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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs des Advokaten Plinio Bolla in Olivone gegen den Beschluß des tessinischen Staatsrathes vom 5. März 1891, betreffend Ausschluß vom Stimmregister von Olivone von sieben Bürgern Namens Bruni und des Dr. med. Giacomo Piazza.

(Vom 11. Juni 1891.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat in Sachen des Rekurses des Advokaten Plinio Bolla in Olivone als Vertreter 1. der Gebrüder Bruni, Giacomo, di Giuseppe, Bruni, Pietro, di Giuseppe, Bruni, Isidoro, di Giuseppe, Bruni, Guglielmo, di Giuseppe, Bruni, Edoardo, di Giuseppe, Bruni, Arnoldo, di Giuseppe, Bruni, Vincenzo, di Giuseppe, 2. des Dr. med. Piazza, Giacomo, fu Vincenzo, sämmtliche von Olivone, gegen den Beschluß des tessinischen Staatsrathes vom 5. März 1891, betreffend Ausschluß vom Stimmregister von Olivone; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sach verhältnisse :

903 I.

In Folge eines Rekurses, der das Datum des 21. Februar 1891 trägt, den Herrn Carlo Gianella von Malvaglia zum Urheber hat und der Munizipalität Olivone in einem Doppel am 23. Februar 1891, Abends um 6 Uhr 5 Minuten, mitgetheilt wurde, beschloß der tessinische Staatsrath am 5. März die Streichung im Stimmregister von Olivone der oben angeführten sieben Gebrüder Bruni, sowie des mitangeführten Dr. Piazza, mit der Begründung bezüglich der Bruni, daß sie, zum Theil verheirathet und Familienväter, ihren Haushalt in Mailand haben, wo sie ein Weinhandlungsgeschäft betreiben, das ihren beständigen Aufenthalt dort verlangt, und daß sie keineswegs regelmäßig jedes Jahr den Site ihres Haushaltes zeitweilig nach Olivone verlegen, bezüglich des Dr. Piazza, daß er sich ebenfalls in Mailand niedergelassen habe und den Sitz seines Haushaltes nicht zwischen Mailand und der Heimat alljährlich wechsle.

II.

Mit Schriftsatz vom 13. März 1891 reichte Herr Advokat Plinio Bolla in Olivone Namens der Gebrüder Bruni und des Dr. Piazza beim Bundesrathe gegen den staatsräthlichen Beschluß einen Rekurs ein, in welchem er die Aufhebung dieses Beschlusses und folgeweise die Wiedereinschreibung seiner Auftraggeber im Stimmregister von Olivone verlangt. Dieses Begehren wird gestellt: a. Vorab aus einem formellrechtlichen Grunde.

Laut Art. 16 der Uebergangsbestimmungen des tessinischen Gesetzes vom 5. Dezember 1890 hätte der Rekurs des Carlo Gianella dem Staatsrathe am 23. Februar, als dem letzten Tage innerhalb der nützlichen Frist, zugestellt werden müssen. Das war nun aber materiell unmöglich. Der Staatsrath konnte nicht früher als am 24. Februar in den Besitz der Rekursschrift gelangen. Die Munizipalität Olivone erhielt ja das ihr bestimmte Doppel erst am 23. Februar, Abends nach. 6 Uhr. Die erste Post, die nach diesem Zeitpunkte von Olivone nach Bellinzona abging, verließ den erstgenannten Ort um 24. Februar, Morgens 4 Uhr 45 Minuten. Die Sendung an den Staatsrath konnte daher nicht einmal den Poststempel vom 23. Februar tragen. Der Buudesrath mö^e sich davon überzeugen, indem er den betreffenden Briefumschlag zu den ihm vorliegenden Akten verlange.

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b. In zweiter Linie aus materiellrechtlichen Gründen.

i. In Bezug auf die sieben Gebrüder Bruni.

Die vom Regierungskommissär unter Mitwirkung des Sindaco und Gemeindeschreibers von Olivone und zweier Konservativer, also den Bruni nicht freundlich gesinnter Bürger, am 28. Februar 1891 in Olivone vorgenommene Untersuchung hat ergehen, daß die Bruni alle jedes Jahr den Sitz ihres Haushalts zwischen Mailand und Olivone wechseln, an welch letzterem Orte sie mit ihren hochbetagten Eltern zusammenleben, bald einen, bald zwei, bald drei Monate im Jahr.

2. In Bezug auf Dr. Piazza.

Die Munizipalität von Olivone nennt ihn einen Arzt und Chirurgen der in Mailand seinen Beruf ausübt, unverheirathet ist und mit seiner Mutter in Mailand den Haushalt führt. Er komme jedes Jahr für wenigstens einen Monat nach Olivone, die Mutter jedes Jahr für ungefähr vier Monate (Juli bis Oktober).

Die zwei vorhin schon erwähnten konservativen Bürger erklärten von Dr. Piazza gleichwie von dessen drei Brüdern, deren Ausschließung der Rekurrent Gianella gleichfalls verlangt halte, was folgt: ,,Die Brüder Piazza wohnen in Mailand, wo sie den hauptsächlichen Sitz ihrer Haushaltung haben: sie kehren alljährlich in die Heimat zurück wo sie mindestens einen Monat lang verweilen." Trote dieser für alle vier Brüder Piazza gleichlautenden Erklärung wurden bloß drei derselben im Stirnmregister beibehalten, Dr. Giacomo Piazza wurde ausgeschlossen, der Vorschrift der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze zum Trotz.

III.

Der Staatsrath entgegnet mittelst Zuschrift an den Bundesrath vom 30. Mai 1891 :

a. In formellrechtlicher Beziehung.

Die Einrede der Verspätung des Rekurses ist nicht begründet.

Der Rekurs kam dem Staatsrathe n m Morgen des 24. Februar zu, mit dem Poststempel des vorhergehenden Tages. Art. 16 des zitirten Gesetzes sehreibt nur vor, daß der Rekurs zwölf Ta ge. vor dem Abstimmungstage dem Staatsrathe zugestellt werden müsse Nun ist aber die Aufgabe zur Post als ein Mittel der Zustellung zu betrachten. Demnach konnte die Einrede der Verspätung vom

905 Staatsrathe nicht als stichhaltig erklärt werden, umsoweniger, als der Grundsatz, daß das Datum des Poststempels als Datum der Zustellung zu gelten habe, schon in vielen ähnlichen Fällen angewendet worden war.

b. In materiellrechtlicher Beziehung.

i. In Bezug auf Dr. Piazza.

Dr. Piazza übt seinen Beruf als Arzt und Wundarzt in Mailand aus, nimmt an der Poliklinik jener Stadt Theil und wohnt dort ununterbrochen während mindestens elf Monaten im Jahre.

Er mußte deßhalb wie andere Tessiner, insbesondere Fausto Buzzi und Emilio Rusca, deren Ausschließung der Bundesrath gutgeheißen hat, ausgeschlossen werden.

Dr. Piazza figmïrt im ,,Führer durch Mailanda unter den in O il dieser Stadt praktizirenden Aerzten.

Die drei anderen Brüder Piazza wurden nicht ausgeschlossen, weil ihre Wohnsitzverhältnisse von demjenigen des Arztes verschieden sind, besonders aber, weil sie in Olivone jeweileo eine beträchtlich längere Zeit zubringen.

2. In Bezug auf die Gebrüder Bruni.

Die Situation ist hier noch klarer als bei Piazza.

Alle sieben Brüder haben ihren Haushalt in Mailand, wo sie Weingeschäfte betreiben, die ihren beständigen Aufenthalt in Mailand erfordern.

Wahl- ist, daß jedes Jahr bald der eine, bald der andere nach Olivone kommt, um daselbst mit ihren alten Eltern einige Zeit KU verleben, einmal einen Monat, ein anderes Mal auch wohl etwas länger. Allein dies genügt nicht, um von einem zwischen Mailand und Olivone wechselnden Wohnsitz zu reden.

Nach der Ansicht des Staatsratbes kann von einem solchen Wechsel nur dann die Rede sein, wenn der im Auslande Haushaltung führende Tessiner jedes Jahr mit seiner Familie heimkehrt, um daheim einen Zeitraum zu verbringen, der nicht kürzer als drei Monate ist.

Nun verweilen die Gebrüder Bruni selten zwei Monate lang in Olivone, wie von nicht interessirter Seite festgestellt worden ist.

Aber die Hauptsache ist, daß auch während dieser mehr oder weniger langen Aufenthallsperiodeu die Gebrüder Bruni in Olivone Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

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906 keine eigene Haushaltung führen, sondern im Hause ihrer Eltern -- mit denen sie vermögensrechtlich keine Gemeinschaft haben -- und als Gäste der Eltern daselbst verweilen.

Uebrigens kommen dieselben auch nicht alle gleichzeitig nach Olivone, sondern nach einander, da sie ihr Geschäft nicht sämmtlich zu gleicher Zeit verlassen können. Die Haushaltung in Mailand ist also niemals unterbrochen und ebenso wenig jemals eine n e u e Haushaltung in Olivone begründet.

Nach einer von der tessinischen Staatskanzlei nachträglich eingesandten lithographirten Karte befindet sich das Geschäft ,,Al Grotto" der ,,Bruni Fratelli" in Mailand via Torino 26.

Auf der Rückseite dieser Karte findet sich die handschriftliche Notiz: Via Cesare Correnti 32.

Via San Zeno Nr. 16.

IV.

Auf das Begehren des rekurrentischen Anwaltes Plinio Bolla verlangte das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement von der tessinisehen Staatskanzlei die Einsendung des Briefumschlages, deiden Rekurs des Carlo Gianella vom 23. Februar 1891 an den Staatsrath enthielt, und das Protokoll der vom Regierungskommissär am 28. Februar in Olivone vorgenommenen Untersuchung.

Gleichzeitig wünschte das Departement einige staatsräthliche Entscheide einzusehen, durch welche die Aufgabe zur Post innerhalb nützlicher Frist als rechtzeitige Zustellung an die Behörde anerkannt worden war.

Die Kanzlei des tessinisehen Departements des Innern sandte die verlangten Aktenstücke, mit Ausnahme des fraglichen Briefumschlags, in Bezug auf welchen sie bemerkte: ,,Der Umschlag (,,la busta"), in welchem der Rekurs Gianella eingeschlossen war, wurde sofort zerstört (,,distrutta"), da er für uns keinerlei Werth hatte."

Aus dem Untersuchungsprotokoll vom 28. Februar ergibt sich in Bezug auf die Gebrüder Bruni nichts, was in der vorstehenden Sachdarstellung nicht schon erwähnt wäre.

In Bezug auf Dr. Piazza und dessen 3 Brüder dagegen geht aus jenem Aktenstücke hervor, daß die vom Staatsrathe hervorgehobene Verschiedenheit ihrer Wohnsitzverhältnisse den Angaben der Munizipalität von Olivone entnommen ist, die feststellte: 1) Daß Giuseppe Pia/za mit seinem Bruder Giovanni in Mailand eine Chokoladefabrik betreibt, verheirathet ist und im Anfang

907 jedes Sommers seine Haushaltung nach Olivone verlegt, wo er ein eigenes Haus besitzt.

2) Daß Dr. Giacomo Piazza, der mit der Mutter zusammenlebt, jedes Jahr für w e n i g s t e n s e i n e n Monat heimkehrt.

3) Daß Giovanni Piazza, der Geschäftspartner des Giuseppe, gleichfalls mit der Mutter haushält und jedes Jahr für m e h r a l s e i n e n Monat heimkehrt.

4) Daß Arnoldo Piazza, welcher in Mailand ein Geschäft zur Herstellung von Heizapparaten betreibt, dort verheirathet und Familienvater ist, und jedes Jahr mit seiner Familie nach Olivone kommt, wo er den größern Theil des Sommers mit seiner Mutter zusammenlebt.

Aus früheren Rekursentscheidungen des Staatsrathes, deren Akten vorliegen, ergibt sich, daß in der That schon Rekurse als rechtzeitig zugestellt betrachtet worden sind, die erst am Abend des letzten nützlichen Tages der Rekursfrist der Post übergeben wurden, und daß sogar Rekurse, die der betreffenden Munizipalität erst am letzten Abend nach 9 Uhr eingehändigt wurden, dennoch vom Staatsrath als rechtzeitig zugestellt anerkannt worden sind; in E r w ä g u n g : A. In Bezug auf die Einrede der Verspätung des Rekurses an den Staatsrath.

Der Bundesrath kann sieh nicht veranlaßt sehen, in kantonalen Angelegenheiten der Gesetzesauslegung einer Kantonsbehörde, welche die Aufgabe zur Post innerhalb nützlicher Frist als rechtzeitige Zustellung eines Aktenstückes erklärt, entgegenzutreten, vorausgesetzt, daß diese Auslegung in konstanter Praxis zum Ausdruck gelangt.

Letzteres scheint im Kanton Tessin der Fall zu sein.

Im vorliegenden Falle ist anzunehmen, daß der Rekurs Gianella an den Staatsrath am Abend des 23. Februar in Olivone der Post übergeben wurde, wie er denn auch an jenem Abend der Munizipalität zukam. Laut Versicherung des Staatsrathes ist der Rekurs am 24. Februar im Laufe des Vormittags in den Besitz, des Slaatsrathes gelangt, ,, m i t Poststempel vom vorhergehenden Tage".

Freilich ist das Couvert, dem der Poststempel aufgedrückt war, weil ,,werthlos", wie der Sekretär des tessinischen Departements des Innern sagt, sofort zerstört worden, und es fehlt somit das Beweismittel, das für den Staatsrath selbst entscheidend sein mußte und

908 es auch war. Nach allen Verumständungen ist aber nicht daran zu zweifeln, daß die Aufgabe zur Post am Abend des 23. Februar erfolgt ist.

Die Einrede der Verspätung ist deßhalb nicht stichhaltig und es rechtfertigtsieh die materielle Beurtheilung des staatsräthlichen Beschlusses durch den Bundesrath.

B. In Bezug auf die Sache selbst.

i. Betreffend

die Gebrüder Bruni.

Es ist dem Staatsrathe beizustimmen, wenn er den Aufenthalt, den die Gebrüder Bruni alljährlich in Olivone machen, nicht als Führung ihres Haushalts in jener Gemeinde anerkennt.

Es fehlt zur Annahme des Haushalts das ganz wesentliche Merkmal der Selbständigkeit der Lebensführung, des eigenen Herdes in Olivone. Die Gebrüder Bruni sind dort, auch wenn sie mit Weib und Kind sich einfinden, Gäste im Hause ihrer Eltern, mit welchen sie keineswegs in Gütergemeinschaft stehen.

Zudem sind die Angaben über die Aufenthaltsdauer dei- einzelnen Brüder verschieden und auch unbestimmt.

Aus dem ganzen Sachverhältnisse kann demnach nicht geschlossen werden, daß die sieben Rekurrenten abwechselnd in Mailand und in Olivone ihren eigenen Haushalt führen.

2. Betreffend

den Dr. Giacomo Piazza.

Anders stellt sich die Situation von Dr. Piazza dar. Derselbe ist zwar praktischer Arzt in Mailand und in dieser Stadt wohnhaft. Allein er führt dort, wie auch sein von der Regierung zur Ausübung des Stimmrechts zugelassener Bruder Giovanni, mit seiner Mutter Haushaltung. Während mehrerer Monate in der schönen Jahreszeit wohnt die Mutter in Olivone und die beiden Söhne kommen dann auf kürzere oder längere Zeit zu ihr nach Olivone, und zwar, wie die Akten sagen, der Rekurrent Giacomo Piazza jeweilen ,,für mindestens einen Monat", sein Bruder Giovanni ,,für mehr als einen Monat".

Die Wohnsitznahme der beiden Brüder in Olivone vollzieht sich also faktisch in gleicher Weise und von Beiden kann gesagt werden, daß sie in Olivone mit der Mutter die Haushaltung fortsetzen, die sie während des größern Theils des Jahres in Mailand zusammen führen.

909 Es ist richtig, wenn der Staatsrath von den Brüdern Giuseppe und Arnoldo Piazza, die ebenfalls als Alternanteu anerkannt und zum Stimmen zugelassen worden sind, bemerkt, daß ihre Wohnsitzverhältuisse von demjenigen des Giacomo verschieden seien; denn Giuseppe hat in Mailand eigene, von der Mutter getrennte Haushaltung und bewohnt jeweilen in Olivone sein eigenes Haus, Arooldo aber, der Familienvater ist, hält in Mailand, ebenfalls getrennt von der Mutter, selbständig Haus, wohnt indessen in Olivone den größern Theil des Sommers mit der Mutter zusammen.

Nicht richtig dagegen ist die Behauptung des Staatsrathes, daß auch Giovanni andere Wohnsitzverhältnisse habe als Giacomo.

Und was Giuseppe und Arnoldo betrifft, so hat der Staatsrath sie als AUernanten behandelt, obgleich ihre Haushaltung in Olivone nicht den gleichen selbständigen Charakter aufweist wie diejenige in Mailand.

Wenn der Staatsrath anläßlich dieses Falles erklärt, nach seiner Auffassung gehöre zu einem alternirenden Wohnsitz zwischen dem Ausland und dem Heimatkanton ein Aufenthalt im letztern von mindestens drei Monaten, so ist er von dieser Auffassung gerade im vorliegenden Falle zu Gunsten von Giovanni Piazza abgewichen, der nur etwas mehr als einen Monat jährlieh zu Hause verweilt, und es darf daran erinnert werden, daß der Staatsrath auch in andern Fällen, z. B. gegenüber den Gebrüdern Marcoli von Beride, einen Aufenthalt in der Heimat von ^mehr als einem Monat a als hinreichend für die Begründung eines wechselnden Sitzes der Haushaltung angesehen hat. Er hat es nach Ansicht des Bundesrathes mit Recht gethan, denn das Gesetz enthält sich jeder Vorschrift hinsichtlich der Aufenthaltsdauer.

Endlich ist zu erwähnen, daß die Vorentscheide, die vom Staatsrathe zitirt werden (Buzzi und Rusca), hier nicht zutreffen.

Denn Buzzi war als im Ausland wohnender Angestellter zu behandeln, fiel also unter litt, a des Art. 3 der Uebergangsbestimmungen des Gesetzes vom 5. Dezember 1890, für welche Kategorie die Rückkehr in die Heimat filr kürzere Ferien- oder Urlaubsperioden kein Stimmrei'ht begründet.

Rusca aber ist Ingenieur im Ausland ohne irgendwelchen dauernden Aufenthalt an einem Orte der Heimat.

Demzufolge kommt der Bundesrath zum Schlüsse, daß Dr. Giacomo Piazza nicht anders zu behandeln sei, als seine Brüder. Die einzige Differenz,
die zwischen ihm und Giovanni besteht, liegt in den Worten : ,,mindestens einen Monat" und ,,mehr als einen Monat11 Aufenthaltsdauer in Olivone. Diese Differenz vermag die Verschiedenheit der Behandlung nicht zu rechtfertigen.

910 3. Betreffend

beide Klagparteien.

Wenn der Bundesrath sonach dazu gelangt, die Rekurrenten Bruni abzuweisen, den Rekurrenten Piazza dagegen zum Stimmrecht zuzulassen, so geschieht dies in Anwendung des kantonalen Gesetzes vom 5. Dezember 1890, das in seiner Wirksamkeit, wohl gerade im gegenwärtigen Falle zu einem wenig billigen Resultate führt.

Denn die Bruni und Piazza sind sich darin gleich, daß sie im Auslande seit vielen Jahren wohnen, dort haushalten und Berufe ausüben, und daß sie jedes Jahr heimkehren, um in der Heimatgemeinde eine kürzere oder längere Zeit zuzubringen.

Einzig der Umstand, daß die Piazza in der Heimat die Haushaltung selbst führen, läßt sie in den Augen des Gesetzes als herücksichtigenswerther erscheinen, als die Bruni.

Allein es steht der Bundesbehörde nicht zu, diesfalls über das kantonale Recht hinauszugehen; ihre Aufgabe besteht ausschließlich darin, für eine gleichmäßige Anwendung desselben zu sorgen, damit Art. 4 der Bundesverfassung auf dem Gebiete des kantonalen Stimmrechts in Geltung verbleibt: beschlossen: 1. Der Rekurs wird in Hinsicht auf die Gebrüder Bruni als unbegründet abgewiesen.

2. Der Rekurs ist begründet in Hinsieht auf Dr. G. Piazza.

In Folge dessen wird der Staatsrath eingeladen, die Wiedereinschreibung dieses Bürgers im Stimmregister von Olivone zu veranlassen.

3. Mittheilung an den Staatsrath und an Advokat Pliuio Bolla in Olivone zu Händen der Rekurrenten.

B e r n , den 11. Juni

1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrath es, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rillgier.

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08.07.1891

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902-910

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