um einen Kaufpreis von £ 16,000 (Fr. 400,000) alle ihre Eigentumsrechte und Unternehmungen in der Schweiz, unter Überbindung aller damit zusammenhängenden Schulden, Verbindlichkeiten und Lasten jeder Art, speciell auch der mit dem Eigentumsübergang in der Schweiz verbundenen Ausgaben, ausgenommen jedoch die £ 59,650 (Fr. 1,491,250) betragenden englischen Schuldscheine nebst, deren Zinsen und alle andern Schulden der Gesellschaft gegenüber englischen Gläubigern, sowie ferner alle aus dem Verkaufe in England ·erwachsenden Unkosten. Sofort nach gerichtlicher Genehmigung der Übereinkunft hatte der Käufer eine Hinterlage von £ 1600 (Fr. 40,000) auf Rechnung des Kaufpreises zu leisten und den Rest der Kaufsumme am 15. Juni d. J. zu bezahlen. Nach Bezahlung der Kaufrestanz hat der Verkäufer in England diejenigen Doku·mente auszuwirken, welche den Käufern ermöglichen sollen, sich nach schweizerischem Rechte in den Besitz der ihnen verkauften Eisenbahnunternehmung zu setzen. Für diesen Kaufvertrag wurde die Genehmigung des Gerichtes vorbehalten, welche auf Ansuchen des Verkäufers, unterm 7. Mai 1894, ausgesprochen wurde. Der Richter verfügte in seinem bezüglichen Entscheid, welcher den Vertreter der englischen Schuldscheininhaber als Kläger und die dortige Seethalbahn-Gesellschaft als Beklagte aufführt, die Vollziehbarkeit der Übereinkunft (Kaufvertrag) zwischen dem Kläger, der Beklagten und der Firma Burkhardt & Cie., vom 20. März 1894, mit der ·weitern Bestimmung, daß die Hinterlage von £ 1600 vom Verkäufer dem Gerichte einzubezahlen sei und es den Herren Burkhardt & Cie. freistehe,
die Kaufrestanz dem Gerichte einzuzahlen.

Ferner lautet eine Bestimmung der richterlichen Verfügung dahin, ·daß nach Bezahlung von Depositum und Kaufrestanz die Käufer Burkhardt & Cie. in den Besitz der genannten Eisenbahn samt Zu'behörden eingesetzt werden. Die Hinterlage von £ 1600 wurde, -wie es für diesen Betrag im Vertrage vom 20. März ausdrucklich

81 vorgesehen war, mittelst Wechseln und in gleicher Weise dann auch die Kaufrestanz bezahlt. Die zur Deckung der letztern dem Vertreter der englischen Schuldscheininhaber eingehändigten Wechsel sind nun zwar von zwei als solid anerkannten Zürcher Bankinstituten indossiert, und es bestehen Ideine Gründe, an deren Einlösung zu zweifeln. Allein dieselben sind teilweise erst im Juli, der letzte am 12. Juli fällig, und solange die Einlösung nicht erfolgt ist, kann der Kaufpreis nicht als bezahlt betrachtet werden. Denn der Vertrag sieht diese Art der Zahlung für den Restbetrag von £ 14,400 nicht vor; es muß infolgedessen angenommen werden, daß B a r z a h l u n g verstanden war, mithin erst mit dieser, d. h. mit der Einlösung der Wechsel, der Kauf perfekt wird und das Eigentum^ an die Firma Burkhardt & Cie. wirklich übergeht, so daß diese rechtlich über das Bahnunternehmen durch Weiterverkauf verfügen kann. Der Vertreter der englischen Schuldscheininhaber bestätigte denn auch gegenüber unserm Eisenbahndepartement zwar die Zahlung des Kaufpreises in Wechseln (der letzte fällig am 12. Juli 1894), aber mit dem ausdrücklichen Beifügen, daß n a c h erf o l g t e r E i n l ö s u n g der W e c h s e l das Eigentum an der Bahn und Zubehörden gemäß der richterlichen Verfügung vom 7. Mai d. J.

an die Herren Burkhardt & Cie. in Zürich übergehen werde.

Zwischen den letztern und der Direktion der neuen SeethalbahnGesellschaft wurde dann ein Vertragsentwurf vereinbart, wonach jene dieser um den Preis von Fr. 1,500,000 übertragen: 1. die bestehende Seethalbahnlinie Emmenbrücke-Lenzburg mit der Abzweigung von Beinwyl nach Reinach-Menziken, d. h. die Bahnanlage und festen Einrichtungen, sämtliches Rollmaterial, Mobiliar und Gerätschaften, sowie ferner die Hülfskasse der Angestellten und den Erneuerungsfonds, alles, wie es von der englischen Gesellschaft erworben wurde, und nach Ausweis der zu genehmigenden Rechnungen und Bilanz für das Jahr 1893; 2. die Konzession für die Fortsetzung von Lenzburg nach Wildegg; 3. den Dampfschiffbetrieb auf dem Hallwvlersee gemäß den darüber bestehenden Verträgen;. 4. eine zur Beschaffung von Rollmaterial und zum Ausbau der alten Linie zu verwendende Barsumme von Fr. 100,000. Der Kaufpreis soll bezahlt werden durch Überlassung des am 1. Juli zahlbaren Aktien- und Obligationenkapitals
im Betrage von Fr. 500,000, beziehungsweise Fr. 1,000,000.

Von den besondern Bedingungen des Kaufvertrages sind nachstehende hervorzuheben.

Die Kaufsobjekte sind der Käuferin frei von Passiven zu übergeben und insbesondere bis 1. Juli die pfandversicherten und die laufenden Schulden von der Verkäuferschaft abzulösen. Die Käuferin Bundesblatt. 46. Jahrg. Bd. III.

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82 übernimmt die Kaufsobjekte mit allen zur Zeit der Übernahme daran sich knüpfenden konaessionsmäßigen und gesetzlichen Rechten und Pflichten. Die vorhandenen Materialvorräte sind im Kaufe nicht inbegriffen und von der Käuferin am 1. Juli zum Ankaufspreise zu übernehmen. Für den Übergang der Kaufsobjekte ist der 1. Juli festgesetzt. Der Reingewinn des Betriebs] ah res 1894 wird zu gleichen Teilen zwischen Verkäufern und Käuferin geteilt. Die letztere tritt auch an Stelle jener in die mit einem Komitee betreffend den Bau der Fortsetzung von Lenzburg nach Wildegg getroffene Vereinbarung ein, wonach dieses Komitee, unter Garantie der Herren Burkhardt
Diesem Vertragsentwurfe erteilte die Generalversammlung der Aktionäre der neuen Gesellschaft am 16. Juni 1894, ohne wesentliche Änderungen anzubringen, die Genehmigung.

Das Gesuch um Übertragung der in Frage kommenden Konzessionen wurde zur Vernehmlassung den beteiligten Regierungen von Luzern und Aargau mitgeteilt, welche sich beide, unterm 4. und 18. Juni abbin, in zustimmendem Sinne äußerten, die letztere unter Anbringung von zwei Begehren, über die bei Anlaß der definitiven Konzessionsübertragung oder der Statutengenehmigung zu entscheiden sein wird.

Nach den oben wiedergegebenen Bestimmungen des Kaufvertrages vom 20. März 1894 und der darauf bezüglichen richterlichen Verfügung nehmen wir mit dem Eisenbahndepartement, welches die Gesuchstellerin seinerseits in diesem Sinne beschied, an, daß das Eigentum an dem Kaufsobjekte zur Zeit noch nicht, übergegangen sei und daher auch die Herren Burkhardt & Cie.

noch nicht in der Lage sich befinden, in rechtsgültiger Weise das Seethalbahnunternehmen weiter zu veräußern. Unter diesen Umständen kann daher auch die nachgesuchte Konzessionsübertragung heute noch nicht ausgesprochen werden. Denn es wäre unseres Erachtens mit der Stellung der Bundesversammlung nicht vereinbar, wenn sie in solchem Falle einen bloß eventuellen Beschluß fassen würde für den Fall, daß die Kaufverträge perfekt werden, also das Inkrafttreten ihres Beschlusses von dem Willen privater Gesellschaften oder Bankhäuser abhängig machen wollte.

Auf der andern Seite ist allerdings auch zu beachten, daß aller Wahrscheinlichkeit
nach die Abtretungsverträge in nächster Zeit zur Perfektion gelangen und daß der Kaufvertrag mit der neuen Gesellschaft bezüglich Übergang des Eigentums, des Nutzens und Schadens, Zahlung des Kaufpreises etc. auf das Datum des 1. Juli 1894 abstellt und auf den-gleichen Zeitpunkt daa Aktien-

83 und Obligationenkapital einbezahlt, sowie die Konversion des frühern Anleihens, überhaupt die ganze geschäftliche Operation durchgeführt werden sollen. Bleibt nun die behördliche Genehmigung der letztern, d. h. die Konzessionsübertragung, bis zur nächsten Wintersession der Bundesversammlung aufgeschoben, so ergiebt sich für den Zeitraum eines halben Jahres ein ungesetzlicher Zustand, indem eine andere Gesellschaft als diejenige, welche rechtlich noch Inhaberin der Konzession ist, die aus letzterer fließenden Rechte ausübt, oder es könnte infolge der Niehtgenehmigung seitens der Aufsichtsbehörde das Zustandekommen des ganzen Geschäftes in Frage gestellt werden. Letzteres wäre aber zu bedauern, weil auch vom Standpunkte der staatlichen Interessen der Übergang der einzigen im Besitze einer ausländischen Gesellschaft stehenden Bahnunternehmung in der Schweiz an eine s c h w e i z e r i s c h e Gesellschaft gewünscht werden muß.

Wir schlagen Ihnen deshalb vor, zu dem in der letzten Zeit unter ähnlichen Umständen mehrfach angewendeten Verfahren zu greifen und den Bundesrat zur Vornahme der Konzessionsübertragung unter den notwendig erscheinenden Bedingungen auf den Zeitpunkt, wo der Übergang definitiv vor sich gegangen sein wird, zu ermächtigen.

Die Bestimmungen der beiden Kaufverträge, auf Grund welcher der Übergang des Unternehmens sich vollzieht, geben uns im allgemeinen zu Einwendungen nicht Anlaß und wir sind deshalb der Ansieht, daß dem Gesuche nicht bloß ohne Bedenken entsprochen werden kann, sondern daß die damit geschaffene Neubeordnung der Verhältnisse begrüßt werden muß.

Wir sind (wenigstens zur Zeit) auch nicht im Falle, besondere Bedingungen in Aussicht zu nehmen, an welche die Übertragung der Konzession zu knüpfen wäre. Dagegen- dürfte es am Platze sein, bei diesem Anlasse die in verschiedenen gesetzgeberischen Akten der Kantone und des Bundes zerstreuten Bestimmungen, welche die rechtliche Grundlage der einzelnen Teile des Seethalbahnunternehmens bilden, in eine einheitliche, der jetzigen Praxis und den veränderten Verhältnissen angepaßte Konzession zusammenzufassen. Die demgemäß vorzunehmenden Abänderungen werden vorzugsweise in der Ersetzung der auf die besondere Stellung einer ausländischen Gesellschaft und ihrer Vertretung in der Schweiz bezüglichen Bestimmungen durch die üblichen Vorschriften und ferner in der Redaktion der Rückkaufsbestimmungen im Sinne der jetzt geltenden Anschauungen zu bestehen haben.

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Indem wir Ihnen, Tit., die Annahme des nachstehenden Beschlußantrages empfehlen, benutzen wir auch diesen Anlaß zur Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 22. Juni 1894.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d es p r ä s i d e n t :

E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

85 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Ermächtigung des Bundesrates zur Übertragung und Abänderung der Konzessionen für die schweizerische Seethalbahn.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht: 1. eines Gesuches der Direktion der schweizerischen Seethalbahn, vom 25. Mai 1894, und seitherigen Eingaben ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 22. Juni 1894, beschließt: 1. Der Bundesrat wird ermächtigt, die für die bestehende Linie Bmmenbrücke-Lenzburg, mit Abzweigung von Beinwyl nach Reinach-Menziken, und für die noch zu erstellende Fortsetzung von Lenzburg nach Wildegg der ,,Lake valley of Switzerland railway Company limited tt in London zustehenden Konzessionen unter den notwendig erscheinenden Bedingungen von sich aus auf die am 16. Mai 1894 mit Sitz in Hochdorf gegründete neue Gesellschaft der schweizerischen Seethalbahn zu übertragen, unter gleichzeitiger Vornahme der durch die veränderten Verhältnisse bedingten Abänderungen und unter Aufstellung einer einheitlichen Konzession ftlr das ganze Unternehmen.

2. Der ßundesrat ist mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Ermächtigung des Bundesrates zur Übertragung und Abänderung der Konzessionen für die Schweizerische Seethalbahn. (Vom 22. Juni 1894.)

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27.06.1894

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