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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Uebertretung des Fischereigesetzes bestraften Johann Binggeli, Bauunternehmer, in Schwarzenburg, Kts. Bern.

(Vom 7. Dezember 1907.)

Tit.

Binggeli wurde dem Polizeirichter verzeigt, weil er am 13. November 1906, wie sich der Rapport ausdrückt, den ganzen Tag hart am Dorfbach in der Nähe seines Etablissements Grien waschen und das Abwasser direkt in den Bach abfliessen liess, so dass das Baehwasser ganz dick floss. Er hatte dieses Vorgehen trotz Warnung durch den Polizeisoldaten und den Fischenzenbesitzer fortgesetzt und ungeachtet früherer Abmahnung durch die Gemeindebehörde.

Eine vom Richter durch Fischereiaufseher von Wattenwyl erhobene Expertise gelangte zu dem Schlüsse, dass die Grienwaschungen des Binggeli für Fische und Krebse, die im Dorfbache vorhanden waren, von grossem Schaden gewesen seien, weil der Sand und Schlamm die Fisch-Laichplätze ausgefüllt und den Krebsbestand dezimiert hätten. Dagegen ergab eine chemische Untersuchung des Bachwassers (Probeentnahme vom 10. Januar 1907) nur unbedeutenden Gehalt an Sand und erdigen Stoffen und die Abwesenheit von Fäulnisprodukten, die dem Fischbestande hätten schädlich sein können (pag. 31/34 und 39/41 der Akten der Untersuchung).

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Auf Grund dieser Feststellungen gelangte der erstinstanzliche Richter zur Freisprechung des Verzeigten, indem er davon ausging, dass Art. 21 des Fischereigesetzes durch die Spezialverordnung des Bundesrates vom. 3. Juni 1889 authentisch dahin interpretiert worden sei, dass nur dann Strafe wegen Verunreinigung von Fischgewässern eintreten solle, wenn diese Verunreinigung durch feste Abgänge aus Fabriken und Gewerken oder durch dem Fischbestande schädliche Flüssigkeiten von der in der Verordnung speziell erwähnten Art herbeigeführt worden sei. Immerhin wurden dem Binggeli die Kosten auferlegt, indem ihm der Umstand zum Vorwurf gemacht wurde, dass er die vielen, für sein Baugeschäft notwendigen Grienwaschungen vorgenommen habe, ohne einen Sandfilter einzurichten.

Infolge Appellation der Staatsanwaltschaft gelangte die Sache vor die Polkeikammer des Obergerichtes, und diese verurteilte den Binggeli wegen Übertretung des Art. 21 des Gesetzes zu dem Strafminimum von Fr. 50. Sie konstatierte, dass diese Vorschrift ganz im allgemeinen verbiete, in Fischgewässer Fabrikabgänge oder andere Stoffe von solcher Beschaffenheit und in solcher Menge einfliessen zu lassen, dass dadurch der Fisch- oder Krebsbestand gefährdet werde und dass demnach auch andere Fälle von Verunreinigung als die in der SpezialVerordnung aufgeführten die gesetzlich angedrohte Strafe nach sich ziehen können.

Dass aber tatsächlich solche Schädigung durch Verschulden von Binggeli eingetreten sei, erachtete das Obergericht als nachgewiesen durch den Befund des Fischereiaufsehers.

Nunmehr ersucht Binggeli um Nachlass der Strafe mittelst Begnadigung, indem er sich auf die Erwägungen des Polizeirichters dafür stützt, dass seine Handlung nicht strafbar gewesen sei, eventuell geltend macht, dass er mit Rücksicht auf die SpezialVerordnung des Bundesrates in guten Treuen habe annehmen können, er sei berechtigt, so zu handeln, wie er getan.

Das eidgenössische Oberforstinspektorat teilt hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des Art. 21 des Fischereigesetzes die Ansicht des Appellationsgerichtes, auch deswegen mit allem Grund, weil eine blosse Verordnung niemals die Wirkung einer Gesetzesvorschrift aufheben oder einschränken könnte. Die Vergleichung der Verordnung mit dem Gesetze zeigt indessen unzweideutig, dass die Verordnung nur die Verhältnisse des Fabrikbetriebes zu dem Fischereirecht ordnen wollte und die im Gesetze verbotenen ändern Verunreinigungen gänzlich ausser Spiel liess.

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Der zweitinstanzlich Spruch gibt daher zu keinen Bedenken Anlass, die eine Aufhebung der Strafe rechtfertigen würden.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag : Es sei das Begnadigungsgesuch des Johann Binggeli abzuweisen.

B e r n , den 7. Dezember 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Uebertretung des Fischereigesetzes bestraften Johann Binggeli, Bauunternehmer, in Schwarzenburg, Kts. Bern. (Vom 7. Dezember 1907.)

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1907

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11.12.1907

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270-272

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