Schweizerisches Bundesblatt IX. Jahrg. Il.

Nr. 51.

17. Oktober 1857.

B e r icht der

Minderheit der Kommission des Nationalrathes über die PAtenttaxen

(Vom 29. Juli 1857.)

Tit.

Die Minderheit der Kommission über die Frage, bezüglich der Patenttaxen der Handelsreifenden, stimmt durchaus der Rechtsanschauung des Bundesrathes bei, und verwirft demzufolge sowohl den ständeräthlichen .Beschluß als auch den Mehrheitsantrag unserer Kommission.

Die Frage ist nicht, ob die Patente und Patenttaxen, woran einige ..Kantone den Verkehr der Handelsreisenden binden, dem Handel überhaupt förderlich oder nachteilig , ob dieses System dem Fortschritt angemessen sei oder nicht. Sondern es frägt sich lediglich: Sind die Kantone den

Artikeln 29 und 48 des Bundes gegenüber berechtigt, den Verkehr der

Handelsreisenden an Patente zu binden und für diese Patente Taxen zu beziehen Oder umgekehrt : Geben die Artikel 29 und 48 des Bundes der Bundesversammlung das Recht, gegen eine derartige Gesezgebung in den .Kantonen einzuschreiten..

Vom konstitutionellen Standpunkte aus giebt es auf diese Frage offenbar nur e i n e Antwort -- diejenige, welche der Bundesrath in seiner Botschaft vom 4. Juli 1857 gegeben hat: Unter der Voraussezung, daß Kantonsbürgex und Schweizerbürger in dieser Beziehung gleich behandelt und der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kaufmannswaaren und deren freien Kauf und Verkauf durch solche Verordnungen der Kautonsbehörden kein Hinderniß entgegengesezt wird, gehört die dießfällige Gesezgebung rein der Kantonalsouveränetät an, und kann von Bundes wegen in keinem Falle grundsäzlich untersagt werden.

Bnndesblatt. Jahrg. IX. Bd. II.

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34

286 Der Art. 29 des Bundes sagt. ,,Für Lebensmittel, Vieh und Kauf.uannswaare, Landes- und Gewerbserzeuguisse jeder Art find sreiex Kauf und Verkauf, freie Ein-, Aus- und Durchfuhr v o n e i n e m K a n t o n in den a n d e r n gewährleistet. ^Vorbehalten find: h. polizeiliche Verfügungen über die Ausübung von Handel und Gewerben; c. Verfügungen gegen schädlichen Verkauf u. s. w... Die in Litt. 1i. und c. bezeichneten .Verfügungen müssen die Kantonsbürger und die Schweizerbürger anderer Eantoue gleich behandeln und sind dem Bundesrath zur Prüfung vorzulegen. Sie dürfen nicht in Vollziehung gesezt werden, bevor sie die Ge^nehmigung des Bundesrathes erhalten haben.

Schon formell - bezüglich des Verfahrens -- wäre eine grundfäz^

liche Schlußnahme, wie fie die Majorität vorschlägt, nicht^ gerechtfertigt.

Der Art. 29 stellt eine Kompetenz des Bundesrathes auf, die genannten Geseze und Verordnungen der Kantone zu prüfen und zu genehmigen oder zu verwerfen. Die meisten dieser Verordnungen sind vom Bundesrathe geprüft und mit oder ohne Vorbehalt genehmigt worden. Beschwert sich jemand über einen dieser speziellen Entscheide, so hat er sich an den Bundesrath zu wenden, und im Fa.l der Abweisung mag er rekursweise an die Bundesverfammlung gelangen , aber .nit einer speziellen Aussezung an einer speziellen vom Bundesrath genehmigten Verordnung.

Das aber geschieht in vor...

liegendem Falle nicht. Der Fabrikantenoerein von Zofingen , auf dessen Anregung die Sache anher gelangt ist , erklärt alle jene Geseze und Verordnungen in globo als bundeswidrig und will einen allgemeinen, iiber die ganze Materie sich verbreitenden Entscheid. Diesen aber kann die Bundes...

Versammlung nicht geben, wenn sie überhaupt die durch .:... 29 des Bundes dem Bundesrath eingeräumte Kompetenz aufrecht halten und d^n Weg gehen

will, welcher im Art. 29 felbst für derartige Anstände vorgezeichnet scheint.

Aber auch abgesehen von dieser formellen Betrachtung ist vollkommen klar, daß der Art. 29 des Bundes nur den freien Verkehr von K a n t o n zu K a n t o n im Auge hat, und sowohl die innere Handels- und Gewerbspolizei der Kantone, als auch ihr Stenerwesen nicht nur unberührt läßt, fondern sogar ausdrüklieh vorbehält.

Wie der Zusammenhang der Artikel und selbst der Wortlaut des ^. 29 deutlich zeigt, hatte man bei Aufstellung dieses Artikels einzig die Aushebung der innern Zölle, der zeitweisen Lebensmittelsperre u. s. w. von .Kanton zu Kanton im Auge. Der Bericht des Bundesrathes hält mit Recht an dieser für die vorliegende Frage entscheidenden Thatsache fest.

Nehmen wir den Bericht der Revisionskommission über die Art. 30, 31 und 32 des Entwurfs gleich 29, 30 und 31 der Verfassung zur Hand, so muß dießfalls jeder Zweifel wegfallen. Denn dieser Bericht, welcher jederzeit mit Recht als Kommentar der Verfassung benuzt wird, sagt deutlich, es beziehe sich dieser Artikel nicht auf Steuern, welche im Jnuern der Kantone ohne Rüksicht auf die Einfuhr bezogen werden, Ver..

brauchssteuern, P a t e n t g e b ü h r e n - - wörtlich P a t e n t g e b ü h r e u l -All' das falle in das Gebiet der Kantonalsouveränetät .

287 Und dem gegenüber wollte man mit Berufung auf Art. 29 des Bundes ein grundsäzliches Einschreiten der Bundesversammlung gegen die ^aherige Kantonalgesezgebung, eine Aufhebung nicht etwa einzelner BestiInmungen, sondern geradezu des ganzen Patent- und Taxensystems rechtfertigen !

Man bestreitet, daß dieses Patentsystem den Eharakter einer Polizeigesezgebung habe und weist darauf hin, daß. es meist in den Finanzgesezeu ^er Kantone aufgenommen sei. Der Bundesrath giebt dieses bis aus einen gewissen Grad zu, behauptet aber mit vollein Recht, daß. dieser Umstand ^.en rechtlichen Gesichtspunkt der Sachen keineswegs verändere.

Am ausgeprägtesten ist der^ fiskalische Gesichtspunkt in der dießfällig...u Gesezgebung des Kantons Wallis. Da kann man gar nicht von einem Patentsystem im eigentlichen Sinne des Wortes reden. De.r Kanton Wallis bezieht eine Erwerbssteuex von allem Handel, der im Kanton getrieben wird, sei es seßhafter oder ambulanter, werde ex von Wallisern oder Auswärtigen getrieben.

Und der Bezug einer solchen Erwerbsfteuer wird doch offenbar nicht^ aus dem^ ^Standpunkt des .^. 29 des Bundes angefochten werden wollen .

^ Umgekehrt geht die Gesezgebung des Kantons Luzern vollständig vom polizeilichen Gesichtspunkt aus. Handelsreifende, welche keine Waaren.

mit sich führen, haben keine Patent^ zu lösen; Musterreiter von allen Größen dagegen werden gewissermaßen als Hausirer betrachtet und fallen grundsäzlich unter die gleiche Kategorie, wie es auch in der That eiuex sehr genauen Kontrole bedurfte, nm den Uebergang des einen. Gewerbs iu das andere herzustellen. Hier ist nicht die Gebühr, fondern das Patent die Hauptsache, welches den ambulanten Händler und Kaufmann unter die

gleiche polizeiliche Aussicht stellt, der sich der ansäßige Handelsmann unter-

werfen muß. Es ist da wiederum nur Gleichheit im Jntereffe des Publikums und des seßhaften Gewerbs, das nnter einem Vorrecht der Hausirex und Musterreiter offenbar leiden müßte.

Wie man dem ausdrüklicheu

Wortlaut des Art. 29 Litt. b. gegenüber eine solche polizeiliche Gesezgebung

von Bundes wegen unzuläßig erklären könnte, ist ebenfalls schwer begreiflich.

Ob man also diese Gesezgebung der Kantone unter dem polizeilichen oder fiskalischen Gesichtspunkt betrachte, in keinem Fall kann dieselbe mit Berufung auf den Art. 29 des Bundes grundsäzlich angefochten werden.

Es hat aber eine Entscheidung , wie fie die Mehrheit der Kommission offenbar mehr von Rüksichten der Konvenienz als ^on Rükfichten des Bundesrathes ausgehend, vorschlägt, für die Kantone sehr bedenkliche Konsequenzen. Wenn es angeht, die polizeiliche Gesezgebung der Kantone ......on Bundes wegen zu beschränken, ohne daß sich in der Bundesverfassung ein sicherer Anhaltspunkt dafür findet, wo liegt dann die Gränze, und was wird aus dem Art. 3 des Bundes.'

Faßt man den fiskalischen Standpunkt in's Auge .- und auch die Hand.lungen der Polizei machen sich bekanntlich nicht immer gratis, eine poli-

288 zeiliche Gefezgebung kann fiskalische Beimischung haben, ohne deßhalb ihre.^ vorherrschend polizeilichen Eharakter zu verlieren -- so sind die Konsequenzen eines Beschlusses , wie ihn die Majorität der Kommission vorschlägt, sür die.

Kautone noch bedenklicher. Bekanntlich leiden die Finanzen der Kantone alle mehr oder weniger. Und so unbedeutend die Einkünfte sein mögen, welche fie aus diesen Patentaebühren beziehen , so wird doch durch deren Aufhebung den Kantonen eine Ouelle verstopft; der Bund in seinen glüklichen Finanzverhältnissen macht dadurch den Kantonen ihren Haushalt noch schwieriger, nöthigt fie nach dem Wegfallen der Gebühr in eigenen Kosten Polizeianstalten zu organisiren , um jenes Volk der Musterreiter und Konsorten im Zaume zu halten. Und wie man diese kleine Einkommensquelle gegenüber dem ^. 2...) des Bundes den Kantonen abschneiden kann, so hindert nichts^ dasselbe Prinzip der Konvenienz auch auf andere bedeutendere Einnahmsquellen anzuwenden, welche einzelnen Kantonen durch die Vorbehalte des ^. 2..) der Bundesverfassung gesichert worden find.

Aus allen diesen Rükfichten kann die Minderheit dem Antrag der Mehrheit der Kommission nicht beistimmen und will dem Bundesrath überlassen, die daherige Gesezgebung der Kantone mit Zugrundlegung der Kriterien, welche er am Schlusse feiner Botschaft aufstellt^), fortwähren.^ zu überwachen.

.Bern, den 29. Juli 1857.

^ege.^er.

*) Siehe Seite 1t:.. hievor.

28.^

Das Preisgericht für die allgemeine schweiz. Ausstellung in Bern im.

Jahr 1857 war, nach den stattgefundenen Ablehnungen und Neuwahlen^.

zusammengefezt wie folgt:

...^

Industrie- Ausstellung.

Für Gruppe I. (Rohstoffe) ll..

III.

IV.

V.

^I.

VlI.

Vlll.

l.^.

......

Herr . . . . .

Ouiquexez, Jnspektor der Minera des Kantons Bern, in Bellerive bei Delsberg.

(GewerbeaufEhemiegegründet) Professor ......... Bolle^, in Zürich.

(Maschinenbau und Maschinen^ werkzeuge) . . . . .

,, Delabar, in St. Gallen^ (Jnstrumente) . . . . .

..

W a r t m a n n , in Genf.

(Gewebe, Stikereien) . .

,, K r o n a u e r , in Zürich.

(Metallarbeiten und Waffen) . Oberst Göldlin, in Luzern.

(Holzwaaren) . . . . .

...

Stehlin, in Basel.

(Papier, Bücherdruk, Schriftgießerei) . . . . . . Fréd. B ore l, in Neuenburg.

(Leder und Lederwaaren) . Blauchet, Erziehungsrath , iu.

Lausanne.

(Kunstgewerbe, welche nicht an die Kunstausstellung gelaugten) . . . . . . . ^r. S t a n z , in Bern.

B. .^andwirthschaftliche Ausstellung.

Für Vieh.

. . . . . . . Herr Regiernngsrath K a r l e n , in Bern ...

,, Professor Anker, in Bern.

..

...

..

Za.'gg^ i^ Zürich..

,,

Gerichtspräsident Gemsch, ir.^ Schwr^z.

Großrath Zeller, in Boltige^

,, ,, ...

Oberst Bau r, in Ehur.

Bond all az,Major,inFreiburg^.

E o r n a z , in Montet (Waadt).^

(Bern).

.. ThierarztSchmied,iuSempach..

290 Fiir Landeserzeuguisse

Herr Guthnik, in Bern.

,. SeminarlehrerKeller, in Kiiß.^ nacht (Zürich).

,. Regierungsrath G y f e l , iu.

Für landwirthschaftliche Geräthe

Schaffhauseu.

,, Forstinspektor G eh r et, inAarau...

Herr M ü l l e r - F e l l e n b e r g , i^

Hofw^l (Bern.)

,, ,, ..

C.

Herr ,, ,, ..

^ ,,

Regierungsrath G r^ s e l , iI..

Schaffhausen.

ForstinspektorGehret,inAarau^.

E o r n a z , in Montet.

^

,^unstansste..lnng.

Al m e r a s , Altnationalrath, in Genf.

Eh al la nd, in Laufanne.

Ernst, in Winterthur.

G r e u t h e x , in Luzern.

Neid h a r d t, in Schaffhausen.

S t e t t l e r , Baumeister, in Bern.

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