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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn von Bern durch das Gürbethal nach Thun.

(Vom 10. April 1891.)

Tit.

Mit Eingabe vom 2. Dezember 1890 reichte Herr Ingenieur A. B e y e l e r in Bern zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft ein K o n z e s s i o n s g e s u c h ein für den Bau und Betrieb einer schmalspurigen Gürbethalbahn, von B e r n über B e l p , Wattenwil nach T h u n .

Petent weist darauf hin, daß nach Erstellung der großen schweizerischen Transitlinien die eiseubahnpolitischen Bestrebungen sich mehr und mehr dem Aushau der Lokalbahnen zuwenden, und daß in dieser Beziehung die Ostschweiz schon erfreuliche Resultate erzielt habe.

Es sei hohe Zeit, daß auch die Zentral- und Westschweiz dem allgemein gefühlten Bedürfnis nach vermehrten Verkehrsmitteln gerecht werde, wenn sie nicht allzusehr vom Weltmarkte abgeschnitten sein und verkümmern -wolle.

Diesem Motive entspringe auch vorliegendes Projekt einer lokalen Schienenverbindung des Gürbethals mit den beiden Städten Bern und Thun.

Bern, der Sitz der schweizerischen Bundesbehörden, mit einer Bevölkerung von über 40,000 Seelen, welche gegenwärtig in sehr raschem Wachsthum begriffen sei, infolge des außerordentlichen Auf-

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blühens der Industrie und besonders der baulichen Thätigkeit, habe ein eminentes Interesse an der Erstellung guter Verkehrsmittel mit der Umgegend, namentlich auch, um sich seinen großen Lebensrnittelbedarf in rascher und ausgiebiger Weise verschaffen und den Besuch seiner vielen großen Märkte erleichtern zu können.

Ein großer Bruchtheil dieser Marktbesucher komme aus dem Amt Seftigen von Belp her und eine Begionalbahn werde am besten einen solchen Verkehr bewältigen und vermitteln können, ebenso wie ·dadurch der Bahn eine genügende Eendite gesichert erscheine, insofern außer den regelmäßigen Zügen in zweckmäßiger Weise noch Extramarktzüge angeordnet werden.

Auch für die Stadt Thun mit 5507 Einwohnern, ungerechnet das im Sommer auf dem dortigen großen Artilleriewaffenplatze anwesende, oft sehr zahlreiche Militär, werde eine Lokalbahn nach dem Amte Seftigen von nicht zu unterschätzendem Werthe sein und biete sich hier an Markttagen in kleinerem Maße ein ähnliches Bild das Verkehrs, wie in Bern.

Thun sei übrigens ebenfalls in ein neues Stadium der Entwicklung getreten, indem es von allen Seiten mit Eisenbahnen in Verbindung gesetzt werden solle, wie mit der Thunerseebahn, der Bahn Thun-Vivis und derjenigen nach Konolfingen-Langnau-Luzern. Ein Wachsthum des Verkehrs stehe also auch hier für diese Lokalbahn zu erwarten. Ein nicht unwesentlicher Faktor zur Alimentirung der Bahn biete sich ferner in der Erhöhung der Eeisobequemlichkeit, nicht zu vergessen den bedeutenden Touristen- und Kurantenverkehr nach dem großen ßadort G-urnigel.

Der Wunsch und das Bedürfniß nach einer solchen Kegionalbahn habe sich schon seit mehr als einem Dezennium geltend gemacht .und zwar seien verschiedene Lösungen der Frage versucht worden, worunter auch solche, die ihren Anschluß, unter Umgehung der Stadt Thun, an die Bödelibahn suchten.

Es sei aber gegenwärtig, wo die Linien Thun-Interlaken und Thun-Vivis in naher Sicht seien, der Anschluß in Thun gegeben.

Die projektirte Linie mit 34*/2 oder rund 35 krn. Betriobslänge liegt vollständig im Gebiete des Kantons Bern. Ihr Ausgangspunkt ist Bern.

* Die Kopfstation für den Personenverkehr würde auf den verkehrsreichsten Platz Berns, d. h. zwischen den Bahnhof und die Eidgenössische Bank, zu stehen kommen, diejenige für den Güterverkehr an das Ende des Güterbahnhofes Bern bei der Villette.

Von Bern aus folgt das Tracé der großen Straße über Mattenhof, Weißonbühl, Wabern, Kehrsatz nach Belp, um von da weg bis

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Wattenwil durch das Gürbethal dem Fuße des westlichen Höhenzuges entlaug die Ortschaften Toffen, Kaufdorf, Kirchthurnen, Mühlethurnen und Lohnstorf zu berühren.

Die Linie bedient so zuerst die belebten Vorstädte und Außenquartiere des Sulgenbachgebietes, sodann das fruchtbare und wichtige Plateau von Wabern, wo Gehöfte, Villen, Anstalten und industrielle Etablissemente sich folgen.

Ueber Kehrsatz hinans, immer durch fruchtbares Gelände einer der frequentirtesten Landstraßen entlang, steigt sie vom Falkenhaus weg die Straße verlassend ins Aarethal zum großen und gewerbreichen Dorfe Belp (Tuchfabrik), dem Sitz der Behörden des Amtes Seftigen.

Das nun folgende Gürbethal sei durch seine agrikolen Produkte (der Gemüsegarten Berns) berühmt, habe aber auch Mühlen, Sägen, Ziegeleien und sei, wenn auch nicht in der Thalsohle, so doch an beiden Thalabhängen dicht bevölkert.

Wattenwil endlich bilde den Hauptstapelplatz für das Hinterland von Blumenstein gegen die Stockhornkette zu und habe einen regen Holzhandel.

Unter Benützung von l km. gleichen Geleises von Wattenwil rückwärts wendet sich das vorgesehene Tracé gegen Seftigen, den zweiten Hauptort des Amtes gleichen Namens, überschreitet den dortigen Höhenkamm und tritt wieder in das gewerbreiche, große Aarethal, um über Uetendorf zum Zollhaus und von da längs der großen Straße nach Thun zu gelangen, wo die Endstation auf der westlichen Seite des bestehenden Bahnhofes, hart an der Thun-Uetendorf-Straße, erstellt würde. Eine Vereinigung mit der Endstation der kommenden Thun-Vivis-Bahn bliebe nicht ausgeschlossen.

Dieser letzte Theil der Linie würde namentlich eine wahre Wohlthat für die Ortschaften Thierachern, Uetendorf und Zollhaus sein, wo eine Menge Arbeiter aus dem eidgenössischen Laboratorium und den Werkstätten ihren Wohnsitz haben.

Es ließen sich wahrscheinlich hier Morgens und Abends sogen.

Arbeiterzüge einschalten. Ebenso könnten an Thuner Markttagen Extrazüge gebildet werden. * Die für die ganze Bahnlänge in Betracht fallenden Gemeinden zählen, inklusive Bern und Thun, 78,544 Seelen, was bei einer Bahnlänge von 33!/2 km. des Hauptgeleises per Bahnldlometer 2340 Anwohner oder per Q Kilometer 234 Anwohner ausmache.

Zum Vergleiche werden angeführt die Anwohner per Bahnkilometer auf 5 km. Entfernung an 'der

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Waldenburgerbahn . . . . 1400,, Emmenthalbahn 1800, Aarg. Südbahn.

2200.

welche drei Bahnen alle prosperiren. Es sei daher auch der Gürbethalbahn die Lebensfähigkeit nicht abzusprechen.

Nach dem sehr einläßlichen technischen Bericht soll die projektirte Bahn als eingeleisige Lokalbahn mit l m. Spur erstellt werden.

Nach dem ursprünglichen Projekt würde sie · von Bern (km. 0) bis Falkenhaus (km. 7), sowie von km. 24,7 bis 26,2 vor Seftigen und vom Zollhaus (km. 32,a) bis Thun (km. 34,5) theilweise das Planum der Kantonalstraße benutzen, im übrigen aber eigenen Bahnkörper erhalten.

In einer spätem Eingabe (siehe unten) erklärte Petent, zunächst auf jede Straßenbenutzung zu verzichten und für die ganze Länge eigenes Tracé in Aussicht zu nehmen.

Es wird für's Erste pneumatischer, eventuell auch elektrischer Betrieb in Aussicht genommen.

Da schon jetzt bis nach Wabern ein sehr reger Personenverkehr mit der Stadt Bern bestehe, der bereits seit längerer Zeit einem Omnibus mit sieben täglichen Fahrten hin und her gerufen habe, welcher per Jahr 90- bis 100,000 Personen befördere, so ist auf dieser Strecke Tramwaybetrieb vorgesehen.

Die Bahn zerfällt deßhalb nach dem ursprünglichen Projekt in 2 Sektionen : nämlich eine Trambahn von Bern bis Großwabern und eine Eegionalbahn von Großwabern bis Thun.

Der Minimai-Kurvenradius beträgt für die I. Sektion 50 m., für die II. Sektion 150 m., die Maximalsteigung für die I. Sektion 35 °/oo, für die II. Sektion 26 °/oo.

Die bauliche Länge der ganzen Linie beträgt 35,2 km.

In der ersten Sektion sind, dem Charakter des Tramwaybetriebs entsprechend, auf der 8,05 km. langen Strecke 6 Haltstationen vorgesehen.

Die zweite Sektion mit der Anfangsstation Großwabern weist 13 Zwischenstationen auf, nämlich: Kleinwabern, Kehrsatz, Belp.

Toffen, Kaufdorf, Kirchthurnen-Riggisberg, Mühlethurnen, ZiegelhütteBurgistein, Wattenwil, Seftigen, Eichberg, Uetendorf und Zollhaus.

Die ganze Bahn soll mit komprimirter Luft betrieben werden, und zwar die erste Sektion mit Automobilen (System Mekarski), die zweite Sektion mit pneumatischen Lokomotiven.

154 Der summarische Kostenvoranschlag sieht folgende Summen vor: Franken.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

per km.

Vorarbeiten und Gründungskosten . . .

1,500 Verwaltung und Bauleitung 4,000 Kapitalbeschaffung und Bauzinse . . .

1,000 Landerwerb 4,000 Unterbau 15,000 Oberbau 16,000 Abschluß und Signale 1,000 Hochbau und mechanische Einrichtungen 13,500 Betriebsmaterial und Mobiliar . . . . 10,000 Unvorhergesehenes Total

66,000

Die jährlichen Betriebseinnahmen werden auf Grund eingehender Erhebungen über die Frequenzverhältnisse veranschlagt für die I. Sektion, Trambahn für die II. Sektion, Regionalbahn . . . .

Total.

52,500 140,000 35.000 140,000 525,000 560,000 35,000 472,500 350,000 40,QOO 2,350,000

Fr.

,,

80,300 208,080

Summa Fr.

Die Betriebskosten per Jahr sind berechnet für die I. Sektion auf . . . Fr. 59,130 ,, . .

,, 100,000

288,380

Total

Fr. 159,130

,,

159,130

Es bliebe somit als Einnahmenüberschuß

Fr.

129.250

Dieser würde verwendet zur: 1. Verzinsung dos 4 °/o Obligationenlcapitals von Fr. 1,000,000 mit 2. Einlage in den Eeservefonds 3. Dividende an das Aktienkapital

Fr.

,, ,,

40,000 19,250 70,000

Fr.

129,250

oder 5,2 °/o von Fr. 1,350,000.

Mit Schreiben vom 23. Dezember vorigen Jahres wurde die Regierung des Kantons Bern um ihre Vernehmlassung über das Projekt ersucht, unter der gleichzeitigen Mittheilung, daß der Petent in üblicher Weise darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß von Seite der Bundesbehörden auf Konzessionsgesuche für Straßenbahnen

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erst eingetreten werde, wenn mit den kantonalen, beziehungsweise lokalen Behörden über die Straßenbenutzung eine abschließende Verständigung stattgefunden habe.

Herr Ingenieur Beyeler reichte infolge der bezüglich der Straßenbenutzung sich ergebenden Schwierigkeiten am 11. Februar dieses Jahres ein theilweise abgeändertes Projekt ein, wonach bezüglich der ersten Sektion das Tracé die Mitbenutzung der Staats- und Gemeindestraßen im Gremeindebezirk Bern gänzlich vermeidet.

Im Fernern erklärt er, v o r l ä u f i g auch für die zweite Sektion auf die partielle Mitbenutzung der Staatsstraße (durch einfache seitliche Verschiebung des Tracés um l bis 2 m.) zu verzichten, so daß beide Sektionen ihren eigenen Bahnkörper erhalten sollen.

Die bernische Eegierung ihrerseits erklärt mit Schreiben vom 4. März dieses Jahres, daß sie gegen die Konzessionsertheilung grundsätzlich keine Einwendung erhebe, aber ausdrücklich ihr Einspruchsrecht gegen das vorgeschlagene Tracé wahre, das übrigens auf die von der Berner Tramwaygesellschaft erworbenen Eechte übergreife.

Letztere hat denn auch bereits unterm 21. Januar abhin bei unserm Eisenbahndepartement gegen das Konzessionsbegehren des Herrn Beyeler, soweit es den Gemeindebezirk Bern in sich schließt, gestützt auf die ihr ertheilte Konzession vom 12. Februar 1889 (E. A. S. X, 123), Einspruch erhoben, da sie die Ausdehnung der Stammlinie Bärengraben-Friedhof von Anfang an im Auge behalten habe und gegenwärtig ein bezügliches Projekt ausarbeiten lasse. Diese Einsprache ist infolge der Abänderung des Projektes durch den Gesuchsteller gegenstandslos geworden.

Die vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen fanden am 31. März statt und ergaben allseitige Zustimmung zu dem nachfolgenden Beschlußentwurf.

Da der Vertreter der bernischen Eegierung und der Konzessionsbewerber mit Bezug auf das Tracé verschiedene Auffassungen vertraten, deren Einigung auf gemeinsamer Grundlage der definitiven Plangenehmigung vorbehalten bleiben muß und deßhalb in der Konzession nicht präjudizirt werden sollte, so wurde die im Konzessionsgesuch gewählte, durch die Nennung von zwei Zwischenstationen enger begrenzte Bezeichnung in beidseitigem Einverständnis fallen gelassen und durch die Bezeichnung ersetzt, wonach die Konzession allgemein für eine Eisenbahn von B e r n d u r c h das G r
ü r b e t h a l nach T h u n ertheilt wird.

Die Bedingungen sind die üblichen; namentlich entsprechen die Taxen den normalen Ansätzen, nachdem Petent seinen Antrag auf

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Erhöhung der Grundtaxe nicht aufrecht erhalten hat. Immerhin ist durch Einschaltung des Art. 18 a die ausnahmsweise Erhöhung derselben nach Mitgabe der bekannten Botschaft vom 11. September 1873 vorbehalten worden, soweit es sich um Festsetzung von Steigungen über 12 °/oo handelt. Die Einführung von bloß zwei Wagenklassen unterliegt bei dem Charakter der Bahn unseres Erachtens keinem Bedenken.

Wir beantragen Ihnen die Genehmigung des Beschlußentwurfes und benutzen den Anlaß, um Sie, Tit., neuerdings unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 10. April 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

157 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Eisenbahn von Bern durch das Gürbethal nach Thun.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Herrn A. Beyeler, Ingenieur in Bern, vom 2. Dezember 1890; 2. einer Botschaft des Bundesrathes, vom 10. April 1891, beschließt: Dem Herrn Ingenieur A. B e y e l e r in Bern, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von B e r n durch das Gürbethal nach T h u n unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen ertheilt: .

Art. l. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Bern.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 36 Monaten, vorn Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vor-

158 schriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst dea Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 3 Jahren, vom Beginn der Einarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der ßundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8.

Die Bahn wird schmalspurig und eingeleisig erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Mänzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthum des Kantons Bern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nölhige Personal und Material zur Verfügung zu stellen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der'Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens viermal nach beiden Riehtuugen, von einem Endpunkt der Bahn zum andern und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

Die Festsetzung der Fahrgeschwindigkeit der Züge bleibt dem Bundesrathe vorbehalten.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Aenderungen nöthig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrathes eingeführt werden.

159 Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit zwei Klassen aufstellen. In der Regel sind allen Personenzügeri Wagen beider Klassen beizugeben; Ausnahmen kann nur der Bundesrath gewähren.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätee zu beziehen : in der zweiten Wagenklasse 7 Rappen, in der dritten Wagenklasse 5 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Für Kinder unter 3 Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, isofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen, als für einfache und einmalige Fahrten.

Für Abonnementsbillets zu einer mindestens 12maligen Benutzung der gleichen Bahnstrecke für Hin- und Rückfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spediren. Der Bundesrath wird hierüber die nähern Bestimmungen, aufstellen.

Art. 17. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Per Stück und per Kilometer für : Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 16 Rp. ; Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 8 Rp. j Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 3 Rp.

160 Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 °/o zu ermäßigen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 2 Rappen, die niedrigste nicht über l Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirtschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Düngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxirt werden.

Für den Transport von baarem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für 1000 Fr. per Kilometer höchstens l Rp. zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waaren in Eilfracht transportât werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/o und diejenige für Waaren um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportât und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei., Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kaun auf 40 Rappen festgesetzt werden.

Art. 18 a. Soweit Steigungen über 12 °/oo eingeführt werden, kann der Bundesrath eine Erhöhung obiger Taxansätze nach Maßgabe der in der Botschaft betreffend Taxerhöhung für Eisenbahnstrecken mit größern Steigungen, vom 11. September 1873, ausgesprochenen Grundsätze bewilligen.

Art. 19. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzu-

161 fuhren, dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet. In Betreff des Oewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Werthsendungen repräsentiren Bruchtheile von Fr. 500 volle Fr. 500. Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theilbare Zahl, «o darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Art. 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station.

Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten, zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waaren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Bundesrathes zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Thiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämmtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger ^Konzession auläßige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. II.

11

162 Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Aeuffnung eines genügenden Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- uud Unterstützungskasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

Art. 26. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Bern, gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigenthümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungsund Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25faehen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Ruckkauf zwischen dem 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 22 1 /afachen Werth; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages ; -- unter Abzug des Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch' letztem auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

163 e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Absehätzung zu; bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 27. Hat der Kanton Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 26 definirt worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 28. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn von Bern durch das Gürbethal nach Thun. (Vom 10. April 1891.)

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.04.1891

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150-163

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10 015 220

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