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Aus den Vehandlungen des Schweiz, Bundesrathes, (Vom 8. Januar 1891.)

Der Bundesrath hat auf ein bezügliches Telegramm seines Kommissärs im Tessin, Herrn Okerstdivisionär Künzli, in folgendem Sinne geantwortet : 1. Der Bundesrath bedauert jetzt, sehen zu müssen, daß durch Aufstellung von doppelten und sogar dreifachen Listen für die gleiche Partei Gelegenheit gegeben worden ist, die Korrektheit dieses ersten Versuches in Zweifel zu. ziehen.

Aber er glaubt nicht, daß er diese doppelten oder dreifachen Listen verbieten könne, denn es liegt im Wesen des Systems selbst, daß es jeder Gruppe frei steht, ihre eigene Liste aufzustellen, sei es nun, daß sie wirklich eine besondere Partei bildet, oder daß sie sich im gegebenen Fall wirklich oder scheinbar aus Gründen, denen die Behörde nicht nachzufragen hat, von ihrerPartei trennt. Das tessinische Gesetz über die Wahl des Verfassungsraths anerkennt dieses Recht ausdrücklich, indem es besagt, daß jede aus zehn oder mehr Personen bestehende Gruppe ihre Liste einreichen könne.

Der Bundesrath erkennt nicht ganz klar den Vortheil, den man mit diesen für die gleiche Partei aufgestellten doppelten oder dreifachen Listen erzielen will. Aber er glaubt, daß dieser Vortheil nicht groß sein kann, und daß die Kombinationen, über die man sich beklagt, mehr dem zu erprobenden System, als der Partei, gegen welche sie gerichtet sind, schaden werden. Auf jeden Fall scheinen sie nicht von so großer Tragweite zu sein, daß deßhalb die Aufregung, welche sie verursacht haben, gerechtfertigt wäre.

2. Was das Stimmrecht der Angehörigen anderer Kantone betrifft, so ist der Bundesrath der Ansicht, daß dasselbe denjenigen Personen, welche seit drei Monaten im Kanton wohnhaft sind, nicht verweigert werden darf, vorausgesetzt, daß dieselben jetzt ihre Niederlassungsbewilligung einholen, falls sie noch keine solche besitzen. Man kann in der That nicht verlangen, daß die dreimonatliche Frist erst mit dem Datum der Bewilligung beginnen solle,

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denn das Gesetz, welches diese Bedingung aufstellt, datirt vom 5. Dezember 1890, und die Abstimmung, für welche allein dieses Gesetz erlassen worden ist, wird arn 11. Januar 1891, also binnen weniger als drei Monaten nach dem Erlaß des Gesetzes, stattfinden.

(Vom 9. Januar 1891.)

Die Lebens Versicherungsgesellschaften ,,New York Life Insurance Comp.tt und ,,The Equitable Life Assurance Society of thè United States1' haben unterm 20. und 30. Dezember dem Versicherungsamte mitgetheilf, daß sie für e i n s t w e i l e n auf die Fortsetzung des ihnen, kraft ertheilter Konzession, zustehenden Geschäftsbetriebes in der Schweiz verzichten. Dieses Vorgehen motiviren die Gesellschaften damit, daß der Erfolg ihrer hierseitigen Arbeit mit den Unkosten nicht im Einklänge stehe.

Das Verhalten der Gesellschaften involvirt nach der Auffassung 'O des Departementes keinen Verzicht auf die ihnen s. Z. ertheilte Konzession, weßhalb ,,New York" und ,,Equitable" nach wie vor dem Aufsichtsgesetze in unveränderter Form unterstellt bleiben.

Der Bundésrath hat von diesem einstweiligen Verzicht auf den Geschäftsbetrieb in der Schweiz Vormerkung genommen und gleichzeitig konstatirt, daß die beiden Gesellschaften nach wie vor der vollen Bundesaufsicht nach Maßgabe des Gesetzes vom 25. Juni 1885 (A. S. n. F. Vili, 171) unterstellt bleiben.

Der Bundésrath hat den Rekurs des Herrn Leo de S t o p p a u i , Sohnes, vom 6. dieß, gegen den Beschluß des Sraatsrathes des Kantons Tessin, betreffend Stimmberechtigung, mit folgenden Erwägungen als unbegründet abgewiesen : 1. Die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen Dingen ist, soweit, bundesstaatsrechtlicho Bestimmungen in Frage kommen, keinen ändern Vorschriften, als den in der Bundesverfassung enthalteneu, unterworfen, da kein Bundesgesetz über diesen Gegensiand besteht und insbesondere das Gesetz vom 24. Dezember 1874 über das Stimmrecht der Schweizerbürger, welches vom Rekurrenten angeführt wird, nie in Kraft getreten ist, sondern in der Volksabstimmung vom 23. Mai 1875 verworfen wurde.

2. Die Bundesverfassung enthält keinerlei Bestimmung, welcher der Art. 3, litt, a, der Uebergangsbestimmungen des tessiniachen Gesetzes vom 5. Dezember widerspräche.

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3. Was die Anwendung dieser Bestimmung im vorliegenden Falle anbelangt, so steht fest, daß der Rekurrent, welcher auf einer Bank in Mailand arbeitet, ein Amt bekleidet, das seinen Wohnsite im Ausland 'erforderlich macht, und wenn er, wie er versichert, jede Woche ins Tessin zurückzukehren pflegi, so muß trotzdem sein Wohnsitz im Auslande als ein ,,ständiger" im Sinn des tessinischen Gesetzes betrachtet werden; denn dieses schreibt ausdrücklich vor, daß ,,die Dauer des Wohnsitzes im Auslande nicht als unterbrochen betrachtet wird durch eine Rückkehr in den Kanton während kurzer Ferien- oder Urlaubsperipden".

Der Bundesrath hat beschlossen, für diejenigen Prachtgutsendungen, die nachweisbar an einem Sonn- oder Festtag auf der Gotthardbahn sich befunden haben und dort infolge des Ausfallens der Güterzüge aufgehalten wurden, den betreffenden Tag bei Berechnung der Lieferfrist nicht in Betracht zu ziehen.

Zum Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betrieb der Eisenbahnen und anderer Transportanstalten wird mit Bezug auf den Postdienst eine Vollziehungsverordnung erlassen.

Ein Vermächtniß des Herrn alt Nationalrath Gedeon T h o m m e n in Waldenburg zu Gunsten des eidg. Winkelriedfonds im Betrage von Fr. 2000 wird bestens verdankt.

In Ersetzung des verstorbenen Herrn Hermann wird Herr Johann Georg M e u r i c o f f r e , von Frauenfeld, Bankier in Neapel, zum Schweiz. Generalkonsul in dieser Stadt gewählt.

Herr Dr. jur. Alfred G e o r g , von Genf, wird zum Gesandtschaftsattaché in Washington ernannt.

Herrn Oberstlieutenant v o n S u r i , Instruktor I. Klasse der Kavallerie, wird die aus Gesundheitsrücksichten nachgesuchte Entlassung von dieser Stelle unter Verdankung der geleisteten Dienste auf den 31. März 1891 ertheilt.

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Der bisherige Oberpostdirektor, Herr Edmund U ö h n , von Wädensweil, wird für die nächste dreijährige Amtsperiode wiedergewählt.

(Vom 13. Januar 1891.)

Die Frist zur Einreichung der vorschriftsgemäßen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Gesellschaftsstatuten für eine schmalspurige Eisenbahn von Maloja nach Castasegna, sowie filieine Eisenbahn von Brig nach Airolo, wird um zwei Jahre, d. h.

bis zum 23. Dezember 1892. erstreckt; für eine Eisenbahn MurtenFreiburg um l Jahr, d. h. bis zum 21. Dezember 1891, ebenso für eine schmalspurige Eisenbahn von Bourdy, über Bas-de-Sachet bei Cortaillod nach Serrières, um ein Jahr, d. h. bis zum 18. De zember 1891.

Sämmtliche Beamte der Oberzolldirektion und sämmtliche Zollgebietsdirektoren werden auf eine fernere Amtsdauer bestätigt.

Dabei wird die auf der Kanzlei der Oberzolldirektion vakante Kanzlistenstelle dem bisher provisorisch angestellten Herrn Hermann Karl Z i m m e r l i, von Oftringen, Kanton Aargau, übertragen und als Kanzlisten II. Klasse der Abtheilung für Handelsstatistik die Herren Oskar B a c h m a n n , von Thundort, Kanton Thurgau, und Alexander I s c h , von Nennigkofen, Kanton Solothurn, gewählt.

Der Kantonalbank Schwyz in Schwyz wird unter der vom Kauton nach Art. 12, 14 und 30 des Banknotengesetzes geleisteten Garantie die Erhöhung der Notenemission von Fr. 500,000 auf Fr. 2,000,000 bewilligt.

"Wahlen.

Post- und Eisenbahndepartement.

(Vom 13. Januar 1891.)

Posthalter und Telegraphist in Corcelles bei Peterlingen: Herr Jules Cherbuin, von dort.

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