574

# S T #

Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des L. Meisser in Klosters gegen das Verbot der Ausfuhr von zerkleinertem Holz.

(Vom 28. Juni 1907.)

Der schweizerische Bundesrat

hat über die Beschwerde des L. M e i s s e r in Klosters gegen das Verbot der Ausfuhr von zerkleinertem Holz, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

Am 15. Oktober 1905 hat der Vorstand der Gemeinde Klosters, Kanton Graubünden, folgendes Verbot öffentlich bekannt gemacht : ,,Da es vorgekommen, dass in letzter Zeit Holz in zerkleinertem Zustande ausser der Gemeinde geführt wurde, was die Kontrolle über ausfuhrberechtigtes Holz nicht nur erschwert, sondern verunmöglicht, so hat der Vorstand beschlossen, den Verkauf jeglichen Holzes in zerkleinertem Zustande zu verbieten und werden Kontraventionen gegen dieses Verbot strengstens und unnachsichtlich gebüsst."

H.

Im Oktober 1905 verkaufte L. Meisser in Klosters zwei Klafter zerkleinertes Holz von Klosters nach Davos und führte es nach der letztern Gemeinde aus.

575 Daraufhin büsste der Gemeindevorstand von Klosters mit Verfügung vom 6. Mai 1906 den L. Meisser in Anwendung des Verbotes vom 15. Oktober 1905 mit 15 Fr.

Meisser legte gegen die Verbotsverfügung sowohl wie gegen die ihm auferlegte Busse beim Kleinen Rat des Kantons Graubünden Rekurs ein. Der Kleine Rat wies aber den Rekurs am 18. Januar 1907 ab mit folgender Begründung: Art. 10 der kantonalen Forstordnung schreibt vor: ,,Abgesehen von der in Art. 15 der kantonalen Forstordnung vorgesehenen kantonalen Bewilligung und der vorgängigen Auszeichnung durch den Kreisförster muss sämtliches Holz aus Privatwaldungen, welches für den Ausverkauf bestimmt ist, durch den Revierförster gestempelt werden.a Der Rekurrent hat gegen die Berechtigung der Stempelungsvorschrift, deren Zweck es ist, die Ausfuhr von Holz, das die Gemeinde zu ermässigten Taxen für den Eigenbedarf in der Gemeinde abgegeben hat, zu kontrollieren, nichts eingewendet. Das vom Rekurrenten angefochtene Verbot der Gemeinde Klosters ist nun nichts anderes als die Anwendung dieses Gesetzesgrundsatzes. Da kleingescheitetes Holz nicht gestempelt werden kann, kann es nicht gestattet werden, dass das ausgeführte Holz zerkleinert werde, oder dass es aus der Gemeinde ausgeführt werde, wenn es zerkleinert worden ist. Die Handels- und Gewerbefreiheit wird nicht verletzt, denn das Verbot ist eine polizeiliche Massregel zur Handhabung der Ordnung.

Die Entscheidung des Kleinen Rates ist dem Rekurrenten am 25. Januar 1907 mitgeteilt worden.

III.

L. Meisser hat gegen den Beschluss des Kleinen Rates mit Eingabe vom 22. März 1907 die staatsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat ergriffen und das Rechtsbegehren gestellt, es sei der angefochtene Entscheid und damit das angefochtene Holzausfuhrverbot der Gemeinde Klosters aufzuheben, eventuell sei die Angelegenheit zu erneuter Behandlung an den Kleinen Rat zurückzuweisen unter Kostenfolge und aussergerichtlicher Entschädigung an den Rekurrenten.

Die Gemeinde Klosters liefere jeder Haushaltung vier alte Klafter Tannenholz als Brennholz zu ganz geringem Preis. Es sei nicht zu befürchten, dass dieses Holz ausgeführt werde, denn es genüge dem Bedarf einer Haushaltung in den meisten Fällen nicht. Immerhin stehe es der Gemeinde frei, die Ausfuhr dieses

576

Holzes zu verbieten, und die nötigen Kontrollmassregeln zur Durchführung des Verbotes zu ergreifen. Welche Kontrollmassregeln zu ergreifen seien, welche zweckmässig und erlaubt seien, das zu beschliessen sei Sache der Gemeinde; das angeblich dieser Kontrolle halber erlassene allgemeine Verbot der Ausfuhr zerkleinerten Holzes verletze aber Art. 31 der Bundesverfassung.

Vergi. Salis, Bundesrecht, n Aufl. II, Nr. 749, Bundesratsbeschluss vom 3. April 1877 (Bundesbl. 1878, II, 78). Das allgemeine Ausfuhrverbot sei um so weniger gerechtfertigt, als damit auch die Ausfuhr von Buchenholz verhindert werde, das in den Gemeindewaldungen nicht vorkomme, das aber von Privaten zum Zwecke der Zerkleinerung nach Klosters verbracht und als Scheiterholz nach auswärts verkauft werde.

Übrigens sei der Gerneindevorstand zum Erlass eines solchen Verbotes gar nicht kompetent. Denn das Verbot sei nicht eine Ausführungsbestimmung zur Kontrollvorschrift des § 10 der Gemeindeforstordnung, sondern es sei eine materiell neue Bestimmung, zum Erlass einer solchen aber sei nur die Gemeindeversammlung zuständig.

IV.

In seiner Antwort vom 19. April 1907, der auch die Vernehmlassung der Gemeinde Klosters vom 8. April 1907 beigelegt ist, beantragt der Kleine Rat des Kantons Graubünden Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im angefochtenen Entscheid und fügt noch folgendes hinzu : Sowohl die Vorschrift des § 10 der Gemeindeforstordnung als das angefochtene Holzausfuhrverbot seien erlassen worden, um zu verhindern, dass Bürger das von der Gemeinde gegen .ganz geringen Entgelt bezogene Holz verkaufen und sich dann dasselbe zum Eigenbedarf auf unzulässige Weise, durch Holzfrevel beschaffen. Diese Vorschriften sollen demnach die Durchführung einer guten Forstpolizei sichern. Sie seien um so notwendiger, als sich die Waldungen der Gemeinde Klosters auf ein sehr grosses Gebiet verteilen, daher schwer zu überwachen seien. Die Behauptung, die Gemeinde Klosters besitze keine ßuchenwaldungen, sei unrichtig; die Gemeinde habe solche Waldungen in Sernens, Mezzoselva, Rüti, Doggiboden und anderswo.

Die Holzhändler haben gar kein Interesse, Holz, das nach Davos bestimmt ist, in Klosters aufarbeiten zu lassen, da das Scheiten in Davos, wo verschiedene mechanische Holzspältereien im Betrieb sind, viel billiger zu stehen kommt als in Klosters, wo das Holz von Hand gespalten wird.

577

V.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat das Eidg. Departement des Innern um seine Ansichtsäusserung über die Frage ersucht, ob ein allgemeines Verbot wie dasjenige der Gemeinde Klosters zu einer guten Forstpolizei notwendig sei, oder ob nicht ein anderes System der Kontrolle, wie es vielleicht in ·ändern Kantonen geübt werde, den gleichen Dienst leisten könnte, ohne die Handels- und Gewerbefreiheit in so weitgehender Weise ÄU beeinträchtigen.

' Zur Beantwortung der Frage durch dafe Departement des Innern veranlasst, hat das Eidg. Oberforstinspektorat folgenden Bericht abgegeben : Im Kanton Graubünden ist noch in den weitaus meisten Gemeinden die Abgabe von Brenn-, Bau- und Nutzholz an samt-' liehe Einwohner zu mehr oder weniger ermässigten Preisen {Taxen) üblich und so auch in der in Frage kommenden Gemeinde Klosters. An diese Abgaben wird die Bedingung geknüpft, dass das Holz innert gewissem Termin zu dem bezeichneten Zwecke verwendet werde. Jegliche Ausfuhr von solchem Holz ausser die Gemeinde ist verboten.

' Um d i e s e m V e r b o t Nachachtung verschaffen zu können, muss selbstverständlich die Ausfuhr von Holz aus allen ändern als den Gemeindewaldungen einer Kontrolle unterworfen werden, was bei stärkeren Holzsortimenten, denen ein Kontrollstempel aufgeschlagen werden kann, leicht möglich ist. Bei kleineren Sortimenten, wie bei kleingeschnittenem Brennholz, ist eine stückweise Sternpelung untunlich, was den Vorstand von Klosters eben veranlasst hat, unterrn 15. Oktober 1905, zu beschliessen, ·den Verkauf jeglichen Holzes in zerkleinertem Zustand bei Busse zu verbieten.

Gegen dieses Verbot wurde, wie den Akten zu entnehmen ist, innert nützlicher Frist keine Einsprache erhoben und ist dasselbe daher in Kraft getreten.

Nun geht allerdings die Beschränkung des Verfügungsrechtes des Privatwaldbesitzers über sein Holz durch das Verbot etwas weit und man muss sich fragen, ob eine Kontrolle auch über die Ausfuhr von Kleinholz nicht möglich sei, ohne zu grosse Belästigung der Gemeinde und der Privaten.

Nach meiner Ansicht wäre die Möglichkeit einer solchen Kontrolle dadurch gegeben, dass die Besitzer von Privatwaldungen, die von denselben stark zerkleinertes Holz aus der Gemeinde

578 zu führen gedenken, sich zunächst über den bewilligten Hiebund rechtmässigen Besitz des Holzes bei der ForstverwaltungKlosters ausweisen würden. Das Holz wäre alsdann mit einem b e s o n d e r e n Stempel zu versehen und an den Ort zu transportieren und da zu lagern, wo dasselbe klein geschnitten werden soll. Die Forstverwaltung würde den Kubikinhalt dieses Holzquantums ermitteln und denselben in Klafter des betreffenden Scheitholzsortiments umrechnen. Die sich hieraus ergebende Anzahl Klafter würde zur Ausfuhr bewilligt werden, unter der Bedingung, dass die Scheiter, zu Klafter aufgeschichtet, und zu einer zwischen Verwaltung und Holzbesitzer übereingekommenen Zeit ausgeführt werden. Um dem Schmuggel möglichst zu begegnen, müsste auf die Ausfuhr des oberwähnten gestempelten Holzes im nicht aufgeschnittenen Zustand Verbot gelegt werden.

Eine solche Kontrolle ist zwar umständlich und lästig, aber durchführbar. Einer vermeinten Verletzung der durch die Bundesverfassung garantierten Handels- und Gewerbefreiheit könnte dadurch begegnet werden.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Der Rekurrent L. Meisser stellt wegen Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung das Begehren, erstens um Aufhebung der Verordnung der Gemeinde Klosters vom 15. Oktober 1905, welche die Ausfuhr von zerkleinertem Holz aus der Gemeinde verbietet, zweitens um Aufhebung des Beschlusses des Kleinen Rates des Kantons Graubünden vom 18./25. Januar 1907, in welchem die Behörde eine Bussenverfügung des Vorstandes von Klosters vom 6. Mai 1906 wegen Übertretung des genannten Verbotes bestätigt hat.

2. Soweit die Beschwerde auf Aufhebung der Verordnung vom 15. Oktober 1905 gerichtet ist, ist sie verspätet, da die in Art. 179, Ziffer 3, des Organisationsgesetzes vorgeschriebene 60tägige Rekursfrist längst abgelaufen ist. Es kann somit auf dieses Begehren nicht mehr eingetreten werden.

Die Tatsache, dass die Aufhebung der Verordnung selber nicht mehr verlangt werden kann, schliesst aber die Prüfung ihrer Verfassungsmässigkeit nicht aus, sofern diese Prüfung notwendig ist, um die Verfassungsmässigkeit einer auf Grund der Verordnung

579 ·erlassenen Verfügung zu entscheiden. Salis, Bundesrecht II, Nr. 292 U.

3. Der Bundesrat hat schon mehrmals entschieden, dass Gemeinden und Korporationen als Eigentümerinnen von Waldungen, ·denjenigen, denen sie Holz abgeben, einschränkende Bedingungen .auferlegen können, z. B. das Verbot der Weiterveräusserung oder der Ausfuhr des Holzes aus der Gemeinde. (Salis, Bundesrecht II, S. 531, Nr. 750.) Gegen das Ausfuhrverbot der Gemeinde Klosters wäre daher nichts einzuwenden, wenn es von der Gemeinde als Eigentümerin von Korporationswaldungen erlassen wäre und sich nur an die Bezüger von Korporationsholz wendete. Allein das Verbot richtet sich gegen die Ausfuhr alles zerkleinerten Holzes irgendwelcher Herkunft durch irgendwelche Personen und es hat daher den Charakter einer allgemein verbindlichen Verordnung der Gemeinde als öffentlichrechtlicher Korporation. Es ist daher zu prüfen, ob dieses allgemeine Verbot mit dem Grundsatze des Art. 31 der Bundesverfassung im Einklang stehe.

4. Das Verbot, zerkleinertes Holz aus der, Gemeinde Klosters auszuführen, ist nach Art. 31, lit. e, der Bundesverfassung zulässig, wenn es eine durch die Forstpolizei geforderte Massregel ist. (Salis, II, Nr. 749 a 5 751, Ziff. 3.) Nach den Ausführungen der Regierung des Kantons Graubünden dient nun das Ausfuhrverbot der Forstpolizei deshalb, weil das zerkleinerte Holz nicht gestempelt und daher nicht auf seine Herkunft geprüft werden kann, und die Erlaubnis, solch unkontrollierbares Holz auszuführen, den Holzfrevel und die ordnungswidrige Fällung ·eigenen Holzes begünstigen würde.

Dem gegenüber ist jedoch zu bemerken, dass die Kontrolle über das Fällen von Holz und den Holzfrevel in genügender Weise durch die auch im Kaoton Graubünden vorgeschriebene Zeichnung des Stockes und des Stammes durch den Förster ausgeübt werden kann und dass eine nachträgliche Kontrolle darüber bei der Ausfuhr überflüssig ist. Der Zweck der Bekämpfung des Holzfrevels und des unberechtigten Fällens von Holz reicht daher nicht aus, die angefochtene, dem Handel und Wandel auferlegte Beschränkung zu rechtfertigen. Dagegen ist anzuerkennen, dass die ·Gemeinde Klosters, deren Waldungen zum weitaus grössten Teil Korporationswaldungen sind und in der der Handel mit Holz aus Privatwaldungen und mit eingeführtem Holz ohne Bedeutung ist, ein berechtigtes Interesse daran hat, zu verhindern, dass diejenigen, ·die Korporationsholz zu herabgesetztem Preise beziehen, es mit

580

Gewinn veräussern, und dass die Verhinderung dieses Missbrauches auch der Erhaltung des Waldes dient. Das Verbot ist daher, nicht ohne weiteres aufzuheben, die Gemeinde Klosters ist nur zu verhalten, denjenigen, die Holz auf rechtmässige Weise aus ihren Privatwaldungen oder von auswärts bezogen haben, zu ermöglichen, des Holz zu zerkleinern und aus der Gemeinde auszuführen ; zur Kontrolle, dass nicht Korporationsholz ausgeführt werde, ist die Gemeinde aber befugt, das zur Ausfuhr bestimmte Holz vor der Zerkleinerung mit einem besondern Stempel zu versehen und zu messen, wie es im Gutachten des Oberforstinspektorats' ausgeführt ist.

5. Da das absolute Ausfuhrverbot, wie es bisher bestand, mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht vereinbar war, ist auch die wegen der Übertretung des Verbotes ausgesprochene Busse aufzuheben, es wäre denn, dass dem Rekurrenten nachgewiesen würde, dass das von ihm ausgeführte Holü Korporationsholz war.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird, soweit sie sich auf die Aufhebung des Holzausfuhrverbotes der Gemeinde-Klosters vorn 15. Oktober 1905 bezieht, als verspätet abgewiesen ; soweit sie sich dagegen auf die dem Rekurrenten auferlegte Busse bezieht, mit dem unter Ziffer 5 der Erwägungen gemachten Vorbehalt gutgeheissen.

B e r n , den 28. Juni 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates.

Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:.

Bingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des L. Meisser in Klosters gegen das Verbot der Ausfuhr von zerkleinertem Holz. (Vom 28. Juni 1907.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1907

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

30

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

10.07.1907

Date Data Seite

574-580

Page Pagina Ref. No

10 022 508

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.