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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs des Großraths Plinio Perucchi, Advokat in Stabio, gegen die Dekrete des tessinischen Staatsrathes, betreffend-die Einschreibung im Stimmregister von Stabio von sechs Bürgern Namens Crivelli und drei Bürgern Namens Bobbià.

(Vom 5. März 1891.)

D o r s c h w e i z e r i s c h e Bundesrath hat in Sachen des Großraths Plinio P e r u c c h i , Advokat in Stabio gegen: die Dekrete des-Staatsrathes des Kantons Tessin, betreffend, die Einschreibung ins Stimmregister von Stabio der Herren Crivelli, Anselmo, fu Antonio, Crivelli, Giovanni, fu Antonio, Crivelli, Francesco, fu Antonio, Crivelli, Angelo, di Antonio, Crivelli, Antonio, fu Angelo, Crivelli, Giuseppe, di Antonio, Bobbià,. Luigi, fu Agostino, Bobbià, Pietro, fu Agostino, Bobbià, Ernesto, di Luigi; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse:

I.

Mit Schriftsatz vom 9. Januar 1891 brachte Herr Advokat PÌinio Perucchi beim Bundesrathe folgende Beschwerde vor: Ein gewisser Giacinto Castioni von Stabio verlangte die Einschreibung von sechs Personen des Geschlechtes der Crivelli, die zwei Familien bilden und in Crema (Italien) wohnen. Ein gewisser Emilio Ginella von Stabio, der zugleich das Amt des Regierungskommissärs in Mendrisio bekleidet, verlangte seinerseits die Einschreibung von drei Personen des Geschlechtes der Bobbià, die zusammen eine Familie bilden und in Novi-Ligure (Italien) wohnen.

Der aus Angehörigen verschiedener politischer Parteien zusammengesetzte Gemeinderath von Stabio hat durch e i n s t i m m i g e n Be-

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Schluß die genahnten Crivelli und Bobbià in's Stimmregister nicht aufgenommen und antwortete ebenso einstimmig auf den Rekurs Castioni, daß die Crivelli ihren offenkundigen Wohnsitz in Crema haben, wo sie Bauunternehmnngen ausführen und Ziegelbrennereien -betreiben, dagegen in Stabio weder Wohnsitz noch Haushaltung haben, wenn auch hier und da das eine oder, andere Familienglied während 8 oder 14 Ferientagen dahin kommt. In ähnlicher Weise entgegnete die Gemeindebehörde auf den Rekurs Ginella.

Diesen Erklärungen der Munizipalität schenkte der tessinische Staatsrath keinen Glauben, sondern er wandte sich, um über den Sachverhalt unterrichtet zu werden, an den Begierungskommissär Ginella, der in dem einen Falle selbst Rekurrent ist undf dessen Sohn in dem ändern Falle (Castioni) den Rekurs eigenhändig geschrieben hat.

Von dem Herrn Kommissär^'erhielt der Staatsrath den Bericht, daß sowohl die Crivelli als die Bobbià ihren Wohnsitz zwischen Stabio und dem Auslande wechseln, und gestützt auf diesen Bericht verfügte er die Einschreibung sowohl der Crivelli als der Bobbià ins Stimmregister von Stabio.

So der Rekurrent.

II.

In seiner Vernehmlassung vom 13. Januar 1891 hat der Staatsrath erwidert was folgt: a. Die Familie Crivelli hat zwar während dem größern Theil des Jahres den Sitz ihres Haushalts in Crema, sie kehrt aber jedes Jahr mehrmals nach Stabio zurück, wo sie Haus und Güter besitzt, um daselbst 20, 30 und sogar 40 Tage zuzubringen.

6. Die Familie Bobbià wechselt den Sitz ihres Haushalts zwischen Novi-Ligure und Stabio, wo sie jedes Jahr etliche Monate zubringt.

Unter solchen Umständen erachtete der Staatsrath die Anwendung von Absatz 2 der litt, a (sollte offenbar heißen: litt, b) des Art. 3 der Uebergangsbestimmungen des Gesetzes vom 5."Dezember 1890 zu Gunsten der Stimmberechtigung der Crivelli und Bobbià als begründet und ordnete die Einschreibung derselben an.

Der Staatsrath will jedoch die Möglichkeit eines Irrthumes nicht ausgeschlossen wissen, da bei der ihm so kurz zubemessenen Zeit in der Erledigung von einigen hundert Rekursen nicht immer eine regelrechte Untersuchung hat angestellt werden können.

Er macht es sich insbesondere zur Pflicht, mit Bezug auf den vorliegenden Rekursfall eine neue Untersuchung anzuordnen, und wird, falls dieselbe die thatsächliche Unrichtigkeit .der Grundlagen des Entscheides erweisen sollte, nicht anstehen, denselben abzuändern.

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III.

Mit Schreiben vom 24. Februar 1891 theilte der Staatsrath ·dem Bundesrathe mit, die neue Untersuchung -- es wird nicht gesagt, wer -sie geführt hat, und die Materialien derselben werden nicht vorgelegt -- habe als Resultat ergeben: Mit Bezug auf die Crivelli gehen die Zeugenaussagen dahin, daß jene zwar den größten Theil des Jahres in Crema sich aufhalten, allein mehrmals nach Stabio kommen, wo sie 14 bis 30 Tage und noch länger, zusammen ungefähr drei Monate im Jahre, verweilen.

Von der Familie Bobbià kann gesagt werden, daß sie gleichzeitig zwei Hanshaltungen besitzt, die eine in Novi (Italien) und die .andere in Stabio, indem sie das ganze Jahr ein offenes Haus im einen wie im ändern der genannten Orte hält. In Stabio wird die Haus.haltung von Magdalena Bobbià, der Ehefrau des Pietro, geführt, die daselbst das ganze Jahr ununterbrochen mit dem einen oder dem ändern ihrer Söhne sich befindet. Die ändern Familienglieder wohnen zwar meistens in Novi, kommen aber doch jedes Jahr mehrere Monate nach Stabio. Jm letztverflossenen Jahre war Pietro Bobbià während vier aufeinander folgenden Monaten in Stabio.

Dem Staatsrathe will es scheinen, daß unter solchen Umständen · ein Grund zur Abänderung seines frühern Beschlusses nicht vorliege; in Erw ägung: 1. Der Bundesrath sieht sich nicht in der Lage, feststellen zu .können; ob die Ergebnisse der vom Staatsrathe angeordneten zweiten Untersuchung der thatsächlichen Verhältnisse wiederum dem Herrn Eegierungskommissär von Mendrisio, der in der Sache, wie der Staatsrath selbst nicht bestreitet, als Partei aufgetreten ist, anvertraut war ; ·er kann daher auch nicht ohne Vorbehalt in eine Würdigung derselben eintreten.

Die erste, ausschließlich vom Rekurrenten Ginella als Regierungskommissär vorgenommene Untersuchung, gestützt auf welche der Staats·rath seinen Beschluß gefaßt hat, kann für den Bundesrath in keiner Weise als beachtenswerth in Betracht fallen.

Dies vorausgeschickt, entnimmt der Bundesrath der Darstellung des Sachverhältnisses im zweiten staatsrätblichen Bericht, daß zwischen den Crivelli und den Bobbià ein wesentlicher Unterschied besteht.

Die Crivelli führen nur im Auslande (in Crema) einen Haushalt; sie besuchen freilich wiederholt während des Jahres ihren Heimatort und verweilen in, demselben-mehr oder weniger lang, allein es kann von ihnen nicht gesagt werden, daß sie dann in Stabio ,,haushalten11.

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Der Staatsrath sagt auch nicht deutlich, ob die 6 Bürger, welche die zwei Familien Crivelli bilden, jeweilen zusammen nach Stabio zurückkehren und gleichzeitig dort verweilen ; es bleibt daher ungewiß, ob die Angabe eines vierzehn- und dreißigtägigen oder noch längeren, zusammengenommen ungefähr dreimonatlichen Aufenthalts, sich auf alle 6 Crivelli ohne Unterschied bezieht oder nur auf den einen oder ändern derselben, in welch' letztem Falle bloß durch' Zusammenrechnung der Aufenthaltsdauer der einzelnen Familienglieder ein Gesammtaufenthalt von circa drei Monaten sich ergeben würde.

Dagegen kann, nach den eigenen Worten des Staatsrathes, von den Bobbià gesagt werden, daß sie in Stabio einen Haushalt führen, und der Staatsrath hat denn auch nicht unterlassen, die nähern Verhältnisse dieses Haushalts mit aller Umständlichkeit zu schildern.

2. Demgemäß rechtfertigt es sich auf Grund der vorliegenden Akten, unter Vorbehalt allfälligen Zurückkommens auf die Sache, für den Fall, daß in der Folge die tatsächlichen Verhältnisse sich anders darstellen würden, die Crivelli unter die Ausschlußübergangsbestimmung des Art. 3, litt, b des Gesetzes vom 5. Dezember 1890 fallen zu lassen, auf die Bobbià. dagegen als ,,Alternanti "· die Ausnahmebestimmung im zweiten Absatz jener litt, b anzuwenden, d. h.

die Bobbià zur Ausübung des Stimmrechts zuzulassen, beschlossen: 1. Der Eekurs wird als begründet erklärt in Bezug auf die sechs Mitglieder des Geschlechtes Crivelli, dagegen als unbegründet abgewiesen in Bezug .auf die drei Mitglieder des Geschlechtes Bobbià.

Der Staatsrath von Tessin wird demnach eingeladen, die Streichung der Crivelli im Stimmregister von Stabio zu veranlassen.

2. Dieser Beschluß ist dem Staatsrath des Kantons Tessin für sich und zur Bekanntgebung an die Munizipalität von Stabio schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 5. März 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes : Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs des Giovanni Ramponi von Monteggio gegen den Beschluß des tessinischen Staatsrathes vom 9. Januar 1891, betreffend Ausschluß vom Stimmregister der Gemeinde Monteggio.

(Vom 5. März 1891.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen des Giovanni R a m p o n i fu Ferdinando von Monteggio gegen den Beschluß des tessinischen Staatsrathes vom 9. Januar 1891, betreffend Ausschluß vom Stimmregister der Gemeinde Monteggio; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sach Verhältnisse : I.

Mit Dekret vom 9. Januar 1891 hat der Staatsrath des Kantons Tessin, ,,gestutzt auf die Thatsache, daß der Rekurrent seit mehreren Jahren mit seiner Familie in Frankreich seßhaft ist und nicht jedes Jahr den Sitz seines Haushalts wechselt, in Anwendung von Art. 3 der Uebergangsbestimmungen des Gesetzes vom 5. Dezember 1890", den Rekurs des .Carlo Ramponi, als Vollmachtträgers, betreffend die Einschreibung des Giovanni Ramponi fu Ferdinando im Stimmregister von Monteggio, abgewiesen.

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