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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Gefährdung des Eisenbahnverkehrs bestraften Jules Küffer, Tramwayführers in Lausanne.

(Vom 16. September 1907.)

Tit.

Am 22. November 1906, abends zirka 51/2 Uhr, ist in Montétan bei Lausanne auf der gemeinsamen Fahrstrecke der Eisenbahn Lausanne-Echallens und der Strassenbahn ein von dem Petenten Küffer bedienter Tramwagen auf den Schluss des Zuges 10 Lausanne-Echallens gestossen. Es entstand dadurch einiger Materialsehaden ; von im Tramwagen und im Bahnzug befindlichen Personen wurde niemand verletzt.

Die Schuld an dem Zusammenstoss lag unzweifelhaft bei Küffer, der der vor seinem Tramwagen liegenden Fahrbahn zu wenig Aufmerksamkeit schenkte und nicht für Innehalten der vorgeschriebenen Distanz zwischen den beiden Zügen sorgte. Das Polizeigericht von Lausanne erklärte ihn der fahrlässigen Eisenbahngefährdung schuldig und verurteilte ihn zu 3 Tagen Gefängnis, Fr. 10 Geldbusse und Tragung der Kosten.

Nunmehr ersucht Küffer um Erlass dieser Strafe durch Begnadigung, indem er sich bemüht, nachzuweisen, dass eine Reihe von Umständen, für welche er nicht verantwortlich gemacht werden könne, zu dem Unfall beigetragen hätten, so der Zu-

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stand der Schienen, welcher die Wirkung der angewendeten Bremsmittel abschwächte, mangelhafte Bedienung einer Weiche, die den Bahnzug zu einem ungewöhnlichen Aufenthalt nötigte, Dunkelheit und Dampf, die den Überblick über die Fahrbahn und die Beobachtung des Schlussignals des Zuges erschwerten. -- Küffer glaubt, dass ihm mit Unrecht eine g r o b e Fahrlässigkeit zur Last gelegt worden sei und deshalb die Strafe erlassen werden sollte.

Der Staatsanwalt des Kantons Waadt empfiehlt die Abweisung des Gesuches. Er betrachtet den Fall als einen schweren mit Rücksicht auf die in Frage kommende Vernachlässigung der dem Küffer obliegenden Pflichten und glaubt, dass der Richter die mildernden Umstände bereits hinreichend berücksichtigt habe.

Aufhebung der Strafe würde nach seiner Ansicht die Autorität des Richters schwächen und für die Beurteilung künftiger ähnlicher Fälle schädlich wirken.

Dass dem Petenteii der Vorwurf strafbarer Fahrlässigkeit mit Recht gemacht wurde, ergibt sich aus unbefangener Prüfung des Tatbestandes, und angesichts der grossen Gefahr, in welcher sich der Tramwagen und der Bahnzug mit ihren Insassen und übriger Belastung befanden, erscheint die ausgesprochene Strafe nicht so hart, dass es sich rechtfertigen würde, sie durch Begnadigung aufzuheben oder zu ermässigen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A nt rag:

Es sei das Begnadigungsgesuch des Jules Küffer abzuweisen.

B e r n , den 16. September 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Gefährdung des Eisenbahnverkehrs bestraften Jules Küffer, Tramwayführers in Lausanne. (Vom 16. September 1907.)

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Jahr

1907

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5

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41

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25.09.1907

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157-158

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