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Bundesrats eschlus über

die Beschwerde des Alois Bürgler und des Anton Föllmi betreffend Verweigerung von Fischereipatenten.

(Vom 11. Oktober 1907.)

Der schweizerische Bundes rat hat über die Beschwerde des Alois Bürgler und des Anton F ö l l m i betreffend Verweigerung von Fischereipatenten, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Die im Kanton Schwyz wohnhaften Alois Bürgler von Illgau und Anton Föllmi von Ingenbohl suchten im Jahr 1906 die Niederlassungsbewilligung in der urnerischen Gemeinde Erstfeld nach. Der Gemeinderat bewilligte das Gesuch, der Regierungsrat des Kantons Uri dagegen verweigerte es mit der Begründung, dio beabsichtigte Niederlassung sei nur eine fiktive. Auf Grund des Entscheids des Bundesgerichtes vom 4. Juli 1906 i. S. Föllmi und Heinzer (Amtl. Sammlung der B. Ger. Entscheide 1906, Bd. I, S. 445 ff.) bewarben sich die jetzigen Rekurrenten neuerdings um die Niederlassung in Erstfeld, welche ihnen nunmehr von der Gemeinde am 11./12. April 1907, vom Regierungsrat am 20. April 1907 bewilligt wurde.

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Als die Rekurrenten sich hierauf um die Bewilligung zur Angelfischerei in den fliessenden Gewässern des Kantons Uri bewarben, wurde ihr Gesuch vom Regierungsrat, mit Beschluss vom 18. Mai 1907, gestützt auf § 3 der revidierten Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Buscherei, mit der Begründung abgewiesen, .fldass die beiden Gesuchstcller ihre Niederlassung in der Gemeinde Erstfeld nur erworben haben, um ein Fischereipatent zu erhalten, ohne ihren festen Wohnsitz nach ihrer eigenen Aussage hierher zu verlegen10. Dieser Entscheid wurde den Rekurrenten am 24. Mai 1907"'zugestellt.

II.

Mit Eingabe vom 22. Juli 1907 beschweren [sich Bürgler und Föllmi über diesen Entscheid beim Bundesrat und stellen das Begehren, der Regierungsrat des Kantons Uri sei anzuweisen, ihnen das verlangte Fischereipatent zu erteilen.

Zur Begründung führen sie im wesentlichen folgendes aus: Der angefochtene Entscheid stehe im Widerspruch zum Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit, da er die Rekurre nten an der Ausübung ihres Berufes im Kanton Uri verhindere, Der Bundesrat sei daher zum Entscheid über die Beschwerde zuständig, und zwar auch, soweit neben der Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung eine Verletzung von Art. 4 der Bundesverfassung geltend gemacht werde.

Nach § 3 der urnerischen Fischereiverordnung vom 25. Mai 1891 dürfen Fischereipatente nur an Einwohner, des Kantons, einschliesslich fremde Pensionäre, welche das 16. Altersjahr zurückgelegt haben und im Besitze des Aktivbürgerrechts sind, ausgestellt werden. Diese Bestimmung, deren Vereinbarkeit mit Art. 31 der Bundesverfassung dahingestellt sein möge, sei auf die Rekurrenten in willkürlicher Weise angewendet worden. Der angefochtene Entscheid bilde daher eine Rechtsverweigerung. Die Behauptung, die Rekurrenten haben die Niederlassung in Erstfeld nur erworben, um ein Fischereipatent zu erhalten, sei richtig, könne aber die Patentverweigerung nicht rechtfertigen. Der Zweck der Niederlassung sei für den Entscheid über ein Fischereipatentgesuch ohne Bedeutung. Ausschlaggebend sei nur die Frage, ob die Rekurrenten als Einwohner des Kantons im Sinne des oben genannten § 3 zu betrachten seien. Diese Frage müsse bejaht werden. Wie das Bundesgericht im Entscheid in Sachen Föllmi und Heinzer vorn 4. Juli 1906 betont habe, sei es eine

289 Frage des kantonalen Rechts, was unter Kantonseinwohner im Sinne der angeführten Bestimmung zu verstehen sei, ob hierzu der zivilrechtliche Wohnsitz im Kanton erforderlich ist, oder ob eine Niederlassung ohne Wohnsitz genügt. Die Rekurrenten erfüllen beide Requisite. Allerdings seien ihre Familien noch im Kanton Schwyz zurückgeblieben, da die Rekurrenten, die arme Leute seien, vor einem definitiven Entscheid über ihr Fischereipatentgesuch nicht mit aller Habe hätten umziehen wollen, und weil ihre Familienangehörigen im Kanton Schwyz durch einigen Nebenerwerb zum allgemeinen Unterhalt beitragen können, bis die Rekurrenten sicher seien, im Kanton Uri ihr Auskommen zu finden. Die Rekurrenten aber hätten tatsächlich in Brstfeld Wohnsitz genommen, indem sie dort bei der Witwe Dubs zur Krone je ein Zimmer gemietet und sich verköstigt und ausserdem in der Gemeinde Erstfeld ihre Ausweisschriften, Heimatschein und Leumundszeugnis, deponiert hätten. Der zivilrechtliche Wohnsitz sei also vorhanden. Übrigens genüge zur Erfüllung der in § 3 der Fischereiverordnung aufgestellten Erfordernisse auch schon die blosse Niederlassung, da ja das Patent auch an blosse Pensionäre erteilt werden solle, die doch keinen zivilrechtlichen Wohnsitz am Pensionsorte haben. Jedenfalls seien die Rekurrenten als Pensionäre im Sinne der zitierten Vorschrift zu betrachten und daher zur Fischerei zuzulassen. Dass unter Pensionären nur solche Leute zu verstehen seien, die, im Gegensatz zu den Rekurrenten, bloss zum Vergnügen fischen, sei nicht anzunehmen, da § 3 der Fischereiverordnung offensichtlich den Schutz des einheimischen Gewerbes bezwecke ; hierzu seien aber besondere Massregeln gegenüber Sportfischern nicht nötig.

Wenn auch die Rekurrenten sich jetzt, nachdem ihnen von der Regierung des Kantons Uri das Patent verweigert worden sei, zeitweise nicht in Erstfeld aufhalten, so könne dies ihre rechtliche Stellung nicht beeinträchtigen, da sie eben ihrem Beruf da nachgehen müssen, wo sie ihn ausüben können.

Die Rekurrenten würden sich eventuell damit begnügen, dass ihnen das Patent unter dem Vorbehalt des sofortigen Entzugs erteilt würde, sofern sie ihr Niederlassungsrecht nicht ausüben oder ihren Wohnsitz in Erstfeld aufgeben würden.

III.

In seinen Vernehmlassungen vom 12. August und 17. September 1907 beantragt der Regierungsrat des Kantons Uri Abweisung der Beschwerde und führt aus :

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Die Rekurrenten berufen sich auf einen § 3 der Fischereiverordnung, der gar nicht mehr zu Recht bestehe. Der Landrat des Kantons Uri habe nämlich am 10. April 1900 in Abänderung des § 3 der Vollziehungsverordnung vom 25. Mai 1891 zum Bundesgesetz über die Fischerei folgendes beschlossen: ,,Fischereipatente dürfen nur an Einwohner des Kantons, einschliesslich fremde Pensionäre, welche das 16. Altersjahr zurückgelegt und in bürgerlichen Ehren sind, ausgestellt werden.

,,Unter Einwohnern des Kantons, im Sinne des ersten Absatzes, sind jene Personen zu verstehen, welche ihren festen Wohnsitz im Kantone haben und in demselben ihren bürgerlichen Beruf ausüben. Ein Ansitzverhältnis, welches offenbar nur zu dorn Zwecke begründet wurde, sich ein Fischereipatent zu erwerben, berechtigt daher nicht zum Bezüge eines solchen.

,,In Zweifelfällen entscheidet der Regierungsrat'''. . . .

Der Regierungsrat sei berechtigt gewesen, auf Grund dieser Bestimmung den Rekurrenten das Fischereipatent zu verweigern ; denn durch den Gemeinderat Erstfeld und den dortigen Polizeiposten sei festgestellt worden, dass die Rekurrenten, die von Beruf Landwirte seien, nicht in Erstfeld oder sonstwo im Kanton Uri wohnen, sondern ihr Domizil nach wie vor im Kanton Schwyz haben. Das anders lautende Gefälligkeitszeugnis der Frau Dubs zur Krone in Erstfeld könne neben den amtlichen Feststellungen nicht in Betracht kommen.

Der angefochtene Entscheid stehe auch im Einklang mit den Ausführungen des bundesgerichtlichen Entscheids in Sachen Föllmi und Heinzer, wonach die Niederlassungsbewilligung persönliches Verweilen des Niedergelassenen am Niederlassungsort nicht voraussetze, sondern bloss den förmlichen kantonalpolizeilicheu Ausweis über das Recht zur Niederlassung bilde. Im gleichen Entscheid werde auch betont, dass die blosse Niederlassung in Uri oder gar bloss der Besitz einer urnerischen Niederlassungsbewilligung noch keineswegs den Anspruch auf ein Fischereipatent begründe.

Unter Pensionären im Sinne des § 3 der Vollziehungsverordnung seien nur Personen zu verstehen, die sich zur Erholung im Lande aufhalten uud zu ihrem Vergnügen fischen. Gewerbsmässige Fischerei falle nicht unter diesen Begriff.

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B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Die Rakurrenten berufen sich in Anfechtung dei- Verweigerung des Fischereipatents zunächst auf die Handels- und Gewerbefreiheit, indem sie ausführen, die Patentverweigerung hindere sie an der Ausübung ihres Berufs im Kanton Uri. Dieser Standpunkt der Rekurrenten ist unhaltbar. Die Fischerei ist im Kanton Uri ein kantonales Regal, wie sich aus § 2, Alinea l, der urnerischen Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Fischerei ergibt, welcher lautet: ,,Dem Kanton steht allein das Recht zu, den Fischfang in den öffentlichen Gewässern zu gestatten."· Das Fischen' ist daher im Kanton Uri nicht ein freies Gewerbe und steht nicht unter der Garantie des Art. 31 der Bundesverfassung ; wer in der Ausübung der Fischerei beschränkt wird, kann sich nicht wegen Verletzung dieser Verfassungsbestimmung beschweren fvgl. Salis, Bundesrecht, Bd. V, Nr. 2104).

Der Bundesrat kann daher wegen Inkompetenz auf die Beschwerde nicht eintreten.

Die Beschwerdeführer haben allerdings in Verbindung mit Art. 31 der Bundesverfassung auch Art. 4 der Bundesverfassung angerufen. Der Bundesrat wäre in der Tat zuständig, über diesen Beschwerdepunkt zu entscheiden, wenn das Gewerbe der Rekurrenten den Schutz des Art. 31 der Bundesverfassung genösse und sie in der Ausübung ihres Gewerbes durch die kantonalen Behörden in willkürlicher Weise eingeschränkt worden wären.

Da das Fischereigewerbe aber, wie oben gezeigt, den Schutz des Art. 31 der Bundesverfassung nicht geniesst, ist der Bundesrat gemäss Art. 178 und 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege auch zur Beurteilung dieses Teiles der Beschwerde nicht zuständig.

Demgemäss wird erkannt: Auf dio Beschwerde wird nicht eingetreten.

B e r n , den 11. Oktober 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Biiigier.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des Alois Bürgler und des Anton Föllmi betreffend Verweigerung von Fischereipatenten. (Vom 11. Oktober 1907.)

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