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Schweizerisches Bundesblatt.

43. Jahrgang. III.

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Nr. 30.

22. Juli 1891.

Bundesrathsbeschluß über

die Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Ascona (Isole).

(Vom

14. Juli 1891.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen der Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Ascona (Isole) nach dem Bericht des Justiz- und Polizeidepartements folgenden T h a t b e s t a n d gefunden :

A. Betreffend die Gemeinde Brissago.

I. Am 3. Februar 1889 fragte die Kanzlei der Munizipalität den Regierungskommissär an, ob ihr nicht gestattet werde, auf das ausgestellte Stimmregister für die Großrathswahlen vom 3. März noch einzutragen : J o p p i n i, Difendente, di Giuseppe, Polizeisoldat, und C r o c i , Giorgio, fu Giuseppe, Polizeisoldat.

Der Kommissär antwortete Nein, da nach Art. 7 des Gesetzes vom 3. Dezember 1888 nur auf formellen Entscheid der Oberbehörde hin irgend eine Aenderung am Stimmregister vorgenommen werden dürfe.

Mit Schreiben vom 8. Februar ersuchte die Kanzlei der Munizipalität den Kommissär, in ihr Stimmregister V a c c a n i , Giacomo, Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

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1086 fu Daldino, von Gandria, geboren den 4. April 1861, einzutragen,, sie habe das auch selbst in dem bei ihr zurückgebliebenen Exemplar des Registers gethan.

Der Kommissär gab wieder die nämliche Antwort und untersagte jede Aenderung des zurückgebliebenen Exemplars.

Das Nämliche geschah mit Bezug auf F o r n i , Lorenzo, fu Lorenzo, von Pollegio.

II. Mit Schreiben vom 21. Februar wandte sieh Vaecani, Giacomo, Grenzwächter, an den Bundesrath. Er schreibt: Ich schrieb an meine Heimatgemeinde Gandria, man solle mich in das Stimmregister für die Wahlen vom 3. März eintragen; die Munizipalität antwortete mir, ich habe am Domizil zu stimmen^ wo meine Frau wohne, Vaca Ilo, und ich schrieb daher an die dortige Munizipalität. Diese gab mir die Antwort, ich habe zu stimmen in meiner Heimatgemeinde Gandria oder hier in Brissago^ wo ich stationirt bin. Sofort ging ich zur Munizipalitätskanzlei von Brissago; da antwortete man mir, ich könne nicht mehr aufgenommen werden ohne eine spezielle Erlaubnis des Regierungskommissärs, aber dieser verweigerte meine Eintragung. Ich .bitte nun den Bundesrath, mich in meinen politischen Rechten zu schützen ; in den 4 Jahren, seit ich Grenzwächter bin, bin ich wie im Aktivbürgerrecht eingestellt, habe in keiner Gemeinde mehr stimmen können.

u!. Am 2. März telegraphirte das liberale Komite von Lugano aus an den Bundesrath : Crivelli, Giovanni, von Gandria, Zollgehülfe in Brissago, mit Dienst auf den Dampfbooten des Langensees, Mantegani, Giovanni, von Gandria, in gleicher Stellung, Vaecani, Giacomo, Grenzwächter zu Madonna del Ponte io Brissago, sind ungeachtet ihrer Reklamationen weder in Brissago noch in Locamo noch in Gandria eingeschrieben worden ; wir bitten um Schutz.

IV. Mit Urkunde, d. d. Brissago, 3. März 1889, protestirte Caporgno, Pietro, fu Pietro, von Someo, seit mehr als 10 Monaten in Brissago domizilirt, gegen seine Ausschließung vom Stimmregister von Brissago, da er hier gehörig seine Gemeindesteuern bezahlt habe und die Munizipalität ihn auch nach den Befehlen des Kommissärs hätte einschreiben sollen. Er fügt hinzu, daß er für die

1087 liberale Liste gestimmt haben würde, bestehend aus den Herren Emilio Pedroli, Roberto Chiappini, Firmino Pancaldi.

V. Die Untersuchung des Bundesdelegirten ergab Folgendes: Crivelli, Giovanni, Zollgehülfe auf den Dampfschiffen, von Gandria, wohnhaft und übernachtend in Brissago, während seine Frau sieh seit zwei oder drei Jahren in Vira Gambarogno befindet, zahlt in Brissago keine Steuern, wandte sich am 6. Februar an die Munizipalität von Brissago mit dem Begehren, eingetragen zu werden, erhielt aber zur Antwort, daß es zu spät sei, rekurrirte auch an den Kommissär vergeblich.

Mantegaui, Giovanni, Zollwächter, von Gandria, seit ungefähr einem Monat in Brissago wohnhaft, früher in Fornasette, wo man ihn aber nicht einschreiben wollte, hat seine Familie und Liegenschaften in Brissago und zahlt da seine Steuern, war nicht eingeschrieben, erschien aber zur Wahl und wurde zugelassen.

Vaccani, Giacomo, Zollwächter, von Gandria, seit ungefähr zwei Jahren in Brissago, unverheiralhet, zahlt keine Steuern, wurde nachträglich eingetragen und hat an der Wahl Theil genommen.

Caporgno, Pietro, fu Pietro, von Someo, seit ungefähr zehn Monaten in ßrissago wohnhaft, verreiste einen Monat vor der Wahl, kehrte aber am 3. März zurück, um zu stimmen, hat sich nie angemeldet und war darum auch nie eingeschrieben, ist unverheirathet, zahlt keine Steuern, wurdo zur Ahstimmung nicht zugelassen.

Der Regierungskommissär, vom Bundesdelegirten zur Berichterstattung über diese Angelegenheiten aufgefordert, antwortete : ,,Mit Briefen der Munizipalität von Brissago vom 3. und 5.

Februar wurde die Eintragung des Pfarrgehülfen und zweier Polizeisoldaten verlangt, von denen man annehmen muß, daß sie Konservative seien ; der dritte Brief verlangte nicht, sondern theilte mit die willkürliche Eintragung eines Radikalen. Immer wurde die nämliche Antwort gegeben." Er führt Beispiele aus andern Gemeinden dafür an, daß er immer unparteiisch verfahren sei, wenn auch die Opposition wie Adler geschrieen habe. Wer sich übrigens im Recht gefühlt habe, habe den gesetzlichen Rechtsweg eingeschlagen und sei nicht nach Bern gelaufen u. s. w.

B. Betreffend die Gemeinde Ronco.

VI. Mit Eingabe vom 3. März 1889 Analphabeten :

beschweren sich zwei

1088 Poroli, Martino, fu Giov. Batt., und Beltramelli, Andrea, beim Bundesrathe und beim Staatsrathe über die durch Dekret des Kommissärs vom 10. Februar verfügte und im Dekret desselben vom 1. März festgehaltene Streichung ihrer Namen im Stimmregister.

Der Bundesrath zieht in Erwägung: In sämmtlichen vorstehend angeführten Fällen ist der gesetzlich vorgeschriebene Instanzenzug bis zur obersten kantonalen Verwaltungsbehörde nicht innegehalten worden, der Bundesrath daher nicht kompetent, auf die erhobenen Beschwerden einzutreten.

Demnach hat der Bundesrath beschlossen: 1. Auf die vorstehenden Rekursbeschwerden wird nicht eingetreten.

2. Mittheilung an den Staatsrath des Kantons Tessin für sich und zu Händen der betheiligten Behörden und Bürger.

B e r n , den 14. Juli 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der ßundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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Bundesrathsbeschluß über die Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3.

März 1889 im tessinischen Wahlkreise Ascona (Isole). (Vom 14. Juli 1891.)

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30

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22.07.1891

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1085-1088

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