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Bundesrathsbeschluß über

die Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen "Wahlkreise Magliasina.

(Vom 21. Juli 1891.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat

in Sachen der Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Magliasina nach dem Bericht des Justiz- und Polizeidepartements folgenden T h a t b e s t a n d gefunden: A. Betreffend die Gemeinde Casiano.

I. Mit Eingabe vom 3. Februar 1889 verlangte Signorini, Giovanni, beim Regierungskommissär die S t r e i c h u n g folgender im Stimmregister der Gemeinde für die Großrathswahl vom 3. März aufgenommenen Bürger: Muschietti, Giovanni Battista, fu Bartolomeo, Muschietti, Pietro, di Battista, Muschietti, Carlo, di Battista, von Breno, domizilirt in Ardena (Italien) und mit den Steuern im Rückstand.

Cairoli, Giuseppe, fu Pasquale, der in Wahrheit Giuseppe Cocchi heiße, von Pasquale Cairoli aus dem Findelhaus von Mailand genommen und wie ein Kind des Hauses erzogen worden sei.

1099 Greppi, Angelo, fu Giuseppe, seit mehr als 8 Jahren in Zürich domizilirt.

Vicari, Cristoforo, seit vielen Jahren in St. Gallen domizilirt.

Die Munizipalität antwortete: Die Maschietti waren immer in Caslano domizilirt und eingesehrieben, wenn nicht mit Steuern im Rückstand.

Cairoli, Giuseppe, von Iseo. Wir wissen nichts davon, daß er ein Findelkind sei, er thut auch den Militärdienst unter diesem Namen; so steht er auf unsern Registern und hat auch die Steuern immer bezahlt.

Greppi hat keinen festen Wohnsitz in irgend einer andern Gemeinde der Schweiz, sondern hält sich für seinen Beruf bald da, bald dort auf.

Vicari. Mit seiner Streichung sind wir einverstanden.

Der Kommissär erklärte : Die Muschielti haben seit Jahren ihr Domizil in Caslano verloren, sind auch in Folge ihres Wegzuges nicht immer auf dem dortigen Register gestanden; sie haben auch nie r e g e l m ä ß i g ihre Steuern daselbst bezahlt; nach einer Erklärung der Munizipalität von Breno haben sie daselbst seit 15 Jahren die gesetzlich geforderten Gemeindesteuern nicht mehr bezahlt, Kantonalsteuer haben sie nirgends bezahlt.

Cairoli. Aus einem Dokument vom 19. Februar 1877 geht hervor, daß er kein Anderer ist als Giuseppe Cocchi aus dem Findelhaus von Mailand; ein Giuseppe Cairoli in Caslano erscheint auch nicht auf der Bevölkerungstabelle des kantonalen statistischen Bureau ; er wurde auch, obwohl 1856 geboren, nie militärisch eingetheilt, sondern nur in die Listen von 1886 hineingeschmuggelt, hat auch kein Dienstbüchlein; es ist nicht ausgeschlossen, daß er zum Schaden der Gemeinde Iseo unterschoben werden soll, wo der verstorbene Pasquale Cairoli, sein angeblicher Vater, Bürger war.

Greppi. Was die Munizipalität zugibt, genügt, um auszusprechen, daß er daselbst das Domizil verloren hat.

Demgemäß werden alle Genannten gestrichen. Das Dekret wurde der Munizipalität mitgetheilt am 19. Februar. Mit Eingabe d. d. 21. Februar, eingereicht den 22., erklärte sie die Appellation hiegegen an den Staatsrath. Dieser aber wies dieselbe ohne Weiteres wegen Verspätung ab, da in der Appellationsfrist von 3 Tagen auch der Tag der Mittheilung des angefochtenen Dekretes inbegriffen sei, weil das Gegentheil, wenn der Gesetzgeber es ge-

1100 wollt hätte, gesagt worden wäre wie im Gesetz von 1863. Die Munizipalität besehwerte sich hierüber beim Bundesrath als über eine offenbare Rech tsver Weigerung.

Mit Telegramm vom 1. März fragte der Sindaco den Bundesrath an, ob die fünf in Fact. I erwähnten Bürger nicht stimmen ·dürfen.

II. Am nämlichen Tage telegraphirte Pietro Possi dem Bundesrathe : Gestern Abend erhielt die Munizipalität von Caslano den Auftrag des Kommissärs, im Stimmregister die drei Bürger Rapetti, Giuseppe, Antonio, Stefano, welche in Paris wohnen, zu streichen, während sie mit ihren Steuern in Ordnung sind. Ich bitte um den Schutz ihres Stimmrechts.

Am 2. März telegraphirte die Munizipalität an den Bundesrath : Fontana, Grenzwächter, stationirt in Caslano seit einem Monat, nirgends im Kanton eingeschrieben, verlangt mit Recht, auf unserem Stimmregister eingetragen zu werden. Auf unsere Anfrage gibt der Kommissär von Lugano keine Antwort. Dürfen wir den Mann -eintragen?

III. Die Untersuchung des Bundesdelegirten ergab Folgendes: Fontana, Giosuè, di Pietro, von Novazzano, Grenzwächter, Ende Januar 1889 von Locamo nach Caslano versetzt, hat seine Familie in Novazzauo. Die Munizipalität von Caslano fragte am 14. Februar den Kommissär an, ob sie ihn einschreiben dürfe, da er sonst nirgends eingeschrieben sei; der Kommissär sandte der Munizipalität wohl eine Verfügung am 28. Februar über die Streichung von fünf Bürgern, sprach aber darin kein Wort von Fontana. Man hat ihn dann stimmen lassen.

Rapetti, drei Brüder, Maler, in Paris, zahlen die Steuern in Caslano und kehren von Zeit zu Zeit dahin zurück, wurden von der Munizipalität lediglich vergessen, dann aber zur Abstimmung augelassen.

Biasca, Giuseppe, Ziegelbrenner, von und in Caslano, im "Winter in Gravira, zahlt die Steuern, ebenfalls lediglich vergessen.

Maschietti, Vater und zwei Söhne, Bauern, von Breno, seit ungefähr 15 Jahren in Ardena, wo sie Familien haben, zahlen in Caslrtno die Steuern, zahlten 1888 die Rückstände der drei vorhergehenden Jahre; der Vater und der eine Sohn kamen und haben gestimmt.

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Cairoli, Giuseppe, fu Pasquale, Gypser, von Iseo, unverheirathet, war immer eingeschrieben, zahlt die Steuern. Die Munizipalität prodnzirte ein Dokument derjenigen von Iseo, d. d. 3. November 1883, welche bezeugt, daß Cairoli, Giuseppe, geboren 29. Oktober 1856, Sohn des verstorbenen Pasquale, als ihr Bürger anerkannt wird. Er hat gestimmt.

Greppi, Angelo, fu Giuseppe, Unternehmer, seit mehr als 15 Jahren in andern Kantonen, kehrt etwa jedes Jahr einmal heim, Wittwer, zahlt die Steuern in Caslano. Hat gestimmt.

Die Stadtrathskünzlei Zürich a-nlwortete dem Delegirten auf «eine · Anfrage, daß Greppi nicht auf ihrem Stimrnregister stehe.

B. Betreffend die Gemeinde Ponte Tresa.

IV. Am 4. Februar 1889 verlangte Francesco Giani beim Üegierungskommissär die Streichung von '18 Bürgern vom Stirnrnregister dieser Gemeinde, die mit Steuert) im Rückstande seien, von 4 weiteren, die auch iu der Heimatsgemeinde im Rückstand seien, von Camponovo, Sebastiano, fu Zaccaria, weil almosengenössig, Ferregutti, Adolfo, fu Ludovico, von Pura, weil nicht hier domizilirt und mit Steuern im Rückstand, Paltenghi, Giovanni, fu Carlo, von Croglio, und Paltenghi, Angelo, di Paolo, von Croglio, in Italien wohnhaft und mit Steuern im Rückstand, Rossi, Leone, fu Nicola, von Croglio, wegen Steuerrückstandes, JSomazzi, Giuseppe, di Pietro, von Barbeugo, und Somazzi, Giovanni, di Pietro, von Barbengo, ohne Domizil in Ponte Tresa und mit Steuern ina Rückstand, Stoppani, Carlo, di Leone, in Neuehatel domizilirt, Agustoni, Donato, di Pietro, von Magadino, Grenzwächter, früher in Ponte Tresa, seit 3. Dezember 1(388 nach Lugano versetzt, ·und die E i n t r a g u n g von Baroni, Paolo, fu Battista, domizilirt in Agno, aber daselbst nicht auf das Stimmregister genommen, Giani, Francesco.

Die Munizipalität bestritt die in der Eingabe gemachten Angaben und machte darauf aufmerksam, daß bei : Agustoni am 2. März die 3 Monate seines Domizils in Lugano noch nicht verflossen sein werden, Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

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1102 Baroni seit 11. November 1888 ständig in Agno domizilirt sei, Giani Angestellter in Lugano sei, wo er auch sein Wahlrecht im Oktober 1887 ausgeübt habe.

Der Kommissär erklärte: Die Steuerregister zeigen, daß: Falconi, Carlo, di Francesco, Lingeri, Carlo, fu Pietro, Pellegrini, Pietro, fu Luigi, Somazzi, Giuseppe, di Pietro, Sornazzi, Giovanni, di Pietro, Bertoli, Carlo, von Novaggio, im Ausland oder andern Kantonen der Schweiz domizilirt sind, ihre Familien bei sich haben, in Ponte Tresa nur das testatico zahlen, indem sie mit Bezug auf das focatico mit ihren hiesigeu Verwandten zusammengenommen werden ; Borri, Ferdinande, Paltenghi, Giovanni, Paltenghi, Angelo, Rossi, Leone, sind über 3 Jahre mit der Zahlung des focatico in Croglio itn Rückstand ; so auch die beiden Somazzi in Barbengo, ihrer Heimatsgemeinde; Stoppani, Carlo, di Leone, war in Neuchâtel eingeschrieben, wenn auch jetzt wieder gestricheo; Agustoni, Donato, ist vor mehr als 3 Monaten von Ponte Tresa weggezogen. Nach dem Regierungsbeschluß vom 28. Februar 1881, betreffend die Polizeisoldaten und die Grenzwächter, soll ein solcher an seinem Heimatort oder an dem Orte, wo seine Familie niedergelassen ist, sein Stimmrecht ausüben; Albisetti, Falconi, Tognetti können nicht durch verspätete Zahlung ihrer Rückstände das Stimmrecht erwerben; Giani, Francesco, hat trotz seiner Anstellung in Lugano doch sein Domizil in Ponte Tresa rdcht aufgegeben ; hier wohnt seine Familie, von der er nicht getrennt ist.

Es wurde demgemäß die Streichung von 16 Bürgern und die Eintragung von Giani, Francesco, angeordnet.

Hiegegen appelline die Munizipalität an den Slaatsrath, indem sie sich zugleich über die Verzögerung des Entscheides des Kommissärs über die gesetzliche Frist hinaus beschwerte und diesen

1103 Entscheid infolge dieser Verspätung für nichtig erklärte. Im Einzelnen wird früher Gesagtes wiederholt und hinzugefügt : Von den 6 Erstgenannten ist nur: Lingeri, Carlo, in einem andern Kanton der Schweiz; es ist uns nicht bekannt, daß er dort sein Domizil habe; hier hat er immer die Steuern bezahlt, der Gegner hätte das Aufgeben seines hiesigen Domizils zu beweisen gehabt.

Nach den Grundsätzen des Kommissärs müßten auch noch 6 andere (mit Namen bezeichnete) Bürger gestrichen werden, und noch viele Andere: Borri, Ferdinande, hat immer die Steuern bezahlt; Rossi, Leone, brauchte die Steuern nicht zu zahlen, da er erst seit dem 11. November vorigen Jahres hier niedergelassen ist; Paltenghi, beide, im Ausland wohnhaft, zahlen regelmäßig ihre Steuern ; die Familie ist hier domizilirt seit mehr als 60 Jahren; in Croglio waren sie nie eingeschrieben; Somazzi, Brüder, sind in Ordnung mit ihren Steuern ; was sie oder Andere in anderen Gemeinden zahlen, geht uns nichts an, wir müßten sonst alle Baroni, Rossi u. s. w. streichen ; De Stoppani, Carlo, ist nur wegen schwerer Krankheit in diesem Momente nicht in Ponte Tresa, sondern bei seinem Vater in Lugano ; Giani, Franc., wohnt und schläft in Lugano; hieher kommt er nur hie und da schnell an einem Festtag; dort ist er eingeschrieben und hat er an verschiedenen Abstimmungen Theil genommen.

Auch Giani, Alessandro, appellirte gegen das Dekret des Kommissärs an den Staatsrath, und zwar deswegen, weil dasselbe eine Streichung von 4 weiteren Bürgern, die in der Eingabe vom 4. Februar verlangt worden war, abgewiesen hatte.

Der Staatsrath wies jedoch die beidseitigen Appellationen ohne weitere Erörterung ,,aus den vom Kommissär angegebenen Gründen" ab. Bezüglich der Verzögerung des Entscheides erklärte er, daß bei der Geschäftslast des Kommissärs kein Grund zu einer Rüge vorliege ; für die Rechte der Rekurrentin sei sie ohnehin unerheblich, so lange nur überhaupt noch Zeit zur Anrufung und Entscheidung des Staatsrathes übrig bleibe.

V. Schon am 23. Februar hatte die Munizipalität eine Abschrift ihres an den Staatsrath gerichteten Rekurses an den Bundesrath geschickt.

1104 Am 1. März sandte der Sindaco eine telegrophische Depesche an don Bundesrath, des Inhaltes : Righetti, zwei Brüder, sind auf unsern Stimmregistern vergessen und dann den 7. und 22. ds. Mts. noch eingeschrieben worden; der Kommissär aber befiehlt, sie wieder zu streichen.

Mit Depesche vom 2. März bat die Munizipalität den Bundesrath dringend um seinen Schutz gegen die von den Oberbehörden verfügten Streichungen von Bürgern.

Am 3. März unterzeichneten 8 Bürger einen Protest ^egen ihre Ausschließung und erklärten, daß sie für die radikalen Kandidaten gestimmt haben würden. Sie wurden zu einer besonder!» Urne zugelassen, in welche sie ihre Stimmen abgaben; diese sind vom Wahlbüreau nicht mitgezählt worden.

Am 27. März lichtete die Munizipalität au das eidsï. Justiz,departement ein Memorandum, in welchem sie ihre Beschwerden wiederholte und hinzufügte: Ganz in der gleichen Lage wie Falconi, Lingeri u. s. w. sind auch noch 7 (mit Namen benannte) Bürger und Andere, die nicht gestrichen worden sind; ganz in der gleichen wie Borri, Palteughi, d. h. nicht auch in der Heimatgemeiude Steuern zahlend, sind auch 5 (mit Namen benannte) Bürger und Andere.

Tognetti, Agostino, zahlte seine Steuerrücksiände, bevor er sein Stitnrnreeht ausübte.

Righetti, zwc.i Brüder, waren lediglich vergessen worden.

Dies wurde dem Kommissär schriftlich und mündlich mitgetheilt.

Er erklärte auch, er habe keinen Grund, an miserai Vorbringen zu zweifeln, und bewilligte die Eintragung der Beiden; nachher aber mit Verfügung vom 28. Februar befahl er ,,auf höhere Ordre", sie wieder zu streichen bei Vermeidung von Strafe. Viele sind deswegen gar nicht heimgekommen, weil sie wußten, daß sie gestrichen worden waren.

Der Staatsrath schrieb an den Bundesdelegirten, z u r r e c h t e n Z e i t und in regulärer Weise sei kein Gesuch betreffend die Righetti an ihn gerichtet worden.

VI. Die Untersuchung des Bundesdelegirten hat ergeben: Fontana, Carlo, Kalkbrenner, von Ponte Tresa, war periodischer Auswanderer, im Sommer in Turin, im Winter in Ponte Tresa, ist nun aber in den zwei letzten Jahren nicht zurückgekommen; seine Familie wohnt immer in Turin; er hat immer in Ponte Tresa gestimmt und zahlt daselbst die Steuern, und zwar vollständig.

1105 Lingeri, Carlo, Schreiner, seit einigen Jahren in Neuchâtel, hat seine Steuern immer bezahlt.

Pellegrini, Pietro, fu Luigi, mit Familie seit vielen Jahren in Turin, kommt fast jedes Jahr für einige Tage nach Ponte Tresa, zahlt die Steuern.

Somazzi, Giuseppe, di Pietro, von Barbengo, seit Jahren Gastwirth, rnit Familie in Mentone, kommt oft im Sommer für einige Monate nach Ponte Tresa, zahlt seine Steuern.

Bertoli, Carlo, di Giuseppe, von Novaggio, seit Jahren in Leniate (Italien) mit Familie als Gemeindearzt, zahlt die Steuern.

Borri, Ferdinundo, Schuster, von Croglio, seit mehr als zwei Jahren mit Familie in Ponte Tresa, zahlt die Steuern daselbst.

Paltenghi, Giov., fu Carlo, Schreiner von Croglio, seit 30 Jahren in Ponte Tresa mit Familie, zahlt da die Steuern.

Paltenghi, Angelo, von Croglio, unverheirathet, ist seit ungefähr einem Jahr Angestellter an der internationalen Eisenbahnstation von Luino; seine nächsten Verwandten wohnen und haben immer gewohnt in Ponte Tresa; da zahlt er die Steuern.

Rossi, Leone, fu Nicola, Taglöhner, von Croglio, seit 11. November 1888 mit Familie in Poute Tresa.

Agnstoni, Donato, von Magadino, Grenzwäehter, am 3. Dezember v. J. von Ponte Tresa nach Lugano versetzt, hat jetzt in Folge des Entscheides des Staatsrathes in Lugano gestimmt.

Alhisetti, Agostino, Maurer, von Ponte Tresa, seit Jahren in St. Gallen wohnhaft, seine Familie in Ponte Tresa; er zahlt da die Steuern.

Falconi, Fioravante, Maler, von Ponte Tresa, ledig, wohnhaft in Gavirate (Italien), kam seit vier Jahren nicht mehr nach Ponte Tresa und zahlt keine Steuern daselbst.

Tognetti, Agostino, Maurer, von Ponte Tresa, ledig, seit drei Jahren im Elsaß wohnhaft.

Tognetti, Carlo, ebenso.

Righetti, Alessandro, fu Bernardino, Maler, ledig, wohnhaft in Ponte Tresa, vergessen s. o.

Righetti, Rodolfo, seit Jahren mit Familie in Montone. Der Kommissär bestrilt, daß er zuerst die Brlaubniß zur Eintragung dieser Beiden ertheilt habe.

1106 C. Betreffend die Gemeinde Astano.

VII. Am 20. Februar 1889 schrieb die Munizipalität an den Bundesrath Folgendes : Am 31. Januar d. J. verlangten zwei Bürger beim Regierungskommissär, daß in das Stimmregister unserer Gemeinde noch eingetragen werden : Morandi, Giovanni, fu Giuseppe, und Boschetti, Eugenio, fu Giorgio, die lediglich aus Versehen unserer Kanzlei weggelassen worden sind.

Die Munizipalität anerkannte dies mit Schreiben vom 3. Februar d. J. an den Kommissär ohne Weiteres und bat um die Erlaubniß, sie einzutragen. Nach dem Gesetze hätte der Kommissär innert acht Tagen seine Verfügung mittheilen sollen; wir haben aber bis heute noch keine Antwort erhalten. An den Staatsrath können wir uns nicht wenden, da an ihn die Appellation gegen das zu erlassende Dekret des Kommissärs gehen wird; die Zeit drängt aber, und wir möchten die Genannten nicht um ihr Stimmrecht gebracht sehen; wir bitten daher, den Kommissär an seine Pflicht zu mahnen.

Die Untersuchung des Bundesdelegirten ergab : Morandi, Giovanni, fu Giuseppe, Hirt, von und in Astano, zahlt daselbst die Steuern, war immer daselbst eingeschrieben.

Da er vergessen worden war, fragte am 3. Februar die Munizipalität den Kommissär an, ob sie ihn nicht eintragen dürfe, erhielt aber keine Antwort. Er wurde .zur Wahl zugelassen.

Boschetti, Eugenio, fu Giorgio, Maler, lebt in Frankreich.

D. Betreffend die Gemeinde Bedigliora.

VIII. Die Bürger Morandi, Raimondo, di Gaetano, und Amadò, Luigi, di Carlo, unterzeichneten ein gedrucktes Formular d. d. 3. März 1889, durch welches sie gegen ihren Ausschluß von der Stimmurne protestirten und erklärten, daß sie, wenn zugelassen, für die radikalen Kandidaten gestimmt haben würden.

E. Betreffend die Gemeinde Croglio.

IX. Am 18. Februar 1889 richtete Amadeo Andina eine Eingabe an den Bundesrath und, wie er schreibt, eine gleichlautende auch an deu Staatsrath, durch welche er sich darüber

1107 beschwerte, daß der Kommissär im Stimmregister der Gemeinde acht Bürger gestrichen habe aus folgenden Gründen: Comazzi, Domenico, von Gerra (Verzasca), weil seit acht Monaten von Croglio abwesend; Gasparini, Carlo, Grenzwächter, in Stabio; Gobba, Luigi, fu Angelo, wohnhaft in Fontaines; 3 Marcoli, in der Innerschweiz wohnhaft; Postizzi, Luigi, in Morcote wohnhaft; Paltenghi, Giuseppe, fu Luigi, in Ciarens wohnhaft.

Weder die Betreffenden noch ihre in Croglio wohnenden Familien haben irgend eine Mittheilung von dieser Streichung erhalten von Seite der Munizipalität, weder mündlich noch schriftlich ; darum haben sie auch dem Kommissär keine Eingabe machen können, worauf dieser einfach das Begehren ihrer Streichung gut geheißen habe. Nun sei aber zu sagen : Comazzi hat schon vor drei Jahren sein Domizil nach Croglio verlegt, daselbst bis dahin auch immer unbeanstandet gestimmt; von da weg ist er nach Grenoble (Frankreich") verreist, wo er sich noch befindet.

Die andern sieben Bürger sind sämmtlich Angehörige der Gemeinde Cïoglio, in welcher Gemeinde sie die kantonalen und die ·Gemeindesteuern, sowie die Militärtaxen bezahlen.

Am folgenden Tage fügte Andina hinzu : Die acht Gestrichenen sind liberal, die Munizipalität gehört zur Regierungspartei; darum verheimlichte sie sorgfältig die angeordnete Streichung, damit die Antwort nicht mehr rechtzeitig an den Kommissär eingereicht werden könne. Dieser gab seinen Entscheid erst drei Tage nach Ablauf der gesetzlichen Frist, und die Streichungen konnte man nicht vor dem 17. d. M. erfahren Ich rekurrirte sofort an den Staatsrath. Damit er mir aber nicht endgültig, wie Andern, sein ,,zu späta entgegenrufe, wende ich mich zugleich an den Bund.

Am 3. März unterzeichneten die Genannten außer Postizzi und Paltenghi einen gedruckten Protest gegen ihre Ausschließung und erklärten, daß sie für die radikalen Kandidaten gestimmt haben würden.

Andina reichte ein Verzeichniß von fünfzehn Bürgern ein, von denen er schrieb, daß sie konservativ, in ganz gleicher Stellung wie die Gestrichenen, aber auf dem Stimmregister stehen gelassen worden seien.

X. Die Untersuchung des Bundesdelegirten ergab Folgendes: Comazzi, Domenico, Maurer, von Gerra (Verzasca), ist seit ungefähr acht Monaten in 'Grenoble, wird als periodischer Aus-

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wanderer bezeichnet, zahlt die Steuern in Croglio, hat seine Familie in Grenoble.

Gasparini, Carlo, von Croglio, Grenzwächter, in Stabio, hat Frau und Kinder in Croglio und zahlt da die Steuern.

Gobba, Luigi, fu Angelo, ist mit seiner Familie in Fontaines.

Marceli, Eugenio, Antonio und Giovanni, Gypser, uuverheirathet, seit mehreren Jahren nicht mehr nach Croglio zurückgekehrt.

Postizzi, Luigi, Bauer, seit Jahren mit Familie in Moreote.

Das Dekret des Kommissärs strich ihn in Croglio, ohne davon vorschriftsgemäß nach Moreote Mittheilung zu machen, damit er dort stimmen könnte.

Paltenghi, Giuseppe, fu Luigi, ist seit vielen Jahren mit Familie in Ciarens.

Der Kommissär erklärte, daß er keine Reklamation gegen da» ausgestellte Stimmregister von Croglio erhalten habe.

Der Staatsrath weiß nichts von einem diesfälligen Rekurse.

F. Betreffend die Gemeinde Miglieglia, XI. Am 14. Februar 1889 schrieb Zanini, Giovanni Graziano, an den Bundesrath: Aus Afrika zurückgekehrt, wollte ich der Munizipalität meine Steuerrüekstände bezahlen, um in das Stimmregister aufgenommen zu werden; allein auf Anfrage der Munizipalität untersagte dies der Kommissär.

Er beschwerte sich hierüber und unterzeichnete am 3. März einen Protest gegen seine Ausschließung mit dem Zusatz, daß er für die radikalen Kandidaten gestimmt haben würde.

Der B u n d e s r a t h nie h t in E r w ä g u n g : 1. Was die Kompetenz des Bundesrathes zur Enlscheidung der vorliegenden Rekurse betrifft, so ist vor Allem zu beachten, daß eine Reihe von Bürgern, deren Stitnmrecht hier streitig ist, schweizerische Niedergelassene sind. Nach der Bundesverfassung, Art. 102, Ziffer 2, zusammengehalten mit Art. 113, ferner nach Art. 59, Ziffer 5, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874 ist die Entscheidung vou Rekursen betreffend Rechte der Niedergelassenen, welche sich auf Art. 43 der Bundesverfassung slützen, Sache des Bundesrathes. Der zitirte Art. 43 bestimmt in Absatz 5, daß der niedergelassene Schweizerbürger in kantonalen Angelegenheiten das Stimmrecht nach einer

1109 Niederlassung von drei Monaten erwerbe. Da gerade dieses Stimmrecht den hierortigen Streitgegenstand bildet, so ist damit die Kompetenz des Bundesrathes begründet. Daß unter den niedergelassenen Sehv\ eizerbürgern des zitirten Art. 43 nicht nur die außerkantonalen, sondern auch die im Niederlassungskanton selbst verbürgerten zu verstehen sind, ist von den Bundesbehörden von jeher angenommen und festgehalten worden, vergleiche den Entscheid des Bundesrathes betreffend die Munizipalwahlen von Locamo vom 1. Mai 1887, Erwägung 1.

2. In Bezug auf die Anwendung des kantonalen Rechts bei kantonalen Wahlen ist Folgendes in Betracht zu ziehen : Den Kanlonsbehörden gehört allerdings die Handhabung des kantonalen Rechts; sie haben dasselbe auszulegen und festzustellen.

Wenn aber in einem Gebiete, dessen Schulz der Bund übernommen hat, von den kantonalen Behörden bei gleichen Verhältnissen ungleiches Recht angewendet, das einmal festgestellte Recht nicht überall gleichmäßig gehaudhabt wird, so haben die davon betroffenen Bürger laut Art. 4 der Bundesverfassung das Recht, den Schutz des Bundes anzurufen, und der Bund hat die Aufgabe, die Kantonsbehörde zur Handhabung des von ihr in gleichartigen Fällen festgestellten Rechtes zu verhalten. Es haben übrigens die Bundesbehörden auch für das kantonale Slimmrecht bindende Grundsätze aufgestellt, -welche die Kantonsbehörden nicht mißachten dürfen (vergleiche Entscheid des Bundesrathes in Sachen Dürnten, Bundesblatt 1876. Bd. I, p. 437).

Nun wird von den Rekurrenten gerade das behauptet, daß die Gleichheit der Bürger durch die Entscheidungen der Munizipalitäten, des Regierungskommissärs und des Staatsrathes des Kantons Tessin verletzt worden, sei, und ihre Beschwerden stützen sich gerade auf Art. 4 der Bundesverfassung und Art. 5 derselben, durch welchen der Bund die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger gewährleistet. Es ist also in der That die Aufgabe des Bundes, zu prüfen, ob die Beschwerden begründet sind oder nicht.

Und zwar fällt diese Prüfung in die Kompetenz des Bundesrathes, da laut Art. 102, Ziffer 2, der Bundesverfassung, zusammengehalten mit Art. 59, Ziffer 9, des Bnndesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874, Beschwerden gegen die Gültigkeit kantonaler Wahlen dem Entscheide des Bundesrathes unterliegen (vergleiche
Entscheid betreffend Sessa, Bundesblatt 1875, Bd. IV, p. 429, bestätigt von der Bundesversammlung; betreffend Caneggio, Bundesblatt 1877, Bd. IV, p. 133, ebenfalls von der Bundesversammlung bestätigt).

1110 3. Gegen die Behandlung dieser Angelegenheit durch den Bundesrath wendet nun aber der Staatsrath des Kantons Tessin vor Allem ein, daß von den Rekurrenten nicht alle kantonalen Instanzen durchlaufen worden seien, daß denselben vielmehr noch die Appellation gegen den Entscheid des Staatsrathes an den Großen Rath oflen gestanden wäre, und daß daher nach feststehender eidgenössischer Praxis die Rekurrenten angebrachler Maßen anzuweisen seien.

Es ist richtig, daß der Bundesrath erklärt hat, daß nach konstanter Praxis die in Ari. 59, Ziffer 9, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vorgeseheneu Beschwerden gegen die Gültigkeit kantonaler Wahlen erst dann beim Bundesrathe angehoben werden können, wenn die zuständigen kantonalen Behörden entschieden haben. So lehnte der Bundesrath seine Intervention auf eine Beschwerde hin ab, welche dahin ging, daß die Regierung des Kantons Luzern die Kassation stattgefundener Richterwahlen, bei denen die Kantonsverfassung verlet/.t worden sei, abgewiesen hatte, gestützt darauf, daß nach § 51 der Luzerner Verfassung über diesfällige Entscheide des Regierungsrathes die Beschwerdeführung an den Großen Rath vorbehalten ist (Bundesbl. 1878, Bd. U, p. 496), und ebenso wurde entschieden in Sachen Gruyère am 15. Dezember 1881 (vergi. Entscheid i. S. Escholzmatt, Bundesbl. 1884, Bd. II, p. 760 ff.).

Die hier zur Anwendung kommenden Art. 6 und 7 des tessinischen Gesetzes über das Verfahren in nicht streitigen Verwaltungssachen vom 27. November 1863 bestimmen ausdrücklich: ,,Gegen den Entscheid des Staatsrathes können die Parteien den Rekurs an den Großen Rath ergreifen, der in seiner nächsten ordentlichen Sitzung zu entscheiden hat. Dieser Rekurs ist innerhalb der pererntorischen Frist von 15 Tagen von der Mittheilung des Entscheides der Regierung beim Regierungskommissär einzureichen, der ihn dem Staatsrath übermittelt. a Es steht fest, daß ein solcher Rekurs von den Rekurrenten nicht eingereicht worden ist.

e. Allein der Bundesrath hat im Geschäftsberichte über das Jahr 1875, welcher von der Bundesversammlung genehmigt worden ist, hinwieder grundsätzlich erklärt, die Durchlaufung aller kantonalen Instanzen bilde nicht für alle Fälle eine Voraussetzung seiner Kompetenz. Er spricht sich nämlich daselbst folgendermaßen aus (Bundesbl. 1876, Bd. II, p. 258) : ,,Wir müssen darauf halten, daß die höhern kantonalen Behörden nicht ohne Weiteres umgangen werden. Wo es sich um

lili Verletzung k a n t o n a l e r Verfassungsvorschriften handelt, müssen alle kantonalen Instanzen angerufen sein und entschieden haben, bevor ein Rekurs angenommen werden kann. Wenn es sich dagegen um Verletzung der B u n d e s v e r f a s s u n g oder von Bundesgesetzen, insbesondere um klar und bestimmt aufgestellte Individualrechte der Bürger handelt, so kann zwar ohne Zweifel gegen jede Verfügung kantonaler Behörden, welche eine solche Verletzung bewirkt, haben sollen, an die Bundesbehörden rekurrirt werden, allein wir fördern eine solche Umgehung der kantonalen Regierungen keineswegs. In der Regel sollte zunächst bei der Kantonsregierung Beschwerde geführt werden und erst gegen einen solchen Entscheid Rekurs an die Bundesbehörden stattfinden. ct Im vorliegenden Falle handelt es sich in der That um eine Verletzung der Bundesverfassung.

Einige Rekurrenten haben die kantonalen Instanzen nicht ordnungsgemäß bis zur Kantonsregierung hinauf durchlaufen, und es rechtfertigt sich, diese von vomeherein von der Hand zu weisen, da gar nichts dafür vorliegt, daß dem Betreten dieses regelrechten Weges Schwierigkeiten in den Weg gelegt worden wären. Soweit aber der Tustanzenzug in der That bis zur obersten Administrativbehörde des Landes hinauf durchlaufen worden ist, würde eine solche Abweisung durchaus ungerechtfertigt erscheinen, wenn man bedenkt, daß nach Art. 10 des Gesetzes vom 27. November 1863 der Rekurs gegen den Entscheid des Staatsrathes die Exekution desselben weder unterbricht noch aufhebt (non interrompono uè sospendono), also nicht als ordentliches, sondern als außerordentliches Rechtsmittel erscheint, das hier gerade den von den Rekurrenten zunächst verfolgten Zweck, die Theilnahme oder den Ausschluß von den bevorstehenden Wahlen zu erzielen, verfehlt haben würde, und daß es sich gerade um die Wahlen von Mitgliedern des Großen Käthes handelte, welche zu der die Mehrheit desselben bildenden politischen Pai-tei gehören.

5. Eine große Anzahl von Bürgern sind aus dem Grunde gestrichen worden, daß sie nicht das Domizil in der betreffenden Gemeinde besitzen. Als Domizil kann in der That nur derjenige Ort angesehen werden, an welchem der Bürger thatsächlich wohnt.

Weder die Bundesverfassung noch die tessinischen Gesetze berechtigen zu der Ansicht, daß ein fiktives Domizil anzunehmen sei.
D'.ese Ansicht müßte auch zu großer Unsicherheit und unter Umständen weitläufigen Untersuchungen führen. Nur das Eine ist zuzugestehen, daß, da bei einem Wechsel des Domizils das Stimmrecht am neuen Niederlassungsorte erst nach Ablauf von drei Monaten erworben isi, der Bürger aber nicht unterdessen lediglich dieses

1112 Wechsels wegen seines Aktivbürgerrechtes beraubt sein kann, während dieser Zeit noch sein Stimmrecht ani alten Domizil fortdauern muß. Dagegen ist die Ansicht zu verwerfen, daß der im Auslande befindliche Tessiner Bürger, der seineu heimatlichen Wohnsitz aufgegeben hat, noch ein politisches Domizil an seinem Heimatorte habe; im Gegentheil hat das Gesetz vom 15. Juli 1880 grundsätzlich gerade im Gegensatz zum Heimatorte den Ort des Domizils für das politische Stimmrecht maßgebend erklärt.

Nun stellt sieh freilich heraus, daß eine Menge von Bürgern, welche diesen Requisiten des Domizils keineswegs entsprachen, gleichwohl zur Stimmurne zugelassen worden sind und ihre Stimmen abgegeben haben, während andere gestrichen wurden. Es ist dadurch, wie nicht geleugnet werden kann, eine Ungleichheit in der Behandlung der Bürger entstanden, welche um so schreiender erscheinen mußte, als die zugelassenen Bürger der politischen Partei der Regierung, dio gestrichenen der politischen Gegenpartei angehörten. Allein der Grund dieses Resultates liegt nicht in der Willkür der Behörden, sondern in dem Umstände, daß es Menschen gab, die gewissenlos genug waren, bei denjenigen Bürgern, denen das Requisit des Domizils zu fehlen schien, nur diejenigen auszulösen, welche zur politischen Gegenpartei gehörten, und bloß i h r e Streichung zu verlangen, die anderen aber ruhig ihre unberechtigte Stimme abgeben zu lassen, und daß dann den betreffenden Munizipalitäten keine Zeit mehr zu Gebote stand, doch wenigstens eine gleichmäßige Behandlung aller Bürger mit Erfolg zu verlangen ; am allerschlimmsten würde aber sein, wenn wahr sein sollte, was behauptet wird, aber hier nicht weiter untersucht zu werden braucht, daß Oberbehörden durch sorgfätiges Geheimhalten solcher Streichungsbegehren ein derartiges Treiben unterstützt haben. Allein, so verwerflich auch dergleichen Parteimanöver sind, so kann doch der Umstand, daß die einen Bürger mit Unrecht zur Wahl zugelassen worden sind, nicht dazu führen, dass andere Unberechtigte nun ebenfalls zugelassen werden müssen.

6. Andere Bürger sind deßwegen ausgeschlossen worden, weil sie mit ihren Steuern im Rückstände geblieben seien. Diesfalls ist Folgendes zu beachten : Art. 4 des tessinischen Gesetzes über die Ausübung des Aktivbürgerrechtes sagt : ,,Ausgeschlossen von der Ausübung
des Aktivbürgerrechtes ist: e. Wer seit zwei Jahren die Kantons- und die Gemeindesteuern nicht bezahlt.

Diese Ausschließungsgründe hören mit ihrer Beseitigung auf zu wirken. "

1113 Danach ist klar, daß ein Bürger nicht ausgeschlossen werden kann wegen des Rückstandes von Steuern nur eines Jahres, oder wegen des Rückstandes nur eines Theils der Steuern für die zwei letzten Jahre.

Auch kann von einem Rückstande dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Steuevforderung verjährt ist, was mit dem Ablauf von 5 Jahren der Fall ist. Es kann sieh also bei diesem Ausschließungsgrunde nur um Rückstände aus den letzten 5 Jahren handeln.

+ Es ist ferner die Frage, wie es sich verhalte mit denjenigen Bürgern, die gar nicht um Zahlung ihrer Steuern angegangen worden sind. Dabei ist zu beachten, daß in den tessinisehen Gemeinden nicht, wie anderwärts, jedem einzelnen Steuerpflichtigen ein Steuerzettel in's Haus geschickt zu werden seheint, sondern lediglich eine öffentliche Aufforderung, die Steuern zu bestimmter Zeit beim Einnehmer zu bezahlen, erlassen wird. Man kann also wohl daraus schließen, daß eben jeder Steuerpflichtige, welcher dieser Aufforderung nicht Folge leistet, unter Art. 4, lit. e, lalle. Allein bei näherem Zusehen erscheint dieser Schluß doch bedenklich.

Es ist ja leicht möglich, daß ein Aktivbürger gar nicht weiß, oder nicht daran denkt, daß er steuerpflichtig sei, ineint, daß er schon bezahlt habe, oder daß ein Anderer für ihn bezahlt hnbe, oder sogar mit Recht sich für nicht steuerpflichtig hält, während die Gemeindehehörde ihn unter die Pflichtigen autgenommen hat; hieran aber ohne Weiteres die so weit gehende Folge des Entzuges des Aktivhürgerrechtes xu knüpfen, erseheint nicht als gerechtfertigt. Zahlt Jemiind nicht, während er auf dem Steuerregister steht, so ist es wahrhaftig nicht zu viel verlangt, daß er eine spezielle Aufforderung zur Zahlung erhalte, bevor man ihn seines Stimmrechtes verlustig erklärt; das Gegentheil würde einer Gemeindebehörde von politischer Parteifarbe das Mittel an die Hand geben, bei einem Wähler von der Gegenpartei zur Nichtzahlung der Steuer einfach fein stillzuschweigen, um ihn dann nachher unversehens seines Wahlrechtes zu berauben, und schon der Schein eines solchen Manövers ist zu vermeiden. Der Bundesrath kann daher die Auslegung des Gesetzes, wonach es einer erfolglosen Aufforderung an den Rückständigen, die Steuer zu bezahlen, gar nicht bedürfte, um ihn des Aktivbürgerrechtes zu berauben, nicht theilen. Vollends kann von
einem Enlzuge des Aktivbürgerrechtes, wenn der Bürger gar nicht auf dem Steuerregister erscheint, also von ihm auch nicht einmal durch das öffentliche Register eine Steuer verlangt worden ist, keine Rede sein.

1114 7. Da der angeführte Art. 4 bestimmt, daß mit der Beseitigung eines Ausschließungsgrundes auch seine Wirkung aufhöre, so wird der Aktivbürger mit dem Momente, in welchem er die Rückstände von zwei Jahren bezahlt, stimmberechtigt. Allein damit ist noch nicht gesagt, daß er nun sofort schon an der unmittelbar darauf folgenden Abstimmung theilnehmen könne; vielmehr müssen in seiner Person auch außerdem alle diejenigen Requisite erfüllt sein, welche das Gesetz für die Theilnahme an einer Wahl aufstellt, und zu diesen Requisiten gehört vor Allem, daß der Betreffende auf Anordnung einer der kompetenten Behörden in das öffentliche Stimmregister aufgenommen worden sei. Daraus folgt ohne Weiteres, daß alle Diejenigen, welche erst zur Abstimmung mit den Rückständen in der Hand erschienen, und gegen deren Entrichtung zur Wahl zugelassen zu werden verlangten, mit Recht zurückgewiesen worden sind.

Es fragt sich ferner, ob die Munizipalität auch noch nach Ausstellung des Stimmregisters Recht und Pflicht gehabt habe, einen Aktivluirger, der seine Rückstände bezahlte, in das Stimmregister aufzunehmen. Diese Frage ist zu verneinen.

Wenn auch ernste Zweifel darüber bestehen, ob das Gesetz vom 3. Dezember 1888 reehtsbeständig sei, weil es die Genehmigung des Bundes nicht erhalten hat, so will und kann der Bundesrath doch den kantonalen Behörden nicht verwehren, eine Praxis zu befolgen, die mit den Vorschriften jenes Gesetzes in einem Spezialpunkte übereinstimmt, da das vom Bundesrathe genehmigte Gesetz von 1880 über diesen Punkt schweigt und die eingeschlagene Praxis mit dem Inhalte dieses Gesetzes nicht in Widerspruch steht.

Nur daran muß der Bundesrath festhalten, daß die Praxis der kantonalen Behörden allen Bürgern gegenüber die gleiche sei. Nun verbietet Art. 7 des Gesetzes vom 3. Dezember 1888 den Munizipalitäten durchaus, nach Publikation des Stimmregisters von sich aus irgend welche Modifikationen an denselben anzubringen ; nach Art. 2 daselbst kann das Begehren um Aufnahme in das Stimmregister nach der Publikation nur noch beim Regierungskommissär gestellt werden.

Nach den Großrathsverhandlungen, welche bei der Berathung dieses Gesetzes gepflogen worden sind, ging die Tendenz des Gesetzgebers offenbar dahin, das Stimmregister von seiner Ausstellung an unabhängig zu machen von jeder Verfügung der
Munizipalität, und Aeuderungen derselben, wie sie gerade in Locamo im Jahre 1887 noch sogar am Wahltage selbst vorgekommen waren, durchaus auszuschließen. Darnach ist zweifellos, daß die Munizipalität auch gegen Zahlung der Rückstände nach Ausstellung des Stimm-

1115 registers nicht mehr im Stande ist, von sich aus den Zahlenden in das Stimmregister aufzunehmen.

Eine andere Frage ist, ob der Kommissär die Aufnahme eines solchen nachträglich Zahlenden noch verfügen kann, vorausgesetzt, daß die Zahlung und der Rekurs an ihn innerhalb der in Art. 2 hiefür angesetzten Frist von 15 Tagen seit Publikation des Stimmregisters eingereicht wird; denn nachher ist gemäß ausdrücklicher Bestimmung dieses Artikels keine Reklamation dieser Art mehr zuläßig.

Diese Frage muß bejaht werden. Der Grundsatz des Gesetzes ist nicht etwa der, daß durchaus derjenige Thatbestand maßgebend sein soll, welcher im Momente der Publikation des Stimmregisters vorhanden ist; vielmehr bestimmt Art. l, § l, desselben ausdrücklich, daß auch diejenigen Bürger aufgenommen werden sollen, welche noch n a c h dieser Publikation und bis zum Tage der Abstimmung entweder volljährig werden oder die vorgeschriebenen drei Monate des Domizils vollenden. Irn Zweifel ist aber auch hier zu Gunsten der Aufnahme in das Stiinmregister zu entscheiden.

Wenn nun während dieser Frist ein Gesuch um Aufnahme gegen Zahlung der Rückstände an eine Munizipalität gerichtet wurde, so konnte nach dem Gesagten diese nicht von sich aua entsprechen; dagegen war es ein Gebot des Auslandes, daß sie den Petenten nicht einfach abwies oder gar im Ungewissen über den Erfolg seines Gesuches ließ, sondern ihn vielmehr an die kompetente Behörde, den Kommissä--, verwies. Indessen kann, wenn sie das nicht gethan hat, eine rechtliche Folge zu seinen Gunsten durc.haus nicht gezogen werden, da eine förmliche Rechtspflicht der Gemeinde, so zu handeln, nicht bestand.

Aus dem Vorstehenden darf nicht etwa gefolgert werden, daß Rückstände auch noch während der Frist der Appellation an den Staatsrath mit dem Erfolge des Stimmrechtserwerbes haben bezahlt werden können, denn dieses ausdrücklich als Appellation bezeichnete, innert der kurzen Frist von 3 Tagen zu ergreifende Rechtsmittel hat lediglich den Zweck, entscheiden zu lassen, ob der Kommissär gestützt auf den ihm vorgelegten Thatbestand richtig entschieden habe oder nicht, und das ist offenbar auch der Sinn des Rekurses an den Großen Rath. Freilich setzt dies voraus, daß dem durch dus Dekret des Kommissärs betroffenen Bürger auch die Gründe des über ihn getroffenen Entscheides mitgetheilt
werden, was nicht in allen vorliegenden Fällen geschehen ist.

Da nun bei den vorliegenden Wahlen gesetzesgemäß die Publikation der Stimmregister am 22. Januar stattgefunden hat, so konnte

1116 noch durch Eingabe vom 7. Februar an den Kommissär unter Geltendmachung der Quittungen für die bezahlten Stellerrückstände die Aufnahme in das Stimmregister verlangt werden, später nicht mehr.

8. Der Rekurs der Gemeinde Caslano ist vom Staatsrathe wegen Verspätung zurückgewiesen worden.

Was die Verspätung betrifft, so bestimmt Art. 4 des Gesetzes über die Abfassung der Stimmregister für die periodische Wahl des Großen Rathes vom 3. Dezember 1888 Folgendes: ,,Gegen den Entscheid des Kommissärs steht innerhalb drei Tagen von dei Mittheilung au die Appellation an den Staatsrath offen, welchem die Gegenparteien ihre Bemerkungen innerhalb dreier Tage einreichen können. " Es fragt sich nun, wie diese Appellationsfrist von drei Tagen zu berechnen ist. Das Gesetz selbst sagt hierüber lediglieh in Art. 10: ,,Die in diesem Gesetz bestimmten Fristen sind ununterbrochene (sogenanntes tempuss continuum)". Das Gesetz vom 15.

Juli 1880 über die Ausübung des Aktivbürgerrechts enthält gar keine direkte Bestimmung hierüber. Dagegen sagt dasselbe in Art. 8, daß alle Fragen betreffend seine Anwendung gemäß dem Gesetze über das Administrativverfahren vom 27. November 1863 zu behandeln seien. In diesem letzteren Gesetze spricht Art. 2 vom Rekurs an den Staatsrath, und Art. 12 lautet: ,,Die Fristen dieses Gesetzes sind tempus continuum, ohne Ausschluß der Festlage; jedoch werden in die Frist weder der Tag der Zustellung noch derjenige des Ablaufes mit eingerechnet (non computandosi però nel termine né quello dell' iutimazione né quello della scadenza). ct Danach ist also nicht nur der Tag der Zustellung der Verfügung des Kommissars, sondern auch derjenige der Einreichung der Rekursschrift an die Munizipalität zu Händen des Staatsrathes nicht mitzurechnen. Wenn dem gegenüber in den Dekreten des Staatsrathes betont wird, daß das Gesetz ausdrücklich sage ,, i n n e r t drei Tagen" ( e n t r o tre giorni), so kann dieser Umstand biegegen nicht ins Gewicht fallen; denn auch dus zitirte Gesetz vom 27.

November 1863 selbst, welches bestimmt, daß die Fristen in der angegebenen Weise berechnet werden sollen, bedient sich für deren Bezeichnung des nämlichen Ausdruckes (so art. l, § l : entro 10 giorni; art. 2: entro giorni quindici dalla comunicazione; mi. 7 : entro il perentorio termine di 15 giorni), der eben nur sagen will ,,vor Ablauf der Frist". Noch weniger gerechtfertigt ober und kaum zu begreifen ist die Argumentation der Dekrete des Staats-

1117 rathes, daß der Gesetzgeber in der Frist von drei Tagen beide Tage, den der Insinuation des appellirten Entscheides und den der Einreichung der Appellationsschrift, mit in begriffen haben müsse, weil er, wenn er etwas Anderes gewollt hätte, das gesagt haben würde, wie in dem Gesetz von 1863; denn der Staatsrath erklärt ja selbst mit Recht, das Gesetz vom Jahre 1880- stehe noch in Kraft, und dieses verweist ja gerade auf jenes von 1863. Uebiigens wenn das nicht der Fall wäre, so dürfte daraus gewiß nicht geschlossen werden, daß nun gerade das Gegentheil gelte. Berechnet doch auch das schweizerische Obligationenrecht Art. 88, das gemeine Recht Deutschlands, der Codice di Proc. Civ. Ital. art. 43, wie das Gesetz von 1863 bei Fristen den Tag der Zustellung nicht, und sagt doch das tessinische Civilprozeßgesetz in Art. 567 ausdrücklich, daß in die Fristen weder der Tag der Zustellung noch derjenige des Auslaufes der Frist einzurechnen sei.

Da nun das angefochtene Dekret der Munizipalität am 19. Februar mitgetheilt und ihr Rekurs am 22. desselben Monats eingereicht worden ist, so ist klar, daß eine Verspätung in Wahrheit nicht vorliegt und muß daher materiell auf ihre Reklamationen eingetreten werden.

9. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß in Caslano die drei Muschietti mit Recht wegen fehlenden Domizils gestrichen worden sind.

Da Fontana, Cairoli und Greppi schließlich zur Wahl zugelassen wurden, so ist der Rekurs mit Bezug auf sie gegenstandslos geworden. Richtiger Weise hätte wohl Fontana iu Novazzano, wo seine Familie sich aufhält, stimmen sollen, und wäre wohl Greppi, weil nicht in Caslano domizilirt, nicht zuzulassen gewesen. Was dagegen Cairoli betrifft, so hat doch wohl zuerst die -Gemeinde Iseo darüber zu entscheiden, ob sie ihn als ihren Bürger anerkennen will oder nicht; und so lange dieser von ihr in bejahendem Sinn getroffene Entscheid nicht gesetzmäßig aufgehoben ist, wird der Betreffende auch von jeder anderen Gemeinde als stimmberechtigter Bürger anerkannt werden müssen. Die 3 Rappetti sind nicht in Caslano domizilirt und daher mit Unrecht daselbst zur Abstimmung zugelassen worden. Betreffend diese 3 Bürger und ßiasca würde übrigens ohnehin der Bundesrath nicht in der Lage gewesen sein, einen Entscheid zu fällen, da nicht vorliegt, daß dieselben eine kantonale Instanz über der
Munizipalität angerufen haben.

10. Was die Streichungen von Ponte Tresa betrifft, so seheint der Kommissär der Meinung gewesen zu sein, es sei seine Aufgabe, bei jedem Bürger, welcher ihm denunzirt worden war, nachzuspüren, ob sich noch irgendwo eine Steuer finden lasse, welche Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

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1118 er noch nicht bezahlt habe, und ihn dann, wenn ja, vom Stimmregister auszuschließen; und er hat sich dafür in der That große Mühe gegeben. Allein nach dem in Erwägung 6 Gesagten ist die» in Wahrheit nicht der Fall und die Munizipalität von Ponte Tresa hat insbesondere mit vollem Recht betont, daß es sie nichts angehe, ob ein Niedergelassener in seiner Heimatgemeinde noch Steuern zu zahlen habe oder nicht. Dagegen behauptet sie nicht mit Recht, daß das Dekret des Kommissärs wegen verspäteten Erlasses nichtig sei; denn eine solche Wirkung ist vom Gesetze nicht auf die Verspätung gesetzt und kann es nicht sein, da es ja keineo Sinn haben würde, bloß wegen dieses Fehlers eines Beamten Stimmberechtigte ihres Stimmrechtes verlustig zu erklären und Unberechtigte stimmen zu lassen.

11. Demgemäß ist mit Bezug auf die einzelnen Bürger von Ponte Tresa, deren Stimmrecht angefochten ist, Folgendes zu sagen : F o n t a n a . Wäre er wirklich noch als bloß periodischer Auswanderer zu betrachten, so würde seine Stimmberechtiguug in Ponte Tresa außer Zweifel stehen. Allein da er schon seit zwei Jahren nicht mehr dahin gekommen ist, vielmehr seine Familie bei sich in Turin hat, so ist klar, daß sich nun dort sein wahres Domizil befindet.

F a l c o n i , L i n g e r i, Pellegrini, die beiden Somazzi, Berteli, sind offenbar nicht in Ponte Tresa domizilirt.

B o r r i ist jedenfalls nicht mit a l l e n Steuern zweier Jahre, wenn überhaupt mit solchen, im Rückstande.

P a l t e n g h i , G i o v a n n i und A n g e l o , und R o s s i ebenso.

Diese vier Bürger sind also e i n z u t r a g e n .

S t o p p an i war in Neuchâtel domizilirt und es liegt nicht vor, daß er bereits wieder seit drei Monaten in Ponte Tresa domizilirt gewesen sei.

A g u s t o n i war nach dem amtlichen Zeugniß der Munizipalität am 2. März noch nicht volle drei Monate in Lugano domizilirt; er mußte also ebenso gut noch an seinem frühereu Domizil stimmberechtigt bleiben, wie der Priester voa Minusio, den der Staatsrath mit Recht in der Leventina hat stimmen lassen. Da er nun aber, wie sich aus den Erhebungen des Bundesrathes (Fact. Ili und Erw. 10) in seinem Beschlüsse über die Großrathswahlen im Kreise S. Nazzaro ergibt, in Magadino domizilirt und deßhalb dort stimmberechtigt ist, so ist er weder in Lugano noch in Ponte Tresa einzutragen.

Albisetti, Falconi und die beiden Tognp.tti haben ihr Domizil nicht in Ponte Tresa; ebenso Righetti, Rodolfo.

1119 R i g h e t t i , A l e s s a n d r o . Es ist oben ausgeführt worden, daß durch Zahlung der Steuerrückstände noch bis zum 7. Februar das Stimmrecht erworben werden konnte. Dies muß um so mehr gelten für die Reklamation eines lediglich Vergessenen. Ueberhaupt muß gesagt werden, daß es in der Pflicht jeder Behörde lag, die von einer solchen unabsichtlichen Verletzung der politischen Rechte eines Bürgers hörte, Alles zu thun, was ihre Kompetenz ihr gestattete, um den Fehler wieder gut zu machen. Am 7. Februar lag diese Möglichkeit noch in der Hand des Kommissärs ; wenn das aber nicht der Fall gewesen wäre, hätte er an den Staatsrath gelangen sollen, und dieser würde auf die amtliche Versicherung dei Munizipalität hin, daß lediglich ein Vergessen vorliege, und des Kommissärs, daß dem Stimmrecht des Betreffenden nichts entgegenstehe, die Eintragung wohl ohne Weiteres verfügt haben. Er ist also e i n z u t r a g e n .

G i a n i . Es liegt nicht vor, daß er nur für seine Anstellung jede Woche nach Lugano sehe und die Sonntage regelmäßig in d O O O O O Ponte fresa zubringe; der Umstand, daß er nur etwa einmal an einem Festtage dahin geht, begründet kein Domizil daselbst. Er ist in der That als in Lugano domizilirt zu betrachten, und damit stimmt überein, daß er auch dort eingeschrieben ist und stimmt.

Er ist also in Ponte Tresa zu s t r e i c h e n .

12. Betreffend M o r a n d i i n Astano gilt das betreffend Righetti, Alessandro, Gesagte. Er war also e i n z u t r a g e n ; indessen ist er schon von der Munizipalität zugelassen worden und fällt daher nicht weiter in Betracht. Boschetti dagegen ist nicht in Astano domizilirt. Auf die Reklamation der Bürger von Bedigliora kann hierorts nicht eingetreten werden, da dieselbe nicht Gegenstand der Entscheidung einer kantonalen Behörde gewesen ist. Das Nämliche gilt mit Bezug auf die Reklamationen aus Croglio, von denen allerdings diejenige betreffend Gasparini gerechtfertigt erscheinen würde. Zanini war offenbar nicht in Miglieglia domizilirt.

13. Nach dem in den Erwägungen 11 u. ff. Gesagten sind noch einzutragen : Bord, Paltenghi Giovanni und Angelo, Rossi, Righetti Alessandro 5 Bürger und ist zu streichen : Giani l ,, Da nun nach dem Berichte der Wahlaktenprüfungskommission das absolute Mehr bei der Wahl betrug . . .

936 Summen, der mit der geringsten Zahl Gewählte, Boschetti 1008 ,, auf sich vereinigte, der ihm zunächst Stehende, Ingenieur Plinio Demarchi nur 840 ,,

1120 erhielt, so ist klar, daß obige Modifikation der Stimmenzahl keinen Einfluß auf das Resultat der Wahl haben kann.

Demnach hat der Bundesrath beschlossen: 1. Die von diesem Wahlkreis getroffenen Wahlen werden als rechtsgültig anerkannt.

2. Die Rekurse und Reklamationen betr. das Stimmrecht einzelner Bürger werden im Sinne obiger Erwägungen entschieden.

3. Mittheilung an den Staatsrath des Kantons Tessin für sich und zu Händen der betheiligten Behörden und Bürger, B e r n , den 21. Juli 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesrathsbeschluß über die Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3.

März 1889 im tessinischen Wahlkreise Magliasina. (Vom 21. Juli 1891.)

In

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1891

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30

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