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Schweizerisches Bundesblatt.

43. Jahrgang. L

Nr. 11.

18. März 1891.

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Bundesrathsbeschluß betreffend

.die auf Sonntag den 15. März 1891 angesetzte Volksabstimmung im Kanton Zug über ein kantonales Initiativbegehren.

(Vom 10. März 1891.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h · hat in Sachen des Kantonalen Liberalen Komites von Zug, vertreten durch die Herren J. Moos, Fürsprech, 0. Bossard, Kantonsrath, und Schiffmann-Hotz, Fürsprech, und des Kantonalen Wirthevereins, vertreten durch Herrn Alb. Utinger zum Löwen in Zug, dieser letztere zugleich im Namen der Initianten vom 22. November 1888 auftretend, gegen das Dekret des Regierungsrathes des Kantons Zug betreffend die kantonale Volksabstimmung über das auf Eevision des zugerischen Wirthschaftsgesetzes vom 11. Dezember 1882 und des Gesetzes über Bestreitung der Staatsauslagen vom 1. Juni 1876 gerichtete Volksinitiativbegehren vom 22. November 1888 ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartementes und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse : I.

Nach vorgängiger telegraphischer Anzeige vom 1. März reichten die Rekurrenten mit Memorial vom- 3. März 1891 beim Bundesrathe eine Beschwerde ein gegen den Regierungsbeschluß,. durch welchen die kantonale Volksabstimmung über ein Volksinitiativbegehren vom 22. November 1888 auf Sonntag den 15. März 1891 angesetzt wurde.

Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. I.

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Die Rekurrenten erklären: 1. Es.sei eine Verletzung der kantonalen Verfassung, daß die Volksabstimmung erst so lange Zeit -- 2 Jahre, 3 Monate und 8 Tage -- nach Einreichung des Begehrens angesetzt werde; 2. der Kantonsrath habe in verfassungswidriger Weise die Behandlung des Initiativbegehrens dem Begierungsrathe überwiesen ; 3. es sei verfassungswidrig, daß das Initiativbegehren, soweit ihm nicht entsprochen worden, nicht ,,unverändert und gesammthafta der Volksabstimmung unterstellt werde.

Sie verlangen daher: ,,1. Die auf 15. März angeordnete Volksabstimmung sei bundes« räthlich zu sistiren, bezw. aufzuheben; ,,2. der Kantonsrath von Zag sei anzuweisen, das genannte Initiativbegehren, soweit ihm nicht entsprochen ist, unverändert und gesammthaft der sofortigen Volksabstimmung ohne alle Zögerung von sich aus zu unterstellen; ,,3. die ungebührliche Verzögerung des Initiativbegehrens und dessen Ueberw eisung an den Eegierungsrath sei als verfassungswidrig zu erklären.11 Zur .Begründung ihrer Anbringen und Begehren führen sie aus: 1.

Am 22. November 1888 gaben 1359 Stimmberechtigte dem zugerischen Kantonsrathe nach § 36 der Kantonsverfassung ein wohlmotivirtes sogenanntes Initiativbegehren ein, worin sie verlangten : a. Die Aufhebung des II. Abschnittes (§§ 12, 13, 14 und 15)r sowie des letzten Absatzes des § 7 und der §§ 32 und 33 des zugerischen Wirthschaftsgesetzes vom 11. Dezember 1882; b. die Abänderung des Gesetzes über Bestreitung der Staatsauslagen vom 1. Juni 1876.

2.

Der § 36 der Kantonsverfassung von Zug bestimmt wörtlich, was folgt: ,,Wenn 1000 Stimmberechtigte durch amtlich beglaubigte und ,,gemeindeweise, geordnete Unterschriften den Erlaß, die Aufhebung ,,oder die Abänderung eines Gesetzes oder einer in die Kompetenz ,,der gesetzgebenden Gewalt fallenden Schlußnahme in motivirter Ein-

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,,gäbe verlangen, so ist der Kantonsrath verpflichtet, das betreffende ,,Begehren in Berathung zu ziehen und den Volksentscheid hierüber ,,herbeizuführen, sofern er dem Gesuche nicht von sich aus ent,,sprechen will.

,,Der Kantonsrath kann jedoch dem Volke außer seiner Vor,,lage auch einen abgeänderten Entwurf zur Entscheidung vorlegen."

Die Rekurrenten geben zu, daß der zitirte Paragraph der Kantonsverfassung keine bestimmte Frist vorsehe, innerhalb welcher der Volksentscheid über ein Initiativbegehren herbeigeführt werden müsse.

Allein da § 31 der Verfassung für Initiativbegehren betreffend Revision des Grundgesetzes (der Verfassung) die Vornahme der Volksabstimmung binnen vier Wochen vorschreibe, so dürfe angenommen werden, daß in analoger Weise 'auch ein Initiativbegehren bezüglich eines kantonalen Gesetzes innerhalb annähernd gleicher Frist stattfinden solle.

Den Behörden wäre es bei gutem Willen, bei Anerkennung und Hochachtung der dem souveränen Volke garantirten Verfassungsrechte, nach Sinn und Geist dieses Volksrechtes obgelegen und auch praktisch möglich gewesen, in der Frist von vier Wochen die Abstimmung vor sich gehen zu lassen, auch mit Vorlegung eines von ihnen festgestellten abweichenden Entwurfes.

Die Behandlung eines Volksinitiativbegehrens, wie die Zuger Behörden sie demjenigen vom 22. November 1888 haben zu Theil werden lassen, ist in den Augen der Kekurrenten ein wahrer Hohn auf die Volksrechte. Derartige Volksbegehren können durch solche Verschleppung, der Zeit und dem Zwecke nach, ganz illusorisch werden. Darin liegt also eine Verfassungsverletzung.

3.

Statt sich über die Sache schlüssig zu machen und, wenn er nicht entsprechen wollte, den Volksentscheid, eventuell unter Vorlegung eines eigenen Entwurfes, herbeizuführen, hat der Kantonsrath zuerst die Staatswirthschaftskommission mit der Sache betraut, was vielleicht noch als zulässig erscheinen dürfte, dann aber wurde sie dem Eegierungsrathe voll und ganz delegirt, der sie nun in den verschiedensten Kommissionen und durch die Departementschefs behandeln ließ, ,,verzettelte, zerzauste und in allen möglichen Gestaltungen oder Verunstaltungen wieder an den Kantonsrath und von diesem wieder an sich selbst zurückbrachte1*.

Darin liegt die zweite Verfassungsverletzung.

Der Kantonsrath ist nicht befugt, dem Eegierungsrathe ein Mandat zu delegiren, das durch die Verfassung i h m übertragen ist.

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Unter allen Umständen protestiren die Rekurreuten dagegen, daß die Volksabstimmung durcli die Eegierung in einer vom Kantonsrathe durchaus nicht gewollten Weise, den Anstrengungen der Initianten entgegen, mißleitet werde.

4.

Die Verfassungsverletzung liegt endlich darin, daß der Kantonsrath, nachdem er dem Initiativbegehren nur in e i n e m Punkte (Aufhebung des letzten Absatzes von § 7 des Wirthschaftsgesetzes) entsprochen hatte, nicht von sich aus das ganze Initiativhegehren der Volksahstimmung unterstellte, sondern dasselbe dem Eegierungsrathe überwies, welch' letzterer es dann wieder seiner Direktion des Innern überantwortete und durch diese in 4 Gruppen zerlegen ließ, in welcher Form es nun am 15. März zur Abstimmung gelangen soll.

Das ist verfassungswidrig. Diese Zertheiluug erschwert die Abstimmungsweise und das Verständnis der Stimmenden. Abgesehen hievon setzt man die Abstimmung extra auf den 15. März an, wo über eine eidgenössische Vorlage abgestimmt wird, damit die Neinstimmen nicht etwa in Versuchung kommen, gegen die ihnen beigebrachte Gewohnheit zu votiren.

Einen abgeänderten Entwurf vorzulegen, hat der Eantonsrath nicht beschlossen. Die regierungsräthlich angeordnete Abstimmungsweise ist somit total verfassungswidrig.

II.

Der Regierungsrath des Kantons Zug hat hierauf, durch Memorial vom 7. März 1891, erwidert was folgt:

1.

Da die Verfassung in § 36 nicht bestimmt, inner welcher Frist ein Initiativbegehren bezüglich eines gesetzgeberischen Erlasses vom Kantonsrathe behandelt nnd eventuell der Volksabstimmung unterbreitet werden müsse, so kann keine solche Bestimmung verletzt sein.

§ 31 der Verfassung handelt von der Verfassungsrevisionsinitiative, kann daher im vorliegenden Falle nicht angewendet werden.

Was die Dauer der Berathung der Kantonsbehörden über ein Initiativbegehren anlangt, so sind dieselben in dieser Hinsicht nicht den Bundesbehörden, sondern einzig dem Volke des Kantons Zug verantwortlich.

Der Regierungsrath sieht sich deßhalb nicht veranlaßt, auf die bezüglichen Erörterungen der Eekurrenten sich näher einzulassen und

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die vorgebliche Verschleppung der Angelegenheit auf Grund der thatsächlichen Verhältnisse auf ihren wahren Werth und das richtige Maß zurückzuführen; er begnügt sich, die Richtigkeit der rekurrëntischen Anbringen zu bestreiten.

2.

Durch § 36 der Verfassung 'ist der Kantonsrath von Zug durchaus nicht gehindert, sich über den Gegenstand eines Initiativbegehrens das Gutachten des Kegierungsrathes einzuholen.

Im vorliegenden «Falle hat sich der Kantonsrath vorerst das Gutachten des Eegierungsrathes, sowie dasjenige der Staatswirthschaftskommissior eingeholt. Sodann trat er in die Behandlung der Sache selbst ein und faßte folgende Beschlüsse : 1. Es sei vom Eantonsrathe selbst über die einzelnen Theile des Initiativbegehrens gesondert abzustimmen (36 gegen 16 Stimmen).

2. Es sei die Abstimmung über dasselbe im Schooße des Großen Käthes in 4 Gruppen vorzunehmen (36 gegen 9 Stimmen).

Die gruppenweise Abstimmung ergab: a. Das Begehren um Aufhebung der §§ 12--15 des Wirthschaftsgesetzes, d. h. um Abschaffung der Patentgebühr für Wirthschaften und Ausdehnung der Erwerbsteuer auf alle Gewerbe ohne Ausnahme, wurde mit 36 gegen 4 Stimmen abgelehnt.

b. Dem Begehren um Aufhebung von § 7, Absatz 3, des Wirthschaftsgesetzes wurde mit 32 gegen 2 Stimmen entsprochen.

(§ 7, Absatz 3 leg. cit. lautet: ,,Wenn das Familienhaupt die nöthigen gesetzlichen Eigenschaften nicht besitzt, so darf auch einem ändern Mitgliede, welches mit demselben in ungetrenntem Haushalte lebt, die Wirthsehaftsbewilligung uicht erthe'Jt werden.")

c. Das Begehren um Aufhebung des § 32 genannten Getetzes wurde mit 30 gegen 18 Stimmen abgelehnt.

(§ 32 leg. cit. lautet : ,,Das Abhalten von Tanzbelustigungen in gesetzlich berechtigten Lokalen ist an den zwei letzten Faschingstagen, und an zwei ändern, vom Einwohnerrath für die betreffende Gemeinde zum Voraus zu bestimmenden Tagen gestattet.

,,Außerdem sind Tanzbelustigungen in Tavernenwirthschaften an die besondere Erlauhniß der Einwohnerräthe geknüpft, denen es nach Maßgabe dieses Gesetzes frei steht, derartige Gesuche zu, bewilligen, abzuweisen -oder bereits ertheilte Bewilligungen zurückzuziehen; insbesondere können sie auch, um Störungen der Nachtruhe zu beschränken, die Erlaubniß nur bis zu einer gewissen Stunde ertheilen.

,,Für derartige Bewilligungen ist zu Gunsten der Polizeikasse der betreffenden Gemeinde eine Gebühr von 5--20 Fr. zu entrichten.

498 ,,Privattanzbelustigungen sind taxfrei, sofern sie in geschlossenen Gesellschaften gehalten und nicht puhlizirt werden.

,,Immerhin ist das Tanzen an Sonn- nnd gebotenen Festtagen und deren Vorabenden, sowie in der Advent- und Fastenzeit gänzlich untersagt ; deßgleichen soll der Jugend unter 16 Jahren der Zutritt zu den öffentlichen Tanzbelustigungen nicht gestattet sein.")

d. Das Begehren um Aufhebung des § 33 desselben wurde mit 26 gegen 16 Stimmen abgelehnt.

(§ 33 leg. cit. lautet: ,,Das Abhalten musikalischer Unterhaltungen in Wirthschaften ist an die besondere Bewilligung des Einwohnerrathes geknüpft; der hiefür eine Taxe von 5--10 Fr. Festzusetzen hat.

,,Produktionen gehörig organisirter Mnsikgesellschaften, sofern selbe nicht unter § 5, Ziffer 5, des Gesetzes über Markt- und Hausirverkehr fallen, werden hievon nicht betroffen.")

Mit 31 gegen 23 Stimmen wurde dann noch beschlossen, auf eine dermalige Eevision des Steuergesetzes nicht einzutreten.

NB. Für die Revision des Abgabengesetzes wurden außer den durch die Abschaffung der Patentsteuern bedingten Abänderungen keine bestimmten Vorschläge gemacht. Dagegen wurde immerhin angeregt, daß bei einer Gesetzesabänderung folgende Punkte in Erwägung gezogen werden dürften : . a. Die obligatorische Inventarisation bei jedem Todesfalle.

6. Die Eintragungspflicht bei Handänderung von Hypothekartiteln.

c.~ Die Beibringung des genauen Nachweises über den Besitz nicht steuerpflichtiger Aktien, und d. Entlastung nach unten bei der Erwerbs- und Einkommenssteuer durch Erhöhung des nichtsteuerpflichtigen Minimums.

Hinsichtlich der Pormulirung der dem Volke vorzulegenden Fragen, der Zeit der Volksabstimmung und der dießfälligen weitern Anordnungen traf der Kantonsrath in der Sitzung vom 11. Dezember 1890 folgende Anordnungen : a. Mit der Feststellung der Fragen und der Abfassung des begleitenden Berichtes wird der Eegierungsrath betraut; b. die Feststellung des Abstimmungstermins wird dem Regierungsrathe überlassen. Immerhin soll die Abstimmung spätestens im Monat März 1891 stattfinden; c. Anzeige an den Regierungsrath zur Vollziehung.

Somit hat der Kantonsrath das Initiativbegehren in gehöriger Weise behandelt, und handelte es sich für den Regierungsrath nur mehr um die Vollziehung der kantonsräthlichen Beschlüsse.

Laut Verfassung des Kantons Zug (§ 49) und allgemeinem Staatsrecht ist es der Regierungsrath, welcher die Beschlüsse des Kantonsrathes zu vollziehen hat.

499 3.

Wenn schließlich die Kekurrenten sich gegen die ,,gruppenweise'1 vorzunehmende Abstimmung auflehnen, so ist ihre Auffassung auch in diesem Punkte durchaus unzutreffend.

Vorerst schreibt § 36 der Verfassung nicht die Abstimmung in globo vor.

Sodann rechtfertigt sich die Theilung des Stoffes inhaltlich vollkommen.

Die Rekurrenten geben ja selbst zu, daß es dem Kantonsräthe freistand, sich dem Initiativbegehren gegenüber theilweise zustimmend, theilweise ablehnend zu verhalten, d. h. dasselbe nur in einzelnen Theilen zur Volksabstimmung zu bringen. Somit ist es ihm gewiß auch nicht verboten, das Begehren in seine Theile zu zerlegen und jeden Theil gesondert zur Abstimmung zu bringen.

Dabei ist nur dafür zu sorgen, daß die Fragen das Initiativbegehren vollständig decken, was im Eekursfalle geschehen ist.

Das Verständniß und die Freiheit des Stimmenden aber werden bei dieser Art der Abstimmung nicht nur nicht vermindert, sondern vielmehr erhöht, da Niemand gezwungen ist, zu allem Ja oder Nein zu sagen.

Das Volk des Kantons Zug wird heute so gut im Stande sein, gruppenweise abzustimmen, als am 14. Januar 1866 gelegentlich der Abstimmung über die Bundesverfassungsrevision.

An dieser Befähigung wird das zugerische Volk auch durch den Umstand nicht gehindert, daß, gleichzeitig eine eidgenössische Abstimmung stattfindet. Es sind genügende Vorsichtsmaßregeln getroffen, um etwaige Verwirrung zu verhüten. Schon früher wurden wiederholt kantonale Abstimmungen ohne Inkonvenienzen mit eidgenössischen verbunden; es ist dieß gesetzlich nicht verboten und wird auch in ändern Kantonen so gehalten.

Der Eegierungsrath beantragt, die vorwürfige Beschwerde als in allen Theilen unbegründet abzuweisen; in E r w ä g u n g : 1. Nach den von der Regierung des Kantons Zug in ihrer Vernehmlassung vom 7. März 1891 ertheilten Aufschlüssen hat dieselbe bei Ansetzung der Volksabstimmung .über das Initiativbegehren vom 22. November 1888 als Vollstreckerin der Schlußnahmen des Kantonsrathes vom 11. Dezember 1890, mithin in der ihr durch § 49 der Kantonsverfassung angewiesenen Stellung einer Vollziehungsbehörde gehandelt.

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.500 Es gilt dies sowohl in Hinsicht auf den Zeitpunkt der Volksabstimmung, welche nach dem Beschlüsse des Kantonsrathes spätestens im Monat März 1891 stattfinden muß, als auch mit Bezug auf die Fragestellung, hei welcher der Regierungsrath sich an die im Kantonsrathe selbst vorgenommene Theilung des Initiativbegehrens in vier Gruppen, behufs gesonderter Abstimmung über jede einzelneGruppe, gehalten hat.

Demnach kann nicht gesagt werden, daß der Eegierungsrath sich Befugnisse angemaßt, die ihm vevfassungsgemäß nicht zukommen, und in einer vom Kantonsrathe nicht gewollten Weise die Abstimmung angeordnet habe.

Wenn der Regierungsrath die Abstimmung auf Sonntag den 15. März angesetzt hat, an welchem Tage auch eine Volksabstimmung' über ein Buudesgesetz stattfindet, so kann hiegegen von der Bundesbehörde so lange nichts eingewendet werden, als nicht dargethan ist,.

daß durch die Vornahme der beiden Abstimmungen an einem und demselben Tage im Kanton Zug die Stimmgebung in unzulässiger Weise erschwert oder daß die Freiheit der Bürger durch die getroffenen Anordnungen beeinträchtigt werde. In dieser Richtung haben die Eekurrenten jedoch keine Ausstellungen vorgebracht.

2. Somit kann es sich nur fragen, ob die Beschwerden der Rekurrenten in Bezug auf das Verhalten des K a n t o n s r a t h e s von Zug gegenüber dem Initiativbegehren vom 22. November 1888 begründet seien.

a. Daß der Kantonsrath befugt .war, den Eegierungsrath nach Maßgabe der von ihm selbst gefaßten Beschlüsse mit der Formulirung der dem Volke vorzulegenden Fragen, der Abfassung eines begleitenden Berichtes und der Festsetzung des Abstimmungstages zu beauftragen, und daß er durch solche Auftragsertheilung an den Regierungsrath keineswegs der ihm in § 36 der Kantonsverfassung übertragenen Pflicht, nach gewalteter Berathnng den Volksentscheid über ein Initiativbegehren ,,herbeizuführen", entgegengehandelt hat, bedarf keiner nähern Begründung.

Das Begehren der Rekurrenten, es sei der Kantonsrath anzuweisen, das vorliegende Initiativbegehren sofort und ohne alle Zögerung d i r e k t von s-ich aus der Volksabstimmung zu unterbreiten, findet in der Kantonsverfassung keinen Halt.

b. Die Frage, ob in dem Umstände, daß der Volksentscheid erst so lange Zeit nach Einreichung des Initiativbegehrens herbeigeführt wird, eine Verfassungsverletzung zu erblicken sei, kann vom ^

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Bundesi'ath nicht zum Gegenstände einer Schlußnahme gemacht werden. Ein dießfälliger bundesräthlicher Entscheid, würde er so oder anders ausfallen, müßte ohne jede praktische Folge bleiben und hätte demnach den Charakter eines rein akademischen Urtheils. Solcher Aussprüche aber hat sich der Bundesrath von jeher enthalten.

Es wäre den Rekurrenten 'nicht verwehrt gewesen, bei der unständigen Bundesbehörde in dieser Eichtung um eine praktisch vollziehbare Verfügung einzukommen, sie hätten sich zu diesem Zwecke während der allerdings auffallend lange dauernden Anhängigkeit des Initiativbegehrens beim Kantonsrathe über Rechtsverweigerung, als welche ja auch eine ungebührliche Rechtsverzögerung zu betrachten ist, beschweren können. Dies ist von ihnen nicht gethan worden.

Heute erscheint es als zwecklos, über die späte Befragung des Volkes sich zu beschweren.

c. Was sodann dio Fragestellung an das Volk anbelangt, so kann in der Aufstellung mehrerer Fragen, wenn sie den einzelnen Theilen eines Initiativbegehrens entsprechen und dieses selbst inhaltlich nicht verändern, ein verfassungswidriges Vorgehen nicht liegen.

Ja, es ist der Kegierung des Kantons Zug beizustimmen, wenn sie sagt, daß durch eine solche Sonderung die Stimmgebung des Bürgers an Freiheit, Sicherheit und Klarheit nur gewinnen kann. Im vorliegenden Falle zerfällt das Initiativbegehren selbst, auch da, wo es sich auf die Revision eines und desselben kantonalen Gesetzes, des Wirthschaftsgesetzes, bezieht, in materiell von einander verschiedene Theile. Es ist daher nicht einzusehen, warum es nicht dem Willen der Verfassung gemäß und daher nicht gestattet sein sollte, dem Volke über jeden einzelnen Theil des Begehrens eine besondere Frage vorzulegen.

Im Rekursfalle sind die Fragen in Anlehnung an die im Kantonsrathe vorgenommene Abstimmung aufgestellt. Dieselben fassen die zusammengehörenden Theile des Initiativbegehrens in vier Gruppen zusammen. Demnach läßt sich gegen die verfügte Abstimmungsweise weder formell noch materiell etwas Stichhaltiges einwenden.

3. Nach dem Vorhergehenden leuchtet es ein,, daß der Bundesrath auf das Begehren der Rekurrenten um Hemmung, bezw. Aufhebung der auf 15. März 1891 angeordneten Volksabstimmung nicht eintreten kann. Eine solche Verfügung würde sich bloß Angesichts einer den Vorschriften der Verfassung und Gesetzgebung des Kantons Zug zuwiderlaufenden Anordnung der Kantonsbehörden rechtfertigen ; in casu müßte sie übrigens eine noch weitere Hinausschiebung des

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Volksentscheides über das schon so lange anhängige Initiativbegehren zur notwendigen Folge haben, beschlossen: 1. Auf die Rekursbegehren wird zum Theil nicht eingetreten, zum Theil werden dieselben als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der h. Regierung des Kantons Zug, sowie dem Herrn Fürsprech J. Moos in Zug zu Händen der Eekurrenten schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 10. März 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesrathsbeschluß betreffend die auf Sonntag den 15. März 1891 angesetzte Volksabstimmung im Kanton Zug über ein kantonales Initiativbegehren. (Vom 10. März 1891.)

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1891

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18.03.1891

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493-502

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