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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Bundesgesetzgebung über die Wasserkräfte.

die

(Vom 30. März 1907.)

Tit.

Am 30. und 31. März 1906 haben Sie, zugleich mit einem Bundesbeschluss über die Abgabe inländischer Wasserkräfte ins Ausland, folgendes Postulat angenommen : Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Räten mit aller Beförderung zum Zwecke der allseitigen Wahrung der volkswirtschaftlichen und nationalen Interessen bei der Gewinnung und Verwertung unserer Wasserkräfte Vorschläge zu den nötigen Verfassungsgrundlagen zu unterbreiten.

Mit Schreiben vom 10. Juli und 20. August 1906 haben wir Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass 95,668 Unterschriften -- wovon 95,290 sich als gültig erwiesen -- für ein Initiativbegehren um Aufnahme eines neuen Verfassungsartikels bei uns eingelangt sind. Dieser Artikel hat folgenden Wortlaut : ,,Artikel 23bis. Die Gesetzgebung über die Ausnützung der Wasserkräfte und über die Fortleitung und Abgabe der daraus gewonnenen Energie ist Sache des Bundes.

,,Dabei haben die Kantone oder die nach den kantonalen Rechten dazu Berechtigten Anspruch auf die für die Benützung der Wasserkräfte zu entrichtenden Gebühren und Abgaben.

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,,Vom Zeitpunkt der Annahme dieses Artikels an ist in allen neuen Wasserrechtskonzessionen die Anwendung der künftigen Bestimmungen der Bundesgesetzgebung vorzubehalten und darf die Abgabe der durch Wasserkraft erzeugten Energie ins Ausland nur mit Bewilligung des Bundesrates erfolgen."

Der Nationalrat hat uns dieses Volksbegehren durch Schlussnahme vom 15. November 1906, der Ständerat durch Beschluss vom 17. Dezember 1906, zum Bericht überwiesen.

Die Ausführung dieser doppelten Aufgabe gestaltete sich nun praktisch so, dass wir in erster Linie den von den Initianten vorgeschlagenen Verfassungsartikel einer genauen Prüfung unterzogen und erst, nachdem uns der Initiativvorschlag als unannehmbar erschien, aii die Ausarbeitung eines Gegenvorschlages herantraten. Demnach bilden dieselben Erwägungen, welche gegen die Formulierung der Initiative sprechen, zugleich die Begründung für den von uns vorgeschlagenen Verfassungsartikel, und wir halten es darum für zweckmässig, beide Fragen in derselben Botschaft zu behandeln.

I.

In den eidgenössischen Räten wurde der Gedanke, dem Bunde gesetzgeberische Kompetenz in bezug auf die Nutzbarmachung der Wasserkräfte einzuräumen, zum ersten Male im Jahre 1894, bei Behandlung einer Eingabe der schweizerischen Gesellschaft ,,Frei-Land", ausgesprochen, und der in dieser Angelegenheit erlassene Bundesbeschluss vom 4. April 1895 nahm denn auch eine Vorlage über ,,die Regelung der interkantonalen Beziehungen mit bezug auf die Wasserwerkanlagen" in Aussicht.

Einen Schritt weiter ging die Motion Zschokke vom 29. Juni 1898, welche von einem Spezialgesetz über die Wasserwerke nicht nur die Ordnung der Verhältnisse an interkantonalen Gewässern forderte, sondern auch die Ergänzung der vielfach unzureichenden Vorschriften der Kantone und die Einführung einer Aufsicht des Bund'es über die Ausführung von Wasserwerksanlagen am gleichen Wasserlaufe als Aufgaben eines Bundesgesetzes bezeichnete. Sodann wurde für die zukünftige Bundesgesetzgebung über die Wasserkräfte dadurch ein neues Gebiet eröffnet, dass der Nationalrat in einem Postulat zum Geschäftsbericht pro 1901 an den Bundesrat die Einladung richtete, die Frage der Einführung des elektrischen Betriebes auf den schweizerischen Bahnen zu prüfen. Auf diese Even-

626 tualität der allgemeinen Einführung des elektrischen Eisenbahnbetriebes, sowie auf die wirtschaftliche Gefahr einer mehr oder weniger unbeschränkten Beschlagnahme der günstigen Wasserkräfte der Schweiz durch in- und ausländische Privatunternehmen wies dann die Motion Muri hin, die im Dezember 1902 eingereicht, am 5. April 1904 im Nationalrat behandelt und von uns angenommen wurde. In dieser Motion und in deren Begründung wurde, unter Aufzählung der einzelneu, gesetzgeberisch zu regelnden Punkte, vor allem grosses Gewicht auf die zweckmässige Wahrung der öffentlichen Interessen bei der Nutzbarmachung der Wasserkräfte gelegt. Auf diesem Boden steht auch die letzte, in der Frage der Wasserkraftnutzung ergangene Willensäusserung der eidgenössischen Räte, das oben zitierte Postulat vom 30. und 31. März 1906 ; dasselbe unterscheidet sich jedoch von allen früheren Postulaten und Motionen dadurch, dass nicht der Entwurf eines Spezialgesetzes,, sondern vorerst Vorschläge zu den nötigen Verfassungsgrundlagen von uns verlangt werden.

Wenn nun auch in diesem neuesten Postulat nur von. ,,der allseitigen Wahrung der volkswirtschaftlichen und nationalen Interessen bei der Gewinnung und Verwertung unserer Wasserkräfte" als Zweck der Verfassungsrevision und als Ziel der Bundesgesetzgebung die Rede ist, so müssen nach unserer Auffassung doch auch diejenigen Erwägungen, die zur Annahme der früheren Postulate bezüglich der Bundesgesetegebung über die Wasserkräfte geführt und die wir in der kurzen historischen Übersicht soeben erwähnt haben, bei der Ausarbeitung der Verfassungs- und Gesetzesvorlagen berücksichtigt werden.

Entsprechend dieser Auffassung muss der neue Verfassungsartikel es dem Bunde also ermöglichen, in der Ausführungsgesetzgebung jedenfalls folgende Punkte zu ordnen : a. Rationelle Ausnützung der interkantonalen und Grenzgewässer ; b. Ergänzung unzureichender kantonaler Gesetzgebungen (Normalkonzession) ; c. Rechte des Bundes als Eigentümer der Bundesbahnen ; d. Massnahmen im Interesse des allgemeinen Wohles.

Zur Lösung der Aufgabe, einen solchen Verfassungsartikel zu entwerfen, der einerseits dem Bunde die nötigen Kompetenzen in den angedeuteten Richtungen gibt, anderseits aber den berechtigten Interessen der Kantone in befriedigender Weise

627 Rechnung trägt, hat unser Departement des Innern eine aus Juristen und Technikern bestehende Kommission einberufen.

Diese Kommission, die am 9., 10. und 11. Januar 1907 in Bern tagte und über deren Zusammensetzung und Tätigkeit ein gedrucktes Protokoll Aufschluss gibt, hat nach gründlicher Beratung mit allen Stimmen, bei einer Enthaltung, folgenden Vorschlag eines neuen Verfassungsartikels angenommen : Art. 24bis. Die Nutzbarmachung der Wasserkräfte steht unter der Oberaufsicht des Bundes.

Durch die Bundesgesetzgebung sind über die Erteilung und ·den Inhalt der Wasserrechtskonzessionen, sowie über die Fortleitung und Abgabe elektrischer Energie, die zur Wahrung der öffentlichen Interessen und zur Sicherung der zweckmässigen Nutzbarmachung erforderlichen Vorschriften aufzustellen.

Soweit nicht die Bundesgesetzgebung den Inhalt der Wasserrechtskonzessionen regelt, ist deren Erteilung, sowie die Festsetzung und der Bezug der für die Benützung der Wasserkräfte zu entrichtenden Gebühren und Abgaben Sache der Kantone. Diese Auflagen der Kantone dürfen die Nutzbarmachung der Wasserkräfte nicht wesentlich erschweren.

Für die Ausnützung von Wasserkräften, welche die Gebiete mehrerer Kantone oder die Landesgrenze berühren, ist die Konzessionserteilung und die Festsetzung der Gebühren, nach Anhörung der beteiligten Kantone, Sache des Bundes.

Vorn Zeitpunkte der Annahme dieses Artikels an ist in allen neuen Wasserrechtskonzessionen die Anwendung der künftigen Bestimmungen der Bundesgesetzgebung vorzubehalten und darf die Abgabe der durch Wasserkraft erzeugten Energie ins Ausland nur mit Bewilligung des Bundesrates erfolgen.

II.

Bei einer Vergleichung der beiden Entwürfe, Initiative und Vorschlag der vorberatenden Kommission, in bezug auf die grundlegende Frage, wie die prinzipielle Abgrenzung der Bundeskompetenzen gegenüber den kantonalen Befugnissen zu geschehen hat, kann folgendes festgestellt \ werden : Die Initiative trennt von den Kompetenzen der Kantone zur Gesetzgebung über die Korrektion, den Unterhalt und die Benutzung der Gewässer die Befugnis zur Gesetzgebung über die Ausnützung der Wasserkräfte ab und räumt sie, zusammen mit dem Gesetzgebungsrecht über die Fortleitung und Abgabe

628 der elektrischen Energie, prinzipiell dem Bunde ein. Als Entschädigung für die Übertragung dieser Kompetenz auf den Bund sichert die Initiative den Kantonen oder Gemeinden auch weiterhin grundsätzlich die Gebühren und Abgaben zu, welche für die Benützung der Wasserkräfte zu entrichten sind.

Die Ausscheidung der Kompetenzen, wie sie von der Expertenkommission vorgeschlagen wird, ist weniger einfach darzustellen. In erster Linie wird da dem Bunde die Oberaufsicht über alles eingeräumt, was in Sachen der Wasserkraftausnützung durch Kantone, Gemeinden und Private geschieht ; in dieser Richtung geht der Voranschlag der Kommission über die Initiative hinaus. Dagegen entfernt sich derselbe weniger weit vom bisherigen Rechte in bezug auf die Verteilung der übrigen Kompetenzen zwischen Bund und Kantone. Absatz 2 sieht zwar die im öffentlichen Interesse und für eine rationelle Nutzbarmachung notwendigen bundesgesetzlichen Bestimmungen über die Wasserrechtskonzessionen vor und ebenso wird, wie in der Initiative, dem Bundesgesefegeber auch die Kompetenz zur Regelung der Fortleitung und Abgabe elektrischer Energie ausdrücklich zuerkannt. Im übrigen jedoch -bleibt es den Kantonen nach dem Entwurf der Kommission unbenommen, die vom Bundesgesetzgeber nicht geordneten Punkte der Wasserkräfte kantonal zu regeln, und es bleibt insbesondere dk Erteilung der Konzessionen und die Festsetzung der Gebühren und Abgaben, insoweit es sich um die Ausnützung kantonaler Gewässerstrecken handelt, in den Händen der Kantone. Dabei ist dann allerdings die Bestimmung getroffen, dass die Auflagen der Kantone die Nutzbarmachung der Wasserkräfte nicht wesentlich erschweren dürfen.

Die weitere, praktisch wichtige Frage, wer in Zukunft die Wasserrechtskonzessionen zu erteilen haben wird, entscheidet die Initiative nicht, sondern überlässt dies dem zukünftigen.

Bundesgesetze.

Die vorberatende Kommission erledigt diesen Punkt in ihrem Entwurf in der Weise, dass in der Regel die Kantone,, bezw. die nach kantonalem Rechte zuständigen Behörden, die Konzessionen erteilen werden, dass aber bei sogenannten interkantonalen und Grenzgewässern der Bund die Konzession verleihen und die Gebühren festsetzen wird. In letzterem Falle sollen die Kantone zuerst gehört werden und der Bezug der Gebühren soll Sache der Kantone bleiben.

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Der Schlussabsatz der Initiative und des Kommissionsvorschlages ist gleichlautend ; er enthält Übergangsbestimmungen bezüglich der rückwirkenden Kraft der Bestimmungen der künftigen Wasserrechtsgesetzgebung und bezüglich der Bewilligung des Bundesrates für die Ausfuhr der aus Wasserkraft gewonnenen Energie ins Ausland.

Endlich ist hervorzuheben, dass die Initianten den neuen Artikel als Art. 23bis in die Verfassung aufnehmen wollen, während die Kommission ihrem Vorschlag seinen Platz in der Verfassung nach Art. 24, gewissermassen als dessen Ergänzung und Erweiterung, anweisen will.

III.

In diesem letzterwähnten Momente ist sowohl die Charakterisierung der Initiative als auch diejenige des Kommissionsvorschlages enthalten. Das Volksbegehren knüpft an den Art. 23 an, welcher der Eidgenossenschaft das Recht zur Errichtung und Unterstützung öffentlicher Werke gibt, und verrät damit, wenn auch der Wortlaut des Vorschlages nichts davon erwähnt, den Gedanken an das Bundesmonopol über die Wasserkräfte. Der Kommissionsvorschlag dagegen verleiht dadurch, dass er sich an den bisherigen Art. 24 der Verfassung anschliesst, der Absicht Ausdruck, den in der bisherigen Entwicklung eingeschlagenen Weg der Ausscheidung zwischen Bundes- und kantonalen Kompetenzen im öffentlichen Wasserrecht weiter zu verfolgen. Wie nach der jetzigen Bundesverfassung die Befugnisse des Bundes und der Kantone in der Wasserbaupolizei, im Forstwesen, im Jagd- und Fischereiwesen geteilt sind, so soll eine solche Teilung nun auch hinsichtlich der Nutzbarmachung der Wasserkräfte vorgenommen werden.

Das Oberaufsichtsrecht wird die Bundesbehörden in den Stand setzen, überall bei der Ausnützung unserer Gewässer zur Kraftgewinnung, sei es von sich aus, sei es auf Rekurs eines Interessenten, einzuschreiten und ein entscheidendes Wort mitzureden. Ferner wird die Einräumung gesetzgeberischer Befugnisse in ausreichendem Masse, wie dies in Absatz 2 des Kommissionsentwurfes vorgesehen ist, es dem Bund ermöglichen, die ihm obliegenden Aufgaben zu erfüllen und namentlich die erîorderlichen Massnahmen zu treffen im Interesse des allgemeinen Wohles zur Beseitigung des bisherigen unerquicklichen Rechtszustandes und zur Wahrung der Interessen des Bundes als Eigentümer der Bundesbahnen.

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Zur Erreichung dieser Ziele ist die grundsätzliche Einräumung des Gesetzgebungsrechtes über die gesamte Wasserkraftausnützung an den Bund, wie die Initiative, in Anlehnung an den Eisenbahnartikel (Art. 26 der Bundesverfassung), dies vorschlägt, keineswegs notwendig ; darum soll auch nicht der für die Kantone einträglichste Teil in der Ausübung der Gewässerhoheit ihnen ohne zwingende Gründe gänzlich abgenommen und auf den Bund übertragen werden. Schon dieser Umstand, zusammengehalten mit der ausgesprochen monopolistischen und zur Verstaatlichung der Wasserwerke hinneigenden Tendenz, scheint uns gegen die Initiative und für den Kommissionsvorschlag zu sprechen.

Ferner enthält das Volksbegehren doch gar zu wenig Anhaltspunkte für die spätere Ausführungsgesetzgebung. Gewiss war die einfache und die Entscheidung der heikelsten Fragen des Wasserrechts keineswegs präjudizierende Fassung der Initiative für die Unterschriftensammlung ganz geeignet ; zu einem baldigen Zustandekommen eines eidgenössischen Wasserrechtsgesetzes würde aber ein Verfassungsartikel in der Formulierung des Volksbegehrens nur wenig beitragen. Es liegt kein grosser Fortschritt darin, in einem schönen Verfassungsartikel die Kompetenz des Bundes zu statuieren und alle Schwierigkeiten, die zu beseitigen sind, der Gesetzgebung vorzubehalten, und speziell da, wo es gilt, rasch zu einem Ziele zu gelangen, ist die Anwendung dieses Systems nicht am Plafee. Darum präzisiert der Entwurf eines Verfassungsartikels, den wir Ihnen zur Annahme empfehlen, nicht nur das zukünftige Verhältnis der Bundes- und kantonalen Kompetenzen, sondern er entscheidet auch sogleich die schwierige Frage, wer bei der Neuordnung des Wasserrechts die Konzessionen zu erteilen haben wird.

Schon in unserem Bericht über die Eingabe der Gesellschaft ,,Frei-Land" vom 4. Juni 1894 haben wir uns dahin ausgesprochen, dass sich die Regelung der interkantonalen Wasserrechtsverhältnisse kaum auf einem anderen Wege als demjenigen der Bundesgesetzgebung erzielen lassen werde. In der Tat ist auch die Verwirklichung verschiedener Wasserwerksprojekte, insbesondere in der Ost- und Zentralschweiz daran gescheitert, dass bezüglich der Ausnützung interkantonaler Gewässer zwischen den, interessierten Kantonen oder Gemeinden verschiedener Kantone keine Einigung erzielt wurde und auch die Bundesbehörden nicht einschreiten konnten. Um in Zukunft derartige Schwierigkeiten zu vermeiden und um namentlich

63t auch eine wirtschaftlich rationelle Ausnützung der Gewässer zu ermöglichen, ist es empfehlenswert, da eine Bundeskonzession einzuführen, wo schweizerische Grenzgewässer oder Gewässerstrecken, die das Gebiet zweier oder mehrerer Kantone berühren, zur Kraftgewinnung ausgenützt werden wollen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die von einem Wasserwerk beanspruchte Gefällstrecke die Grenze zwischen zwei Kantonen bildet oder ob die Grenze das der Ausnützung dienende Teilstück des Gewässers quer durchschneidet. Um Missverständnisse in dieser Richtung zu vermeiden, schlagen wir Ihnen folgende, nur redaktionell vom Kommissionsvorschlag abweichende Fassung des Absatzes 4 vor : Für die Gewinnung von Wasserkräften an Gewässerstrecken, welche die Gebiete mehrerer Kantone oder die Landesgrenze berühren, ist die Konzessionserteilung, sowie die Festsetzung der den Kantonen zu entrichtenden Gebühren und Abgaben, nach Anhörung der beteiligten Kantone, Sache des Bundes.

Ebenso halten wir eine Abänderung des letzten Absatzes für geboten. Derselbe ist aus dem Initiativvorschlag unverändert in den Entwurf der vorberatenden Kommission hinüber genommen worden, und er bezweckt einerseits, eventuell nach Ablauf der Geltungsdauer des provisorischen Bundesbeschlusses über die Abgabe inländischer Wasserkräfte ins Ausland vom 31. März 1906 weitere Massnahmen dieser Art zu ermöglichen, anderseits die Bestimmungen der künftigen Bundesgesetzgebung auf die vom Zeitpunkt der Annahme dieses Artikels an erteilten Wasserrechtskonzessionen rückwirken zu lassen. Nach der Fassung des Kommissionsentwurfes wird die Anwendung der künftigen Vorschriften davon abhängig gemacht, ob die Kantone oder Gemeinden, welche die Konzessionen erteilen, auch die nötigen Vorbehalte in die Verleihungsurkunde aufnehmen.

In erster Linie erscheint es uns unzweckmässig, darauf abzustellen, ob die Konzessionserteiler auch die nötigen Vorbehalte in jede einzelne Konzession aufnehmen. Sodann sind wir der Ansicht, dass es richtiger ist, nicht allen Bestimmungen der künftigen Bundesgesetzgebung ausnahmslos durch den Verfassungsartikel rückwirkende Kraft zu verleihen, es vielmehr besser der Bundesgesetzgebung selber überlassen bleibt, in dieser Beziehung die nötigen Unterscheidungen zu machen. Dagegen braucht man dann in diesem Falle nicht zu unterscheiden zwischen Wasser-

632 rechtskonzessionen, welche vor der Annahme des Verfassungsartikels und solchen, welche nach diesem Zeitpunkte erteilt worden sind; es genügt die Anwendbarkeit der künftigen bundesgesetzlichen Bestimmungen auf alle bestehenden Wasserrechtskonzessionen vorzuschreiben ; die Bundesgesetzgebung wird dann selber die nötigen Ausnahmen festsetzen können. Der Sehlusspassus des Kommissions Vorschlages wäre demnach durch folgende zwei Absätze zu ersetzen : Die · Abgabe der durch Wasserkraft erzeugten Energie ins Ausland darf nur mit Bewilligung des Bundesrates erfolgen.

Die Bestimmungen der Bundesgesetzgebung finden auch auf die jetzt bestehenden Wasserrechtskonzessionen Anwendung, soweit sie nicht selber ausdrücklich Ausnahmen festsetzt.

Der neue Verfassungsartikel, wie wir Ihnen denselben zur Annahme empfehlen, erhält, unter Berücksichtigung der erwähnten Abänderungen, folgenden Wortlaut : Art. 24bis. D i e N u t z b a r ma c l i u n g d e r W a s s e r kräfte steht unter der Oberaufsicht des Bundes.

Durch die B u n d e s g e s e t z g e b u n g sind über die Erteilung und den Inhalt der Wasserre chtskonzessionen, sowie über die Fortleitung und Abgabe elektrischer Energie, die z u r W a h r u n g der öffentlichen Interessen und zur Sicherung der zweckmässigen N u t z b a r m a c h u n g e r f o r d e r l i c h e n Vorschriften aufzustellen.

Soweit nicht die Bundesgesetzgebung den Inhalt der Wasserrechtskonzessionen regelt, ist deren Erteilung, sowie die Festsetzung und der Bezug der für die Benützung der Wasserkräfte zu e n t r i c h t e n d e n G e b ü h r e n und A b g a b e n , Sache der Kantone. Diese Auflagen der K a n t o n e d ü r f e n die Nutzbarmachung der Wasserkräfte nicht wesentlich erschweren.

Für die G e w i n n u n g von Wasserkräften an Gewässerstrecken, welche dieGebiete m e h r e r e r K a n tone oder die L a n d e s g r e n z e b e r ü h r e n , ist die Konzessionserteilung, sowie die Festsetzung der den Kantonen zu entrichtenden Gebühren und Abgaben, nach A n h ö r u n g der beteiligten K a n t o n e , S a c h e d es B u n d e s .

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Die Abgabe der durch Wasserkraft erzeugten E n e r g i e i n s A u s l a n d d a r f n u r m i t B e w i l l i g u n g des Bundesrates erfolgen.

Die B e s t i m m u n g e n der Bundesgesetzgebung f i n d e n auch auf die jetzt bestehenden Wasserrechtskonzessionen Anwendung, soweit sie nicht selber ausdrücklich Ausnahmen festsetzt.

IV.

Mit den vorangehenden Ausführungen könnten wir unsere Aufgabe vorläufig als erledigt betrachten ; es sei uns jedoch gestattet, noch mit einigen Worten auf das weitere Vorgehen in der Angelegenheit hinzuweisen. Gemäss den Bestimmungen der Art. 8, 9 und 10 des Bundesgesetzes über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung vom 27. Januar 1892 hat die Bundesversammlung darüber Beschluss zu fassen, ob sie dem Initiativentwurf zustimmen oder ob sie dem Volke dessen Verwerfung beantragen will und ob sie, in diesem Falle, einen von ihr selbst ausgearbeiteten, die nämliche Verfassungsmaterie beschlagenden Revisionsentwurf ebenfalls der Abstimmung des Volkes und der Stände unterstellen will. Wir haben Ihnen bereits beantragt, ·diesen letztern Weg einzuschlagen.

Nun enthalten aber die Unterschriftenbogen des Initiativbegehrens den Passus : ,,Das am 25. Februar 1906 in der Tonhalle in Zürich bestellte und mit dem Rechte der Selbstergänzung versehene Initiativkomitee erhält von den Unterzeichnern der Initiative die Vollmacht, für den Fall, dass die Bundesversammlung einen mit den Wünschen der Initianten in der Hauptsache übereinstimmenden eigenen Entwurf zur Revision der Bundesverfassung vorlegt, von sich aus durch Mehrheitsbeschluss darüber zu entscheiden, ob auf obige Initiative zu gunsten des Entwurfes der Bundesversammlung verzichtet werden soll."

Wir haben dieser Eventualität im nachstehenden Beschlussesentwurf in der Weise Rechnung getragen, dass wir Ziffer l des Beschlusses folgendermassen formulierten : ,,Das obgenannte Initiativbegehren wird, falls das Initiativkomitee nicht beim Bundesrate innert nützlicher Frist auf die Initiative zu gunsten des Entwurfes der Bundesversammlung verzichtet, der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet."

Bundesblatt.

59. Jahrgang. Bd. II.

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Endlich beehren wir uns, Urnen zur Kenntnis zu bringen, dass unser Departement des Innern die Angelegenheit der Bundesgesetzgebung über die Wasserkräfte ohne Verzug weiter verfolgen und, mit Unterstützung der schon erwähnten vorberatenden Expertenkommission, einen Vorenfcwurf für ein eidgenössisches Wasserrechtsgesetz ausarbeiten wird. Wir hoffen, dass diese Arbeiten in der Weise gefördert werden können, dass schon zur Zeit der Volksabstimmung über den Verfassungsartikel die Grundzüge und Hauptpunkte der späteren Ausführungsgesetzgebung bekannt sein und als Grundlage für die öffentliche Diskussion des neuen Verfassungsartikels dienen werden.

Genehmigen Sie, Tit., den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 30. März 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreifend

die Bundesgesetzgebung über die Wasserkräfte.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des unterm 27. Juni 1906 beim ßundesrate eingereichten und mit 95,668 Unterschriften versehenen Initiativbegehrens, worin die Aufnahme eines neuen Art. 23bis folgenden Inhalts in die Bundesverfassung verlangt wird : Art. 23bis.

,,Die Gesetzgebung über die Ausnützung der Wasserkräfte und über die Fortleitung und Abgabe der daraus gewonnenen Energie ist Sache des Bundes.

,,Dabei haben die Kantone oder die nach den kantonalen Rechten dazu Berechtigten Anspruch auf die für die Benützung der Wasserkräfte zu entrichtenden Gebühren und Abgaben.

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,,Vom Zeitpunkt der Annahme dieses Artikels an ist in allen neuen Wasserrechtskonzessionen die Anwendung der künftigen Bestimmungen der Bundesgesetzgebung vorzubehalten und darf die Abgabe der durch Wasserkraft erzeugten Energie ins Ausland nur mit Bewilligung des Bundesrates erfolgen."

einer Botschaft des Bundesrates vom 30. März 1907 ; in Anwendung der Art. 8, 9 und 10 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei.

Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung, beschliesst: 1. Das obgenannte Initiativbegehren wird, falls das Initiativkomitee nicht beim Bundesrate innert nützlicher Frist auf die Initiative zu gunsten des Entwurfes der Bundesversammlung verzichtet, der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

2. Für den Fall der Abstimmung beantragt die Bundesversammlung Verwerfung des Initiativbegehrens und Annahme des folgenden Zusatzartikels zur Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 : ,,Art. 24bis. Die Nutzbarmachung der Wasserkräfte steht unter der Oberaufsicht des Bundes.

,,Durch die Bundesgesetzgebung sind über die Erteilung und den Inhalt der Wasserrechtskonzessionen, sowie über die Fortleitung und Abgabe elektrischer Energie, die zur Wahrung der öffentlichen Interessen und zur Sicherung der zweckmässigen Nutzbarmachung erforderlichen Vorschriften aufzustellen.

,,Soweit nicht die Bundesgesetzgebung den Inhalt der Wasserrechtskonzessionen regelt, ist deren Erteilung, sowie die Festsetzung und der Bezug der für die Benützung

637

der Wasserkräfte zu entrichtenden Gebühren und Abgaben, Sache der Kantone. Diese Auflagen dürfen die Nutzbarmachung der Wasserkräfte nicht wesentlich erschweren.

,,Für die Gewinnung von Wasserkräften an Gewässerstrecken, welche die Gebiete mehrerer Kantone oder die Landesgrenze berühren, ist die Konzessionserteilung, sowie die Festsetzung der den Kantonen zu entrichtenden Gebühren und Abgaben, nach Anhörung der beteiligten Kantone, Sache des Bundes.

,,Die Abgabe der durch Wasserkraft erzeugten Energie ins Ausland darf nur mit Bewilligung des Bundesratee erfolgen.

,,Die Bestimmungen der Bundesgesetzgebung finden auch auf die jetzt bestehenden Wasserrechtskonzessionen Anwendung, soweit sie nicht selber ausdrücklich Ausnahmen festsetzt.11 3. Diese Verfassungserweiterung ist der Abstimmung des Volkes und der Stände auch für den Fall zu unterbreiten, dass das Initiativbegehren zurückgezogen wird.

4. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Bundesgesetzgebung über die Wasserkräfte. (Vom 30. März 1907.)

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1907

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10.04.1907

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624-637

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