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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Bewilligung eines Spezialkredites von Fr. 1,600,000 behufs Ausrichtung von Teuerungszulagen für das Jahr 1906 an die eidgenössischen Beamten und Angestellten mit Besoldungen unter 4000 Franken.

(Vorn 2. April 1907.)

Titln der letzten Session des Jahres 1906 wurde den eidgenössischen Räten eine Eingabe der Verbände des Post- und Telegraphenpersonals eingereicht, dahingehend, es möchte diesem Personal für das Jahr 1906 als billiger Ausgleich für die durch die Verteuerung der Lebenshaltung verursachten Mehrausgaben eine Gehaltszulage gewährt werden.

Die Petenten beschränkten sich darauf, die eingetretene Preiserhöhung der Nahrungsmittel, Kleider, Schuhe und gebräuchlichsten Haushaltungsgegenstände, sowie der Mietzinse durch Tatsachen und Zahlen nachzuweisen und auf die schwierige Lage aufmerksam zu machen, in welcher sich, besonders in den Städten, die Beamten und Angestellten, welche für den Unterhalt einer Familie zu sorgen haben und nur bescheidene Besoldungen beziehen, infolge dieser allgemeinen Teuerung befinden. Sie nannten keinen bestimmten Betrag und erklärten, dass sie auf den Billigkeitssinn der Behörden vertrauen und ihnen die Festsetzung der betreffenden Entschädigung anheimstellen.

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Mehrere Mitglieder des Nationalrates, die Herren Heller, Bucher, Hirter und Genossen, einerseits, und Herr ScherrerFüllemann anderseits, stellten bei diesem Anlass Anträge, welche den Wünschen der Gesuchsteller gerecht zu werden suchten.

Die Herren Heller, Bucher, Hirter und Genossen schlugen vor, dem Begehren durch Gewährung einer Gehaltszulage von 10% für das Jahr 1906 an alle verheirateten Angestellten mit Besoldungen unter Fr. 2500 sofort nachzukommen, während Herr ScherrerFüllemann den Bundesrat einladen wollte, die Frage einer Revision des Besoldungsgesetzes im Sinne einer angemessenen Besserstellung der Gesuchsteller zu prüfen.

Infolge der vom Vertreter des Bundesrates abgegebenen Erklärungen, worin hervorgehoben wurde, dass eine Angelegenheit von solcher finanzieller Tragweite nicht so nebenbei und ohne vorgängige Prüfung erledigt werden könne, und des von demselben gegebenen Versprechens, das Ergebnis dieser Prüfung mit Vorschlägen den eidgenössischen Räten in ihrer nächsten Sitzungzu unterbreiten, zogen sowohl die Herren Heller und Genossen^ als Herr Scherrer-Füllemann, ihre Anträge zurück.

Der Bundesrat kommt heute seinem Versprechen nach. Er war zuerst der Ansicht, dass diese Frage ohne Revision des Besoldungsgesetzes gelöst werden könne, wenn man sich darau beschränke, die unteren Besoldungen der VII. Besoldungsklasse (bis auf 2500) zu erhöhen und innerhalb des zwischen Minimum und Maximum einer jeden Klasse bestehenden Spielraums eine ganze Reihe von Aufbesserungen einzuführen. Er kam aber bald zur Überzeugung, dass eine solche Lösung eine grosse Menge von Ungleichheiten fortbestehen lassen und nicht ermangeln würde, sofort neue Beschwerden und Reklamationen hervorzurufen. Er erkannte gleichzeitig auch, dass eine baldige Revision des Besoldungsgesetzes nicht zu umgehen sei, und zwar nicht nur, weil inzwischen die Beamten und Angestellten der Post-, der Telegraphen- und der Zollverwaltung dem Bundesrate neue Eingaben einreichten, von welchen mehrere, sofern man deren Berechtigung anerkennt, Abänderungen der gesetzlich festgestellten Besoldungsskala erfordern, sondern hauptsächlich deshalb, weil die in Revision befindlichen Organisationsgesetze der Post- und der Telegraphen verwaltung die Abänderung gewisser Bestimmungen und Ansätze des Besoldungsgesetzes nach sich ziehen.

Da es somit nicht mehr angeht, die Revision des Besoldungsgesetzes auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben, so sind wir der

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Meinung, dass die Gehaltszulagen, welche wir für 1906 dem eidgenössischen Personal ohne längeres Zuwarten innerhalb der Grenze und bis zur Höhe einer Besoldung von 4000 Franken zu gewähren vorschlagen und die für das laufende Rechnungsjahr 1907 zu erneuern sein werden, nur vorübergehenden Charakter haben sollen, bis die Lage der Gesamtheit unserer Beamten und Angestellten durch die unvermeidliche Revision des Besoldungsgesetzes, die wir in Angriff nehmen werden, in definitiver Weise und für eine ganze Reihe von Jahren geregelt sein wird. Wir dürfen uns nicht verhehlen, dass diese Revision notwendigerweise ein schwieriges und mühsames Werk bedeutet, denn sie muss die Gesamtheit des Personals aller Departemente und aller Verwaltungsabteilungen umfassen, und das Finanzdepartement wie der Bundesrat werden geraumer Zeit bedürfen, um alle dabei auftauchenden Fragen zu prüfen und zu lösen.

Nachdem wir dies vorausgeschickt haben, sprechen wir uns grundsätzlich dahin aus, dass der Bund die ökonomische Lage, auf welche die Eingabe der Post- und Telegraphenangestellten aufmerksam macht, nicht ignorieren darf und dass er aus Billigkeitsrücksichten es nicht verweigern kann, ein finanzielles Opfer zu bringen, um diese Lage zu verbessern, oder wenigstens die Polgen zu mildern, welche sich daraus für unsere durch die Verteuerung der Lebenshaltung am meisten betroffenen Beamten und Angestellten ergeben.

Diese Verteuerung kann nicht in Abrede gestellt werden; sie erstreckt sich auf fast alle Lebensbedürfnisse ; sie äussert sich tagtäglich durch neue Erschwerungen. Wir haben hier nicht nach ihren Ursachen zu forschen oder zu untersuchen, in welchem Masse die Änderungen unserer Zollverhältnisse, der Aufschwung der Geschäfte, die beispiellose Zunahme der gewerblichen Tätigkeit, des Unternehmungs- und Spekulationsgeistes zu diesem Ergebnisse beigetragen haben. Es genügt, festzustellen, dass die Teuerung besteht; und wenn sie sich bei uns infolge interner und gelegentlicher Ursachen vielleicht bemerkbarer macht als anderwärts, so ist sie doch nicht nur unserem Lande eigen ; sie ist eine Erscheinung, die sich überall geltend macht, fast auf der ganzen Welt, und kein unparteiischer Beobachter kann ihr Vorhandensein bestreiten. Da es sich nun so verhält, so muss die Forderung eines Teiles unseres Personals im Prinzip als
berechtigt anerkannt werden, und wir haben die Pflicht, denjenigen, welche infolge ihrer geringen Besoldung und ihrer Familienverhältnisse durch diese Verteuerungskrisis mehr als andere betroffen werden,

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irgendwelche Erleichterung zu verschaffen. Wir müssen es tun unter Schonung unserer Finanzen und Berücksichtigung unserer notwendigerweise beschränkten Budgetverhältnisse.

Deswegen schlagen wir Ihnen vor, den Beschluss zu fassen, dass einem Teile unserer Beamten und Angestellten für 1906 Gehaltszulagen gewährt werden, aber ohne Überschreitung der für das Personal der Bundesbahnen angenommenen Normen, die wir für begründet und angemessen halten. Weiter zu gehen als die Bundesbahn ver waltung und andere Normen aufzustellen, hiesse endlosen Begehren Türe und Tor öffnen.

Die besagten Zulagen würden also auf 100 Franken für jeden verheirateten Beamten und Angestellten festgesetzt, wobei derjenige, welcher die Stütze der Familie bildet, oder der rnit seinen Eltern zusammen lebt und zum Unterhalte des gemeinschaftlichen Haushaltes beiträgt, dem verheirateten Beamten und Angestellten gleichzustellen wäre, und auf 50 Franken für den unverheirateten Beamten und Angestellten.

Wir würden gern, dem Grundsatze der Gleichheit zu liebe, die Wohltat dieser Gehaltszulagen auf die Gesamtheit der Beamten und Angestellten ausdehnen ; aber die Sorge um unsere Finanzen verbietet es und erheischt eine vorsichtige und notwendige Einschränkung. Daher schlagen wir Ihnen vor, diese Zulagen nur an die Beamten und Angestellten mit Besoldungen unter 4000 Franken auszurichten.

Diese sind es vor allem, welche durch den Preisaufschlag am stärksten belastet worden sind und Mühe haben, besonders in den Städten, ihre Lebensbedürfnisse zu bestreiten; für diese erscheint uns daher eine Erleichterung geboten.

Wir beabsichtigten zuerst, für die Verteilung dieser Entschädigungen Unterscheidungen und Abstufungen zu machen, denn die Existenzbedingungen sind ja, auch bei der Teuerung, nicht in allen Gegenden und Ortschaften unseres Landes dieselben; wir haben aber darauf verzichtet, in Anbetracht der Schwierigkeit einer derartigen Klassifizierung und namentlich weil eine solche, trotz aller zu ihrer Aufstellung verwendeten Sorgfalt, schliesslich doch wieder Ungleichheit und Ungerechtigkeit zur Folge haben würde. Wir fügen bei, dass sich nach den von den verschiedenen Departementen gemachten Angaben die Zahl der zu Bedenkenden sich auf 20,300 und der Betrag der unter dieselben zu verteilenden Summen auf Fr. 1,600,000 belaufen würde.

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Im übrigen ersuchen wir Sie, uns zu ermächtigen, die Zuwendung der Zulagen auf Grund und innerhalb der Grenzen des nachstehenden Beschlusses in geeigneter Weise zu regeln.

Allfällige Anstände und Einsprachen wären vom Bundesrate zu erledigen. Wir wollen hoffen, dass dieses Vorgehen dazu beitragen werde, in unserem Personal das Pflichtbewusstsein und das Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber der Verwaltung und dein Publikum zu stärken.

Wir beehren uns also, den nachfolgenden Beschlussentwurf Ihrer Genehmigung zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 2. April 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Bewilligung eines Spezialkredites von Fr. 1,600,000 behufs Ausrichtung von Teuerungszulagen für das Jahr 1906 an die eidgenössischen Beamten und Angestellten mit Besoldungen unter 4000 Franken.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Eingabe vom 24. November 1906, durch welche das Personal der Post- und der Telegraphenverwaltung um Gewährung einer Gehaltszulage wegen der eingetretenen Verteuerung der Lebenshaltung nachsucht; nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 2. April 1907, beschliesst: Art. 1. Den Beamten und Angestellten des Bundes, sowie den ständig in dessen Anstalten und Werkstätten beschäftigten Arbeitern wird für das Jahr 1906 eine Teuerungszulage gewährt, die für jeden verheirateten Beamten, Angestellten oder Arbeiter 100 Franken, und für jeden unverheirateten Beamten, Angestellten oder Arbeiter 50 Franken beträgt.

Der Beamte, Angestellte, oder Arbeiter, welcher die Stütze seiner Familie ist oder, mit seinen Eltern zusammen-

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lebend, an die Kosten des Unterhaltes der Haushaltung beisteuert, wird dem Verheirateten gleichgestellt.

Art. 2. Die Wohltat dieser Zulage wird jedoch auf die Beamten und Angestellten mit Besoldungen unter 4000 Franken beschränkt.

Art. 3. Für die während des Jahres 1906 in den Dienst des Bundes getretenen Beamten, Angestellten und Arbeiter wird die Zulage im Verhältnis zur Dienstzeit berechnet, und nur unter der Bedingung verabfolgt, dass die Dienstzeit im Jahre 1906 mindestens drei Monate betragenhabe.

Art. 4. Zur Auszahlung dieser Teuerungszulagen wird dem Bundesrate ein Kredit von 1,600,000 Franken eröffnet.

Dieser Kredit ist vom Binnahmenüberschuss des Rechnungsjahres 1906 abzuschreiben.

Art. 5. Gegenwärtiger ßeschluss tritt sofort in Kraft.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung desselben beauftragt.

Buadeablatt. 69. Jahrg. Bd. n.

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17.04.1907

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955-961

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