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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 3. Juni zur ordentlichen Sommersession zusammengetreten.

Als neue Mitglieder sind erschienen: im Nationalrat: Herr Dr. jur. 8 i die r, Otto, von Hohenrain, in Luzern; ,, Dr. jur. G e o r g , Alfred, von Genf, in Petit-Saconnex; im Ständerat: Herr M e r c i e r , Philipp, von Glarus und Lausanne, in Glarus.

Im N a t i o n a l r a t eröffnete Herr Präsident Deeoppet die Session mit folgenden Worten : Meine Herren !

Wir haben schon wieder den Verlust eines Kollegen, des Herrn Ständerat Peter Zweifel, zu beklagen, der wenige Tage nach Schluss der letzten Session gestorben ist.

Herr Zweifel war am 13. Februar 1833 geboren. Er war also eines der ältesten Mitglieder der Bundesversammlung, der er während 17 Jahren angehört hat.

Der Verstorbene hatte in seiner Heimatgemeinde und im Kanton schon eine Reihe von administrativen und richterlichen Ämtern bekleidet, als er im Jahre 1887 in die Glarner Regierung eintrat. Er übernahm die Baudirektion und entwickelte dort eine unermüdliche Tätigkeit. Sein Name wird mit den von ihm erfolgreich durchgeführten bedeutenden Werken, der Klausenstrasse, der Sernftalbahn und den Massnahmen zum Wiederaufbau des durch die Katastrophe von 1881 zerstörten Elm eng verbunden bleiben.

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Von Zweifel kanu man wohl sagen, dass er während seiner langen Laufbahn alle seine Kräfte und sein ganzes Wissen in den Dienst des Vaterlandes gestellt hat.

Seine Glarner Mitbürger haben anlässlich seines Hinscheides seiner Tätigkeit, seiner Schlichtheit, seiner Uneigennützigkeit, seiner Rechtlichkeit, seiner Tatkraft und der Selbständigkeit seines Urteils verdiente Anerkennung gezollt.

Wir schliessen uns alle diesen Trauer- und Sympathiekundgebungen an. Zum Zeichen dafür lade ich Sie ein, sich von Ihren Sitzen zu erheben.

Im S t ä n d e r a t hielt Herr Präsident Wirz folgende Ansprache : Meine Herren Ständeräte!

Seien Sie zum Beginn unserer ordentlichen Sommersession recht herzlich begrüsst! In die Freude, welche beim Wiedersehen altbewährter Freunde und verehrter Kollegen unsere Brust bewegt, mischt sich das wehmütige Gefühl, welches wir dann empfinden, wenn ein Glied des Rates, dessen Pflichteifer und Freundestreue längst erprobt waren, auf immer von uns geschieden ist.

Es war an einem recht unfreundlichen Wintertag, der sich mitten in den Frühling hinein verirrt hatte, als droben im glarnerischen Linthtal neben den Blüten, welche der Lenz entfaltet, auch die dichten Schneeflocken einen frisch aufgeschaufelten Grabeshügel bedeckten. Unter diesem Grabeshügel ruht die sterbliche Hülle des Herrn Regierungsrai und Ständerat P e t e r Zweifel.

Im Alter von 74 Jahren wurde der immer noch rüstige und geistesfrische Greis plötzlich einer regen und weitverzweigten, öffentlichen und privaten Tätigkeit entrissen. Bin Eichenstamm ist gefallen. Zweifel war aus bescheidenen, kleinbäuerlichen Verhältnissen hervorgegangen. Er hat keine Studionlaufbahn zurückgelegt. Eigener Intelligenz und Tatkraft hatte er es zu danken, dass er nicht nur zum tüchtigen und erfolgreich tätigen Geschäftsmann, sondern auch zum angesehenen, einflussreichen und verdienten Beamten emporgestiegen ist. Er hatte seine starken Wurzeln im Volke seiner engern Heimat. Er war mehr noch Volksmann als Staatsmann. Zweifel hat seinem Heimatkanton treffliche und allseitig anerkannte Dienste geleistet. Vor-

321 erst als Gemeindepräsident von Linthtal und in verschiedenen richteramtlichen Stellungen tätig, gehörte er sodann während drei Dezennien der Regierung des Kantons Glarus an, in welcher er die Stelle eines Baudirektors bekleidete. Hier betätigte und bewährte Zweifel seinen eminent praktischen Blick und seine nie erlahmende Arbeitskraft. Auf dem Gebiete der Strassen- uad Wasserbauten hat der Kanton Glarus in der Zeit, in welcher Zweifel das Baudepartement verwaltete, ganz hervorragende Leistungen aufzuweisen. Wenn es sich um die Ausführung derartiger Projekte handelte, stand unser Verewigte allzeit in vorderster Reihe. Seine zähe Ausdauer liess ihn nicht leicht vor einem Hindernis zurückschrecken oder sich nur zaudernd an dasselbe heranwagen. Unvergessen bleibt namentlich die hingebungsvolle Tätigkeit, welche. er entfaltete, als sein Heimatland von der Bergsturzkatastrophe von Elm heimgesucht wurde.

Im Jahr 1890 trat der Hingeschiedene in den Ständerat ein als Nachfolger des Herrn Landesstatthalter Mercier-Heer, des Vaters seines nunmehrigen Nachfolgers. Seither hat er unserem Rate ununterbrochen angehört. Mit seinen amtlichen Pflichten hat er es stets sehr ernst und genau genommen. Falsch und Hehl waren ihm fremd. Er war offenen Wesens und geraden Sinnes. Er barg in einer zuweilen -- jedoch nur scheinbar -- etwas rauhen Schale einen edeln Kern. Sein Charakter kennzeichnete sich durch ein mehr als gewöhnliches Mass von Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Er gehörte zu den Männern jenes Schlages, deren Willen gestählt und deren Urteilskraft geschärft wurde, indem sie sich ihren Weg selbst bahnen mussten und schon in frühen Jahren das Leben auch nach seiner harten Seite kennen lernten. Wenn die tieferen Saiten seines Gemütslebens auch nicht jeden Augenblick antönten, so gaben sie doch im richtigen Momente einen edeln und einen vollen Klang. Gegen andersdenkende und zumal auch gegen andersgläubige Miteidgenossen betätigte unser Verewigte eine wahrhaft tolerante und konziliante Gesinnung. Das Zutrauen des Volkes war ihm eigen' und blieb ihm treu. Mit Peter Zweifel ist aus diesem Saale eine typische Gestalt verschwunden. War auch sein Streben mehr realen als idealen Zielen zugewandt, so schwebt doch über seiner Erscheinung jener Idealismus, welcher den echten Patrioten und den wahren Christen ausmacht.

Meine Herren ! Ich lade Sie ein, das Andenken des hingeschiedenen Kollegen dadurch zu ehren, dass Sie sich von Ihren Sitzen erheben.

322 Meine Herren Ständeräte ! Der Sprechende würde wohl nicht Ihrem Wunsche nachkommen, wenn er kein Wort fände, um an die in der finanzpolitischen und volkswirtschaftlichen Entwicklung unseres Bundesstaates so bedeutungsvolle Tatsache zu erinnern, welche, wenn sie auch nicht gerade mit dem Beginn unserer gegenwärtigen Session zusammenfallt, so doch während der Dauer derselben eintreten wird. In der angedeuteten nationalökonomischen Richtung bildet der Tag einen Markstein, an welchem die s c h w e i z e r i s c h e N a t i o n a l b a n k ihre Schalter der Handelswelt und überhaupt dem verkehrtreibenden Publikum öffnet. Das Werk, das dadurch ins Leben tritt, ist nur mit Überwindung grosser Schwierigkeiten zu stände gekommen. Es entspricht einem allseitig und tief empfundenen Bedürfnis. Möge es dem wirtschaftlichen Aufschwung unseres Landes in dein Masse zur Förderung dienen, wie man es sich von ihm verspricht.

Dieses Werk oder dieses Institut beruht auf einer doppelten Idee und es verdankt dasselbe sein Zustandekommen nur dem Umstände, dass es dem patriotischen Zusammenwirken und der staatsmännischen Einsicht gelungen ist, die beiden Grundgedanken miteinander zu versöhnen, zu verbinden und in den richtigen Einklang zu bringen. Es ist dies auf der einen Seite der nationale Gedanke, welcher in dem Schweizervolke ein staatspolitisch und auch ein wirtchaftlich geeintes Ganzes erblickt, und es ist auf der andern Seite der Wunsch und das Bestreben, auch die K a n t o n e finanzkräftig und leistungsfähig zu erhalten, damit sie die grossen Aufgaben politischer, sozialer und volkswirtschaftlicher Natur, welche ihnen obliegen, zu lösen im stände seien. Wenn es uns immerdar beschieden ist, diese beiden, für die gedeihliche Entfaltung unserer öffentlichen Zustände grundlegenden Ideen in harmonischen Einklang zu bringen, dann ist unberechenbar viel gewonnen für die Wohlfahrt und für die Ehre unseres heissgeliebten Vaterlandes. Möge dem stets so sein ! Mit diesem Wunsche und mit dieser Zuversicht wollen wir an unsere Arbeit herantreten.

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