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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Motion des Herrn Nationalrat Oyex-Ponnaz, betreffend die Gewährung von Bundesbeiträgen an Weinverkaufsgenossenschaften.

(Vom 29. November 1907.)

Tit.

Am 16. Juni 1905 haben Sie folgende Motion des Herrn Nationalrat Oyex-Ponnaz erheblich erklärt und uns zum Bericht überwiesen : ,,Zum Zwecke der Unterstützung des schweizerischen Weinbaues und gestützt auf das Gesetz vom 22. Dezember 1893, wird der Bundesrat eingeladen, beförderlichst die Frage zu prüfen, ob es nicht angezeigt wäre, für die Bildung und die Wirksamkeit von Eigentümerverbänden, welche die Produkte ihrer Weinberge unter Garantie der Echtheit abzusetzen geneigt wären,.

Subventionen zu gewähren.

,,Der Bundesrat kann sich das Recht vorbehalten, die Statuten zu genehmigen und die Bedingungen festzusetzen, denen sich die Syndikate zu unterziehen hätten."

Wir kommen dem erhaltenen Auftrage hiermit nach und bestätigen, dass das in der Motion angerufene Bundesgesetz betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund vom 23. Dezember 1893 in Abschnitt E allerdings gestattet, landwirtschaftlichen Vereinen und Genossenschaften Subventionen zu be-

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willigen, aber nur unter der Bedingung, dass die Bundesbeiträge an die Vereine nicht zur ,, E r z i e l u n g eines P r i v a t n u t z e n s d i e n e n ^ (Art. 14, Ziffer 4) und dass die Genossenschaften ,,im allgemeinen landwirtschaftlichen I n t e r e s s e lieg e n d e Z w e c k e v e r f o l g e n 0 1 . (Gleicher Artikel.)

Es bestehen -- zum Teil schon seit 1870 -- eine schöne Anzahl von Gesellschaften und Genossenschaften, die zum Zwecke gegründet wurden, ihrem Obst und Wein günstigeren Absatz zu verschaffen, sei es durch direkten Verkauf, sei es durch vorherige Verarbeitung zu Kirschwasser, Most, Branntwein oder zu alkoholfreien Getränken.

Soviel uns bekannt, ist der Zweck überall in befriedigender Weise erreicht worden, und es ist kaum zu zweifeln, dass auch gut organisierte Winzergenossenschaften, die ihren Konsumenten Gewähr für die Echtheit und Güte ihrer Erzeugnisse zu bieten im stände sind, ebenfalls vorteilhaft arbeiten werden, zumal jetzt, da die Einfuhr des fremden Naturweines mit einem Zoll ,von ungefähr 30 °/o des Wertes belastet ist.

Keine der genannten Verbindungen hat vom Bunde Beiträge an ihre Gründungs- oder Betriebskosten verlangt, und wenn es auch geschehen wäre, so hätten wir -- ungeachtet aller Sympathie für derartige Bestrebungen -- die Gesuche ablehnen müssen, weil durch diese Gründungen die ,, E r z i e l u n g e i n e s P r i v a t n u t z e n s a n g e s t r e b t w i r d a und weil sie nicht ,, i m a l l g e m e i n e n l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n I n t e r e s s e lieg e n d e Z w e c k e verfolgen" 1 .

Auch die Winzerverbände, wie sie der Herr Motionär in Aussicht nimmt, haben zugegebenermassen keinen ändern Zweck, als einen bessern Absatz und höhere Preise für die Erzeugnisse ihrer Weinberge, das heisst einen Privatnutzen zu erzielen, und wenn auch dadurch die Lust am Weinbau und indirekt der Weinbau selber gefördert wird, so darf man das doch nicht eine Verfolgung ,,allgemein landwirtschaftlicher Interessen11 nennen.

Gestützt auf das Landwirtschaftsgesetz vom 23. Dezember 1893 dürfen somit Verbände oder Genossenschaften, die im allgemeinen Konkurrenzkampf höheren Erlös für ihre Erzeugnisse oder billigere Preise für ihre Bedürfnisse erzielen wollen, nicht mit Bundesbeiträgen unterstützt werden.

Damit wäre der uns durch die Motion gestellte Auftrag, und zwar im verneinenden Sinne, erledigt. Es könnte sich noch fragen, ob mit Rücksicht auf die Bedeutung des Weinbaues und seine

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gegenwärtige gedrückte Lage jene hemmenden Gesetzesbestimmungen beseitigt oder doch gemildert werden sollten.

Wir müssen auch dièse Frage verneinen. Es handelt sich um einen Konkurrenzkampf, um einen Kampf zwischen Produzent und Konsument, um Mein und Dein, in den der Staat mit seinen Mitteln, die von allen zusammengetragen wurden, folglich allen gehören, nicht zu gunsten einer Kampfpartei eintreten darf.

Der Weinbau ist allerdings wichtig und gegenwärtig in keiner beneidenswerten Lage. Aber noch mindestens ebenso wichtig ist ein Gebiet, das schon seit langem auf genossenschaftliche Weise bearbeitet wurde: die M i l c h w i r t s c h a f t . Auf ihrem Gedeihen beruht heute fast ausschliesslich das Wohl und Wehe unserer gesamten Landwirtschaft, und die Förderung der Milchverwertungsgenossenschaften würde gewiss eher einer ,,Verfolgung allgemeiner landwirtschaftlicher Interessen" entsprechen.

Auch die Milchwirtschaft ist nicht auf Rosen gebettet. Sie ist vollständig abhängig vom Gange des Käsehandels, obwohl der exportierte Käse kaum ein Sechstel der Milchproduktion bedeutet und als ein Luxuslebensmittel behandelt wird, das zuerst unter den wechselnden Handelskonjunkturen zu leiden hat.

Eine kräftige genossenschaftliche Organisation wäre wohl im stände, das Verhältnis zu verändern und zu verhüten, dass die Preise der Milch, dieses allgemeinsten und notwendigsten Lebensmittels, sowie des weitaus wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisses, vom Preise des verhältnismässig geringen Quantums von Exportkäse diktiert werden.

Solche Organisationen bestehen und suchen eifrig ihre Kraft durch Gewinnung von Mitgliedern und Geldmitteln zu stärken.

Wenn den Winzerverbänden Bundesbeiträge bewilligt werden müssten, so dürften solche jenen Organisationen für eine bessere Verwertung der Milch, überhaupt den vielen landwirtschaftlichen Genossenschaften und Genossenschaftsverbänden, die einen besseren Absatz ihrer Erzeugnisse anstreben, nicht verweigert werden.

Welche Folgen, auch in finanzieller Beziehung, dies haben würde, glauben wir nicht weiter erörtern zu müssen.

Wenn daher die in der Motion gestellte Frage verneint und die weinbautreibende Bevölkerung mit Bezug auf die bessere Verwertung ihrer Erzeugnisse auf die genossenschaftliche Selbsthülfe verwiesen werden muss, so darf dies den Bundesbehörden nicht als Mangel an Teilnahme am Gedeihen des Weinbaues aus-

151 gelegt werden. Der am 27. September 1. J. erlassene Bundesbeschluss betreffend Beitragsleistung an die Kosten der Erneuerung der Rebberge, der ein Opfer von vielen Millionen erfordern wird, sowie die in der gleichen Session grundsätzlich erfolgte .Zusicherung von Beiträgen an die Kosten der Bekämpfung des falschen Mehltaues würden das Gegenteil beweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 29. November 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Motion des Herrn Nationalrat Oyex-Ponnaz, betreffend die Gewährung von Bundesbeiträgen an Weinverkaufsgenossenschaften. (Vom 29. November 1907.)

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04.12.1907

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