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1903

Botschaft des

Bundesrates an ,die Bundesversammlung betreffend die Unterstützung wiedereingebtirgerter Frauen.

(Vom 31. Oktober 1924.)

Wir sehen uns veranlasst, Urnen den Vorschlag zu unterbreiten, es sei die Beteiligung des Bundes an der Unterstützung der Frauen, welche im Sinne des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903 (Art. 10b) wiedereingebürgert werden und in der Folge der öffentlichen Wohltätigkeit zur Last fallen, durch Bundesbeschluss zu regeln.

Wie Ihnen bekannt ist, hat der Nationalrat anlässlich der Behandlung unseres Geschäftsberichts vom Jahre 1920 das Postulat angenommen: «Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und darüber zu berichten, ob nicht der Bund die Wiedereinbürgerung ehemaliger · Schweizerbürgerinnen, die durch Heirat ihr Schweizerbürgerrecht verloren haben, in der Weise erleichtern sollte, dass er sich an den den Kantonen und den Gemeinden aus der unentgeltlichen Wiedereinbürgerung erwachsenden Armenlasten beteiligt, und ob nicht hierfür ein angemessener Ausgabeposten erstmals in den Voranschlag pro 1922 eingestellt werden sollte».

Wir sind diesem Wunsche unverweilt nachgekommen, indem wir zu dem genannten Zwecke in das Budget für 1922 einen Betrag von Fr. 50,000 einstellten, der sodann von Ihnen genehmigt wurde. Wir setzten in der Botschaft zu diesem Voranschlag auseinander, dass wir in Ausführung des gestellten Postulates den Kantonen auf ihr Ersuchen die Hälfte der ihnen (bzw. ihren Gemeinden) aus der Wiedereinbürgerang von früheren Schweizerinnen erwachsenden Armenauslagen während eines Zeitraumes von zehn Jahren seit dem Datum der Wiedereinbürgerung vergüten würden, sowie weiterhin die Hälfte derjenigen Auslagen, welche nach Ablauf des zehnjährigen Zeitraumes noch für die Erziehung eingebürgerter Kinder unter 16 Jahren aufgewendet werden.

Nach Massgabe dieser Ausführungen Hessen wir die Kostenbeteiligung des Bundes eintreten auf den seit 1. Januar 1922 erwachsenen Unterstutzungskosten für Familien, deren Einbürgerung seit 1. Januar 1915 erfolgt war. Der letztere Zeitpunkt wurde fest-

678 gesetzt mit Rücksicht darauf, dass vom Jahre 1915 an die Zahl der zur Wiedereinbürgerung zugelassenen Frauen durch das Hinzukommen zahlreicher Kriegerwitwen wesentlich zugenommen hatte und infolgedessen den Kantonen und Gemeinden vermehrte Armenlasten auferlegt wurden. Wir haben bereits im Geschäftsberichte für 1922 ausgeführt, dass es eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde, wenn wir aus ökonomischer Zurückhaltung die Wohltat der gesetzlich eingeführten Wiedereinbürgerung gerade denjenigen Frauen verweigern würden, die der Hilfe und des Schutzes ihres früheren Mutterlandes am dringendsten bedürften.

Da wir die Kostenbeteiligung für jeden Wiedereinbürgerungsfall auf zehn Jahre übernommen haben, so musste sich "Zunächst der Bedarf an Geldmitteln durch die neu hinzukommenden Wiedereinbürgerungen der folgenden Jahre steigern und wir haben daher den Unterstützungskredit auf den Voranschlägen der Jahre 1923 und 1924 sukzessive erhöht. Im Jahre 1923 wurden den Kantonen insgesamt Fr. 78,001 vergütet. Für das Jahr 1924 haben wir Fr. 80,000 budgetiert; es dürfte sich indessen dieser Betrag als ungenügend erweisen, da das erste Halbjahr bereits eine Ausgabe von Fr. 44,250 beansprucht hat. Im Voranschlag für 1925 haben wir einen Bedarf , von Fr. 100,000 vorgesehen.

Während des Jahres 1925 werden nun sukzessive die im Jahre 1915 wiedereingebürgerten Frauen aus den Reihen der Unterstützungsberechtigten wegen-Ablauf der zehnjährigen Frist ausscheiden. Indessen dürfte damit gleichwohl der Maximalbedarf nicht erreicht sein, schon deshalb, weil die Zahl der Wiedereinbürgerangen in den letzten Jahren wesentlich zugenommen hat (1923 507 Fälle, gegen 342 im Jahre 1915).

Es ergibt sich folgende Zusammenstellung: DurschnittlicAufwendungung im ter In diese Wiedereingebürgerten Jahrgang in Jahre 1923 für Frans»

u n d ihKindertwurdennn

342 361 355 330 338 414 472 466

3,997. 45 4,314. 90 3,827. 15 6,298. 75 7,989. 15 5,575. 25 10,819. 80 23,609. 45

Fr.

1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922

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I

Fr,

11.69 11.95 10.78 19.08 23.61 13.46 22.92 50.66

1915--1922 3078 66,431.90 (8 Jahrgänge) Gesamtdurchschnitt 1915--1922 21. 58

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h ( «r W i e de e r - dn e i n bl ü

679 Gegenüber dieser Tabelle, welche für die acht Jahrgänge 1915 bis 1922 8078 Wiedereinbürgerungsfälle verzeichnet, muss nun aber für die ZuTEünft, um sicher zu gehen, mit einer durchschnittlichen Zahl von jährlich 500 Wiedereinbürgerungsfällen gerechnet werden, beziehungsweise in einem Jahrzehnt mit 5000 Wiedereinbürgerungsfällen. Dies würde -- die einzelne Wiedereinbürgerung im Durchschnitt zu Fr. 21. 58 berechnet -- für die zehn gleichzeitig in Betracht fallenden Unterstützungsjahrgänge eine Jahresausgabe an Unterstützungsgeldern von Fr. 107,900 bedingen. Eine solche Berechnung würde jedoch den massgebenden Verhältnissen nicht entsprechen. Wenn auch aus obiger Tabelle der Schluss gezogen werden kann, dass jeweilen die Beanspruchung der öffentlichen Wohltätigkeit im Laufe des Jahrzehnts, während dessen der Band sich an den Unterstützungskosten des Einzelfalles beteiligt, allmählich abnimmt, so darf nicht übersehen werden, dass mit dem Jahre 1922 eine weitherzigere Wiedereinbürgerungspraxis eingesetzt hat, indem wir uns veranlasst sahen, die Eücksichten, die vorher den ökonomischen Bedenken der beteiligten Kantone und Gemeinden getragen wurden und zur Abweisung der wirtschaftlich schwachen Elemente geführt hatten, aus humanitären Gründen fallen zu lassen. Man muss daher mit der Tatsache rechnen, dass gegenüber den Jahren vor 1922 der Prozentsatz der wiedereingebürgerten Familien, die der Unterstützung bedürfen, wesentlich angewachsen ist und die Unterstützungsquote von Fr. 21. 58 für den einzelnen Wiedereinbürgerungsfall, wie sie aus den Ergebnissen des Jahres 1923 herausgerechnet wurde, wesentlich zu tief gegriffen ist. Wir glauben vorsichtig rechnend diese Quote auf Fr. 30--40 ansetzen zu sollen. Dies würde bei 5000 gleichzeitig in Betracht fallenden Wiedereinbürgerungsfällen eine maximale Jahresbelastung von Fr. 200,000 ergeben.

Bechtlich qualifiziert sich der vorgeschlagene Bundesbeschluss als eine Massnahme zur Ausführung der durch das Bundesgesetz vom 25. Juni 1903 über die Rechtswohltat der Wiedereinbürgerung aufgestellten Vorschriften. Die Absicht des damaligen Gesetzgebers konnte so lange nicht als erfüllt gelten, als die Wiedereinbürgerung von ökonomischen Rücksichten und Bedenken abhängig blieb und nicht als ein gleiches Recht für alle Bewerberinnen gehandhabt wurde. Wir sind aus
zwingenden Rücksichten der Billigkeit dazu gelangt, den Grundsatz zu vertreten, dass die Verweigerung der Wiedereinbürgerung nur dann erfolgen soll, wenn die Bewerberin infolge schlechten Leumundes dieser Rechtswohltat unwürdig ist.

Dabei möchten wir besonders betonen, dass die Miteinbürgerung der Kinder früherer Schweizerinnen, unter Beteiligung des Bundes

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an den dadurch entstehenden Unterstützungskosten, durchaus in der Linie der von uns verfolgten Einbürgerungspolitik TM Einführung des jus soli -- liegt. In der Tat handelt es sich hier um eine Vorstufe zur Lösung der Fremdenfrage. Die Kinder, deren Einbürgerung mit der Mutter durch ßundesunterstützung erleichtert werden soll, sind üum grössten Teil in der Schweiz geboren und gehören demnach zu den Personen, denen nach dein vorliegenden Entwurf des zu revidierenden Art. 44 der Bundesverfassung das Schweizerbürgerrccht von Geburt an zukommen wird. Soweit also die den wiedereingebürgerten Erauen zufliessenden Unterstützungen für ihre (in der Schweiz geborenen) Kinder Verwendung finden, wird alsdann diese Ausgabe in den Aufwendungen, welche für die Unterstützung der jure soli einzubürgernden Kinder in Aussicht genommen sind, enthalten sein.

Es sei .noch daran erinnert, dass, wie wir bereits im Geschäftsbericht von 1922 ausgeführt haben, die unentgeltliche Wiederaufnahme von Erauen, welche durch Ehe der heimatlichen Nationalität verlustig gegangen sind, in den angestammten Staatsverband, einen internationalen Eeehtsgrundsatz von nahezu allgemeiner Geltung bildet. Vollständigkeitshalber gestatten wir uns, das hierüber Gesagte nochmals hervorzuheben: Wir finden diesen Bechtsgrundsatz ausgesprochen in den Gesetzgebungen von Frankreich und Italien unter der blossen Voraussetzung, dass die Bewerberin im ursprünglichen Heimatstaate Wohnsitz nimmt, sodann auch in der Gesetzgebung Deutschlands, welche als weiteres Requisit noch den unbescholtenen Leumund verlangt. Was die Kinder der Bewerberin betrifft, so statuieren sowohl die deutsche als die französische und italienische Gesetzgebung deren unentgeltliche Miteinbürgerung mit der Mutter, die über sie die elterliche Gewalt ausübt, wobei in den beiden letztern Staaten den Kindern ein Ausschlagungsrecht nach erreichter Volljährigkeit vorbehalten wird.

DieWiedereinbürgerung ist ein Hoheitsakt des Bundes und findet ihre innere Begründung in Erwägungen nationaler und internationaler Natur. Unter diesen Umständen erscheint es als ein Gebot der Billigkeit, dass der Bund sich an den Kosten, die seine Wiedereinbürgerungs · Verfügungen den Kantonen und Gemeinden auferlegen, angemessen beteilige.

Was den Umfang der zu leistenden Bundesunterstützung betrifft, so halten
wir für richtig, dass der bisherige Ansatz, betragend die Hälfte der von den Kantonen und Gemeinden gemachten Aufwendungen, beibehalten werde. Hingegen erscheint es wünschenswert, dass bezüglich der Kinder die Bundesunterstützung bis zum zurückgelegten 18. Altersjahre ausgedehnt werde. Nach dem durch

681 unser Kreisschreiben vom 1. März 1922 festgestellten Ansätze reicht die Bundesunterstützung für die mit der Mutter eingebürgerten Kinder bis zum zurückgelegten 16. Altersjahre, d. h, bis zur Schulentlassung, Auf diese Weise trägt aber der Bund zur Berufsausbildung nichts bei, und es kann leicht vorkommen, dass die Organe der gesetzlichen Armenpflege es unter solchen Umständen für untunlich erachten, dem schulentlassenen Kinde eine Fachausbildung zuteil werden zu lassen, wodurch alsdann die Erwerbsaussichten der jungen Leute und ihre Existenzfähigkeit für die ganze Zukunft geschmälert werden. Daher halten wir dafür, dass, entsprechend der Bemessung der Alimentationspflicht des ausserehelichen Vaters in Art. 319 des Zivilgesetzbuches, der Bundesbeitrag an die Erziehungskosten bis zum vollendeten 18. Altersjahre auszudehnen sei.

Wir empfehlen Ihnen demzufolge den nachstehenden Bundesbeschluss zur Annahme und benützen diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 81. Oktober 1924.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : Chuard.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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(Entwurf.)

ßiiudesbeschluss betreffend

die Unterstützung wiedereingebürgerter Frauen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 44 der Bundesverfassung, in Ausführung des Bundesgesetzea betreffend die Erwerbung des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht auf dasselbe vom 25. Juni 1908, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 21. Oktober 1924, beschliesst :

Art. 1.

Der Bund vergütet den Kantonen auf ihr Ersuchen die Hälfte der Unterstützungskosten, welche ihnen und ihren Gemeinden aus der in Anwendung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903, Art. 10, lit. b, vollzogenen Wiedereinbürgerung früherer Schweizerinnen während eines Zeitraumes von zehn Jahren seit der Wiedereinbürgerungsverfügung erwachsen, sowie die Hälfte derjenigen Auslagen, die zur Unterstützung der mit der Mutter eingebürgerten Kinder bis zum zurückgelegten 18. Altersjahre aufgewendet werden.

Dieser Beschluss findet Anwendung auf die seit 1. Januar 1915 erfolgten Wiedereinbürgerungen.

Art. 2.

Die Kantone haben ihre Vergütungsansprüche halbjährlich binnen spätestens drei Monaten nach Schluss jedes Halbjahres geltend zu machen.

Der Bundesrat wird die erforderlichen Kredite im Wege des jährlichen Voranschlages verlangen.

Art. 3.

Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Unterstützung wiedereingebürgerter Frauen. (Vom 31. Oktober 1924.)

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05.11.1924

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